Über die abhängigkeit der reflexzeit von der stärke des reizes

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(Aus dem Institut fiir animalische Physiologic [Theodor Stern-Haus] und aus der Medizinischen Universit~tsklinik Franldurt a.M.) Uber die Abh~ngigkeit der Reilexzeit yon der St~irke des Reizes. Von Dr. reed. Friedrieh Kauffmann, Assistent an der Medizinischen Klinik und Dr. reed. et phil. Wilhelm Steinhausen, Assistent am PhysiologischenInstitut. (Mit 7 Textabbildungen.) (Eingegangen am 2d. M~irz 1921.) I. Einleitung. In einer friiheren Arbeit i) hat der eine yon uns einige Versuche fiber die Latenzzeit der Muskelkontraktion in Abhingigkeii vonder Stromst~rke bei Reizung mit konstantem elektrischem Strom mitgeteilt und daran ansehlieBend die dabei beobachteten Gesetzm~I3igkeiten und ihre vermutlichen Ursachen besprochen. Es zeigte sich, dab man die Kurve der Latenzzeit als Funktion der Stromsti~rke als gleieh- seitige Hyperbel deuten kann, die gegen die Koordin~tenaehsen ver- schoben ist, oder um es anders auszudrficken, daI~ die Latenzzeit dar- stellbar ist dureh die Formel: const t + to , i -- io worin t die Zeit, i die Stromst~rke und eonst, i 0 und to Konstanten be- deuten. Bei der Analyse der Versuehsergebnisse, die der eine yon uns ~) bereits im Sommer 1914 im Kieler physiologischen Institut fiber die Abhingigkeit der l~eflexzeit yon der S~urekonzentration bei chemiseher Reizung der Frosehhaut begonnen hat, kamen wir zu dem Ergebnis, daI~ ffir die Abhingigkeit der Reflexzeit yon der St~rke des Reizes formal wenigstens dieselben Gesetze ableitbar sind wie ffir die Abh~ngigkeit der Latenzzeit des Muskels yon der Stromstirke. Diese Ableitung sell im folgenden gegeben und auf einige andere F~lle angewandt werden. Zugleieh wird ein Versueh gemaeht, die physio- logisehe Bedeutung der Ergebnisse aufzufinden. l) W. Steinhausen, Arch. f. d. ges. Physiol. 18g, 26 d6. 1921. 2) F. Kauffmann.

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Page 1: Über die Abhängigkeit der Reflexzeit von der Stärke des Reizes

(Aus dem Institut fiir animalische Physiologic [Theodor Stern-Haus] und aus der Medizinischen Universit~tsklinik Franldurt a.M.)

Uber die Abh~ngigkeit der Reilexzeit yon der St~irke des Reizes.

Von Dr. reed. Friedrieh Kauffmann,

Assistent an der Medizinischen Klinik und

Dr. reed. et phil. Wilhelm Steinhausen, Assistent am Physiologischen Institut.

(Mit 7 T e x t a b b i l d u n g e n . )

(Eingegangen am 2d. M~irz 1921.)

I. E in le i tung .

In einer friiheren Arbeit i) hat der eine yon uns einige Versuche fiber die L a t e n z z e i t d e r M u s k e l k o n t r a k t i o n in Abhingigkei i v o n d e r Stromst~rke bei Reizung mit konstantem elektrischem Strom mitgeteilt und daran ansehlieBend die dabei beobachteten Gesetzm~I3igkeiten und ihre vermutlichen Ursachen besprochen. Es zeigte sich, dab man die Kurve der Latenzzeit als Funktion der Stromsti~rke als g l e i e h - s e i t i g e H y p e r b e l deuten kann, die gegen die Koordin~tenaehsen ver- schoben ist, oder um es anders auszudrficken, daI~ die Latenzzeit dar- stellbar ist dureh die Formel:

const t + to ,

i - - io worin t die Zeit, i die Stromst~rke und eonst, i 0 und t o Konstanten be- deuten. Bei der Analyse der Versuehsergebnisse, die der eine yon uns ~) bereits im Sommer 1914 im Kieler physiologischen Ins t i tu t fiber die Abhingigkeit der l ~ e f l e x z e i t yon der S ~ u r e k o n z e n t r a t i o n bei c h e m i s e h e r R e i z u n g d e r F r o s e h h a u t begonnen hat, kamen wir zu dem Ergebnis, daI~ ffir die Abhingigkei t der Reflexzeit yon der St~rke des Reizes formal wenigstens dieselben Gesetze ableitbar sind wie ffir die Abh~ngigkeit der Latenzzeit des Muskels yon der Stromstirke. Diese Ableitung sell im folgenden gegeben und auf einige andere F~lle angewandt werden. Zugleieh wird ein Versueh gemaeht, die physio- logisehe Bedeutung der Ergebnisse aufzufinden.

l) W. S te inhausen , Arch. f. d. ges. Physiol. 18g, 26 d6. 1921. 2) F. Kau f fmann .

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Uber die Abhangigkeit der Reflexzeit v0n der Starke des Reizes. 13

II. Aufgabe. Wir stellten uns also die Aufgabe, die R e f l e x z e i t als F u n k t i o n

de r R e i z i n t e n s i t ~ t a l l e i n zu betraehten. Unter Reflexzeit ist im folgenden, wenn nicht ausdriieldich eine andere Bedeutung angegeben ist, stets die , , rohe R e f l e x z e i t " verstanden, d. h. die Zeit vom Beginn der Reizsetzung bis zum ersten meBbaren Reaktionsanfang. Diese Definition der Reflexzeit wird nicht nur auf die chemischen Reizungen am Froschprgparat, sondern aueh anf Reizung mit anderen Qualit~ten (Wgrme usw.) beim Froseh und schlieBlich auch auf Temperaturreize am Menschen angewandt. Dabei wird die Reaktion beim Menschen (SehmerzguBerung) Ms Reflex aufgefaBt, was man unter den yon uns angewandten Versuchsbedingungen tun daft.

In dieser so genannten rohen Reflexzeit sind eine g a n z e i~ e ih e v o n Z e i t e n fiir die verschiedenen Einzelvorggnge, aus denen der l~eflex- vorgang besteht, enthalten. Auf die genauere Analyse dieser Zeiten wollen wir erst spgter eingehen. Wir wollen hier nur sehon bemerken, dab mindestens seehs E i n z e l v o r g ~ n g e (in Wirkliehkeit aber wohl noeh sehr viel mehr) bei einem Reflex hintereinander ablaufen. Wenn wir also die Reflexzeit messen, so messen wir damit eine ganze Summe yon Zeiten. Betraehten wit die Reflexzeit als Funktion einer an- deren vergnderliehen GrSBe, so untersuehen wir damit, wie jene Zeitsumme yon dieser anderen GrSBe abhgngig ist.

Als diese unabhgngige Variable haben wir die Reizsthrke genommen. Wir wandten in allen F~llen k o n s t a n t e R e i z e an und vergnderten nur die Maximalintensit~t dieses konstanten l~eizes (Konzentration der Sgure, Reiztemperatur usw.). Wir erwarteten dabei, daI3 der Reizerfolg q u a l i t a t i v d e r s e l b e bleibt ( v o n d e r Reflexumkehr wird noeh be- sonders gesprochen werden), und daft die Z e i t , die vergeht vom Moment der Reizung bis zum ersten meBbaren Eintreten einer Reaktion, in einen g e s e t z m ~ f t i g e n Z u s a m m e n h a n g m i t de r R e i z i n t e n s i t g t zu bringen ist. Sollte sich ein soleher gesetzmgBiger Zusammenh~ng nicht finden, so mfissen wir annehmen, dab mit der Ver~nderung der Reizst~rke irgendwelche Faktoren eintreten, die sich noeh nicht fiber- sehen lassen (z. B. bei der Reflexumkehr). Inn anderen Fall, in dem wir eine f u n k t i o n a l e B e z i e h u n g linden, miissen wir zungchst mit der MSglichkeit rechnen, dab dieselbe sehr kompliziert sein wird, da ja der Reflex aus einer so groften Zahl yon hintereinander gesehalteten Vorg~ngen besteht. Nut in dem Falle, daft yon diesen Vorg~ngen e i n e r besonders stark fiber die anderen iiberwiegt und besonders ver~nderlich mit der Reizst~rke ist, werden wir eine entspreehend e i n f a e h e r e Beziehung linden. Wie wir sehen werden, ist dies letztere in der Tat der Fall. Wir k6nnen unsere Versuchsergebnisse so deuten, daft wir einen einzigen Vorgang als den besonders langsam verlaufenden und als yon der Reiz-

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14 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

s tgrke besonders beeinfluBbaren ansehen unter Vernaehlgssigung der iibrigen Zeiten. Welches dieser Vorgang ist, darfiber lassen sich nur Vermutungen gu~ern.

III. Reflexumkehr, Bahnung usw.

Der R e f 1 e x v o r g a n g kann durch einige Erscheinungen: R e f 1 e x- u m k e h r , B a h h u n g , S u m m a r i o n usw. [Ue x k f i l l , B e t h e , B 5h me1)] unter gewissen Ums tgnden sehr kompliziert werden. In neuerer Zeit haben die Autoren ihr Interesse besonders diesen Abweichungen yore regd- mgl3igen Ablauf des l~eflexes zugewandt . Seitdem F r e u s b e r g ~) beim Hunde die Umwand lung des F l e x i o n s r e f l e x e s des Fultes in einen E x t e n si o n s r e f l e x bei Anwendung starker {aradischer Reize gefunden h~tte, sind zahlreiche ghnliche Beob~chtungen gemacht und auch die Bedingungen ffir den Ein t r i t t der Ref lexumkehr besonders yon S h e r - r i n g t o n a) eingehend s tudier t worden. F r S h l i c h a) l and am Frosch- bein bei schwachen Reizen Flexion, bei s tarken Reizen Extension. I n einer neueren Arbei t konnte V e r z g r 5) zeigen, dab auch Ermfidung des Priiparates und Schock Ref lexumkehr zur Folge haben kSnnen. Eine solche Ref lexumkehr bringt eine Unstet igkei t iri den funkt ionalen Zusammenhang zwischen Reizstgrke und Reizerfolg, die ganz anders diskutiert werden mul3 als der stetige Verlauf des Abhgngigkeitsver- h~ltnisses auBerhalb dieser Unstetigkeitsstelle. Wir wollen uns nur mi t den Abschni t ten beschgftigen, in denen die Funk t ion stetig ist.

Eine R e f l e x u m k e h r haben wir beim Frosch bei Anwendung chemischer Reize im Bereich der yon uns angewandten Konzent ra t ionen n i c h t b e o b a c h t e t , vielmehr reagiert das P rgpara t stets mi t Flexion des gereizten Beines. Auch andere Autoren erwghnen die zumeist gleich- artige Reakt ion auf chemische Reize. B a g l i o n i 6) rechnet die chemi- schen Reize zu den schgdigenden l~eizen und durch solehe wird nach seinen Angaben stets der gleiche Reflex bedingt. Die ausgelSsten Re- f lexbewegungen stehen in direkter Beziehung zu dem Ort, der Stgrke und der Bauer der Reizwirkung und haben zum Zweck, das gereizte Glied dem Einflul~ des Reizes zn entziehen (c~-t~eflexe, Baglioni); ais Beispiel fiir solche kons tan ten Reflexe ffihrt B a g l i o n i 7) den geuge-

1) j . v. Uexki i l l , z. B. Zeitschr. f. Biol. 34, 298--332. 1896. A. Bethe , Anat. u. Phys. d. Nervensystems ]903, S. 335. A. BShme, Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheflk. 56, 256. 1917.

2) A. F reusbe rg , Reflexbewegungen beim ttunde. Arch. f. d. ges. PhysioL 9, 358. 1874.

a) S h e r r i n g t o n , Journ. of physiol. 30, 93. 1903. a) Fr. W. FrShl ich , Zeitschr. f. allg. Physiol. 9. 85, 1909. s) F. Verzgr , Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 210--234. 1920. 6) S. Bagl ion i , Ergebnisse d. Physiol. 13, 509. 1913. 7) S. Bagl ion i , a. a. O.

