Über die cytologie des blutes bei dementia praecox

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Uber die Cytologie des Blutes bei Dementia praecox. Von Dr. Hermann Krueger. (Aus der Herzoglichen Heil- und Pflegeanst~lt KSnigslut~er bei Braunschweig [Direktor: Medizinalrat Dr. Gerlach].) ( Eingegangen am 23. November 1912.) W~hrend die serologische Blutuntersuchung sich auch in der Psychia- trie seit Jahren allseitigen Interesses erfreut, sind die Untersuehungen der Morphologie des Blutes Geisteskranker noch sehr sp~rlich. Es ist das um so bemerkenswerter, als yon allen das Thema behandelnden Autoren positive Angaben fiber Ver~nderungen des Blutbildes gemacht sind, wenngleich zum Tell einander widersprechende, andererseits auf die Erforschung der k6rperlichen Grundlagen der Psyehosen gerade in neuester Zeit groi~es Gewieht gelegt wird. Es ist wohl die fiberhaupt noch in der I-I~matologie herrschende Unsicherheit in der Bewertung pathologiseher Befunde schuld daran, da• dieser Zweig unserer Gesamt- disziplin in der Psyehiatrie venlaehl~ssigt wurde, insofern man sich yon den an sich ziemlich mfihsamen Untersuchungen einen entsprechen- den nutzbringenden Effekt ffir die Erkenntnis der Krankheiten nieht versprach. Positive Befunde yon Blutver~nderungen sind eigentlich nur im Sinne einer Reaktion auf entziindliche Prozesse, die sich im Zentral- nervensystem abspielen, zu erwarten. Da letztere, wieder abgesehen yon den F~llen, in denen Infektionserreger das Gehirn fiberschwemmen, der Ausdruck einer Intoxikation, zum grSi~eren Teile noch unbekannter Art sein diirften, so wird uns eine derartige Blutver~nderung das Be- stehen toxischer Vorg~nge im K6rper, sei es, dal~ dieselben nut das Gehirn betreffen, sei es, dai~ sie neben anderen Organen aueh das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen, wahrscheinlich maehen, beziehungsweise uns den Ablauf der Intoxikation erl~utern k6nnen. Deshalb sind es auch haupts~chlich die Psychosen, bei denen eine organische Grundlage vermutet wird oder schon festgestellt ist, die die Autoren auf diesem Gebiete angezogen haben und unter diesen wieder besonders die Dementia paralytiea, die Epilepsie und die Gruppe der Dementia praecox. Die Schizophrenie bietet mit ihren mannigfachen Krankheits-

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Page 1: Über die cytologie des blutes bei dementia praecox

Uber die Cytologie des Blutes bei Dementia praecox.

Von Dr. Hermann Krueger.

(Aus der Herzoglichen Heil- und Pflegeanst~lt KSnigslut~er bei Braunschweig [Direktor: Medizinalrat Dr. Gerlach].)

( Eingegangen a m 23. November 1912.)

W~hrend die serologische Blutuntersuchung sich auch in der Psychia- trie seit Jahren allseitigen Interesses erfreut, sind die Untersuehungen der Morphologie des Blutes Geisteskranker noch sehr sp~rlich. Es ist das um so bemerkenswerter, als yon allen das Thema behandelnden Autoren positive Angaben fiber Ver~nderungen des Blutbildes gemacht sind, wenngleich zum Tell einander widersprechende, andererseits auf die Erforschung der k6rperlichen Grundlagen der Psyehosen gerade in neuester Zeit groi~es Gewieht gelegt wird. Es ist wohl die fiberhaupt noch in der I-I~matologie herrschende Unsicherheit in der Bewertung pathologiseher Befunde schuld daran, da• dieser Zweig unserer Gesamt- disziplin in der Psyehiatrie venlaehl~ssigt wurde, insofern man sich yon den an sich ziemlich mfihsamen Untersuchungen einen entsprechen- den nutzbringenden Effekt ffir die Erkenntnis der Krankheiten nieht versprach.

Positive Befunde yon Blutver~nderungen sind eigentlich nur im Sinne einer Reaktion auf entziindliche Prozesse, die sich im Zentral- nervensystem abspielen, zu erwarten. Da letztere, wieder abgesehen yon den F~llen, in denen Infektionserreger das Gehirn fiberschwemmen, der Ausdruck einer Intoxikation, zum grSi~eren Teile noch unbekannter Art sein diirften, so wird uns eine derartige Blutver~nderung das Be- stehen toxischer Vorg~nge im K6rper, sei es, dal~ dieselben nut das Gehirn betreffen, sei es, dai~ sie neben anderen Organen aueh das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen, wahrscheinlich maehen, beziehungsweise uns den Ablauf der Intoxikation erl~utern k6nnen.

Deshalb sind es auch haupts~chlich die Psychosen, bei denen eine organische Grundlage vermutet wird oder schon festgestellt ist, die die Autoren auf diesem Gebiete angezogen haben und unter diesen wieder besonders die Dementia paralytiea, die Epilepsie und die Gruppe der Dementia praecox.

Die Schizophrenie bietet mit ihren mannigfachen Krankheits-

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102 H. Krueger:

~uBerungen und ihrer in vSlliges Dunkel gehiillten Genese so viel In- teressantes und Unaufgekl~rtes, daB sich immerhin eine Reihe yon Ar- beiten meist allerdings ausliindischer Autoren mit der Morphologie des Blutes derartiger Kranker befaBt.

Nach B r u e e und P e e ble s, die Blutuntersuehungen bei den ver- schiedensten Geisteskrankheiten machten und bei Dementia praecox eine ttyperleukocytose feststellten, waren es zuerst Dide und C h6 n ais, die speziell das Blut Schizophrener untersuchten und dabeiVermehrung der eosinophilen Zellen fanden. Es handelte sich dabei um 18 F~lle, die der k a t a t o n e n Form angehOrten.

In ciner zweiten Arbeit pr~zisiert Bruce seinen Standpunkt ge- nauer. Ffir K a t a t o n i e sci in akuten Fi~llen yon 3 4 Woehen Dauer eine Leukocytose von etwa 20 000 Zellen typiseh, wovon 70--80~o neu- trophile polynucle~re seien. Sp~rlicher seien die letzteren in den F~llen mit bloi~ 12--14000 Leukoeyten. Unmittelbar vor l%iickgang der katatonen Erscheinungen steige die Zahl der weiBen BlutkSrperchen bis auf 68 000, die Prozentzahl der Neutrophilen auf 90~o. Im kata- tonischen Stupor betrage die Zahl der weiBen BlutkSrperchen nut etwa 10 000, wovon etwa 60~o neutrophile KSrnung zeigten. Steige dann die Zahl der Leukocyten ebenso wie die Prozentzahl der Polynucle~ren, so sei Hoffnung auf Genesung vorhanden. Aueh das Ansteigen der eosinophilen Blutzellen (bis auf 15~/o) mit gleichzeitiger oder folgender Steigerung der Zahl fiir die Neutrophilen sci ein hoffnungsvolles Zeichen. B(~se Prognose g~ben die F~lle mit unter 50~o Neutrophilen.

Bei der H e b e p h r e n i c schwankt nach Bruce die Zahl der Leuko- cyten zwischen 12000 und 30 000. Selten findeV sich dabei eine hohe Prozentzahl fiir polynucle~re, dagegen oft Steigerung der Zahl der grol3en mononucle~ren Zellen bis 20 und 30%. In F~llen, die in Genesung iibergehen, sinkt die Zahl der weil3en BlutkSrperehen unter 10 000; die eosinophilen Zellen steigen dabei nicht fiber 3--4~/o.

Sandr i untersuchte 40 Schizophrene. Er land fiir alle Formen der Dementia praecox eine leichte Steigerung der absoluten Leukoeyten- zahlen. Dabei verschoben sich die Prozentzahlen ffir die verschiedenen Formen der Erkrankung derart, dab bei der I-[ebephrenie die mono- nucleKren Zellen relativ vermindert, bei der K a t a t o n i e dagegen vermehrt waren. Diese Erschcinung einer quantitativen Versehiebung der Elemente ist bald naeh der Erkrankung nachzuweisen. Er beschreibt einen Fall, der zun~chst unter dem Bilde der Hebephrenie verlief, dann zur Katatonie wurde und mit dieser Umwandlung des klinisehen Bildes auch die cytologische Formel im oben angedeuteten Sinne ~nderte. Er ffihrt die BlutverKnderung auf die bei der Dementia praeeox wahr- scheinliche Intoxikation zuriick.

K uhn land ebcnfalls bei Katatonikern hohe Lymphocytenzahlen

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und Vermehrung der eosinophilen Elemente. Er konnte in zwei FEllen von Remission mit Fortschreiten der Besserung eine AnnEherung des Blutbildes an das normale beobachten. Ebenso sahen P u r d u m und Wells Zunahme des Prozentsatzes an mononucl~ren und eosinophilen Zellen bei niedrigem Anteil der Neutrophilen an der Gesamtzahl.

L u nd v all (zitiert nach H eil e m a n n) fand bei Dementia praecox im allgemeinen normale Blutverh~ltnisse. Dagegen machen die Patien- ten nach ihm periodisch wiederkehrende Blutkrisen durch, die in Hyperglobuhe und Hyperleukocytose bestehen. Er faBt dieselbe als Zeiehen einer Toxinanh~ufung im Blute auf, der, sobald sie eine gewisso Intensit~t erreicht habe, Reizerscheinungen auf psychisehem Gebiete folgen,

H. Schu l t z fand im Blute katatoniseher Verbl6dungszust~nde leiehte anEmische Erscheinungen, die er auf BegleitumstEnde, besonders die Ern~hrung zurfickfiihrt.

