transformation der landwirtschaft und Überwindung von unterentwicklung in moçambique

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Transformation der Landwirtschaft und Überwindung von Unterentwicklung in Moçambique Author(s): Ursula Şemin-Panzer Source: Africa Spectrum, Vol. 13, No. 3 (1978), pp. 287-307 Published by: Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/Germany Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40174140 . Accessed: 16/06/2014 12:33 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/Germany is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Africa Spectrum. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.79.38 on Mon, 16 Jun 2014 12:33:43 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Transformation der Landwirtschaft und Überwindung von Unterentwicklung in MoçambiqueAuthor(s): Ursula Şemin-PanzerSource: Africa Spectrum, Vol. 13, No. 3 (1978), pp. 287-307Published by: Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/GermanyStable URL: http://www.jstor.org/stable/40174140 .

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Transformation der Landwirtschaft und Überwindung von Unterentwicklung in Mogambique*

URSULA §EMIN-PANZER

1. ROLLE DER LANDWIRTSCHAFT BEI DER ÜBERWINDUNG VON ABHÄNGIGKEIT

Die absolute Verarmung eines großen Teils der Agrarproduzenten der Dritten Welt hat in den siebziger Jahren besondere Aufmerksamkeit auf höchster internationaler Ebene ge- wonnen. Hilfspro gramme für den kleinbäuerlichen Sektor sollten die sozialen Folgen früherer Strategien auffangen. Die Überwindung von Unterentwicklung ist aber nicht allein Sache von Agrarreform oder einer ,, Modernisierung" durch industrielle Entwick-

lung, sondern ist das Ergebnis der Verknüpfung beider Sektoren innerhalb einer Strategie der integrierten nationalen Entwicklung. Agrarreform kann also nicht als magisches All- heilmittel gegen die wachsende Verelendung, Marginalisierung und Polarisierung in der Dritten Welt begriffen werden, auch wenn sie im Unterschied zur ,, Grünen Revolution" die Dorfarmut miteinbezieht. Gutgemeinte Vorschläge einer bäuerlichen Transforma- tion durch Verlassen auf die eigenen Kräfte fassen zu kurz, wenn sie die politischen, d. h.

klassenmäßigen Aspekte und Bedingungen einer solchen Strategie nicht mitreflektieren1. Überwindung von Unterentwicklung heißt zunächst eine wachsende Konvergenz der

lokalen Ressourcennutzung mit den Grundbedürfnissen der Masse der Bevölkerung. Diese Konvergenz, die eine lokale Verflechtung von landwirtschaftlicher und industriel- ler Produktion voraussetzt, wird in der neueren entwicklungspolitischen Literatur mit dem Begriff der ,, autozentrierten Entwicklung" gefaßt2. Ihre Bedeutung für die histo- risch gewachsenen Außenverflechtungen unterentwickelter Länder besteht in der Unter- ordnung vormals richtungsbestimmender Faktoren, wie Außenhandel und Fremdkapi- tal, unter eine national integrierte Produktionsstruktur. Die Notwendigkeit gesamtwirt- schaftlicher Planung und eines politischen Projekts, das die Mitgestaltung der betroffe- nen Bevölkerung als dynamischer Kraft in diesem Prozeß bestimmt, ist augenfällig.

Die Überwindung von Abhängigkeit und Unterentwicklung in einem Staat wie der VR Mocambique wirft enorme praktische Probleme auf, die bisher theoretisch erst sehr

wenig herausgearbeitet worden sind. Die folgende Darstellung einiger der Aufgaben und Probleme der ruralen Transformation in Mocambique kann in Anbetracht der Informa-

* Dieser Aufsatz ist Teil eines von der Deut- schen Gesellschaft für Friedens- und Konflikt- forschung geförderten Projekts über Versuche autozentrierter Entwicklung in Mocambique und Angola.

1 Ein Beispiel dafür wäre: Haque, W., N. Mehta, A. Rahman: Towards a Theory of Rural Development - In: Development Dialogue (1972) 2.

2 Der Begriff der ,, autozentrierten Ent- wicklung" ist von Samir Amin geprägt worden und im deutschsprachigen Raum vor allem durch Dieter Senghaas diskutiert worden. „Self-reliance" ist die englische Variante, die al- lerdings in ihrer Bedeutung weiter verbreitet und diffuser ist, sich vor allem auf verschiedene Ebenen sozialer Organisation bezieht.

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tionslage und des frühen Stadiums des neuen Weges nur ein erster Versuch der Skizzie- rung von Hindernissen und Möglichkeiten sein3.

2. KOLONIALE PRODUKTIONSWEISE

2. 1 Unterentwickelte Metropole und Bauernkolonisation

Die „Entwicklung der Unterentwicklung" in Mo9ambique wurde wie in den übrigen afrikanischen Kolonien durch die konkreten Bedürfnisse der metropolitanen Wirt- schaftsstruktur bestimmt. Der portugiesische Kolonialismus wurde zu Recht als „Ul- tra-Kolonialismus" charakterisiert, da er sich aus dem Spannungs Verhältnis von ökono- mischer Rückständigkeit Portugals selbst und der notwendigen Verschärfung physischer Repression ergab4. Der Grad metropolitaner Unterentwicklung verhinderte es weitge- hend, daß sich eine Schicht „Assimilierter" aus der afrikanischen Bevölkerung bildete, um die wirtschaftlichen Interessen Portugals nach der Unabhängigkeit wahren und ihre eigene Machtstellung dadurch erhalten zu können. Die Politik der europäischen Bauern- kolonisation hatte nicht zu einer akkumulationsfähigen europäischen Siedlerschicht ge- führt wie in Südafrika oder Rhodesien5.

Ebenso wichtig erscheint es jedoch, das Ausmaß kolonialer Unterdrückung, beson- ders nach 1961, als Ausdruck einer zunehmenden Einbeziehung Moc,ambiques in die wachsende Einflußsphäre der südafrikanischen Wirtschaft zu begreifen, die die zähe Uberlebensdauer portugiesischer Kontrolle mitgetragen hatte.

Die allseitige Durchdringung Mofambiques hatte sich erst seit Salazars „Estado Novo" festigen können (1930). Doch die Gefährdung dieser Dominanz durch die Befrei-

ungsbewegung mußte die Zurückdrängung des Einflusses internationaler Gesellschaften beenden und der erneuten und effektiveren Penetration durch ausländisches Kapital den

Weg bereiten. Die folgende forcierte Industrialisierungswelle, gestützt auf einfache Ver-

arbeitung von Rohstoffen, Importsubstitution von einfachen und von Luxuskonsumgü- tern, verdreifachte zwischen 1961 und 1973 das Volumen der verarbeitenden Industrie und setzte Mo?ambique so an die siebte Stelle im afrikanischen Kontext6. Gleichzeitig wurde die Besiedlung der fruchtbaren Gebiete des Limpopo, Umbeluzi, Incomati und der Hochebene Manicas durch portugiesische Bauern vorangetrieben, die später nach Vollendung des Cabora-Bassa-Staudamms auch das Zambezibecken „erschließen" soll- ten7.

Die relativ späte direkte Kolonisierung der moc, ambiquanischen Völker und die Unfä- higkeit der portugiesischen Kolonialmacht, die Bodenschätze und die menschliche Pro- duktivkraft der „Oberseeprovinz" für die eigene Entwicklung voll auszuschöpfen,

3 Bisher gibt es sehr wenig brauchbare Ana-

lysen kolonialer und postkolonialer Strukturen

Mo?ambiques. Erste Bestandaufnahmen der

Entwicklung sind zu finden in Isaacman, Allen: A Luta Continua. Creating a New Society in

Mocambique, Binghamton, 1978; Meyns, Pe- ter: Mozambique. Im Jahre Zwei der Unabhän-

gigkeit, Berlin 1977; Correa, Sonia, Eduardo Homen: Mocambique, primeiras chambas, Rio de Janeiro 1 977; Historia de FRELIMO, Mapu- to, 1975.

4 Vgl. Anderson, Perry: Portugal and the End of Ultra- Colonialism. - In: New Left Re- view, Nr. 15 und 16. Anderson hat den Begriff des „Lumpenkoloniats" für die portugiesische

Siedlerschicht geprägt. 5 Vgl. auch dazu Good, Kenneth: Settier

Colonialism: Economic Development and Class Formation. - In: Journal of Modern Afri- can Studies 14 (1976) 4, S. 597-620.

6 UNDP Country Study, Mozambique, 1975; Brum, Joaquim: Manufacturing Indus- tries in Mozambique - some aspects. - In: Wis- senschaftliche Beiträge, (1976) Sondernum- mer 2.

7 Das Vorhaben, eine Million Portugiesen in das Zambezital umzusiedeln, scheint aber be- reits schon 1972 von Portugal aufgegeben wor- den zu sein. Mündliche Mitteilung, F. W. Hei- mer.

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zwang Portugal in die Rolle einer Rentier-Metropole. Dem internationalen Kapital wurde der größte Anteil der Wertabschöpfung überlassen, wobei Südafrika immer deut- licher als Hauptempfänger von billigen Arbeitskräften und Dienstleistungen (Transitver- kehr, Häfen, Tourismus) hervortrat und als solcher von Portugal lediglich besteuert wer- den konnte8. Daneben fungierte Mo^ambique für Portugal als Lieferant billiger Roh- stoffe und als Absatzmarkt spezifisch portugiesischer Exportprodukte wie Textilien, Wein und Olivenöl. Industrielle Konsumgüter, Zwischenprodukte und Produktionsgü- ter mußten hauptsächlich und in steigendem Maße aus den USA, Südafrika und Europa importiert werden9.

