ueber die nitroverbindungen der fettreihe. fünfte mittheilung

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94 die ganze Atomigkeitslehre, nur ein Ausdrock nicht wegzuleugnender Thatsachen (Kammerer, Pogg. Ann., 138, 414). Vielen wird aueh die Annahine der verschiedenen Bedeutung der Hydroxyle, die alle mit demselben Atom J verbunden sind, unannehm- bar erscbeinen. Wenn man aber von der Ansicht ausgeht, dass die Elemmte zusammengesetzte Kijrper sind, und ihre Eigenschaften rnit den Eigenschaften zusammengesetzter Gruppen und Radicale vergleicht, SO erscheint die Verscliiedenheit der Affinitatseinheiten polyvalenter Atonie nicht nur mijglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich. Kiew, den 21. Jan./2. Febr. 1873. 31. Victor Meyer nnd C. Wurster: Ueber die Nitroverbindnngen der Fettreihe. Fiinfte Mittheilung. (Eingegangen am 6. Febrnar; verl. in der Sitznng von Hrn. Oppenheim). In einer friihcren Mittheilung iiber nitrirte Fettkijrper wurde be- reits des durch Einwirkung von Brom auf Natriumnitroathan oder auf eine kalische Lijsung von Nitroathan entstehenden Brom- prod u c t e s erwiihn t, 1) iiber dessen Zusammensetzung indess noch keine bestimmten Mittheilungen grmacht werden konnten , weil es nicht gelang , durch fortgesetzte Fractionirung ein reines Product zu erhalten. Das Rohproduct, ein nach Chlorpikrin riechendes, heftig zu Thrlinen reizendes Oel (die Fractionirung desselben ist eine ausserst belastigende Arbeit) destillirt zwischen 100 und 160° und wird durch anhaltende fractionirte Destillation in 2 Fractionen gespalten ; die eine, von ca. 100-1200 siedend , ist hauptsachlich unangegriffenes Nitro- athan; die zweite, urn 1500 siedend, wurde bei verschiedenen Opera- tionen in verschiedenen Temperaturgrenzen aufgefangen, namlich bei: 140-160°, 145--155O, 152-157O; ein wirklich constanter Siedepunkt wollte sich nicht zeigen. Brombestimmungen, mit diesen Fractionen ausgefkhrt, ergaben: 60,l G0,O 60,5 pCt. Brom wahrend Mono b r omni tr o a t h a n 51,9, D i bro mni t r o l t h a n G8,66 pCt. Brom verlangt. Hiernach konnte es kaum zweifelhaft sein, dass die hijher sieden- den Fractionen ein Gemisch \-on Mono- und Dibromnitroathan seien, welche sich durch fractionirte Destillation nicht vijllig von ein- ander scheiden lassen. Wir haben nun, wie wir unten zeigen wollen, gefunden, dass es leicht ist, das D i b r o m n i t r o a t h a n ohne weiteree ') V. Meyer und A. Killiet, diese Ber. V S. 1081.

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die ganze Atomigkeitslehre, nur ein Ausdrock nicht wegzuleugnender Thatsachen ( K a m m e r e r , Pogg. Ann., 138, 414).

Vielen wird aueh die Annahine der verschiedenen Bedeutung der Hydroxyle, die alle mit demselben Atom J verbunden sind, unannehm- bar erscbeinen. Wenn man aber von der Ansicht ausgeht, dass die Elemmte zusammengesetzte Kijrper sind, und ihre Eigenschaften rnit den Eigenschaften zusammengesetzter Gruppen und Radicale vergleicht, S O erscheint die Verscliiedenheit der Affinitatseinheiten polyvalenter Atonie nicht nur mijglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich.

K i e w , den 21. Jan./2. Febr. 1873.

