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Arme SteuerzahlerWie unser Staat Geld verpulvert
Retten ohne EndeEuropas teurer Griechen-Plan
Afrika, Inseln & mehrFernweh-Ziele im Reise-Special
Nr. 42/12 15. Oktober 2012
Einfach um JahrejüngerÜberraschende Studien zu Bewegung undAnti-Burnout-Programmen
MEDIZIN-REPORT
Das neue App-Ranking
Die Favoriten der User
65Vorsorge-Untersuchungen im Test
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ERFOLGREICHEN FRAUEN sagt man neuerdings nach, sie würden „die Sache“ gern vom Ende her denken. Bei der Kanz-lerin ist das sicher so. Was also wollte Angela Merkel mit ihrer Athen-Visite wirklich erreichen? Neben den üblichen politisch-diplomatischen Überlegungen glaube ich bei der pfi ffi gen Regierungs- und CDU-Chefi n an zwei weitere Moti-ve: Sie wollte zeigen, wie wenig sie sich auch von unverschämten Protesten und Behauptungen beeindrucken lässt. Vor den Kameras der Welt wagte sie sich in die Höhle der verbliebenen Wut-Grie-chen, die der Kanzlerin die Schuld ankle-ben wollen für das Totalversagen des hellenischen Staates.
Motiv Nummer zwei: Zu Hause in Deutschland durften Wähler und der SPD-Wettbewerber um die nächste Kanzlerschaft beobachten, wie große Politik mit Stil funktioniert.
Peer Steinbrück pfl egt einen anderen Stil, er mag es lieber laut und krachend. Wer seinen Solo-Auftritt bei „Günther Jauch“ gesehen hat, wird sich an einen Einspielfi lm sicher erinnern: Steinbrück beschimpft jeden, der ihn kritisiert. Besonders abfällige Worte bekamen der Bund der Steuerzahler und sein lang-jähriger Präsident, Karl Heinz Däke, ab. „Der Heini, der das leitet“, so Steinbrück, hat bei dem SPD-Mann – wie bei ande-ren Politikern auch – oft den schwachen Punkt getroffen: Sie geben mehr Geld aus, als sie einnehmen, obwohl sie so viel einnehmen wie nie.
Im Sommer hat Däke die Führung des Steuerzahlerbunds nach 18 Jahren an seinen jungen Vize Reiner Holznagel weitergereicht. Das jährliche Schwarz-buch zur Steuerverschwendung, Be-rechnungen zu heimlichen Abgaben-erhöhungen sowie die mahnende
Die »Heinis« sind Helden!
MEMO DES CHEFREDAKTEURS
Im Fernsehen kündigte Steinbrück übrigens gleich noch ein paar üble Steuererhöhungen für den Fall an, dass er Kanzler wird. Sie alle klangen so, als müssten dafür nur „die Reichen“ auf-kommen, also Leute, die nur selten seine SPD wählen. Dem ist nicht so. Sparer sind dran mit einer höheren Abgeltung-steuer auf Kapitaleinkünfte (steigt von 25 auf 32 Prozent), die Reichensteuer soll ab 100 000 Euro Jahreseinkommen erho-ben werden (bisher 250 000 Euro) und die Einkommensteuer ab 64 000 Euro/Jahr steigen. Auch Herrn Steinbrück empfehle ich Däkes Buch dringend.
DIE FOCUS-APP-CHARTS präsentieren wir erstmals diese Woche. Dabei geht es nicht um die Zahl der Verkäufe, son-dern wie oft bestimmte Apps tatsächlich genutzt werden. Das ist Nutzwert.
Schuldenuhr verdanken wir Däke und seinen Mitstreitern, die für mich Helden sind und keine „Heinis“. Wir drucken ab Seite 24 vorab Auszüge aus Däkes Buch „Die Milliarden-Verschwender“. Es enthält erschreckende Fakten über staatliche Misswirtschaft.
Ein Ärgernis, freundlich überreicht Steuerzahler-Chef Däke und der damalige Finanzminister Hans Eichel im Jahr 2001 mit dem „Schuldenuhr-Computer“
VON ULI BAUR
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24Der Steuer-Schlucker
Der Staat nimmt immer mehr ein und
verschuldet sich trotzdem. Warum?
72Der Internet-Magier
Mit Büchern startete er – jetzt attackiert Amazon-Chef Jeff Bezos sogar bei Tablet-PCs
42Der Stimmungstest
Zu Besuch beim Wahlvolk: FOCUS reiste quer durch die Vereinigten Staaten
Nr. 42 / 15. Oktober 2012INHALT
ä Titelthemen sind mit rotem Pfeil gekennzeichnet
94 Fünf gute Nachrichten für SieMediziner erforschen, wie schon ein wenig Bewegung das biologische Alter senken kann – und was die Psyche stärkt
102 Check-ups für langes LebenKompass durch den Vorsorge-Dschungel: Die wichtigsten Untersuchungen, um dauerhaft gesund zu bleiben
POLITIK
24 Fette BeuteSteuerlast und Milliardenverschwendung: Fiskal-Experte Karl Heinz Däke rechnet ab
32 Retten ohne Ende17 gegen 10: Das Griechenland-Desaster entzweit Euro-Zone und Rest-EU
36 Im Euro halten! CSU-Mann Markus Ferber über Griechenland
TITEL 38 Ziemlich beste SPD-Freunde Steinbrück und Nahles harmonieren nicht
40 »Nicht der letzte Kandidat«Ein Redner-Vermittler fürchtet, Steinbrück könnte über seine Nebenverdienste stolpern
REPORT
42 Amerika, wie geht es dir?Eine Reise in den Mittelpunkt der USA
50 Der Mut des »Sprachlosen«Mit dem Literaturnobelpreis für Mo Yan brüskiert die Akademie Chinas Opposition
57 Eurofi ghterDer Kommandeur der Eliteeinheit GSG 9 wird oberster Anti-Terror-Kämpfer der EU
58 Jagd auf bin LadenEnthüllungen zum Anti-Terror-Kampf
60 Rote Laterne der RepublikWarum Bremen überall Schlusslicht ist
62 Pädagogik, anspruchslosSchulmisere als Folge des Reformwahns
64 »Das tat in der Seele weh«Ein Krefelder Arzt über drei junge Männer, die sich mit Drogen ihre Herzen zerstörten
66 Was wusste Kurt Beck?Im Nürburgring-Skandal beginnt der Prozess gegen einen Vertrauten des Ministerpräsidenten
68 Langzeitzünder des WeltkriegsGünther Sobieralski entschärft Bomben
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WIRTSCHAFT
72 Amazons AttackeWie Jeff Bezos, Chef des Internet-Konzerns, Apple entzaubern will
77 Konjunktur-RisikoTrotz pessimistischer Prognosen bleibt die deutsche Wirtschaft zuversichtlich
78 Handelsfl auteDas Bonussystem DeutschlandCard verliert immer mehr Partner
80 Montag ist Zeugnistag
84 Geldmarkt
86 Web-WirtschaftDer legale Musikmarkt wächst
88 Marktplatz
FORSCHUNG & TECHNIK, MEDIZIN
110 »Big Brother« auf dem MarsEin Niederländer will in einem TV-Spektakel Menschen zum Roten Planeten schicken
114 App-Ranking
116 Auf dem Energie-HolzwegDer Ausstieg aus der bisherigen Strom-versorgung ist schmerzhaft
118 Brennpunkt: Energiezukunft
120 Perspektiven
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146Der tierische Urlaub
Giraffen füttern in Kenia inklusive: Naturfotograf Michael Poliza bietet erlesene Reisen an
124Die persönliche Note
Nicht nur bei Kopf-hörern: Maßgeschnei-derter Luxus gilt als neuer Megatrend
158Das weinende Auge
Comedian Bastian Pastewka über sein trauriges Ich, seine Ängste und Albträume
KULTUR & LEBEN, MEDIEN
123 Generation GerätestreichlerAllmählich muss man sich um die Apparate- Liebhaber sorgen
124 Ich bin’s!Der Trend geht zu „custom-made“, dem indivi-duellen Design in allen Lebensbereichen
135 Die Harald-Schmidt-KolumneSchulvirus: Ist den Eliten das Essen egal?
136 Die Vermessenheit der BilderMuss wirklich jeder Bestseller verfi lmt werden?
138 Bestseller
140 Lasst die Körper sprechenDeutschland ist verrückt nach Zumba. Der neue Fitnesskult ist ein gigantisches Geschäft
144 Mein Vater„Er ließ mich machen“: Galerist Johann über den Ausstellungsmacher Kasper König
146 Alles auf AnfangDer Naturfotograf Michael Poliza konzipiert Erlebnisreisen – bis zur Wiege der Menschheit
152 Bevor es anders wird38 Jahre nach ihrem ersten Urlaub kehrt eine FOCUS-Redakteurin auf die Seychellen zurück
156 Reise-Trends im HerbstMedizintourismus / Drohnen / Kleine Emirate
158 »Ich hatte nur meine Komik« Bastian Pastewkas traurige Seite
162 Die allerbesten JahreSAT.1 startet einen neuen Digitalsender
163 Chef auf AbrufBizarrer Familienstreit beim „Weser Kurier“
164 BoulevardAUTO
166 Kleiner SUVMit dem Mokka macht eine Opel-Probefahrt endlich wieder Spaß
168 Schöne LimousineGelungenes Design, überzeugende Technik – der Mazda 6 tritt gegen den VW Passat an
SPORT
172 »Völlig inakzeptabel«Vier Olympiasieger von London kritisieren im FOCUS-Interview TV-Sender, Sportfunktionäre und den Sportunterricht an Schulen
178 Flasche leerEx-Nationalspieler Uli Borowka beichtet seine Alkoholsucht – und rät Profi s von Outings ab
178 Finale
RUBRIKEN
3 Memo des Chefredakteurs
6 Wer, wo, was 8 Fotos der Woche 17 Focussiert 90 Leserbriefe 92 Leserdebatte
93 Impressum 109 Fax-Abruf 180 13 Fragen:
Peter Altmaier 182 Tagebuch
des Herausgebers
Reise-
Special
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6 FOCUS 42/2012
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MONTAG, 15.10.
Die Außenminister der EU treffen sich in Luxemburg und werden voraussicht-lich neue Sanktionen gegen den Iran beschließen.
DIENSTAG, 16.10.
Vor dem Landgericht Koblenz soll der Prozess gegen den ehemaligen Finanz-
„Danke für meine Arbeitsstelle, danke für jedes kleine Glück“ – was hierzulande lediglich die dritte Strophe eines evangelischen Kirchen -lieds ist, feiern die Amerikaner als „Tag des Chefs“ (National Boss Day): Die Arbeitnehmer bedanken sich bei ihren Vorgesetzten mit kleinen Geschenken – nicht zuletzt dafür, dass sie in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit einen Job haben.
MITTWOCH, 17.10.
Die von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ausgerichteten „European
Cultural Days“ starten in der Alten Oper mit einem Eröffnungskonzert unter Leitung von Christophe Rousset.
In Bremen treffen sich 300 Hypnose- Experten mit 2000 Teilnehmern zum 19. Internationalen Hypnose
Kongress.
DONNERSTAG, 18.10.
Die Causa Steinbrück beschäftigt den Ältestenrat des Bundestags: Die Rechtsstellungskommission trifft sich, um neue Regeln über die Veröffent-
lichung der Nebeneinkünfte von
Abgeordneten zu verhandeln.
In Hamburg tagt die 339. Kultusminis-terkonferenz und wird über das deutschlandweite Zentralabitur diskutieren.
FREITAG, 19.10.
Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi
erscheint möglicherweise erstmals
in seinem Ruby-Sexprozess in Mailand selbst vor Gericht.
Die CSU trifft sich in München zu ihrem Parteitag.
SAMSTAG, 20.10.
Erbgroßherzog Guillaume von
Luxemburg heiratet die belgische
Gräfi n Stéphanie de Lannoy in der Luxemburger Kathedrale Notre-Dame. Guillaume ist der älteste Sohn und Thronfolger von Großherzog Henri.
Ehrengast: Zum 65. Geburtstag der CDU in Rheinland-Pfalz will der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl
den Landesparteitag besuchen. Die Mitglieder um ihre Vorsitzende und Oppositionsführerin Julia Klöckner treffen sich in der Mainzer Rheingoldhalle.
SONNTAG, 21.10.
100 Jahre Zwieback. 1912 gründete Carl Brandt die „Märkische Zwieback- und Keksfabrik“ in Hagen. Die Ver-packung wurde zum Markenzeichen
„Immer wenn es kalt wird, muss ich an Mama denken.“
Zweite Runde Obama trifft Romney diesmal im Staat New York
Wussten Sie . . . . . . dass die Verschuldung Deutschlands in der Sekunde um 1335 Euro wächst? Wenn Sie diese Zeilen lesen, beträgt sie schon mehr als 2 054 347 682 835 Euro.
Im Kampf gegen das Vergessen fühlen sich Demenzkranke und deren Angehörige oft allein gelassen. Die Pfl egereform gesteht ihnen jetzt mehr Geld zu. FOCUS Online erklärt, wie Sie Ansprüche durchsetzen.www.focus.de/demenz
DIESE WOCHE AUF
minister von Rheinland-Pfalz, Ingolf
Deubel (SPD), beginnen. Ihm und fünf früheren Nürburgring-Managern wirft der Staatsanwalt Untreue vor.
Neue Chance für Barack Obama: Nach seinem Debatten-Debakel in Denver trifft sich der US-Präsident im Bundesstaat New York mit Herausfor-derer Romney zum zweiten Fernseh-duell vor den Präsidentschaftswahlen.
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8 FOCUS 42/20128 FOCUS 42/2012
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»Wir sind noch lange
nicht am Ziel«
„DIE VERLEIHUNG DES FRIEDENS-NOBELPREISES an die Europäische
Union sollte für uns alle Ansporn sein, uns
einmal für eine kurze – aber gern auch
längere – Zeit von den täglichen Debat-
ten um Zinsen und Ratings, um Troikas
und Spreads zu lösen und uns auf das
zu konzentrieren, was wichtig ist: unser
großes gemeinsames Projekt eines geein-
ten Europas, einer wahren Europäischen
Union. Auch wenn die Begründung ,keine
WOLFGANG SCHÄUBLE, 70
Der CDU-Politiker ist Bundes-
fi nanzminister
Historischer AktLändervertreter unterzeichnen am 25. März 1957 in der italienischen Hauptstadt die Römischen Verträge und gründen damit die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Vorn v. l. n. r.: Paul-Henri Spaak, Jean-Charles Snoy et d‘Oppuers (beide Belgien), Christian Pineau, Maurice Faure (Frankreich), Konrad Adenauer, Walter Hallstein (Bundesrepublik Deutschland)
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FOCUS 42/2012 99
Kriege mehr in Europa‘ heute zu selbst-
verständlich erscheint, um 67 Jahre nach
dem alles zerstörenden Krieg noch als
Argument zu taugen, bleibt es doch das
Verdienst des geeinten Europas, genau
dies erreicht zu haben.
55 Jahre nach der Gründung der Europä-
ischen Union stehen die Völker Europas so
gut da wie noch nie in der langen und oft
blutigen Geschichte unseres alten Konti-
nents. Wohlstand, Frieden und Freiheit sind
Selbstverständlichkeiten geworden. Sie
bleiben aber dennoch großartige und oft
schmerzlich vermisste Errungenschaften,
wie wir unschwer erkennen können, wenn
wir um uns blicken.
Aber das europäische Projekt ist noch
lange nicht am Ziel. Die Globalisierung, die
nachhaltige Sicherung des Wohlstands und
der Schöpfung, die Verbreitung von Sicher-
heit und Demokratie auch über Europa
hinaus bleiben beispielsweise große Her-
ausforderungen, die wir nur in einem ge-
einten Europa werden bewältigen können.
Ein Europa, welches noch enger zusam-
menrücken muss und wird.
Insoweit ermöglicht es uns der Friedens-
nobelpreis für die Europäische Union, dass
wir unseren Kopf einmal über den Teller-
rand von Programmen und Defi ziten heben
und uns bewusst werden, was wir schon
alles erreicht haben, noch alles erreichen
können und unverzagt erreichen werden.“
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FOTOS DER WOCHE
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»Vielleicht zeigt sie’s
den Jungs«
MARIA HÖFL-RIESCH, 27Ski-Doppel-Olympiasiegerin und Dauerrivalin von Lindsey Vonn
„ZUERST DACHTE ICH, das muss eine Zeitungsente sein: ‚Lindsey Vonn will bei der Herren-Abfahrt in Lake Louise starten.‘ Ausge-schlossen. Warum sollte sie das tun? Die Herren-Abfahrt fi ndet Ende November statt, an demselben Wochenende wie unsere beiden Rennen in Aspen. Aspen – das ist Lindseys Heimatstrecke! Will sie wirklich darauf verzichten?
Doch jetzt schickte Lindsey eini-gen Weltcup-Starterinnen und auch mir eine Mail, in der sie uns alles erklärte. Für sie war es ein reizvoller Gedanke, bei den Männern zu starten. Nur ein einziges Mal. Wie ein Traum – ihr ganz persönlicher ,American Dream‘, den sie wahr werden lassen wollte. Nicht wegen irgendwelcher Weltcup-Punkte, da -rum ginge es ihr gar nicht. Lindsey meinte außerdem, dass ihr Auftritt bei den Männern für mehr Aner-kennung und Glaubwürdigkeit des Frauen-Skisports sorgen könnte. Vielleicht hat sie Recht. Für mich wäre es kein Problem. Im Gegenteil. Nach unserem Zerwürfnis verstehen wir uns wieder gut. Und falls sich Lindsey in Lake Louise tatsächlich ihren Traum erfüllen sollte, wünsche ich ihr viel Glück: Vielleicht zeigt sie es den Jungs mal so richtig!“
Mit den Waffen einer FrauLindsey Vonn, 27, geht offenbar die weibliche Konkurrenz aus. Die vierfache Ski-Gesamtweltcup-Siegerin fährt am 24. November in Lake Louise bei der Herren-Abfahrt mit. Dafür lässt sie sogar Weltcup-Punkte sausen. Fürs Foto zeigt die Amerikanerin ihre weibliche Seite. Sie posiert in einem Hotel in Hollywood
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Vermummte Mahner Die verschnürten Demonstranten
vor dem mexikanischen Innen- ministerium gehören der „Bewe-
gung für den Frieden in Gerechtig-keit und Würde“ an. Der mexikani-
sche Schriftsteller Javier Sicilia gründete sie, nachdem sein Sohn
im vergangenen Jahr von Narco-Banden ermordet worden war. Sie hat weitere Aktionen angekündigt
![Page 13: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/13.jpg)
FOTOS DER WOCHE
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»Wo sind unsere
Lieben?«
ANDREAS FINK FOCUS-Korrespondent in Buenos Aires, Argentinien
VERSCHNÜRT, VERSTRICKT, VERFANGEN protestieren diese Menschen vor dem Innenministerium in Mexiko-Stadt. Sie haben sich bis zur Unkenntlichkeit einwickeln lassen, ihre Gesichter sind von den schwarzen Schnüren bedeckt, ihre Identitäten sind verschwunden.
Die Aktivisten der „Bewegung für den Frieden in Gerechtigkeit und Würde“ wollen mit ihrer drastischen Maskerade an jene 20 000 Men-schen erinnern, die während der vergangenen sechs Jahre im mexika-nischen Drogenkrieg verschwanden und niemals gefunden wurden. „Wo sind unsere Lieben?“ fragt ein Plakat, das sich an die Regierung des scheidenden Präsidenten Felipe Calderón richtet und an die untä-tigen Ermittlungsbehörden. Deren Aufklärungsquote liegt nahe null, vor allem dann, wenn die Opfer aus armen Familien stammen.
Ein erheblicher Teil der Vermissten sind junge Frauen, die wahrschein-lich in die Fänge von Zuhälter-Ban-den gerieten. Das bedeutet meist ein Todesurteil. Der mexikanische Dro-genkrieg, in dem die Armee gegen Narco-Banden kämpft, hat in den sechs Amtsjahren von Calderón etwa 80 000 Menschenleben gekostet.
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![Page 16: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/16.jpg)
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![Page 17: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/17.jpg)
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Welche Partei würden Sie wählen,wenn am nächsten SonntagLandtagswahlen in Bayern wären?in Prozent
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31Markus Söder
26Ilse Aigner
12Christine Haderthauer
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Wer in der CSU ist Ihrer Ansicht nacham besten geeignet, Nachfolger vonHorst Seehofer zu werden? in Prozent
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Horst Seehofer Christian Ude
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Wenn Sie den Ministerpräsidenten vonBayern direkt wählen könnten, für wenwürden Sie stimmen?in Prozent
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FOCUSSIERT
STIMMUNGSHOCH Die CSU hat beste Chancen, auch nach der Landtagswahl im kommenden Herbst in Bayern zu regieren. In einer aktuellen Umfrage im Auftrag von FOCUS führt sie mit 48 Prozent deutlich vor einem möglichen Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern, das zusammen 39 Prozent erreicht. Die FDP, die derzeit mit der CSU die Regierung bildet, wäre nicht mehr im Landtag vertreten.
Klar vorn liegt Ministerpräsident Horst Seehofer im direkten Vergleich mit sei-nem Kontrahenten Christian Ude (SPD). 51 Prozent der Bayern würden Seehofer zum Regierungschef wählen. Für den Münchner Oberbürgermeister stimmen nur 35 Prozent (siehe auch S. 71).
Auch in der Frage um eine mögliche Seehofer-Nachfolge gibt es einen Favo-riten: Der bayerische Finanzminister Markus Söder kann mit 31 Prozent die meisten Stimmen auf sich vereinen.
Wenige Tage vor ihrem Parteitag geht die CSU nun doch auf ihre Schwester-partei zu: Sie will im Herbst 2013 an der Seite der CDU in die Bundestagswahl ziehen. Das kündigte Generalsekretär Alexander Dobrindt gegenüber FOCUS
CSU erreicht klare Mehrheitan. „Wir werden für die Bundestagswahl ein gemeinsames Wahlprogramm von CDU und CSU verabschieden. Ich habe keinen Zweifel, dass wir das hinkriegen.“ CSU-intern hatte es lange erhebliche Skep-sis gegeben, zumal die beiden Wahlen zeitlich nah beieinanderliegen werden. Erste Besprechungen Dobrindts mit sei-nem CDU-Kollegen Hermann Gröhe haben schon stattgefunden. ack/tr
FRAGE DER KULANZ Brennende Fensterheber führen zu einer gigantischen Rück-ruf-Aktion von Toyota – weltweit 7,43 Millionen Autos müssen in die Werkstätten. Viele Kunden fragen sich, wie sie für den Ärger entschädigt werden. Zumindest für die 136 000 betroffenen deutschen Autobesitzer sieht es düster aus. „Kunden haben bei Rückrufen leider kaum Ansprüche“, so ADAC-Juristin Silvia Schattenkirchner.
Nach Ablauf der Gewährleistung muss der Hersteller nicht mal die Reparaturkosten tragen – „aber das machen die meisten natürlich, damit das Image nicht noch mehr leidet“, so die Expertin. Anspruch auf Schadensersatz, etwa einen Mietwagen für die Reparaturdauer, hat kein Kunde. Schattenkirchner: „Hier ist von Hersteller und Händlern Kulanz gefragt.“ Im aktuellen Fall rechnet Toyota allerdings nicht mit Wünschen nach Ersatzwagen. Der Austausch der Schalter dauere maximal eine Stunde. „Das kann man bei einer Tasse Kaffee in der Werkstatt abwarten“, heißt es. me/fra
Rechtlos bei Rückruf-Aktionen
Auf Erfolgskurs Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (r.) und Finanzminister Markus Söder
Quelle: TNS Emnid für FOCUS
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SUIZID Ein 18-Jähriger aus dem nieder-sächsischen Rotenburg an der Wümme hat Suizid begangen, nachdem seine Party-Einladung bei Facebook außer Kontrolle geraten war. Die Ankündigung der Geburtstagsfeier war offenbar unge-wollt an 5000 Mitglieder des sozialen Netzwerks verschickt worden. Der Ju-gendliche warf sich vergangenen Mitt-woch vor einen fahrenden Zug. Thomas Teuber von der Polizei Rotenburg bestä-tigte gegenüber FOCUS, dass es sich bei dem Toten um den Veranstalter der Facebook-Party handelt. „Wir wol-len die Familie schützen. Deshalb hal-ten wir uns mit Aussagen über den Zu-sammenhang zwischen dem Selbstmord und Facebook zurück“, sagt Teuber.
Die Party hätte vergangenen Samstag stattfi nden sollen. Freunde des Verstor-benen berichten, dass dieser die Feier über das soziale Netzwerk abgesagt habe. Daraufhin wurde er dort offenbar massiv beschimpft und unter Druck gesetzt. Der Jugendliche sei schon seit Jahren gemobbt worden, wie ein ehemaliger Mitschüler erzählt.
Die Staatsanwaltschaft Verden hat ein Todesermittlungsverfahren einge-leitet und wird auch die Ereignisse bei Facebook prüfen. sho
REGIERUNGSSITZE Rund neun Millio-nen Euro kostet den deutschen Steuer-zahler das Bonn-Berlin-Gesetz allein im Jahr 2013. Das geht aus dem Tei-lungskostenbericht des Finanzministe-riums hervor. Die Ausgaben für die Auf-teilung der Amts- und Dienstsitze der Bundesregierung steigen damit im Ver-gleich zum laufenden Haushaltsjahr um 176 000 Euro. Allein die Aufwendungen für Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin werden nach Schätzungen der Bundesregierung um 112 000 Euro steigen, und das, obwohl der Bericht mit einer verringerten Anzahl an Reisen kalkuliert. Trotzdem spricht die Regie-rung von einem Erfolg: Die Kosten lägen unter den prognostizierten zehn Millio-nen Euro, heißt es in dem Bericht. ani
Tod nach Party-Aus
Millionen für Bonn
Tour de France ohne GewinnerSIEGLOS Der Veranstalter der Tour de France ASO will Lance Armstrong seine sieben Titel aberkennen, sobald der Rad-sport-Weltverband UCI die neuerlichen Dopingbeweise gegen den ehemaligen Tour-Dominator geprüft hat. Die Frank-reich-Rundfahrten hätten damit zwischen 1999 und 2005 keinen Gewinner und verkämen zur Farce; zumal schon Bjarne Riis’ Sieg 1996, Floyd Landis’ 2006 und Alberto Contadors 2010 wegen Dopings gestrichen worden waren. „Es ergibt kei-
nen Sinn“, sagte ein ASO-Sprecher zu FOCUS, „andere Sieger retrospektiv zu ernennen.“ Auch bei Armstrong sei „vor-stellbar“, dass der Siegername in allen offi ziellen Listen durch ein Sternchen statt des Namens von Zweitplatzierten ersetzt wird. Vergangenen Mittwoch hatte die US-Anti-Doping-Agentur (Usada) unter anderem Bankbelege veröffentlicht, die den Verdacht erhärten, dass der Texaner zwischen 1996 und 2006 Kopf einer aus-geklügelten Doping-Mafi a war. maw/awo
Sport-Betrüger Der siebenfache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong verliert wohl seine Titel
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AIRPORT-ALARM Am Hamburger Flughafen wurde ein 45 Jahre alter Passagier kurz vor dem Abfl ug nach München mit einem verdächtigen Paket am Körper gestoppt. Möglicherweise wollte der Mann die Sicher-heitsvorkehrungen testen, um künftig Drogen oder Sprengstoff an Bord von Flugzeugen zu schmuggeln.
Der gebürtige Kanadier hatte das Paket mit Klebe-band am Bauch befestigt. Es enthielt eine Mischung aus Hefe, Maisstärke und einer bislang unbekannten Subs-tanz. Das Tatmotiv des psychisch auffälligen Mannes, der versuchte, aus dem Flughafengebäude zu fl üchten, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt. gös
Probelauf eines Attentäters?
Der Kerngedanke war und ist richtig: Der Staat darf die Leute nicht so mit Bürokratie belasten, dass Wachstum und Leistungsfreude sinken. In unse-rem Steuersystem ist das leider so.