Nach I t t e n s vorl~ufiger Mitteilung sind Fglle yon Demantia praecox mit fiber 12 000 Leukocyten s~mtlich chronische, vOllig intro- vertierte, ~u$erlich stark verbl6dete mit minimaler Genesungswahr- scheinlichkeit. Doch hatte auch ein Fall mit hoher Leukocytenzahl eine ziemlich gute Zustandsprognose, wogegen ein alter schwerer Kata- toniker trotz Katalepsie, Cyanose usw. ziemlich normale cytologische Verh~ltnisse aufwies. Fglle mit stark atonischem depressivem Ver- halten weisen eine relativ geringe Anzahl von Leukocyten auf. In den Verh~ltnissen der Prozentzahlen der einzelnen Leukoeytenformen scheint sieh nach I t t e n niehts Gesetzm~Biges zeigen zu wollen. F~lle mit geringer Zahl der Neutrophilen geben eine schlechte Prognose, aber oft aueh solehe mit relativ hoher Neutrophilenzahl, Mastzellen und Eosinophilie.

H e i l e m a n n endlich gibt die Resultate von Blutuntersuchungen bei 150 Fgllen von Dementia praeeox, von denen er aber nut eine Tabelle von 24 F/~llen aufffihrt. Er land, dal~ die absolute Zahl der weiBen Blutk6rperchen in vielen Fgllen etwas, abet meist nicht erheblich ge- steigert sei. Dabei wiesen die polynucle~ren Elemente durehgehend eine betrgehthehe Verminderung zugunsten aller anderen Zellformen auf. Sowohl die Lymphoeyten als auch die gro~en mononucl~ren Zellen und die eosinophilen beteiligten sich an der Zunahme. Er l~l~t dabei die Frage often, ob Unterschiede zwisehen den verschiedenen Formen der Schizophrenie best~nden, bemerkt aber, dal~ sich die hohen Zahlen ffir eosinophile Zellen im allgemeinen bei Kranken fgnden, bei denen die k a t a t o n e n Symptome vorherrschten. Er betont schhefilich, dab das Blutbild unabhgngig yon Alter und Geschlecht sei, dab es sieh bei keiner anderen Psychose f~nde und sich dem n~here, das beim jungen Kinde physiologiseh sei.

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104 H. Krueger:

Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen sind danach sehr verschieden. Wenn wir von den Untersuchungen Bruces , der aul3er- ordentlich hohe absolute Leukocytenzahlen land, absehen, so wird iiber- einstimmend angegeben, da~ die absolute Vermehrung der weii3en Blut- k6rperchen sich in m~l~igen Grenzen h~lt. Betont wird yon allen Au- toren, da~ sich das Prozentverh~ltnis der einzelnen Formen der Leuko- cyten verschiebt. W~hrend diese Verschiebung nach den einen (Heile- m a n n , K u h n , P u r d u m und Wells) durchgehend zugunsten der lymphoeyt~ren Elemente statthat, geben andere (Bruce, Sandri) Unterschiede im Prozentverh~ltnis der verschiedenen Arten yon wei~en Blutk6rperchen je nach der Form der Erkrankung an. Von den meisten Autoren wird schlieBlich die Hiiufigkeit st~rkerer Vermehrung der eosinophilen Zellen angegeben, von einzelnen (H eile m a n n, K u h n, Bruce , Dide und Ch6nais) auf den Zusammenhang dieser Eosinophilie mit dem katatonen Symptomenkomplex hingewiesen. Im einzclnen weisen die Resultate der verschiedenen Autoren recht grol3e Differcnzen, Ja Gegens~tze auf. Der Theorie L u n d v a l l s , das sei gleich an dieser Stelle hervorgehoben, ist niemand gefolgt, seine Angaben sind nirgends best~tigt.

Aus dem Krankenmateriale der psychiatrischen Klinik zu Rostock sowie den Pfleglingen der hiesigen Heft- und Pflegeanstalt habe ich an 100 Kranken, die nach der heutigen Anschauung der Gruppe der De- mentia praecox angeh6ren, Blutuntersuchungen vorgenommen, deren Resultate unten folgen.

Die Kranken geh6rten den verschiedensten Formen der Schizo- phrenie an. Es ist hier nicht der Ort, auf die Streitfragen der Syste- matik der Psychosen, besonders der Symptomatik der Dementia praecox einzugehen. MaBgebend war die Symptomatik, wie sie K r a e p e l i n , B leu le r usw. entwickelt haben. Die Schwierigkeiten der Trennung der Hebephrenie vonder Katatonie traten selbstverst~ndlich h~ufig hervor. Nach dem Uberwiegen der einen oder anderen Symptome wurde die Unterform bestimmt. Es wurden m6glichst Kranke ver- schiedensten Alters und verschiedenster Krankheitsdauer ausgew~hlt. Naturgem~13 mu~ten auch Endzust~nde beriicksichtigt werden, die den Symptomen nach zweifellos solche der Dementia praecox bildeten, wo aber die Anamnese 6fret im Stiche liel3. Von den Unterformen der Dementia praeeox, wie K r a e p e l i n sic entwickelt hat, kamen nur die Hebephrenie und die Katatonie in Betracht. Si~mtliche F~lle, die mit reichlicherer Wahnbildung verliefen, dabei sicher der Schizophreifie angehSrten, batten daneben so viel tIebephrenes an sich, dab man nur mit Gewalt sic einer besonderen Dementia paranoides h~tte einordnen k6nnen, die j a K r a e p e l i n selbst in seiner neuesten Ver6ffentlichung fast ganz fallen l~13t.

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0ber die Cytologie des Blutes bei Dementia praecox. 105

Neben der Unterform der Erkrankung schien mir yon besonderer Bedeutung die Dauer derselben. Wenn wit in dem pathologischen ProzeI~ der Dementia praecox einen fortsehreitenden zu erblieken haben, so ist anzunehmen, dab derselbe auch eine Grenze findet, da die Krank- heit an sich nach unserer heutigen Anschauung nicht unmittelbar zum Tode fiihrt, wie z. B. die Dementia paralytica, was unsere langjs Anstaltsinsassen uns jeden Tag demonstrieren. Der Ablauf des Pro- zesses selber erstreckt sich dabei fiber sehr verschiedene Zeitdauer. Diesen verschiedenen Verlaufsstadien, dieser verschiedenen Intensit~t des Pro- zesses k6nnten verschiedenartige Blutbefunde entsprechen, sofern sic fiir die Sehizophrenie spezifisch ws Die Lebensweise, die B l e u l e r unter den zu berficksiehtigenden Faktoren noeh besonders erw/ihnt, glaube ich vernachl/s zu kSnnen, da sie bei unseren Anstalts- kranken eben eine absolut gleiehm/il~ige ist, leider ja so gleiehm/if3ig, dall wir eine Versimpelung unserer Anstaltsinsassen in den meisten F/illen nicht hintanhalten k6nnen. Das gleiehe gilt yon der Erns

Bestimmt wurde der Hs mit dem S ahlischen H~mo- globinometer, die Zahl der roten und weiSen Blutk6rperchen durch Auszs mittels Thoma-Zeif~schen Apparates. Die Ausstrich- trockenprs wurden mit Ehrliehseher Triazidl6sung ffir neu- trophile Granula gefiirbt. Die Ausz/ihlung der Leukocyten selbst geschah bei 01immersion unter einfachem Versehieben des Pr~parates. Die Blutentnahme gesehah ausnahmslos aus dem Ohrl~ppchen unter mSglichster Vermeidung der Yerdauungshyperleukocytose. Patienten, bei denen eine kSrperliche Erkrankung die psychische komplizierte, oder auch nur der Verdacht auf Bestehen einer sts Ausbreitung chroniseher Krankheiten, besonders der Tuberkulose, bestand, wurden ausgesehaltet. Die Prozentzahlen sind der besseren Ubersicht halber in gew6hnlicher Weise abgerundet.

Der H/~moglobingehalt des Blutes, der in der Norm etwa 95% ffir M~nner und 85% ffir Frauen betr/igt, h/ilt sigh bei der Dementia praecox nach vorstehenden Untersuehungen durchgehend in normalen Grenzen. Wo sieh kleine Abweiehungen finden, sind sie durch den allgemeinen kSrperliehen Zustand bedingt. Die Bereehnung der Durchschnitts- zahlen ergibt bei M/innern wie bei Frauen eine minimale Differenz zu- gunsten der Hebephrenie gegeniiber der Katatonie (96,76 bzw. 84,8 gegen 92,25 bzw. 82,3). Irgendeine Wichtigkeit ist dem aber bei der Geringfiigigkeit der Untersehiede wohl nieht beizumessen. Vielleieht h~ngt dieselbe mit den auch sonst hs Anomalien der Blutvertei- lung bei Katatonikern zusammen.

Dem H~moglobingehalt entspricht die Zahl der roten BlutkOrper- chen vollkommen. Es ergeben sieh durchaus normale Zahlen mit den auch bei Gesunden vorkommenden Sehwankungen. Die geringen Unter-

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Tabe l le I.

cyten g ~ S~ .~ ==*~ Art der Erkrankuvg

~ ~ ~ I

~ U .

2 S~r. 3 Ku. 4 Seh. 5 Le. 6 Fr. 7 Kr. 8 G~. 9 Jii.

l0 Ra. 11 Br. (?) 12 Ge. 13 Ma. 14 Wi.I. 15 Ne. 16 Eh. 171De. 18 So. 19 'Vo. 20 B6. 21 Re. 22 Ri. 23 Wi. II. 24 Ju. 25 Hu.