31. V i c t o r Meyer nnd C. Wurster: Ueber die Nitroverbindnngen der Fettreihe. Fiinfte Mittheilung.

(Eingegangen am 6. Febrnar; verl. i n der Sitznng von Hrn. Oppenheim). In einer friihcren Mittheilung iiber nitrirte Fettkijrper wurde be-

reits des durch Einwirkung von B r o m auf N a t r i u m n i t r o a t h a n oder auf eine kalische Lijsung von N i t r o a t h a n entstehenden B r o m - p r o d u c t e s erwiihn t , 1) iiber dessen Zusammensetzung indess noch keine bestimmten Mittheilungen grmacht werden konnten , weil es nicht gelang , durch fortgesetzte Fractionirung ein reines Product zu erhalten. Das Rohproduct, ein nach Chlorpikrin riechendes, heftig zu Thrlinen reizendes Oel (die Fractionirung desselben ist eine ausserst belastigende Arbeit) destillirt zwischen 100 und 160° und wird durch anhaltende fractionirte Destillation in 2 Fractionen gespalten ; die eine, von ca. 100-1200 siedend , ist hauptsachlich unangegriffenes Nitro- athan; die zweite, urn 1500 siedend, wurde bei verschiedenen Opera- tionen in verschiedenen Temperaturgrenzen aufgefangen, namlich bei: 140-160°, 145--155O, 152-157O; ein wirklich constanter Siedepunkt wollte sich nicht zeigen. Brombestimmungen, mit diesen Fractionen ausgefkhrt, ergaben:

60,l G0,O 60,5 pCt. Brom wahrend M o n o b r o m n i tr o a t h a n 51,9, D i b r o m n i t r o l t h a n G8,66 pCt. Brom verlangt.

Hiernach konnte es kaum zweifelhaft sein, dass die hijher sieden- den Fractionen ein Gemisch \-on M o n o - und D i b r o m n i t r o a t h a n seien, welche sich durch fractionirte Destillation nicht vijllig von ein- ander scheiden lassen. Wir haben nun, wie wir unten zeigen wollen, gefunden, dass es leicht ist, das D i b r o m n i t r o a t h a n ohne weiteree

' ) V. M e y e r und A. K i l l i e t , diese Ber. V S. 1081.

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absolut rein aus diesem Gemische abzuscheiden ; fui. die Reindarstel- lung des M o n o b r o m n i t r o a t h a n aber bleibt nur der in diesem Falle sehr zeitraubende und beschwerliche Weg , die fractionirte De- stillation der Substanz bis zum Zustande mijglichster Reinheit fort- zusetzen.

Mo n o b r o m n i t r 05 t h an . Dasselbe wird aus der bei 140--160° siedendcn Fraction durch

Destillation abgeschieden; es bildet ein s e h r s c h w e r e s , S u s s e r s t s t e c h e n d r i e c h e n d e s O e l , das bei 145-14S0 ohne Zersetzung

siedet. Seine Zusammensetzung entspricht der Formel C, H, Br 2

Berechnet. Gefunden. C 15,6 15,76 H 2,9 3 2 N 9,l 9,16 Br 51,94 52,8 53,18

Wie die Analyse zeigt, ist die Verbindung fast reines Monobrom- nitroathan, doch zeigt der etwas zu hohe Bromgehalt, dass derselben noch immer etwas der bromreicheren Verbindung anhaftet , welche vollig zu entfernen nicht gelang.