Damals gab es große Aufregung, dass dann Krankenschwestern womöglich ihre Zuschläge versteuern müssten.
Damals ist leider nur angekommen, dass die Union uneins war. Das muss diesmal anders werden. Um es klar zu sagen: Die Krankenschwester müsste sich bei einer solchen Reform weni-ger Sorgen machen als der Chefarzt. Es geht um die, die sich Gestaltungs-möglichkeiten zu Nutze machen.
Sie wollen also mit der Forderung in den Wahlkampf ziehen?
Ich persönlich würde es meiner Par-tei empfehlen. Denn ich weiß in der Sachfrage alle Fraktionschefs und die Haushaltspolitiker von CDU und CSU in den Ländern auf meiner Seite. ack
Sie und alle Fraktionschefs der Union in den Ländern dringen auf eine Steuerreform. Kommt doch noch die Steuererklärung auf dem Bierdeckel?
Wir haben den Bierdeckel jedenfalls nicht weggelegt. Wir wollen für ein Steuerrecht streiten, das nachvollzieh-bar ist. Es geht um ein System mit weniger Ausnahmen und Privilegien, um ein System, das der Normalbürger auch versteht.
Käme für den Finanzminister mehr rein?Es geht nicht um mehr oder weniger. Das Ganze soll aufkommensneutral sein. Es geht um mehr Klarheit. Wo so wenig Transparenz ist wie in unse-rem Steuersystem, kommt Gerechtig-keit leicht zu kurz. Im Dickicht der Ausnahmen lassen sich nämlich auch Ungerechtigkeiten gut verstecken.
Wollen Sie aufwärmen, was die Union im Jahr 2005 erfolglos angepriesen hat – also noch mal Kirchhof?
AUSGEDRUCKT Die „Frankfurter Rundschau“ (FR) befragt zurzeit 500 Abonnenten, ob diese auch mit einer rein digitalen Ausgabe der Zeitung zufrieden wären. Hintergrund der ungewöhnlichen Leserumfrage ist nach Angaben des Verlags, dass Ende des Jahres der Druckauftrag bei Mad-sack in Hannover ausläuft. Entlegenere Gebiete im Norden Deutschlands könn-ten dann, so der Verlag, nicht mehr tagesaktuell beliefert werden.
Brancheninsider rechnen allerdings eher damit, dass die FR als gedruckte überregionale Tageszeitung bald ver-schwinden wird. Die überregionalen Be-richte der FR liefert ohnehin seit 2011 hauptsächlich die „Berliner Zeitung“.
Der jährliche Verlust, den die FR seit Jahren schreibt, wird mit 15 bis 20 Millionen Euro beziffert. zor
FREIHEITSKÄMPFER FOCUS-Gründer und -Herausgeber Helmut Markwort, 75, erhielt am vergangenen Freitag in München den Thomas-Dehler-Preis 2012.
Mit der Auszeichnung würdigt die FDP-nahe
Thomas-Dehler-Stiftung Markworts jahrzehntelanges Wirken als Journalist. „Er verwies stets auf die ethische Grundverantwortung der Medien, den Leser als Mitentscheider in unserer Ge-sellschaft umfassend zu informieren“, heißt es in der Verleihungsurkunde.
Bayerns FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil hob die Risikobereitschaft Markworts hervor, der zusammen mit Verleger Hubert Burda „Anfang der neunziger Jahre ein Magazin erdachte, das als FOCUS die Medienwelt revolu-tionierte“. Die Laudatio auf Helmut Markwort hielt die FAZ-Journalistin Heike Göbel.
In den Vorjahren hatte die Stiftung die früheren FDP-Parteichefs Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambs-dorff mit dem Preis ausgezeichnet. bes
FR nur noch digital?
Ausgezeichnet!
Rückkehr des
BierdeckelsFührende Unionspolitiker
fordern eine Steuerreform. Mike Mohring sagt, warum
Paket am BauchDer Verdächtige wurde am 24. August gefasst
Druck aus Thüringen CDU-Fraktionschef Mike Mohring,
40, will ein klareres Steuersystem
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TENDENZ-O-METER
EUn bisschen FriedenWir sind Nobelpreisträger!
Wer verdient noch einen?
⯷ Bernd RiexingerLinkspartei-Halbchef demonstriert in Athen gegen Merkel. Kann gleich ins griechische Parlament wechseln!
⯴ Bibo aus der »Sesamstraße«Tierischer US-Wahl-kampf – Demokraten machen Kampagne mit Plüschvogel. T-O-M for-dert: Bibo for President!
⯵ Lukas PodolskiArsenals Spaß- und Sturm-Import lernt London-Slang. Poldis Völkerverständigung: Beans? Beers? Cheers!
⯵ Valérie TrierweilerDie Première Dame soll neben dem Gatten noch zwei Liebhaber gehabt haben. Voilà! Franzo-sen, so lieben wir euch!
Nicht gesellschaftsfähigSTREIT BEI SUHRKAMP Der Nobelpreis, drei von sechs Finalisten beim Deutschen Buchpreis, Uwe Tellkamps „Der Turm“ im Fernsehen: Der Suhrkamp-Verlag hat zur-zeit einen Lauf – doch der könnte an diesem Mittwoch vor dem Berliner Landgericht jäh gestoppt werden. Mitgesellschafter Hans Barlach, der mit seiner Medienhol-ding 39 Prozent am Unternehmen hält, wirft der Verlagsspitze um Ulla Unseld-Berkéwicz Veruntreuung von Firmen-geldern vor. Es geht um eine Villa im fei-nen Berliner Viertel Nikolassee, die der Verlag gemietet und renoviert hat und in der die Verlegerin seit dem Verlagsumzug
von Frankfurt nach Berlin 2010 wohnt. Die Kosten dafür sollen sich jährlich auf einen sechsstelligen Betrag belaufen. „Sollte das Gericht zu der Auffassung kommen, dass hier veruntreut worden ist, dann ist die Geschäftsleitung nicht mehr tragbar“, sagt Barlach. „Schließlich geht es hier nicht um ein paar Pfandbons im Supermarkt.“
Suhrkamp-Geschäftsführer Thomas Sparr sieht der Entscheidung „respekt-voll gelassen“ entgegen. „Und mit der Hoffnung, dass wir uns am Ende ähnlich freuen dürfen wie über den Nobelpreis für unseren Autor Mo Yan.“ (s. S. 50) jub
Nur auf Diät(en) Der Abge-ordnete Steffen Bilger, 33, verzichtet auf Nebenjobs
Herr Bilger, fühlen Sie sich als Abgeord-neter zweiter Klasse, weil Sie keinen einzigen Nebenjob zu Stande bringen?
Im Gegenteil. Ich fühle mich als Abgeordneter erster Klasse, weil ich mich auf meine eigentliche Aufgabe konzentriere.
Und was tun Sie mit Ihrer ganzen freien Zeit? Freie Zeit? Die habe ich fast gar nicht.
Auch ich halte viele Vorträge. Wenn mir ein Honorar angeboten wird, dann nenne ich eine Einrichtung, für die gespendet werden kann.
Sie gehören also zu den Politikern, für die ein Tag nur 24 Stunden hat?
Ich fühle mich komplett ausgelastet und konnte den Tag bisher noch nicht um einige Stunden verlängern.
Herr Steinbrück und andere verdienen einige Hunderttausende dazu. Kommen Sie sich da mit knapp 100 000 Euro im Jahr nicht ärmlich vor?
Nein, ich bin nicht neidisch. Denn ich meine, dass ich als Abgeordneter genügend Geld bekomme – deutlich mehr als die meisten Menschen in Deutschland. Um mich müssen Sie sich keine Sorgen machen. ack
Am Rande:
»Nur Politiker«Der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger kommt
ohne Nebenjobs klar. Wie schafft er das nur?
Schweres Erbe Ulla Berkéwicz, 63, ist die Witwe des 2002 verstorbenen Verlegers Siegfried Unseld
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I n deutschen Amtsstubenund Ministerien ist ge-legentlich der Satz zu
hören: „Wir fürchten das Schwarzbuch wie der Teufel das Weihwasser.“ Gemeint ist die jährliche Aufl istung des Bundes der Steuerzah-ler über die öffentliche Ver-schwendung. Jahrelang stell-te der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, den Bericht vor. Neben dem Schwarzbuch steht Däke auch für die Schuldenuhr, die den genauen Stand der Staatsverschuldung anzeigt. Im Sommer schied er als Prä-sident des Bundes der Steuer-zahler aus.
FOCUS druckt exklusiv Passagen aus Däkes neuem Buch „Die Milliarden-Ver-schwender“ ab. Sein Credo: Den Missbrauch von Steuer-geldern müsse der Bürger nicht einfach wie ein Natur-ereignis hinnehmen. ■
FetteBeute
Der deutsche Adler greift zuImmer mehr Geld holt sich der Staat von seinen Bürgern, und trotzdem decken die Einnahmen nie die Ausgaben
Der Ehrenpräsident des Bundes der Steuerzahler,Karl Heinz Däke, beschreibt, wie der Staat mit
immer neuen Steuern seine Bürger ausnimmt und wie er Milliarden Euro verschwendet
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Der gierige Staat
A ll die mahnenden Rufe, sie ver-klangen zunächst ohne Folgen.
Die Staatsverschuldung kletterte wei-ter nach oben. 1970 stand der Schul-denberg bei 64,4 Milliarden Euro, Ende 2012 wird er voraussichtlich auf über 2040 Milliarden Euro angewachsen sein. Das ist in gut 40 Jahren ein Wachs-tum fast um das 32-Fache.
Heute, nach jahrzehntelangem Wohl-stand, wird ganz Europa von einer Staatsschuldenkrise erschüttert, die uns die Grenzen unserer Finanzpolitik auf drastische Weise vor Augen hält. Ganz gleich, welche Farben die Regierungen der letzten Jahrzehnte trugen – das Staatsschiff segelte immer auf Pump.
Nun, da es gewaltig ins Schlingern geraten ist, dämmert langsam auch
dem letzten Matrosen, dass eine Kon-solidierung der Finanzen der einzige Rettung versprechende Anker ist. Zu einem Haushalt, der ohne neue Schul-den auskommt, gibt es aus meiner Sicht keine Alternative.
Prinzipiell sind zwei Lösungen des Schul-denproblems denkbar: Es können ent-weder die Steuereinnahmen erhöht oder die Ausgaben reduziert werden. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass die Erhöhung der Steuereinnahmen die Politik nahezu gesetzmäßig zu größeren Ausgaben verleitet. Das führt zu einem fatalen Doppelfehler: Erst werden die Schulden durch eine Steuererhöhung allein dem Bürger aufgebürdet. Dann wird der gewünschte Effekt, eine Ver-ringerung der Schuldenlast, auch noch zunichtegemacht. Denn jede Steuer-mehreinnahme der vergangenen Jahr-zehnte wurde durch ein noch größeres Ausgabenwachstum wieder aufgezehrt.
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen Demo-kratien zog bisher jede Steuermehr-einnahme früher oder später erhöhte Ausgaben nach sich. Eine nachhalti-ge Haushaltskonsolidierung gelang in diesen Staaten immer nur dann, wenn die Ausgaben deutlich gesenkt wurden. Blicken wir nur auf die letzten zehn Jahre zurück: Trotz erheblicher Steuer-mehreinnahmen und durch zusätzliche, Steuermehreinnahmen generierende Maßnahmen gelingt es bisher nicht,
BehördenschreckÜber 18 Jahre lang prangerte Karl Heinz Däke, 69, miss-bräuchlichen Umgang mit Staatsgeldern an
![Page 26: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/26.jpg)
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ohne neue Schulden auszukommen. In den Jahren 2002 bis 2006 sollten zum Beispiel Mehreinnahmen erzielt werden durch folgende Maßnahmen:
2002 • die Einführung einer Bauabzugsteuer
(218 Millionen Euro)• die Anhebung der Versicherungs-
steuer auf 16 Prozent (525 Millionen Euro)
• die Erhöhung der Tabaksteuer (1000 Millionen Euro)
2003• eine weitere Anhebung der
Steuersätze auf Kraftstoffe und Strom, die sogenannte Ökosteuer (1020 Millionen Euro)
2004• die Erhöhung der Biersteuer
(10 Millionen Euro)• die Senkung des Sparerfreibetrags
(190 Millionen Euro)
2005• die Neuregelung der Besteuerung
der Leibrenten (1500 Millionen Euro)
2006• die Abschaffung des Sonderausga-
benabzugs für private Steuerbera-tungskosten (600 Millionen Euro)
• die Abschaffung des Freibetrags für Abfi ndungen (400 Millionen Euro)
Wie kann es sein, dass unsere Schul-denlast beständig steigt, obwohl es in nur vier Jahren Milliarden an zusätzli-chen Einnahmen gab?
Die Konsequenz dieser Beobachtung liegt auf der Hand. Genauso wie der Missbrauch der Staatsverschuldung in Zukunft durch eine verfassungs-rechtliche Schuldenbremse verhindert wird, muss der übermäßige Zugriff der Politik auf das Einkommen der Bürger durch eine Abgabenbremse unterbun-den werden. Offenbar ist die Politik nur dann zur erforderlichen Ausgabendis-ziplin zu bewegen, wenn sie gesetzlich an die Kandare genommen wird. Und selbst hier haben die Erfahrungen unter anderem mit den Kriterien des Maast-richt-Vertrags gezeigt, dass die Politik sich auch von Verträgen nicht immer
beeindrucken lässt. Bisher jedenfalls haben die Regierenden sich zahlreiche Tricks einfallen lassen, um ständig neue Steuererhöhungen durchzusetzen.
Der Mehrwert-steuer-Hammer
W as, glauben Sie, wäre ein Kompro-miss aus zwei und null? Eins? Sie
halten Kompromisse für die Mitte aus zwei extremen Positionen? Weit gefehlt. In der Politik gilt eine andere Mathema-tik. Im Wahlkampf 2005 hatte die CDU sich für eine Erhöhung der Umsatzsteu-er von zwei Prozentpunkten starkge-macht, während die SPD gegen eine sol-che Maßnahme eingetreten war. Nach der Wahl einigte sich die große Koaliti-on auf einen Kompromiss aus zwei und null. Das Ergebnis: drei Prozentpunkte. Womit eine neue Formel geboren war. 2+0=3, witzelten damals viele in Berlin.
Hinter dem Spott der Kommentatoren verbirgt sich die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die schon 2006 beschlos-sene Anhebung der Umsatz- oder Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent trat 2007 in Kraft. Damit sollten 23 Mil-liarden Euro an zusätzlichen Einnah-men erzielt werden. Gleichzeitig wur-de die Versicherungssteuer abermals angehoben, jetzt von ebenfalls 16 auf 19 Prozent, wovon sich die Politik Mehr-einnahmen von 1,5 Milliarden Euro erhoffte. In Wahrheit bedeuteten die relativ bescheiden klingenden drei
Das Bundesumwelt-
ministerium unterstützt die
Umrüstung von 50 Shell-
Tankstellen auf sparsame
LED-Beleuchtung mit
170 000 €
Das Bundesernährungs-
ministerium fördert ein
Programm zur Züchtung von
Biokarotten in den Farben
Weiß, Gelb, Rot und Violett
mit 230 000 €
Steuergeld fürbunte Möhren
Strom sparen mit Staatshilfe
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Prozentpunkte eine tatsächliche Erhö-hung der bisherigen Mehrwertsteuer um 18,7 Prozent. Allein am Beispiel die-ser einen steuerpolitischen Maßnahme lässt sich der Satz, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen sind, veranschaulichen. Im Grunde waren es sogar die Schulden von gestern, die die Mehrwertsteuererhöhung auslösten: Die Zinsbelastung im Bundeshaushalt hatte wegen der in den Jahren zuvor aufgenommenen Schulden so stark zugenommen, dass neue Schulden auf-genommen werden mussten, um die Zinsverpfl ichtungen erfüllen zu können.
Erstaunlich war für mich, dass die Erhö-hung der Mehrwertsteuer relativ wider-standslos hingenommen wurde. Weder in der Bevölkerung noch im Bundesrat, dessen Zustimmung erforderlich war, meldeten sich ernst zu nehmende Geg-ner zu Wort. Dass der Bundesrat die-sem Coup der Regierung zustimmte, lässt sich allerdings leicht erklären: Die Bundesländer profi tieren vom Aufkom-men aus der Umsatz- oder Mehrwert-steuer in erheblichem Umfang, ebenso die Gemeinden, wenn auch mit einem relativ geringen Anteil. Vor allem aber war es Bundesfi nanzminister Peer Stein-brück gelungen, das Gespenst der Ver-schuldung und ihrer Folgen so drama-tisch an die Wand zu malen, dass auch die Bevölkerung glaubte: Ein anderer Weg als der der Steuererhöhung war nicht möglich. Wenigstens die Neu-verschuldung sollte reduziert werden, damit der Staat nicht noch tiefer in die Krise gerät – und nach dem Willen der Bundesregierung und ihres Finanzmi-nisters brauchte es dazu Mehreinnah-men aus der Steuererhöhung. Darin
besteht das Spardiktat, das demokra-tisch gewählte Regierungen ihren Bür-gern aufzwingen: Anstatt die Ausgaben der öffentlichen Mittel zu senken, nöti-gen sie den Steuerzahler zur Sparsam-keit, indem sie ihm immer mehr Geld abnehmen. Doch als sei dieses Vorge-hen nicht schon dreist genug, bestätig-ten sich bald Befürchtungen, dass das Mehraufkommen aus der Steuererhö-hung gar nicht vollständig zur Reduzie-rung der Neuverschuldung eingesetzt werden würde. Ein Schelm, wer den Politikern dauernd Böses unterstellt? Nun ja, das viele zusätzliche Geld ver-führte am Ende doch wieder zu neuen Ausgaben. Nur etwa die Hälfte der circa23 Milliarden Euro Mehreinnahmen wurde schließlich für den Abbau der Neuverschuldung verwendet.
Steuererhöhungen – unabwendbar?
E s hat mich immer wieder empört und zugleich erstaunt, wie es der Poli-
tik gelingt, die Einführung neuer Steu-ern oder Steuererhöhungen durchzuset-zen, ohne dass ein Aufschrei durch die Bevölkerung geht. Vielleicht kennen die Finanzminister und Stadtkämmerer die Philosophie, die der französische Staats-mann Jean-Baptiste Colbert verinnerlicht hatte, um dem Sonnenkönig Ludwig XIV. die Finanzierung seines grenzenlosen Geldbedarfs zu ermöglichen: „Steuern erheben heißt, die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viele Federn mit möglichst wenig Gezische bekommt.“ Ich möchte zeigen, mit welchen Schritten Colberts Philosophie meist in die Praxis umgesetzt wird.
Der Kämmerer einer Stadt stellt bei Beginn der Aufstellung des Stadthaus-halts für das kommende Jahr fest, dass er mit den Einnahmen nicht mehr auskommt und ihm die Ausgaben davonlaufen. Eil-fertig deutet er auf den Schwarzen Peter: Neue gesetzgeberische Maßnahmen vor allem des Bundes, so argumentiert er, bürdeten der Stadt neue Lasten auf, ohne dafür einen entsprechenden fi nanziellen Ausgleich zu leisten. Nachdem der Schul-dige ausgemacht ist, fällt es leicht,
Sightseeing auf Staatskosten
Kosmetische Staatsausgaben
Das Bundespresseamt fi nan-
ziert die Berlin-Fahrten, zu
denen Bundestagsabge-
ordnete einladen dürfen mit
31 Mio. €
Das Forschungsministerium
sponsert die Entwicklung eines
Lippenstifts aus Torf, der
Entzündungen hemmen und
vor UV-Strahlen schützen soll:
260 000 €
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die Situation in einem zweiten Schritt als schicksalhaft und aussichtslos darzustel-len. An der Aufnahme neuer Schulden führe kein Weg vorbei, führt der Käm-merer weiter aus, denn alle Einsparmög-lichkeiten seien erschöpft. Es sei denn, Schwimmbäder würden geschlossen, Zu-wendungen an soziale Einrichtungen ebenso wie an Vereine gekürzt, Straßen nicht mehr repariert usw. Der Kämmerer malt das Menetekel eines Haushaltslochs an die Wand, in das alle, Stadträte, Bür-ger und Wirtschaft entsetzt hineinstar-ren. Natürlich wird dieses Loch von Tag zu Tag größer. Nun ist der Boden vor-bereitet für den entscheidenden Schritt: Es folgt die erste Ankündigung, Erhö-hungen der Gewerbe- und Grundsteuer sowie einiger Gebühren würden der Stadt aus dem Dilemma helfen. Eine spontane Empörungswelle verebbt schnell, denn das Haushaltsloch droht sich noch mehr
auszuweiten, da die Konjunktur lahmt und die Einnahmen aus der Gewerbe-steuer wegzubrechen drohen. Niemand sieht genau hin und bemerkt, dass die Gewerbesteuereinnahmen auch nach dem befürchteten Einbruch so hoch blei-ben wie nie zuvor. Alle Verantwortlichen und Betroffenen starren stattdessen wei-ter in das rasant wachsende Haushalts-loch. Ratlosigkeit macht sich breit. Doch da fällt dem schlauen Kämmerer wieder eine neue, letzte Rettung ein: Steuerer-höhungen sind das Heilmittel, auf des-sen Wirkung jetzt alle setzen. So werden diese schließlich beschlossen, und die Gans hat nur ansatzweise gezischt.
So hat sich die Pro-Kopf-Staatsverschuldung in Deutschland entwickeltin Euro, jeweils zum 31. Dezember
Wer soll dasbezahlen?
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Mit Steuern steuern
E ine bewährte Strategie, den Bürger ohne große Gegenwehr fi nanziell zu
rupfen, kommt vor allem auf Bundesebe-ne zum Einsatz. Dazu bedarf es zunächst einer guten Idee – einer Steueridee. Ziel ist es, durch die Erhebung einer neuen Steuer das Verhalten der Steuerzahler in eine bestimmte Richtung zu lenken. Teilt die Bevölkerung die Idee, akzeptiert sie auch die Steuer.
Musterbeispiel für eine solche Steuer-idee ist die Ökosteuer. In Wahrheit han-delte es sich schlicht um eine Erhöhung der Mineralölsteuer in mehreren Schrit-ten. Doch war zu befürchten, dass dies angesichts einer in Deutschland starken Fraktion von Autofahrern und -lobbyis-ten auf einigen Widerstand stoßen würde.
Deshalb dachte die Politik sich eine Mar-ketingstrategie aus, indem sie der Steu-ererhöhung das Etikett „Umweltschutz“ aufklebte. Der Verbrauch knapper wer-dender Energieressourcen sollte redu-ziert, die Umwelt geschont werden. Ein hehres Ziel! Zudem wurde die neue Steu-ererhöhung auch noch an die Sicherung der Renten gekoppelt. Damit hatte man zwei Besteuerungsziele, die versprachen, in der Bevölkerung auf Zustimmung zu stoßen. Mit dem „Gesetz zur Fortentwick-lung der ökologischen Steuerreform“ aus dem Jahr 2002 wollte man also zwei Flie-gen mit einer Klappe schlagen, indem man den Umweltverbrauch verteuerte und den Faktor Arbeit entlastete.
Ähnlich klaglos wurden in der Regel Erhöhungen der Tabaksteuer hinge-nommen, mit Ausnahme vielleicht der Tabakindustrie, die jedoch angesichts einer immer dominanter werdenden
Gesundheitsdoktrin keine guten Karten hatte. Nachdem die Politik verkündete, die Mehreinnahmen zur Finanzierung der stark gestiegenen Kosten im Gesund-heitswesen verwenden zu wollen, gab es auch bei der letzten Anhebung der Tabaksteuer kaum Proteste. Mit einem gewissen Galgenhumor schlugen Ver-zweifelte vor, man könne doch ebenso gut die Branntweinsteuer zur Finanzierung der Bundeswehr erhöhen. Warum nicht auch noch „Saufen für die Truppe“? ■
NeuerscheinungKarl Heinz Däke, Die Milliarden-Verschwender, Heyne-Verlag, 19,99 EUR
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I m Europäischen Parlament hat ein Hauptpfeiler nachgegeben. Unter der Last des Plenarsaaldachs zeigen
nun auch zwei weitere Stützelemente Risse. Deshalb ist ein Teil des Gebäudes am Brüsseler Parc Léopold aus Sicher-heitsgründen gesperrt. Ein besseres Gleichnis für das Schicksal der Euro-Gruppe kann es kaum geben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tat vorige Woche denn auch gut daran, bei ihrem Kurzbesuch in Athen die Botschaft zu übermitteln: Ja, wir wollen euch weiter stützen. Aber ihr dürft uns nicht überfor-dern. Sonst gerät die gesamte Architektur des Hauses Europa ins Wanken.
Merkel blieb in Griechenland sachlich und zeigte zugleich Mitgefühl. Natürlich wusste sie von den vehementen Demons-trationen rund um den von 7000 Polizisten abgezirkelten Sicherheitskordon, in dem sie der griechischen Regierungsspitze begegnete. In den Seitenstraßen entlang ihrer Route ins Zentrum der Stadt konnte sie bisweilen die Fäuste und Transparente hinter den Absperrungen sehen. Ein Fla-schenwurf verirrte sich sogar bis an ein Fahrzeug ihrer Kolonne. Merkels einziger Kommentar: Demonstrationen seien ein demokratisches Recht.
Die Visite der Kanzlerin, zu der sie sich auf Bitten Samaras’ bei dessen Glück-
wunsch-Anruf zum Tag der Deutschen Einheit kurzfristig entschloss, hinterließ in Griechenland neuen Respekt. „Es ist skandalös, die heutigen Deutschen mit der Nazi-Keule zu traktieren. Deutsch-land ist das europäische Land mit dem geringsten Rechtsextremismus“, hieß es im öffentlich-rechtlichen Sender NET. Sol-che Töne waren in griechischen Medien seit mehr als zwei Jahren nicht zu hören.
Abseits der schrillen Proteste sind in Griechenland selbstkritische Stimmen zu hören. Lampros Bouklis, Kommunal-politiker der örtlichen Grünen auf dem Peloponnes, lobt Merkel dafür, dass sie unter schwierigen Umständen gezeigt
habe, dass Deutschland trotz allem an der Seite Griechenlands stehe. Und er bekennt: „Das wahre Problem Griechen-lands ist die Korruption. Sie ist wie ein Geschwür, das sich über den ganzen Kör-per verbreitet, vor allem im öffentlichen Dienst.“ Bouklis, von Beruf Management-Berater, fügt bitter hinzu: „Management ist eines der wenigen englischen Wörter ohne griechische Wurzeln.“
Ihren offi ziellen Bericht über die grie-chischen Reformbemühungen haben die „Troika“-Kontrolleure von EU, Europäi-scher Zentralbank (EZB) und Internatio-nalem Währungsfonds (IWF) immer noch nicht vorgelegt. Aber schon längst ist klar: Die Griechen werden es nicht schaffen. Jedenfalls nicht im vorgegebenen Zeit-plan. „Es muss an allen Fronten mehr getan werden“, befi ndet IWF-Chefi n Christine Lagarde und winkt mit einer Fristverlängerung um zwei Jahre für den Abbau der Athener Staatsschuld. Das wie-derum würde nach griechischen Berech-nungen die Europäer bis zu 15 Milliarden Euro mehr kosten als bisher eingeplant.
„Zeit ist Geld“, heißt es seit Wochen bei führenden Parlamentariern der Union, wann immer von Aufschub für die Grie-chen die Rede ist. Und mehr Geld ist man nicht bereit zu geben. Auch nach Merkels Goodwill-Reise ist in der Koalition keine
Retten ohne EndeEuropa in der Griechen-Falle: Die Regierung in Athen darf auf mehr Zeit hoffen – und womöglich einen neuen Schuldenschnitt. Die Spannungen zwischen den EU-Ländern mit und ohne Euro steigen
»Ich wünsche mir, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt«Angela Merkel, Bundeskanzlerin,bei ihrer Visite in Athen
![Page 33: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/33.jpg)
Mehrheit für irgendeine Form des Drauf-sattelns erkennbar.