26 Bo. 27 Qu. 28 Bu. 29 Be. (?) 30 De. 31 Ca. 32 To. 33 Pe. 34 Vo. 35 La. 36 Br. 37 Ge. 38 Bo. 39 B~. 40 De. 41 Ke. 42 ~Lu. 43 :Me. 44 He. 45 IMi. 46 I Beu. 47 Jo. 48 Sch. 49i Re.

M g n n e r DO 15200000 7800

o o o o o o o o o

90955000000 600061351 ID0 5200000 7500 63 341 95 5 400 000 15 100 62 351 90 5 000 000 10 800 63 331 85 5200000 11700 62 321

1 5 200 000 10 200 64 32i 95 15040000 9300 63 33[ 95 15 200000 10 000 68 281

~.-~ r ~ ~ ~ ~ ~= Erythro-

c, on

I 583St 1 3 2 4 2 2 2 1 2 1 2 2 3 3 1 3 2 2 2 2

66 68 62 62 56 58 53 52 53 42 63 57 64 53 69

Hebephrenie

85 15 000 0001 5 500 1D0 15000000 6600

I

95 15000000 9100 95 14 800 000 J10 000 98 15 500 000113 000 9014800000 ,' 8100 84 15 200 000 ,~ 8 200 90 14 7000001 6800 871480000017100 9515200000[ 9200 9 4 5 0 0 0 0 0 0 [ 8500 95 5 0000001 8 100 90 4 800 0001 6000 83 52000001 6100 95 '490000017500

F r a u e n I 75 40000001 9000 88 50000001 6500 90 40000001 9200 95 5 000 000 II0 000 90 4 600 000[ 8 300 85 4000000i 9 300 82 4 480 000113 000 85 42000001 8 300 90 4200000$ 9000 80 4 500 000110 700 80 5 000 000111 400 85 i~ ooo oool 8 6oo 85 14 400 000] 8 800 70 4 000 0001 I0 600 7514000000110300 85 4 800 0001 9 600 85 ,I 4600000 I10100 8o 15 250 0oo112 s0o 90 [ 5 ooo ooo{ 7 2oo s514 4oo ooo I 8 ooo 90 14 300 ooo I 7 700 s5 [ 4 400 ooo[ s 2oo 7~ 4 600 ooo ~ 8oo 85 5000000 6300 90 5 000 000 10 200

55 57 56~ 67 68 64 68 67 68 60 59 61 62 66 59 64 64 50 57 65 66 74 55 61 56

291 3 281 3 31[ 321 4 361 6 351 5 39] 391 38i 3811 28$ 36[ 32] 421 251

421 401 36[ 301 30F 311 29J 291 28J 35] 361 331 331 281 33[ 30t 301 33

24~ 4o I

3 1 bei angeborenem 4 Schwachsinn 2 Hebephrenie 4 2 ,, 3 2

6 ~, 1 ,~

3 ,,

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3 ,, l

2

3 1 1 ~,

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4 ~p.

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~ ~ ~ ~ Erythro- I~'~ ~ r _ Art der Erkrankung ~ ~ ~ [ c~o~ ~.~.~l~ ~

100 ~ Wa. [

2 82 3 100 5 90 5 95 7 90 7 100 8 85 8 90 8 (?) lO0 8 I 90 8 95 9 ( ? ) 95 9 95

10 95 10 90 12 95 13 90 13 90 15 95 16 85 20 100

8 95 8 82

12 90 15 95

4 90 4 67 5 9O 7 90 9 85

fib. 9 78 10 82 10 82 10 80 11 82 15 90 17 82 18 82 25 75 30 82 40 65

? 85 I0 88 12 87 14 86 17 90 24 70 41 95

? 87 ? 90

I I :

Kata tonie

~ �9

Endzust~nde mxt vor- zugsweise ka ta tonen

Symptomen

Kat ; t , onie

~ ~

Endzus t~ndemi t vor- zugsweise ka ta tonen

Symptomen

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108 H. Krueger:

schiede, die sieh bei Bereehnung der Durchsehnittszahl ffir den H/~mo- globingehalt zwischen den versehiedenen Formen der Erkrankung er- gaben, schwinden f fir die Erythroeyten vSllig. Irgend welehe patho- logische Ver~nderungen der roten BlutkSrperchen naeh Form, GrSge, Kernhaltigkeit usw. wurden niemals gesehen. Die Morphologie dieser Zellen Me ihr Farbstoffgehalt weieht also von dem Verhalten Gesunder nieht ab.

Tiefgreifende Unterschiede treten dagegen in Ubereinstimmung mit den Resultaten frfiherer Untersucher bei Betrachtung der ffir die Leu- kocyten gefundenen Zahlen hervor.

Was die absolute Gesamtzahl der weil~en Blutk6rperchen betrifft, so ist dieselbe bei den der H e b e p h r e nie angehSrigen Krankheitsf~Uen in 35 F~llen, d. h. in 70% erhSht. Ms obere Grenze der Normalzahlen wurde dabei 8000 Zellen im KubikmiUimeter, angenommen. Diese ErhShung sehwankt zwischen 8100 und 15 100 in der Weise, dab 50~o aller F~lle fiber 9000, 34~o fiber 10 000 Leukoeyten aufwiesen.

Bei den Katatonien findet sich eine absolute Leukocytose nur in 44% der F$11e, wobei 26~o fiber 9000, 10% fiber 10 000 weige Blut- kOrperchen aufwiesen, w~hrend die Zahlen zwischen 8100 und 15 700 schwankten.

Die vorstehenden Resultate stimmen im grogen und ganzen mit denen der meisten frfiheren Autoren iiberein: es findet sich bei der Dementia praecox in einem grSBeren Teile der F~lle eine m~f~ige Vermehrung der weif3en BlutkSrperchen. Die hohen Zahlen, wie B r u c e sie gefunden hat, sind auch durch die vorstehenden Untersuehungen nicht andeutungs- weise best~tigt. Es ist wohl anzunehmen, da$ es sieh dabei um das Dazwischentreten interkurrenter Ursachen gehandelt hat. Recht wesentlich erscheinen dagegen die Unterschiede, die sieh in bezug auf die verschiedenen Zustandsformen ergeben. Die absolute Leukocytose ist bei der Hebephrenie erheblieh haufiger wie bei den katatonen Ver- laufsformen, besonders die hSheren Grade der Vermehrung der weil~en BlutkSrperchen finden sich bei den Hebephrenen in einem bedeutend hSheren Prozentsatze, der bei einer Gesamtzahl von 9000 Leukocyten doppelt so groin, bei einer solchen yon 10 000 und darfiber fiber drei- real so grog ist wie bei den Katatonien.

Dabei ist allerdings ein Umstand zu berficksichtigen. Ein Blick auf die Tabelle lehrt, dalt die Gesamtkrankheitsdauer bei den untersuchten Hebephrenien durchschnittlich eine wesentlich kfirzere ist wie bei den Katatonien. WKhrend von den ersteren 27 eine seehsjKhrige Krankheits- dauer nicht fibersehreiten, sind es unter den letzteren nur 7 F~lle, w~h- rend bei den ersteren 11 Patienten 10 Jahre und darfiber krank sind~ sind es bei den letzteren 26. Dies Verh/~ltnis ist an sich schon sehr interessant, es wird unten noch weitere Berficksichtigung finden. Hier

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l~ber die Cytologie des Blutes bei Dementia praeeox. 109

sei nur konstatiert, dab von den Kranken mit hSchstens sechsj~hriger Krankheitsdauer unter den hebephrenen Formen 81,48~o eine 8000 iibersteigende Leukocytenzahl aufweisen, w~hrend unter den Kata- tonien gleicher Morbidit~tsdauer nur 42,85%, also kaum mehr als die H~lfte der ersteren, diese Zahl fibersteigen, der grSBere Teil dagegen normale Werte aufweist. Der Unterschied in der H~ufigkeit der Leuko- eytose bei beiden Krankheitsformen kann also sieher nicht nur auf die kfirzere Krankheitsdauer bezogen werden.

Auch innerhalb der einzelnen Krankheitsformen besteht in den Beziehungen der Krankheitsdauer zur HShe der Leukocytenzahlen keine absolute Regelmi~Bigkeit. W~hrend sich bei einem Patienten mit ausgesprochenster Hebephrenie nach einj~hriger Erkrankung normale Leukoeytenzahl land, zeigte eine stark affektiv verblSdete langj~hrige Anstaltsinsassin eine Leukocytose fiber 10 000. Immerhin lassen die Resultate nicht verkennen, dab bei den hebephrenen Formen die abso- lute Leukocytenzahl mit l~ngerer Krankheitsdauer eine Tendenz zum Abnehmen hat, eine Regel, die allerdings yon zahlreiehen Ausnahmen durehbroehen wird. Die letzteren kSnnen bei einer Psyehose, die eine so auBerordentlich groBe Variabilit~t im Verlaufe zeigt wie die Dementia praeeox, kein Wunder nehmen. Die ErhShung der Leukocytenzahlen bei den katatonen Verlaufsformen l~Bt jede Regelm~Bigkeit vermissen. Im Verein mit der viel geringeren Intensit~t als bei der Hebephrenie hat man den Eindruck, dab es sich bei derselben mehr um Ausnahmen yon der I~egel der normalen Leukocytenwerte handelt im Gegensatz zur Hebephrenie.

Weir wesentlichere Abweichungen yon der Norm ebenso wie weir grSBere Unterschiede zwischen den beiden Krankheitsformen ergibt nun die Untersuchung der relativen Werte der einzelnen Leukocytenarten in ihrem Verh~ltnis zueinander.