Das M o n o b r o m n i t r o a t h a n enthalt wie das N i t r o a t h a n selbst, H und die N O , Gruppe a n demselben Kohlenstnffatom und besitzt demnach saure Eigenschaften; in starkern wassrigem Kali oder A m - moniak lost es sich unter Erhitzung auf, mit concentrirter Natronlauge giebt es sogleich eine krystallinische Verbindung, die aber i n Wasser oder Alkohol so leicbt loslich ist, dass sie nicht von Natronlauge be- freit werden konnte. Mit alkoholischein Ammoniak erstarrt es zu einem Brei glanzender Krystallblattchen. Alle die so erzeugten Salze enthalten aber schon Brommetall beigemischt, was auf weitergehende Zersetzung deutet, demzufolge lasst sich das Monobromnitroathan auch nicht durch Losen in Alkalien und Ausfallen mit Sauren reinigen. Versetzt man die kalische Losung desselben mit Schwefelsaure, so scheidet sich das Oel wieder a b (unter vorubergehender Griinfarbung der Fliissigkeit), allein demselben ist nun etwas von einem andern Korper, vermuthlich Nitroalkohol , beigernengt; der Siedepunkt des abgeschiedenen und getrockneten Oels ist weniger constant und die letzten Antheile zersetzen sich bei der Destillation unter gelinder Ver- puffung und Entwicklung von scbwarzen , russenden Dampfen.

Die Einwirkung des alkoholischen Ammoniaks in hoherer Tem- peratur, welche zu einem nitrirten Aethylamiu zu fiihren verspricht, sind wir beschaftigt zu untersuchen.

D i b r o m n i t roa t h a n . Diese Verbindung, welche in den oben erwiihnten, hijher sieden-

den Fractionen enthalten ist, konnte aus diesen durch Rectifikation

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nicht abgeschieden werden. Die folgende Betrachtung fuhrte endlich zu einem Wege der Reindarstellung. Druckt man die Constitution des Mono- und Dibromnitroiithans durch folgende Formeln aus:

c H3 p H3 I

’ H urid Br C’ -Br C < -Br

\ N 0, ‘ E O , so sieht man, dass das Dibromnitroiithan, trotzdem es reicher an negativen Gruppen ist, vermuthlich keine sauren Eigenschaften besitzen wird, weil sich kein Wasserstoffatoin an dem mit N 0, verbundenen Kohlenstoff- atom befindet. Diese Verschiederiheit wurde durch dcn Versucli bestatigt. Scbuttelt man die hFher siedenden Fractionen mit Kaiilange, so lost sich ein grosser Theil (Moi~ol;romverbindung) unter starker Erhitzung (die Lijsung erstarrt bei grosser Concentration z u Krystallen), wiih- rend ein schweres Oel ungelost Lleibt, das selbst von der concentrir- testen Kalilauge xiidit verandert wird. Dies ist chemisch reines L) i - b r o m n i t r o l t h a n . Mit Wasser gcwaschen und uber Chlorcalcium getrocknet biidet es eiri wasscrhellrs , sehr bewegliches, mit Wasser nicht mischbares schweres Oel von dem namlichen stechenden Ge- ruche wie die Monobrornverbindung, welchcs vorn ersten bis letzten Tropfen bei 162-164O (uncorr.) siedei. Von der Reinheit dieses ILk- pers iiberzeugten wir uns durch eine Brombestimmung :

Bereclinet. Gefunden.

Br 68,66 68,21. Z u r i c h , den 4. Februar 1873.

32. H e i n r i c h Brunner: Beitrage zur Auffindung des Digitalins und Atropins.

(Eingegangen am 8. Februar; verl. i n der Sitzuug von Hrn. Oppenheim.) Der Nachweis von Digitalin bei gerichtlichen Untersuchungen ist be-

kanntlich mit grossen Schwierigkeiten verknupft, da dasselbe, wcnn schon fiir die reine Qubstanz zienrlich gute Reactionen bekannt sind, bei gerichtlichen Untersuchungen meist in ciner Form erhalten wird, welche den Reageritien die gewiinschte Wirkung erschweren.

Arbeitet man nach dem Verfahren von S t a s - O t t o , so wird der griisste Theil des Digitalins als harzartiger Ruckstand aus der sauren, atherischen Liisung erhalten, wlhrend der geringere Theil desselben in die alkalische Aetherlijsung iibergeht. Aus Letzterer erhalten ist es von Delphinin nicht zu unterscheiden, welches bei Verdampfen mit Phosphorsaure und auch beim Behandelri mit eonc. Schwefelslure und