Der Vize-Vorsitzende der Unionsfrakti-on im Bundestag, Michael Meister (CDU), zeigt sich sehr erstaunt über den Vorstoß Lagardes: „Mit uns wird es aber keine Ausweitung des Nominalvolumens der Hilfe an Griechenland geben.“
Doch den ursprünglichen Zeitplan kön-nen die Griechen gar nicht mehr einhal-ten, schon weil sie durch ihre zwei Par-lamentswahlen in Verzug geraten sind.
Auf Drängen von Schäuble und anderen Finanzministern sollen zunächst nur die Hilfen und Bedingungen für Athen in den Jahren 2013 und 2014 festgeklopft wer-den. Zeit gewinnen, durchlavieren, lautet die Devise. Klar ist, dass das Land selbst bei günstigem Verlauf seiner Wirtschafts-entwicklung sowie seiner Staatsfi nanzen bis 2020 auf ein Entgegenkommen seiner Partner angewiesen sein wird.
Alle anderen intern diskutierten Zusatz-konzepte haben mehr Gegner als Unter-stützer: So ist ein erneuter Schulden-schnitt, an dem sich diesmal nur die öffentlichen Gläubiger und damit vor allem die Steuerzahler anderer Länder beteiligen sollten, wohl erst einmal vom Tisch. Zwar dringt der IWF auf eine sol-che Lösung. Die EZB aber, die mittler-weile erhebliche Griechenland-Risiken in ihren Büchern hat, will sich daran auf keinen Fall beteiligen.
Schäuble ist nach wie vor entschlossen, der griechischen Regierung bei weiteren Ausfl üchten kein Geld mehr zu bewil-ligen. Für den Fall, dass der Geldhahn zugedreht werden müsse, sei die Gefahr der Ansteckung anderer Euro-Länder inzwischen geringer.
Das liegt auch an einem Deutschen, der schwächelnde Staatshaushalte stärken kann, wenn es sein muss: Klaus Reg-
Militärische Ehren Der Flughafen von Athen ist berüchtigt
für starken Wind. Er fährt Minister-präsident Antonis Samaras und
seiner Besucherin Angela Merkel ins Haar. Die Kanzlerin hinterließ wenig
Geld, aber einen guten Eindruck
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ESM-Anteile in Prozent
Deutschland
Frankreich
Italien
Spanien
Niederlande
Belgien
Griechenland
Österreich
Portugal
Finnland
Irland
Slowakei
Slowenien
Luxemburg
Zypern
Estland
27,1
20,4
17,9
11,9
5,7
3,5
2,8
2,8
2,5
1,8
1,6
0,8
0,4
0,3
0,2
0,2
Malta 0,07
FOCUS 42/201234
Quelle: ESM
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ling, seit voriger Woche noch ein bisschen wichtigerer Chef der größten Finanz-Ret-tungsaktion, die es in Europa je gab.
Präsidial sitzt Regling bei der offi ziel-len Einführung des neuen permanenten Euro-Rettungsschirms ESM in Luxem-burg neben Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker, und dieser überlässt ihm bedingungslos das Wort: „Richten Sie alle Fragen an Klaus.“ Mit bald 700 Milliar-den Euro im Rücken spricht es sich gleich viel bedeutsamer.
200 Milliarden stehen bereits hin-ter Regling. 500 sollen es im Laufe der nächsten 18 Monate werden, das meiste davon kein eingezahltes Kapital, sondern Garantiezusagen. Deutschland ist mit 190 Milliarden Euro dabei. Hinzu kommen 200 Milliarden Euro, die für den alten Euro-Rettungsschirm EFSF vorgesehen sind. Daraus werden weiterhin Irland, Portugal und Griechenland unterstützt.
Ob und wann Spanien an Reglings Tür klopft, ist ungewiss. Bleiben die Märkte ruhig, könnte sich bewahrheiten, worauf Schäuble inständig hofft: „Die Instru-mente des europäischen Rettungsschirms sind vor allem dafür da, dass sie nicht gebraucht werden.“
Der Chef der CSU-Gruppe im Europa-parlament, Markus Ferber, formuliert die Botschaft, die der ESM den Spekulanten senden soll: „Wir sind in der Lage, uns zu schützen – fangt gar nicht erst an, uns anzugreifen!“ (Siehe Interview Seite 36.)
Tatsächlich hat sich die Euro-Hysterie der Märkte etwas gelegt. Dafür wird der Ton unter den Euro-Rettern aufgereg-ter. Mit harschen Worten zertrümmerte Schäuble vorige Woche die Hoffnun-gen von EZB-Präsident Draghi, schon
zu Beginn nächsten Jahres die Aufsicht über die Banken in der Euro-Zone an sich ziehen zu können: „Mit dem Kopf durch die Wand gehen auch Präsidenten nicht in Europa.“
Über ihre Pläne für eine gemeinsame Bankenunion streiten Europas Politiker derzeit am heftigsten. Vor allem die Deut-schen sperren sich gegen eine schnelle Entscheidung und eine bei Draghi zen-tralisierte Kontrolle ihrer Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die Regie-rungen Südeuropas hingegen drängen da rauf, die Bankenaufsicht trotz weithin fehlender Infrastruktur möglichst sofort einzurichten: Sie ist eine der Vorbedin-gungen für direkte ESM-Geldspritzen an wankende Banken.
Immer stärker trennt der Euro die Länder, die ihn haben, von den EU-Mitgliedern, denen er vorläufi g jedenfalls gestohlen bleiben kann. „Wie gestalten wir das Verhältnis der 17 und der 27?“, nennt Schäuble als eine der vordringlichen Auf-gaben.
Einen neuen Graben könnte eine Idee von EU-Ratspräsident Herman Van Rom-puy ziehen, die er für den ersten EU-Gip-fel seit drei Monaten Ende dieser Woche
vorgelegt hat: ein eigenes Budget für die EU der 17 Euro-Länder. Der Bel-gier antwortet damit auf eine Schwierigkeit, die sich immer häufi ger stellt: Ganz selbstverständlich
nutzt die Euro-Zone Institutionen und Strukturen der EU, obwohl sie nur einen Teil der Mitglieder der Union umfasst. Dann heißt es: 17 gegen 10.
Und noch ein Problem belastet die Europäer bei der dringenden Sanierung ihrer Haushalte – ein Demokratie-Defi -zit. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), und führende Fraktionsvertreter verlangen in einem gemeinsamen Papier mehr Kontrolle der Abgeordneten über die Euro-Rettung bis hin zu einer Rechenschaftspfl icht der Troika. Und der Chef der Sozialisten im EU-Parlament, der Österreicher Hannes Swoboda, warnt sogar: „Wir dürfen der Euro-Zone nicht erlauben, die Einheit der gesamten Europäischen Union zu zerstören.“ ■
W. ASWESTOPOULOS / H.-J. MORITZ /
F. THEWES / M. VAN ACKEREN
Verhöhnte Helferin Das Plakat eines Demonstranten in Athen fordert „Widerstand gegen das Vierte Reich“. Nach Merkels Besuch kritisierten auch griechische Medien die vielen Nazi-Vergleiche scharf
Zahlmeister Berlin Die Bundes-republik bürgt für ein gutes Viertel der 700 Rettungsschirm-Milliarden
190 Milliarden schultern die Deutschen
![Page 35: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/35.jpg)
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POLIT IK
Herr Ferber, wer macht die Europapolitik der CSU?
Das Präsidium, der Parteivorstand und alle, die daran mitarbeiten.
Waren die Europaabgeordneten der CSU am europapolitischen Leitantrag für Ihren Parteitag am Wochenende beteiligt?
Der Leitantrag ist federführend vom Generalsekretär erarbeitet worden, und wir haben für ein paar Stellen auch Vorschläge einreichen dürfen.
»Seehofer hört zu sehr auf Gauweiler«Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber findet die Drohungen mancher Parteifreunde gegen die Griechen gefährlich
Hatten Sie bei Ihren Gesprächen über den Leitantrag Gelegenheit, Ihrem Generalsekretär Alexander Dobrindt zu erklären, dass man die Griechen gar nicht aus der Euro-Zone werfen kann?
Ich wäre froh gewesen, wenn es zum Leitantrag ein Gespräch gegeben hätte.
Teilen Sie die Auffassung von Herrn Dobrindt und auch des bayerischen Finanzministers Markus Söder, Griechen-land müsse sich vom Euro trennen?
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Solche Debatten treiben die Kosten der Griechenland-Rettung eher nach oben. Wir brauchen dort private Investitio-nen. Die gibt es nur, wenn klar ist, dass Griechenland im Euro bleibt. Das letzte Mal, dass Deutschland an Griechen-land ein Exempel statuiert hat, war in den 40er-Jahren auf Kreta. Das sollten wir uns nicht zum Vorbild nehmen.
Haben Sie für diese Meinung auch das Ohr Ihres Parteivorsitzenden
und Ministerpräsidenten Horst Seehofer?Wir Europaabgeordnete sind mit ihm in einem intensiven Meinungsaus-tausch. Aber er hört natürlich auch auf viele andere, vielleicht ein bisschen zu sehr auf Peter Gauweiler.
Ein Rauswurf der Griechen aus dem Euro wäre in Deutschland durchaus populär.
Und würde den deutschen Steuerzah-ler viel Geld kosten, auch in Bayern. Ich hoffe, die Vernunft wird sich durch-setzen. Die Kanzlerin gibt hier ein sehr gutes Vorbild ab, und ich kann nur empfehlen, diesem Vorbild zu folgen.
Aber gerade die Kanzlerin wird in Griechenland gehasst und beschimpft, wie ihr Besuch in Athen zeigte.
Aber sie hat Kurs gehalten und den Griechen nichts Neues versprochen. Und das verdient größten Respekt.
Fühlen Sie sich von den Griechen hinters Licht geführt?
Die Griechen haben sich in den Euro geschummelt. Sie hätten nie Mitglied werden dürfen. Dann haben sie viel versprochen und nichts ge-halten. Sie erleben jetzt zum ersten Mal, dass die EU es mit ihren Forde-rungen an sie richtig ernst meint. Das ist gut so.
Über neues Geld für Athen wird an-geblich erst entschieden, wenn die internationalen Finanzkontrolleure ihren nächsten Bericht vorlegen. Aber ist die Grundsatzentscheidung nicht schon längst gefallen: Griechenland im Euro halten, koste es, was es wolle?
Ein negativer Bericht könnte die Aus-zahlung der nächsten Hilfstranche noch stoppen. Das muss ja auch durch die Parlamente. Da wird es keinen poli-tischen Rabatt geben. ■
INTERVIEW: HANS-JÜRGEN MORITZ
CSU-Vorposten in Brüssel Markus Ferber, 47, leitet seit 1999 die Gruppe der CSU im Europäischen Parlament. Der Augsburger gehört auch dem Vorstand seiner Partei an
![Page 38: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/38.jpg)
FOCUS 42/201238
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P eer Steinbrück ist kein Typ zum Kuscheln. Wenn er im Straßen-wahlkampf auftritt, halten die
Menschen Sicherheitsabstand. Seine Reden sind Frontalveranstaltungen. Der Ökonom liebt die klare Ansage.
Am Montag vergangener Woche war das anders: Die Stühle standen im Kreis, die beiden Redner rückten zusammen. Alle legten Wert auf größtmögliche Har-monie. Steinbrück und SPD-Generalse-kretärin Andrea Nahles stimmten die Mitarbeiter des Willy-Brandt-Hauses auf den bevorstehenden Wahlkampf ein.
Leicht wird dem Kandidaten die Einig-keit nicht gefallen sein. Steinbrück hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie er über die SPD und ihre Funktionärsriege denkt. Legendär ist sein Satz, in dem er die Parteifreunde „Heulsusen“ nann-te. So mancher im Willy-Brandt-Haus fühlte sich angesprochen – nicht ganz
zu Unrecht. Nahles, die Chefi n der Par-teizentrale, bekam Steinbrücks beißen-den Spott zuletzt vor zwei Wochen zu spüren, als er im ZDF bei einem Frage-Antwort-Spiel den Satz „Ohne Andrea Nahles wäre mein Leben . . .“ mit den Worten beendete „. . . genauso reich wie heute“.
Das Lächeln über seinen markigen Spruch ist Steinbrück inzwischen vergangen. Wenn er Angela Merkel gefährlich wer-den will, muss er mit Nahles und dem von ihr geführten Willy-Brandt-Haus zusammenarbeiten.
Die Generalsekretärin ist laut Par-teisatzung für die „Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl-kämpfe“ zuständig, seit Monaten bastelt sie zusammen mit zwei Werbeagenturen an der Kampagne. Ohne Nahles und ihre Mannschaft wird die SPD keinen erfolg-reichen Wahlkampf führen können.
Das hat auch der Kandidat inzwischen verstanden – und gibt sich reumütig. Der Satz tue ihm leid, beteuerte Steinbrück in einem persönlichen Gespräch mit Nahles – und vor einem Millionenpub-likum im Fernsehen. Die „Sache“ sei damit für sie erledigt, erklärte Nahles. Sie habe sich über die Entschuldigung Steinbrücks gefreut. „Menschlich fand ich das sehr gut.“
Auch bei der Versammlung im Willy-Brandt-Haus war die Atmosphäre gut – berichten Beteiligte. Für die Mitarbeiter fand Steinbrück lobende Worte. Gleich-wohl kündigte er an, eigene Leute in die Parteizentrale mitbringen zu wollen. Welche und wie viele das sein sollen, traute sich niemand aus der Belegschaft zu fragen. Offenheit hin oder her.
Ein Büro im SPD-Hauptquartier hat der Kandidat bereits bezogen, Zimmer-nummer 513, auf demselben Flur wie
Plötzlich beste ParteifreundeVon Andrea Nahles und dem Willy-Brandt-Haus hat Peer Steinbrück noch nie viel gehalten. Jetzt muss er als Kandidat mit der SPD-Zentrale und deren Chefi n Wahlkampf machen. Kann das klappen?
»Ohne Andrea Nahles wäre
mein Leben . . . . . . genauso reich
wie heute«Es sollte ein fl otter Spruch sein,
doch er kam nicht gut an: Inzwischen hat sich Peer
Steinbrück (hier mit Andrea Nahles auf dem Sommerfest der
SPD) für den Satz bei der General-sekretärin entschuldigt
![Page 39: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/39.jpg)
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40 FOCUS 42/2012
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Nahles. Steinbrücks langjährige Büro-leiterin Sonja Stötzel arbeitet bereits dort, sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Sebastian Petzold soll folgen, sobald die Formalitäten mit der Bundestagsverwal-tung geklärt sind.
Als ersten echten Neuzugang für sein Team konnte Steinbrück Heiko Geue verpfl ichten. Dieser diente ihm bereits von 2005 bis 2009 als Leitungsstabs-chef im Bundesfi nanzministerium und ist aktuell Finanzstaatssekretär in Sach-sen-Anhalt. Geue wird eine zentrale Rolle spielen, zumal er sich auch mit Steinbrücks Büroleiterin Stötzel bestens versteht. Der Ökonom wird als kluger Kopf geschätzt. Insider sind sich aber nicht sicher, ob er mit den parteiinter-nen Spannungen im Willy-Brandt-Haus zurechtkommt. In der SPD erwartet man daher, dass Steinbrück noch mindestens einen weiteren Vertrauten holt, der auch „Partei kann“.
Das gilt zweifellos für Michael Don-nermeyer. Auf der Liste der möglichen Steinbrück-Sprecher steht er deshalb ganz oben. Donnermeyer ist im Willy-Brandt-Haus ein alter Bekannter, er war unter Gerhard Schröder Sprecher der Bundes-SPD, bevor er als Kommunika-tionschef in die Berliner Senatskanzlei und später in die Wirtschaft wechselte. Mit einem Sprecher wie Donnermeyer, so glaubt man in der SPD, hätten sich Steinbrücks immense Nebeneinkünfte (siehe Interview) nicht zu einem so heik-len Thema entwickelt.
Im Umfeld von Nahles verfolgt man den Aufbau der Steinbrück-Mannschaft mit gemischten Gefühlen. Der General-sekretärin dürfte klar sein, dass der Kan-didat seine Vertrauten auch installiert, um sie unter Kontrolle zu halten. Offi -ziell spricht Nahles von einem „völlig normalen Verfahren“. Doch der mühsam geschlossene Frieden zwischen Kandidat und Apparat ist brüchig. Er kann nur halten, wenn sich gemeinsamer Erfolg einstellt.
Im Moment sieht es ganz gut aus für die SPD. Trotz aller Diskussionen um die bezahlten Reden ihres Favoriten hievt der Steinbrück-Faktor die Partei in einer Forsa-Umfrage über die wichtige 30-Prozent-Schwelle – zum ersten Mal seit sechs Jahren. ■
A. NIESMANN / H. ROSSLER-KREUZER
Herr Haider, Sie bieten Peer Steinbrück seit 2009 als Redner an. Hat Sie die Aufregung um seine Neben-einkünfte überrascht?
Steinbrück ist nun Kanzler-kandidat der SPD und muss rechtfertigen, was Realität ist: seine vielen, vielen Nebentä-tigkeiten. Ich glaube, er hatte nicht wirklich damit gerechnet, noch einmal als Kanzlerkandi-dat in die Bütt zu springen.
Seit wann ist er als Vor-tragsredner interessant?
So richtig fi ng das Vortragsgeschäft an – wie bei allen aktiven Rednern aus der Politik –, als seine Ministertätigkeit vor-bei war. Jetzt ist damit wieder Schluss.
Vorerst ist die Kanzlerkandidatur für Steinbrück also ein Minusgeschäft.
Ein Opfer, ja. Wir hatten dasselbe Prob-lem mit Joachim Gauck, der als Redner sehr begehrt war. Als er Bundespräsident wurde, mussten wir von einem Tag auf den anderen alle Aufträge absagen.
Steinbrück gruppiert sein Vortragshono-rar in die Kategorie „mindestens 7000 Euro“ ein. Gibt das die Höhe wieder?
Nein, das Honorar, das wir angeboten haben, liegt deutlich drüber.
Branchenkenner sprechen von 15 000 Euro. Kommt das der Wahrheit näher?
Kein Kommentar. Ich habe eine Ver-schwiegenheitsklausel unterzeichnet und würde vertragsbrüchig werden, wenn ich Ihnen diese Zahl bestätigen würde.
Verstehen Sie die Verärgerung vieler Wähler über Steinbrücks Nebeneinkünfte?
Als Wähler muss ich mich doch fragen: Will ich im Bundestag wirklich Leute haben, die froh sind, endlich 8000 statt 3000 Euro im Monat zu verdienen? Ich will doch dort auch Menschen aus der Wirtschaft sehen, die entsprechende Kompetenz mitbringen. Denen muss man dann aber auch andere Einkommensquel-len gestatten. Wobei ich dafür bin, die Höhe der Nebeneinkünfte sowie die Zeit dafür nach oben zu begrenzen, damit das
Verhältnis zur Bundestagstätig-keit gewahrt bleibt. Was macht einen Redner Steinbrück so begehrt?Er kann mit wenigen Worten ver-ständlich erklären, was sich in Europa gerade fi nanzpolitisch ereignet. Wir leben in einer Marktwirtschaft, Steinbrück hat eine Nachfrage und einen Marktwert. Der Kunde zahlt für den Prestigevorteil, den ihm ein prominenter Politiker, Künstler oder Unternehmer als Veranstal-tungsgast verschafft.
Aber nur der Politiker muss sich dem Steuerzahler gegenüber rechtfertigen.
Steinbrück hat deshalb nun aus meiner Sicht eher die Bringschuld offenzulegen, was er tatsächlich als Parlamentarier geleistet und welche Erfolge er im Bun-destag erzielt hat. Das würde mich mehr interessieren als die Liste und Höhe sei-ner Nebeneinkünfte.
Verständlich. Die Liste wird ja auch Auskunft über Ihre Gebühren geben.
Natürlich zahlen meine Kunden einen gewissen Betrag on top für meine Dienst-leistungen. Ich berate, mache die Verträ-ge, die Logistik und mehr. Wenn die Hono-rare für Peer Steinbrück nun offengelegt werden, muss ich mich meinen Kunden gegenüber vielleicht rechtfertigen. Ver-mutlich könnte ich die Offenlegung der Vertragsdetails zwischen meiner Firma und Herrn Steinbrück juristisch stoppen. Doch den Ärger tue ich mir nicht an.
Glauben Sie, dass eine Veröffentlichung der Honorare das Thema beenden wird?
Ich schätze, dass Steinbrück sich damit keinen Gefallen tut. Er ist in einer heiklen Situation, obwohl er sich an die Bundes-tagsvorgaben gehalten hat. Den Ausgang dieser Diskussion kann ich nicht prog-nostizieren. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir nicht den letzten Kanzlerkan-didaten der SPD in diesem Wahlkampf gesehen haben. ■
INTERVIEW: BEATE STROBEL
»Nicht der letzte Kandidat«7000 Euro pro Rede? Unrealistisch: Ein Branchenkenner glaubt, Steinbrücks Kandidatur könnte an seinen Nebeneinkünften scheitern
Der MittelsmannSiegfried Haider ist Geschäftsführer der Redneragentur experts4events
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![Page 42: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/42.jpg)
FOCUS 42/201242
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AMERIKA,Zufallsstichprobe im Wahlvolk: Fotograf Piero Ribelli reiste 50 Main Street leben oder arbeiten. Ein FOCUS-Reporter
Kalifornien
»Boxen bringt die jungen Leute weg von der Straße«George Sylva arbeitet in der Werbefi lmbranche von Los Angeles und neben-bei als Boxtrainer. Er glaubt, dass sein Sport ein Mittel im Kampf gegen Jugend-kriminalität ist.
![Page 43: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/43.jpg)
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WIE GEHT ES DIR?in alle 50 Staaten der USA und porträtierte Menschen, die unter der Nummer wollte wissen: Wie sehen Amerikas Hauptstraßenbewohner die Lage ihrer Nation?
Texas
«Wer sich nicht selbst ver-teidigen kann,ist verloren«Mike Mosher, Rechtsanwalt in Paris/Texas (im Foto mit seiner Frau Helen) tritt, wie die meisten Menschen im Süden der USA, für das nahezu uneingeschränkte Recht auf Waffenbesitz ein.
![Page 44: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/44.jpg)
FOCUS 42/201244
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Ich hatte es nicht weit, vier oder fünf Stationen mit dem F-Train nur. Dennoch bittet Piero Ribelli um Verständnis, mich zu unserem Treffen in ein Café in seiner Wohn-
straße im Greenwich Village gebeten zu haben. Seine Frau habe kürzlich Zwillinge bekommen, da müsse er, der freischaf-fende Fotograf, in der Nähe bleiben.
Aber keine Ursache, außerdem war mein Gesprächspartner zuletzt genug unter-
wegs. Der gebürtige Italiener, 52, ist 1987 nach New York gezogen. Nun hat er ein Projekt realisiert, das ihn in alle 50 Bun-desstaaten der USA führte. In einem Ort eines jeden Staates porträtierte Ribelli Menschen, die an der Adresse 50 Main Street (Hauptstraße 50) leben oder arbei-ten. Sieben Jahre brauchte er dafür.
Von A wie Alabama bis W wie Wyoming entstand ein Querschnitt durch einen Kosmos mit 310 Millionen Einwohnern.
»Nicht die Regierung baut Straßen. Es ist der Steuerzahler«Bob Miller ist Immobilien-makler in Alpharetta/ Georgia. Ihm gehörte dort bis vor Kurzem das Haus 50 South Main Street. Nun hat er es an die Stadt-verwaltung verkauft.
![Page 45: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/45.jpg)
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Ribellis Bilder erzählen von einer Reise ins Innere Amerikas, über Reichtümer und Nöte, Sehnsüchte und Ängste des Landes.
„Main Street“, sagt Ribelli, „ist der Ort, den Puls des Landes zu messen.“ Die vorrangige Erkenntnis, die er vermitteln wollte, ist nicht ganz neu, aber immer wie-der auf faszinierende Art wahr: dass die Vielfalt der Kulturen in Amerika jederzeit neue und interessante Blickwinkel auf die wichtigen Dinge des Lebens biete.
Von denen, die Ribelli kennen lernte, hoffe ich, etwas über den Zustand der Ver-einigten Staaten vor der Präsidentenwahl am 6. November zu erfahren. Die beiden Kandidaten tragen einen Wahlkampf der Gehässigkeiten aus. Als Vaterlandsverrä-ter, Kommunist und Muslimbruder wird der eine verhöhnt, als Steuerhinterzie-her, Rentnerschreck und Kriegshetzer der andere. Was sagen die Hauptstraßenbe-wohner zu den Streitpunkten?
»Die Republika-ner sind schuld, wenn Obamas Politik scheitert«Cynthia Jones betreibt einen Schönheitssalon in der Stadt New Britain/ Connecticut. In ihrer Jugend in Florida litt sie unter Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe.
![Page 46: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/46.jpg)
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»Wir unter-stützen Obama. Aber er wird blockiert«Angela Brown Fischer könnte man als Teil des demokratischen Adels von Rhode Island bezeichnen. Ihre Familie besitzt ein historisches Haus in der Hauptstadt Providence.
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Ich bitte einige um ein Treffen. Lyn und Rachel Melody sagen zu. Das pensionierte Paar empfängt mich in dem Dorf Paradise Valley im Norden Nevadas.
„Wählen Sie Barack Obama oder Mitt Romney?“ Eine so direkte Frage käme nicht gut an. Stattdessen schneide ich das Recht auf Waffenbesitz an. Das letzte Massaker, während einer „Batman“-Vor-stellung in einem Kino in Aurora bei Den-ver/Colorado, liegt drei Monate zurück.
Natürlich besäßen sie Waffen, sagen die Melodys, nicht nur zum Jagen in den umliegenden Bergen. „Sie können da-rauf wetten, dass wir uns zu verteidigen wissen. Wir sind gute Schützen“, betont Rachel Melody, die als Lehrerin Behin-derte unterrichtete. Sie lächelt.
Rachel und ihr Mann Lyn, 80, ehema-liger Bankbeamter, leben in einer jener Flachbauten, die ein Truck auf die Lade-fl äche nehmen und irgendwo wieder absetzen könnte, im fernen Florida oder im benachbarten Utah. Tatsächlich über-legen die Melodys einen wohl letzten Umzug – nach Reno, näher zu den Ärz-ten und Kliniken, die sie immer häufi ger brauchen. Obamas Gesundheitsreform ist für sie ein wichtiges Thema. „Kommt er damit durch, schreiben uns bald irgend-welche Bürokraten vor, bei wem wir uns
behandeln lassen dürfen“, befürchtet Lyn Melody. „Schrecklich“ sei diese Reform.
„Wer sich nicht selbst verteidigen kann, ist verloren“, beantwortet Mike Mosher meine Waffenfrage. Mosher, 62, lebt mit seiner Frau Helen in Paris/Texas („Jawohl, den Film haben wir gesehen“). Er ist Rechtsanwalt. 1992 erfocht er ein welt-weit beachtetes Urteil gegen einen Phar-makonzern. Es ging um Nebenwirkun-gen eines Psycho-Medikaments. Meist beschäftigt er sich mit Scheidungen. In Paris, 25 000 Einwohner, wirkt bestenfalls der quadratische Hauptplatz urban. Auch Mosher geht jagen, auf seinen eigenen 243 Hektar Land. Die genaue Zahl seiner Waffen verrät er nicht – 15, vielleicht 20.
Menschen wie Mosher legen Wert auf Autonomie. Sein Landbesitz, die Rinder darauf, das Wild, die Fische aus dem Fluss: „Ich esse selbst produziertes Fleisch“, betont er. Politisch engagierte er sich 1994 bei den Republikanern. Die Rich-tung, die die „Grand Old Party“ seitdem genommen hat, gefällt ihm nicht. „Wie Fundamentalisten“ würden manche Par-teivertreter argumentieren, zum Beispiel, wenn sie die Darwin’sche Evolutionslehre verdammten und an ihre Stelle den Kre-ationismus setzten, eine krude Abwand-lung der Schöpfungsgeschichte. Und Mitt Romney, sagt Mosher und lacht dabei etwas böse, sei ja wohl bloß „ein Scherz“.