Entsprechend den Feststellungen der meisten Autoren ergibt auch die angefiihrte Tabelle bei den h e b e p h r e n e n Verlaufsformen eine durehgehende, zum Teil reeht erhebliche relative Vermehrung der ein- kernigen Zellformen, besonders der gewShnlichen kleinen Lymphoeyten, die in der Norm bis 250/0 betragen. Nur in 2 F~llen wird diese Zahl nicht iibersehritten. In beiden handelt es sich um F~lle, deren Krankheits- dauer mindestens 20 Jahre betr~gt, deren KrankheitsprozeB nach dem klinischen Zustandsbilde als fast vSllig abgelaufen bezeiehnet werden kann. Das Blutbild war dementsprechend nach Leukocytengesamtzahl und Verh~ltnis der einzelnen Zellformen zueinander ein ann~hernd normales. Die fibrigen 96% der Gesamtf~lle weisen eine mehr oder minder hohe Lymphoeytose auf. 76% der F~lle haben 30% Lymphocyten oder mehr, 42% 35% und dariiber, 8% der F~lle erreichen 40%. Die Zu- nahme der einzelligen lymphoiden Elemente gesehieht auf Kosten der

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neutrophilen polynuclehren Leukocyten, wenngleich extrem geringe Zahlen der letzteren wie andere Untersucher sie fanden, fehlen. 50~/a polynucle~rer Zellen und darunter finden sich nur in zwei F/~llen, in denen sieh neben erheblieher Vermehrung der lymphocyt~ren Elemente auch eine solehe der eosinophilen Zellen (16 bzw. 15~o ) land. Genau die gleiehe Beobachtung hat H e i l e m a n n gemacht. Auch in der yon ihm ver6ffentliehten Tabelle wurde ein Prozentsatz yon 50 fiir die polymorphkernigen Zellen nur in den F~llen erreicht, wo sieh neben erheblicher Lymphoeytenvermehrung hohe Zahlen ffir die eosinophilen Elemente fanden. Eine konstante Beziehung zur Krankheitsdauer ist bei der relativen Lymphocytenzahl nicht zu erkennen. Dagegen scheint die H6he der Lymphocytose in einem einigermal~en konstanten Ver- h~ltnis zur Intensit~t der Kranld~eitssymptome zu stehen, insofern sthrkerer Auspr~gung der letzteren h6here Lymphoeytenzahlen ent- sprechen. Da mir Beobachtungen fiber l~ngere Zeit an denselben Pa- tienten in verschiedenen Krankheitsstadien noch nieht zu Gebote stehen, mul~ der exakte Nachweis dieser Beziehungen augenblicklich noch often gelassen werden. Endlich ist das Verh~ltnis st~rkerer Lymphocytose zu der erh6hten Gesamtzahl der wei~en Blutk6rperchen bemerkenswert, da in 71,05~o der Fiille eine Lymphocytose yon 30~/o und darfiber mit erh6hter Gesamtzahl der Leukocyten zusammentrifft.

Die relative Zahl der eosinophilen Blutzellen erweist sich in 32~o der untersuchten Fglle yon ttebephrenie als erh6ht, dabei wird in 12~ der Fglle gerade die an sich natiirlich nicht exakte Grenze gegen die Norm (etwa zwischen 3 und 4~/o) fiberschritten. Die erheblicheren Grade yon Eosinophilie finden sich fast ausnahmslos bei F~llen, deren Krank- heitsbeginn schon l~nger zurfiekliegt und deren Krankheitsablauf schon welter vorgeschritten ist.

:Die Zahl der grol3en einkernigen Zellformen, fiber deren physiolo- gische und pathologische :Dignit~t noch keine absolute Klarheit herrscht, ist in einem Teile der F~lle leicht beziehungsweise m~Big erh6ht. Irgend- welche durchg~ngig erkennbaren Beziehungen zur Lymphocytose finden sich nicht.

Wesentlieh anders ist das Blutbild bei den k a t a t o nen Krankheits- fgllen. Relative Lymphocytose finder sich nach den vorstehenden Unter- suchungen nur in 40~o der F~lle. Von diesen ist die Vermehrung der Lymphocyten nur in 20~o erheblich (300/o und darfiber), w~hrend 10~/o der FgUe die angenommene Grenze gegen die Norm (25~/o) nut gerade fibersehreiten. Gegenfiber der Hebephrenie, die in fast allen F~Uen eine relative Vermehrung der lymphoiden Elemente aufwies, ist das ein wesentlieher Unterschied. Von den F~llen mit Lymphoeytose zeigten 45% auch eine Vermehrung der Leukoeytengesamtzahl, wghrend bei 55~/o die absoluten Werte normal waren. :Die Zahl der neutrophilen

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0bet die Cytologic des Blutes bei Dementia praecox. ] l 1

polymorphkernigen Leukocyten war in 44% der FElle normal, in 60% annEhernd normal, also in einem orheblich h6heren Prozentsatze als bei der Hebephrenie. Die Herabsetzung der Zahlen fiir die ncutrophilen Ele- mente gesohah entsprechend den obigen Lymphocytenzahlen nur zum geringsten Teile hervorgerufen durch Lymphocytose, in dem gr613eren Teile warr die eosinophil granulierten Zellen, die zugleich die wich- tigsten D~fferenzen gegen die Norm wie gegen das Blutbild, wie wit es durchgehend bei der Hebephrenie fanden, zeigten, die sic verursachten. In 76% der FElle ergab sich eine zum gr6Bten Teil recht erheblicheEosino- philie, die 21% erreichte. Der Rest yon 24% zcigt v611ig normale Blut- bilder. Es handelt sich bei ibm ausschlieBlich um EndzustEnde der Schizophrenie, die vorwiegend katatone Symptome aufweisen, FElle, deren sichere Krankheitsdauer nicht unter 8 Jahren betrEgt und meines Erachtens nur um FElle, bei denen man die M6glichkeit eines Wieder- erwachens ausgeschalteter geistiger FEhigkeiten, wie es uns bei der Katatonie ja nicht selten iiberrascht, ausschlieBen kann. Es scheint nach der vorstehenden Tabelle also in Ubereinstimmung mit den Resul- taten friiherer Untersuchungen der Katatonie eine Vermehrung der eosinophilen Zellen pathognomonisch zu sein, die nur den v611ig abge- laufenen FEllen fehlt. Der Prozentsatz yon 76 an sich ist aus obigen Griinden geeignet, ein falsches, zu wenig eindringliches Bild yon der HEufigkeit der Eosinophilie zu geben. Ein steigendes VerhEltnis der Eosinophilie mit der Dauer der Krankheit 1EBt sieh hier ebensowenig fest- stellen wie das umgekehrte VerhEltnis. Ebenso scheinen keine Bezie- hungen zur absoluten Leukocytose zu bestehen. Die Zahlen in Beziehung zur IntensitEt der katatonen Erscheinungen setzen zu wollen, were bei der hEufig recht groBen Gleichartigkeit der Bilder und der Schwierig- keit der Begrenzung tier schizophrenen Verbl6dung ein miBliches Unter- fangen.

Die grroSen einkernigen Zellen sind bei der Katatonie wohl in einem geringen Prozentsatze vermehrt, doch zeigt diese Vermehrung keine RegelmEl3igkeit.

Was die Deutung dieser gegen die Norm verEnderten Blutbilder betrifft, so haben dieselben zu verschiedenen ErldErungen des der Dementia praecox zugrunde liegenden Krankheitsprozesses Anlal3 ge- geben. Meist ist die _~nderung der morphologischen Blutzusammen- setzung als der Ausdruck einer unbekannten Intoxikation aufgefal3t worden. Auch H e i l e m a n n zieht den naheliegenden Schlul~, daf~ die BlutverEnderung der Indicator fiir eine ~nderung des K6rperchemismus sei. Er glaubt aber nicht, da[~ es zum Ziele fiihren wiirde, zur Fest- stellung der Art desselben somatische Krankheiten heranzuziehen, die Ehnliche Blutbilder darbSten. SchlieBlich weist er darauf hin, dab sieh interessanterweise ein Analogon fiir das Blutbild bei der Schizophrenio

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in dem des S~uglings finde, wobei er die Frage often l~il~t, ob dieser Jl~hnlichkeit ein innerer Kausalkonnex zukomme, oder ob sie nur als guBerlich zu betrachten sei.

Entsprechend den aus den vorstehenden Untersuchungen sich er- gebenden durchgehenden Untersehieden zwischen den beiden Haupt- erseheinungsformen der Dementia praecox - - ob den einzigen, sei da- hingestellt - - mfissen dieselben zungchst einzeln ffir sich und dann im gegenseitigen Zusammenhang gewertet werden, da nach allen Erfah- rungen an einem inneren Zusammenhang der klinisehen Erscheinungen der Hebephrenie und der Katatonie wohl nieht mehr zu zweifeln ist.

Bei der H e b e p h r e nie hatte sieh - - nach den obigen Untersuehungs- reihen - - einmal in den allermeisten F~llen (70~o) eine absolute Ver- mehrung der weil3en Blutk6rperchen, zum Tell erheblicheren Grades, ergeben. Diese absolute Leuk0cytose ist meist auf der H6he der Er- krankung am gr6i~ten und zeigt mit Ablauf der klinischen Erscheinungen Tendenz zum Abnehmen. Es besteht jedoch keine regelm~13ige Bezie- hung zur Dauer der Erkrankung. Von den Unterformen der weiBen Blutk6rperchen sind die Lymphocyten ohne Ausnahme mehr oder minder relativ vermehrt. St~rkere Vermehrung derselben geht meist mit ab- soluter Leukocytose Hand in Hand. Entsprechend der Lymphocytose nehmen die polymorphkernigen neutrophilen Leukocyten ab. Die eosinophil granulierten Zellen sind in einem Teile der F~lle (etwa 1/5--1/4 ) leicht relativ vermehrt, doch findet sich ein erheblicherer Grad yon Eosinophilie ausnahmslos in F~llen, in denen der Krankheitsprozeil tempor~r, meist auch quantitativ schon vorgeschritten ist.