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~Tber die Abh~tngigkeit der Reflexzeit vonder St~rke des Reizes. 15

reflex des Froschbeines auf Kneifen oder Ein tauohen in eine S~ure- 15sung (T fir c k sohes Verfahren), also unsere Versuehsanordnung bei der ehemisehen l~eizung an. Auoh bei unseren fibrigen Versuohen kam eine Ref lexumkehr nieht zur Beobaohtung.

Welter wird der Ref lexvorgang beeinflul]t durch S u m m a t i o n s - e r s o h e i n u n g e n . Es zeigt sich n~tmhch sowohl fiir ehemisohe als aueh fiir andere l~eizqualit~ten, dal] der Ref lexv0rgang abh~ngig ist au/3er yon der In tens i t~ t der Reize, der Sehnelligkeit ihres Eintretens und yon der GrSSe der Reizfl~che aueh yon der Z a h l d e r l~e ize in der Zeit- einheit. Der enthirnte Froseh, weleher den in eine sehwache S~urelSsung, e ingetauchten Ful~ stets nach einer gleichen Zeit zurfickzieht, reagiert wie F r e u s b e r g zeigte , rascher, w e n n z. B. zu dem Ein tauehen in die Sgure eine schwache zur ReflexauslSsung ffir sich allein nicht genfigende meehanische Reizung h inzukommt. Eine Summat ion k o m m t naeh F r e u s b e r g 1) immer dann zustande, wenn die zu einem bes t immten Zent rum ffihrenden sensiblen Nerven dureh gleiehe oder versehieden- artige Reize gleiehzeitig oder in raseher Folge getroffen werden. Eine solche gul~ere Summat ion kann bei S~Lurereizen verhindert werden, wenn die l~eizung Im~ der S~ure in gro~en Zwisehenr~umen geschieht, die es dem Prgpa ra t ermSglichen, auf seinen ursprfing]ichen Erregungs- zus tand zurtickzukehren. Bei unseren Versuehen haben wir lange Pausen zwischen die einzelnen I~eize eingeschaltet und naeh MSgliehkeit das Auf t re ten yon Zusatzreizen zu verhindern gesueht. Von S u m m a - t i o n s e r s c h e i n u n g e n in diesem Sinne kSnnen wir daher gleichfalls absehen. Auch die komplizierten Erscheinungen der Ref lexhemmung und Bahnung wollen wir aus der Be t rach tung aussehliel~en.

IV. Literatur. Die einfache Frage, wie die Reflexzeit sich bei Abnahme der t~eizst~rke

verh~lt, ist auffallenderw~ise nur ganz sp~rlich bearbeitet worden. ~ur B a x t 2) hat die Frage ffir chemisehe Reize systematisch untersucht. Auf die Baxtsche Arbeit kommen wir noch eingehend zuriiek. R o s e n t h a l s) macht die Angabe, dal~ die ,,wahre" Reflexzeit, d. h. die zur [Tbertragung eines sensiblen l~eizes au~ eine motorisehen Nerven notwendige Zeit um so kleiner ausf~llt, je sti~rker der Reiz ist. Die Angabe allerdings, dal~ die ,,wahre" ]~eflexzeit den Wert 0 annimmt bei starken Reizen, diirfte nicht zutreffend sein. Unter Anwendung elektrischer Reizc land S t i f l ing 4) Abnahme der ,,rohen" Reflexzeit bei Zunahme der l~eizst~rke. Er gibt an, dal~ bei minimalen l~eizen die Reflexzeiten sehr stark zunehmen, wenn die Reizintensit~ten nut um weniges kleiner werden. Eine Gesetzm~l~igkeit l~l~t

~) A. F reusbe rg , Arch. f. d. ges. Physiol. 9, 358. 1874. 2) W. Bax t , Berieht d. Kgl. S~chs. Gesellseh. d. Wiss. math.-phys. K1.

23, 309--328. 1871. ~) J. l~osenthal , Bericht d. Akad. d. Wiss. Berlin ]873 und und Biol.

Centralbl. 1884/85, S. 24~7. ~) W. S t i r l ing , Berieht d. Kgl. Gesellseh. d. Wiss. Leipzig, Math.-phys. K1.

1874, S. 372--440.

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16 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

sich aus seinen Versuchen allerdings nicht ableiten. I m fibrigen finder sieh nur gelegentlich die Angabc, dab die Reflexzeit mi t der St~rke des Reizes abnimmt. So fend E x n e r 1) fiir den Lidreflcx bei schwacher elektrischer Reizung 0,0662 sek., bei s tarkem Reiz 0,0558 Sek. Auch W u n d t 2) gibt an, dab die Rcflcxzcit mi t Abnahme der Reizst~rke zunimmt. Ffir den Tricepsreflex beim Hunde nach elektrischer Reizung der Hau tne rven stcllte F r a n e o is - F r a n e k 3) die Wertc 0,04, 0,038, 0,026 und 0,022 Sek. lest, wobei die l~ngeren Wcrte zu den schw~cheren Reizen gehSren.

Wie groi~ die Reflexzeiten bei s c h w a c h e n Reizen werden kSnnen, wurde n ieht veffolgt, weil man sich eben nu t ffir die k f i r z e s t e n zu beobachtenden Zeiten interessiertc.

Dasselbe gilt yon den W ~ r m e s c h m e r z r e a k t i o n e n , die wir neben den chemischen Reflexzeiten besonders herangezogen habcn. Auch hierfiber finden sieh in der Li tera tur kaum einige Einzelbeobachtungen.

T h u n b e r g t) macht einige Angaben fiber die Latcnzzcit der Schmerzemp- f indung bei Anwendung yon Temperaturen yon 50--68~ er fend als Reaktions- zciten Werte, die zwischen 20 und 170/100 Sekunden sehwanken. Aber gemischt untcr diese kurzen Werte ha t er auch erheblich l~ngere beobaehtet . So fend er bei 50 ~ Reiz temperatur Reaktionszei ten yon 5,3; 4,5; 6 Sekunden, bei 52 ~ 2,9; 3,4; 2,5 Sekunden.

T h u n b e r g erw~hnt diese hohen Werte, d a e r sie n icht g~nzlieh verweffen zu kSnnen glaubt. E r ha t sic aber bei der Bereehnung der Mittelwerte fiir die Latenzzei t der Schmerzempfindung au22allenderweise nieht berfieksichtigt, in dcr Meinung, sic iiuBeren Einfliissen, wie einer , ,unbedeutenden ~mderung der an- gewandten Temperatur , einem unbedeutendcn Untersehied in der Dieke der Hautschieht , die die nervSsen Endorgane yon der W~rmequelle t r enn t " , zusehreibcn zu mfissen.

Bei diesen yon T h u n b e r g beobaehte ten langen Latenzzeiten dfiffte es sieh u m Werte handeln, die n o r m a 1 e r w e i s e bei Absehw~chung der In tensi t~t des Reizes auftreten. Dah r erseheinen uns Bes t immungen yon Reflex- bzw. Rcaktions- zeiten ohne Angaben dartiber, ob es sich wirklieh u m maximale Reize gehandelt hat , yon nu t schr bedingtem Weft. Weitcre Angaben fiber die Reaktionszeit der Sehmerz- empfindung finden sieh bei G o l d s e h e i d e r ~ ) . E r erw~hnt das Vorkommen langer Reaktionszei ten bei niedrigen Reiztemperaturen, vereinzelt finder er Werte yon 3- -17 Sekunden. Systematische Untersuehungen fiber die Beziehungen zwisehen Latenzzei t und Reiz temperatur ha t er jedoeh nieht angestellt. In einer neueren Arbei t von S o n n e n s c h ei n 6), weleher die Reaktionszeit der Sehmerzempfindung au~ momentane mechanische I-Iautreize bes t immt hat , ist die Ver~nderliehkeit der Latenzzeit mi t der Reizst~rke f iberhaupt nicht diskutiert.

D e r G r u n d f i i r d a s F e h l e n y o n V e r s u c h e n f iber d ie A b h ~ n g i g k e i t d e r

I~e f l exze i t y o n d e r R e i z s t ~ r k e s e h e i n t u n s d a r i n z u l iegen , d e 2 d ie

1) S. E x n e r , Arch. f. d. ges. Physiol. 8, 526. 1874. 2) W. W u n d t , Untersuehungen zur Mechanik der Nerven usw. II. Abtlg.,

S. 16. 1876. a) F r a n e o i s - F r a n c k , Lecons sur les fonctions motrices du cerveau. Paris

1887, S. 44; zitiert naeh ~Tagel t t a n d b u c h IV, S. 264. ~) T. T h u n b e r g, Untersuehungen fiber die bei einer einzelnen momentanen

Hautre izung auf t re tenden zwei s teehendcn Empfindungen. Skand. Arehiv f. Physiol. XII . 1902, S. 3 9 4 ~ 4 2 .

5) A. G o l d s c h e i d e r , Ges. Abhandl. Bd. 1, S. 3491 1898. 6) S o n n e n s c h e i n , Neue Untersuchungen fiber Schmerzreaktionszeiten.

Inaug.-Diss. GieBen 1920.

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(~ber die Abh~ngigkeit der Reflexzeit yon der St~rke des Reizes. 17

e i n e n 1) eine p r o p o r t i o n a l e Z u n a h m e der t ~ e f l e x z e i t mi t A b - n a h m e d e r I ~ e i z s t ~ r k e ffir selbstverst~ndlieh halten, eine Annahme, die, wie wir sehen werden, nieht zutriff t und die a n d e r e n in der Ein- sieht yon der zusammengesetz ten Na~ur des Reflexvorganges sich aus dem Studium der Reflexzeit keine Aufkl~rung fiber den Vorgang als solchen verspreehen. Wir hoffen zeigen zu kSnnen, dal~ aueh die letztere Meinung nieht zu Reeh t besteht.

V. Eigene Versuche.

A. C h e m i s c h e R e i z e .

Wir beriehten zuerst fiber Versuche, die ~ r beim Frosch fiber die l ~ e f l e x z e i t bei c h e m i s c h e n H a u t r e i z e n in Abh~ngigkeit yon der Reizst~rke, die hier durch die Konzen t ra t ion der ehemischen Substanz gegeben ist, angestell~ haben.

Wir benutzten hierbei des 4ekapitierten Frosches. zwisehen Re iz s t~ rke nnd L a t e n z z e i t ankam, ohne l~iicksicht auf den genauen absoluten Wert der Kon- stanten, die bei physiologi- sehen Versuehen im all- gemeinen yon einer sehr grol~en Anzahl yon Faktoren abh~ngen, so haben wir auf die genaue Feststellung der Anfangsbedingungen (Tem- peratur, Reflexerregbarkeit, Vorgeschiehte des Ver- suchstieres usw.) verziehtet. l~ur darauf haben wir streng hinzuwirken versueht, da~ clas Tier w~hrend des Ver- suches keinerlei Ver~nde- rung effuhr, die irgendwie ~ndernd auf diese Konstan- ten h~tSe wirken kSnnen.

1. Versuchsmethoden.

das in bekannter Weise hergestellte Reflexpr~parat Da es uns nur auf die f u n k t i o n e i l e B e z i e h u n g

C C-1

Abb. 1. V e r s u c h s a n o r d n u n g fi ir die chemische Reizung .

Wie dies im einzelnen erreieht und gepriift wurde, wird bei den Versuehen selber angegeben werden.

Die Versuehe wurden in ~hnlicher Weise ausgefiihrt, wie sie bei B a x t 2) besehrieben sind, jedoeh wurden sic nieht auf Schwefels~ure beschr~nkt, sondern aueh auf andere anorganische nnd organische S~uren (Salzs~ure, Salpeters~ure, Essigs~ure) sowie auf Laugen ausgedehnt. Im einzelnen war die Versuchsanord- nung die folgende (vgl. das Schema Abb. 1): An dem Unterschenkel des de-

x) W. Glo~l, Physiologie. Nliinchen 1913. Naeh G. ist die Reflexzeit aUer dings umgekehrt proportional dem Quadrat der Reizintensit~t.

~) W. Bax t , Die Reizung der Hautnerven durch verdiinnte Schwefels~ure. Bericht d. S~ehs. Gesellsch. d. Wiss. l~th.-phys. K1. 1871, S. 309.