1240 Straßenkilometer östlich von Paris/ Texas, nimmt mich Immobilienmakler Bob Miller gleich mit in eines der Waffenge-schäfte seiner Heimatstadt Alpharetta nahe Atlanta/Georgia. Wer älter als 18 ist, kann zwischen „Halbautomatischen“ und „Automatischen“ wählen, wer 21 ist und keinen Ärger mit der Polizei hatte, darf das Schießeisen auf der Straße tragen.
Eine Lärm dämpfende Glaswand trennt den Verkaufsraum von einem Schieß-stand. Väter unterrichten ihre Söhne und Töchter. Auch ich könnte über eine befris-tete Mitgliedschaft „trainieren“, erklärt mir ein freundlicher Angestellter. Im nahe gelegenen Kennesaw machte der Stadt-rat 1982 den Waffenbesitz zur Pfl icht. Wer das Recht auf Gewehr oder Revolver beschränken will, gilt hier im Süden der USA vielen als Verfassungsfeind.
Bob Miller stellt alles in Frage, was an Vor-schlägen und Regelungen von den zentra-len Behörden in Washington kommt. „Big government“, überdimensionierte Regie-rung, heißt das in der republikanischen Wahlkampfsprache. Auch die staatliche 50-Milliarden-Dollar-Stütze für General Motors, die sich die Demokraten als große Rettungsaktion für Arbeitsplätze zugute-halten, nennt der 55-Jährige einen Fehler. „Obama hätte GM bankrottgehen lassen sollen. Dann hätte der Konzern die Chan-ce gehabt, aus eigener Kraft wieder auf-zustehen, ähnlich wie Delta Air Lines vor einigen Jahren“, meint Miller. Der Makler profi tiert in seinem Geschäft von zahlrei-chen Infrastrukturprojekten in und um Atlanta, wie etwa den Olympischen Spie-len 1996, doch seinem Selbstbild nach hat er sich ganz allein durchgeschlagen.
Stolz, ein Amerikaner zu sein, ist auch George Sylva aus Kalifornien. Stolz
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ist er zudem auf seine indianische Ab-stammung und darauf, es in der Welt der Kommunikationsagenturen in Los Ange-les weit nach oben geschafft zu haben. Aufgewachsen, so der 50-Jährige, sei er „in einer ziemlich rauen Umgebung“.
Wenn Werbefilmexperte Sylva heute spätnachmittags sein Büro verlässt, fährt er in ein Sportstudio. Dort verwandelt er sich in einen Boxtrainer. Seine Schützlin-ge sind jung. Einige drohen abzugleiten. Boxen könne aus Problemjugendlichen bessere Menschen machen. „Sie erfahren, was Erfolg ist“, glaubt Sylva.
Sylva weiß um den Wert der lokalen Tat, die Armut und geistige Verwahrlo-sung lindern kann. „Ich sehe, wie sich das Gehabe der Jungs verbessert.“
Helfen und fördern auf Privatinitiative, die-ser Gedanke lebt auch im demokratischen Kernland der New-England-Staaten an der anderen Küste. Angela Brown Fischers Familie besitzt ein nahezu 250 Jah-re altes Stadthaus in Providence/ Rhode Island. Viel könne man nicht erübrigen, aber sie und ihr Mann, ein Neurochirurg, unterhalten eine Stiftung, die mit bis zu 5000 Dollar pro Person Studenten fördert. Grundsätzlich sei akademische Ausbil-dung in den USA zu teuer, moniert die elegante Dame. Sie lässt sich auf ein kla-
res politisches Bekenntnis ein, sagt aber nicht einfach, für wen sie stimmt, sondern formuliert, dass „wir“ Obama „unterstüt-zen“. Wenn ihn die Republikaner im Kon-gress nicht blockierten, hätte der Präsi-dent sicher schon den Zugang zu höherer Bildung gerechter gestaltet.
Brown Fischer kennt Mitglieder der Ken-nedy-Familie persönlich. 1953 heiratete John F. Kennedy seine Jacqueline in Rhode Island. Der flächenmäßig kleinste Bundes-staat ist in demokratischer Hand, aber die Arbeitslosenrate liegt über und das Wirt-schaftswachstum unter dem Durchschnitt. „Wir beneiden die Deutschen um ihr Aus-bildungssystem“, sagt Brown Fischer. Dann verabschiedet sie sich, denn sie
und ihr Mann planen einen Segeltörn in den nächsten Tagen. Ein Ziel ist Martha’s Vineyard, das Sylt vor der Ostküste.
In Connecticut, wieder nahe New York, treffe ich die 62-jährige Cynthia Jones. An der Hauptstraße der 70 000-Einwohner-Stadt New Britain führt sie den Schön-heitssalon Mahogany. Der Name deutet auf die Hautfarbe der Kundschaft hin.
Auch Jones könnte stolz sein auf ihre Lebensleistung. Drei Kinder hat sie größ-tenteils allein großgezogen. Aber sie wirkt misstrauisch und niedergedrückt.
Jones wuchs in Florida auf. „Jeder weiß, was das in den 60er-Jahren bedeutet hat.“ Damals erst erkämpfte dort die Bürger-rechtsbewegung das Wahlrecht für die Schwarzen. Jones fühlt sich unwohl in dem von Familien polnischen Ursprungs geprägten Ort New Britain, aber in den Süden möchte sie nicht. „Ich hasse Flori-da“, erklärt die Geschäftsfrau.
Ich muss an Bob Dylan denken, der kürz-lich im „Rolling Stone“ sagte, einige Weiße wollten „nicht die Sklaverei aufgeben“. Die USA seien „auf dem Rücken von Skla-ven errichtet“ worden. Die harten Aussa-gen des Meisters wirkten auf mich seltsam. Im Gespräch mit Cynthia Jones ergeben sie etwas Sinn. Vor vier Jahren habe sie Barack Obama gewählt, „aber nicht wegen seiner Hautfarbe“. Auch Jones macht für alles, was dem Präsidenten misslingt, die Republikaner verantwortlich. Eine Gallup-Umfrage im September ergab, dass 95 Pro-zent der Afroamerikaner Obama favori-sierten, aber nur 43 Prozent der Weißen.
„In den vergangenen Jahren scheint Amerika eher auseinanderzufallen als sich wieder zu vereinen“, schreibt der texani-sche Historiker Douglas Brinkley im Vor-wort zu Piero Ribellis Bildband. Wer der Reiseroute des Fotografen folgt, findet die-se Analyse vielfach bestätigt.
„50 Main Street“ erschien am 4. Juli, dem Nationalfeiertag der USA. Es zeigt 50 Orte und 50 Schicksale – und 50-mal, wie stark und lebendig Amerikas „Pursuit of happiness“ ist, sein Streben nach Glück. Brinkley preist deshalb Ribellis Buch – als Heilmittel für das Land. ■
KURT-MARTIN MAYER
»Bürokraten wollen uns unseren Arzt vorschreiben«Lyn Melody hat in allen Teilen des Wüstenstaats Nevada gearbeitet. Er lebt mit seiner Frau in Paradise Valley und kümmert sich um die Veranstaltungs-halle des Dorfes.
»50 Main Street« – Bewohner im Interview
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Literaturnobelpreis nahm die Nervosität auf der Frankfurter Buchmesse bizarre Formen an. TV-Teams fielen ein auf dem Stand des DuMont-Ver-lags, der die Romane des als Favorit gehandelten Japaners Haruki Mura-kami publiziert. Mikrofo-ne und Kameras visierten eisern den Verlags-Chef an, um sich keine Regung entgehen zu lassen.
Bis schlagartig der Name Mo Yan die Runde mach-tel, alle Journalisten ihre Gerätschaft schnappten und grußlos zum Nach-barstand stürmten, wo das Personal des Suhrkamp- Verlags fieberhaft nach Exemplaren jenes Mo-Yan-Romans fahndete, den er drei Jahre zuvor publi-ziert hatte.
Selten sind die Ansichten über einen Literaturnobel-preisträger so weit auseinandergegan-gen wie in diesem Fall. Dichterkollege Martin Walser nennt ihn „den wichtigs-ten Schriftsteller unseres Zeitalters“. Hanser-Verleger Michael Krüger, der im kommenden Frühjahr den Roman „Die Frösche“ des Chinesen herausbringen will, lobt ihn als „Erzähler, der das Leben der Chinesen nach dem Desaster der Kulturrevolution, das von der Kommunis-tischen Partei verschwiegen wird, in allen schmerzlichen Details darstellt“.
Dissident Ai Weiwei dagegen stellt knapp fest: „Ich akzeptiere das politische Verhalten von Mo Yan in der Realität nicht. Er ist mög-licherweise ein guter Schriftsteller. Aber er ist kein Intellektueller, der die heutige chi-nesische Zeit vertreten kann.“ Die Autorin und Umweltaktivistin Dai Qing sagt im
Gespräch mit FOCUS: „Ich schäme mich fast für das Nobelkomitee wegen die-ser Entscheidung. Es kennt China offenbar nicht. Mo Yan mag Talent fürs Schrei-ben haben, aber mit dem, was er schreibt, versucht er, der chinesischen Obrig-keit zu gefallen. Und dass Mo Yan 2002 Mao-Texte handschriftlich abgezeich-net hat, ist ein Skandal.“ Der aus China geflohene Autor Liao Yiwu, gerade mit dem Friedenspreis des deut-schen Buchhandels ausge-zeichnet, nennt die Haltung des Westens „diffus“.
Chinesische Autoren wur- den in jüngster Zeit mit Prei-sen reich bedacht: Der im Exil lebende Gao Xingji-an erhielt 2000 den Litera-turnobelpreis, der Bürger-rechtler Liu Xiaobo 2010 den Friedensnobelpreis. Die Versuche westlicher Jurys, durch namhafte Auszeichnungen die Op-
position des Landes zu stärken, sind unübersehbar.
Mit Mo Yan tritt nun ein Chinese in die Riege der mit internationalen Ehren bedachten Schriftsteller ein, der vielen bislang als williger Gefolgsmann der Machthaber in Peking galt. Entsprechend aufgeregt waren erste Reaktionen. Doch vielleicht hat die hohe Auszeichnung in diesem Fall einen Schriftsteller ermutigt, der zuvor die Kraft zum Konflikt mit dem Regime nicht fand. Zumindest hat sich Mo Yan im Schutz seiner neuen Nobel-preiswürde umgehend für den zu elf- jähriger Haft verurteilten Liu Xiaobo ein-gesetzt: „Ich hoffe, er erlangt seine Frei-heit so schnell wie möglich.“ ■
GUDRUN DOMETEIT / UWE WITTSTOCK
Der Mut des »Sprachlosen«Mit dem Literaturnobelpreis für Mo Yan brüskiert die Stockholmer Akademie die chinesische Opposition. Vielleicht aber gibt die Auszeichnung dem zuvor unterwürfigen Autor die Kraft zum Konflikt
Guan Moye, 1955 geboren, schreibt unter dem Namen Mo Yan (»Der Sprachlose«). Trat 1976 in die chinesische Armee ein, deren Kunst-hochschule er besuchte. 1987 durch die Verfil-mung seines Romans »Das rote Kornfeld« bekannt geworden.War stellvertretender Vorsitzender des partei- treuen chinesischen Schriftstellerverbands
Staatsdichter?
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dpa
O laf Lindner, Kommandeur der deut-schen Polizei-Eliteeinheit GSG 9,
gilt bei seinen Leuten als zäher Hund. Das ist in diesen Kreisen ein großes Kompliment. Schon morgens um 6 Uhr zieht Lindner seine Laufschuhe an und stemmt danach Hanteln. Der 46-Jähri-ge, von Haus aus Spezialtaucher und Kampfschwimmer, ist topfi t.
Kurz nach den Feiern zum 40. Jubilä-um der GSG 9 der Bundespolizei steht Lindner vor einer neuen Aufgabe, die ihn fordern wird. Mit überwältigender Mehrheit wählten ihn die Komman -deure von 32 Polizei-Sondereinheiten aus allen 27 EU-Mitgliedsländern zum neuen Präsidenten.
Vier Jahre lang soll Lindner auf euro-päischer Ebene der oberste Fachmann für harte Einsätze gegen den Terror und das organisierte Verbrechen sein. In erster Linie als Koordinator, direkte Befehlsgewalt vor Ort über einzelne aus-ländische Teams hat er nicht.
In den vergangenen Jahren ging es zumeist um identische Ausbildung, Einsatztaktik und Ausrüstung der Ein-heiten. Auf Grund der andauernden terroristischen Bedrohung zieht der Atlas-Verbund, so der interne Name, jetzt län-derübergreifende Einsätze in Betracht.
Eine groß angelegte Anti-Terror-Übung im nächsten Jahr soll auf den möglichen Ernstfall vorbereiten. In neun EU-Län-dern wird es zeitgleich zu realitätsnahen Attacken kommen, die von mehreren Sondereinheiten entschieden bekämpft werden müssen. Zum Schreckensszena-rio zählen: Überfälle auf eine Fähre und einen Schnellzug, Massengeiselnahmen und die Entführung eines Flugzeugs.
Zu den Atlas-Einsatzkräften gehören neben der international renommierten GSG 9 auch weitere Teams von großer Professionaliät. Mit den Spezialisten der österreichischen Einheit COBRA arbei-ten die Deutschen schon länger eng zusammen. Seit Jahren gefordert im Anti-Terror-Kampf sind RAID und GIGN
aus Frankreich sowie GEO aus Spanien und CO19 vom britischen Scotland Yard.
Nur mit einem erfahrenen Team soll die GSG 9 partout nicht kooperieren – wenn es nach den Politikern der Linkspartei im Deutschen Bundestag geht. Die ameri-kanische Spezialeinheit Navy Seals, die im Mai 2011 den Top-Terroristen Osama bin Laden in Pakistan erschoss, ist für die roten Parlamentarier eher eine gna-denlose Killertruppe – also schlechter Umgang für die Bundespolizisten.
Trotz heftiger Beschwerden aus den Rei-hen der Linkspartei soll jetzt der Plan für einen Austausch mit den Navy Seals umgesetzt werden. Jerome F., Leiter des maritimen Kommandos der GSG 9, geht für einen längeren Zeitraum zu Ameri-kas Eliteeinheit Nr. 1. Zuvor hospitiert F., der ursprünglich vom Bundeskriminal-amt kam, bei der US-Bundespolizei FBI.
Unterdessen sah man kürzlich im Hauptquartier der GSG 9 in St. Augus-tin bei Bonn lange Gesichter. 60 Bewer-ber, zumeist Beamte der Bundespoli-zei und der Länderpolizeien, waren zu einer anspruchsvollen Aufnahmeprüfung angetreten. Getestet wurden körperliche und mentale Belastbarkeit in Extrem-situationen, Intelligenz, Teamfähigkeit, sportliche Leistungen. Das Ergebnis: Nur sechs von 60 Männern kamen durch.
Olaf Linder gestand Mitte September auf der Feierstunde zum GSG-9-Jubilä-um freimütig Nachwuchsprobleme ein. Dieser Umstand werde aber nicht dazu führen, bei der Einstellung von Kandi-daten die Aufnahmehürden zu senken. Lindner: „Für uns geht Qualität vor Quantität.“ ■
JOSEF HUFELSCHULTE
Sechs von 60 kamen durchDer Kommandeur der deutschen Eliteeinheit GSG 9 gesteht Nachwuchssorgen ein – Olaf Lindner soll auf europäischer Ebene die Arbeit von 32 Polizei-Spezialteams aus 27 Ländern koordinieren
FrontalangriffZwei Spezialisten der GSG 9 stoppen bei einer Einsatzübung ein verdächtiges Fahrzeug
Anti-TerroristOlaf Lindner ist Kommandeur der GSG 9
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M ark Bowden ist berühmt dafür, dramatische Geschehnisse eben-
so spannend wie wahrheitsgetreu zu erzählen. In seinem Bestseller „Black Hawk Down“ protokolliert der 61-jähri-ge US-Journalist Amerikas Militärdeba-kel 1993 in Somalia. Er hat über die Jagd auf Kolumbiens berüchtigten Drogen-kartell-Chef Pablo Escobar geschrieben und über den Cyber-Krieg im Internet.
Diese Woche erscheint Bowdens jüngs-tes Werk: „Killing Osama – Der gehei-me Krieg des Barack Obama“. Das Buch schildert die Tötung von Amerikas Staatsfeind Nummer eins: Al-Qaida-Anführer Osama bin Laden.
Dem Autor geht es dabei weniger um den Einsatz des legendären Navy Seal Team Six, das den Terroristen-Chef im pakistanischen Abbottabad aufspürte. Vielmehr rekonstruiert Bowden, wer und was den US-Präsidenten dazu bewog, die Tötung bin Ladens anzuordnen.
Bowden, der Obama für sein Buch per-sönlich interviewte, skizziert den Frie-densnobelpreisträger als mitunter risiko-
»Es ging darum, den Abzug zu drücken«Ein neues Buch enthülllt, wie US-Präsident Barack Obama die Entscheidung traf, Al-Qaida-Chef Osama bin Laden zu töten
bereiten Krieger, der schon mal aus dem Bauch heraus entscheidet.
Anders als sein Vorgänger George W. Bush habe Obama nie geglaubt, dass bin Laden sich „in den Bergen“ zwischen Afghanistan und Pakistan versteckt halte und dort „ein asketisches Leben“ führe, heißt es in einem Buchauszug, den das Magazin „Vanity Fair“ vorab druckte. So sei er auch nicht verwundert gewe-sen, als ihm sein stellvertretender Sicher-heitsberater Thomas Donilon im August 2010 zuflüsterte: „Leon (der damalige CIA-Direktor Leon Panetta) und die Jungs in (der CIA-Zentrale) Langley glauben, dass sie etwas haben. Etwas, das mit bin Laden zu tun hat.“
Bei dem „etwas“ handelte es sich um ein Haus in Abbottabad, in dem die CIA den Al-Qaida-Chef vermutete.
Obama habe das Anwesen per Video überwachen lassen, schreibt Bowden. Auf den Bildern sei ein Mann zu sehen gewesen, der regelmäßig durch den Gemüsegarten spazierte. Hatten die Ter-roristen-Jäger tatsächlich bin Laden vor
den Augen? „Uns war klar, dass es ebenso ein afghani-scher Warlord hätte sein kön-nen oder ein Drogendealer aus der Golfregion, der dort seine Freundin oder eine zweite Familie hatte“, zitiert der Autor den Präsidenten.
Immer wieder sei im „Situ-ation Room“, dem Lagezent-r um des Weißen Hauses, über das weitere Vorgehen disku-
tiert worden. Besonders der stellvertre-tende CIA-Chef Michael Morell habe zur Vorsicht gemahnt: „Selbst wenn uns ein Informant vor Ort bestätigt hätte, dass es sich um bin Laden handelt, hätte ich die Wahrscheinlichkeit, dass das stimmt, nicht höher als 60 Prozent eingeschätzt.“ Obama selbst habe die Chance nur auf 50 : 50 beziffert, so Bowden.
„Ich muss wohl eine Münze werfen“, soll der Präsident seinem Team lakonisch beschieden haben. Vizepräsident Joseph Biden und Verteidigungsminister Robert Gates hätten von der Operation abge-raten. Dagegen habe CIA-Chef Panetta dem Präsidenten ins Gewissen geredet: „Denken Sie daran, was die Öffentlich-keit sagen wird, wenn sie erfährt, dass wir die größte Chance seit Tora Bora hat-ten, bin Laden zu bekommen, sie aber nicht nutzten.“
Den Ausschlag zum Go-Befehl gab Seals-Kommandeur Admiral William McRaven, der Obama versicherte: „Wir können es schaffen.“ Buchautor Bowden bilanziert: „Der Präsident hat letztend-lich seinem Instinkt vertraut und seiner Bewunderung für McRaven.“
Obama selbst beschreibt die entschei-dende Szene so: „Auch wenn wir noch zwei, drei Monate gewartet hätten, wären wir uns nicht sicherer gewesen, ob bin Laden im Haus sein würde. Es ging darum, den Abzug zu drücken.“ ■
PETER GRUBER
Washington, 1. Mai 2011 US-Präsident Obama und seine Berater verfolgen im „Situation Room“ des Weißen Hauses die Erstürmung des Anwesens von Osama bin Laden
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Bremen bedürftigDie Armut wird an vielen Ecken sichtbar. In der Innenstadt versor-gen die „Suppenengel“ täglich Mittellose
Bremen mondänAm Weserufer präsen-tiert sich die Hansestadt von ihrer eleganten Seite
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K inder spielen, die Muttis plau-dern. Ein sonniger Nachmittag im Katastrophengebiet. Auf dem
Spielplatz vor der „Ganztagsgrund-schule am Pulverberg“ toben Mädchen über die Rutschen. Ihre Mamas sitzen in Grüppchen beisammen. Nur leise sprechen sie über das Thema Nr. 1 der-zeit: die Bildungsstudie, derzufolge die Grundschulen in Bremen von allen deut-schen Bundesländern am schlechtesten abschneiden (siehe S. 62). „Erschre-ckend, wenn die Kinder so hintendran sind“, fi ndet eine Mutter.
Offen über die Lehrerinnen, die im Backstein-Altbau hinter ihnen unterrich-ten, reden sie lieber nicht. Sonst kommt zum Bildungsproblem noch ein persön-liches, fürchten sie. Dabei nimmt Schul-leiterin Ulrike Deister-Haag gar kein Blatt vor den Mund über die Umstän-de im Glasscherbenviertel Walle. „Wir haben hier Wildwuchs. Da kommen Kin-der zu uns, die sind vor dem Fernseher aufgewachsen.“ Zur ersten Stunde sit-zen manche im Schlafanzug in der Bank. Gefrühstückt haben sie oft nichts.
Nur mühsam kratzt die Hansestadt die Finanzen zusammen für Ganztagsschu-len, in denen solchen Problemkindern nach Meinung der Rektorin ein vernünf-tiger Rahmen geboten werden könne. „Es ist ganz klar: Bremen ist geteilt. In oben und unten. Wir verlieren jedes drit-te Kind.“
Eine gespaltene Stadt im Norden der Republik. Unweit des ehemaligen Hafen-viertels Walle, dessen Werften abgewi-ckelt wurden, entsteht die „Übersee-Stadt“. Moderne Loft-Architektur auf den alten Kaianlagen, teure Wohnungen und Büros. Der Millionärsanteil an der Gesamtbevölkerung ist in Bremen im Ver-gleich zu jeder anderen deutschen Stadt mit am höchsten. Doch im Brennpunkt Walle schieben sich Moscheen zwischen die alten stuckverzierten Reihenhäuser, in denen einst die Hafenarbeiter lebten. Die Kriminalitätsrate ist hoch, die Aufklä-rungsquote der Polizei niedrig.
Mit grimmigem Humor schiebt Die-ter Reinhard, Kontaktbeamter des Wal-
Bremen am EndeOb bei Bildung, Sicherheit oder Wirt-schaft – die Hanse-stadt ist immer hinten- dran. Wie lebt es sich am schwächsten Ort der Republik?
ler Polizeireviers, sein Dienstfahrrad der Marke Kynast durch das Wohngebiet. „Meine Kinder ziehen mich schon auf, ich soll das y im Namen vom Rahmen kratzen.“ Aber auch das würde ihm ver-mutlich nicht recht viel mehr Respekt einbringen.
Ohnmächtig kämpft Reinhard gegen die „größte Unsitte in der Gegend“ an: die Mülltüten, die viele Anwohner ein-fach auf den Gehsteig werfen, wo sie dann mit würzigem Geruch in der Son-ne köcheln. Wenn er die mutmaßlichen Entsorger herausklingeln will, öffnet oft keiner. „Ich bin hier Einzelkämpfer“, brummt Reinhard. Auf 16 Quadratkilo-metern der einzige Kontaktbeamte.
Überrascht sind er und seine Kolle-gen auf dem Revier von der bizarren Gewalt, die immer häufi ger auffl ammt. Vor wenigen Wochen eskalierte nachts in einer Reihenhaussiedlung ein Zwist zwischen syrischen Kurden und Bulga-ren. Offenbar ein Streit im Rotlichtmi-lieu. Mit Messern gingen mehr als 20 Männer aufeinander los. Einen fl iehen-den Verwundeten fuhren die Gegner vor einem Heimwerkermarkt mit dem Auto fast zu Tode.
Wenige Tage später zündete ein Brand-stifter zwei Mietshäuser ganz in der Nähe auf der Hauptstraße an. Dutzen-de Anwohner erlitten Rauchvergiftun-gen. Der Tatverdächtige, den die Polizei festnahm, saß mit einem Fladenbrot auf einem Treppenabsatz und verfolgte die Löscharbeiten der Feuerwehr. Waller
Verhältnisse, konstatiert der Kontaktbe-amte schulterzuckend.
Dieses Schulterzucken ist quer durch die Hansestadt verbreitet. Werder-Trai-ner Thomas Schaaf führt es vor, wenn er regelmäßig die magere Torquote der Stür-mer erörtert. Der Verein lebt seit Jahren vor, wie eine unterfi nanzierte Mannschaft sich mühsam in der ersten Liga hält.
Die Mamis auf dem Pausenhof der Grundschule in Walle reagieren mit demselben Schulterzucken, wenn sie über die Bildungschancen ihrer Kinder nachdenken. Auch Amtsgerichtsvizeprä-sidentin Ellen Best zeigt es, wenn sie die hohe Verbrechensrate Bremens zu erklä-ren versucht. Denn 14 116 Straftaten je 100 000 Einwohner verzeichnet die „Poli-zeiliche Kriminalitätsstatistik 2011“ für die Stadt mit ihrer halben Million Bürger. So viele wie sonst nur in wesentlich grö-ßeren Metropolen wie Berlin oder Köln. „Manchmal ist das hier zu liberal. Aber sonst passt’s“, sagt sie und zuckt ent-schuldigend mit den Achseln. Sie liebt Bremen, schwärmt vom Theater und dem günstigen Wohnraum.
Zwar rangiert die Kommune im Bun-desvergleich in vielen Bereichen auf den hinteren Plätzen: Bildung, Sicher-heit, Arbeitsmarkt, wirtschaftliche Dyna-mik. Dennoch bietet die Stadt denen, die Geld haben, ein gutes Leben. In den wohlhabenderen Vierteln stehen schmu-cke alte Kaufmannsvillen. Technologie-Unternehmen von EADS bis zur Off-shore-Windparkindustrie geben vielen Ingenieuren gut bezahlte Arbeit.
Kreative Energie speist sich aus dieser Wirtschaftskraft, die auch an der Univer-sität Bremen zu spüren ist. „Das ist hier top. Ein befl ügelndes Umfeld“, erklärt die Dekanin des Fachbereichs Mathe-matik und Informatik, Kerstin Schill. Von allen deutschen Hochschulen verzeich-net die Exzellenz-Uni in ihrem Fach den höchsten Anteil an Absolventen: Jeder fünfte wird zum Computer- und Berech-nungsexperten ausgebildet. High Tech made in Bremen.
Sie lernen in dynamischen Projekt-gruppen. Eine davon errang mit ihren
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elektronischen Spielern schon dreimal den RoboCup, die Weltmeisterschaft der Fußball-Roboter. Bis 2050 wollen sie den dann amtierenden analogen Weltmeister schlagen, Werder Bremen bezwingen sie womöglich schon früher.
Aber auch Professorin Schill weiß, dass ihre Hochschule auf dem brüchigen Bre-mer Fundament nur schwer in der Top-Klasse zu halten ist. „Die Schulprobleme sind eklatant“, gesteht sie. Obendrein drücken den Stadtstaat Schulden wie kaum ein anderes Bundesland. Eine Stu-die der Unternehmensberatung Price- waterhouseCoopers hält der Hansestadt den drohenden Total-Stopp vor Augen. Bremen müsse „die Ausgaben bis 2020 real senken, um das Ziel der Schulden-bremse zu erreichen“.