Bei der Ka t a t o nie findet sich eine absolute Leukocytenvermehrung noch nicht in der H~lfte der F~,lle (44~ yon denen wiederum kaum ein Viertel erheblichere Zunahme der weiBen BlutkSrperchen (fiber 10 000) zeigt. Irgendeine regelm~13ige Beziehung der Leukocytose zur Intensit~t des Krankheitsprozesses l ~ t sich nicht nachweisen. Eine wesentlichere relative Lymphocytenvermehrung besteht in etwa dem dritten Teile der F~lle; dabei war noch nicht die H~lfte der Katatonien mit relativer Lymphocytose yon Gesamtleukocytose begleitet. Drei Viertel der Fi~lle weisen eine zum gr613ten Teile recht erhebliche Eosino- philie auf. Bewertet man jedoch, da] in den fibrigen F~llen die Unter- suchung v611ig normale Blutbilder ergab, so daft man die Vermehrung der eosinophil granulierten Zellen bei den untersuchten Katatonikern als durchgehend betrachten. Diejenigen Schizophrenien mit vorherr- schend katatonen Symptomen, die keine Eosinophilie zeigen, geh6ren nach der vorstehenden Tabelle ausschliel31ich den vSllig verbl6deten Krankheitsf~llen an. Die Zahl der neutrophilen polymorphkernigen Leukocyten zeigte stets eine der Zunahme der fibrigen Zellformen ent- spreehende Abnahme, in etwa der H~ifte der F~lle normale Verh~Itnisse.

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(~Tber die Cytologic des Blutes bei Dementia praecox. 113

Zum Versuche einer Deutung dieser Abweichungen des Blutbildes vonde r Norm ist ein Riiekgreifen auf die bei Krankheiten anderer Organe gefundenen ~nderungen desselben schlechterdings nicht zu umgehen, und nicht einzusehen, warum I-Iei lemann diesen Weg ablehnt. Zu bedenken ist immer, dab es sich bei der klinischen Patho- logic des Blutes um ein noch in der Entwicklung befindliches Gebiet handelt, das viel mit Theor i en durchsetzt ist, deren exakter Beweis bisher noch nicht gelungen ist.

DaB die Gesamtzahl der Leukocyten bei den hebephrenen Formen der Schizophrenic meist mehr oder minder erheblich vermehrt ist, kann nicht wundernehmen, da wir nach den noeh verh~ltnism~l~ig sp~rliehen pathologisch-anatomischen Feststellungen mit einer entziindliehen Alteration des Zentralnervensystems bei der Dementia praecox zu rechnen gewohnt sind. Entsprechend der Riickwirkung entziindlieher Prozesse in anderen KSrperorganen auf das Blut in Form einer Leuko- cytose ist dieselbe auch bei der ttebephrenie durchaus erkl~rlieh. Dabei soll die Frage often gelassen werden, ob, wie manehe Autoren annehmen, der gleiche Krankheitsprozel~ auch in anderen KSrperorganen Ver~nde- rungen setzt (so fand z. B. Sic me n s bei Schizophrenen oft Vermehrung des interlobul~ren Bindegewebes mit einer eigentiimlieh dunklen F~r- bung der Lebermasse; vgl. aueh unten) und so das Blutbild beeinflul~t wird.

Sehwierig wird sehon die Erkl~rung der auffallenden durchgehenden Vermehrung der lymphoeyt~ren Elemente auf Kosten der polymorph- kernigen Leukoeyten. Wenn ich den Ausfiihrungen Grawi tz folge, so daft man naeh neueren Beobachtungen im Blute selbst annehmen, dal~ im Gegensatz zu den Anschauungen Ehr l i chs die alte Lehre Virchows yon einer Lymphoeytose infolge von Lymphdriisenreizung zu recht besteht. Bei den verschiedensten Krankheiten, die mit Lymphdriisen- schwellung einhergehen, wie Masern, sekund~rer Lues, den Driisen- schwellungen des Kindesalters, besonders aber beimTyphus abdominalis, hat man denn aueh relative Lymphocytenvermehrungen gefunden. Von den das nervSse Gebiet stark in Mitleidenschaft ziehenden Krankheiten kommt der Morbus Basedowi hinzu, auf den welter unten n~her ein- gegangen wird. Es ist also das Bestehen einer relativen Vermehrung der Lymphoeyten bei der Hebephrenie ein Hinweis auf eine mSgliche mit den Gehirnsymptomen gleichzeitige Reizung der lymphatischen Organe des KSrpers, wobei freilich der urs~chliche Zusammenhang einstweilen often gelassen werden mul~. Die Annahme eines im KSrper kreisenden Toxins, wie es von vielen Autoren als Ursaehe der Dementia praecox angenommen wird, das eventuell zugleich Ver~nderungen anderer 0rgane hervorrufen kSnnte, erh~lt also in der Lymphoeytose eine wesentliehe Stiitze.

Z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. XIV. 8

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In einem Teile der Fs meist solchen mit nach Zeit und Intensit/it vorgeschrittenemKrankheitsprozef~, findet sich ferner eine relativeVer- mehrung der eosinophilgranulierten Blutzellen. Pathologische Eosino- philie ist bei den verschiedensten Hautkrankheiten, dem Asthma bronehiale, bei malignen Tumoren, sehliel~lich bei den verschiedensten Wurmkrankheiten beobachtet, alles Krankheiten, die wenig Beziehungen zur Sehizophrenie aufweisen diirften. Die Angabe N e u s s e r s, dab durch Reizung des Nervus sympathicusVermehrung der eosinophilen Zellen hervorgerufen wiirde, ist wohl als widerlegt zu betraehten. Mehr als physiologisch, insofern sie Vorl~ufer des normalen Zustandes ist, ist die postfebrile eosinophile Leukocytose aufzufassen, wie sie bei vielen Infektionskrankheiten nach Ablauf des Fiebers und Sehwinden der Leukocytose, mag dieselbe eine neutrophile oder lymphoide sein, auf- tr i t t . Z i e g l e r glaubt sogar eine gesetzm/~l~ige Beziehung der poly- nuele/iren, der lymphoiden und der eosinophilen Leukocytose bei Infek- tionen gefunden zu haben, insofern zuerst die Zahl der polymorphkerni- gen Elemente ansteigt, nach einiger Zeit unter stetem Sinken dieser Ele- mente Lymphocytose eintritt, der am Schlusse eine relative Eosino: philie folgt ; er hebt aber an gleicher Stelle hervor, dab bei den einzelnen Krankheiten aul~erordentlich grol~e Verschiebungen der einzelnen Kom- ponenten dieser Blutver~nderung statths

Die letzteren Beobachtungen lassen sich auf das Blutbild, wie es sich bei der Hebephrenie fand, zwanglos anwenden. Es ist schon oben bemerkt worden, dal~ es besonders die nach Krankheitsdauer und -intensits vorgeschrittenen Fs sind, die neben Lymphocytose aucb Eosinophilie aufweisen. Man miif~te also annehmen, dab in diesen Fs friiher reine Lymphoeytenvermehrung bestanden hs der im Decursus morbi die reaktive Vermehrung der eosinophilen Elemente gefolgt ist. Als weiteres Stadium wiirde man eine noch sts relative Vermehrung der eosinophil-granulierten Zellen ohne Lymphocytose und als SehluB die Riickkehr zum normalen Blutbilde erwarten, wollte man den Vergleich mit anderen Infektionskrankheiten vOllig ausbauen und diese Weiterentwieklung der eytologischen Formel li~l~t sich meines Erachtens dureh Betrachtung der bei den k a t a r o n e n Formen gefunde- nen morphologisehen Blutvers als Fortsetzung der bei den h e b e p h r e n e n festgestellten als sehr wahrscheinlich annehmen.

Bei den Katatonien sind nach den vorstehenden Untersuchungen diejenigen Blutvers die auf einen auf der HOhe befindlichen entziindlichen Krankheitsproze$ - - n a c h unserer heutigen Anschauung - - hindeuten, weit geringer als bei den hebephrenen Formen der Dementia praecox, Die absolute Gesamtleukoeytose findet sieh in einem wesent- lieh geringeren Prozentsatze der FKlle, besonders die hSheren Grade der- selben sind sehr viel seltener; es besteht ferner nur in etwa einem Drittel

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der F~lle relative Lymphocytenvermehrung. Das ganze Bild wiirde also durchaus den Eindruck einer Blutver~nderung bei einer Infektions- krankheit machen, die ihren HShepunkt iiberschritten hat. Dieser Eindruek wird best~rkt durch die Feststellung, da]3 alle Katatoniker, die iiberhaupt Abweichungen des Blutbildes vonder Norm bieten, rela- tive Vermehrung der eosinophil-granulierten Leukocyten zeigen. Diese relative Eosinophilie trifft in einem Teile der F~lle noch mit Lympho- cytose zusammen, in vielen F~llen steht sie als einziger Rest der einstigen Ver~nderung des cytologischen Blutbildes da. Dasselbe l~6t sich also, wiederum in dem oben angefiihrten Sinne in Vergleich mit dem bei Infektionskrankheiten setzen und schliei31ich fehlt auch der Schlul3stein nicht: die allermeisten unserer verbl6deten Endzust~nde der Dementia praecox mit vorwiegend katatonen Symptomen weisen v611ig oder nahezu normale Blutbilder auf, wig wir sie auch bei zwei kliniseh noeh als Hebephrenien imponierenden Krankheitsbildern nach 20- bzw. 23j~h- rigem Bestehen der Krankheit gefunden haben. Durchaus im Einklang mit den vorstehenden Ansichten steht auch die schon oben kurz regi- strierte Tatsache, dal3 die Katatoniker der angefiihrten Tabelle durch- sehnittlieh eine wesentlich l~ngere Morbidit~sdauer aufweisen wie die Hebephrenen. Die seharfe Unterseheidung der hebephrenen von den katatonen Symptomenkomplexen ist nun zwar einmal nicht leieht, andererseits das Zuriicktreten der hebephrenen Ziige bei Verbl6denden und damit das Volwiicken der katatonen Symptoms in den Vordergrund durchaus erkl/~rlich; es scheint aber naeh der vorstehenden Tabelle doch, als wenn die Hebephrenie das Anfangsstadium der Dementia praecox darstellt, das die Katatonie langsam ablSst, um sehlieBlich der schizophrenen Verbl6dung Platz zu machen, in die mehr oder weniger katatone Symptome hiniibergenommen werden, oder dab die Katatonie den Beginn der Verbl6dung darstellt. Mit dieser Anschauung, die erst durch l~ngere Erfahrungen best~tigt werden miif~te, wiirden die Re- sultate der Untersuchung der Cytologie des Blutes v611ig in Einklang gebracht werden k6nnen.

