Über die fähigkeit der pflanze, optische antipoden aufzubauen

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1375 157. Kurt HeO: ober die Fahigkeit der Pflanse, optische Antipoden aufzubauen. [ Aus dem Chemischen Institut tler Techniachen Hochsch;le Karlaruhe i B.] (Eingegarigeri am 8. Juni 1920.) Ich habe letzthin') mit Weltzien gezeigt, daS einige Alkaloide, die ein oder mehrere asymmetrische Kohlenstoffatome besitzen, in Form h e r Racemverbinduogen in der Pflanze vorkommen. Da nicht anzunehmen ist, da13 die Pflanze diese Stofte in anderer Weise be- reitet, als im allgemeinen fur die naturlichen stofflichen Umsatze an- genommen wird, namlich unter Mitwirkung von Enzymen, so habe ich zunLchst auf die im vorliegenden Fall sich ergebende Abweichung vom Prinzip der Spezifitiit der Enzyme aufmerksam gemacht, und daraus auf das Vorhandeneein symmetrischer Enzyme in der Pflanee geschlossen. Ich habe ferner aus dem, nach unseren und anderen Beobachtungen Bhnlicher Art bei Stoffwechselprodukten des Pflaozen- reiches gegenuber nur einem einwandfrei nachgewiesenen, bei patho- logiscbem Stoffwechsel zu beobachtenden Fall des tieriscben Organismus sich ergebenden Gegensatz gefolgert, sdai3 nach den bisher vorliegenden Befunden ein prinzipieller Unterschied in der Arbeitsweise im Tier- und Pflanzen-Organismus hervorgetreten istx. In der voransteheoden Erwidering von H. Pringsheirn, die uns von ibm in.dankenswerter Weise vor der Drucklegung zur Ver- fugung gestellt wurde, nimmt Hr. Pringsheim gegen diese Schlufl- folgerungen Stellung. Wenn irn Zusammenhang mit der von uns aufgerollten Frage auch das Vorkommen der d,l-Galaktose bei der Hydrolyse de3 Cha- gualgummis und des japanischen Norischleimes von Hrn. Pringsheim hingewiesen wird, so geschieht dies auch unseres Erachtens mit Recht. Auch das Vorkommen der d, l-Galaktose, bei deren Isolierung Race- misierung ausgeschlossen sein diirfte, ist ein Beispiel fur einen sym- metrischen Aufbau im Pflanzenorganismus. Auch die d, LGalaktose rniichten wir unseren Alkaloiden an die Seite stel!en, und ful sie die Schluflfolgerung ziehen , auf die wir hinsichtlich der Wabrscheinlich- keit des Vorkommens symmetrischer Enzyme im Pflanzenorganismus gewiesen haben. Auf das Vorkommen der d-Arabinose in dem Gly- kosid Barbaloin und der Rhodeose 'der Jalapenwurzel, des Antipoden der Fucose, haben wir aber nicht zuriickgegriffen, da das Vorkommen je eines Antipoden in Pflanzenindividuen verschiedener Arten dem Prinzip der Spezifitiit der Enzyme nicht widerspricht und in beiden l) B. 53, 119 [1920].

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157. Kurt HeO: ober die Fahigkeit der Pflanse, optische Antipoden aufzubauen.

[ Aus dem Chemischen Institut tler Techniachen Hochsch;le Karlaruhe i B.] (Eingegarigeri am 8. Juni 1920.)

Ich habe letzthin') mit W e l t z i e n gezeigt, daS einige Alkaloide, die ein oder mehrere asymmetrische Kohlenstoffatome besitzen, in Form h e r Racemverbinduogen in der Pflanze vorkommen. D a nicht anzunehmen ist, da13 die Pflanze diese Stofte in anderer Weise be- reitet, als im allgemeinen fur die naturlichen stofflichen Umsatze an- genommen wird, namlich unter Mitwirkung von Enzymen, so habe ich zunLchst auf die im vorliegenden Fall sich ergebende Abweichung vom Prinzip der Spezifitiit der Enzyme aufmerksam gemacht, und daraus auf das Vorhandeneein symmetrischer Enzyme in der Pflanee geschlossen. Ich habe ferner aus dem, nach unseren und anderen Beobachtungen Bhnlicher Art bei Stoffwechselprodukten des Pflaozen- reiches gegenuber nur einem einwandfrei nachgewiesenen, bei patho- logiscbem Stoffwechsel zu beobachtenden Fall des tieriscben Organismus sich ergebenden Gegensatz gefolgert, sdai3 nach den bisher vorliegenden Befunden ein prinzipieller Unterschied in der Arbeitsweise im Tier- und Pflanzen-Organismus hervorgetreten istx.