Dekanin Schill klammert sich an eine „Garantie“ der Wissenschaftssenato-rin Renate Jürgens-Pieper (SPD), dass die Universität langfristig unterstützt werde. Doch massive Einschnitte ste-hen dem gesamten Haushalt Bremens bevor. Trotz allem wollen die Deutschen aber am Fortbestand der Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin festhal-ten. Einer repräsentativen Umfrage von FOCUS zufolge sind 57 Prozent der Bundesbürger gegen eine Fusion dieser schwächelnden Städte mit den umlie-genden Flächenländern.
Grundschulchefi n Deister-Haag ist diedüstere Perspektive, die die föderale Selbstständigkeit Bremen bringt, durch-aus bewusst. „Das Problem ist der Schul-etat“, meint die Direktorin. Der sei zu niedrig. „Wenn er immer weiter zusam-menschmilzt, das Land sparen muss – so geht das nicht weiter“, warnt sie. Und zuckt, wie so viele in der Stadt, ratlos mit den Schultern. ■
GREGOR DOLAK
57Prozent der Deutschen sind – trotz aller strukturellen Probleme – gegen eine Fusion der Stadtstaaten mit den sie umgebenden Bundes-ländern. Nur 34 Prozent befürworten dies. Umfrage von TNS Emnid für FOCUS
»Völlig anspruchslos«Die miserablen Leistungen der Grundschüler in den Stadtstaaten scheinen auch Folge eines extremen Reformwahns zu sein
N ach dem miesen Abschneiden im Grundschulvergleich übt sich
Bremens Regierung in Zweckopti-mismus. Die Viertklässler der Han-sestadt hatten in der jüngsten Län-derstudie der Kultusminister im Fach Deutsch – beim Lesen und Zuhören – den letzten Platz belegt. In der Tatsa-che, dass in Mathematik die Berliner noch schlechter abschnitten, erkennt die hanseatische Schulsenatorin Renate Jürgens-Pieper „einen Anlass für etwas Zuversicht“. Allerdings liegen Bremens Schüler weit hinter dem Spitzenreiter Bayern – und im direkten Vergleich etwa ein Schul-jahr zurück. Hamburg reiht sich nur knapp vor Bremen und Berlin ein.
In den Miniländern führte eine sozialromantische Schulpolitik zu einer Absenkung des Leistungsni-veaus. „Da wünscht die Politik sich hohe Übertrittsquoten zum Gymna-sium“, konstatiert Philologenchef Heinz-Peter Meidinger. „Um diese zu erreichen, überbieten sie sich mit Innovationen.“ Dies führe zu Qua-litätsverlusten. Auch Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerver-bands, kritisiert „völlig anspruchs-lose Lehrpläne und eine lasche Un-terrichtsmethodik“.
Beispiel Berlin: In den vergange-nen Jahren überzog der rot-rote Se-nat die Schulen mit Reformen. Nach der frühen Einschulung werden die
Kinder von Anfang an jahrgangs-übergreifend unterrichtet. Sie besu-chen ihre Grundschule im Regelfall sechs Jahre und erlernen Deutsch nach der Methode des phonetischen Schreibens. Noten sind in den ers-ten Jahren verpönt. Später entschei-den die Eltern, ob ihr Sprössling das Gymnasium besucht.
Mehr als ein Viertel der Erstkläss-ler nicht deutscher Herkunft starten mit schlechten Deutschkenntnissen. Die vor allem in Problemvierteln eingeführten Ganztagsgrundschulen gleichen dieses Manko selten aus.
Grundsätzliche Kritik an der Leis-tungsfeindlichkeit äußert Lehrer-funktionär Kraus. Die Stadtstaaten müssten „ihre Stundentafel in den Kernfächern deutlich erhöhen und sich auf detailliertere Lehrpläne fest-legen“. Zudem sei „Frühenglisch überfl üssig, die Stunden sollten dem Fach Deutsch zugute kommen“.
Seit gut 17 Jahren leitet Kraus ein Gymnasium im bayerischen Vilsbi-burg. Ihn ärgert, dass der Trend zur Absenkung der Anforderungen die „ganze Republik infi ziert“ – nur um möglichst viele Schüler zum Abitur zu bringen. „Und die Kultusminis-terkonferenz“, so echauffi ert sich der Pädagoge, „macht bei der verordneten Niveaulosigkeit auch noch mit.“ ■
ULRIKE PLEWNIA
Malen statt schreiben Mancherorts bleiben Kinder jahrelang auf Erstklässler-Niveau
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Aufgeputscht für Stunden Partygänger riskieren mit Designerdrogen ihr Leben
Herr Professor Klues, drei junge Männer zwischen 19 und 23 Jahren mit schweren Herzschäden sind Patienten in Ihrem Klinikum. Sie haben sogenannte Designer-drogen wie Ecstasy oder Speed kon-sumiert. Wie dramatisch ist ihr Zustand?
So schwere Symptome habe ich bei so jungen Patienten noch nie gesehen. Als die drei hier ankamen, konnten sie kaum noch atmen, keine Treppe mehr ohne große Atemnot hochkommen. Einer klagte darüber, nachts nicht mehr fl ach liegend schlafen zu können, weil er sonst Atemprobleme bekam. Er muss-te seinen Kopf auf eine Unterlage legen, damit das Blut sackt und die Atemwege freier werden – ein typisches Zeichen schwer Herzkranker. Auch diagnosti-zierten wir schwere Schwellungen in den Beinen und Wasserablagerungen in den Rippenfellen.
Kamen sie gemeinsam in die Notaufnahme?
Nein, getrennt, im Abstand von mehre-ren Wochen. Sie kennen sich gar nicht. Alle drei waren schockiert, als wir ihnen sagen mussten, wie krank sie sind. Das tat uns schon in der Seele weh, weil es in dieser Häufung auch so außer-gewöhnlich war.
Gestanden die drei ihren Drogenmissbrauch?Wir brauchten mindestens zwei Wochen, um ihnen das zu entlocken – und konnten uns deshalb ihre fürchterlichen Herzkammerleistungen zunächst gar nicht erklären.
Sie bauten also erst einmal Vertrauen auf?Genau. Mit der Zeit erzählten sie von der Einnahme von Amphetaminen. „Desig-nerdrogen“ ist ein beschönigendes Wort, aber es trifft den Sachverhalt ganz gut,
besagt es doch, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene ihr Wochenende schön machen, es sich quasi de signen – und das geht für viele nur noch mit Pillen. Diese kosten einzeln rund zehn bis 15 Euro, werden mit Alkohol vermischt und lösen so eine Stimulation nach der anderen aus, immer ein biss-chen heftiger, immer ein bisschen mehr.
Über welche Quellen hatten die dreisich die Drogen beschafft?
Darüber werde ich nichts preisgeben. Von einem Mainzer Toxikologen aber weiß ich: Die Amphetamine in der Szene stammen meist aus Labors, die oft in Garagen untergebracht sind – die Produzenten sind äußerst mobil. Die Hersteller verändern diese Pillen chemisch quasi wöchentlich, sodass der Organismus die Stoffe immer schnel-ler aufnehmen kann und der Rausch immer länger dauert. Die Präpara-te haben spezielle Imprägnierungen, heißen „Popeyes“, „Herzchen“ oder „Anker“.
Das alles spielt sich in einem krimi-nellen Milieu ab. Damit interessieren sich auch Polizei und Staatsanwalt-schaft für die drei Fälle, haben aber bereits Straffreiheit zugesichert.
Ja, wir hatten sehr zeitnah Kontakt mit der Polizei aufgenommen, um über die Fälle generell und die Herzschädigun-gen zu informieren. Der Inhalt der Arzt-Patienten-Gespräche unterliegt aber der Schweigepfl icht.
Sie haben die Symptome der jungen Männer bundesweit Kollegen geschildert. Wie reagierten die darauf?
Erst dachte ich, ich hätte es mit einem lokalen Phänomen zu tun, verur-
»Das tat in der Seele weh«Er behandelt drei junge Drogenkonsumenten wegen schwerer Herzschäden: der Mediziner Heinrich Klues über die Wirkung von Amphetaminen, die Szene und eine neue Krankheitswelle im Land
Krefelder KardiologeHeinrich Klues
❙ Nach seinem Medizinstudiuman der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster arbeitete der Rheinländer unter anderem als Herzspezialist in Maryland/USA und am Aachener Universitätsklinikum.
❙ Seit mehr als einem Jahrzehntist Klues am Helios-Klinikum in Krefeld tätig. Der 55-Jährige leitet die Kardiologie des Krankenhauses.
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sacht durch verschnittene Drogen, die hier im Umlauf sind. Doch nach dem Verschicken von etwa 1400 Mails weiß ich von 36 ähnlichen Fällen in Deutschland – es handelt sich überall um Teenager und junge Erwachsene. Zwei dieser Patienten können derzeit nur mit einem Kunstherz überleben.
Gilt das für Ihre drei Patienten auch?Einen haben wir an ein Kunstherz angeschlossen, das beide Herzkam-mern unterstützt. Das bedeutet: Er trägt unentwegt ein Gerät mit Motoren, Batterien und Kanülen mit sich herum – mit Anfang zwanzig! Alle bekann-ten Fälle in Deutschland eint, dass stets beide Herzkammern schwer geschädigt sind. Zwei meiner drei Patienten brau-chen mittelfristig ein Spenderherz.
Wie lange werden sie warten müssen?Das kann ich noch nicht sagen. Es wird sicher viele Jahre dauern.
Da werden sich jetzt manche, die ebenfalls dringend ein Spenderorgan benötigen, über die neue Konkurrenz beklagen, die durch eigene Dummheit schwer erkrankt ist.
Diese Diskussion werden wir doch jetzt hier nicht beginnen wollen! Auch ande-re Menschen auf den Transplantations-listen haben ihre Erkrankung selbst ver-ursacht. Diesen Vorwurf könnte ich auch einem schwer übergewichtigen Diabeti-ker machen oder einem Menschen, der 30 Zigaretten am Tag raucht.
Ihre Erhebung lässt vermuten, dass noch viele junge Drogennutzer schwer erkranken. Warum wächst das Problem so rasant?
Unsere drei Patienten wollten den Party-rausch. Aus vielen Gesprächen weiß ich aber noch von einer ganz anderen Mo tivation für Amphetaminmissbrauch.
Welcher?Leistungsdruck. Amphetamine können nicht nur berauschen, sondern auch kurzzeitig leistungsfähiger machen und wacher. Viele Schüler und Studenten, die schneller als früher ihre Abschlüsse machen müssen, greifen zu chemischer Unterstützung. In den USA ist das schon lange ein Thema. In Deutschland wird es etwa die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie auf ihrer nächsten Vorstands-sitzung erörtern. Wir müssen sicherstel-len, dass jede Mutter, jeder Vater und auch jeder Hausarzt künftig über diese Drogen informiert ist. ■
INTERVIEW: FRANK LEHMKUHL
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350Kostenentwicklung beim Erlebnis-
park am Nürburgring
in Mio. Euro
*Bürgschaft des Landes Rheinland-Pfalz
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D er Diplom-Volkswirt liebte die Rolle des Mannes ohne „persön-
lichen Karriere-Ehrgeiz“. Lange war Ingolf Deubel (SPD) nur Staatssekre-tär. Erst 2006 wurde er nach neun Jah-ren rheinland-pfälzischer Finanzmi-nister. „Wir verstehen uns inzwischen blind“, schwärmte der Strippenzieher damals über sein Verhältnis zu Minister-präsident Kurt Beck (SPD). Und er pries dessen „Führungsstärke“.
Wie eng die Beziehung von „König Kurt“ zu seinem Minister wirklich war, ist das große Rätsel im Nürburgring-Prozess, der diese Woche in Koblenz beginnt. Die Staatsanwaltschaft wirft Deubel Untreue in insgesamt neun Fällen vor. Das Gericht muss klären, warum er scheinbar sämtliche Vorsichtsmaßregeln außer Acht ließ, um ein Event-Center an der Formel-1-Strecke zu realisieren.
Nach Dokumenten der Staatsan-waltschaft, die FOCUS bekannt sind, übernahm der Aufsichtsratsvorsitzende Deubel seit Anfang 2008 faktisch die
Was wusste Beck?Hauptangeklagter im Nürburgring-Prozess ist Ingolf Deubel. Doch die Rolle des Ministerpräsidenten spielt im Hintergrund mit
Geschäftsführung der landeseigenen Nürburgring GmbH. Diese hatte Ende 2007 mit dem Bau in der Eifel begonnen, obwohl die private Finanzierung nicht gesichert war.
Die Staatsanwaltschaft legt dem angeblich so kühl kalkulierenden Ex-Finanzminister zur Last, er sei den Forderungen der erfolglosen Geldver-mittler Michael Merten und Norman Böhm nach Aufwandsentschädigungen ohne ausreichende Prüfung nachge-kommen. Für ihre vergeblichen Bemü-hungen seien die beiden auf Deubels Weisung hin noch 2009 honoriert worden, obwohl der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH im Dezember 2008 das Gegenteil beschlossen hatte.
Die Nürburgring GmbH fi nanzierte laut Anklage auch die Firmenausgrün-dungen des Duos und stellte Sicherhei-ten. Einmal kassierten die zwei offenbar sogar 175 000 Euro, weil sie ein Konto zur Verfügung stellten, mit dem staatli-che Zahlungen an Kai Richter verschlei-ert wurden. Der gelernte Autoverkäufer trat als Investor für den Hotel- und Gastro- nomiekomplex auf.
Die Strafverfolger summieren den tat-sächlichen Vermögensverlust, den der bundesweit anerkannte Finanzexperte Deubel verursachte, auf rund 750 000 Euro. Das ist noch wenig im Vergleich
Teurer Spaß
Explosion Der Vergnügungspark kostete immer mehr Geld. Das Land leistete seiner eigenen Bank ISB eine Bürgschaft über 330 Millionen, die nach der Insol-venz der Nürburgring GmbH fällig wurde
Quelle: eigene Recherche
Vergangenes Lächeln Die Nürburgring-Pleite geriet zum größten Fiasko in der Amtszeit von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Er will im Januar zurücktreten
Graue EminenzIngolf Deubel, Ex-Finanzminister von Rheinland-Pfalz, steht jetzt wegen Untreue in Koblenz vor Gericht
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zum Schaden von gut 400 Millionen Euro, der dem Steuerzahler durch die Pleite des pompösen Erlebnisparks entstanden sein dürfte. Die Besucher für Achterbahn, Hotel, Läden, Kneipendorf, Museum und Bühne blieben aus. Im Juli 2012 ging die Vergnügungsmeile in Insolvenz.
Warum stoppte Deubel niemand? Viel-leicht weil Beck, bis September 2008 SPD-Bundesvorsitzender, mit dem Pres-tigevorhaben seine Eignung als Kanz-lerkandidat untermauern wollte? Sein Vertrauter Deubel engagierte mit Mer-ten und Böhm Finanzvermittler, die sich mehr schlecht als recht im Zirkus- und Hotelgeschäft versucht hatten. Beide waren mit Baufi rmen pleite gegangen. Ausgerechnet sie sollten den Big Spen-der auf dem Weltmarkt fi nden.
In ihrer Not waren die Deubel-Spe-zis Merten und Böhm – für ihre Diens-te monatlich mit 20 000, später gar mit 40 000 Euro belohnt – an einen weiteren Finanzvermittler geraten. Urs Barandun mit Wohnsitzen in der Schweiz und in Dubai kannte angeblich die ganz gro-ßen Kapitalgeber. Die erhofften Deals mit den Superreichen platzten jedoch alle kläglich.
Schließlich präsentierte der Eidgenosse doch noch einen Retter namens Pierre Du Pont. Der hocherfreute Minister-präsident Beck pries ihn als Spross aus uraltem US-Geldadel. Doch der von Du Pont geschickte Scheck über 67 Millio-nen Euro war gefälscht. Der „Professor“, wie Beck seinen Weggefährten Deubel gern nannte, musste deshalb am 7. Juli 2009 zurücktreten.
Wie es scheint, sehen sich die meis-ten der fünf Mitangeklagten von Deubel als Bauernopfer. Anwalt Bernd Schnei-der vertritt Hans-Joachim Metternich, den ehemaligen Chef der landeseige-nen Infrastrukturbank ISB. Schneider will Regierungschef Beck in den Zeugen-stand holen. Der Sachverhalt sei „noch nicht ausermittelt“, sagt er.
Die CDU-Opposition im Landtag legt nach. „Vom 20. Januar bis zum 16. Juni 2009 hat sich das Kabinett allein sie-benmal mit dem Thema Nürburgring befasst“, wundert sich CDU-Fraktions-vize Alexander Licht. „Dass nichts Schriftliches festgehalten wurde, ist schon sehr merkwürdig.“ ■
THOMAS ZORN
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E s ist bloß ein Tastendruck. Ganz leicht legt Günther Sobieralski den Finger auf den roten Knopf,
schon fl iegt es in die Luft, „das sauge-fährliche Scheißding“. Die 250-Kilo-Bombe detoniert in der Münchner Innen-stadt. Nur 40 Meter entfernt duckt sich der Sprengstoffspezialist in eine Gara-geneinfahrt. Als die Scheiben aus den Schaufenstern geborsten und die Splitter Hunderte Meter weit gefl ogen sind, fällt die Anspannung von ihm ab.
„Wenn es vorbei ist“, sagt er, „dann rutscht man in ein ganz tiefes Loch.“ Der Mann, der 19 Stunden zuvor mit Blau-licht aus Brandenburg zu dieser Baugru-be in Schwabing gebracht worden war, weil er ein so erfahrener Entschärfer ist, muss jetzt zum Notarzt hinübergehen. Er lässt sich ein Beruhigungsmittel geben.
Günther Sobieralski, 64, ist Deutsch-lands Experte für Bomben mit chemi-schem Langzeitzünder. Ein Leben lang hat er gearbeitet, um zu fi nden, was den Tod bringen sollte. Langzeitzünder-bomben gelten als die gefährlichsten Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs, weil sie noch lange Zeit nach einem Fliegerangriff hochgehen können. Erst wenn Chemikalien in ihrem Innern sich durch eine Zelluloidschicht gefressen hatten, sollte sich der Schlagbolzen lösen – manchmal Stunden, manchmal Tage nach dem Abwurf. Spät genug jedenfalls, um die Retter zu zerfetzen. Manchmal Jahrzehnte später.
Tausende dieser Bomben liegen noch im deutschen Boden versteckt. Eine klei-ne Bewegung, eine Berührung, schon Regentropfen können genügen, den Zünder auszulösen. „Diese Blindgänger werden alle mal hochgehen“, sagt Sobie-ralski. „Die Frage ist nur: wann?“
In Oranienburg lautet die Antwort: jederzeit. Sechsmal explodierte hier
Ein Bomben-LebenEr ist der Experte für die Langzeitzünder des Krieges. Dabei sehnt sich Günther Sobieralski nur nach Ruhe
Wo sind all die Bomben hin? Günther Sobieralski durchlöchert
Oranienburg auf der Suche nach Blindgängern. 326 sollen
noch unter der Stadt liegen. Irgendwann wird jeder explodieren
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schon eine Langzeitzünderbombe, ein-fach so. Sobieralski stand ganz in der Nähe, als 2001 eine in Lehnitz detonier-te, beim alten Konsum, wie die Leute hier den Supermarkt noch immer nennen. Schon damals fragte er sich: „Was suchst du hier, wenn dir die Bomben schon von alleine um die Ohren fl iegen?“ Nun, nach 34 Arbeitsjahren hat er genug. Am 31. Januar 2013 wird er in Rente gehen. Ein Donnerstag, das weiß er genau. Bis dahin werde schon nichts mehr passieren, hofft Sobieralski. „Die letzten Tage lassen einem auch keinen Frieden.“
Fein säuberlich aufgeschnitten stehen fünf Zünder auf einem Beistelltisch in Sobieralskis Büro. Amerikanische und britische, die rot lackierten mit Ausbau-sperre, die weiß lackierten ohne. Das glänzende Metall, die präzise Mechanik und die Uhrwerksgenauigkeit: Es ist eine Ästhetik des Todes. Doch Sobieralski willsie nicht bei sich haben im Ruhestand. Auch die Fotos an den Wänden, die ihn mit seinen entschärften Bomben zeigen wie einen Jäger mit seinem Erlegten, wird er zurücklassen. Genau wie die Pla-kette, auf der geschrieben steht: „Getreu nach Pfl icht, bescheiden und schlicht“. Das ist der Leitspruch der Feuerwer-ker, wie Bombenräumer offi ziell heißen. „Man darf das alles nicht nach Hause schleppen“, sagt Sobieralski. Es klingt, als meine er nicht nur die Dinge in sei-nem Büro, sondern auch die Gedanken.
»Wenn da was passiert, bin ich wenigstens gleich ganz weg«
Zu den Bomben kam Sobieralski, weil der gelernte Kfz-Mechaniker fortwollte aus der Bundeswehrkaserne in Husum. Er hätte genauso gut Deutschlands gefragtester Experte für Panzerminen oder Schussmunition werden können.
„Ich habe mich aber auf Bomben spe-zialisiert, weil ich mir dachte: Wenn da was passiert, dann bin ich wenigstens gleich ganz weg.“ Seit dem Jahr 2000 starben elf Mitarbeiter von Räumdiens-ten bei der Arbeit. Zuletzt, als 2010 drei Kampfmittelbeseitiger eine Fliegerbom-be in Göttingen unschädlich machen sollten. Sie kamen nicht mehr dazu, das Entschärfungswerkzeug anzusetzen, der Blindgänger ging vorher hoch. Es war ein Langzeitzünder.
Der Feuerwerker mag nicht, wenn es knallt. Nicht mal an Silvester
Entschärfen oder sprengen, es ist die immer gleiche Frage, die Sobieralskis Beruf bestimmt. Er muss abwägen, ob er das Risiko eingeht. Oder die Schäden einer Sprengung in Kauf nimmt. Auch wenn sich das für ihn immer ein wenig wie eine Niederlage anfühlt. Sobieralski mag es nicht, wenn es knallt. „Da kriegt man das Flattern und hat ein ganz komi-sches Gefühl im Magen.“ Der Feuerwer-ker kann selbst Silvester nicht leiden.
Als Sobieralski später mit seinem Wagen durch die Straßen Oranienburgs fährt, erzählt ein Geräusch von der Geschichte dieses Ortes: „Klonk“ macht es immer wieder, wenn die Autoreifen über eines der vielen versiegelten Bohrlöcher rollen. Die „Stadt der Bomben“ wird so genannt, weil laut einem Gutachten von 2008 noch 326 Blindgänger unter ihr liegen sollen.
Als Sobieralski hier 1991 seine Arbeit beim privaten Kampfmittelräumdienst Tauber begann, brachten die Anwohner noch Sekt und Kuchen zu jeder Räumung. Inzwischen wurden mehr als 168 Blind-gänger gefunden. Im Krieg hatten die Alliierten Oranienburg besonders stark bombardiert, weil sie dort eine Atomwaf-fenfabrik vermuteten. Wenn Sobieralski
heute davon erzählt, wird der Krieg zum „Kriech“. Der Mann aus Kappeln an der Schlei ist mit seinem Küstendialekt nie so recht in Brandenburg angekommen. Die Haare grau, die Stimme rau, sehnt er sich nach den Wochenenden in seinem reet-gedeckten Haus in Schleswig-Holstein.
Doch daraus wird vorerst nichts. Hin-term Steuer in Oranienburg schwenkt Sobieralski den Arm von rechts nach links. „Da hinten am Havelufer, da müssten noch welche liegen. Und da drüben auf der Kuhwiese haben wir neulich gleich vier Langzeitzünder rausgeholt.“ Die ers-te und die dritte Bombe mussten sie spren-gen, weil das Entschärfen zu gefährlich wurde. Da wussten sie aber noch nichts von den anderen Bomben unter der Wie-se. Allein die Druckwelle der Detonati-on hätte deren Zünder auslösen können. Hätte. Er führt ein Leben im Konjunktiv.
„So ist das eben“, sagt Sobieralski und blickt aus dem Autofenster, „bei dieser Scheißmunition ist alles möglich.“ Die Falten um seine Augen verzweigen sich dabei wie ein Flussdelta vom Lid in Rich-tung Ohr. Mag sein, sie kommen vom Lachen. Oder von der Anspannung.
Wenn Günther Sobieralski sich an sei-ne Bomben herantastet, hat er jeman-den, der ihn beschützt. Es ist ein kleiner weißer Porzellanengel, ein Geschenk seiner Frau, das er immer in seiner Over-alltasche trägt. Auch Ende August, als er ganz allein zu der Schwabinger Bombe hingehen musste. Seine Frau hatte vor-her am Telefon zu ihm gesagt: „Spreng sie besser, bevor du da herumspringst!”
Dann zog er den Engel hervor. Er stellte ihn ganz sachte auf die Bombe, diese saugefährliche. Ein Hammerschlag hätte ausgereicht, sie zur Detonation zu bringen. Ein Flügelschlag nicht. ■
JESSICA SCHOBER
Der verzögerte Tod
Schlagbolzen30 Minuten bis 144 Stun-den nach dem Aufschlag schnellt der Schlagbolzen vor. Der Funke zündet.
AcetonampulleDie Chemikalien fressen sich durch eine Zelluloid-schicht – ganz langsam.
LangzeitzünderBeim Abwurf schraubt sich eine Spindel in eine Acetonampulle aus Glas.
Kontrollierte Sprengung Am 28. August detoniert in
der Münchner Innenstadt eine Langzeitzünderbombe.
Scheiben bersten, Dach-stühle brennen. Feuer-
werker Günther Sobieralski steht nur 40 Meter entfernt
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PROFILE
»TeuersterPräsident der Welt«
Berlusconis treueste PR-Waffe
Der ukrainische Staatschef VIKTOR JANUKOWITSCH, 62, ist offenbar ein leidenschaft-licher Uhrensammler. Das do-kumentiert auf seiner Face-book-Seite der Fotograf Wlad Sodel. Seit 2006 hat er Bilder des Politikers ausgewertet und dessen Chronometer identifi -ziert, darunter eine Patek Phi-lippe für geschätzte 165 000 Dollar und eine Vacheron Constantin für 32 000 Dollar. Insgesamt zählt Sodel Uhren im Wert von 260 000 Dollar. Das Kiewer Wochenmagazin „Korrespondent“ nennt den für seine exklusiven Vorlie-ben bekannten Janukowitsch „den teuersten Präsidenten der Welt“. Offi ziell kassiert er ein bescheidenes Gehalt. mz
Alle seine Uhren Auf Facebook zeigt ein Fotograf die Zeitmesser-Sammlung des Präsidenten
Mit der „explosiven Kraft des Tsu-nami“ habe sie sich einst zu Silvio Berlusconi hingezogen gefühlt, gab MICHAELA BIANCOFIORE, 41, Südtirolerin und Abgeordnete seiner Partei PDL, einst zu Protokoll. Jetzt wurde sie offenbar dazu auserkoren, die widersprüchlichen Äußerungen des Ex-Regierungschefs für die Öffent-lichkeit zu übersetzen. Als er etwa verkündete, doch noch einmal zu kandidieren, jubelte Biancofi ore: „Er muss das tun, denn er ist für jeden, auch für die Kinder, ein Vor-bild.“ Als er kurz danach andeutete, lieber zu verzichten, erklärte die Blondine: „Jetzt ist der Moment für einen Generationenwechsel gekom-men.“ Ihre Treue scheint tsunami-fest. In Berlusconis Zickzackkurs sehen dagegen viele Italiener nun-mehr einen Versuch, die Wähler-stimmung zu testen. mz
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Von großen Sachgeschenken bittet der Jubilar, Abstand zu nehmen. Aber einen Wunsch habe er: Über ein „Unter-die-Arme-Greifen“ für seinen Ministerpräsidenten-Wahlkampf würde er sich freuen.
Münchens Oberbürgermeister CHRISTIAN UDE, der am 26. Oktober 65 Jahre alt wird, kann im Moment jede Hilfe brauchen. Mehr als ein Jahr nachdem sich der SPD-Politiker zur Kan-didatur gegen HORST SEE-HOFER, 63, entschlossen hat, steckt seine Kampagne im Stimmungstief. Lediglich 21 Prozent der Bayern würden derzeit den Sozialdemokra-ten die Stimme geben, 48 Prozent der CSU (siehe auch „Focussiert“). Im direkten Vergleich liegt Ude mit 35 zu 51 Prozent hinter Seehofer zurück. Vor einem Jahr waren beide Politiker bei den Wählern noch gleich beliebt.