Pfl i igers Archiv f. d. ges. Physiol . Bd. 190.

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18 F. Kauffmann Und W. Steinhausen:

kapitierten Frosches wurde eine leicht sehliel~encle Klemme (K) angebracht; an ihr ist ein Platindr~ht befestigt, der in ein N~pfchen mit Quecksilber eintaucht und dutch einen Lamettafaden mit dem elektromagnetischen Signal M verbunden ist. Die S/iure befindet sieh in dem Sch~lehen S, welches an dem einen Arm eines zweiarmigen Hebels H befestigt ist und durch tIerunterdriicken des anderen Hebel- armes bis zu dem Ansehlag A gehoben werden kann. Der Drehpunkt des Hebels ist mit dem Queeksilberseh~lehen (Q), der Anschlag mit der Stromquelle (E) und diese wieder mit dem elektromagnetisehen Signal verbunden, dessen Bewegungen auf einer Kymographiontrommel (T) atffgezeichnet werden. Aus der Signalkurve und der darunter verzeichneten Zeitkurve (1/4") l~Bt sieh in bekannter Weise sofort die Reflexzeit ablesen. Der Anschlag war So gestellt, dal~ die Extremit~t des :Frosehes beim Heben der Sehale bis zum ~ul~gelenk eintauchte.

Das Gef~B, das bis fast an den Rand mit der S/iure gefiillt war, war sehr grol~ im Verh~iltnis zum Volumen des eingetauchten Stfiekes des Froschschenkels. Deshalb kann die .Abnahme der Si~urekonzentration, die dureh Wegdiffundieren aus dem Gef/il~ in den Frosehsehenkel eintritt, vernaehli~ssigt werden. Wir kSnnen also annehmen, dab wir stets die gleiehe S~iurekonzentration im Reizgefiil~ haben.

2. Versuehe mit S~uren und Laugen.

Wir haben zun~chst Schwefels~ure als Reizfliissigkeit angewandt. Dabei wurde streng darauf geachtet, dab die S~ure n~ch jeder Reizung vollsti~ndig wieder abgespfilt wurde: zuerst Abspiilung in schwacher LSsung yon Natr. bicarbon. (PhenolphthMein wurde gerade gerStet) dann in Leitungswasser, schlieBlich Abtroclmen mit FlieBpapier. Es wurde stets eine P a u s e y o n d r e i M i n u t e n zwischen je zwei Reizen eingelegt. Da~ die Erregbarkeit des Pr~parates zu Beginn einer jeden Reizung die gleiche war, liel~ sich aus der Konstanz der Real~tions- zeit bei Wiederhoinng des gleichen Reizes ableiten. Wir haben die Ver- suche nur so lange fortgesetzt, als die Erregbarkeit des Pr~parates sich nicht ~nderte. Bei genfigender Sorgfalt (Verhfitung der Austrocknung und Verblutung) l~l~t es sich erreichen, d~I~ das P r ~ p a r a t stundenlang die gleiche Erregbarkeit zeigt. D i e Hauptversuche der S~urereizung wurden in den Monaten Aprf l - -Jul i 1914 angestellt; die Versuche bei thermischer Reizung und mi t Laugen und Salzen sowie einige Kontroll- versuche bei S~urereizung haben wir im Laufe des vergangenen Jahres unternommen. ])as .Ergebnis eines Versuehes bei Reizung mit Schwefel- si~ureist durch die Tabelle I wiedergegeben.

Tabelle L B~eflexzeit in Sek.

Konzentrat ion der H~SO4 in o~ beobachtet errechnet

0,05 19,7 19,7 0,1 8,8 6,95 0,3 2,5 2,5 0,5 1,8 1,81 1,0 1,3 1,37 1,5 1,2 1,15

Page 8: Über die Abhängigkeit der Reflexzeit von der Stärke des Reizes

Uber die Abhangigkeit der R~flexzeit yon der Starke des Reizes. 19

?0 ,k

75

5

AuBer den beobachte ten Wer ten sind im 3. Stab die Wer te angegeben, ~: colqs~

die man errechnet, wenn m a n die spi~ter begrfindete Formel t - - -~ b c - - a

anwendet , t i s t dabei die Reflexzeit, c die Konzen t ra t ion ; a, b und const sind kons tan te GrSl~en: Der numerische W e r t der Kons t an t en be t rggt in Tabelle I const = 0,452.; a = 0,026; b = 0,848.

I n den folgenden Tabellen sind jedesmal nach derselben Methode die Wer te berechnet und angegeben.

Die Kurve Abb. 2a gibt Tabelle I graphisch dargestell t wieder. I n der Abbi ldung sind wie in den folgenden immer durch die Sternchen

,7

12 3ek

9

~e

.o5~..3~,~ H U

Tabel le II. Itefloxzeit in Sek.

Konzentration der HCI in % be0bachtet errechnet 0,05 34,0 34,0 0,1 6,3 7,2 0,3 2,3 2,3 0,5 0,85 1,1 1,0 0,45 0,45 1,5 0,25 0,13

a = 0,029; b = - - 0 , 3 6 4 . const ----- 0,72. Der negative Wert fiir b erkliirt '~]ch vietleicht daraus, da~ wir nicht nach der Ausgleichsmethode gerechnet haben. Vgl. spgter.

Von den Versuchen mit Salpetersgure, Essigsgure und Laugen, die im Prinzip zu denseiben Ergebnissen fiihrten, wollen w i t nu t einen

2*

o/ o,3 o,5 ~,o 1,y~ o,1 0,3 0,5 ~ 1,a 1,5~ /l"onzenfral/on ~ Konzel'n~af/bn

a) b) Abb. 2. Reflexzeitkurven fiir Saurereize. a)fiir Schwefelsaure. b) far Salzsiiure. Sternchen:

beobachtete Werte; ausgezogene Kurve: berechnete Hyperbel.

die beobachte ten Reflexzeiten wiedergegeben, und als ausgezogene K u r v e n sind d i e nach der angegebenen F0~mel berechneten Hyperbe ln eingezeichnet.

Die folgende Tabel le I I (vgL Abb. 2b) g ib t ein Beispiel ffir eine Reizung mi~ Salzsgure:

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20 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

V e r s u c h an f f ih ren m i t N a t r o n l a u g e . D ie g e f u n d e n e n R e f l e x z e i t e n eines

Ver suches s ind in T a b e l l e I I I u n d Abb . 3 a w iede rgegeben .

28

2~ 30

2o t 15 20

l \ 8 x\ .~ r

z , o~, 8 0,5 go ~5 2,o Zonzen~ahon ~ n /(onze~#otz lYol: Ltr.

a) b) Abb. 3. Reflexzeitkurven flit Laugen und Salze als Reizmittel. a) fiir Natronlauge. b) fiir Koch-

salz. Sternchen: beobachtete Werte ausgezogene Kurve: berechnete Hyperbel.

T a b e l l e III . Ret lexze i t in Sek.

Konzentration der Natronlauge in 111oo n beobachtet errechnet 2 15,8 15,8 3 8,8 9,1 4 6,8 6,8 5 5,0 5,4 7 4,2 4,2

a ~ 0,807; b ~ 1,43; const ~ 18,53.

3. Versuche mi t Salzen als Reizmlttel .

A u c h Sa l z lSsungen w u r d e n au f i h r e W i r k s a m k e i t h i n u n t e r s u c h t . E i n e n

so l chen V e r s u c h m i t K o c h s a l z l S s u n g g i b t d ie T a b e l l e I V u n d A b b . 3b .

T a b e l l e IV. Reflexzei t in Sek.

Konzentration des NaC1 i. Mol pro Liter beobachtet errechnet O,5 30,6 30,6 0,75 8,5 9,8 1,0 6,0 5,98 1,25 5,O 4,6 1,5 3,9 3,7 2,0 3,2 2,9

a ~ 0,41; b ~ 0,96; const ~ 2,96.

E r w ~ h n t sei, d a b a m e r i k a n i s c h e F o r s c h e r 1) n e u e r d i n g s Ve r sueho

VerSf fen t l i eh t h a b e n f iber d ie E i n w i r k u n g y o n K a m p f g a s a u f d ie

1) H. W. S m i t h , G. C lowes and E. M a r s h a l l jr., On dichloraethylsulfide :(Mustard Gas). IV. The mechanism of absorption b y the skin. Journal of ph~rmacol, a. exp. therapeut. 13, 330. 1919.

Page 10: Über die Abhängigkeit der Reflexzeit von der Stärke des Reizes

Uber die Abhangigkeit der Reflexzeit yon der Stltrke des Reizes. 21

H a u t , bei welchen sie ~hnliche Kurven gefunden haben, wie wir sie hier geben. Der Verlauf ihrer Kurven ist allerdings viel steiler. Auch handelte es sich bei ihnen um eine ganz andere Fragestellung; sie b e - obaehteten die Erythembfldung der Haut in Abh~ngigkeit yon der Konzentrat ion des Gases und der Zeit seines Einwirkens. Immerhin dfirfte ein Tefl der im folgenden abzuleitenden Ergebnisse aueh auf den Durchtr i t t yon Gasen durch die Haut angewandt werden k6nnen, wenn auch hier die Verh~ltnisse durch Adsorption, LSsliehkeitsverh~ltnisse usw. noch komplizierter zu liegen scheinen ~).

B. T h e r m i s c h e Re ize .

1. Versuche am Frosch.

Auger bei chemischen Reizen wurde auch die Reflexzeig bei t h e r - m i s e h e n Reizen in Abh~ngigkeit yon der Reizst~rke untersueht. Die folgende Tabelle gibt einen solchen Versueh ffir das Froschpriiparat. Start in S~ure yon versehiedener Konzentrat ion wurde der Fur3 des Reflexpr~parates in Wasser yon verschiedener Temperatur getaucht und die l~eflexzeiten abgelesen. Die Werte eines solchen Versuches gibt die Tabelle V.

Tabelle V. Temperatur in ~ C l~eflexzeit in Sek.

43,8 3,0 43,8 3,8 37,5 8,2 36,0 13,2 35,5 22,2 47,0 1,4 42,5 2,0

2. Versuche i~ber Wdirmeschmerzemp/indung beim Menschen.

Wegen der beim ~roseh friihzeitig eintretenden W~rmestarre und der Sehwierigkeit, wenn nieht UnmSgliehkeit, das Pr~parat zwisehen den einzelnen Reizen wieder in den Anfangszustand zurfiekzubringen, haben wit die weiteren Versuche fiber W~rmereizungen a m M e n s c h e n an- gestellt. Wir benutzten als Indicator das Auftreten der Schmerz- empfindung, welche naeh einer unter Umst~nden sehr langen Latenz- zeit plStzlieh auftri t t und daher auch pr~zis angegeben werden kann.

Die Tabelle VI gibt einen unserer zahlreiehen Versuehe wieder. Zwischen den einzelnen Reizen war jeweils wieder eine Pause yon drei Minuten eingelegt. (Siehe Kurve Abb. 4a.)

1) .~hnl iche K u r v e n l i n d e n sich in e i n e r kfirzlich e r s eh i enenen d e u t s c h e n Arbeir yon F l u r y fiber K~mpfgaswirkungen. Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 13, 12. 1921.

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22 17. l~auffmann und :W. steinhausen :

6e# ~'6 " I .

~5

~o 5 o o �9 5 7~mpex ~ 75~

x

-\

a) b) Abb. 4a. l~eaktionszeit der Schmerzempfindung in AbhgngigkeiO yon. der Reiztemperatur.

Abb. 4b. Reflexzeit nach Temperaturreiz bei einem Hemiplegiker. Sternchen: beobachtete Werte; ausgezogene Kurve: berechnete HyperbeL

T a b e l l e VI. Schmerz~Reaktionszeit in Sek.

Reiztemperatur in ~ C beobachtete VCerte errechnete Werte

80 1,0 0,9 76 1,4 1,4 75 1,4 1,5 72 2,2 1,9 70 2,4 2,3 68 2,4 2,8 66 3,2 (4,0) 3,6 65 4,2 4,0 63 5,2 (5,6) 5,2

6 0 7,8 (6,8) (9,0) 8,3 57,5 .13,0 (10,8) 14,3 57 16,6 (15, O) 16,6 55 ix)

a ~ 53,4; b ~ - - 1,63; const ~ 65,5.