2,2 Koloniale Landwirtschaft

Das koloniale Agrarsystem war gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Vergabe von zwei Dritteln der Bodenfläche an ausländische, nicht-portugiesische Konzessionsgesell- schaften geprägt, denen Verwaltungs-, Besteuerungs- und Schürf recht sowie das Han-

delsmonopol übertragen wurde. Diese Gesellschaften erbrachten indessen weder die er- hofften Gewinne, noch förderten sie in irgendeiner Weise die wirtschaftliche Entwick-

lung des Landes10. Diese Gesellschaften waren Nachfolger des ,,Prazo- Systems", einer

spezifisch portugiesischen Konzessionspolitik, das quasi-feudale Strukturen auf die au- tochthonen Gesellschaften des süd-östlichen Afrikas überstülpte und durch Zerstörung des transkontinentalen Handelsystems durch Sklaverei und allgemeinen Raubbau die

Grundlage für die spätere Kolonialpolitik legte11. Die afrikanische Bevölkerung war in ein Abhängigkeitsverhältnis gebracht worden, das zu Knechtschaft und Sklaverei führte, sobald ökonomische Mittel der „primitiven Akkumulation", wie die des Eintreibens von Hüttensteuer (später Kopfsteuer) oder von ,,cash-crops" keinen Erfolg hatten. Das bis 1961 legalisierte System verschiedener Arten von Zwangsarbeit, von der die Kontraktar- beit (chibalos oder contratados) die ökonomisch wichtigste war, blieb notwendig, um

genügend Arbeitskraft für staatliche Infrastruktur arbeiten und Plantagen oder Siedlerge- höfte zu beschaffen. Den Regelungen dieser Arbeitsgesetze waren 95 % der männlichen Arbeitskräfte unterworfen, so daß sich ein Drittel oder sogar die Hälfte davon ständig als Lohnarbeiter verdingten und zeitweise dem „traditionellen" Produktionsprozeß entzo-

gen waren. Frauen wurden mehr zum Anbau bestimmter Handelsgewächse gezwungen, wurden aber auch u. a. zu Straßenbauarbeiten herangezogen12.

Mit der Entdeckung von Gold im Transvaal (1886) begann die Rekrutierung mo^am- biquanischer Minenarbeiter, die vor allem den südlichen Teil des Landes, den Sul do Save, um einen beträchtlichen Teil der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung beraubte und die Subsistenzproduktion den Frauen und Kindern überließ13. Die Rekrutierung von Wanderarbeitern für die Rand-Minen in Südafrika und die Plantagen in Südrhodesien

entzog der Kolonie eine größere Anzahl von Lohnarbeitern, als sie jemals in der einhei- mischen industriellen Produktion beschäftigen konnte. Mofambique war dadurch zum „Arbeitsreservat" deformiert. Allein der Gewinn aus den Transferzahlungen der Wan-

8 Vgl. Rede Samora Macheis, 1975, zur Un-

abhängigkeit, ,,wir sind ein ,,entrepöt-Land". Die Einnahmen aus „invisables" betrugen zu- letzt etwa 40 % der Staatseinnahmen.

9 Mo?ambique Economic Survey, Direc?äo Geral do Comercio Externo, Lourenco Mar- ques, 1975.

10 Vail, Leroy, Mozambique's Chartered

Companies: The Rule of the Feeble. - In: Jour- nal of African History, 19 (1976) 3, S. 389-416; die drei wichtigsten waren Niassa, Mocam-

bique, Zambezia. 11 Vgl. Henderson, Robert: Two Aspects

of Land Settlement Policy in Mozambique, 1900-1961. - In:'Societies of Southern Africa in the 19th and 20th Century 16 (1972) 20; und Isaacman, Allan: Mozambique, the Africaniza- tion of a European Institution, Madison 1972.

12 Da Silva Cunhal, J. M.: Aspectos do Movimento Associativos na Africa Negra. Lis- sabon 1958.

13 Vgl. dazu Young, Sherily: Fertility and Famine, Women's Agricultural History in Southern Mozambique. - In: Palmers and Par- sons: The Roots of Rural Poverty in Central and Southern Africa. London 1977.

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derarbeiter entsprach dem Gesamtwert der wichtigsten Exportprodukte: Cashews, Zuk- ker und Baumwolle14.

Die Agrarverfassung von 1901 bestimmte, daß alles Land, was nicht bereits in europä- ischem Besitz war, dem Staate zufiel. ,, Kultiviertes" Land war erwerbbar, „nichtkulti- viertes", nach portugiesischem Dictum afrikanisches, in gemeinschaftlichem Besitz be- findliches Land, konnte als Konzession vergeben werden15. Da das ,, Eingeborenstatut" bis 1961 der afrikanischen Bevölkerung bis auf eine winzige Minderheit (0,4 %) der ,,As- similados" jegliche Vertragsfähigkeit absprach, waren sie vom Erwerb von Konzessionen gänzlich ausgeschlossen. Während ausländische Firmen und weiße Siedler weite Flächen zur Verfügung gestellt bekamen, hatte die einheimische Bevölkerung nur ein Anrecht auf höchstens 2 ha pro erwachsenem Familienmitglied, die darüber hinaus unter jährlicher Bebauung stehen mußten16. Durch das ,,Regulamento de Concessäo deTerrenos" (1918) waren Reservate für die Afrikaner anerkannt, die aber keineswegs vor Unterwerfung un- ter alle Formen der Zwangsarbeit und polizeilicher Repression schützten.

2.3 Europäische Siedlungsprojekte und afrikanische Genossenschaften

Die Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche wies zwischen den Gebieten nörd- lich und südlich des Zambezi regionale Unterschiede auf, wobei der Süden hauptsächlich von der Landnahme portugiesischer Siedler und damit von der Vertreibung der einheimi- schen Bevölkerung von den fruchtbaren Böden der Provinzen Gaza, Minica, Sofala, Ma- puto (früher Lourenfo Marques) und Zambezia geprägt war. In Manica waren die Aus- wirkungen der Kolonisierung für die Bevölkerung besonders schwer, da hier 451 europä- ische Latifundisten über 676 000 ha, während 135 000 afrikanische Bauern nur über ein Drittel dieser Fläche verfügten17. In den drei nördlichen Provinzen Tete, Niassa, Cabo Delgado beruhte die koloniale ,,Inwertsetzung" hauptsächlich auf der Kontrolle des Cash-crop-Anbaus vor allem von Baumwolle, aber auch von Sisal, Kopra, Cashew und Reis durch die Konzessionsgesellschaften. Diese verursachten durch eine zu geringe Landzuteilung und eine zu hohe Festsetzung der Baumwollkontingente in diesen ,, Baumwollzonen" nicht nur eine partielle Auflösung der Subsistenzwirtschaft, sondern eine absolute Verelendung und periodische Hungersnöte18.

Auf den Süden des Landes konzentrierte sich die sogenannte ,, organisierte" Land- wirtschaft, d.h. freie Siedlungen portugiesischer Bauern, Colonatos und Plantagen. Die künstlich erzeugte Landverknappung mit der Folge überfüllter Reservate zwang den afrikanischen Landbebauer, sich zeitweise als billige Arbeitskraft auf dem Land oder in den Städten zu verkaufen oder, was häufiger geschah, den Weg in die südafrikanischen Goldminen auf sich zu nehmen.

In der portugiesischen Bauernkolonisation spielte zuerst der Überschuß ländlicher Arbeitskraft in Portugal selbst eine Rolle19, während zur Zeit des Befreiungskrieges die erstrebte Integration europäischer Betriebe mit afrikanischen Kleinbauern letzten An-

strengungen zur ,,Pazifizierung" des Landes entsprangen. Die Betriebsformen der „mo- dernen" Landwirtschaft erstreckten sich von der klassischen Plantage (Zuckerrohr, Ca- shew, Kopra, Sisal, Tee, Zitrusfrüchte über den kapitalistischen Mittelbauern zum klein- bäuerlichen Anwesen. Weizen, Ölfrüchte, Baumwolle, Kartoffeln, Mais, Reis und Boh- nen waren Hauptprodukte letzterer Betriebe. Die bäuerliche Kolonisation sollte eine stärkere wirtschaftliche Anbindung an Portugal erbringen. Dabei nahm das Siedlungs-

14 Moc.ambique Economic Survey, a.a.O. 15 Diese Konzessionen erstreckten sich bis

50000 ha, in Louren?o Marques bis 10000 ha. 16 UN Secretariat, Concessions and Set-

tlement of Land in Angola and Moc.ambique, UN Official Records, 1965, S. 263.

17 Annual Economic Review, Mozam-

bique, Standard Bank Group, London 1968. 18 Mondlane, Eduardo: The Struggle for Mo-

zambique. London 1969. 19 De Sousa Ferreira, Eduardo: Portuguese

Colonialism from South Africa to Europe. Freiburg 1972.

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projekt am Limpopo mit der Vergabe großzügiger Kredite, großer Bewässerungsanlagen und Maschinenparks eine größere Bedeutung an. Die Verpflanzung kleinerer und mittle- rer europäischer Bauernbetriebe auf afrikanischen Boden sollte dort wohl zur Schaffung einer Agrarbourgeoisie europäischer Herkunft führen und auf diese Weise zur stärkeren Internalisierung und Festigung kolonialer Verhältnisse beitragen20.

Wichtig für die Herausbildung unterschiedlicher sozio-ökonomischer Strukturen, die bei der jetzigen Planung ein differenziertes Vorgehen verlangt, war die beginnende klas- senmäßige Differenzierung im Sul do Save (Maputo, Gaza, Inhambane) infolge der stär- keren Auflösung des ,,tratition eilen" Sektors21. Die Bemühungen der in Nachahmung anderer kolonialer ,, Community development"-Programme geschaffenen Genossen- schaften um afrikanische „agricultores", denen Traktoren, Pflüge und andere landwirt- schaftliche Produktionsmittel zur Verfügung gestellt wurden, soweit sie nicht schon in deren Besitz waren (Pflüge, Mühlen etc.), galten der Förderung „fortschrittlicher, mo- dernisierter" Bauern. Die bearbeitete Fläche betrug pro Mitglied in Inhambane 12 ha, auf denen in relativ kurzer Zeit beachtliche Gewinne erzielt wurden. Die sieben Genossen- schaften im Distrikt Zarvala, die fast ungestört durch koloniale Bürokraten wirken konn- ten, wurden jedoch nach offensichtlichem Erfolg durch „cantineiros" (portugiesische oder asiatische Händler) und administrative Maßnahmen ruiniert22.

Der steigende Arbeitsbedarf der umliegenden Städte und Latifundien lösten andere

Siedlungsmaßnahmen aus. So wurden z. B. im entwässerten Sumpfland des unteren Limpopo (Gaza), dem Resgate dos Machongos, Teil des großangelegten Limpopo- Ko- lonats, 1600 Siedlerstellen von Frauen (85 %) und Männern (15 %) eingerichtet (0,5-1 ha), um so die Landbevölkerung seßhaft zu machen und die ,, Ahmen tierungs- funktion" des kleinbäuerlichen Sektors zu institutionalisieren23.