Ude, den seine Partei am kommenden Sonntag in Nürnberg offi ziell zu ihrem Spit-zenkandidaten küren will, kündigt jetzt eine intensive Auseinandersetzung mit der „poli-tischen Person“ Seehofer an: „Es ist atem-beraubend, wie viele Themen er in einer Woche anspricht, von denen man anschlie-
Mit Denkern auf den Thronßend nie wieder etwas hört, und bei wie vie-len Positionen er sich um 180 Grad gedreht hat.“ Dies werde man im Wahlkampf deut-lich herausstellen. Nach FOCUS-Informati-onen arbeitet die von der SPD engagierte österreichische Werbeagentur bereits an einer entsprechenden Kampagne.
Helfen sollen dem Münchner OB auch Auftritte mit prominenten Unterstützern: „Sie werden mehr politische Veranstal-tungen erleben, die nichts mit Wahlwerbung zu tun haben, aber einen intellek-tuellen Gewinn verspre-chen“, sagt Ude. Münchens OB setzt auf Gesprächsrun-den – etwa mit dem Philoso-phen Jürgen Habermas und dem Soziologen Ulrich Beck.
Im August hatte Ude bereits den Altbundes-kanzler Helmut Schmidt in einem Münchner Theater interviewt.
Eine deutliche Warnung spricht Ude in Richtung seines möglichen Koalitions-partners, des Freie-Wähler-Chefs Hubert Aiwanger, aus: Sollte der sich auf „Polemik in der Euro-Frage“ spezialisieren, stelle das eine „ernsthafte Beeinträchtigung der Koalitionschancen“ dar. tr
KräftemessenMünchens Oberbürger-
meister Christian Ude (l.) und Bayerns
Regierungschef Horst Seehofer schauen auf
dem Oktoberfest tief in den Maßkrug
SPRÜCHE
»Damit die goldene Kreditkarte nicht so stark
genutzt wird, stellen wir die Platinkarte
zur Verfügung.«
HANS-WERNER SINNPräsident des Ifo-Instituts,
über unbegrenzte Käufe von Staatsanleihen durch die EZB
»Alle haben bei diesem Wahnsinn mitgemacht,
ich auch.«
WOLFGANG SCHÄUBLEBundesfi nanzminister, CDU,
über die Deregulierung der Finanzmärkte vor der Krise
»Es ist ein Kurzschluss, aus der Höhe des Honorars
auf die Bestechlichkeit eines Redners zu folgern.«
SIEGFRIED HAIDERGeschäftsführer einer
Redneragentur
»Wenn du hässliche Dinge tun musst,
dann tue sie schnell.«
DANIELS PAVLUTSWirtschaftsminister Lettlands,
über Politik in Krisenzeiten
»Ich denke, dass die Rolle des Mannes neu defi niert
werden muss. Zurzeit herrscht dort etwas Chaos.«
SIR BEN KINGSLEYSchauspieler, 68 Jahre
»Zum Glück war eine Bank da.«
SERGE HAROCHEPhysiker, der sich setzen musste,
als er er fuhr, dass er den Nobelpreis verliehen bekommt
»Leistung gilt dort nicht als uncool.«
HANS ANAND PANTeiner der Autoren der Bildungs-
Vergleichsstudie, über die Gründe für das gute Abschneiden
mancher Schulen
»Seehofers Positions-
wechsel sind atemberaubend«
Münchens OB Christian Ude
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WIRTSCHAFT
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1994 startete er Amazon – heute ist es das größte Online-Kaufhaus der Welt. Das Foto aus 2005 fängt ihn zeitlos ein: Bezos, den Hexer in Buchhalte-Pose, der mit immer neuen Technologie-Vorstößen überrascht – und Rivalen verschreckt.
Der Multimilliardär (Amazon-Aktienanteil: 19,5 Prozent) gilt als knallharter Wettbewerber – und lacht beim FOCUS-Interview viel-leicht gerade deshalb so viel.
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Der Mann, der Apple
entzaubertEin verblüffender Gegenentwurf: JEFF BEZOS, Gründer und Vorstandschef des Internet-Konzerns AMAZON, verkauft Tablet-Computer zum Selbstkostenpreis
Mister Bezos, wie lange ist es her, dass Sie zuletzt nach Deutschland kamen, um eine Produktneuheit vorzustellen?
Oh. (Fragt Deutschland-Chef Ralf Kleber, der sagt: „Das war 2007.“) Es kommt mir vor, als wäre das vor 100 Jahren gewesen. (lacht)
Sind Sie heute nach langer Zeit wieder hier, weil bei den aktuellen Neuigkeiten (s. Seite 74) besonders viel auf dem Spiel steht?
Nein, da interpretieren Sie zu viel hi nein. Es ist einfach so, dass ich heute mal wieder etwas Zeit auf das verwende, was ich in den vergangenen zehn Jah-ren kaum getan habe: mit der Öffent-lichkeit zu reden. Ich sehe es als großen Luxus an, dass ich so vieles weitgehend delegieren kann und mich beispielswei-se auch kaum damit befassen muss, mitunseren Investoren zu kommunizieren.
Kann man das nicht auch so sehen: Weil Sie selbst der Hauptaktionär von Amazon sind, sind Sie ja quasi ständig in Investoren-Kontakt.
(lacht) Stimmt, jeden Morgen im Bad, wenn ich meine Zähne putze, schaue ich in den Spiegel und frage mich, wie es mir geht. Was? Nicht so gut? Du bist heute etwas enttäuscht? (lacht)
Im Ernst: Worauf konzentrieren Sie sich? Ich verbringe meine Tage vor allem damit, an unseren Produkten zu arbei-ten. Zum Beispiel kümmere ich mich derzeit sehr um unser Modegeschäft. Wenn Sie mir vor einigen Jahren pro-phezeit hätten, wie viele Schuhe und Jeans wir heute verkaufen, hätte ich Sie für verrückt erklärt. Auch unser
Der Gewinn fehlt noch
Der Markt Amazon hat in den vergangenen Jahren massiv zugelegt – aber vorerst nur beim Umsatz und noch nicht beim Gewinn
Die Börse Die Bewertung erreicht, gemessen am Miniprofi t, enorme Höhen. Amazon erwarb sich über Jahre das Vertrauen, dass sich Wachstum und Investitionen dereinst lohnenQuellen: Amazon, Datastream, Bloomberg
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74 FOCUS 42/2012
Absatz von E-Readern
in Mio. Stück
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Amazon greift an Für diese vier Nachrichten fl og Jeff Bezos nach München – so wichtig ist der deutsche Markt.
1 Kindle Fire HD Das Mini-iPadDas Multimedia-Tablet kommt erst am 25. Oktober außerhalb der USA auf den Markt – und ist trotzdem schon das weltweit meistverkaufte Produkt des Online-Händlers.
2 Kindle Paperwhite Der E-ReaderAmazon liefert das neueste Kindle-Modell (ab 129 Euro) am 22. November in Deutsch-land aus. Das Gerät, jetzt mit Hintergrundbeleuchtung, hat im FOCUS-Test als bester Kindle aller Zeiten überzeugt.
3 E-Book-Erfolg Digital schlägt DruckSeit August verkauft Amazon.de mehr E-Books als gebundene Bücher. In den USA war das im Juli 2010 der Fall.
4 Leihbibliothek Lockruf für LeserWer das Prime-Programm (29 Euro/Jahr) abonniert, darf jeden Monat ein Kindle-Buch kos-tenlos ausleihen und dabei unter 8500 deutschen Titeln wählen – inklusive „Harry Potter“.
Die Buch-Revolution
Neuer Lesetrend Die Deutschen schmökern in Bü-chern immer öfter digital – und kaufen 2013 wohl 1,4 Milli-onen Lesegeräte
Sie wollen sich also bewusst gegenüber Apple abgrenzen?
Ja. Wir verkaufen unsere Geräte zu Herstellungskosten. Nicht darunter, weil wir damit kein Geld verlieren wollen. Aber auch nicht darüber, weil unser Geschäftsmodell so aussieht: Wir wollen nur dann Geld verdienen, wenn Menschen unsere Produkte nut-zen. So können wir unsere Geräte mit einer üppigeren Technik ausstatten als Mitbewerber, die bei einem ähnlichen Verkaufspreis eine Gewinnspanne ein-kalkulieren. Unser neues Tablet ver-fügt über zwei Antennen, ultraschnel-les WLAN und zwei Lautsprecher mit Dolby-Qualität. (Bittet Deutschland-Chef Kleber, Musik einzuschalten. „Das ist Musik aus Hawaii“, sagt Kle-ber. „Musik aus Hawaii?“, lacht Bezos. „Das kannst du besser.“)
Weshalb sind Sie so sicher, dass Kunden ein Tablet nach so rationalen Kriterien auswählen, wie Sie das unterstellen, und vor allem auf das Preis-Leistungs-Verhältnis achten? Kann es nicht sein, dass sie ein-fach das angesagteste Produkt kaufen?
Das ist eine berechtigte Frage. Aber: Unser Job ist es, das bestmögliche Gerät und die bestmöglichen Inhalte – Filme, Apps, Bücher – zum bestmöglichen Preis anzubieten. Mehr können wir nicht tun. Dann, da haben Sie Recht, müssen die Kunden entscheiden.
Und?In den USA erreicht unser Tablet nach nur elf Monaten schon einen Marktan-teil von 22 Prozent. Ich gehe davon aus, dass die Deutschen auf unser Angebot ähnlich positiv reagieren werden.
Wofür nutzen Ihre Kunden die Kindle-Tablets eigentlich?
Für Spiele und um Bücher zu lesen. Das steht ganz oben. Es verblüfft
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Angebot an digitalen Medien verfolge ich intensiv, weil es da noch so viel zu erfi nden gibt. Da sitze ich mit unseren Teams zusammen, und wir denken uns neue Funktionen aus, etwa Time-to-read für Bücher (zeigt an, wie lange es noch dauert, ein Kapitel oder das gesamte Buch zu beenden; d. Red.).
Sie stellen heute ein neues Lesegerät für elektronische Bücher und einen Tablet-Com-puter vor. Werden Menschen künftig wirk-lich noch zwei Geräte mit sich herumtragen wollen – eines, um in Büchern zu schmö-kern, und ein zweites für alles andere?
Ja, davon bin ich überzeugt. Mit diesem Gerät (nimmt den Kindle Fire HD vom Tisch) kann man im Internet surfen, Spiele spielen oder Filme anschauen. Beim Kindle Paperwhite hingegen sind Gewicht und Bildschirm fürs Lesen opti-miert. Es gibt ja auch Turnschuhe, die für vieles taugen, und Wanderschuhe, die nur für die Berge ideal sind.
Andererseits: MP3-Spieler ver-schwinden als eigenständige Geräte und gehen in Smartphones auf.
Weil das für die Nutzer in dem Fall keine Nachteile bringt.
Es gibt einen Anbieter, Apple, der den Tablet-Markt dominiert, obwohl er seine Geräte zu hohen Preisen verkauft. Sie glauben an den Ansatz, günstige Geräte anzubieten – weshalb?
In der Wirtschaft gelten andere Regeln als im Sport. Beim Sport gibt es einen Gewinner und einen Verlierer. In der Wirtschaft sind es meist Branchen, die zu einer bestimmten Zeit gewinnen oder verlieren. Dass es innerhalb einer gut laufenden Branche nur ein Unterneh-men gibt, das alle Gewinne einstreicht, ist selten. Meist sind es mehrere Firmen, denen das gelingt, und zwar auf eine unterschiedliche Art und Weise.
Heimatmarkt Im September präsentierte Bezos die neuen Geräte für die USA
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76 FOCUS 42/2012
WIRTSCHAFT
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hat also einen großen Vorsprung und entwickelt sich ebenfalls sehr gut.
Fühlen Sie manchmal eigentlich mit den Ladeninhabern mit, denen Internet-Anbieter wie Amazon so sehr zusetzen?
Sie geben ja nicht klein bei, sondern wandeln sich. Wettbewerb führt immer zu Evolution. Wir erfüllen nur unsere Aufgabe, den Kunden das beste Ange-bot zu machen und den besten Service zu bieten – inwieweit sie das anneh-men, haben wir nicht in der Hand.
Ihre Kindle-Geräte laufen bislang auf Android-Software, gegen die Apple seit geraumer Zeit mit Patentklagen vehe-ment vorgeht. Werden Sie deshalb bald Windows als Betriebssystem einsetzen?
Zu Produktplänen kann ich nichts sagen.
Reden wir über Paperwhite, den heute vorgestellten E-Reader. Sie hatten das Produkt im September zunächst nur in den USA präsentiert, und es hieß schon, Amazon habe Probleme mit der Lieferkette.
Nein, nein. Es ist einfach viel Vorar-beit nötig, und wir starten immer erst, wenn alles fertig ist. Mein Traum wäre es natürlich, jedes Produkt weltweit am selben Tag einzuführen. In der Realität geht das nicht.
Weshalb ist Apple dazu in der Lage?Apple ist nahe dran, macht das aber auch nicht völlig simultan. Mit Paper-white sind wir nur sechs Wochen nach
mich wirklich, wie viele Spiele wir verkauft haben. Die Menschen lieben es zu daddeln.
Wie kann man sich da von Mitbewerbern abheben? Bieten nicht alle dieselben Spiele an?
Das könnte dann ja ein Grund sein, sich einen Kindle Fire HD zuzulegen. Wenn es bei den Spielen keinen Unterschied gibt, liegt es nahe, sie auf unse-ren so preiswerten Geräten zu spielen.
Wie wichtig sind exklusive In-halte – Filme, Musik, Bücher –,um sich von der Konkurrenz abzusetzen? Müssen Sie teuer Premiuminhalte einkaufen?
Nein, das müssen wir nicht. Es ist schon so, dass wir auch exklusive Inhalte haben, vor allem bei Büchern. Und womöglich werden Inhalte, die nur wir anbieten können, in Zukunft tatsächlich eine wichtige Rolle spielen. Im Moment ist das noch nicht so.
Werden Tablets zu dem zentralen Gerät in den Wohnzimmern?
Sie meinen, zu einer Art Universal-fernbedienung?
Ja.Ich glaube schon. Es wäre sehr sinnvoll, wenn Tablets neben dem Fernseher zu einem zweiten Bildschirm im Wohn-zimmer würden. So weit sind wir heute noch nicht, aber viel spricht dafür, dass es dazu kommt. Allerdings: Die Zukunft vorherzusagen ist immer schwer. Was passiert mit dem Euro? (lacht)
Lassen Sie uns lieber bei den Tablets bleiben. Ist der Markt heute noch in einem sehr frühen Stadium?
Absolut. Wir sprechen bei Amazon gern davon, dass wir auch bei der Internet-Revolution im Grunde erst am Tag eins sind. Bei der Tablet-Ära ist allenfalls die erste Stunde des ersten Tages vergangen.
Was ein enormes Potenzial bedeutet?Ja, ein enormes Potenzial, neue Dinge zu erfi nden. Weshalb mir das Geschäft so viel Spaß macht.
Wird die Kindle-Sparte einmal den größten Teil zum Umsatz von Amazon beitragen?
Das ist schwer zu sagen. Unser klassi-sches Handelsgeschäft ist 18 Jahre alt,
den USA in Deutschland, das ist schon ziemlich schnell. Ist es denkbar, dass Sie Kindle-Geräte künftig auch in den USA oder in Europa produzieren und nicht ausschließlich in China?Warum nicht? Die Welt ist, wie man sagt, fl ach geworden. In der Globalisierung ist alles überall möglich. Dass wir den Kindle in China produzieren lassen, hat ja nicht nur den Grund, dass dort die Kosten niedriger sind. Es geht auch um Expertise. China ist in der
Produktion solcher Geräte einfach gut. Das heißt?
Es würde Zeit brauchen, solches Know-how im Westen wieder aufzubauen. Möglich wäre es. Dann könnten Kindles auch in Deutschland gefertigt werden.
Mister Bezos, welche künftigen Neuheiten haben Sie heute noch nicht verkündet?
Keine. In der Buchbranche agieren Sie in den USA mit dem Programm „Amazon Publishing“ sogar als Verlag, der renommierte Autoren exklusiv unter Vertrag nimmt. Werden Sie auch in Deutschland zum Verleger?
Ich wüsste nicht, weshalb das nicht passieren sollte. Aktuell ist es aber nicht geplant.
Jeder kann – über die Plattform Kindle Direct Publishing – bei Ihnen elektronische Bücher erstellen und verkaufen. Wird es Ähnliches für Musik und Videos geben?
Eher nicht. Ich glaube, dass sich das für Bücher besonders gut eignet, weil es da Einzelpersonen sind, die sie kreieren.
Letzte Frage: Was lesen Sie aktuell auf Ihrem Kindle?
Ich bin in der Mitte von „Downward-Facing Death“ (auf Deutsch in etwa: „Herabschauender Tod“). Das ist, ob Sie es glauben oder nicht, ein Yoga-Thriller. (lacht) ■
INTERVIEW: JOACHIM HIRZEL /
MATTHIAS MATTING
Aufschlag der Exoten Bezos mit Microsoft-Gründer Bill Gates beim Tennis 2001. Beide, Amazon und Microsoft, haben ihren Konzernsitz nicht im Silicon Valley, sondern im Raum Seattle im Nordwesten der USA
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FOCUS 42/2012 77
Wirtschaftswachstum in Prozent
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Prognosen
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N ach diesen Worten muss sich Euro-pa erst einmal schwach fühlen.
„Die Krise in der Euro-Zone bleibt die deutlichste Bedrohung für die weltwei-te Konjunktur“, erklärte Olivier Blan-chard, Chefvolkswirt des Internationa-len Währungsfonds (IWF), vergangene Woche und senkte die Erwartungen. In Deutschland werde das Bruttoinlands-produkt in diesem und im nächsten Jahr nur um jeweils 0,9 Prozent zulegen.
Die deutschen Konjunkturforscher rechnen in ihrem Herbstgutachten sogar nur mit 0,8 Prozent Wachstum (2013: 1,0 Prozent) – das ist bedenklich wenig.
Nicht nur die Krise in der Euro-Zone belastet die Weltwirtschaft. Chinas Öko-nomie wächst zwar immer noch mit mehr als sieben Prozent – aber eben deutlich weniger dynamisch als 2010. Und wie sich die USA entwickeln, die größte Volkswirtschaft der Welt, ist unsicher wie der Ausgang der Präsidentschaftswahl.
Also Alarmstimmung in deutschen Unter-nehmen? Der Blick auf einzelne Bran-chen zeigt ein sehr differenziertes Bild.
Der Maschinenbau, eine der deut-schen Parade-Industrien, erwirtschaftet einen Großteil des Geschäfts im Aus-land und müsste unter der schwächeren Weltkonjunktur deutlich leiden – eigent-lich. „2012 läuft besser, als wir es Anfang des Jahres erwartet haben“, sagt Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Maschinen-bau-Verbands VDMA.
So verkauften die Unternehmen 2012 in den ersten sieben Monaten 25 Prozent mehr Maschinen in die USA als im Vor-jahreszeitraum. Die Firmen profitieren davon, dass die Amerikaner wieder mehr Industrie im Land aufbauen wollen. Die Exporte ins wirtschaftlich schwächeln-de Frankreich steigen. Das ist genauso
Risiko hoch, Chancen gutDie Prognosen werden pessimistischer – aber die deutsche Wirtschaft steuert zuversichtlich durch die Krise
überraschend wie die verhältnismäßig geringen Absatzrückgänge in Italien und Spanien. Die Maschinenbauer rechnen nach wie vor mit zwei Prozent Wachstum in diesem Jahr – und „keinen großen Katastrophen“, so Wiechers.
Die Autohersteller BMW, Volkswagen und Mercedes-Benz wiederum meldeten zwar Absatzrekorde für die ersten neun Monate – dank der Kunden außerhalb Europas. Auf dem heimischen Konti-nent schwächelt aber die Nachfrage. Wer auf diesen Markt angewiesen ist, steckt in Schwierigkeiten – wie etwa Opel.
Die GM-Tochter lässt dieses Jahr 20 Tage kurzarbeiten.
Die Elektroindustrie klagt zwar über aktuell schlechtere Verkäufe, lässt sich davon ihren Optimismus aber nicht ver-derben. Sie profitiert von immer mehr Einsatzbereichen etwa in der Medizin- oder Verkehrstechnik – daher will die Branche weiterhin mittelfristig fünf Pro-zent Wachstum pro Jahr schaffen.
Nicht alle Firmen sind so resistent gegen die schleichende Verunsicherung durch Schuldenkrise und schwache Weltwirt-schaft. Viele Kunden etwa der Chemie-Industrie bauen ihre Lagerbestände ab und bestellen erst einmal nichts Neues.
Wer nicht weiß, ob die Lage kippt, investiert nur zögernd und stellt im Zweifel auch weniger neues Personal ein. Daher werden die Arbeitslosenzah-len wohl nicht weiter sinken. Konjunk-turforscher rechnen für 2013 mit etwa 2,9 Millionen Menschen ohne Job – 100 000 mehr als derzeit.
Noch schrecken solche Perspektiven die Beschäftigten wenig. Sie erwarten wieder mehr von der Konjunktur und sind bereit, größere Anschaffungen zu tätigen, ermittelte das Marktforschungs-unternehmen GfK. Der Konsum werde seiner Rolle als verlässliche Stütze der Konjunktur auch weiterhin gerecht.
„Die Anzahl der Risiken ist zwar gestiegen – aber die Chancen über-wiegen“, urteilt Anton Börner, Präsi-dent des Außenhandelsverbands BGA. Die Auslandsumsätze steuerten auf ein Allzeithoch zu, vier Prozent mehr als im Rekordjahr 2011. „Das exportstarke Geschäftsmodell der Deutschland AG ist intakt.“ ■
NADJA MATTHES
Dynamik lässt nach Chinas Wirtschaft wächst schwächer als früher – das bremst nicht nur die Firmen dort (Foto: Fuß-gängerzone in Shanghai)r
Abgewertet Der Währungsfonds senkt die Konjunkturprognose für Deutschland auf 0,9 Prozent
Magerwachstum
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PAYBACK
Welche Bonus- und Rabattkarten in wie vielen
deutschen Geldbörsen stecken in Prozent
DEUTSCHLANDCARD
BAHNCARD
TCHIBO KARTE
SHELL CLUBSMART
IKEA CLUB
ADAC/ACE
MODE/KOSMETIK
MILES & MORE
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78 FOCUS 42/2012
WIRTSCHAFT
D er Schmuckbaum, der Ringe, Arm-reifen und Ketten „würdig in Szene
setzt“, kostet 1700 Punkte. Der „Memo-halter Schneemann“, der „stilsicher Ihre Liebes- und Weihnachtsgrüße festhält“, ist mit 1299 Punkten fast schon ein Schnäppchen.
Es ist eine schöne (Prämien-)Welt, die DeutschlandCard, das zweitgrößte Bo-nuskartensystem (hinter Payback) auf-gebaut hat. Die Karte, von der Bertels-mann-Tochter Arvato im Jahr 2008 auf den Markt gebracht, steckt mittler-weile in 13 Prozent aller deutschen Geld-börsen. Über zehn Millionen Kunden zücken sie, wenn sie tanken, Lebens-mittel einkaufen oder Bankgeschäfte tätigen – und sammeln Punkte.
Allerdings bekommen sie dazu immer seltener Gelegenheit: Der Deutschland-Card, die schon seit ihrem Start schwä-chelt, gehen allmählich die Partner aus.
Mit der Schlecker-Pleite verlor sie zugleich die Schwester-Kette Ihr Platz. Und auch beim untergegangenen Ver-sandunternehmen neckermann.de ist nichts mehr zu holen.
„Premium-Partner“ L’Tur hat die Ein-satzmöglichkeiten stark eingeschränkt: Bei dem Last-Minute-Anbieter punkten Reisende neuerdings nur noch, wenn sie im Internet buchen. Ferien, die sie per Reisebüro oder Call-Center organisieren, helfen ihnen beim Horten von Punkten hingegen nicht mehr.
Wichtigster Partner der Deutschland-Card bleibt Edeka. Der größte deutsche
Auf die falsche Karte gesetztDas Bonussystem DeutschlandCard, als Konkurrenz zum erfolgreichen Anbieter Payback erdacht, schwächelt seit seinem Start. Nun verabschieden sich immer mehr Partnerunternehmen
Lebensmittelverkäufer hat seinen Ver-trag zwar bis 2016 verlängert.
Der Pakt enthält aber einen Schönheits-fehler: Edeka ist eine Genossenschaft, unterteilt in sieben Regionalgesellschaf-ten. Und von denen machen nur vier mit – (Minden-Hannover, Südwest, Südbay-ern, Nordbayern). Wer in Düsseldorf, Kassel oder Hamburg in den blau-gelben Edeka-Läden einkauft, kann seine Karte deshalb getrost in der Tasche lassen.
Neben dem Groß-Partner Edeka und den Esso-Tankstellen ist die Deutsche Bank das einzige verbliebene Schwer-gewicht im DeutschlandCard-Programm, das ansonsten vor allem kleine Online-Anbieter umfasst. Nach Informationen des Branchenblatts „Lebensmittelzei-tung“ soll allerdings auch die Deutsche Bank kurz vor dem Absprung stehen.
Das Management der Deutschland-Card dementiert, die Deutsche Bank will sich nicht äußern. Branchenken-ner sprechen aber bereits darüber, dass sich DeutschlandCard intensiv um einen möglichen Ersatzkandidaten bemüht – die Commerzbank.
Für das Bonussystem wäre ein Aus-stieg der Deutschen Bank ein schwerer Verlust. Für die Inhaber der Deutsch-landCard eher nicht: Sie bekommen nur Punkte, wenn sie ein Neukunde der Bank sind – oder frisches Geld anlegen. Die mögliche Prämie dafür: eine „farben-frohe“ Salatschale. ■
BERND JOHANN / JOCHEN SCHUSTER
Gerangel um Plätze
Partnerfi rma Status
Schlecker pleite
Ihr Platz pleite
neckermann.de pleite
L’Tur Einsatz der Karte stark eingeschränkt
Edeka Nur vier von sieben Regionen machen mit.
Deutsche Bank vor dem Absprung?Quelle: eigene Recherche
Rückstand Die DeutschlandCard fi ndet sich in 13 Prozent aller Börsen – weit weniger als bei Marktführer Payback
Verbündete gesucht Die Deutschland-Card braucht nach dem Aus von Schlecker und Co. dringend neue Partner
Punkte(n) für Prämien Mehr als zehn Millionen Deutsche nehmen mittlerweile am Bonusprogramm der DeutschlandCard teil
Quelle: TNS Emnid
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80 FOCUS 42/2012
WIRTSCHAFT
MONTAG IST ZEUGNISTAG
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Staatsdefizit Lettlandsin Prozent
BERLIN Bahnchef Rüdiger Grube, 61, ärgert sich über Zugverspätun-gen der besonderen Art. Immer lauter zweifelt er daran, ob etwa der kanadische Hersteller Bombar-dier oder die Münchener Siemens AG die schon lange bestellten Triebwagen und Waggons wirklich rechtzeitig liefern könnten: „Die Konkurrenz schläft nicht, insbeson-dere die aus Asien“, droht er den bisherigen Lieferanten.
Grube meint es ernst. Mitte September orderte er erstmals beim polnischen Zughersteller Pesa fast 470 neue Dieseltriebzüge. Heißt es nun bald auch: „Deutsche Bahn made in Asia“?
Ex-Daimler-Manager Grube agiert völlig anders als sein Vor-gänger Hartmut Mehdorn, der sich häufi g in Streitereien mit dem Gesellschafter Bund verlor. Dem jetzigen Bahnchef ist nicht nur das pünktliche Eintreffen seiner Züge an den Bahnhöfen wichtig, sondern auch eine schnelle Modernisierung der Flotte – notfalls auch auf Kos-ten des ICE-Lieferanten Siemens.