A u c h h i e r s ind i m 3. S t a b d ie W e r t e a n g e g e b e n , die m a n n a c h de r a u f

Se i te 19 a n g e g e b e n e n u n d s p a r e r e r l ~ u t e r t e n F o r m e l e r rechner

Es f~llt auf, dab di e Werte, die wir bei niedrigen Temperaturen fiir die La~enz- zeit der Schmerzempfindung gefunden haben, erheblich l~nger sind als diejenigen, die G o l d s c h e i d e r fand. Nun geh~ aus G o l d s c h e i d e r s Angaben nich~ genau hervor, wie groB die Reizfl~che bei seinen Versuchen gewesen ist. Die Kugel, die er zu der Reizung verwandte, habte einen Dtu'chmesser yon 2,9 era, die GrSBe unserer ebenen Reizfl&che betrug etwa 1,5 qcm, so dab unsere Reizfl~che ver- mutlich erheblich :gr6Ber war als die G o l d s c h e i d e r s . Es liegt nun die Ann~hme am n~ichst~en, dab als Ursache fiir die erheblichen Differenzen fiir die Latenzzeiten im wesentlichen die verschiedene Gr61~e der Reizfli~che anzusehen i s t . ~ die

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Uber die Abh~tngigkeit der Reflexzeit yon der St~trke des Reizes. 23

W~rmeempfindung ist dutch Weber 1) 4er EinfluI3 der Reizfl~che festgestellt. Er land, da[~ man Wasser ~on 291/a ~ in das man die ganze Hand eintaueht, flit wi~rmer hglt, ~ls Wasser, welches 32 ~ warm is~, und in das man nut einen Finger eintaucht. In gleieher Weise 4iirfte ~ueh die GrSBe 4er Reizfl~che flit die Latenz- zeit der Schmerzempfindung yon Bedeutung sein. Die grSl]ere Reizflgche wird bei gleieher Temperatur geringere Latenzzeitwerte ergeben, anderersei~s aber wird die grSl~ere Reizfl~ehe noeh bei niedrigerer Temperatm" Schmerzempfindungen auslSsen kSnnen als die kleinere Reizflgehe. So erkl~ren sieh wohl einmal die ver- schiedenen absoluten Werte der Reizintensitgten und dann auch die auBergewShn- lich langen Zeiten, die wit bei geringen Temperaturdifferenzen festgestellt h~ben. Da]~ au~erdem aueh das Material des Re izgef~l~es, die Beschaffenhei~ und Emp- finctlichkei~ der Haut und die Versehiedenheiten der Beobachr Differenzen mit sieh bringen, ist selbstverst~ndlieh.

3. Versuche bei Hemiplegikern.

Gegen die W ~ r m e s c h m e r z v e r s u c h e am Menschen k6nnte viel- leicht eingewand~ ~erden, daI] sie keine exak te NIessung der Reflex- zeiten darstellen, sondern einen komplizierten Vorgang zum Gegenstand haben, bei welchem dem s u b j e k t i v e n E r m e s s e n der Versuehsperson ein allzugro~er Spielraum eingeri~umt wurde. Immerhin wul~te d er Pat ient j a nicht vorher, mi t welcher Temperatur er gereizt wurde, so dab eine Be- einflussung wenigstens der Versuchsperson ausgesehlossen erscheint.

U m den erw~hnten Einwand zu entkr~ften, stellten wir auch am Mensehen W ~r m e r e f 1 e x k u r v e n lest. Reine Wi~rmereflexe kann man erhalten, wenn die R e f l e x b e e i n f l u s s u n g vom G r o l ] h i r n aus aus- geschaltet is~. Eine solche pathologische Aussehaltung des Gro~hirn- einflusses finder sieh z. B. bei manchen H e m i p l e g i k e r n . Setzt man in einem solehen Falle an der H a u t im Bereich der geli~hmten und gefiihl- losen, also vom Grol~hirn funktionell getren:nten Extremi tg t einen W~rmereiz an, so kann man eine reine Reflexzuekung erzeugen, die dem Patienten nicht zum BewuBtsein k o m m t und deren Latenz yon der Sti~rke des Reizes (GrSlte der Temperaturdifferenz) in gese~zmi~itiger Weise abh~ngig ist. Als Beispiel sei folgender Versueh angefiihrt, wel- eher an einem Patienten mit rechtssei~iger Hemiplegie und Hemian- i~sthesie angestellt wurde. Das geli~hmte reehte Bein lag in leichter AuBenrotation, die Reizung erfolgte am medialen FuBrande. Als reflek- torische Bewegung t ra t eine Dorsalflektion des Ful~es ein, deren Latenz- zeir registrier~ wurde. (Siehe Tabelle V I I und Abb. 4b.)

Tabel le VII. Ref l exze i t in Sek.

l~eiz temperatur in ~ C beobachte t berechne t

80 1,8 1,8 77 2,2 2,0 75 2,2 2,2 72 2,4 2,7

I) Weber, Wagners Handbuch 3, 2, S. 553 und lqagel, Handbuch 3, 683.

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24 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

T a b e 11 e VII (ForSsetzung). Refloxzeit in Sek,

Reiztemperatur in ~ C beobachtet berechnet

70 3,2 3,1 68,5 3,4 3,4 66 4,2 4,1 65 4,8 5,2 63 5,8 5,6 61 7,6 6,7 60,5 8,2 7,2 58,5 10,4 14,6 55 16,2 16,2 54

a = 51,9; b = - - 0,75; const = 69,5.

Aueh bier linden wir also elne scheinbar ganz gesetzmgllige Zu- nahme der Reflexzei~ mit Abnahme der Reiztemperatur .

C. R e f l e x z e i t u n d R e i z s t ~ r k e .

Wir haben aus dem grol]en Material, das wir gesammelt haben, nur wenige Beispiele ausgesucht. In allen Versuehen fanden wir stets die- selbe Erseheinung, n~mlich eine Z u n a h m e der R e f l e x z e i t mi t A b - n a h m e der R e i z s t ~ r k e , die erst langsam vor sieh geht und bei An- n~herung an den Sehwellenwert zu grol]en Reflexzeitwerten ffihrt. Bei genfigender Feinheir de r Abstufung der Reize fanden wir aul]ergewShn- lieh lange Zeiten, die wegen der Konstanz ihres Au/tretens nieht Ms Versuchsfehler gedeutet werden kSnnen. Wir sind fiberzeugt, dal3 man aueh bei Anwendung anderer Reizqualit~ten zu ~hnliehen Resultaten gelangen wiirde, wenn man die Intensit~ten der Reize in genfigender Feinheit abstufr Versuche mit elektrischen Reizen (Weehselstrom- und Gleichstromreizung) haben zu qualit~tiv ~hnliehen Resultaten geffihrt. Sehwierigkeiten bereiten hierbei nur die Erscheinungen der Reflex- uml~ehr und der Ausbreitung des Reizes infolge der Stromsehleffen. Die Bedii~gtmgen ffir das Auftreten derselben Gesetzm~Bigkeiten wie bei den ehemisehen und thermisehen Reizen in bezug auf die Abh~ngigkeit yon der Reizst~rke sollen daher erst noch eingehender untersucht werden. Aber es kann schon jetzt festgestellt werden, dal3 wir auch bei elektrisehen Reizen ganz ungewShnlieh lange Latenzzeiten beob- aehten konnten, sobald die Intensit~t des Stromes bis in die N~he des Sehwellenwertes herabgesetzt wurde.

Das w i c h t i g s t e E r g e b n i s u n s e r e r V e r s u c h e ist also, dal] die R e f l e x z e i t m i t d e r A b n a h m e d e r R e i z s t ~ r k e in e i n e r o f f e n b a r g e s e t z m ~ 1 3 i g e n W e i s e z u n i m m t . Es liegt aber, wie man sofort er- kennt, k e i n e e i n f a e h e B e z i e h u n g zwischen Reflexzeit und Reiz- st~rke vor, etwa in de r Weise, dab das P r o d u k t dieser beiden GrSl~en

Page 14: Über die Abhängigkeit der Reflexzeit von der Stärke des Reizes

0her die Abhltngigkeit der Reflexzeit yon der Starke des Reizes. 25

konstant ware, etwa naeh der iiblichen Hyperbelgleiehung t . B = eonst. Das ist keineswegs der Tall.

Bevor wir dazu fibergehen, die f u n k t i o n a l e B e z i e h u n g der beiden GrSl~en zu suchen, wollen wir noch auf eines aufmerksam machen:

Die R e f l e x z e i t a ls • u t z z e i t .

Offenbar kSnnen die gemessenen Reflexzeiten zugleich als N u t z - z e i t e n fiir die angewandten Reize in dem F i e k - H e r m a n n - G i l d e - m e i s t e r s c h e n Sinne 1) gedeutet werden. Der Eintr i t t der Zuekung zeigt uns gewisserma]~en das Ende der Nutzzeit an, indem der meeha- nische Vorgang der Reaktion zeitlich so kurz ist, dai~ die Zeit, die er verbraucht, vernaehl~ssig~ werden kann. Aus dem Verlauf unserer Re- flexzeitkurven ergibt sich sofort ffir die R e f l e x n u t z z e i t e n das G i lde - m e i s t e r s e h e Gesetz vom Schwerpunkt tier ,,Reizfli~ehen" (die bei uns als Reehteeke anzusehen sind), wenn man das Produkt aus Reizst~rke und Nutzzeit so bezeichnen will. Ffir grol]e, waehsende Nutzzeiten wird dieses Produkt ganz ahnlich, wie es G i l d e m e i s t e r ffir die elektrisehen Reize gefunden hat, immer grSBer, oder anders ausgedrfickt, bei gleiehem numerischen Wert der Produkte ist das Produkt mit kurzer Nutzzeit der wirksamere Reiz.

In unserem Falle t r i t t aul~erdem bei Verkfirzung der Nutzzeit gleich- zeitig eine Verst~rkung des Reizerfolges (grSl~ere Zuekung) auf, so dai~, um gleiehen Reizerfolg zu erhalten, man vermutlieh die Reizkonzen- trat ion vermindern mfil~te. Die Nutzzeitkurve ffir gleichen Reizerfolg wiirde also unter unserer Kurve verlaufen, so dab das G i l d e m e i s t e r - sehe Gesetz noeh deutlieher in Erscheinung treten wiirde.

Ob aber im ganzen Bereich des untersuehten Intervalls die Reflex- zeiten gleichzeitig Nutzzeiten sind, bedarf noeh der experimentellen Prfifung. Aueh ist fiber die Bedeutung der Nutzzeit und ihre Entstehung ffir unseren Fall noch nichts ausgesagt. Hierzu miissen wir erst unter- suehen, wie die Reflexzeit fiberhaupt zustande kommt.

VI. Die Ursachen der Verl~ingerung der Reflexzeit bei schwachen Reizen.

Der bier in Frage kommende Reflexvorgang besteh~ aus folgenden 6 H a u p t a b s c h n i t t e n , yon denen jeder einzelne wieder aus einer u n b e k a n n t e n Z a h l yon Einzelvorg~ngen gebildet wird und die einzeln oder gemeinsam ffir eine Verl~ngerung der Reflexzeit mit Ab- nahme der Reizst~rke in Betracht kommen:

1. D i f f u s i o n der ehemisehen Substanz bzw. F o r t s e h r e i t e n der T e m p e r a t u r d i f f e r e n z yon der Oberfl~che der Haut zu den auf- nehmenden nervSsen Elementen.

1) M. Gildemeister , Zeitsehr. f. Biol. 62, 358--396. 1913.

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26 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

2. A u s l S s u n g des E r r e g u n g s v o r g a n g e s in dem n e r v S s e n E n d o r g a n, peripher hervorgerufen dureh die TemperatnrerhShung bzw, die ehemische Substanz.