Da6 etwa die Symptomenkomplexe der Katatonie als solche durch ihre Einwirkung auf das Vasomotorensystem usw. das eigenartige Blut- bild zustande bringen, ist an sich schon wenig wahrscheinlich, wenn auch selbstverst/~ndlich zugegeben werden mul3, da6 das Vasomotoren- system stark in Mitleidenschaft gezogen ist. Zum Vergleich seien die Resultate der Blutuntersuchungen bei einigen FKllen mitgeteilt, wo Idioten bzw. hochgradige Imbezille Minisehe Symptomenbilder auf- wiesen, die ohne Kenntnis der Anamnese und des Verlaufes nur auf Grund des Zustandsbildes der zum Tell stupor6sen Kranken zur Fehl- diagnose der Katatonie Grund genug boten. Es handelte sich in allen FKllen um an der Grenze zwisehen ImbeciltitKt und ]diotie im

8"

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Z iehensehen Sinne stehende Kranke in den verschiedensten Lebens- altern.

Tabelle II.

Oe-

schleeht Name

weibl.

m~nnl.

Sch. Gae. Wi. Be. Br.

Leuko- ' ~ ,~ ~t cyten .~ .~ ]Krankheit [Erythrocyten [ ~ "~ ~ "~ "~

314 Kindh. 95 4 200 000 7700 74 22 2 29 ,, 100 5000000 5000 70 25 3

* 5 100000 8000 71 25 2 ,, oooooo5ooo 3

a~

2 2 2 2 1

Es ergaben sich also in allen F~llen v611ig normale cytologische Blut- verh~ltnisse.

Wie schon oben bei Er6rterung der einzelnen Untersuchungsre: sulfate hervorgehoben, l~Bt sich keine absolut giiltige Wechselbeziehung der einzelnen cytologischen Formeln weder zur Intensit~t des k l i n i - s c h e n Krankheitsprozesses noch zur Dauer der Krankheit heraus- finden, wenngleich hohe absolute Leukocytenzahlen und st~rkere rela- tive Lymphocytenvermehrung bei frischeren, florideren Krankheits- f~llen h~ufiger zu sein scheinen. Das Fehlen derartiger exakter Beziehun- gen ist bei einem KrankheitsprozeB, wie es der der Schizophrenie ist, durchaus nicht verwunderlich, steht ]edenfalls durchaus im Einklang mit dem klinischen Verlaufe desselben. W~hrend ein Tell der F~lle in wenigen Jahren v611ig verbl6det, hat ein anderer nach Jahrzehnten in Zeiten der Ruhe noch keine wesentliche Einbut3e seiner psychischen Regsamkeit erlitten, ein Dritter zeigt wohl psychische Defekte, doch unterbrechen noch nach Jahrzehnten akute Exacerbationen den sonst eint6nigen Verlauf. So kann es nicht iiberraschen, wenn ein Kranker nach 20j~hriger Krankheitsdauer noch eine Blutbild aufweist, wie man es bei floriden Infektionen oder Intoxikationen findet, w~hrend das- selbe bei einem anderen nach 8j~hriger Dauer schon auf einen abgelaufe- nen ProzeB hinzuweisen scheint. L~ngeren Beobachtungen wird auch die Antwort auf die Frage beschieden sein, ob den verschiedenen psychi- schen Zustands~nderungen im Verlauf der Krankheit das Blutbild folgt, wie es S a n d r i in einem Falle beobachtet haben will. Die obigen Untersuchungsresultate sprechen im ganzen gegen einen pl6tzlichen Wechsel und lassen nur im Gesamtablauf des Krankheitsprozesses die entsprechende Ver~nderung des morphologischen Blutbildes erwarten.

Die morphologischen Blutuntersuchungen geben nach den vorstehen- den Ausffihrungen einen sehr bedeutsamen Hinweis auf die ~tiologie der Krankheitsgruppe, die wir als Dementia praecox zusammenfassen.

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Schon von frfiheren Untersuehern wurde zum Teil die Wahrseheinlieh- keit einer Intoxikation betont. Aueh auf Grund der Resultate der vor- stehenden Tabelle mug man zu diesem Sehlusse kommen, daB die M6g- lichkeit, dab der Sehizophrenie die Wirkung eines im KSrper kreisenden Toxins zugrunde liegt, durch die Nnderung des eytologischen Blutbildes durehaus gestiitzt wird. Nach der Art des pathologischen Blutbildes (der Lymphoeytose) ist ferner mit der MSglichkeit zu rechnen, dab es sieh um einen ProzeB handelt, der nieht a l l e i n i m Zentralnervensystem seine Angriffspunkte hat, sondern die mannigfachen lymphatisehen Organe des K6rpers zugleieh befiillt.

Nach unseren heutigen Erfahrungen hat sich bisher kein exogenes Moment als Ursache der Dementia praecox auffinden lassen, und wir sind gewohnt, bei ihr stets endogene Ursachen zu vermuten und guBeren Einwirkungen nur die Rolle yon Hilfsmomenten zuzuweisen. Alles, was darfiber bekannt ist, geh6rt natfirlich in das Gebiet der Theorie.

K r a e p a l i n sehreibt, dab bei den zweifellosen Beziehungen der De- mentia praeeox zum Entwicklungsalter, zu Menstruationsst6rungen, zum Fortpflanzungsgeschiifte, zum Klimakterium vielleicht an eine Selbstvergiftung zu denken wgre, die mSglicherweise in irgendeinem mehr oder weniger entfernten Zusammenhange mit Vorgiingen in den Geschlechtsorganen stehen kSnnte. Selbstverstgndlieh ist das nieht aus- sehlieBliah auf die eigantlichen Fortpflanzungsorgane zu beziehen. Wir nehmen zwar eine innere Sekretion der Ovarian und Itoden an, kennen auch teilweise die Erscheinungen, die die Wegnahme der Organe, also der Ausfall der inneren Absonderung zur Folge hat, wissen auch, dab zweifellos Beziehungen dieser Organe zum Zentralnervensystem bestehen, aber ihre Fortnahme, die Kastration, heilt die Dementia praeaox nieht. Den Mitteilungen einiger Autoren (z. B. S c h u l t z e , B o s si, O r t e n a u u. a.) fiber tteilungen yon Psychosen, darunter aueh von Dementia praecox, dureh Behandlung gyngkologiseher Affektionea darf man wohl zum mindesten skeptisch gegenfibertreten.

DaB die Tgtigkeit der Ovarien andererseits (yon den Hoden ist gleiches nicht bekannt, wie wir fiberhaupt fiber ihre Wirksamkeit auger- halb des Fortpflanzungsgeschiiftes weniger orientiert sind) in mannig- faeher Beziehung zur Schizophrenie steht, wenn sie auch nicht die alleinige Ursache ist, ist wiederum sehr wahrseheinlieh. Einmal sind Men- struationsstSrungen bei dieser Psychose sehr hiiufig, ferner entwickelt sie sich hgufig in der Sehwangersehaft und im Puerperium, waiter seheint dem Klimakterium eine Rolle bei ihrer Entstehung zuzukommen, da z. B. S c h r S d e r unter seinen Spiitkatatonien 13 Frauen, aber nur 3 M~n- ner land, schlieBlich bestehen eigenartige Verbindungen zwischen Dementia praecox und Osteomalaeie, also ainer Erkrankung, die zweifel- los yon pathologiseher innerer Sekretion der Eierst6cke abhgngig ist.

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So berichtet H a b e r k a n t fiber zwei FKlle yon Verbindung beider Krankheiten. Er weist darauf hin, dab vielleicht in der )[tiologie beider StoffwechselstSrungen, die yon den Ovarien oder der Schilddriise ab- hs sind, die Hauptrolle spielten und dal3 die Osteomalacie insofern vielleicht an der Atiologie der Puerperalpsychosen, auf die K i p p i n g und v. Wagne r hingewiesen haben, beteiligt sei, als die Katatonien puerperalen Ursprunges in Frage ks Klewe bemerkt, da$ naeh dem Material der Heil- und Pflegeanstalt Emmerdingen der Prozent- satz der nicht puerperalen Osteomalacie unter den Geisteskranken, speziell den Frfihverbl6deten, ungleich gr6~3er ist als unter der geistes- gesunden BevSlkerung. Demgegenfiber betont B le u le r allerdings, dab in Rheinau die Osteomalacie bei M/innern und Frauen auftrat, die zu wenig ins Freie kamen, wobei sic sich nicht an die Art der Psychose hielt, sogar Geistesgesunde betraf.