Bahn drohtSiemens & Co.
RÜDIGER GRUBE
LONDON Ist er nun leichtsinnig, dumm – oder beides? Andrew Bai-ley, Direktor der britischen Finanz-aufsicht FSA, will die Banken des Landes mitten in der Schuldenkrise zu mehr Risiko ermuntern: Selbst wenn sie wackligen Firmen Kredite geben, müssen sie weniger Eigen-kapital als Sicherheit zurückstellen als bisher. Mr. Bailey, 53, begründet dieses Geschenk an die Banken mit seiner Sorge vor einer „Kredit-klemme“ zu Lasten der Wirtschaft.
Sein Pech, dass ihn der Internati-onale Währungsfonds sofort wider-legt: Die 58 größten Banken Eu-ropas hätten zwar massiv Risiken abgebaut – darunter aber nur etwa fünf Prozent Firmenkredite.
Andrew Bailey führt damit eine unfassbar schlechte Tradition der Briten fort. Weil sie ihre Banken jahrzentelang mit Wohltaten beglückten, haben sie nun zwar extrem viele kriselnde Finanz-konzerne – aber so gut wie keine echte Industrie mehr. Das zeigt uns wiederum: Jedes Land hat die Finanzaufseher, die es verdient.
Briten tricksen bei ihren Banken
ANDREW BAILEY
RIGA Liebe zwei Millionen Letten! Vor drei Jahren standet Ihr vor den Trümmern Eurer Wirtschaft. Der überhitzte Immobilienmarkt war in der weltweiten Rezession geplatzt, die Banken in Not, fast jeder Fünfte ohne Arbeit. Der Staat schlitterte am Bankrott vorbei und musste fünf Milliarden Euro von EU und Inter-nationalem Währungsfonds anneh-men. Im Gegenzug habt Ihr dras-tisch gespart: Jede dritte öffentliche Stelle fi el weg, Eure Gehälter san-ken um bis zu 50 Prozent.
Jetzt erntet Ihr die Früchte der Radikalkur: Die Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal 2012 mit fünf Prozent, die Arbeitslosigkeit sinkt allmählich, und auch das Staats-defi zit hat sich deutlich verringert.
Gut, einige Baustellen bleiben noch: Ihr müsst an Eurem Steuer-system feilen, und langsam sollten Eure Löhne wieder ein wenig stei-gen – um jene Fachkräfte ins Land zurückzuholen, die vor der Wirt-schaftskrise gefl üchtet waren.
Bitte, liebe Letten, erklärt den Griechen, wie Reformen gehen!
Die Sparkur schlägt an
LETTLAND
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FOCUS 42/2012 81
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KÖLN Es gibt immer wieder über-zeugende Ideen, die so selbstver-ständlich klingen, dass man sie für längst realisiert gehalten hätte: Die neue Plattform www.rentarentner.de ist so ein Geniestreich.
Ältere ab 50 bieten dort ihre Fähigkeiten an – von der Vermö-gensberatung über handwerkliche Dienste bis hin zur Schülernach-hilfe. Suchen und Anbieten sind kostenlos. Die Entlohnung der Senioren schwankt je nach Auf-gabenstellung stark und ist meist Verhandlungssache.
Wir wagen schon jetzt die Prog-nose, dass die Miet-Rentner aus dem Netz zum Erfolg werden: einerseits, weil es immer mehr Ruheständler gibt. Andererseits, weil immer mehr von ihnen auch jenseits des Arbeitslebens Spaß an neuen Aufgaben und frischen Herausforderungen haben.
Die jungen Gründer Lutz Nocinski und Jonas Reese treffen mit ihrer Plattform wohl den Zeitgeist. Jetzt muss die Idee nur noch wirtschaftlich überleben.
Her mit den Senioren!
RENT A RENTNER
OTTOBRUNN/PARIS/LONDON Er hätte es eigentlich besser wissen müssen. Thomas Enders, 53, Chef des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, träumt zwar schon lange davon, ein ganz normales Unter-nehmen zu führen – und nicht ein derart von der Politik dominiertes. Dafür hat er sich aber den falschen Arbeitgeber ausgesucht. Das zeigt die gerade abgeblasene Fusion von EADS und der britischen BAE Systems.
Neun Prozent an dem neuen Kon-zern forderten die Franzosen. Da wollten die Deutschen ebenfalls neun. Und dann wollten beide viel-leicht sogar noch aufstocken. Mehr als 18 Prozent für Deutsche und Franzosen gemeinsam? Das fanden wiederum die Briten inakzeptabel.
Enders, Major der Reserve, hat dieses politische Minenfeld unter-schätzt. Obwohl er schon vor Jahr-zehnten im Verteidigungsministeri-um politische Erfahrung sammeln konnte – und seit der EADS-Grün-dung im Jahr 2000 die harte Hand der Politik im Konzern kennt.
Im falschen Unternehmen
EADS
MAINZ Das freut die Liebhaber des deutschen Weins: Sie dürfen einen guten Jahrgang 2012 erwarten. Das schöne Spätsommerwetter hat vie-len Winzern eine bessere Ausbeute beschert als noch vor einigen Monaten prognostiziert. Während Spätsorten wie der Riesling noch etwas hängen bleiben müssen, hat die Hauptlese bei vielen anderen Trauben längst begonnen.
In der Menge dürfte der Jahr-gang 2012 zwar leicht unterdurch-schnittlich ausfallen: Mit 8,9 Mil-lionen Hektolitern liegt die Erntemenge rund drei Prozent unter dem fünfjährigen Schnitt. Deutschland bleibt damit der viert-größte Weinproduzent in der EU (acht Milliarden Euro Umsatz).
Qualitativ rechnen die heimi-schen Winzer sogar mit einem sehr guten Jahrgang. Dank der Sonne im August und September konnten die Trauben voll ausreifen. Und profi tieren jetzt noch von der aktu-ellen Kombination aus kühlen Nächten und sonnigen Tagen. Also dann: Prosit im Frühjahr 2013!
Späte Sonne, guter Jahrgang
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![Page 83: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/83.jpg)
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![Page 84: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/84.jpg)
FOCUS 42/201284
IMMOBILIEN Die Euro-Krise treibt viele Anleger dazu, in das sogenannte Betongold zu investieren (s. links). Eine attraktive Alternative sind die Aktien von Immobilien-fi rmen. Sie bieten zwar nur eine indirekte Beteiligung an Grundstücken oder Gewer-beobjekten. Zudem schwan-ken ihre Kurse oft stärker als die Preise der Immobilien.
Dafür bieten sie andere Vor-teile: Sie lassen sich täglich über die Börse handeln. Vie-le Immobilienaktien notieren zudem immer noch mit einem satten Abschlag auf den Wert der gehaltenen Objekte – fast schon ein Kauf mit Rabatt. Darüber hinaus werfen die Papiere oft hohe Dividenden ab: bei Gewerbeimmobilien-
aktien teils von fünf Prozent und mehr.
Hamborner Reit (ISIN: DE-0006013006) lockt mit 5,70 Prozent Divdendenrendite und einem Abschlag auf den
Auf solidem Grund investieren
Substanzwert von 19 Prozent. Das Portfolio umfasst vor allem Einzelhandelsobjekte und un-bebaute Grundstücke.
Prime Offi ce Reit (DE000-PRME012) konzentriert sich
Immobilien . . . und Grund-
stücke sind bei Investoren
weiter heiß begehrt:
Baugeld ist historisch
günstig, und diese Sach-
werte können Anleger vor
der drohenden Infl ation
schützen. Vom Immo-
bilien boom profi tiert die
Deutsche Grundstücks-
auktionen AG. Die
Aktie stieg seit 2010 von
sieben auf gut zwölf Euro.
Die Dividendenrendite
beträgt 7,3 Prozent
(ISIN: DE0005533400).
Der Aluminiumkonzern . . .
Alcoa hat die US-Berichts-
saison eröffnet. Der Ge-
winn (drei Cent je Aktie)
fi el etwas besser aus als
erwartet. Die Firma senkte
aber die Prognose für die
Alu-Nachfrage 2012 von
sieben auf sechs Prozent.
DER KALIFORNISCHE KÜNSTLER kommentiert durch seine Bild-Collagen die Werbewelt. Jetzt erhielt John Baldessari, 81, den Kaiser-ring der Stadt Goslar. Im Rah-men einer Ausstellung bietet das Mönchehaus Museum sein Werk „Double Play: Picture in a Frame“ (2012) als Edition an. Das 51 × 43 Zentimeter große Blatt kostet 1500 Euro (Aufl age: 75, Info: Tel. 0 53 21/2 95 70).
KUNST-TIPP: JOHN BALDESSARI
GELDMARKT
NOTIZEN AUS DER WIRTSCHAFT
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Hamborner Reit
Steinerne Sicherheit Immobilien – hier das Mannesmannufer in Düsseldorf –
Quelle: Bloomberg
BANKEN Keine Branche leidet so stark unter der Schulden-krise wie europäische Banken. Ihr Aktien-Index gab seit 2007 um gut 80 Prozent nach. Nun aber besteht die Chance auf eine Trendwende. Immer mehr Anleger hoffen zumin-dest, dass die Schuldenkrise abfl aut. Die Bank-Aktien hätten dann ein gewaltiges Erholungspotenzial. Darauf sollten aber nur risikobereite Anleger wetten – etwa mit dem Indexfonds iShares Euro Stoxx Banks (ISIN: DE0006289309).
Heiße Wette auf ein Krisenende
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FOCUS 42/2012
Indexpunkte
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Euro-Stoxx-Banken-Index
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auf hochwertige Büroimmo-bilien in deutschen Großstäd-ten. Die Aktie notiert sogar 60 Prozent unter Substanz-wert. Erwartete Dividenden-rendite: knapp sechs Prozent.
Regulierungspläne helfen Börsenaktien
Gerade hat die Deutsche Börse AG aus Frankfurt angekündigt, eigene Anleihen im Wert von 1,2 Milliarden Euro zurück-zukaufen. Außerdem belohnt sie ihre Ak-tionäre mit einer Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent. So schlecht kann das Geschäft der deutschen Börsenbetrei-ber also nicht laufen. Dennoch notiert die Aktie des größten deutschen Handels-platzes mit gut 40 Euro deutlich unter ihrem Höchstkurs von 133 Euro (2007).
Viele Investoren haben Börsenaktien aus Angst vor zunehmender Konkurrenz durch bankeneigene Handelsplattformen abgestoßen. Zudem litten alle Finanzwerte unter der Schuldenkrise. Die Börsen beschädigten sich selbst durch zahlreiche Handelspannen – wie etwa der „Blitz-crash“ 2011 in den USA oder aktuell der unerklärliche plötzliche Kurssprung der Kraft-Aktie um ein Drittel.
Jetzt könnte aber die geplante Finanz-marktregulierung diese Papiere beflügeln: Um Transparenz und Sicherheit zu erhöhen, sollen viele Geschäfte nicht mehr zwischen den Banken direkt („over the counter“) ge-tätigt werden, sondern über die staatlich kontrollierten Börsen. Schon jetzt kaufen Privatanleger immer mehr Fonds über die Börse statt beim Anbieter. Außerdem könnten die europäischen Staaten die geplante Finanztransaktionssteuer mit Hilfe der Börsen leicht eintreiben.
Eine besonders gute deutsche Börsen-aktie ist die Stuttgarter Euwax. Sie hat sich auf das Geschäft mit Privatkunden sowie Anleihen konzentiert und bietet kontinuierlich neue Finanzprodukte an. Die Aktie befindet sich bereits im Auf-wärtstrend und bietet Anlegern eine Divi-dendenrendite von über sechs Prozent.
KÖRNER KALKULIERT
FOCUS-Finanz-redakteur und Ex-Wertpapierhändler Andreas Körner zu brisanten Geld- und Börsen-Themen
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Prime Office Reit
gelten als guter Schutz vor Infl ation
Quelle: BloombergQ
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Frankfurter Finanzmeile Haben die Banken das Schlimmste hinter sich?
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86 FOCUS 42/2012
WEB- WIRTSCHAFT
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A uf den ersten Blick wirkt es grotesk: Renommierte Geldgeber inves -
tieren wie wild in einen Markt, der seit zehn Jahren dramatisch schrumpft. Für 130 Millionen Dollar kaufte sich der amerikanische Milliardär Leonard Blavatnik gerade in den französischen Musikdienst Deezer ein. Erst vor einem Jahr steckten Risikokapitalgeber 100 Millionen Dollar in den schwedischen Rivalen Spotify. Daneben sind Dut- zende dieser Unternehmen gegrün-
det worden. Mit einem Ziel: dabei zu sein, wenn der Musikmarkt mal wieder wächst.
Die Unternehmen sind allesamt Strea-ming-Dienste. Die Musik wird nicht verkauft, sondern für etwa zehn Euro können die Kunden aus einem Reper-toire von 20 Millionen Liedern einen Monat lang so viel hören, wie sie möch-ten – wann und wo sie wollen. „Nutzen statt kaufen“, lautet die Devise. Und sie kommt an.
„Musik-Streaming ist momentan einer der am schnellsten wachsenden Trends in der Musikwelt“, sagt Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie. 4,5 Millionen Deutsche nutzen diese Dienste, ermittelte der Bran-chenverband Bitkom. Der Umsatz betrug im ersten Halbjahr zwar nur 18 Millionen Euro in Deutschland, doch ein Plus von 40 Prozent erlebten die Musikverkäu-fer schon lange nicht mehr. „Strea ming entscheidet, ob der Musikmarkt im kommenden Jahr erstmals wieder wach-sen wird“, erwartet Jan Mehlhose,Deutschland-Chef des Dienstes Wimp.
Die Goldgräberstimmung könnte nur von kurzer Dauer sein. Denn die meisten kleinen Unternehmen gelten als gefähr-det. Lediglich Spotify sieht die Branche als gesetzt an. Entsprechend selbstbe-wusst treten die Schweden auf.
„Spotify hat ein paar hundert Ingenieu-re, die unseren Dienst stetig verbessern. Für große Medienfi rmen wie Bertels-mann ist es sehr schwierig, gleichzeitig ein weltweit führendes Technologieun-ternehmen zu werden“, sagt Jeff Levick, der das internationale Wachstum von Spotify verantwortet.
Ernsthafte Konkurrenz kommt eher von den Größen der Technikwelt wie Apple oder Google. Die haben zwar noch kei-ne Dienste am Start, doch das Geschäft im Blick. „Wir schauen uns den Markt sehr genau an. Google glaubt fest an das Streaming-Modell für den Zugang zu Musik“, erklärt Jamie Rosenberg, Direktor für digitale Inhalte beim Inter-net-Konzern Google.
Der Markteintritt der Suchmaschine erscheint ebenso nur eine Frage der Zeit wie jener von Apple. Eigentlich woll-te das Unternehmen parallel zur Vor-stellung des iPhone 5 einen Streaming-Dienst ankündigen. Der Plan scheiterte, weil eine Einigung mit Rechteinhaber Sony/ATV in letzter Minute platzte. ■
HOLGER SCHMIDT
Illegale Musikangebote haben den Umsatz der Industrie einbrechen lassen. Nun stoppen legale Online-Dienste den weiteren Rückgang. 2013 wird erstmals wieder Wachstum erwartet
Das Netz soll die Wende bringen
Hören, ohne aufzuhörenDienste wie Spotify geben dem Musikmarkt wieder Auftrieb. Bald steigen wohl auch Google und Apple in das Geschäft ein
Ein Hit im Netz Pop-Königin Rihanna verkauft nicht nur die meisten CDs. Auch in den digitalen Charts liegt die Sängerin aus Barbados meist vorn
Quelle: Bundesverband Musikindustrie
Umsatz mit Tonträgern
und digitalen
Angeboten
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88 FOCUS 42/2012
Bedingungen für Frauenin der Arbeitswelt „Third Billion Index“Indexwerte zu 100
Australien
Norwegen
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Finnland
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Niederlande
Kanada
Deutschland
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MARKTPLATZ
Verglichen mit dem Rest der Welt, fi nden Frauen in Deutschland hervorragende Bedingungen im Arbeitsle-ben. Die Strategieberatung Booz & Company analysierte in einer Studie, die diesen Montag veröffentlicht wird, wie es um Faktoren wie Be-zahlung, Ausbildung, Aufstiegs-chancen oder Möglichkeiten der Kinderbetreuung in 128 Ländern steht. Daraus errech-nete Booz den „Third Billion Index“. Er ist benannt nach der einen Milliarde Frauen, die weltweit in den nächsten zehn Jahren in die Wirtschaft drängen werden – zusätzlich zu den zwei Milliarden Chi-nesen und Indern.
Deutschland erreicht in die-sem Ranking Rang acht. Die Qualifi kation von Frauen sei ausgezeichnet, die Gehalts-unterschiede zu Männern in gleicher Position mit acht Pro-zent vergleichsweise gering. Gut sei auch die Förderung von Gründerinnen. Defi zite sieht die Studie allerdings bei den Karrierechancen weibli-cher Führungskräfte. nam
Gute Chancen im Job für deutsche Frauen
»Den Umsatz verdreifachen«
Herr Flaig, wie viele umweltbewusste Kunden sind bei Hess Natur abgesprungen, seitdem Finanzinvestor Capvis eingestiegen ist?
Wir kennen die Boykottdrohungen ein-schlägiger Blogs. Nach Zahl der Bestellun-gen können wir aber nicht viele Kunden verloren haben. Wir sind keine Spekulan-ten, sondern ein nachhaltiger Investor. Wir investieren Geld, das Pensions-fonds weltweit eingesammelt haben. Unsere Investoren erwar-ten ein nachhaltiges Ergebnis.
Warum haben Sie ausgerechnetHess Natur gekauft?
Wir investieren in Unterneh-men, in denen Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle spielt. Der Anbieter ökologischer und fair gehandelter Kleidung gehört dazu – und hat eine führende Marktstellung.
Welche Pläne haben Sie mit dem Unternehmen, das zuletzt 73 Millionen Euro Umsatz erzielte?
Wir glauben an den Trend zu nachhaltig erzeugten Produkten. Das Unternehmen hat Potenzial, den Umsatz zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Bislang kauft bei Hess Natur vor allem die Frau um die 40, die mit der deutschen Öko- und Friedensbewegung
groß geworden ist. Jüngere Ziel-gruppen wurden vernachlässigt. Wie wollen Sie diese gewinnen? Wir müssen durch Marketing-aktionen bekannter werden und den Internet-Auftritt verbessern. Es gibt eine Wanderungsbewe-gung vom Katalog- zum Internet-Einkauf. Bis heute kann man bei Hess Natur nicht per Kreditkarte bezahlen. Das werden wir ändern, weil jüngere Käufer das erwarten. Interview: Thomas Glöckner
Nach Übernahme des Öko-Modeanbieters Hess Natur durch den schweizerischen Finanzinvestor Capvis verordnet Partner DANIEL FLAIG, 44, der Firma eine grundlegende Verjüngungskur
Optimistisch Daniel Flaig sieht Wachstumschancen für Hess Natur
Viele Eigentümer 1976 gegründet, landete
der Versandhändler Hess Natur 2001 bei
Neckermann, später bei KarstadtQuelle. Als Teil der Arcandor-Konzerns geriet der Anbieter von
Naturtextilien – hier Teile der aktuellen Kollektion –
in die Insolvenzmasse. Seit Juni 2012 gehört
Hess Natur demInvestor Capvis
Unter den Top 10 Für berufstätige Frauen sind die Voraussetzungen in Australien am besten. Deutsch-land schafft es auf Platz achtQuelle: Booz & Company
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FOCUS 42/2012 89
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Handy-Hersteller Nokia kommt auch mit den neuen Lumia-Smart-phones, die mit der Windows-Phone-Software von Microsoft laufen, nicht richtig in Fahrt. Seit dem Start im Herbst 2011 verkauften die Finnen binnen drei Quartalen erst sieben Mio. Lumia-Geräte. Apple hingegen setzte, so Marktforscher Gartner,
zwischen April und Juli schon 28 Millionen iPhones ab. mfr
Ein schnelleres Ja für KrankePrivate Krankenversiche-
rungen dürfen ihre Kunden nicht mehr allzu lange da-rüber im Unklaren lassen, ob sie eine Behandlung übernehmen. Der Bundesrat stimmte jetzt für ein Gesetz, dass bei Behandlungskosten ab 2000 Euro eine Entschei-dungsfrist von höchstens zwei Wochen gilt, ansonsten vier Wochen. In dringlichen Fäl-len müssen die Versicherer „unverzüglich“ entscheiden. Verstreicht die Frist, gilt laut
EU ignoriertKabinen-Rauch
Im Kampf gegen verunrei-nigte Kabinenluft können die Fluggäste nicht auf Europasetzen: EU-Gesundheitskom-missar JOHN DALLI erklärte sich für „nicht zuständig“, da man das Phänomen der giftigen Dämpfe in Flugzeu-gen nicht als Gesundheits-, sondern als Transportprob-lem eingestuft habe. Er schob das unangenehme Thema an seinen Verkehrs-Kollegen SIIM KALLAS wei-ter, der bislang durch Untä-tigkeit auffi el. Kallas beruft sich auf die Europäische Flugsicherheitsbehörde, die ebenfalls nicht tätig werden wolle. mo/mk
Gesetz die Kostenübernahme als erteilt.
Wolfgang Schünemann, Pri-vatrechtler der TU Dortmund, hält die 2000-Euro-Schwelle für „willkürlich“ und „grund-sätzlich entbehrlich“.
Den Patienten sei auch bei günstigeren Therapien das fi nanzielle Risiko nicht zu-mutbar. Und den Versiche-rungen entstünden selbst für Antragsprüfungen unter 2000 Euro ohnehin stets dieselben Kosten. mk
Beißender Qualm an BordKann Passagiere und die Besatzungen in Flugzeugen gefährden
Notfall Die Hilfe kommt sofort, die Kostendeckung blieb zu lange offen
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Die Freiheit nehmen(41/12) Die Kunst des klugen Nein
Ich fi nde Ihren Beitrag zum Neinsagen wichtig und heilsam, sowohl für die See-le des Einzelnen als auch für Beziehungen jeglicher Art. Sie haben diese Aspekte gut dargestellt. Was Sie aber vergessen haben: das Nein des Bürgers zur Politiker-klasse. Das gibt es mittler-weile auch, und damit könn-te Bewegung ins Parlament kommen: Wer sich nicht um die Interessen der Bürger, sondern um seine eigenen kümmert, wird wirksam mit dem Nein auf dem Wahl-zettel abgestraft. Es lebe das Wörtchen Nein und seine Hüter, denn ohne das Nein würde es uns noch schlech-ter gehen.
Freiheit ist, wenn man ohne Angst zu jedem und allem nein sagen darf! Michel König 21698 Harsefeld
Ein schöner Artikel, den Sie in Ihrer Oktoberausgabe zum Thema „Nein sagen“ haben. Machen Sie sich den Spaß und dehnen Sie dieses Thema gedanklich auf die Politik aus. Was wäre, wenn die Menschen zum Parteien-angebot wirksam nein sagen könnten. Mit wirksam meine ich, dass es sich im Parla-
ment an der Sitzverteilung bemerkbar macht. Genau dies wollen wir in unserer Partei mit der „Nein!-Idee“ erreichen.Jens Martinek, Bundesvor-sitzender von „Nein!-Idee“ 38889 Rübeland
Steigende Krankheitszah-len wegen Überlastung am Arbeitsplatz, Multitasking, ständige Erreichbarkeit, Burn-out, Verlust des Gleich-gewichts innerhalb der Lebensbalance – so sieht es zurzeit im Berufs- und Privatleben aus. Danke für den Kernsatz „Wer nein sagt, übernimmt Verantwor-tung – Verantwortung für sein Leben“.Hubert Stelling 27574 Bremerhaven
Kann er Kanzler?(41/12) Genosse & Honorarkönig
Wie langweilig und wenig zeitaufwendig muss der überbezahlte Teilzeitjob eines Volksvertreters im Deutschen Bundestag wohl sein, wenn Peer Steinbrück in der laufenden Legisla-turperiode gut 500 000 Euro durch honorierte Neben-tätigkeiten dazuverdienen konnte? Steinbrück hat mög-licherweise Sitzungen im Parlament geschwänzt; er hat die Nähe von Bankenlobby-isten gesucht, die er jetzt auf einmal als SPD-Kanz-lerkandidat und „Dompteur der Finanzmärkte“ in die Schranken weisen möchte.
Ist das glaubwürdig? Kann Steinbrück überhaupt Kanzler? Ja, aber nur als prekäres Beschäftigungs-verhältnis auf Minijob-Basis und natürlich nur mit kräf-tiger Hartz-IV-Aufstockung seiner zahlreichen Gönner und Bewunderer.Roland Klose 57392 Bad Fredeburg
Peer Steinbrück, der sogar Christian Wulff in puncto Habgier und Vorteilsnah-me zu übertreffen scheint, möchte gern Kanzler der Bundesrepublik Deutsch-land werden. Dieser Mann, der Wasser predigt und selbst den teuersten Wein trinkt, ignoriert die Prinzipi-en der Partei, die er zu ver-treten vorgibt. Die Gründer-väter der SPD drehen sich im Grabe um. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Wähler so vernünftig sein werden, diesem Mann das Kanzler-amt zu verwehren.Margret Pedrotti-Hoovey 48155 Münster
Moment der Erkenntnis(41/12) Enttäuschter Taliban
Gut, dass von Zeit zu Zeit auch mal ein „Gotteskrie-ger“ aufwacht aus seinem Tagtraum und der Realität ins Auge blickt. Für viele kommt dieser Moment der Erkenntnis leider zu spät.Bleibt zu hoffen, dass so manch einer aus den Feh- lern anderer lernt und Kon-sequenzen für sein eigenes Leben zieht. Dann ist schon ein Stück des Weges zurück in die Zivilisation beschritten. Jürgen Schöfer Manila, Philippinen
Missstände hinterfragen(41/12) Noch ist Neulkölln nicht überall
Den Politikern, die sofort nach der Veröffentlichung des Buches ,,Neukölln ist überall“ Kritik geübt haben, kann es nicht darum gehen, die von Heinz Buschkowsky aufgezeigten Missstände argumentativ zu hinterfra-gen. Dafür müssten sie sich das Buch erst einmal durch-lesen. Es geht diesen Men- schen lediglich darum, ihre Politik zu verteidigen. Pro- bleme sollen da am besten nicht angesprochen werden.Jan Risting37120 Bovenden-Lenglern
Mitverantwortung(40/12) Wenn die Eltern alt werden
Wir als Angehörige de-menter Menschen in Heimen sind aufgefordert: Kommen wir unerwartet und sooft es geht ins Heim. Lassen wir uns nicht dazu überreden wegzubleiben, damit der Angehörige sich „eingewöh-nen“ kann. Erlauben wir keine „Bedarfsmedikamen-tation“. Kontrollieren wir, ob die Grundpfl ege gewähr-leistet ist. Das, was man dann sieht, muss man auch verkraften können.
Gute Pfl egeIm Seniorenzent-
rum Gradmann Haus in Stuttgart werden Demenz-kranke betreut, mit 57 Plätzen
eine eher kleine Einrichtung
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![Page 92: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/92.jpg)
92 FOCUS 42/2012
Die Leserdebatte von FOCUS und FOCUS Online
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Überprüfen wir, ob das Beschäftigungsprogramm nach § 87b SGB XI auch wirklich stattfi ndet. Verhin-dern wir, dass engagierte Altenpfl eger, -leiter/innen aus Gewissensgründen ins Ausland abwandern oder – von unmotivierten Kollegen/Chefs gemobbt – den Job hinschmeißen.