I n der voransteheoden Erwidering von H. P r i n g s h e i r n , die uns von ibm in.dankenswerter Weise vor der Drucklegung zur Ver- fugung gestellt wurde, nimmt Hr. P r i n g s h e i m gegen diese Schlufl- folgerungen Stellung.

Wenn irn Zusammenhang mit der von uns aufgerollten Frage auch das Vorkommen der d,l-Galaktose bei der Hydrolyse de3 Cha- gualgummis und des japanischen Norischleimes von Hrn. P r i n g s h e i m hingewiesen wird, so geschieht dies auch unseres Erachtens mit Recht. Auch das Vorkommen der d, l-Galaktose, bei deren Isolierung Race- misierung ausgeschlossen sein diirfte, ist ein Beispiel fur einen sym- metrischen Aufbau i m Pflanzenorganismus. Auch die d, LGalaktose rniichten wir unseren Alkaloiden an die Seite stel!en, und f u l sie die Schluflfolgerung ziehen , auf die wir hinsichtlich der Wabrscheinlich- keit des Vorkommens symmetrischer Enzyme im Pflanzenorganismus gewiesen haben. Auf das Vorkommen der d-Arabinose in dem Gly- kosid Barbaloin und der Rhodeose 'der Jalapenwurzel, des Antipoden der Fucose, haben wir aber nicht zuriickgegriffen, da das Vorkommen je eines Antipoden i n Pflanzenindividuen verschiedener Arten dem Prinzip der Spezifitiit der Enzyme nicht widerspricht und in beiden

l) B. 53, 119 [1920].

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Fallen asymmctrische Enzyme voraussetzt. Sonst hiitten auch noch andere Beobachtungen aus dem Pflanzenreich berucksichtigt werden mussen, z . B. das Vorkommen von d an ethyl-heptyl-carbinol im Kokos- 61 I ) , von l- ethyl-heptyl-carbinol im Rautenol2), von d-Methyl-nonyl- carbinol im Kokos6l ') und I- ethyl-nonyl-carbinol a) im Rautenol, oder das Vorkommen von Japan- und Matricaria-Campher in zwei verschiedenen Pflanzeuarten usw.

F u r die Mikroorgaoismen habe ich n u r die H e f e herangezogen, da sie sich beziiglich d e r Bildung ruccrn. Milchsaure typisch uospezi- fisch verhalt. Gerade bei der Bildung der d,l-Milchsaure ist in dem Bestreben, durch Heranziehung eines Bsymmetrischene Zwischenpro- duktes, das spontan in die (/,I-Yilchsaure ubergehen soll, versucht worden, das Prinzip der Spezifitat der Enzyme zu retten. Das ge- trennte Auftreten der hlilchsaure-Antipoden bei verschiedenen Garun- gen, auf das P r i n g s h e i m besonders hinweiet, spricht nicht gcgen pine Spezifitiit i n Aktion getretener Enzyme. ' Dasselbe gilt fur andere ahnliche Falle, z . B. der Bildung von I-Glycerinsaure durch Penicillium, von d-Glycerinsiiure durch den Bacillus ethaceticus.

Das von A b d e r h n l d e n und P r i n g s h e i m beobacbtete Verhalten eioiger Schimu~elpilze Po1.y p e p t i d k e t t e n gegenuber ist zweifellos ein Beispiel des unspezifischen Verhaltens. Hierbei ist nllerdingii zu beriicksichtigeu, daB die Geschwindigkeiten, mit der die beiden optisch- isomeren Leucyl-glycioe durch den PreBsaft aus Allescharia gespalten werden, verscbieden sind. Ebenso ware vielleicht auch hier das Ver- halten von Pilz-Oxydasen3) zu erwthnen, die sowobl 1- als auch tl-Weinsaure zu verbrennen vermogen, ebenfalls mit verscbiedener Geschwindigkeit.