2.4 Zum Problem der Auflösung autocbthoner Strukturen und der Dominanz des kolonial-kapitalistischen Sektors

Da Studien über die stufenweise Integration der vorkapitalistischen Gesellschaften Mo-

c,ambiques in die metropolitane Wirtschaftsstruktur, die einen Einblick in den Prozeß der

Kolonisierung und die konkreten sozio-ökonomischen Entwicklungen vermitteln könn- ten, fehlen, muß man sich mit einzelnen Bestandsaufnahmen begnügen24. Aus den ver- schiedenen Analysen wird jedoch deutlich, daß die Eingliederung der ländlichen Produk- tionseinheiten in die koloniale Geldwirtschaft seit Anfang dieses Jahrhunderts ein wich-

tiger Bestandteil der gesellschaftlichen Reproduktion war25. Die verschiedenen Mecha- nismen der Unterwerfung der prä- kolonialen Strukturen (Hütten-bzw. Kopfsteuer, Landvertreibung, Zwangsarbeit und -anbau) und der Monetarisierung sozialer Institu- tionen wie des Brautpreises, verknüpften den so deformierten, teilweise zerstörten Subsi- stenzsektor mit dem Export- Enklaven- und Siedlersektor auf die bekannte Weise26. Während in den nördlichen Gebieten der Zwangsanbau für die Kommerzialisierung des bäuerlichen Sektors sorgte, war der Süden hauptsächlich durch den Export von Arbeits-

20 Vgl. Henderson, a. a. O., S. 145. 21 Vgl. auch Kuder, Manfred: Mocam-

bique, Darmstadt 1975; und Pössinger, H.: Landwirtschaftliche Entwicklung in Angola und Mocambique. München 1968.

22 Vgl. Henderson, a. a. O., auch Pössin-

ger, a. a. O. 23 Diese Alimentierungsfunktion besteht

darin, daß der kleinbäuerliche Sektor für die Er- haltung der im „modernen" Sektor beschäftig- ten Arbeitskraft während der nichtproduktiven Jahre sorgt. Dagegen waren die Genossenschaf- ten in Zavala auf die Schaffung kapitalistischer

Mittelbauern ausgerichtet, was sich unter ande- rem in der neuen Rollenteilung zwischen Mann und Frau ausdrückte. Vgl. Pössinger, a. a. O., S. 185.

24 Eine erste empirische Studie wurde vom Centro de Estudos Africanos der Universität

Maputo fertiggestellt: The Mozambiquan Mi- ner, 1977.

25 Reproduktion hier im Sinne aller Pro- zesse sozialer Art, die zur Erhaltung der Gesell- schaftsform beitragen.

26 Besonders in den Arbeiten von Claude Meillassoux und P. P. Rey.

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kraft, durch staatliche Übereinkommen mit Nachbarstaaten in den metropolitanen Ak- kumulationsprozeß eingeschlossen. Vor allem verstärkte sich der schon im letzten Jahr- hundert angebahnte Rückzug der männlichen Arbeitskraft aus der Subsistenzproduk- tion, was für heutige Strategien einige Probleme auf wirft27.

Seit Mitte der dreißiger Jahre führte auch im Süden die Siedlungspolitik zur zwangs- weisen Einführung von Exportproduktion für die afrikanische Bevölkerung. Vor allem Baumwolle aber auch Reis mußte auf bestimmten Flächen angebaut werden, wie immer auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion. Es war den Bauern untersagt, einen Teil die- ser Cash-crops zu verbrauchen, sie mußten sich also teure Lebensmittel über das kolo- niale Handelsnetz besorgen. Diese Art der Ausbeutung führte wiederum zur Flucht be- sonders der jungen Bauern nach Südafrika, wo ihre Arbeitskraft etwas besser entlohnt wurde, wenn auch unter den Kosten zur Erhaltung dieser Arbeitskraft. Diese Einkom- men aus der Wanderarbeit wurden zum essentiellen Bestandteil der neuen Schicht kleiner

Warenproduzenten, Handwerker, Maurer, Schneider etc. In den vierziger und fünfziger Jahren und besonders nach offizieller Beendung des Zwangsanbaus (1961), wurden neue Handelsge wachse eingeführt, Kopra, aber vor allem Cashewbäume, die zwar eine wei- tere Einschränkung des Nahrungsmittelanbaus bewirkten, sich aber in Krisenzeiten zum Eigenverbrauch eigneten. In den südlichen Provinzen führte die koloniale Durchdrin- gung zu einer fast vollständigen Trennung der aktiven männlichen Bevölkerung von der Subsistenzproduktion, zur Herausbildung eines separaten gewerblichen Sektors und zum ständigen Absaugen etwa eines Drittels der Bauern aus dem landwirtschaftlichen Sektor. Im Norden wird dem Export der Arbeitskraft etwa ein Achtel zugerechnet28, wobei aber die interne Wanderarbeit oder saisonale Arbeit eine größere Rolle in der Ver- schränkung des ,, modernen" mit dem präkolonialen Sektor spielt. Im Gegensatz also zu

Tab. 1: Landnutzung 1970

Betriebsgröße ha) Anzahl der Betriebe Gesamtfläche (ha)

Betrieb insgesamt 1 652 328 4 981 058,9 davon: weniger als 0,5 (306077) (92 1 16,5) weniger als 0,1 18478 1214,4 0,1-0,2 53 820 8339,2 0,2-0,5 233 779 82535,9 Betriebe über 0,5 (1346251) (4 888942,4) 0,5-1 412251 307718,9 1-2 540615 781307,9 2-3 232901 561233,4 3-4 75358 259668,5 4-5 35903 158790,3 5-10 38003 244964,2 10-20 6996 91211,5 20-50 1733 61321,0 50-100 290 18961,9 100-200 609 71 727,3 200-500 788 225890,1 500-1000 285 189538,0 1000-2500 270 402840,2 2500 und mehr 219 1513 769,2

Quelle: Mosambique Economic Survey, Direccao Geral do Comercio Externo Lourenc.o Marques, 1975.

27 Young, a. a. O. und Centro de Estudos Africanos (CEA), a. a. O.

28 Newitt, N.: Migrant Labour and the

Development of Mozambique, Institute of Commonwealth Studies, London 1974.

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MOSAMBIK

Quelle: Statistisches Bundesamt: Länderkurzbericht Mosambik. Wiesbaden 1977.

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Angola, wo die Förderung der landwirtschaftlichen Exportproduktion ein wesentliches Moment kolonialer Politik darstellte, stand der Durchführung einer solchen Strategie in

Mosambique die ausländische und interne Nachfrage nach billiger Arbeitskraft entgegen. Zusammenfassend ergibt sich folgende Landnutzungs- und Betriebsgrößenstruktur:

Von der Gesamtfläche Moc,ambiques (78 Mio ha) wurden lediglich 3,8 %, von der po- tentiellen Anbaufläche nur 10 % genutzt. Etwa 4600 Betriebe (0,2 %) kontrollierten äie Hälfte der Nutzfläche, d. h. 2,5 Mio ha, wovon aber nur etwa die Hälfte bebaut wurde.

Demgegenüber stehen 1,6 Mio afrikanische Betriebe mit etwa der gleichen Anbaufläche, d. h. 99,8 % der Einheiten verfügten über die Hälfte des landwirtschaftlich genutzten Bodens (Wanderhackbau). Der ,, moderne" Sektor konzentrierte sich auf die Provinzen

Maputo, Manica, Sofala, Zambezia (zu 61 %) und auf Nampula und Gaza zu 30 %.

Produktstruktur: Die landwirtschaftliche Produktion des Exportsektors ist etwas diffe- renzierter als in Angola, sieben Kulturen machen etwa Dreiviertel des Exportwertes aus: Cashews (geschält und ungeschält), Rohbaumwolle, Rohrzucker, Tee, Kopra, Sisal, Zi- trusfrüchte. Ein Drittel dieser Produktion wurde vor dem Befreiungskrieg vom afrikani- schen Sektor geliefert, dessen Anteil jedoch durch die Umsiedlung von einer Million Bau- ern in ,, Wehrdorf er" und erhebliche Zerstörung landwirtschaftlicher Strukturen durch den Krieg stark reduziert. Der Anteil der Nahrungsmittelproduktion für den Eigenver- brauch an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion wird meist auf 60 % geschätzt, während der Anteil der agrarischen Produktion am BSP etwa 30 % betrug29.

Die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte nach Mo9ambique reflektierte einmal die

spezifischen Bedürfnisse der Siedler (Wein, Olivenöl, Fischkonserven), zum anderen die zunehmende Erosion der Fähigkeit eines Agrarlandes, die eigene Ernährungsbasis zu si- chern30.

Tab. 2: Landwirtschaftliche Produktion 1970 (Nach Sektoren aufgeteilt)

Hauptprodukte des afrikanischen Sektors Afrikanischer S. Siedler/Plantagen S. Produktion % Produktion %

(1000 t) (1000 t)

Mais 335 90 38 10

Bohnen 59 95 3 5

Sorghum 195 100 Ölfrüchte (außer Baumwollsaat) 57 93 4 7

Cashew 180 90 20 10

Hauptprodukte des Siedler/Plantagensektors Zuckerrohr 74 3 2500 97 Sisal - - 33 100 Tabak 0,3 20 3,5 80 Tee - - 69 100 Kartoffeln - - 39 100

In beiden Sektoren Baumwolle 93 67 46 33 Reis 43 43 56 57

Kopra 30 46 37 54

Quelle: Agricultural Development Programme, Mozambiquef UNDP/FAO, Rom 1976.

29 Die portugiesischen Angaben sind niedri-

ger (26 %), da dort unbezahlte Hausfrauenar- beit miteinfließt. Der Anteil der industriellen

Produktion war 1973 15 %, Dienstleistungen 49 %.

30 Mo9ambique Economic Survey, a.a.O.

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3. LANDWIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGSPOLITIK DER FRELIMO

3.1 ökonomische Krise und Entkolonialisierung

Die plötzliche Entscheidung des Befreiungskrieges zugunsten der anti-kolonialen Kräfte hatte die Siedlerbevölkerung Moc;ambiques relativ unvorbereitet getroffen. Während der kurzen Zeit der Obergangsregierung nach den Lusaka- Vereinbarungen (September 1974 - Juni 1975) wurde in aller Eile die Auflösung der spezifischen kolonialen Produktions- struktur betrieben, eine Struktur, die durch die politische Dominanz der Metropole und durch die Funktion des kolonialen Staatsapparates hatte aufrechterhalten werden kön- nen. In der Siedler- und Plantagenökonomie beruhte die Rentabilität des Enklavensek- tors (der nach außen orientierte, sogenannte moderne Sektor) auf der Verfügung über extrem billige Arbeitskraft, deren soziale und physische Erhaltung durch die Existenz ei- nes deformierten traditionellen Sektors gewährleistet war. Durch die extensive, unpro- duktive Nutzung vorhandener Arbeitskraft wurde ein immer größerer Teil der Bevölke- rung in den kolonial-kapitalistischen Verwertungsprozeß miteinbezogen, um dann nach Verschleiß dieser menschlichen Arbeitskraft auf die sozialfürsorgliche Funktion des fa- miliären Sektors wieder zurückgeworfen zu werden. Mit Beginn der Verhandlungen über Modalitäten der Übergabe der Regierungsgewalt an die FRELIMO gingen Siedler und ausländische Kapitalgruppen daran, kleinere und weniger rentable Betriebe aufzulösen und überlebensfähigere zu rationalisieren, d. h. Arbeitskräfte freizusetzen. Mit dem

Fehlschlag eines letzten Versuchs, den Siedler kolonialismus zu retten, verließen an die 200000 Portugiesen fluchtartig das Land, nachdem sie Felder verwüstet und Ausrü-

stungsmaterial demontiert hatten, wobei sie alles, was sich bewegen ließ, nach Südafrika oder Rhodesien transportierten.31.