3. L ei t u n g dieser Erregung dureh den Nerven in zentripetaler Rich- tung zum Zentralorgan. Eine Abnahme der F o r t p f l a n z u n g s g e - s e h w i n d i g k e i t der Erregung mit der St~rke der Erregung in dem hier geforderten Ausma]~ ist unwahrseheinlich,

4. U m s e h a l t u n g dieser zentripetalen Erregung im Z e n t r a lo r g a n auf die zentrifugale Bahn.

5. L e i t u n g der Erregung auf der centrifugalen Bahn bis zum effek, torisehen Organ. Vgl. Punk t 3.

6. U m s e t z u n g der Erregung in eine M u s k e l k o n t r a k t i o n und Fortsehreiten des Kontrakti0nsprozesses bis zu m e l ~ b a r e r GrSl~e.

Bei der Verl~ngerung der Latenzzeit der Muskelkontraktion mit Abnahme der Reizst~rke handelt es sieh im Vergleich zu den hier in Frage kommenden VerzSgerungen u m relativ s e h r k l e i n e Betr~ge (einige hundertstel Sekunden)l), vorausgesetzt, dab man die Ergebnisse der kfinstliehen elektrischen Reizung auf die Reflexzuckung fibertragen darf.

Die Punkte 3, 5 und 6 k6nnen wir also fibergehen und brauehen nur die iibrigen zu besprechen.

Da ffir die l a n g e n L a t e n z z e i t e n bis jetzt stets die Wi~rme- l e i S u n g ~) bzw. die D i f f u s i o n der chemischen Substanz yon der Obeffl~ehe der H a u t bis zu den Nervenendorganen 3) verantwortlieh gemaeht wurde, wollen wir zuers~ die Funktionen suehen, die fiir die Abh~ngigkei~ der W~rmeleitungszeit und der Diffusionszeit yon der Reizst~rke in Betraeht kommen.

A. W ~ r m e l e i t u n g u n d D i f f u s i o n .

1. Vollst~indige Gleichungen.

Da die G l e i e h n n g e n ffir die W ~ r m e l e i t u n g und die D i f f u - s i o n formal d i e s e l b e Gestalt annehmen, kSnnen wir den ersten Ab- schnitt des Reflexvorganges ffir c h e m i s c h e und t h e r m i s c h e Reize g e m e i n s a m besprechen. Wir wollen ihn ffir die T e m p e r a t u r r e i z e analysieren. Die Ergebnisse kSnnen dann ohne weiteres unter Ver- ~nderung der Bezeiehnungen auf ehemisehe Reize iibertragen werden.

1) W. S te inhausen , Arch. f. d. ges. Physiol. 18~, 26. 1921. : 3) Vgl. auch O. l~osenb~ch, Dtsch. reed. Wochenschr. 1884, Hr. 22, S.338.

8) Eine Untersuchung des elektrischen Vorganges im Nerven bei chemischen Hautreizen ist beubsichtigt, konnte aber iiuBerer Umst~nde halber bisher noch nich~ ausgefiihrt werden.

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Uber die Abh~ngigkeit der Reflexzeit yon der Stiirke des Reizes. 27

Es soll als0 die Te m p e r a t ur in der N e r v e n e n d o r g a n s e h i c h t b e r e c h n e t werden 1), wenn auf d ie 0beril~ehe der Haut eine hhhere oder niedrigere Tem- peratur Ms die normale einwirkt. Es kommt dies der Aufgabe gleieh, die W~irme- bewegung in einem Stabe yon der L~nge 2 zu bestimmen, dessen eines Ende konstant die Bluttemperatur, clessen anderes Ende im Anfangszustande die Haut- oberfl~ehentemperatur H besitzt und zur Zeit 0 mit einem W~rmereservoir yon der Temperatur /~ (Reiztemperatur) in Verbindung gebracht wird. Der Null- punkt des Koordinatensystems liege in der Oberfl~che der ttaut, und die positive x-Riehtung verlaufe senkreeht zur Hautoberfl~che nach dem Inneren. Unter Ver- naehli~ssigung der seitliehen W~rmebewegung gilt dann im Bereich der Haut die DLfferentialgleichung:

~ d ~ T _ d T

d x 2 d t "

Aus dieser G1eichung ergibt sich unter Beachtung~'der angegebenen Grenz- bedingungen die Temperaturbewegung in der Haut. Die Temperaturerhhhung in der Entfernung x, yore H-Ende des Stabes, in dem sich die Nervenendorgane befinden sollen, ist dann naeh G o l d s c h e i d e r gegeben durch die Gleiehung:

T = ( R - - t l ) 1 ~ 2 ~ n ~ x ~.~ ~ sin ~ . e �9

~Hieraus geht hervor, dal~ die Erw~rmung proportional der Differenz zwischen Reiz- und ttauttemperatur, d. h. der Reizst~rke, sowie unabh~ngig yon der Blut- temperatur ist, dagegen besteht keine einfache Beziehung zur Zeit.

l~ehmen wir an, dab der Reiz ausgelhst wird, sobalcl die Erw~rmung der Nervenendorgane eine bestimmte Hhhe erreicht hat, so wird dutch die angegebene Gleiehung die Kurve der Latenzzeit in Abhi~ngigkeit yon der Reiztemperatur gegeben.

DaB wir bier yon der Annahme einer k o n s t a n t e n E r r e g u n g s t e m p e r a t u r bzw. einer konstanten Erregungskonzentration bei ehemischen Reizen ausgehen, scheint der Tatsaehe zu widerspreehen, dab aueh die G e s c h w i n d i g k e i t , mit der 4er Reiz zugefiihrt wird, fiir den Reizeffolg yon EinfluB ist.

Bekannt sind die Versuehsergebnisse beim ]angsamen Anstieg eines elektrischen Stromes im Reizobjekt (Einsehleichen). Ftir chemische Reize hat F r a t s e h e r 2) naehgewiesen, dal~ auf enthirnte sowohl als unverletzte Frhsehe ein sehr langsam kon- tinuierlieh yon Null anwachsender ehemische r Hautreiz ke ine Reflexbewegung und k e i n e n Fluehtversuch hervorzurufen braucht. Es kann sogar die Reizung in manchen F~llen bis zur v h l l i g e n Z e r s t 5 r u n g des Gewebes, ohne dab das Tier reagiert, fortgesetzt werden. Wir mfissen annehmen, dab yon dem Reiz neben einer erregenden Wirkung eine z e r s t 5 r e n de bzw. 1 ~ h m e n d e Wirkung ausgeht, die bei extrem langsam ansteigender Reizintensit~t die Oberhand gewinnen kann.

Ftir die Verzhgerung der Reflexzeit bei schwachen Reizen diese l~hmende Wirkung heranzuziehen, scheint uns abet vorl~ufig eine unniitige Komplikation zu sein. Wit wollen deshalb an der Annahme einer konstanten Erregungskon- zentration bzw. -temperatm" festhalten.

Berechnet man die Zeit, naeh weleher das Maximum 4er W~rmezunahme X2

in der x-Sehieht eintritt 3), s0 finder man die Zeit zu �9 ~ ~-~2 �9 Setzt man diesen

Weft als Zeiteinheit, d. h. t ~ ~v, so kommt

~) Vgl. G01~lscheider, Fr., Ober die W~rmebewegung in der ldaut bei ~ul3eren Temperatureinwirkungen. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1888, abgedruckt in A. Goldscheider , Ges. Abh. I, S. 355. 1898.

2) C. F r a t s e h e r , Jen. Zeitsehr. L l~at. 9, 130--160.. 1875. 3) Vgl. Fr. Goldsche ider , a. a. O.

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28 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

~ n 2 x 2 ~ ~.} T = ( R - - / / ) 1 x 2 ~ , 1 . n : r x 6 J )

~X,1 W s m ~ - �9 e

Hieraus l~Bt sich die Erw~rmung in Bruchteilen yon (R -- H) allge- mein berechnen. Die folgende Tabelle ist mit den Werten yon Gold .

x 1 sohe ide r berechnet. Es ist dabei fiir W = ~ gesetzt.

Erwarmung' (T). v ~ Reiztiirke = 1 l~eizst~irke = 2 Reizst~irke = 5 R = 10 R = 112 0,1 0,0~4 0,078 0,062 0,064 0,072 0,5 0,0143 0,0286 0,072 0,143 0,0071 1 0,0832 0,166' 0,415 0,832 0,0416 5 0,438 0,88 2,190 4,38 0,219

10 0,584 1,168 2,920 5,84 0,294 20 �9 0,697 1,394 3,485 6,97 0 ,349

100 0,7995 1,599 3,9975 7,995 0,3998 oo 0,8 1,6 4,0 8,0 0,4

Die Tabelle gibt also die Erw~rmung in der Schicht x = ~ , berechnet

fiir verschiedene Reizsti~rken. In der Abb. 5 a sind die Werte noch einmal graphisch aufgezeichnet. Man erkennt, dab die Temperatur zuerst sehr

a ! i bl

1,5 ,

I I

1,o l" ~ ' ~ ~" j - ...................... 8

~ ' " �9 �9

O Z e # ~ 5 ~'0 15 20

Abb. 5 a u. b. a Erw~trmungskurven fi ir die Nervenendorgansch ich t in Abh~ingigkeit yon der Zeit. Als Paramete r dient die Re iz tempera tur (theoretisch). b I ,a tenzzei tkarve einer bes t imm- ten Erwarmung der ~Yervenendorganschicht in Abh~tngigkeit der Reiztemperatur (theoretisch).

langsam ansteigt, dann immer schneller anw~chst und schlieBlich wieder langsam asympto~isch dem durch die Gleichung

gegebenen Grenzwert zust~rebt~.

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Uber die Abh~ngigkeit der Reflexzeit yon der Starke des Reizes. 29

Das, worauf es uns ankommt, ist, die R e f l e x z e i t , d. h. die Zeit zu b e r e e h n e n , die verstreichen muB, bis die x-Sehicht der Haut die E r r e g u n g s t e m p e r a t u r , die wir als konstant ansehen, ange- nommen hat, und zwar als F u n k t i o n der R e i z g r S B e (also der Tempe- raturdifferenz (/~ -- H)). A. G o l d s c h e i d e r 1) sagt, dab die ffagliehe Zeit (Fortleitung der W~rme in der I-Iaut zu den Nervenenden) u m- g e k e h r t p r o p o r t i o n a l der T e m p e r a t u r d i f f e r e n z sei. DaB dies n i e h t streng z u t r e f f e n d sein kann, erkennt man ohne weiteres aus dem komplizierten Bau der Gleichung fiir die Erw~rmung. Zwar ist die E r w ~ r m u n g d i r e k t p r o p o r t i o n a l der Temperaturdifferenz, a b e r die Z e i~, die vergeht, bis die x-Sehicht eine bestimmte Erwi~rmung annimmt, ist eine sehr komplizierte Funktion der Temperaturdifferenz. Man k6nnte sie dadureh bestimmen, dab man die Gleiehung nach t auf- 15st. Das is~ e x p li z i t nieht mSglieh. Aber aus der Abbfldung l~Bt sich diese Zeit (bei unserer augenbliekliehen Armahme also die R e f l e x z e i t ) g r a p h i s e h leieht bestimmen. Man hat nur n6tig, die Sehnittpunkte einer im Abstand der angenommenen Erregungstemperatur parallel zur Abszisse gezogenen Geraden mit der Kurvensehar zu bestimmen. Die dadureh erhaltenen Zeitwerte geben direkt die Zeiten an (in der vorhin definierten Zeiteinheit), nach denen bei versehiedenen Reiztemperaturen, welehe dutch die an die Kurven angeschriebenen Werte gegeben sind, die Erregungstemperatur erreieht wird. In derAbb. 5 b ist eine solehe R e- f l e x z e i t k u r v e in Abhiingigkeit v o n d e r R e i z t e m p e r a t u r gezeieh- net. Dabei ist die willkfirliehe Annahme gemaeht, dab die Erregungs- temperatur 0,5 Temperatureinheiten betr~gt, d. h. es ist angenommen, dab die Nervenerregung eintri t t , wenn die Temperatur in der Nerven- endsehieht auf 0,5 Einheiten fiber ihren Normalstand in der t{aut gestiegen ist.

D i e K u r v e g le i eh~ f a s t v o l l k o m m e n u n s e r e n e x p e r i m e n - t e l l a u f g e s t e l l t e n K u r v e n .