Aus dem vorliegenden Material konnte man wohl annehmen, da13 im Pflanzenreich und im Bereich der niederen Organismen eine Ab- weichung von der F i s c h e r s c h e n Regel weit verbreiteter z u seio scheint, als im Tierreich, und dal3 es scheinen mochte, a19 ob d a s hiiher organisierte Tier die Fahigkeit des symmetrischen Anf- iind Abbaues verlernt habe. Trotzdem kann ich mich dazu bereit e rkkreo , dal3 meine Formulierung in Bezug auf den nprinzipiellen Gegensatz zwischen Tier- und Pflanzenreicha auf Grund des vorliegenden Ma- terials vielleicht vorlaufig noch z u weitgehend ist, und daB gerade in dern Auftreten der d , I - A r a b i n o s e bei StofEwechsel-Anomalie das i n Frage stehende Prinzip bereitp, wie P r i n g s h e i m richtig sagt, durch- lijchert erscheint. Man konnte hier vielleicht noch eine andere Er-

I) A . H a l l e r uiiil A. L a s s i e u r , C. 1910, 11 1913. !') 1'. B. P o m e r u n l F. H. Lees , SIN.. 15, 198 [I902]; C. 1913, I ?!I. 3, .lourn. Physiol. 80, 2.53 [1901]; 34, 199 [1905].

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scheinung anfuhren, die auf ;in unspezifisches Verhalten von Enzymen im menschlichen Organismus schlie13en liiBt. Nach D a k i n l) verseift das Enzym der Leber-Lipase sowohl den.1- wie auch den d-Mandel- siiure-ester des Benzylalkohols, wenn auch ein erheblicher Unterschied i n der Geschwindigkeit beider VorgZinge besteht. Ich miichte mich a h zuniichst in meiner diesbezuglich6n fruher gegebenen SchluB- folgerung beschranken, und hervorheben, daB die stereochemische SpezifitLt der Enzyme im hoher etitwickelten Organismus ZUZU-

nehmen scheint. Nicht einverstanden kann ich mich aber mit der Anschauung

von P r i n g s h e i m uber meine Folgerung der Annahme der symme- trischen Enzyme erkliiren. Die einseitige, stereochemisch spezifische Wirkung der Enzyme ist von v a n ' t H o i f und E m i l F i s c h e r selbst darauf zuruckgefiihrt worden, da13 die Enzyme ebenfalls eine asym- metrische Molekiilstruktur besitzen. Demgegenuber ist es meines Er- achtens nu r ein zwingender SchluB, wenn ich z. B. bei der ausschliea- lichen a) Bildung der Racemform eines so unsymmetriachen Gebildes wie des S c o p o l i n s in der Pflanze auf die Gegenwart symmetrischer Enzyme schlieoe. Einer solchen Folgerung diirlen wir uns aus schwerwiegenden Grunden nicht verschlieben. Den Schwierigkeiten, die der stofflichen Definition eines Enzyms heute noch praktisch ent- gegenstehen, miissen wir moglichst duroh eine weitgehende Definition ihrer Wirkung entgegenzukommen suchen, wenn auch die Schlub- folgerungen indirekter Natur sind. Meine Schlubtolgerung ist aber durch die grundlegenden Arbeiten B r e d i g s und seiner Schiiler weiter- gehend gestutzt, als Hr. P r i n g s h e i m anzunehmen scheint.