Es gibt wenig andere Staaten, die nach Erlangung der Unabhängigkeit mit derartig tiefgreifenden Problemen zu kämpfen hatten wie die VR Mofambique. Mit einem Zah-

lungsbilanzdefizit von $ 279 Mio für 1977 (Bank von Mofambique), einer Erhöhung der Importe von $ 295 Mio (1975) auf $ 489 Mio (1977) und des Verlustes an Einkommen aus dem Transportsektor und den Transferzahlungen der stark geschrumpften Zahl der Mi- nenarbeiter für Südafrika war in den ersten zwei Jahren der Entkolonisierung eine gere- gelte Entwicklungsstrategie zunächst unmöglich und die neue Regierung vor die Aufgabe gestellt, den von ausländischen Quellen immer wieder beschworenen Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern32. Die drastische Reduktion der agrarischen Produktion war bedingt durch das Aufeinandertreffen folgender Faktoren: - den Exodus fast des ganzen technischen und übrigen ausgebildeten Personals, das we-

gen des beschränkten Zugangs der nichteuropäischenBevölkerung zum Bildungssy- stem beinahe ausschließlich aus Europäern bestand. Von den 250 000 Siedlern bleiben schließlich nur etwa 20 000 übrig.

- die Flucht der portugiesischen Zwischenhändler, die die Vermarktung der kleinbäuer- lichen Produkte kontrollierten und die physische Zerstörung des Transportsystems;

- den Stillstand der Import- Exportfirmen; - die Schließung der Grenze mit Rhodesien und Anwendung der UNO-Resolution 253

mit dem Verlust wichtiger Nahrungsmittelimporte, besonders von Getreide; - die Abschaffung des erzwungenen Anbaus verschiedener Handelsgewächse, der auch

nach 1961 fortgesetzt worden war;

31 Nach Isaacman, Allan: Transforming Mozambique's Rural Economy. - In: Issue (1978) 1, wurden etwa 25000 Fahrzeuge aus dem Land geschmuggelt.

32 Vgl. Assistance to Mozambique, United

Nations Economic and Social Council, Juni und Oktober 1977; der Vertrag zwischen Südafrika und Mocambique ist im April 1978 beendet worden.

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- das Eintreten besonders schwerer Naturkatastrophen, einer Dürre im Norden und Überschwemmungen im Süden und in Zambezia (1976, 1977 und 1978), die hundert- tausende Bauern obdachlos machten und einen großen Teil der neuen Produktion im

Limpopo- und Zambezi-Tal zerstörten; - die Entwurzelung von über 70 000 Personen in den von rhodesischen Überfällen be-

troffenen Gebieten und die Rückkehr zahlloser Flüchtlinge aus den afrikanischen Nachbarstaaten, insbesondere Tanzania. Vor diesem Hintergrund wirtschaftlicher Verluste und militärischer Unsicherheit

muß die FRELIMO-Politik der Auffangmaßnahmen und Wiederbelebungsversuche na- tionaler Produktion gesehen werden. Die eingeschlagene Richtung in der Restrukturie- rung des Agrarsektors zeigt dieses Dilemma zwischen notwendiger Restauration zur Be-

friedigung der Grundbedürfnisse an Nahrungsmitteln, Rohstoffen und einfachen Kon-

sumgütern und dem politischen Ziel der radikalen Umformung der kolonialen Produk- tions verhältnise und Produktstrukturen des Landes.

3.2 Sozio-ökonomische Direktiven des 3. FRELIMO-Kongresses

Der 3. FRELIMO- Kongreß im Februar 1977 stellte entscheidende Weichen für den mühsamen Abbau kolonialer Strukturen, die sich besonders im stark zentralisierten und

schwerfälligen Verwaltungsapparat gefestigt hatten. Der Kongreß bestätigte die Um- wandlung der nationalen Befreiungsfront in eine ,, Vorhutspartei der sozialistischen Re- volution", um den neuen Aufgaben der politischen und wirtschaftlichen Umstrukturie- rung gerecht zu werden. Die „Wirtschaftlichen und sozialen Direktiven" des Parteikon- gresses geben Aufschluß über die großen Linien der neuen mo^ambiquanischen Entwick- lungsstrategie, die dann bis 1980 in einem ersten nationalen Plan konkretere Ausführun- gen erfahren sollen33.

Mo^ambique ist ein Agrarland, etwa 80 % der Bevölkerung lebt immer noch von der Landwirtschaft. Genaue Daten über Beschäftigungstruktur sind noch nicht vorhanden. Aus dem letzten Zensus (1970) der portugiesischen Kolonialverwaltung ergibt sich fol-

gende Struktur:

Tab. 3: Verteilung der erwerbstätigen, lohnabhängigen Bevölkerung nach dem Zensus von 1970

Landwirtschaftlicher Sektor 454385

Bergbau 123 772 Verarbeitende Industrie 1 55 996 Bauwesen 81468

Dienstleistungen Hotel/Handel 82482 Banken 5919

Transport 62 724

Hausangestellte 126 138

Verwaltung 97823 375086

insgesamt 1190707 wirtschaftlich aktive Bevölkerung 2927606

a Als „wirtschaftlich aktiv" wurden Personen über 10 Jahren gezählt.

Quelle: IV Recenceamento-1970, Lourenc.o Marques.

Die Angaben des Zensus sind z. T. irreführend, da sie nicht angeben, wie groß der Anteil der in den Nachbarländern Beschäftigten ist. Im Bergbausektor waren 1970 z. B. von den 123 772 Arbeitern nur 6800 Personen in Moc,ambique selbst beschäftigt. Die Zahl

33 Directivas Econömicas e Sociais, Mapu- to, 1977.

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der Landarbeiter ist sicherlich zu hoch angesetzt und wird von UNDP/FAO- Quellen auf etwa 300 000 geschätzt34.

Darüber hinaus sind nur ein Viertel dieser Landarbeiter fest angestellt, der überwie- gende Teil geht saisonaler Arbeit nach. Der für den gewerblichen Sektor ausgeworfenen Zahl des Zensus steht die Angabe von 85 700 Lohnabhängigen in der Industriestatistik für 1970 gegenüber35. Im Ganzen ergibt sich schätzungsweise ein Anteil von Beschäftigten von 20-30 %, im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten eine relativ hohe Ziffer36. Ein gutes Drittel dieser arbeitenden Bevölkerung ist der Landwirtschaft zuzurechnen.

Die wirtschaftlichen Direktiven des 3. FRELIMO- Kongresses reflektieren die struk- turelle Ausgangslage der mofambiquanischen Wirtschaft, in der wirtschaftliches Wachs- tum im Sinne einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung nur über eine drastische Steigerung der Agrarproduktion zu erreichen ist. Das entwicklungspolitische Konzept der neuen Führung Mo^ambiques besteht in dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsform, die unter den gegebenen Bedingungen internationaler Wirtschafts- strukturen die Verfolgung eines eigenständigen oder ,, autozentrierten" Entwicklungs- weges zum Ziel hat. In der gegenwärtigen Phase der wirtschaftlichen Entkolonisierung wird die Landwirtschaft als Grundlage der Entwicklung der Produktivkräfte gesehen, wobei der Industrie eine „dynamisierende und entscheidende" Rolle zugesprochen wird. Der für eine unabhängige Entwicklung notwendige Aufbau bestimmter zentraler Investi- tionsgüterindustrien ist auf eine zweite Phase verschoben worden37. Wichtig ist, daß das vorhandene (im Moment unausgelastete) Industriepotential auf die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Produktion ausgerichtet wird. Eine günstige Ausgangsbedingung für Mo9ambique ist dabei die Tatsache, daß fast zwei Drittel der verarbeitenden Industrie schon für den internen Markt produzieren und dadurch die Verkettungsprozesse zwi- schen den Sektoren erleichtert werden können. Dabei hat eine Erweiterung der schon vor der Unabhängigkeit aufgebauten Grundstoffindustrien (Metallverarbeitung, Zement, Düngemittel, Energie, Holzverarbeitung, Karbohydrate, Petrochemie) Vorrang für die landwirtschaftliche Produktivitätssteigerung. Die parallele Prospektierung mocambi- quanischer Ressourcen (Eisenerz, Erdgas, Kohle, Kupfer, Bauxit, Tantalit etc.) sind erste Schritte für den langfristigen Aufbau einer integrierten Produktionsstruktur38. Bis zum nächsten Kongreß (1980) der FRELIMO soll das Produktionsniveau von 1973 wieder er- reicht und die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln sichergestellt werden. Die Rolle des staatlichen Sektors ist bestimmend, private Betriebe (in- und ausländisches Kapital) müssen sich den neuen Prioritäten unterordnen. Durch die politische Mobilisierung der Bevölkerung im Rahmen der Partei-, Volks vertretungs Organe und der Massenorganisa- tionen, Dynamisierungsgruppen, Produktions- und Bauernräte erhofft sich die Führung einen allmählichen Abbau deformierter, abhängiger Strukturen und die Freisetzung bis- her blockierter Produktivkraft39. Das bedeutet für den Agrarsektor die Motivierung für

34 Vgl. United Nations Development Pro- gramme, Country Study, Mozambique, 1975; Agricultural Development Programme Mo- zambique, Report of the UNDP/FAO/Nordic Agricultural Formulation Mission, Rom, 1976. Die letzte Landwirtschaftstatistik von 1967 nennt eine Zahl von 129000 landwirtschaftli- chen Erwerbstätigen, was als zu niedrig er- scheint. (Vgl. auch The Mozambiquan Miner, i. a. O., S. 3,4)

35 Vgl. Statistisches Bundesamt: Länder- kurzbericht Mosambik 1977. Wiesbaden 1977. Kuder, a. a. O., S. 299, nennt 99574 Beschäf- tigte im industriellen Bereich für 1970.