2. Abgek~rzte Gleichungen.

Wir wollen weiter darauf hinweisen, dal~ aus der Gleichung ffir die Erw~trmung unter Beibehaltung des ersten Gliedes der Reihenentwicklung und Vernaehl~ssigung der folgenden Glieder bei AuflSsung nach t folgt:

1 x t = ~ I n - - .

X - - O~

Unter x ist dabei die Reiztemperatur (R- -H) und unter a und /~ Kons~anten verstanden, deren Wert sich aus der Ausgangsgleichung erreehnen l~Bt.

1) A. Goldscheider, Ges. Abh. I, S. 315. 1898.

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Diese Gleichung fiir die R e f 1 e xz e i t lgBt sieh a u e h d i r e k t ~bleiten. Wir wollen hierzu mit x die Temperatur an der Aul~enflgche der t taut (Reiztemperatur) und mit cr die Temperatur im Innern derselben be- zeiehnen, x sell wghrend eines einzelnen Versuohes konstant sein, d. h. es sell die Aul~enflgche der t t au t mit einem Wgrmereservoir yon grol~er Kapazi~gt verbunden sein; ~ sell nur eine Funktion der Zei~ sein. Dureh die Hau~oberflgehe son ein Temperaturausgleieh der beiden Rgume m/Sglioh sein. Dann is~ der WgrmefluB dureh die Hautflgche:

d a d t - - k ( x - - ( a ~ + ~ ) ) "

Integriert man, so kommt fiir die Wi~rmezunahme im Innern der I-Iaut:

a = ( x - - a0)(1 - - e - k t )

Setzt man a 0 = o und nimm~ an, dab die Erregung an den Nervenendorganen im Innern der t Iau t eintritt, sobald die Temperatur den Wer~ ~ erreicht hat, so kommt in der Tat ffir die Zeit bis zum Ein- tritt der Erregung die oben geschriebene Gleiehung zustande:

1 x t ~ - ~ I n x _ a

tiler ist also x d i e R e i z t e m p e r a t u r an der H a U t o b e r f l ~ c h e , ~ die w~hrend einer Versuehsreihe als konstant anzunehmende, zur Erregung der Nervenendorgane in der Nervenendorganschich~ efforderliche Tem- peraturerhShung, und /c die W~rmeleitf~higkeit. Under geeigneter Be- nennung gilt die Gleichung natfirlich auch ffir chemische Reize.

Wie man sieht, ist diese Gleichung dieselbe wie diejenige, aus der die R e a k t i o n s g e s c hwi n cli g k e i t der monomolekularen chemischen Reaktion berechnet wird. In erster Ann~herung ffihrt: alsodie W~rme- ]eitung zu denselben Gleichungen, die wir annehmen miil~en, wenn der durch d i e TemperaturerhShung bzw. S~ureeinwirkung hervorgeru~ene Erregungsvorgang wie eine monomolekulare ehemisehe Reaktion abliefe.

Wir h a b e n a l so aus der T h e o r i e de r W ~ r m e l e i t u n g bzw. der I ) i f f u s i o n u n t e r der Annahme, dal~ es einen konstanten S chweltenwert der Erregung gibt und dab die Verz5gerung des Reflexvorganges bei sehwachen Reizen allein durch W~rmeleitung bzw. Diffusion in der I-Iau~ bedingt ist, e i n e F o r m e l a b g e l e i t e t , die die e x p e r i m e n - t e l l e n E r g e b n i s se v o l l k o m m e n z u er k l ~ r e n g e e i g n e t e r s ehe in t . Wir kSnnten jetzt dazu fibergehen, den n u m e r i s c h e n W e f t der K o n s t a n t e n zu bestimmen, d. h. die konstante Zusatzzeit b, den Schwellenwert und die W~trmeleit~higkeit bzw. die Diffusionsgeschwin- digkeit in der t t au t und weiter die Lage der Nervenendstellen zu be- rechnen.

Was uns aber davon z u r i i c k h ~ l ~ , ist die ~berlegung, dal~ die K o n s t a n z de r Z u s a ~ z z e i t ffir die iibrigen Vorgange des Reflexes,

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~Tber die Abh~tngigkeit der l~eflexzeit yon der Starke des Reizes. 31

auf der die MSglichkeit der Berechnung bernht, n i e h t gewiihrleistet ist. Wir werden zeigen, daB die R e f l e x z e i ~ bei s o n s t g l e i e h e n R e i z e n sehr wesentlieh vom Z u s t a n d des Z e n t r a l o r g a n s 1) abhgngig ist und dab bei gewissen Zustandsgnderungen des Zentralorgans, abet sons~ gleichen peripheren Reizen eine charakteristiSehe V er ~ nd er u n g der R e f l e x z e i t eintreten kann. Es liegt daher nahe, aueh fiir die Ab- hgngigkeit der Reflexzeit yon der R e i z s t g r k e den G r u n d im Z e n - t : r a l o r g a n zu suchen. Wir miissen annehmen, dab die V e r z 6 g e - r u n g e n , die im Z e n t r a l o r g a n bei s c h w a c h e n R e i z e n auftreten, auf die Reflexzeit einen i g rSBeren EiniluB ausiiben als die VerzSge- rungen in der Peripherie durch W~rmeleitung bzw. Diffusion.

B) V o r g ~ n g e im Z e n t r a l o r g a n .

1. Re]lexzei~kurven in Headschen Zonen.

DaB der Z u s t a n d des Z e n t r a l o r g a n s fiir die A u s l S s u n g eines R e f l e x e s yon der g r S B t e n Wicht~gkeit ist, erscheint selbstverst~nd- ]ich, dab aber auch die R e fl e x z e i t unter dem EinfluB ver~nderter Be- dingungen des Z e n t r a lo r g a n s unter sonst gleichen peripheren Reizen sich ganz auBerordentlich v e r i ~ n d e r n kann, haben wir auf folgende Weise festzustellen versucht:

Wir haben die Schmerzreaktion in F~llen ver~nderten Zustandes des Zentralorganes untersucht, indem wir Schmerzreflexkurven an Patienten mit gewissen Sensibilit~tsstSrungen aufste]lten. Am ge- eignetsten fiir solche Untersuchungen erwiesen sich Patienten mit hyperalgetisehen Zonen im Sinne I t e a d s 2).

Die H e a d s c h e n Z o n e n bestehen bekanntlich aus h y p e r a l g e t i : s c h e n B e z i r k e n der Haut, die selbst keinerlei obj ektiv naehweisliehe Ver~nderungen zeigt. In einer solehen H e a d schen Zone wurde eine Stel!e markiert und zur gleichen Zeit an dieser und der korrespondierenden Hautstelle der gesunden KSrperh~]fte die R e a k t i o n s z e i t der S e h m e r z - e m p f i n d u ng bestimmt. Das Resul ta t eines solchen Versuches zeig~ die Tabelle VIII . Es handelte sich um einen Patienten mit Cholecystitis; die hyperalgetische Zone befand sich auf der rechten Seite im Bereich yon D 9 bis D 10. Im ersten Stab sind die l~eiztemperaturen angegeben, im zweiten die R e a k t i o n s z e i t e n der Schmerzempfindung an der markierten Stelle der H e a d s c h e n Z o n e , im dritten die Reaktionszei~

1) Wit wollen dabei unter Vorg~ngen im Zentralorgan a lle nervSsen Um- schaltungen, ausgenommen Leitungsvorg~nge, verstehen, also auch die Erre- gungen im nervSsen Endorgan, so dab wir auch den Punkt 2 der Aufstellung auf S. 26 bier mit einbegreifen.

~) H. H e a d, SensibilitKtsstSrungen der Haut bei Visceralerkrankungem Deutseh yon Sei f fer . Berlin 1898.

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a n der k o r r e s p o n d i e r e n d e n g e s u n d e n K 6 r p e r s t e l l e . Daneben haben wir wiederum die naoh der sparer angegebenen )Sethode erreeh- neten Werte der Hyperbelgleichung angefiihrt. Abb. 6 gib~ eine gra. phische Darstellung der Wer~e.

Der angefiihrte Fall ist nur ein B e i s p i e l aus einer g r o B e n A n z a h l y o n V e r s u e h e n an Patienr mit H e a d s c h e n Zonen. A 11 e Versuehe haben zu einem analogen Ergebnis gefiihrt. Wit diiffen daher annehmen, dab es sich um ein t y pi s c h e s P h i~ n o m e n handelt :

Wir finden eine ~uBerst regelm~ige, immer wieder in gleieher ~Veise beobachtete, s t a r k e V e r s e h i e b u n g d e r in d e r H e a d s c h e n Z o n e g e w o n n e n e n K u r v e g e g e n i i b e r d e r j e n i g e n , w e l c h e

x

5

8 ~

-500 T~'~p~. 55~ 60~ 65~ 70<' 75~

Abb. 6. ]Satenzzeit der 8chmerzempfindung bei Reizung im Bereich einer Headschen Zone (*) und an der korrespo~dierenden gesunden Haut s t e l l e (~ (*), (~ : beobachtete Zeiten ; ausgez0gene

K u r v e n : be rechne te Hyperbe ln .

a n d e r k o r r e s p o n d i e r e n d e n n o r m a l e n K S r p e r s t e l l e er- mittelt wurde. Eine solche gegenseitige Versehiebung der Kurven yon korrespondierenden KSrperstellen haben wit bei n o r m a l e n Ver- suchspersonen n i e m a 1 s beobachten k6nnen.

Die Verschiebung der Schmerzkurve in der H eadschen Zone ist nach der Ordinatenachse gerichtet. Im ganzen untersuchten Tempe- raturbereich submaximaler Reize sind die Reaktionszeiten fiir die H e a d sche Zone kiirzer als fiir die normale korrespondierende Haut- stelle, und was besonders wichtig erscheint, es werden, wenn wir zu m i n i m a l e n Reizen iibergehen, noch Temperaturen in der H e a d schen Zone als schmerzhaft empfunden, die in dem normalen Hautbereich bereits vSllig unwirksam sind.

Diese V e r s c h i e b u n g der Kurve k S n n t e an sich ein Ausdruck fiir eine D i f f e r e n z der W ~ r m e l e i t f i ~ h i g k e i t der Haut an den

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Uber die Abh~ngigkeit der Reflexzeit yon der St~trke des Reizes. 33

m t e r s u e h t e n KSrper s t e l l en sein. Es i s t abe r undenkba r , dal~ die in le r t t e a d s e h e n Zone neben der Verschiebung de r Schmerzkurve fest- ~tellbare a l l g e m e i n e H y p e r / ~ s t h e s i e 1) durch eine ErhShung de r W/~rmeleitung de r H a u t hervorgerufen w/ire. Vie lmehr miissen wir ~ine erhShte E r r e g b a r k e i t des Zen t ra lo rgans ffir die i ibr igen Reize an- aehmen; folg!ich df i r f te es n ieh t zweifelhaf t sein, da$ aueh die Ver- ~eh iebung der Sehmerzkurve auf die gleiche Ursaehe zur i iekzuf i ihren ist, n~mlich auf den e rhShten E r r egungszus t and bzw. die erhShte Er- cegbarkei t de r nerv6sen Zentren. I s t diese Anschauung r icht ig , so ~st es wohl nahel iegend, auch die Ver/ inderung de r La tenzze i t mi~ der Reiz- st/irke auf zent ra le Ursaehen zu beziehen.

T a b e l l e VIII.

im Bereich der Zone an der korrespondierenden Stelle Temperatur ~ errechnete beobachtete Werte Werte

74,0 72,5 70,0 69,0 65,0 62,0 60,0 58,0 57,0 56,0 54,0 52,0 51,0

beobaehtete errechnete Werte Werte

1,2 0,9 1,2 1,0 1,4 1,4

2,0 2,4 2,8 (3,0) 3,3 4,2 4,2

6,8 (5,8) (6,4) 6,4

11,0 (12,1) 11,0 25,8 20,6

Keine Schm.-Empfd.

1,2 1,2

1,8 2,8 (3,0) 5,4 7,0 (7,4) 9,6 (10,0)

11,8 Keine Schm.-Empfd.