In Anbetracht des Umstandes, da$ zu den Organen, die zweifellos zu der Geschlechtsent.wicklung in engster Beziehung stehen und mit ihr eine Umwandlung durchmachen, auch die Schilddrfise gehSrt, hat man auch in deren Pathologic die Ursache der Dementia praecox gesucht. Nachdem B e r k l e y fiber 8 Fs yon katatoner Dementia praecox berichtet hatte, in denen partielle Thyreoidektomie und Verabreichung yon Jodlecithin Heilung gebracht haben sollte, andererseits angab, dal~ die Erscheinungen der Katatonie dutch Verabreichung von Sehild- driisensubstanz verschlimmert wfirden, berichteten K a n a v e l und Po l lock fiber 12 Fs derselben Operation bei Katatonie mit fast vSllig negativem Erfolge. Nut ein Fall, in dem eine VergrSl~erung der Schilddrfise bestand, schien zuns gebessert, erkrankte dann aber wiederum. Dagegen will van der Schleer unter 7 F~llen zwei frische durch teilweise Wegnahme der Schilddrfise geheilt haben, bei zwei anderen s trat eine kurzdauernde Besserung ein, ws die fibrigen 3 F~lle resultatlos verliefen. D a w i d e n k o w endlich sah bei einem Falle yon Katatonie, zu der sich allms Symptome Base- d o w seher Krankheit gesellten, nach partieller Strumektomie Obergang des Krankheitsbildes in das der Hebephrenie. Auch in einem zweiten Falle yon Dementia praecox traten nach derselben Operation die moto- rischen katatonen Symptome zurfick. Interessant ist, dal3 in diesem letzteren Falle die Basedow-Symptome nut in einer vergrSl~erten Schild- drfise und der ffir Basedow t y p i s c h e n Vers der Leu- k o c y t e n f o r m e l bestanden.

Koehe r hat 1908, naehdem zuerst Caro in einem komplizierten Falle darauf hingewiesen hatte, Befunde einer auffKlligen Lympho- cytose bei F/~llen yon Morbus Basedowi mitgeteilt, denen VerSffent- lichungen verschiedenerAutoren folgten, die fibereinstimmend angaben, dab bei ausgesprochenem Morbus Basedowi eine starke relative Lympho-

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cytose bei verminderter oder normaler Gesamtzahl der Leukoeyten zu linden sei, w~hrend die Gesamtzahl der wei~en BlutkSrperchen niemals vermehrt sei. Nach den jiingsten Untersuehungen H a t i e g a n s fand sieh sowohl bei typischem MorbusBasedowi wie auch bei einigen F~llen von Struma ohne Basedowerscheinungen neben Lymphocytose auch Eosinophilie. Ebenso fanden Bence und Engel bei MyxSdem rela- tive Lymphocytose und Vermehrung der e0sinophilen Blutzellen. J~hn- liche Bilder (relative Lymphocytose, Leukopenie, Eosinophilie) will B o r c h a r d t auch bei Patienten mit Erkrankungen der Hypophysis cerebri, der Nebennieren und auBerdem bei solchen mit den klinischen Erscheinungen des Status thymico-lymphaticus gesehen haben.

Die Resultate der Blutuntersuchungen bei Dementia praecox, so- weit sie bisher vorliegen, haben zweifellos viel Gemeinsames mit dem Blutbild, wie man es h~ufig bei Erkrankungen der Glandula thyre- oidea findet. Die relative Lymphocytose, teilweise verbunden mit Ver- mehrung der eosinophilen Zellen, findet sich bei beidenErkrankungen. Einen sehr erheblichen Unterschied aber stellt die z. T. recht erhebliche absolute Leukocytose besonders der frischen F~lle yon Hebephrenie gegeniiber der Leukopenie bzw. h6chstens normalen Leukocytenge- gesamtzahl bei Struma, Myx6dem, Morbus Basedowi usw. dar. Der Unterschied wird geringer, wenn man zum Vergleich mehr die F~lle mit Oberwiegen der katatonen Symptome, wie es scheint, die wesentlich chronisch verlaufenden, bei denen nach den vorstehendenUntersuchungs- resultaten die Leukocytenzahl meist normal ist, heranzieht. Auch die amerikanischen Autoren sahen nach Thyreoidektomie in manchen Fi~llen nur Zuriicktreten der katatonen Erscheinungen, teilweise unter Ubergang der Katatonie in eine Hebephrenie.

K r a e p eli n betont die H~ufigkeit diffuserVergrSfierungen der Schild- driise bei Dementia praecox; er beobachtete einige Male Schwinden der- selben vor dem ersten Auftreten der Krankheitserscheinungen, auch wiederholten Wechsel im Umfange der Driise w~hrend der Entwick- lung des Leidens. Auch andere eventuell auf eine Sekretionsanomalie dieser Driise beziigliche Erscheinungen, wie Exophthalmus, besonders aber Tremoren, die sich vom Marieschen kaum unterscheiden, sind nicht allzu selten bei Schizophrenen aufzufinden. Auch BonhSf fe r bemerkt, dab manche Katatonien mit Lidspaltenerweiterung, gestei- gerter Pulsfrequenz, feinschl~gigem Tremor, Schwefl3bildung und tro- phischen StSrungen zur Annahme eines Basedow Anlal3 geben kSnnten.

Bleu le r fiihrt gegen die Annahme einer Autointoxikation von- seiten der Thyreoidea als Ursache der Schizophrenie die Unwirksam- keit des Thyreoidin und das unterschiedslose Vorkommen der Krank- heit in Kropfgegenden wie an der Meereskiiste an. Aber auch nach ihm ist weniger auszuschlieBen der Zusammenhang zwischen Schizophrenie

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und der Hyperfunktion der Glandula thyreoidea im Sinne des Basedow. Warum er kurz vorher eine Intoxikation yon seiten dieser Driise ent- schieden ablehnt, ist nicht ersichtlich. B leu l e r selbst betont ferner, dab die meisten Basedowpsychosen trotz ihrer ziemlich lebhaften Affek- tivit~t der Schizophrenie sehr ~hnlich s~hen.

Nach K r a e p e t i n ist der Grundzug der psychischen St6rungen bei der BasedowschenKrankheit eine auffallende.Unstetigkeit des Seelen- lebens. Die Stimmung ist sehr ver~nderlich, in einem Teil der F~lle vorwiegend heiter, wortreich, unstet in Wesen und Geb~rden, in einem anderen triibe oder ~ngstlich-niedergeschlagen, verlegen, schreckhaft. Regelm~i]ig sind die Kranken einem oft j~hen, unberechenbaren Wechsel der Stimmungen unterworfen, dabei oft merkwiirdig gleichgiiltig in wichtigen Dingen. In schweren F~llen machen die Kranken z. T. einen direkt manischen Eindruck, in anderen stellen sich ~ngstliche Delirien mit Sinnesti~uschungen und einzelnen Wahnbildungen ein. Die F~lle mit trauriger Verstimmung entsprechen nach S t e r n mehr dem Base- dowoid. Ihm kommt auch ein langwierigerer, vielfach schwankender Verlauf zu ohne endgiiltige vollst~ndigeGenesung, aber auch, ohne zum Tode zu fiihren. Auch viele ,,hysterische" Erscheinungen, wie An~sthe- sien, Ohnmachten, Kr~mpfe, Stuporzust~nde, phantastische Delirien sind bei Basedow beobachtet.

Alles das sind Symptome, die denen der Hebephrenie teilweise aufs Haar gleichen, die letztere Krankheit z. T. nur in gesteigerter Form aufweist. Zwischen derUnstetigkeit des Seelenlebens bei Basedowscher Krankheit und der intrapsychischen Ziellosigkeit der Dementia praecox bestehen zweifellos die mannigfachsten Uberg~nge, h~ufig nur ein gradueller Unterschied. Andererseits gemahnt die gemfitliche Stumpf- heit bei Basedowkranken an die affektive Verbl6dung der Hebephrenen, die Unberechenbarkeit der Stimmungen ist beiden Erkrankungen gemein. Treten noch Sinnest~uschungen und Wahnvorstellungen hinzu, so wird man nur in F~llen mit ganz ausgesprochenen k6rperlichen Base- dowsymptomen (natiirlich abgesehen vonder Schilddriisenver~nderung) diese Diagnose der der Schizophrenie vorziehen. B leu l e r meint bei Besprechung der Differentialdiagnose der Schizophrenie, dal~ er es often lassen miisse, ob die bei Morbus Basedowi beschriebenen Psy- cl~osen der Dementia praecox angeh6rten oder nicht.

Andererseits haben wir im myx6demat6sen Irresein weitgehende J~hnlichkeiten mit der Katatonie. Die fortschreitende Verlangsamung und Erschwerung aller psychisehen Leistungen (Krae peli n) bei Myx- 6dem entspricht der Hemmung und Sperrung des Katatonikers. Die Ver- simpelung und Stumpfheit des Geistes und Gemiites ist beiden Erkran- kungen eigen, ebenso wie die bisweilen eintretende starke Erregung, das sinnlose Widerstreben, das dem Negativismus v611ig entspricht, die

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Neigung zur Nahrungsverweigerung, schlieBlich auch hier Zust/i, nde von Verwirrtheit mit allerlei Sinnest~uschungen und ausgepriigteren Ver- folgungsideen.