36 Tanzania: weniger als 15 %, Rhodesien (Afrikaner) 16 %.

37 Die Struktur sektoraler Verflechtung als Kernpunkt autozentrierter Entwicklung, d. h. das Konzept der wirtschaftlichen Kohärenz ist vielerorts akzeptiert, (S. Amin, Destanne de Bernis, J. Rweyemamu, D. Senghaas, C. Y. Thomas) . Zentrale Frage ist die Höhe der politi- schen und ökonomischen Kosten.

38 Directivas Econömicas e Sociais, a.a.O. 39 Auf die unterschiedlichen Funktionen

der politischen Strukturen kann in diesem Rah- men nicht eingegangen werden. Hier sei ledig- lich darauf hingewiesen, daß seit der Parteigründung (3. Kongreß der FRELIMO) größerer Nachdruck auf Abgrenzung und ge- nauere Funktionsbestimmung dieser Volksver- tretungsorgane gelegt wird.

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kollektive Produktion durch Bildung von Kooperativen oder Staatsfarmen im Rahmen von ,,aldeias comunais" (Gemeinschaftsdörfern).

3.3 Sozialisierung der Landwirtschaft: Gemeinschaftsdörfer und Genossen- schaften

Auf Erfahrungen in den befreiten Gebieten stützt sich der organisatorische Schwerpunkt der ruralen Transformation: durch die Schaffung von ,,aldeias comunais", Gemein- schaftsdörfern, soll die Mobilisierung der Bevölkerung zur kollektiven Produktion un- terstützt werden. Grundstein dieser Gemeinschaftsdörfer der befreiten Gebiete war ein hoher Grad demokratischer Mitbestimmung und Verantwortung des einzelnen Dorfbe- wohners. Diese neue Produktionsform der „autosuficiencia", des Vertrauens auf die ei- genen Kräfte, sicherte die Ernährungsbasis der FRELIMO- Kampfeinheiten (FPLM) und der Bevölkerung. Sie ermöglichte es sogar, über die Deckung des Bedarfs an Nahrungs- und gewerblichen Gütern hinaus einen Überschuß für den Export zu produzieren, der für die Beschaffung industrieller Produkte vonnöten war40.

Diese prägende Erfahrung mit der Mobilisierung des kleinbäuerlichen Sektors zur Überwindung sowohl traditionaler als auch kolonial deformierter Produktionsverhält- nisse spielt in der gegenwärtigen nationalen Kampagne zur Restrukturierung des Lebens auf dem Lande eine zentrale Rolle. Obwohl die nördlichen Provinzen zu den ärmsten Gebieten des Landes gehören, hat sich ihre Entwicklung in den befreiten Zonen als Al- ternative gegenüber dem System kolonialer Ausbeutung bewährt. Essenz dieser Politik der Eigenständigkeit ist die Betonung des gesellschaftlichen Charakters der Produktion, d. h. der Priorität der Änderung von Produktionsverhältnissen vor Produktionssteige- rung41.

Mit der Reduktion von industriellen Arbeitsplätzen seit der Unabhängigkeit um 30-40 %42 hat sich die schon früher belastende Arbeitslosigkeit drastisch verschärft. Die Politik der „aldeias comunais" beruht auf einer prinzipiellen Entscheidung der FRELI- MO, die Raumstruktur des Landes von Grund auf zu verändern, um so dem Gegensatz zwischen Land und Stadt entgegenzuwirken. Die klassenmäßige Bestimmung des alter- nativen Entwicklungsmodells ist die Allianz zwischen Arbeiterschaft und Bauern. Die Realisierung einer solchen Interessen Verbindung, wohl auch der Erfolg einer Politik der ,,self-reliance" überhaupt, wird davon abhängen, welche Schritte zum demokratischen Neuaufbau qua Mobilisierung der landwirtschaftlichen Produzenten durchgeführt wer- den. In öffentlichen Dokumenten wird wiederholt darauf verwiesen, welche Schwierig- keiten die Vernachlässigung der Transformation der Landwirtschaft durch Umgestaltung der Produktionsverhältnisse in Ubergangsgesellschaften mit sich bringt43.

Die langfristige Strategie, die sich in einzelnen Äußerungen zum Problem der Über- windung von Unterentwicklung, aber auch in angelaufenen Entwicklungsprojekten in Land- und Viehwirtschaft und begleitenden agr ©industriellen Vorhaben andeutet, ist die siedlungsmäßige Dezentralisierung. Die Konstruktion kommunaler Dörfer mit der Be-

reitstellung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Einrichtungen und der erstmalige Aufbau essentieller Transport- und Kommunikationsstrukturen soll dem neuen gesell- schaftlichen Projekt der ,, Stadt auf dem Lande" zum Durchbruch verhelfen44. Ganz of- fensichtlich existiert hier ein Zusammenhang zum Konzept des tanzanischen Ujamaa-

40 Mondlane, a. a. O. 4 1 Resolu9äo sobre Aldeias Comunais, Do-

cumentos da 8a Sessäo do Comite Central da FRELIMO, Maputo, 1976; und Machel, Samo- ra: Le Processus de la Revolution Democratique Populaire au Mozambique. Paris 1977.

42 Vgl. Assistance to Mozambique, Okto- ber 1977, a. a. O.

43 Z. B. in den Documentos do Comite Central da FRELIMO, a. a. O.

44 Resolufäo sobre Aldeias Comunais, a. a. O.

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Dorfes. Im Unterschied zu Tanzania werden in Moc;ambique prä-koloniale Strukturen jedoch nicht idealisiert45.

Für die Mobilisierungskampagnen zur Gründung neuer oder zur Erweiterung alter Siedlungen steht das Prinzip der Freiwilligkeit im Mittelpunkt. Zentrales Argument für ein solches Siedlungsprogramm ist die verstreute Lebensweise der zum Teil noch auf Wanderhackbau beruhenden Produktionsform. Die aktive Teilnahme der bäuerlichen Schichten an der Planung eines autozentrierten Weges kann sich als nationales Erforder- nis nur auf der Herausbildung einer abgestuften gesellschaftlichen Arbeitsteilung entwik- keln, die je nach dem Vertrauen der politischen Führung in das demokratische Potential von Produktivkraftentwicklung mehr zentralistische oder dezentralisierte Züge anneh- men wird. Die Einsicht in die Notwendigkeit und Überlegenheit der kollektiven Produk- tion und Lebensform kann allerdings nicht als gegeben betrachtet werden, sondern muß in den Provinzen mit unterschiedlicher geschichtlicher Erfahrung erst im Zusammenspiel kontinuierlicher politischer Arbeit mit praktischen Ergebnissen gewonnen werden.

Während des 3. Plenums des Zentralkomitees der FRELIMO (Februar 1976) wurde eine ,, Resolution über Gemeinschaftsdörfer" verabschiedet, die frühere Diskussionen, wie die des 1. Landwirtschaftsseminars (September 1975) über Ziel und praktische Durchführung der ruralen Transformationsstrategie zusammenfaßte46. Wichtig er- scheint dabei, daß trotz recht formaler Bestimmung der Siedlungsstrukturen die Beto-

nung auf essentiellen Voraussetzungen liegt, wie Bodenschaffenheit, Wasserversorgung, Zugang zum Transport- und Handelssystem. Die tradierte verstreute Lebensweise der Bauern ist hauptsächlich ein Resultat des Bedarfs an nahegelegenen Wasserstellen und muß daher prioritär berücksichtigt werden. Zudem sollten „aldeias comunais" aufgrund organisierter kollektiver Produktion entstehen und nicht umgekehrt.

Der politischen Einsicht, daß eine derartige Neugestaltung nur als langfristige Strate- gie konzipiert werden kann und auf der Eigeninitiative der ländlichen Bevölkerung beru- hen muß, stehen jedoch erhebliche praktische Probleme entgegen. Die Flutkatastrophen in der Provinz Gaza (Limpopo) und Zambezia, Tete und Sofala (Zambezi) mit verhee- renden Verlusten erforderten eine sofortige Umsiedlung der Obdachlosen in Gemein- schaftsdörfer, die erst allmählich zu kollektiven Produktionsformen übergehen können. Dazu ergab sich die Notwendigkeit, der in koloniale „Wehrdörfer" zwangsumgesiedel- ten Million Mo9ambiquaner wieder eine ausreichende Grundlage der Subsistenz zu ver- schaffen sowie zurückkehrende Flüchtlinge und Betroffene rhodesischer Überfälle anzu- siedeln. Allein in Cabo Delgado gab es am Ende des Krieges 250 solcher ,,aldeamentos", die sich trotz kolonialer Erfahrung leichter der neuen Siedlungspolitik anschlössen als noch weitgehend isoliert lebende Familienbetriebe47.

Als neueste Angaben über den Stand der Siedlungsvorhaben werden von offizieller Seite 3 Millionen Menschen genannt (als grobe Schätzung), die sich auf 1500 Dörfer verteilen48. Etwa ein Drittel der ländlichen Bevölkerung Moc,ambiques ist diesen Zahlen

zufolge zumindest mit dem Aufbau oder der Erweiterung von Gemeinschaftsdörfern be-

schäftigt. Beim Vergleich mit gleichzeitigen Informationen über den Stand der Entwick-

lung kollektiver Produktion in Genossenschaften wird es klar, daß die oben erwähnte

Reihenfolge, die die Restrukturierung der Produktionsverhältnisse an erste Stelle setzt, sehr oft nicht der Praxis entspricht. Allerdings sind Ansätze zur gemeinschaftlichen Be-

wirtschaftung in Form von ,,machambas do povo" oder ,,machambas colectivas" überall vorhanden.

45 „Traditional-feudale" Strukturen sollen ebenso überwunden werden wie kolonial-kapi- talistische, wobei durchaus noch bestehende positive Elemente (Nachbarschaftshilfe etc.) der vor-kolonialen Produktionsweise miteinbezo- gen werden.

46 I. Seminario Nacional da Agricultura. - In: Tempo (Maputo) (1975) 261.

47 Vgl. Meyns, a. a. O. 48 So z. B. Agencia de Informacäo de Mo-

cambique (AIM), März 1978.