1,1 1,3

1,9 3,0 4,4 6,l 9,1

11,8

In der H e a d s c h e n Zone: a = 48,75; b ~ - -1 ,75; konst. = 66,9. An der korrespondierenden tIautstelle: a = 53,2; b = - - 1,2; konst. = 49,4. Uber die negativen Werte ffir b vgl. frtiher.

Gegen die Annahme, dal3 die Verkiirzung der R e a k t i o n s z e i t durch V e r ~ n d e r u n g e n in der Peripherie bedingt sei, sprechen aueh anato- misehe Griinde. Denn der err , an welehem die veto erkrankten Visceralorgan zentripetal ver]aufenden sympathischen Fasern mit den cerebrospin~len Nerven- bahnen in Beziehung treten, befindet sich im Riickenmark. So haben denn aueh bereits die A u t o r e n , welche als erste auf die Reflexhyper/~sthesien der Haut bei Erkrankungen der Visceralorgane hingewiesen haben, wie L u n g e und H e a d, die Ursache der segmental angeordneten, seharf begrenzten Hyperal- gesien als spinale Irritations- und Irradiationserscheinungen aufgefaf3t, und diese Anschauung besteht naeh dem Stand unserer Kenntnisse heute noch zu Recht.

A n weleher Stelle des Zen t ra lo rgans die Verz6gerung des Reflexes ein- t r i t t und welcher A r t die Vorg~nge sind, is t fi ir unsere F rages t e l lung zu- ni~ehst ]Selanglos. Betreffs de r e rs ten F r a g e sei auf die Ansehauungen

1) Vgl. A. G o l d s e h e i d e r , Schmerzproblem S. 54 und 59. Pfliigers Areh iv f. d. ges . Physiol . Bd. 190. o)

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G o l d s c h e i d e r s 1) und B e t h e s 2) verwiesen, betreffs der zweiten ha t 1 ) fit t e r 3) allgemeine Gesetze abgeleitet, die attf Ver~nderung der Rcak- t ionskonstanten chemischer Umsetzungen mit der Reizst~rke basieren.

Ganz ~hnliche Vorste]lungen wie die, we]che P i i t t e r entwickelt hat , sind yon botanischer Seite eingehend erSrtert worden 4).

2. Formulierung des Abhi~ngigkeitsverhCiltnisses der Re/lexzeit yon den zentralen Vorg(~ngen.

Ftir die Vorg~nge im Z e n t r a l o r g a n kann man vielleicht in erster Ann~herung armehmen, da~ ihre I n t e n s i t i i t proport ional der Reiz- st~irke ist. Setzt m a n die l~eflexzeit umgekehr t proport ional der In ten- sitar des Erregungsvorganges 5), d. h. n immt man an, da[t der Erregungs- vorgang urn so friiher mei~bare GrSl~e erreicht, je s tarker er ist, so k o m m t man zu einer umgekehr ten Proport ional i t~t zwischen Reflexzeit und Reizsti~rke. Diese Annahme ist augenscheinlich die ni~chstliegendste, die man machen kann ohne auf Einzelheiten des l%eflexvorganges im Zentralorgan einzugehen. I n der Ta t ha t B a x t 6 ) , der sich mit der Frage der Reflexzeit in Abh~ngigkeit v o n d e r Reizst~rke bisher allein ein- gehender besch~ftigt hat, zu allererst an eine umgekehr t proport io- hale Abh~ingigkeit gedacht. Er finder aber, dal~ eine Deu tung seiner Kurven als Hyperbeln, in welchen diese umgekehr t proport ionale Ab- hi~ngigkeit zum Ausdruck ki~me, auf keine Weise mSglich sei und k o m m t schliel~lich zu der Ansicht, dal~ logarithmische Kurven vorliegen. Die Versuche yon S t i r 1 i n g 7), der die B a x t sche Behauptung yon logarith- mischen Kurven zu stiitzen versuchte, sind zu der Entscheidung der Frage nicht geeignet.

Insofern ha t B a x t mit seiner Behauptung recht : bildet m a n ni~m- l i c h d~s P r o d u k t a u s l % e f l e x z e i t u n d R e i z s t i ~ r k e , so i s t es i n k e i n e m V e r s u c h e k o n s t a n t , einfache gleichseitige Hyperbeln, deren Asympto ten durch die Koordinatenachsen gegeben sind, ]iegen also n icht vor. I~ur in einem ganz kleinen mit t leren Bereich kSnnte man unter Umst~nden eine angen~herte Kons tanz der Produktwer te ablesen. Wir haben nach einem unserer Versuche in der Abb. 7 b eine graphische D~rstellung der c - t - W e r t e fiir Schwefelsi~ure aufge~eichnet. Als

1) Siehe die zusammeniassende D~rstellung: A. Goldscheider , Das Schmerz- problem. J. Springer, 1920.

2) A. Bethe, Anat. u. Physiol. d. Nervensystems 1903. 3) A. Pt i t te r , Studien zur Theorie der Reizvorg~nge I--IV. Arch. f. 4. ges.

Physiol. l~l, 201. 1918 und 175, 371. 1919; 1~(6, 39. 1919. ~) Vgl. z. B. O. W a r b u r g , t)ber die Gesehwindigkeit der photochemiscben

Kohlens~urezersetzung in lebenden Zellen. Bioehem. Zeitschr. 100, 230. 1919. ~) Vgl. z. B. O. L a n g e n d o r f f , Arch. ~. Anat. u. Physiol. 1877, S. 100. 6) Bax t , a. a. O. 7) S t i f l ing , a. ~. O.

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Uber die Abhangigkeit der Reflez(zeit yon der St~rke des Reizes. 3 5

A b s z i s s e n s i n d d ie K o n z e n t r a t i o n e n , a ls O r d i n a t e n d ie c ' t - W e r t e

a u f g e t r a g e n .

W i e m a n s i eh t , w e i c h t d ie K u r v e s e h r v o n e i n e r G e r a d e n ab , a b e r

m a n e r k e n n t d o c h sogle ich , w e l c h e G e s e t z m ~ B i g k e i t m a n a u s i h r a b -

l e s e n k a n n . W i r h a b e n n u r zu s e t z e n :

( c - - a) . (t - - b) = c o n s t ;

d a r i n b e d e u t e n c d ie K o n z e n t r a t i o n (oder d ie g e i z t e m p e r a t u r ) , t d i e

g e m e s s e n e R e f l e x z e i t l a, b u n d c o n s t k o n s t a n t e Gr6Ben . A l s o :

c o n ; t t - - - C b .

0 - - a

Die Ein~iihrung dreier willkfirlioher Kons tan ten scheint auf den ersten Blick keine Vereinfachung der Betraohtungsweise herbeiffihren zu k5nnen. Aber auoh

70

dek 60

5o-

4o

3o

20

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I I I I

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7,8

40

. . ~ 0 ) { ' ' ' X ~

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b

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I

_ • o3 as go 7.5~

Konzenlranon

Abb. 7 a u. b. a) l~eflexzeitkurve nach einem Versuch yon Bax~. Ste~nchen : yon ]~axt beob- achte te Wer te ; ausgezogene Kurve : berechnete Hyperbel . b) c �9 t Kurve nach einem eigenen

Versuch ffir Reizung mi t Schwefelsaure.

die anderen aus der Warmelei tung bzw. den chemischen Reaktionsgesetzen ab- geleiteten Gleichungen enthMten mindestens ebenso viele Kons tan ten ; auch kSnnen wit den hier eingeffihrten Kons tan ten e i n e p h y s i o l o g i s c h e B e d e u t u n g u n - g e z w u n g e n b e i l e g e n : a w a r e d e r A u s d r u c k f i i r d i e E m p i i n d l i c h k e i t d e r N e r v e n s u b s t a n z , c o n s t d e r A u s d r u c k f i i r d a s S u m m a t i o n s v e r - m S g e n u n d b d ie R e s t z e i t , die fiir die Erregungsleitung, die Latenz der Muskel- kont rak t ion usw. in Anrechnung gebr~cht werden mul~ und nach Abzug der Zeit. ftir den zentrMen Vorgang yon der ~eflexzeit noch iibrigbleibt.

LSsen wir nach c. t auf, so kommt :

c . t = c o n s t - - a . b + c - b + a t .

Das Produkt is t also nicht konstant , sondern wieder eine Funkt ion yon t und c. Bet rachten wir c. t als •unktion beispielsweise yon c, dann wird fiir kleines das Glied a- t verschwinden. Wir haben dann c- t, Ms lineare Funkt ion yon c,: fiir groBe c is t Mso die Kurve der c. t Werte, Ms Funkt ion yon c betraohtet , eine gerade Linie. Ftir ldeine c wird t g ro] und fiir c ~ a sogar unendlich. Die Kurve d e r c . t Werte biegt also ftir kleine c-Werte nach wachsenden Ordin~ten um, u m

3*

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3 6 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

fiir c ~ a ins Unendliche zu gelangen. Das gleiche kann man able/ten, werm man c. t als Funktion yon t betrachtet. Aus der Abb. ist diese Eigenschaft der Kurve direkt abzulesen. Sie biegt fiir ldeine c-Werte nach unendlich um und ni~hert sich fiir groBe c-Werte einer geraden Linie.

Wir haben in den graphischen Darstellungen und Tabellen unserer Versuche die aus der angegebenen Formel hervorgehenden Werte berechnet und eingetragen. Man sieht daraus (vgl. die Abb. 2--7, 10 und Tabe]len I - -VI , VIII), wie gut die Ubereinstimmung der Rechnung und .Beobachtung ist. Die Obereinstimmung w~re noch besser, wenn wir nach dem Veffahren der Ausgleichsrechnung berechnet h~tten. Da es uns abet vorlEufig nicht auf die genauen Werte der Konstanten ankara, so haben wir der Einfachheit halber aus 3 experimentellen Punkten die theoretische Hyperhel bestimmt und ihren Verlauf mit der experimentellen Kurve verglichen. Sind c 1 tl, % t~, % t 3 . die Koordinaten dieser Punkte, so wird nach bekannten Regeln:

a = (C 3 t 3 - - C 2 t 2 ) (C 1 - - c 2 ) - - (C 1 t I - - C 2 t 2 ) (C 3 - - C2)

( t3 - - t 3 ) ( c~ - - c~) - - q l - - t~) ( c 3 - - c~)

b = - - a ( t l - - t~ ) + c i t 1 - c 2 t 2 Cl - - (~2

c o n s t = (c l - - a ) ( t l - - b ) .

Durch geeignete Wahl der Abszissenabschnitte verei~achen sich die Gleichungen l i o c h .

Um zu zeigen, dab auch die B a x t s c h e n Kurven auf diese einfache Weise dargestellt werden k6nnen, haben wit in gleicher Weise die Baxtschen Versuche durchgerechnet (Tabelle IX).

T a b e l l e IX. B a x t . Schwefelsaurekurve IV.

Konzentration Reflexzeit (beobachtet) Reflexzeit (berechnet) (%) in Sek. in Sek.

0,11 60,6 60,6 0,12 33,0 27,0 0,13 14,~ 17,5 0,14 11,8 12,9 0,15 9,6 10,2 0,16 8,4 8,5 0,17 7,5 7,4 0,18 6,6 6,5 0,19 6,0 5,7 0,20 5,4 5,2 0,21 4,8 4,7 0,22 4,5 4,4 0,23 3,9 4,0 0,24 3,6 3,8 0,25 3,12 3,5

Die aus seinen Werten hervorgehenden Kurven lassen sich also ebenso wie unsere eigenen als gegen die Koordinatenachse verschobene gleichseitige Hy- perbeln deuten. Als Beispiel geben wir die Berechnung und die Xurvendar- stellung des B a x t s c h e n Versuches IV. Die Wirkungszeiten sind in Sekunden umgerechnet. (Vgl. Abb. 7a.)

Wie man sieht, besteht hier fast voltkommene I)bereinstimmung zwischen Beobaehtung und Berechnung.

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Uber die Abh~tngigkeit der Reflexzeit yon der St~trke des Reizes. 37

Die G l e i c h u n g

c o n s t t - - + b

i s t s o m i t e ine z u t r e f f e n d e F o r m u l i e r u n g d e r B a x t s c h e n sowoh l ,

wie u n s e r e r e i g e n e n V e r s u c h s e r g e b n i s s e .