Selbst die bei MyxSdem beobaehteten kOrperlichen Erscheinungen sind keineswegs entscheidend. Kopfsehmerz, Sehwindelgefiihl, Schlaf- sucht, feinschli~giges Zittern, MenstruationsstSrungen, Erniedrigungen der KSrperw~rme sind bei beiden Erkrankungen gleich h~ufig. Die meeha- nische Muskelerregbarkeit pflegt bei MyxSdem wie bei Katatonie ge- steigert zu sein, ebenso sind es die Sehnenreflexe. Bei beiden Krank- heiten f~llt die Plumpheit des Ganges, die Blutleere oder andererseits die Cyanose der Haut auf; beiden Erkrankungen sind epileptische An- f~lle und gelegentliches Auftreten yon Albumen im l-Iarn gemeinsam. Endlich ist aueh die myxSdematSse Veri~nderung der Haut kein ein- wandfreies Unterschiedsmerkmal, solange sie sich auf einzelne KSrper- teile beschr~nkt. Die StauungsSdeme, wie sie bei Katatonikern hKufig sind, und die nicht nut an den abhi~ngigen KSrperteilen, sondern auch z. B. unter den Augen, kurz an Stellen, wo sonst Stauungserscheinungen selten sind, auftreten, ffihlen sich oft wie MyxOdem an. K r a e p e l i n sprieht direkt yon m y x S d e m a t S s e n V e r d i c k u n g e n . Das Blut- bild endlich, um zum Ausgangspunkte zuriickzukehren, wie es B ence und Enge l bei MyxSdem gefunden haben, entspricht genau dem, wie es von anderen und mir bei Katatonikern nachgewiesen wurde.

Ebenso sind rudiment/ire T e t a n i e s y m p t o m e , wie Faeialis- phKnomen und Steigerung der mechanisehen Muskelerregbarkeit nicht ganz selten Begleiterscheinungen akuter katatonischer Psychosen, Symptome, die K r a e p e l i n mit zu seiner Auffassung der Dementis praecox als Stoffwechselpsychose verwertet hat.

Wenn ich zusammenfasse: Hebephrenie und die GeistesstSrungen bei dem Hyperthyreoidismus der Basedowschen Krankheit einerseits, Katatonie und die Psychosen bei dem myxSdematSsen Irresein (denen die bei der Caehexia strumipriva gleichen), also einer auf Hypo- oder Afunktion der Glandula thyreoidea beruhenden Erkrankung anderer- seits, haben in ihren Zustandsbildern nach ihren psychischen wie kSr- perlichen Symptomen, das morphologische Blutbild nicht ausgeschlossen, vielerlei wesentliche Parallelen, so schwerwiegende, dab sie zur ernstesten Untersuchung auffordern. Auch die Ausgis lassen sich unschwer in Parallele setzen. Wie man die Hebephrenie in affektive VerblSdung mit vorwiegend katatonen Symptomen ausgehen sieht, so beobachtet man (allerdings in selteneren F/illen) die myxSdematSse VerblSdung als Ausgang der Basedowschen Krankheit unter VerSdung der vorher im Zustande iiberm~f3iger Funktion befindlichen Schilddriise. Wit sieh bei dem Morbus Basedowi Stillsti~nde und Riiekbildungen linden, wie aber auch bei ihm jederzeit eine Reexacerbation stattfinden kann, ohne

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da$ wir eine ~ul~ere Ursache aufzufinden vermSchten, so auch bei der Hebephrenie. Die pathologische Anatomie l~gt uns leider dabei bisher vSllig im Stiche. Dabei mu$ man sich wohl bewuSt sein, daf3 es auch viele Punkte gibt, die zu dem Vergleich nicht passen, wo sich tiefgreifende Unterschiede zeigen: Eine Basedowsche Krankheit ist eben keine Hebephrenie, ein MyxSdem keine Katatonie. Aber, wenn die Infek- tionserreger je naeh ihrem Angriffspunkt und ihrer Zahl die mannig- fachsten Krankheitserscheinungen hervorbringen k(~nnen, warum sou nicht ein im KSrper abgesondertes und kreisendes Toxin je nach der Menge oder veriinderten Zusammensetzung ebenso wie nach der An- spruchsf~higkeit des befallenen Organes verschiedene Wirkungen auf dasselbe hervorrufen. An Hyper- und Athyreoidie ist ja bei den in Frage stehenden Erkrankungen weniger zu denken als an Dysthyreoidie.

Ein Einwand kann den letzten Ausffihrungen billig gemacht werden : Basedow, besonders abet MyxSdem lassen sich durch Regelung der Zu- fiihrung des yon der Glandula thyreoidea gebildeten Sekretes heilen oder bessern, bei der Dementia praecox hat das bisher versagt. Auch das ist nicht ohne Einschri~nkung der Fall. B e r c l e y will durch Jodpri~parate und Strumektomie Heilung yon Sehizophrenen erzielt haben, andere haben nach Strumektomie Ubergang der Katatonie in Hebephrenie be- obachtet. WKhrend K r a e p e l i n und andere yon der Verabreichung yon SchilddriisenprKparaten keinen Erfolg gesehen haben, wird yon wieder anderen Jod und Thyreolecithin empfohlen, und zwar nut bei Katatonien ganz entsprechend der oben entwickelten Parallele dieser Form der Dementia praecox mit dem myxSdematSsen Irresein.

Schlie$lich ist noch eine Frage zu erSrtern. Auf die vielfachen Be- ziehungen der Ovarien und der Schilddriise zueinander und zu dem Zentralnervensystem ist bereits hingewiesen. Sehr wahrscheinlich stehen sie in diesen Beziehungen aber nicht allein da. Die Hypophysis cerebri, besonders die Thymus, die Zirbeldrfise, auch die Nebennieren haben sichere Beziehungen zur Gehirnfunktion.

Was die Hypophyse anlangt, so hat erst in neuester Zeit S c h u p pi u s einen Fall von katatonischem Erregungszustand mitgeteilt, bei dem naeh im Kollaps erfolgten Exitus die Obduktion einen Tumor des Hirn- anhangs ergab. Im Ansehlu$ daran bespricht er die einsehl~gige Lite- ratur. Bei den S c h u ste r sehen F~llen von Hypophysengeschwfilsten mit psychischen StSrungen, die von P f e i f f e r und S c h u p p i u s nur als voriibergehende Erscheinungen des ganzen Krankheitsbildes aufgefal~t werden, kann es sich auch zu einem Teil wenigstens um Erregungszu- stande bei einer latenten Schizophrenie gehandelt haben. Einen sicheren Fall der Verbindung yon Hebephrenie und Hypophysentumor hat F o r m a n e k beschrieben. Jedenfalls sind in einem Teil der F~lle yon Geschwfilsten des Hirnanhangs psychische StSrungen beobachtet. Zu

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den M0glichkeiten des Kausalnexus zwischen Hirntumor im allgemeinen und Psychose, die Red l i ch betont, dab einmal die Druckwirkung schs lich einwirken kBnne und andererseits der Tumor den agent provocateur bei belasteten Individuen spielen kSnne, ist fiir die Hypophysis jedenfalls noch die dritte MSglichkeit ins Auge zu fassen, dab pathologische Ab- sonderungen derselben die Geistesstiirungen bedingen. (Si m nitz ki (zit. nach G r awi t z) hat bei Akromegalie Vermehrung der Lymphocyten, Ubergangsformen und eosinophilen Zellen gefunden; jedoch stehen dem andere abweichende Untersuchungen gegeniiber.)

Ob die obenerw~hnten Driisen mit innerer Sekretion auch unter- einander zusammenh~ngen und der Gruppe der Organe, die im Ent- wicklungsalter eine Umwandlung durchmachen miissen, angehSren, ist teilweise noch nicht bekannt. Fiir die Hypophysis und besonders die Thymus daft man es neben der Thyreoidea und Ovarien und Hoden nach manchen Erscheinungen annehmen.

Einen interessanten hierher gehSrigen Fall beschreibt Pe l lacan i . Es handelte sich um einen Fall yon Dementia praecox, bei dem das voll- kommene Bild der Akromegalie bestand und daneben Symptome, die dem Dysthyreoidismus zugeschrieben werden konnten, auBerdem waren Liisionen der Geschleehtsorgane vorhanden. Der Fall wird xom Ver- fasser als Bests der Annahme gedeutet, dab die Schizophrenie in enger Beziehung zu Vers der Driisen mit innerer Sekretion sts

Es handelt sich also bei dem pathologischen Prozel~, der der Dementia praecox zugrunde liegt, mBglicherweise um die Einwirkung toxischer Absonderungsprodukte, die in der pathologischen Tiitigkeit einer Gruppe yon Organen mit innerer Sekretion (Thyreoidea, Ovarien, Hoden, Thymus, Hypophysis, Glandula pinealis, vielleicht auch Nebennieren) ihren Ur- sprung haben, einer Gruppe yon Organen, deren in der Pubert~t und dem Klimakterium physiologisch eintretende Funktionss krank- hafte Bahnen einschls Auf die Toxine reagiert das Zentralnerven- system mit den Erscheinungen einer entziindlichen Degeneration so- lange, bis die krankhafte innere Sekretion nachls beziehungsweise die betreffenden Organe verSden. Diesem Endzustande wiirde auf psychischer Seite die stuporSse VerblSdung, in die noch einzelnen Mani- festationen der friiheren Erkrankung, besonders katatone Symptome hiniibergenommen werden, entsprechen. Entsprechend wiirde auch die cytologische Blutvers ablaufen. Ob die angenommene patho- logische Entwicklung der driisigen Organe durch angeborene fehlerhafte Anlage oder exogene sps Einwirkungen hervorgerfuen ist, ist natiirlich augenblicklich noch weniger zu entscheiden wie die Richtigkeit der vor- stehenden Ansicht zu beweisen.

Die Resultate der morphologischen Blutuntersuchung lassen jeden-

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124 H. Krueger: gTber die Cytologie des Blutes bei Dementia praecox.

falls einen bedeu t samen Hinweis auf diese Seite der noch unaufgekl~r ten

Xtiologie unserer wesentl ichsten Geisteskrankhei t erkennen.

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