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Die organisatorischen Strukturen der neuen Agrarverfassung erscheinen nicht immer

ganz klar umrissen, da sowohl die Siedlungsprojekte als auch die Produktionsformen auf verschiedenen Stufen verlaufen. Der Aufbau von Gemeinschaftsdörfern ist als infrastruk- turelles Gerüst gedacht, das sowohl Kooperativen als auch Staatsfarmen umschließt. Obwohl die Umgestaltung des ,, traditionellen" Sektors das Hauptziel ist, erstreckt sich die geplante Raumstruktur ebenso auf staatliche Produktionseinheiten wie auf klein- bäuerliche Anwesen49. Die spätere Integration der beiden Hauptträger kollektiver For- men wäre dabei ein Anliegen dieser Siedlungspolitik.

Genossenschaftliche Produktion Der Zusammenschluß agrarischer Produzenten in Form von Genossenschaften erfolgte schon während der Übergangsperiode, seit September 1974. Nach dem Exodus europä- ischer Siedler übernahmen frühere Pächter, Landarbeiter und angrenzende Bauern die Gehöfte, um sie in eigener Regie weiterzuführen. Besonders in Cabo Delgado war die Begeisterung zunächst am stärksten. Mitte 1976 waren schon 167 Einheiten unterschied- lichen Kollektivierungsgrades in dieser Provinz zu verzeichnen50.

Eine retrospektive Analyse der genossenschaftlichen Entwicklung durch das Land- wirtschaf tministerium in Maputo gibt für 1977 134 Kooperativen an, nicht gerechnet Konsum- und gewerbliche Genossenschaften51. Etwas später werden 179 genannt, mit einer Anbaufläche von 10 000 ha und 15 000 Mitgliedern. Außerdem haben sich ständig „machambas do povo" gebildet, die sich allerdings weniger auf eine höhere Stufe kollek- tiver Produktion zu entwickeln scheinen. Während der zweiten Kampagne (1976/77) wurde langsam auf nationaler Ebene mit Unterstützungsmaßnahmen begonnen, die sich nach dem Organisationsgrad der Einheiten richteten. DINECA und DINAF (Direccäo Nacional de Economia e Comercializacjio, de Agricultura e Florestas) und seit März 1978 die neugeschaffene Nationale Kommission für Gemeinschaftsdörfer sollen den Genos- senschaften Anstöße zur Selbsthilfe verleihen52.

Der Beitritt zu Genossenschaften ist freiwillig, Austritt ist möglich und wird prakti- ziert. Bauern, die Lohnarbeit einstellen, ist der Zutritt verwehrt, der Besitz von Produk- tionsmitteln geht in Gemeinschaftseigentum über, Entschädigungen werden langfristig geregelt. Das Vertrauen auf die eigenen Kräfte wird betont und durch demokratische Mitbestimmungsstrukturen gefestigt. Was und wieviel produziert werden soll, ist Sache der Generalversammlung der Kooperative. Die politische und planmäßige Einbindung der Genossenschaften in nationale Entwicklungspläne sichert die staatliche Aufgabe der ,, Koordination, Überwachung und Unterstützung" und das Recht der Partei, auf Be-

nennung des Vorsitzenden53. Die Verteilung erwirtschafteter Überschüsse erfolgt nach

Abzug von Steuern, Kredittilgungsraten, Dienstleistungen und Einlagen in den Akku- mulationsfonds der Kooperative nach dem Prinzip geleisteter Arbeit.

Diese allgemeinen Vorgaben für den Aufbau kollektiver Produktion sollen verhin- dern, daß Genossenschaften von der kleinen Schicht finanzkräftiger Bauern usurpiert werden. Die ländliche Entwicklungs Strategie in Mo^ambique ist auf die Situation der ar- men Bauern und Landlosen abgestimmt, jedoch verzichtet man auf eine erzwungene ad- ministrative Lösung gegenüber dem nunmehr zahlenmäßig kleinen aber wichtigen pri- vatwirtschaftlichen Sektor (1977 : 20 % des ehemaligen ,, modernen Sektors"). In der

gegenwärtigen Rekonstruktionsphase mit ihrem grundlegenden Problem der Abhängig- keit von Nahrungsmittelimporten, von Uberflutungskatastrophen und militärischer Zer-

störung muß sich die Landwirtschaft den aus dieser Lage erwachsenen Prioritäten anpas-

49 Interview mit Joäo D. Carvalho, ver- antwortlich für Staatsfarmen im Landwirt- schaftsministerium, 9. 8. 1977, Maputo (Well- mer).

50 Vgl. Noticias, Maputo, 5. Oktober 1976 und 24. Juli 1978.

51 Retrospectiva: Agricultura. - In: Tempo (Maputo) (1978) 383, S. 31.

52 Lopes, Cooperatmsmo: Recuperar a Terra e o Hörnern. -In: Tempo (Maputo) (1978) 387, S. 42.

53 Seminario Nacional . . . , a. a. O.

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sen. Das bedeutet auch, daß kapitalistische Produktionsverhältnisse geduldet und aus- ländisches Kapital hereingelassen wird, solange Kontrollmöglichkeiten vorhanden und die Einbindung in die nationale Planung gesichert wird.

Die neue gesetzliche Regelung des Landbesitzes, die noch von der Volksversammlung verabschiedet werden muß, macht jedes Privateigentum am Boden unmöglich. Als eine der ersten Maßnahmen der neuen Regierung wurden Grund und Boden verstaatlicht. Im Oktober 1976 veröffentlichte das oberste Organ der FRELIMO einen Vorschlag zur

Neuregelung der Bodennutzung, der seitdem auf verschiedenen Ebenen öffentlich disku- tiert wurde54. Danach erhalten freies Nutzungsrecht alle kleinbäuerlichen Betriebe des „familiären Sektors", die für den Eigenverbrauch produzieren und keine fremde Ar- beitskraft (außer Familienarbeit) beschäftigen. Die Flächengröße dieser Betriebe soll auf 4 ha pro aktiver beschäftigter Person begrenzt werden. Freies Nutzungsrecht haben alle Formen kollektiver Produktion, ,,machambas dopovo", Prä- Kooperativen, Kooperati- ven und Staatsfarmen55. Der privatwirtschaftliche Sektor erhält Konzessionen zur befri- steten Bearbeitung seines früheren Besitzes, soweit das Land tatsächlich bebaut und ,,in Übereinstimmung mit den Interessen des Volkes von Mo^ambique" genutzt wird.

Der Gesetzesvorschlag ist zum Teil noch zu unpräzise, um Konflikte bei der Landver-

teilung zu vermeiden56. Eine allgemeine Linie wird doch ersichtlich: Nachdruck liegt auf

großen Farmen in staatlichem oder privatem Besitz und auf der Überführung des klein- bäuerlichen Sektors in Kooperativen.

3.4 Staatsfarmen und internationale Kooperation

Die VR Mo?ambique steht noch völlig in den Anfängen ihrer Entwicklungsplanung, in der gegenwärtigen Phase können daher spätere Strukturen und Potentiale nur ansatz- weise erkannt werden. Ein Hauptpfeiler dieser Politik hat besonders seit dem 8. ZK-Ple- num Konturen angenommen: die Schaffung staatlicher Produktionseinheiten im land- wirtschaftlichen Sektor. Staatsfarmen stehen vor allem in Verbindung mit der Zukunft des Plantagen- und Siedlersektors. Eine planmäßige Verstaatlichung war nach der Unab-

hängigkeit nicht vorgesehen, sondern mehr durch die Flucht der Siedler und ökonomi- sche Sabotage der Eigentümer bedingt57. Mittlere, von ihren Eigentümern verlassene Be- triebe sind meist von früheren Pächtern oder Landarbeitern in gemeinschaftlicher Pro- duktion übernommen worden58. Die Restrukturierung größerer Betriebe in „macham- bas estatais" oder staatliche Produktionseinheiten wird folgendermaßen begründet: - die Herausbildung lokaler Agrarkapitalisten aus den schon vorhandenen Mittelbauern

und Landarbeitern widerspricht den politischen Zielen; die Landarbeiter sind aber der zum Teil modernsten technischen Ausrüstung nicht gewachsen59;

- die institutionelle Basis im traditionellen Sektor ist zu schwach und ein wirksamer Be-

ratungsdienst für diesen Sektor ist in den ersten Anfängen; es werden daher keine Mög- lichkeiten gesehen, die ,, herrenlosen" Güter ohne Produktionsverluste in den tradi- tionellen Sektor zu integrieren;

- so sieht sich die Regierung gezwungen, die Verwaltung dieser Unternehmen zu organi- sieren und gleichzeitig innerhalb dieser neuen Strukturen den Nahrungsbedarf der

54 Vgl. Acabar com o Confli to. - In:

Tempo (Maputo) (1977) 348. 55 Staatsfarmen haben drei Organisa-

tionsebenen, den Block, die Produktionseinheit und später auch das Unternehmen; letzteres be- steht schon in der Teeproduktion (EMOCHA) und im Agroindustriekomplex des Limpopo.

56 Vgl. Acabar com o Conflito, a. a. O. 57 Z. B. die Übernahme der SenaSugarEs-

tate am 10. 8. 1978 durch die mocambiquani- sche Regierung, nachdem sich das Unterneh- men bei der Bank von Mo^ambique um $ 45 Mio verschuldet hatte, etwa 15 % des or- dentlichen Staatshaushaltes. AIM, Maputo, August 1978.

58 Retrospectiva 1977, a. a. O. 59 So z. B. Interview mit J. D. Carvalho,

a. a. O.

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städtischen Bevölkerung (etwa 20 %) und die Rohstoffnachfrage der Industrie im Sinne neu erstellter Prioritäten in der Produktwahl zu decken;

- der Mangel an Fachkräften auf allen Gebieten hat die Regierung als Uberbrückungs- maßnahme zum Import der nötigen Fertigkeiten durch bilaterale und multilaterale Hilfsprogramme veranlaßt60; ein solches Kooperationsprogramm wird nationalen Prioritäten untergeordnet;

- die Anstrengungen und finanziellen Zuwendungen für den staatlichen Sektor der Landwirtschaft werden als nicht konkurrierend gesehen mit dem Programm der Ge- meinschaftsdörfer und Genossenschaften;

- schließlich wird der staatliche Sektor in der Agrarproduktion als Hauptakkumula- tionsquelle für die Verwirklichung der alternativen, eigenständigen Entwicklung gese- hen, die Einnahmen von Differentialrenten aus besserer Bodenausstattung der Staats- farmen ist dabei eines der Momente.

Tab. 4: Bedarf an Nahrungsmittelimporten für 1978

Mais 105000 t Reis 74000 t Weizen 137000 1 Erdnüsse 47000 1 Kartoffeln 14400 1 Zwiebeln 2700 t Fleisch 5500 t Fisch

15000 t

Quellen: SIDA- Vertretung, Maputo, 1978 und FAO Investment Centre 77; die Angaben beruhen auf Schätzungen.