In teressant ist das Verfahren, das B a x t 1) zur Analyse seiner Kurven an- wendet. E r berechnet die Quotienten yon je zwei aufeinanderfolgenden Ordi- naten-(l%eflexzeit-)Werten, die zu je zweien mn eine best immte kleine GrSl~e voneinander verschie4enen Abszissen-( S~urekonzentrations- )Werten gehSren. Diese Quotienten finder er ffir bes t immte Abschni t te seiner Kurven angen~hert konstant , und somit erkl~rt er die Kurven zusammengesetzt aus lauter Stiicken yon loga- r i thmisehen (gemeint sind e-Funktions-)Kurven~). Dieses I~esultat ist aber nur ein scheinbares. Auch eine Hyperbel kann man sich bei den B a x t s c h e n Vernach- li~ssigungen als aus e-Funkt ionsabschni t ten zusammengesetzt denken. ~Nehmen wir an, wir h~t ten eine Hyperbelgleichung yon der Fo rm

( x - a ) . y = eonst

oder const y - -

X - - r

Gehen wir nun weiter zum Wert x - - A x ' ( B a x t nimn~t Ax = 0,0001 an) und bilden, wie B a x t es t u t :

so l~olnmt : Yx

Yx - ~x 1 x - - a

Yx x - - A x - - a 1 A x

x - - a

Da A x kons tan t ist, so wird sich bei kleinen Auderungen yon x, also fiir kurze Kurvensti icke, der Quotient wenig ~ndern. Er wird, da x - a groB gegen A x angenommen wird, etw~s grSl~er ~ls 1 sein. (Vgl. B a x t . ) Setzt man ihn kon- stant , was er streng genommen mathemat iseh n icht werden kann, so erh~lt man in der Ta t eine e-Funktion. Abgesehen davon, clal~ die Ablei tung nieht einwand- frei ist, so erseheint die Annahme einer Zerstiickelung der Kurven im B a x t schen Sinne als zur Analyse ungeeignet.

3. D e r M e c h a n i s m u s der Re] lexverzdgerung .

W i r s i n d a u f G r u n d d e r V e r s c h i e b u n g d e r R e f l e x z e i t k u r v e u n t e r

d e m Einf lul~ z e n t r a l e r U m s t i m m u n g (als Be i sp i e l h a b e n w i r d ie B e o b ~ c h -

t u n g e n i n d e n H e a d s c h e n Z o n e n a n g e f i i h r t ) z u d e r A n n a h m e g e d r ~ n g t

w o r d e n , dal~ d e r G r u n d f i i r d ie A b h ~ n g i g k e i t d e r R e f 1 e x z e i t ~ n d e r u n g

1) B a x t , a. a. O., S. 325. 2) Bei einer e-Funkt ion ist bekannt l ich der Quotient aus zwei Ordinaten-

werten, die zu zwei gleichweit voneinander entfernten Abszissenwerten gehSren, kons tan t :

b(b + J x) a e b J x

b x -- e = const, wenn Ax = const ist. a ~

Page 27: Über die Abhängigkeit der Reflexzeit von der Stärke des Reizes

38 F. Kauffmann und W. Steinhausen:

mit der geizst~rke nieht so sehr in der P e r i p h e r i e als im C e n t r a l - o r g a n selber gelegen ist.

Wenn wit zum Sehlusse dazu fibergehen uns ein Bild yon den Vor - g a n g e n z u maehen, die im Z e n t r a l o r g a n zu einer Z u n a h m e der R e f 1 e x z e i t mit A b n a h m e des 1% eiz e s fiihren k6nnen und zwar in der gesetzm~13igen Weise, wie sie unsere Versuehe ergeben haben, so wissen wir sehr wohl, dab darfiber nur V e r m u t u n g e n ge~ul3ert werden kSnnen.

I n Analogie zu den Latenzzeitgesetzen bei der elektrisehen Reizung tier Muskeln in A b h i ~ n g i g k e i t v o n d e r Stromst~rke 1) k6nnte man geneigt sein, aueh bier eine ~hnliche q u a n t i t a t i v e B e z i e h u n g zwi- sehen R e i z s t ~ i r k e und l ~ e f l e x z e i t abzulesen. Man h~tte sich dann die Entstehung des t~eflexvorganges so zu denken, dab die A n z a h l der in T~tigkeit befindliehen z e n t r a t e n E l e m e n t e direkt proportional der Reizst~rke w~re, und dab infolge der Anordnung dieser Elemente eine proportionale Zunahme der Anzahl der yon der Erregung getroffenen bei Reizsteigerung auftritt.

Die Diskussion der D i f f u s i o n s g l e i e h u n g e n hat uns anderer- seits zu ganz i~hn l i ehen Kurven geffihrt, wie diejenigen sind, die wir aus den Versuehen abgeleitet und Ms gleiehseitige Hyperbeln gedeutet haben. Die S e h l u B f o l g e r u n g liegt sehr nahe, daft die Vor / g~nge im Z e n t r a l o r g a n eberffalls naeh einfaehen R e g e l n de r D i f f u - s i o n bzw. der c h e m i s c h e n U m s e t z u n g vor sieh gehen. Nehmen wir zum Beispiel an, dab der E r r e g u n g s p r o z e B nach der auf S. 28 bereehneten Kurve a n s t eig t und ebenso yon der Reizst~rke abh~ngig ist wie die dort besprochenen W~rmeleitungs- bzw. Diffusionsvorg~nge, so lieBen sieh aueh die beobaehteten Reflexzeiten aus solehen Diffusions- vorgangen bzw. chemisehen Umsetzungen erkliiren. U m g e k e h r t kSnnten wir aus dem Verlauf der Reflexzeitkurven auf die Art der Vor- g~nge im Zentralorgan Rfickschlfisse ziehen. Die experimentellen Kurven sind vorl~ufig noch zu ungenau, andererseits ist der Untersehied zwisehen den aus den verschiedenen Vorstellungen abgeleiteten theore- tisehen Kurven zu gering, als dab j etz t sehon Sieheres fiber die E i n z e 1- h e i t e n des t~eflexvorganges ausgesagt werden k6nnte. Es seheint uns aber das Studium der Reflexzeit in Abh~ngigkeit yon der Reizst~rke besonders bei sehwachen l~eizen ffir das Verstandnis des Reflexvorganges und seiner AuslSsung im Zentralorgan yon groBer Wiehtigkeit zu sein.

Sehliel31ieh m6ge noch auf folgendes hingewiesen werden. Wenn wir in der Reflexzeit, wie vorhin angedeutet, in Analogie zu der Latenz- zeit der ?r einen Ausdruck ffir die S t ~ r k e des E r - r e g u n g s z u s t a n d e s sehen, etwa in der Weise, dab wir die StS~rke der Erregung umgekehrt proportional der Reflexzeit setzen, so k~men wir

1) W. Ste inhausen, a. a. O.

Page 28: Über die Abhängigkeit der Reflexzeit von der Stärke des Reizes

Uber die Abhangigkeit der Reflexzeit yon der Starke des Reizes. 39

den verschiedenen Gleichungen entsprechend zu verschiedenen neuen mathematischen Formulierungen des W e b e r s c h e n Gesetzes, soweit es physiologisch erMgrt werden soll.

Wir haben ja gesehen, dab eine logarithmisehe Kurve unter ent- sprechenden Vernachlgssigungen und Einffihrung neuer Konstanten durch andere Kurven ersetzt werden kann und daft andererseits der komplizierte Ablauf der ~eflexvorggnge wie fiberhaupt der ~eizvor- ggnge viele Erklgrungsm5glichkeiten often lgftt. Es handelt sich nur darnm, in jedem einzelnen Fall die wahrseheinliehste Erklgrung zu linden. Aus der Form der Kurven allein fiber den Ablauf der Reiz- vorggnge etwas ffir Mle Fglle Bindendes auszusagen, erseheint deshMb fast unm5glich. Wir glauben datum aueh nicht, dal~ die zeitliche Vergnderung im Reaktionsablauf bei Vergnderung der Reizsti~rke a l le i n dureh Xnderung der Reaktionsgeschwindigkeit der bei dem ~eizvorgang ablaufenden chemisehen Umsetzungen bedingt zu sein braucht, wie P fit t er 1) aus der {Jbereinstimmung yon l~echnung und Versuch ableitet.

VII. Zusammenfassung der Ergebnisse.

Wghrend bisher im Mlgemeinen das Hauptgewicht auf die Bestim- mung der k f i r z e s t e n t ~ e f l e x - bzw. R e a k t i o n s z e i t e n gelegt wurde und fiber die Abhgngigkeit der l ~ e I l e x z e i t e n yon der l ~ e i z s t g r k e auffMlend wenig bekannt ist, waren wir bestrebt, die L a t e n z z e i t e n d e r l ~ e f l e x e mSgliehst im ganzen B e r e i c h der w i r k s a m e n R e i z - s t g r k e n , also auch ffir die s c h w g c h s t e n R e i z e festzustellen. Wir untersuehten einma] die Reflexzeiten am Frcschprgparat bei chemischer, osmotischer und thermischer Reizung; dann aber haben wir aueh die Latenzzeit der Schmerzempfindung unter normalen und pathologisehen Verhgltnissen (Headsche Zonen) auf Wgrmereize best immt und haben schlieftlich W g r m e r e f l e x k u r v e n an solchen Kranken (Hemiplegikern) aufgestellt, bei welehen infolge der iunktionellen Trennung der gelghm- ten und angsthetischen Extremi tg t vom GroBhirn dem Froschprgparat anMoge Verhgltnisse gesehaffen sind und der registrierte Wgrmereiz- erfolg unbeeinfluftt yon seiten des Patienten eintritt.

Es ergab sich sowohl t~fir e h e m i s e h e wie ffir t h e r m i s c h e Reize (andere t~eize wurden zwar nicht eingehend untersucht, ]ieferten abet in Vorversuchen quMitativ die g]eichen Ergebnisse ), dab die R e* 1 e x z e i t u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l der D i f f e r e n z zwischen der R e i z s t g r k e und einer k o n s t a n t e n Gr 5 B e ist. Diese konstante GrSfte ist der theore- tische Schwellenwert der Reizsti~rke. Die gesetzmgftigen Beziehungen sind graphisch dargestellt dutch eine gleiehseitige gegen die Koordinaten- aehsen verschobene Hyperbel.

1) A. P~itter, a. a. O.

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40 F. Kauffmann u. W. Steinhausen : Uber die Abhangigkeit der Reflexzeit usw.

Zur Erkli~rung der Versuchsergebnisse haben wir zun~chst die Vor- giinge der W i ~ r m e l e i t u n g bzw. der D i f f u s i o n durch die Haut heranzuziehen und auch r e c h n e r i s c h zu erfassen gesuch t. Ffir die L a t e n z z e i t der E r r e g u n g s t e m p e r a t u r in den Nervenendorganen haben wir F o r m e l n abgeleitet, die ebenlalls gut mit unseren experi- mentellen Ergebnissen fibereinstimmen. Durch die Wiirmeleitung und die Diffusion liei3en sich vor allem das Auftreten der langen Latenz- zeiten bei schwachen Reizen gut erkl~ren.

Aus den Reflexzeitkurven, die wir in H e ad schen Z o n e n beobaehtet haben und der bier auftretenden grol3en Versehiebung der Kurven gegen- fiber der normalen Kurve haben wit jedoch geschlossen, dal3 die Vor- giinge im Zentralorgan ffir die Abhi~ngigkeit der l~eflexzeit v o n d e r Reizstarke in h6herem Mal~e verantwortlich gemacht werden mfissen als die Vorg~inge in der Peripherie.

Sehliel~lich haben wir die Ursachen kurz besprochen, die im Zentral- organ zu einer Zunahme der Reflexzeit mit Abnahme der Reizst~rke ffihren k6nnen.

DaB die Untersuchung dieser l~eflexzeitkurven und besonders die Abweichung bzw. Verschiebung derselben unter pathologischen Yer- hi~ltnissen auch eine gewisse klinische Bedeutung haben diirfte, darauf mag bier nur kurz hingewiesen sein.