Bekanntlioh hat B r e d i g bei einfach gebauten Katalysatoren die stereochemische Spezifitiit nachgeahmt. Es sei a n die katalytische Reeinflussung der Zersetzung von Carnpher-carbonsiuren 3, durch optisch-aktive Baien erinnert, wo Unterschiede zwischen den Zer- setzungsgeschwindigkeiten der Antipoden des Substrates bis zu 50 "10 beobachtet wurden ; es sei ferner auf die Mandelsiiurenitril-Bildung ') unter dem EinfluB von Chinin und Chinidin hingewiesen, wo die Reaktionsgeschwindigkeiten fur die Antipoden des Substrates so ver- schieden durch die Antipoden dcs Katalysators reguliert sind, d a b

l) Journ. Physiol. 30, 233 [1904]; 32, 199 [1905]. a) DaB in dem von verschiedenen Forschern aus der Pflanxe isolierten

CScopolamin es sieh urn eincu partiell racemischen Ester handelt, dessen Aktivitst auf den SBurerest zuriickzufhhren ist, ist von H. K i n g (SOC. 115, 974 [1919]; C. 1920, 1/11 709) gezeigt worden.

a) B. 41, 752 [1908]; Ph. Ch. 73, 25 [19lO], 81, 543 j19131. 4, Bio. Z. 46,1 467 [1912].

91 BerlchCe d. D. Chem. OescllachrfL Jahrg. LIIl.

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bier die asyrnmetrische Synthese des M’andelsaurenitrils durchgefuhrt werden konnte. Es ist von besonderer Bedeutung, da13 die erstere Reaktion dem Typus physiologischer Abbaureaktionen parallel z u setzen ist, wahrend die Mandelsaurenitril-Bildung einen Typus von Aufbaureaktionen vertritt. In beiden Reaktionen ist die stereoche- mische Spezifitat der Enzyme nachgeahrnt, und dadurch die bi-hog in Sonderauffassung verharrende Enzym-Spezifitat dem kinetisch- kata- lytischen Prinzip unterstellt worden.

Es erscheint mir hiernach nicht DkraB., irn Molekul der uarur-

lichen Ferrnente auch sterische Anordnungen wie in den Substraren anzunehrnen und, wozu j a schon v a n ’ t I Io f f und F i s c h e r auf- gefordert haben, z. B. aus der ausschliefilichen Bilduog von t l , l Sco- polin in der Pflanze auf symmetrische Enzyme zu schlieBen, genau wie die bescbleunigte Bildung von d,l-Mandelsaurenitril die Gegen- wart eines syrnmetrischen Basen-Katalysators (Gemisch gleicher Jlen- gen von Chinin und Chinidin) voraussetzt.

Auch kiinnen wir uns hiernach den1 Grundsatz nicht verschlieflen, daB im Aufbau dieselben Gesetze herrschen, wie irn Abbau. L. R o - s e n t h a l e r l) zeigte, daB Ernulsin aus Blausaure und Benzaldchyd die Bildung von d-Mandelsaurenitril begunstigt. Enzyrnatische Xuf- baureaktionen s i d ferner zu Dutzeoden von B o u r q u e l o t uud B r i - d e l in der Glykosid-Reibe in den letzten Jahren durchgefuhrt worden, und diesen Forschern ist in letzter Zeit sogar die Syntbese von Cellobiose a) durch Enzyrnwirkung aus Glykose gelungen. 1:s sei ferner an die Estersynthesen durch Lipase erinneit, an die S y n - these von Isomaltose durch Maltase, an die Bildung von Amygdalin aus Glykose und von Mandelsaurenitril durch Maltase usw.

158 A. Thiel: Zur Thermochemie der Kohlenstoffbindungen. [hus den] Physikalisch-chemisehen Ins t i t u t dcr Universitat Marburg.]

(Eingegangen am 31. Mai 1920.)

Kurzlich hat K. F a j a n s 9 Berechoungen veroffentlicht, aus denen sich als fur den Chemiker wichtigstes Ergebnis zuoachst die ener- getiscbe Gleichheit der Bindung zwiscben zwei Kohlenstoffatomen in gesattigten a l i p h a t i s c h e n V e r bi n d u n g e n rnit der gegenseitigen Bindung der Kohlenstoffatome irn Gitter des D i a r n a n t e n ergibt. Weiterhin ILlh hich d a n n auch der absolute Were der Energie der

I ) Uio. Z. 14, ‘238 [1909]; C. 1909, 1375. 2, C. 1919, l I I / lV 601; C. r. 166, 1016 [1919].

B. 63, 643 [19200].