Mit dem Entschluß, die UNO-Resolution 253 (Boykott Rhodesiens) durchzuführen (März 1976), hat sich zum einen die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten erhöht, für die Rhodesien eine wichtige Quelle war, zum anderen gingen die Einnahmen aus dem Transitverkehr erheblich zurück, was insgesamt zu einer Reduzierung der Devisenreser- ven um durchschnittlich $ 120 Mio p. a. führte. Ende 1976 wurde das erste Hilfsinvesti-

tionsprogramm in Höhe von $ 260 Mio für 1976/77 erarbeitet, wovon rund $ 80 Mio aus internen Quellen gedeckt werden sollten. Bei sektoraler Aufgliederung entfielen dabei fast ein Fünftel der vorgesehenen Investitionen auf die Landwirtschaft, 9 % auf inte- grierte Entwicklungsprojekte (Bewässerung und Staudämme) und über 30 % auf den Transportsektor. Von den bereits initiierten 51 Projekten in einer Größenordnung von $ 1 80 Mio sind 24 mit ausländischer Finanzierung (ganz oder teilweise) versehen. Die ex- terne Unterstützung stammt überwiegend aus skandinavischer, holländischer und briti- scher Quelle, darüber hinaus sind u. a. der Arabische Entwicklungsfonds (Bewässerung, Dämme) und die UdSSR (Mineralien) beteiligt. Im Ganzen wird ersichtlich, daß auslän- dische Unterstützung kaum die Schlüsselsektoren der neuen Politik wie den Transport, Erziehung, Gesundheit, soziale Infrastruktur und Selbsthilfe betrifft61. In der Landwirt- schaft überwiegt die skandinavische Entwicklungshilfe, die in enger Kooperation mit FAO und UNDP geleistet wird. Das gemeinsame skandinavische Programm hat sich 26

Projekten angenommen, von denen 11 direkt produktive Bereiche und 15 Infrastruktur, Ausbildung und Beratung betreffen62. Neben der Lieferung einfacher Produktionsmittel

60 Ende 1977 gab es ungefähr 200 ausländi- sche Experten im Staatssektor. Mündliche Mit-

teilung, G. Goundry, UN Mission to Mozam-

bique. 61 Assistance to Mozambique, Juni 1977,

a. a. O.; nach Angaben des Finanzministe- riums in Mogambique sind nur $ 245 Mio reali- siert worden, Assistance to Mozambique,

a. a. O., Juli 1978. 62 Das dreijährige Programm soll im Rah-

men von $ 50 Mio bleiben, wird sich aber mit bilateralen Kooperationsvorhaben verbinden.

Mozambique Nordic Assistance Programme (MONAP), Swedish International Develop- ment Agency (SIDA), April 1977.

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für den kleinbäuerlichen Sektor zielt diese Unterstützung hauptsächlich auf die Rehabili-

tierung des früheren „modernen" Sektors auf den Gebieten der Saatgutproduktion, Ge- müse, Zitrusfrüchte, Vieh- und Forstwirtschaft. Weitere Finanzhilfe ist dieses Jahr über die Vermittlung des FAO Investment Centre für die staatlichen Tee- und Zitrusplanta- gen, Molkereibetriebe, Geflügel- und Rinderzucht, Gemüse- und Getreideanbau zu er- warten63.

Tab. 5: Nationales Investitionsprogramm 1978/79 (in Mio US $)

Investitionen Regierungsanteil insgesamt

I. öffentliche Arbeiten A. öffentliche Installationen 31,1 B. Wasserwerke 68,5 C. Wohnungsamt 14,4 D. Bauindustrie 23,8 E. Straßenamt 104,7

242.5 207,9 II. Industrie und Energie

A. Energie 14,9 B. Geologie und Bergbau 17,4 C. Fischerei 8,3 D. Industrielle Dienstleistungen 5,4

46,0 39,6 III. Transport und Kommunikation

A. Zivile Luftfahrt 9,1 B. Handelsmarine 9,4 C. Straßen 17,5 D. Hafen und Eisenbahn 70,3 E. Telekommunikation 4,3

110.6 19,8

IV. Landwirtschaft 38,9 33,0

V. Sonstiges 24,0 20,0

Gesamte Investitionen 460,0 320,0

Quelle: Assistance to Mozambique, United Nations, General Assembly, 12. Juli 1978.

Mit einem gemeinsamen akkumulierten Defizit des regulären Staatshaushalts und der größeren „parastatals" (z. B. Hafen und Transport, Handelsgesellschaften) von voraus- sichtlich über $ 305 Mio bis Ende 1978 wird dieses neue Investitionsprogramm schwer- lich ohne substantielle ausländische Hilfe durchzuführen sein. Im Haushaltsplan für 1978 sind 1,5 Mio Contos für den staatlichen Agrarsektor ausgewiesen64. Ziel ist die mechani- sierte Bewirtschaftung von 180 000 ha bis 1980/81. Im Sommer 1977 standen schon 77 000 ha unter staatlich kontrolliertem Anbau. Während der dritten Landwirtschafts-

kampagne (1977/78) war es zum ersten Mal möglich, eine Mengenplanung für einzelne Produktionseinheiten durchzuführen und den Importbedarf an Ausrüstungsgütern fest- zustellen.

63 FAO-Investment Centre, Rom, 1978. 64 Orcamento Geral do Estado 1978. - In:

Tempo (1978) 367. Ausgaben insgesamt: 12,6 Mio Contos.; Conto = 1000 Mocambique Escudos (MEsc) Umrechnungskurs: Ende 1977: 1000 MEsc = $US 35; Sommer 1978: 1000

MEsc = $US 33,00; 1000 MEsc = 62 DM. Im Februar 1977 wurde der MEsc vom portugiesi- schen Escudo abgekoppelt, die geplante Wäh- rungsumstellung auf „Metica" ist noch nicht er-

folgt.

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Tab. 6: Produktion und Produktionsziele in der Landwirtschaft 1973-1983 (in t)

1973C 1976C 1980d 1980d 1983e

(Staats- (national) farmen)

Reis 76000 60800 60000 - 109900 Mais 375193a 430700 50000 - 538800 Weizen 3500 1500 2200 - 12600 Baumwolle 80000 37435 30000 80000 104200 Sonnenblumen 9000 5750 8000 8000 15900

Gemüse - 54100 50000 - 98500 Tabak 4400 2300 2 000 2000 4700 Zitrusfrüchte 14400 - 6000 -

Erdnüsse 55186a 25000 - - 60200 Tee 18678 13 714 - 19000 18500

Kopra 68000a 72000 - - 69000 Sisal 21926 13400 - - 18600 Cashew 200 000 a 118000 - 300000 176300 Viehzucht 31 517a 31500 - - 49800

Geflügel 1500a 1800 3 586 - 16700 Frischmilch 10454a 5900 6000 9000 17300

a Zahlen von 1970. d Ziele, b Nur Exporte. e Schätzungen, c Produktion.

Quelle: Landwirtschaftministerium, DINOPROC, Situacäo Actual e Tarefas do Sector Estatal

Agrario, Maputo, Januar 1978.

Wie zu erwarten, traten einige Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Maschinen, Dünger, Saatgut, Pestiziden ein, die zum Teil auf Vertragsbruch durch Lieferanten, zum Teil auf internen Engpässen beruhten. Für die laufende Kampagne ist eine größere Ar-

beitsteilung in der Planungskompetenz vorgesehen, die sich stärker auf lokale und pro- vinziale Strukturen stützen soll.

Wie vom Planungsminister, Marcelino dos Santos, auf dem ersten nationalen Pla-

nungsseminar zu hören war, ist eine intensivere Kontrolle der als strategisch erklärten Branchen vorgesehen. Anbau und Verarbeitung von Zucker und Tee sind solche Berei- che, die der direkten Kontrolle des Ministerrates unterstehen65. Die akute Knappheit an Ressourcen macht die Konzentration auf einzelne Entwicklungspole zur gewählten Stra- tegie, d. h. auf Pole, die sich durch günstige natürliche und infrastrukturelle Ausstattung auszeichnen. Der agroindustrielle Komplex des Limpopo in der Provinz Gaza, eine Er-

weiterung des früheren portugiesischen „Colonato", ist bisher der wichtigste Pol. Das

,,Regadio do Chokwe" umfaßt 21 000 ha Bewässerungsland, davon fallen 15 000 ha un- ter staatliche Regie (mit 2700 permanenten Arbeitern), 3400 ha auf Kooperativen und rund 1000 ha auf den „familiären" Sektor. Der Limpopo- Komplex besitzt beste Voraus-

setzungen, als Kornkammer des Landes zu fungieren. Im Juni/ Juli dieses Jahres wurden 32 000 Arbeiter, Verwaltungsleute und Studenten mobilisiert, um bei der Reisernte von 40 000 t mitanzupacken66. Mit der Fertigstellung der Staudammprojekte von Massingir, Mapai und Curumane wird eine Ausdehnung der gesamten Bewässerungsfläche von 250 000 ha erwartet.

Bei der Wahl der Technologie scheint die Maxime zu herrschen, daß Staatsfarmen Dif- fusionszentren technologischen Wissens darstellen, in denen importierte Techniken der

spezifischen lokalen Beschaffenheit angepaßt und weitervermittelt werden. In der Dis-

65 Vgl. Dos Santos: Os Operärios e cam-

poneses tem de conquistar poder no campo da ciencia e da tecnica. - In: Tempo (1978) 387.

66 Vgl. Chokwe: a mobilizacäo. - In:

Tempo (1978) 404; Noticias, vom 19. 6. 1978.

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kussion um Genossenschaften und den familiären Sektor wird die Vorrangigkeit mensch- licher Arbeitskraft und einfacher Geräte (Hacke), die lokal hergestellt werden können, betont. Eine öffentliche Diskussion über allgemein bekannte Probleme abstrakter Tech-

nologiewahl scheint bisher nicht klar geführt worden zu sein, obwohl es aus den ver- schiedenen FRELIMO-Dokumenten viele Bekenntnisse zur sozialen Bedeutung techno-

logischer Verfahren gibt67. In dem gegenwärtigen Bemühen um Lösungen für das Pro- blem der Arbeitslosigkeit wird eine solche Diskussion aber notgedrungen folgen, die die scheinbare Alternative - Mechanisierung oder Absorption der überschüssigen Arbeits- kraft - in ihren gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang stellen muß. Bisher scheint das Technologieproblem nach Sektoren getrennt erörtert zu werden. Dabei wird erwartet, daß langfristig der eine sich dem anderen anpassen sollte. Gerade aber das Verhältnis der beiden Teilsektoren zueinander, ein Erbe der kolonialen heterogenen Struktur, ist ein kritischer Angelpunkt bei der Überwindung von Unterentwicklung.

Die Betonung der Staatsfarmen entspricht der Notwendigkeit, Nahrungsmittelim- porte möglichst schnell zu drosseln und durch Wiederbelebung der Exportproduktion in relativ günstigen Bereichen, wie der des Cashew-Anbaus68 nötige Devisen für den Im- port unerläßlicher Ausrüstungsgüter zu beschaffen. Mocambique verfügt über kein stra- tegisches Exportprodukt wie Angola, um sich damit die Finanzierung eines Entwick- lungsprogramms zu erleichtern. Die eingeschlagene Doppelstrategie soll aber eine Ober- strapazierung und damit eine sichere Demobilisierung und Verweigerung der Bauern verhindern. Die Überschüsse des Staatssektors können später der Entwicklung des klein- bäuerlichen und genossenschaftlichen Sektors zugute kommen.

4. PRAKTISCHE PROBLEME UND AUSSICHTEN

Eines der auffallendsten Merkmale der Mediendiskussion und Regierungs Verlautbarun- gen ist die große Offenheit, mit der Schwierigkeiten bei der Durchführung einzelner Pro- gramme erörtert werden. Kampagnen für größere Wachsamkeit gegenüber Sabotageak- ten oder ideologischer Unterwanderung sind verstärkt worden69, scheinen aber nicht die selbstkritische Evaluierung von Mängeln und Fehlentscheidungen zu schmälern. Es gibt wenig Illusionen über die noch zu bewältigenden Probleme, besonders bei der Landver- teilung und der Mobilisierung der Bauern für kollektive Produktionsformen. Die offen- sichtliche Gefahr der Bürokratisierung der Umsiedlungspolitik wird erkannt und man kann hoffen, daß diesbezüglich einiges aus der tansanischen Erfahrung mit der Ujamaa- Politik gelernt worden ist.

Eine der größten Schwierigkeiten besteht im Moment in der verschärften Arbeitslo- sigkeit und Unterbeschäftigung auf dem Land und in der Stadt. In den südlichen Provin- zen, dem „Sul do Save'", erfordert einerseits die Knappheit an fruchtbaren Böden, ande- rerseits die schon erwähnte Entfremdung der aus Südafrika zurückkehrenden Wanderar- beiter von der Subsistenzproduktion grundlegende Lösungen, die über die Kapazität des kleinbäuerlichen Sektors selbst hinausgehen. Die Bildung von kommunalen Feldern ist ein Anfang, scheint aber nicht genug Impetus zu tragen für eine weitere Entwicklung vol- ler Kooperativen und von Gemeinschaftsdörfern mit der notwendigen komplementären Herausbildung eines gewerblichen Sektors70. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, daß es sich, besonders im Süden aber ebenfalls im Norden, eben nicht um einen „traditionalen"

67 Vgl. dazu Meyns, a. a. O. 68 Bis 1973 waren Cashew-Nüsse das

Hauptexportprodukt mit einem Anteil von 30 %. Günstige Entwicklung des Weltmarkt- preises und vielseitige Verwendbarkeit des Pro- dukts; Cashews wurden hauptsächlich von Kleinbauern bewirtschaftet; Mocambique stand

an zweiter Stelle der Weltproduktion, nach In- dien, und an erster im Export.

69 Vgl. das wichtige Dokument über die of- fizielle Einschätzung der inneren Sicherheit: Como age o inimigo. - In: Tempo (1977) 355.

70 Vgl. CEA-Studie, a. a. O.

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Sektor handelt, dem man Zeit lassen muß, um seine Produktivkräfte zu steigern. Es han- delt sich vielmehr um einen nach langen Jahren kolonialer „Inwertsetzung" durch be- sondere Verflechtung mit dem kolonial-kapitalistischen Sektor und dem Weltmarkt ge- zeichneten Produktionsbereich. Mit dem Verlust der Einkommen aus der Wanderarbeit nach Südafrika etc. müssen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im landwirtschaftli- chen Sektor selbst gefunden werden, um die übliche Landflucht oder Verstädterung ohne Industrialisierung zu verhindern. Dies bedeutet, daß dieser Teil der Agrarwirtschaft jetzt schon mehr Unterstützung in Form von billigen Krediten, Infrastrukturleistungen etc. benötigt. Bei der Unterstützung handelt es sich aber ebenso um politische Mobilisierung zur Bereitschaft zu investiver Mehrarbeit, die sich erst langfristig niederschlagen wird, wie um materielle Hilfe.

Die wirtschaftlichen Direktiven stellen zwar besondere Kredite für kollektive Pro- duktionsformen in Aussicht, aber bisher scheint in der finanziellen Versorgung zwischen Staatsfarmen, Kooperativen, familiärem und kapitalistischem Sektor kein Unterschied zu bestehen71. Die Unterbeschäftigung wird ebenfalls deutlich in der teilweise sehr hohen Zahl von Genossenschaftsmitgliedern pro Anbaufläche72. Ein Hauptproblem bei der weiteren Ankurbelung der Produktion der Kleinbauern sind vor allem Absatzschwierig- keiten und Engpässe in der Versorgung mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Die an- fängliche erhebliche Steigerung in der Produktion dieses Sektors, die auf die Befreiung von Renten und parasitären Zwischenhändlern sowie den Schutz durch erhöhte Abneh- merpreise zurückzuführen war, geriet durch eben diese strukturellen Barrieren ins Stok- ken73. Der Ausbau von Volksläden und damit verbunden eines staatlichen Handelsnetzes hat für die moc.ambiquanische Regierung absolute Priorität, was sich unter anderem im neuen Investitionsprogramm niederschlägt. Zur Uberbrückung versucht man, diese Engpässe durch freiwilligen Mehreinsatz von Arbeitszeit im Rahmen von nationalen Mobilisierungskampagnen - ein Beispiel ist die Cashew-Ernte Ende 1977- zu überwin- den.

Ein zentrales Problem bleibt die hohe Zahl saisonaler Arbeiter, aus dem Gesichts- punkt der Steigerung der Produktivität, der politischen Interessenvertretung der Produ- zenten selbst und ihrer Lebensbedingungen, sowie in bezug auf die überkommene Ver- flechtung zwischen staatlichem und kleinbäuerlichem Sektor74. Konkurrierende An- sprüche in der nationalen Ressourcenvergabe, hinsichtlich der Verteilung von Arbeits- kräften und des Problems des Abbaus .der spezifischen Subvention des technologisch fortgeschrittenen durch den familiären bzw. kooperativen Sektor, sind Herausforderun- gen an politische und materielle Lösungskapazitäten. Die Absetzung des Landwirt- schaftsministers de Carvalho im August 1978 ist eines der Indizien für das Bestehen un- terschiedlicher Auffassungen über die Prioritäten in der Entwicklung des landwirtschaft- lichen Sektors75. Nun soll größeres Gewicht auf die Unterstützung von Gemeinschafts- dörfern und Kooperativen gelegt und dem politischen Ziel der Unterordnung der Tech- nik unter menschliche Bedürfnisse mehr Raum gegeben werden. Die Chance Moc.ambi- ques, sich nach formaler politischer Unabhängigkeit auch die wirtschaftliche Basis für die Überwindung des kolonialen Erbes zu sichern, wird ganz entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, die Masse der landwirtschaftlichen Produzenten in ihrem Sinne produktiv in den nationalen Wirtschaftsprozeß zu integrieren.

71 Agricultura na Zambezia: Novos nume- ros na produ9äo. - In: Tempo (1978) 406, S. 28.

72 Vgl. Beispiele in Noticias, vom 14. 9. 1976.

73 Der Bericht aus der Provinz Zambezia, a. a. O., meldet eine beträchtliche Produk-

tionssteigerung für 1977/78, die z. T. 40-50 % über der vorherigen Kampagne liegt.

74 EMOCHA z. B. hat 600 feste Ange- stellte und 15-20000 saisonale Arbeiter, Planifi- ca9äo no Gurue. - In: Tempo (1978) 400, S. 19.

75 Noticias, vom 17. 8. 1978.

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Summary

The specific heritage ofcolonial underdevelopment and the political mode of decolonization has set

Mozambique the task to combine economic reconstruction with transformation. Transformation from a State ofdeformed socio-economic structures and dependence goes band in band with the estab- lishment ofsocialist relations ofproduction. The kind of development strategy is defined as the con-

vergence ofressource use with basic needs ofthe population. The agricultural sector plays necessarily the key role in securing basic food and supplies for industry. The success in developing productive forces will depend on political mobilization and active participation ofagrarianproducers in theplan- ning process. The present parallel strategy means enforced support and State control of the former plantation and settler sector and a long-term collectivization ofthe small peasant sector, left more to its own initiative. It is seen as an attempt, albeit with contradictions, toprevent the Usurpation of econ- omic emergencies and external political instability from effecting political priorities ofsocial trans- formation.

Resume

Vempreinte spedfique de sous-developpement colonialau Moqambique et la forme politique de la de- colonisation ont place les dirigeants du Moqambique devant la tache de Her la reconstruction econo-

mique a une restructuration gener ale des rapports sociaux. Ici sepose leprobleme de la transformation du sous-developpement en tant que deformation et dependance socio-economiques, avecpour but un

developpement propre, integre sur le plan national et base sur de rapports de production socialistes. Cette politique de developpement est presentee comme une convergence dynamique de Vutilisation des ressources nationales et des besoins fondamentaux de la population. Le secteur de Vagriculture oc-

cupe la necessairement une position-cle en assurant la base de V alimentation et le ravitaillement de Vindustrie. Le succes d'un tel developpement des forces productives est essentiellement determinepar une mobilisation politique poursuivie grdce ä la participation active des producteurs agricoles aupro- cessus de planifkation. La double Strategie du gouvernement moqambiquois qu'onpeut actuellement observer repose dyun cöte sur le soutien renforce des anciennes plantations etfermes de colons sous le contröle de VEtat, de Vautre, sur une collectivisation conque ä long terme du secteur dominant de la

petite paysannerie qui est en grandepartie livree ä sa propre initiative. Cedparait etre une tentative non sans contredit de nepas laisser les contrainte s de la detresse economique et de Vinstabilite de la po- litique exterieure empieter sur la priorite politique de la transformation de la societe.

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