Wichtig ist, dass diejeni-gen, die Pfl egemissstände anprangern, nicht mehr als Nestbeschmutzer aus dem Job gedrängt werden. Martina Lenzen81739 München
Auf hohem Niveau(40/12) Harald-Schmidt-Kolumne„Grüne Urwahl“
Beinahe wäre ich darauf hereingefallen und hätte geglaubt, dass die Charakte-risierung der Protagonisten die tatsächliche Meinung von Harald Schmidt wieder-gibt. Wie dumm von mir. Er ist eben doch ein Meister der feinen, hintergründigen und intelligenten Satire. Danke für den erneuten Beweis, dass es Satire auch auf hohem Niveau gibt, ohne mit beleidigendem lautem Klamauk Applaus zu erheischen.Dr. Rainer Pfi ngsten57439 Attendorn
Peer Steinbrück stellt sich neuen politischen Herausforderungen
Beiträge unter: www.focus.de/magazin/debatte
Mails an: [email protected]
»Kompetenz und Fachwissen«
FOCUS-Leser diskutieren über die Bundeskanzlerwahl: »Hat Peer Steinbrück eine Chance gegen die Kanzlerin?«
Fehlende Legitimation Steinbrück ist ein Mann, der fi nanzpolitisch erfahren ist. Dies berechtigt aber nicht, ihn als möglichen Bundeskanzler zu nominieren. Er ist ein Mensch, der nur sich selbst liebt, ein Knecht der Banken.Johannes-Carl Hemmenstädt, Cornberg
Laute KritikWenn bereits einige Tage nach Steinbrücks Kür zum Kanzlerkandidaten so laute Kritik an ihm geübt wird, kann man davon aus-gehen, dass er es gegen die scheinbar unangefochtene Angela Merkel schwerhaben wird. Der Ausgang der Wahl liegt jedoch weniger beim Kandidaten als an der vor einer Belastungsprobe stehenden Partei.Jan Risting, Bovenden-Lenglern
Kanzlerin von der Leyen Da Kanzlerin Angela Merkel die schwarz-gelbe Koalition nicht fortsetzen kann, braucht sie einen Koalitionspartner – wahr-scheinlich die SPD. Da Steinbrück nicht in ein Kabinett Merkel geht, könnte nur eine Kanzlerin von der Leyen das Problem lösen. Die jetzige massive Kritik des konservativen CDU-Wirtschaftsausschusses an Arbeitsmi-nisterin Ursula von der Leyen ist ein Indiz da-
für, dass solche Lösungen „im Hintergrund“ diskutiert werden.Dr. Ulrich Holzhauer, Köln
VerbesserungswürdigPeer Steinbrück hat zweifelos große Ver-dienste während der zurückliegenden Finanzkrise erworben, indem er eine indus-trielle Kernschmelze verhindert hat. Den Wildwuchs beim Investmentbanking möchte er auch zu Recht eindämmen. Wenn er allerdings Chancen gegen Merkel haben will, muss er sein Verhältnis zur eigenen Partei noch verbessern. Holger Voss, Berlin-Spandau
Schachpartie der KandidatenOb es Herrn Steinbrück gelingt, die Kanzlerin schachmatt zu setzen, zeigt die Zukunft. Beim Schach ist der König die wichtigste, die Dame aber die stärkste Figur. Die posi-tiven Reaktionen der anderen Parteien zur Nominierung Steinbrücks interpretiere ich dahingehend, dass man es begrüßt, dass der allmächtigen Kanzlerin einer entgegen-tritt, der mit Kompetenz und Fachwissen die nicht von allen positiv bewerteten Pläne der Kanzlerin durchkreuzen könnte.Dieter Schmeer, Saarbrücken
»Soll der Atomausstieg verschoben werden, damit der Strom nicht noch teurer wird?«
Die interessantesten Kommentare drucken wir im nächsten Heft ab. Die Redak tion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.
Online-Debatten-Thema in dieser Woche:
Liebe Leserin, lieber Leser,schreiben Sie Ihre Meinung zu den Themen in diesem Heft – bitte unbedingt mit Angabe Ihrer vollständigen Adresse und Telefonnummer
Redaktion FOCUS Arabellastraße 23 81925 München oder Leserbrief-Fax: 0 89/92 50-31 96 E-Mail: [email protected].
Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.
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![Page 94: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/94.jpg)
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Quelle: Halle: „Zellen fahren gerne Fahrrad“, 2012
Sieben Jahre jünger
Martin Halle, 50, Präventionsmedi-ziner vom Klinikum rechts der Isar in München, erforscht die Auswir-kung von Bewegung und gesunder Lebensführung auf das biologische Alter. Wer kontinuierlich Sport treibt, bleibt im Alter 20 Jahre länger gesund. Sein eigenes biologi-sches Alter ist 43.
![Page 95: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/95.jpg)
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Fünf guteNachrichtenfür Ihr LebenMediziner erforschen, wie wir mit ein bisschen Bewegung unser biologisches Alter senken können und was die Psyche stärkt. Plus: die wichtigsten Tests, um auf Dauer gesund zu bleiben
Jungbrunnen Bewegung Transplantationsmediziner
Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule
Hannover untersucht in seinem Labor, wie
Sport das biologische Alter senken kann
FOCUS 42/2012
![Page 96: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/96.jpg)
96 FOCUS 42/2012
T I T E L
Wanderung von weißen Blutkörperchendurch das Endothel
glattesEndothel
rauesEndothel
Anhaftungvon weißen
Blutkörperchen
S tell dir vor, es gibt sie, die guten Nachrichten. Und zu wenige machen sie sich zu Nutze.
Fußball? Fahrrad?? Fitnesscen-ter??? Martin Schlieske konnte hinter sol-che Tätigkeiten gar nicht genug Frage-zeichen setzen. Der einzige Zugang, den der 54-Jährige zu Gesundheitsthemen fand, war der durchs Eingangsportal der Herz-und Thorax-Chirurgie an der Medi-zinischen Hochschule Hannover. Hier leitet Martin Schlieske den Pfl egedienst. Doch dann bot sich dem Mittfünfziger die Chance, noch einmal im Leben jünger zu werden. An der Hochschule sollte ein Jungbrunnen sprudeln.
Die gute Nachricht Nummer 1: Du musst nicht viel tun. Aber tue es!
Die ehrgeizige Idee hatte Axel Haverich, 59, entwickelt. Der führende deutsche Transplantationsmediziner und Gewebe-forscher hatte erkannt: „Wer täglich kaput-te Gefäße repariert oder Herzen transplan-tiert, wünscht sich, Faktoren zu fi nden, die den Menschen gesund halten.“
Regenerieren statt reparieren? Haverich war zuversichtlich. „Es gibt Anzeichen dafür, dass beim Sport Vorläuferstamm-zellen für die Gefäßinnenwände aus dem Knochenmark gelockt werden“, erläutert der Direktor der Klinik für Herz-, Tho-
rax-, Transplantations- und Gefäßchirur-gie. „Wir wollen“, beschloss er, „untersu-chen, ob diese Stammzellen die Gefäße regenerieren können.“
Axel Haverich, selbst überzeug-ter Leistungssportler und ehemaliger Hand ballspieler, konnte 67 männliche Mitarbeiter der Medizinischen Hoch-schule Hannover für seine Studie gewin-nen – darunter den Sportmuffel Martin Schlieske. Das Projekt machte es dem Pfl egedienst leiter leicht. Niemand quäl-te ihn aufs Laufband, niemand zwang ihn in den Trainingsplan zum Halbmara-thon. Haverich wollte untersuchen, wie sich schon ein wenig mehr Bewegung im Alltag auszahlt.
30 Minuten Sport sollten genügen, das aber Tag für Tag. Martin Schlieske änderte sein Leben nur in einem Punkt. Für die Studie trainierte er täglich eine halbe Stunde im klinikeigenen Fitness-studio der Sportmedizin. Reichen schon 30 Minuten Bewegung täglich aus, dem Körper eine Verjüngungskur zu bieten? Studienleiter Axel Haverich gibt sich überzeugt: „Pfl egedienstleiter Schlieske konnte in den sechs Monaten sein biolo-gisches Alter deutlich senken“, zieht er Bilanz. Wie in der „Rebirth active“-Stu-die, die durch die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern fi nanziert wird, nach-gewiesen wurde, verlängern sich nach
einem halben Jahr Bewegung die Chro-mosomen-Enden (Telomere) der weißen Blutzellen um sechs Prozent. Das heißt: Das biologische Alter der Immunzellen verringert sich schon bei einer minima-len Veränderung des Lebensstils. „Auch andere Vitalparameter verbesserten sich merklich, die Sportler reduzierten ihre Krankentage in dieser Zeit um etwa die Hälfte“, erklärt der Mediziner.
Die aktuelle Studie in Hannover ist nicht der einzige Hinweis, wie einfach sich der uralte Traum vom Jungbrun-nen, der schon im Mittelalter die Men-schen beschäftigt hatte, in die Wirklich-keit holen lässt – nur das Badewasser muss jeder für sich selbst einlassen. Eine Studie im renomierten Fachblatt „Lan-cet“ mit mehr als 400 000 Taiwanesen hatte im Jahr 2011 gezeigt, dass schon 15 Minuten leichtes Ausdauertraining täglich das Risiko nachweislich senken können, an Herz-Kreislauf-Leiden oder an Krebs zu erkranken.
Obwohl viele Krankheiten auch auf genetisch programmierte Komponenten zurückgehen, lässt sich ihr Ausbruch durch gesunde Lebensweise um bis zu 20 Jahre hinauszögern. „Sport spielt weit vor einer gesunden Ernährung die wich-tigste Rolle“, sagt Martin Halle, der gera-de ein neues Buch zum Thema Bewe-gung und Gesundheit geschrieben hat
Jugendliche Gefäße
Pfl egedienstleiter Martin Schlieske bewegte sich im Rahmen der Unter-suchung an der Medizinischen Hochschule Hannover eine halbe Stunde am Tag. Sein biologisches Alter ist seither deutlich gesunken
Die Innenwände (Endothel) der Arterien geben Aufschlussüber unseren Gesundheitszustand. Bei Inaktiven haften mehr Ablagerungen an den Gefäßwänden
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VerletzungenMuskel/Skelett
AtemwegeHerz/Kreislauf
Verdauung
Psyche
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97,4
97,1
95,7
90,8
82,7
Arbeitsunfähigkeit der AOK-Mitglieder nach Krankheitsart
indexiert: 2000 =100 Prozent
2001
2002
2005
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2004
2006
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(„Zellen fahren gerne Fahrrad“). Auch der Präventionsforscher am Münchner Klinikum rechts der Isar hat festgestellt, wie einfach sich der Sport als Jungbrun-nen einsetzen lässt – weit vor anderen Faktoren wie Ernährung, Stressmanage-ment und genügend Schlaf. Wer richtig ins Schwitzen kommt, kann sein Trai-ning kurz halten. „Je intensiver jemand trainiert, desto weniger muss er pro Tag investieren“, versichert Martin Halle.Und auch der Präventionsforscher kommt zum Ergebnis: „Hier machen 15 Minuten Laufen, Radfahren oder Seilspringen am Tag den Unterschied.“
Wobei der kleine Unterschied zum riesengroßen Unterschied anwachsen kann. Forscher der Universität Zürich und der Harvard Medical School haben herausgefunden, dass Menschen, die bis ins Alter körperlich aktiv sind, 20 Jahre länger gesund bleiben als Personen, die nie im Leben Sport getrieben haben – und das im Durchschnitt!
Weil Bewegung so viel einfacher fällt, wenn sie in den Alltag integriert ist und nicht auf den Feierabend und das Fit-nessstudio verschoben wird, plant Axel Haverich aus Hannover schon sein nächs-tes Projekt: Mitarbeiter der Medizini-schen Hochschule Hannover, die einen Arbeitsweg von mehr als acht Kilometern haben, will er aufs Elektrofahrrad setzen – Training und Technikunterstützung als perfekte Anreize für Bewegung.
Die gute Nachricht Nummer 2: Vieles ist heilbar. Nutze die Chance!
Ein Körper, der trainiert wird, sollte getestet sein. Auch bei ihrem Auto hal-ten die meisten Männer den regelmäßi-gen Kundendienst nicht für übertriebe-nen Luxus. Obwohl viele Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen so sper- rig erscheinen wie die Namen dafür, gilt die einfache Regel: Es lohnt sich.
Die fünf häufi gsten Krebsarten in Deutschland, mit Ausnahme von Lungen-krebs, sind mittlerweile gut behandelbar – vorausgesetzt, sie werden früh erkannt. Auch ein Großteil der tödlichen Herzin-farkte und Schlaganfälle ließe sich nach Meinung führender Kardiologen verhin-dern – wieder unter der Voraussetzung zielgerichteter Prävention.
Zwar diskutieren die Forscher, in wel-chem Ausmaß nun gesunder Lebens-
Quelle: Fehlzeiten-Report 2012
PsycheAls Hauptgründe für den
Anstieg an psychischen
Leiden wie Burn-out
gelten Unzufriedenheit,
Mangel an Wertschät-
zung, Arbeitsdichte und
Stress am Arbeitsplatz.
Muskeln/SkelettDie Zahl der Fehltage
nimmt hier ab. Immer
mehr Arbeitnehmer
treiben in ihrer Freitzeit
Sport und halten sich fi t.
Herz/KreislaufAuf Grund der frühen
Erkennung von Herz-
erkrankungen sinkt die
Zahl der Menschen, die
wegen eines Herzleidens
krankgeschrieben werden.
Magen-DarmDie Zahl der Fehltage infolge
von Verdauungsbeschwerden
bleibt insgesamt konstant.
Häufi ger werden nur die
chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen.
AtemwegeVorübergehende Erkäl-
tungen gelten als Haupt-
ursache bei den Fehl-
tagen. Die Zahl der Tage
schwankt zwar, steigt
aber insgesamt nicht an.
VerletzungenSeit 2001 ist die Zahl von
Arbeitsunfähigkeitstagen
nach Unfällen
insgesamt rückläufi g.
Rasanter Anstieg von psychisch Kranken
Die Ursache für die meis-ten Fehltage am Arbeits-platz bilden diese sechs Beschwerdegruppen. Einzig psychische Leiden sind auf dem Vormarsch
Schwachpunkt Seele
Die Zahl der Fehl-zeiten auf Grund von psychischen
Erkrankungen haben sich zwischen den
Jahren 2004 und 2011 um fast das
Elffache erhöht
![Page 98: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/98.jpg)
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Krankenstandin Prozent
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Arbeitsunfähigkeitstageje 100 Pflichtmitglieder
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stil oder konsequente Vorsorge die Lebenserwartung allgemein und die Zahl der gesunden Lebensjahre spezi-ell steigern können. Unstrittig aber ist: Beides ist eng verbunden. So lässt sich der Erfolg durch Sportintegration in den Alltag noch potenzieren. Training plus
wir etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bevor jemand einen Infarkt oder Schlag-anfall erleidet.“ Zusätzlich werden neue Diagnosemethoden dazu beitragen, dass potenziell tödliche Erkrankungen früh-zeitig und damit rechtzeitig erkannt werden – so lässt sich der gut operable Darmkrebs durch einen einfachen Blut-test diagnostizieren.
Laut Robert Koch-Institut und Krebsre-gister sinkt durch die verbesserte Vorsorge auch die Sterblichkeit nach verschiede-nen Krebserkrankungen. Vor 1980 star-ben mehr als zwei Drittel aller Krebspati-enten an ihrer Erkrankung. Heute können mehr als die Hälfte auf dauerhafte Hei-lung hoffen. Eine dieser Erfolgsstorys ist die Neuregelung der Hautkrebsfrüher-kennung. Weil seit 2008 jeder Versicher-te alle zwei Jahre zum Screening gehen darf, erkennen Ärzte mehr Frühformen. Wurden 2006 erst 14 Melanome pro 100 000 Einwohner diagnostiziert, sind es heute bereits 17. Auch die Sterblichkeit bei Darmkrebs sinkt kontinuierlich. Lag die Todesrate 2001 noch bei 58 Prozent, reduzierte sie sich 2008 bereits auf 38 Pro-zent, da Ärzte mehr Tumoren in einem frü-heren, heilbaren Stadium erkannt haben.
Nach Angaben der deutschen Gesell-schaft für Kardiologie sank die Anzahl der Patienten, die an einem Herzinfarkt sterben, in den vergangenen zehn Jah-ren von achteinhalb auf sechs Prozent. Dank früher Diagnosen und schonen-der Eingriffe wird Herzpatienten heute geholfen, bevor es zu spät ist.
Die gute Nachricht Nummer 3: Gesundheit beginnt beim Gesundsein!
Fitness ersetzt nicht Früherkennung. Zwar holen Männer inzwischen bei der Vorsorge auf. Dennoch fällt es ihnen immer noch schwer, gesund zum Arzt zu gehen. Mittlerweile gibt es zahlrei-che Zentren, die Rundum-Check-ups innerhalb weniger Stunden anbieten. Einer, der dieses moderne Konzept der Vorsorge verfolgt, ist Christoph Bamber-ger. Er ist Direktor des Medizinischen Präventions-Centrums Hamburg. Dieses Zentrum, angegliedert an das Uniklini-kum Eppendorf, bietet Komplettuntersu-chungen – von der Darmkrebs-Vorsorge über den Ultraschall der Halsschlagader bis hin zum Hormontest: alles innerhalb eines halben Tages an einem Ort.
Vorsorge plus Burn-out-Vermeidung: „Immer mehr Organisationen sehen die Notwendigkeit, mehr in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu investieren“, hat der Münchner Präventionsforscher Martin Halle beobachtet. „Dank verbesserter Früherkennungsmethoden entdecken
Gesundheitsvorsorge am laufenden Band
Bei Werksbegehungen gibt Anja Berkenfeld,
leitende Betriebsärztin bei ThyssenKrupp, den
Mitarbeitern Informa-tionen, welche fi rmen-eigenen Gesundheits-
programme sie wahrnehmen können
Arbeitnehmer immer weniger krankgeschrieben
Die Anzahl der Krankentage ging
seit Mitte der 90er-Jahre zurück.
Erst seit 2007 stieg die Kurve
wieder an, da die langen Fehl-zeiten der Burn-out-Betroffenen
ins Gewicht fallen
Quelle: Fehlzeiten-Report 2012
![Page 99: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/99.jpg)
Hier diesen AnreisserDipl. Psychologe Dr. rer. soc. Horst-W. Reckerter es gerade fünfzehn Jahr alt der König und die Königin nicht zu Hause waren und der eine
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Doch auch zu Christoph Bamberger kommen die wenigsten Männer aus völ-lig freien Stücken. „Der Großteil landet hier“, hat Bamberger festgestellt, „weil er etwa einen Herzinfarkt im näheren Umfeld erlebt hat.“ Der andere Grund sei, wenn der Körper nicht mehr wie gewohnt „funktioniere“.
Ganz ähnliche Beobachtungen über den Mann und seine Motivationen für die Medizin hat Simone Widhalm gemacht. Die Ärztin hat in Düsseldorf und an der Universität im österreichischen Krems in Tiefeninterviews erforscht, was Männer zu Gesundheitsmuffeln macht.
„Vorsorge wird von vielen Männern unter einem Leistungsaspekt gesehen“, fasst Widhalm zusammen. „Das Körper-empfi nden defi niert sich vor allem über Kraft und Ausdauer bei Bewegung. Erst wenn Männer merken, dass sie beim Sport nicht mehr die gewohnten Top-Ergebnisse erzielen können, gehen sie zum Arzt.“ Der kleine Unterschied zwi-schen den Geschlechtern: Frauen denken beim Begriff Vorsorge an ihre Gesundheit; Männer haben in erster Linie den Gedan-ken an Krankheit im Kopf.
Die Mühe, den eigenen Mann zu bedrängen, können sich die meisten Frauen immerhin ersparen. „Vor allem jüngere Männer haben erklärt, dass sie
sich eher von ihrer Mutter als von ihrer Frau oder Freundin zur Vorsorge bewe-gen lassen“, hat Simone Widhalm von den männlichen Befragen zu hören bekommen.
Wenn der Mann nicht zum Arzt geht, muss eben die Medizin zu ihm kommen. Dieses Erfolgsgeheimnis der Vorsorge hat Anja Berkenfeld zielgerichtet ein-gesetzt. Die Arbeitsmedizinerin schafft möglichst niedrigschwellige Angebote – vor allem bei so sensiblen Themen wie der Darmkrebs-Vorsorge.
Berkenfeld ist leitende Betriebsärztin und Abteilungsdirektorin des Bereichs Health and Safety bei ThyssenKrupp in Essen. In ihrem Arbeitsalltag erlebt sie auch Mitarbeiter, die niemals zum Arzt gehen. Hier spielt die betriebliche Vor-sorge eine zentrale Rolle. „Das gilt beson-ders für ein Unternehmen wie Thyssen-Krupp, in dem 75 Prozent der Belegschaft männlich sind und der Altersdurchschnitt bei 42,5 Jahren liegt.“
Dennoch hat das Team um Berkenfeld im vergangenen Jahr 10 000 Mitarbeiter zu einem Darmkrebs-Vorsorgetest bewe-gen können. Bei 615 Mitarbeitern und 75 Angehörigen und Bekannten konn-ten die Ärzte durch einen immunologi-schen Test mögliche Vorstufen von Krebs erkennen – und damit vielleicht Leben
retten. Die Betroffenen wurden dann gezielt an einen Facharzt vermittelt.
Bei ThyssenKrupp kam der Arzt zum Mitarbeiter. „Viele Kollegen haben mir gesagt, sie hätten den Test nicht gemacht, wenn sie dafür extra zu einem Arzt hät-ten gehen müssen“, erklärt die Arbeits-medizinerin. Entscheidend sei auch der Weg der Ansprache gewesen. „An unse-ren Werften und Werken hätten wir allein mit einem Newsletter in der Gehaltsab-rechnung nicht alle erreicht.“ Deshalb, so Berkenfeld, hätten sich die Personal-verantwortlichen morgens persönlich ans Werkstor gestellt und das Gespräch mit den Arbeitern gesucht.
Die gute Nachricht Nummer 4: Nicht jeder muss alles tun!
So viel auch machbar ist: Nicht alles muss getan werden. Auch Vorsorge lässt sich übertreiben. „Eine Ganzkörper-Computertomografi e einmal im Jahr, wie sie teilweise noch in den USA gemacht wird, halte ich für falsch“, erklärt sehr eindeutig Vorsorgespezialist Christoph Bamberger. Schädliche Untersuchungs-methoden wie Tests mit Röntgenstrahlen hätten nichts in der klassischen Vorsorge zu suchen. Als einzige Ausnahme nennt Bamberger die Mammografi e. Die sei
Diplompsychologe Horst Reckert aus Tübingen bietet ein Anti-Burn-out-Training für Banker an. Er schult Führungskräfte darin, besser mit Stress umzugehen
![Page 100: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/100.jpg)
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um sie in einem Gespräch oder Online-Chat zu lösen, werden die Ratsuchenden an herkömmliche Praxen von Psychologen oder Psy-chotherapeuten vermittelt.
Zur Selbsthilfe motiviert der Tübinger Diplompsy-chologe und Coach Horst Reckert. Er hatte selbst Bank-kaufmann gelernt. Heu-te schneidet er sein Anti-Stress-Programm auf die Bedürfnisse von Führungs-kräften in der Finanzbranche zu: „Ich vermittle den Füh-rungskräften, bei sich selbst Stress besser abzubauen und den Arbeitsalltag mög-lichst konfl iktfrei zu gestal-ten. Die Herausforderung ist weniger das Wissen als die konkrete und nachhaltige Umsetzung.“ Der Psycholo-ge leitet seine Klienten an, den Ursachen von Stress auf den Grund zu gehen. Sein Anti-Stress-Training bietet er online unter pia-burnout.com an – oder als E-Book zum Üben in Eigenregie.
Ralf Bublack, 47, Bereichs-direktor für die Firmenkun-denbetreuung der VR Bank Westmünsterland, setzt
Reckerts Methode seit drei Jahren ein. „Ich benutze in Stresssituationen eine Distanzierungstechnik.“ Wenn er sich gestresst fühlt, stellt er sich die Fra-ge, wie sehr ihn der akute Fall in einer Woche oder einem Monat auf einer Skala von eins bis zehn immer noch beschäfti-gen würde. „Meist ist die Antwort unter fünf – und schon rücken Wut und Ärger etwas in die Ferne“, so Rublack. „So kann ich neben meiner Verantwortung für ein erfolgreiches Betriebsergebnis auch etwas für das Gesundheitsmange-ment leisten, das bei uns einen hohen Stellenwert hat.“
Wie einfach es sein kann, sein Leben und Arbeitsleben neu anzugehen, hat Pfl ege-dienstleiter Martin Schlieske erfahren. Die medizinischen Parameter des 54-Jährigen sind gut wie nie. Und: Er fühlt sich bei der Arbeit so wohl wie lange nicht mehr. ■
ULRIKE BARTHOLOMÄUS / JENNIFER REINHARD
sinnvoll. Wegen des häufi gen Vorkom-mens von Brustkrebs – etwa jede achte Frau in Deutschland erkrankt im Lauf ihres Lebens daran –, und wegen des Mangels an anderen Früherkennungsmethoden.
Insgesamt sei Aktionismus in der Vor-sorge fehl am Platz. „Es gibt Untersu-chungen ohne Aussagekraft“, räumt Christoph Bamberger ein. „Bestimmte Vitamine oder Aminosäuren beispiels-weise sind so starken Schwankungen unterworfen, dass man den Wert nicht ermitteln muss. Ohnehin liefern Tests immer nur eine Momentaufnahme. Auf-fällige Befunde bedürfen unbedingt einer Verlaufskontrolle.“ Auch von Gentests für Krankheiten, für die noch keine geeig-nete Therapie entwickelt ist, raten viele Experten ab.
Die gute Nachricht Nummer 5: Burn-out ist nicht nur Schicksal
Ähnlich schicksalhaft wie Alzheimer erscheint das Thema Burn-out. Tatsäch-lich hat sich die Arbeit objektiv verdich-tet. Ein durchschnittlicher Erwerbstäti-ger des Jahres 2010 war nach Zahlen des Statistischen Bundesamts pro Stunde um ein Drittel produktiver als im Jahr 1991. Unter AOK-Mitgliedern stieg die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die auf Burn-out zurückgehen, von 2004 bis 2011 um fast das Elffache an.
„Das öffentliche Gesundheitssystem hat hier häufi g nicht die Möglichkeiten,Menschen schnell zu helfen“, musste Arbeitsmedizinerin Anja Berkenfeld feststellen. Auch auf diesem Feld ver-sucht sie, die Medizin zum Menschen zu bringen. Anfang des Jahres hat Thyssen-Krupp am Standort Essen ein Pilotprojekt mit dem Namen Employee Assistance Program gestartet. Es bietet Angestell-ten und Führungskräften 24 Stunden am Tag die Möglichkeit zur psychosozialen Betreuung. „Bei psychischen Erkrankun-gen gibt es nur ein sehr kleines Zeitfens-ter, in dem man etwas bewegen kann“, erläutert die Arbeitsmedizinerin. „Wenn man einem Betroffenen einen Zettel mit Telefonnummern von Therapeuten in die Hand drückt, die er abtelefonieren soll, ist das Zeitfenster schnell wieder geschlossen.“
Das ThyssenKrupp-Pilotprojekt nutzt ein Netzwerk niedergelassener Thera-peuten. Sind die Anliegen zu komplex,
Martin Halle erklärt, was die biologische Uhr verlangsamt:
Scannen Sie den QR-Code mit einer App wie „Scan“ (iPhone) oder „QR Barcode Scanner“ (Android)
»Viele Männer lassen sich eher von ihrer Mutter als von ihrer Freundin zur Vor-sorge bewegen« Simone Widhalm, 47 Jahre, ist Medizinerin und Kommunikations-expertin aus Düsseldorf. Sie hat erforscht, wie Männer zur Vorsorge animiert werden können und welche Gesundheitskampagnen beim starken Geschlecht wirklich ziehen
![Page 101: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/101.jpg)
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Check-ups für ein langes LebenKompass durch den Vorsorge-Dschungel: die wichtigsten Untersuchungen, um Krank-heiten vorzubeugen und früh zu erkennen
Organ Beschreibung KostenBewertung
GEHIRN Schlaganfall-Check: Mediziner untersuchen die Halsschlagader mit einem Ultraschallgerät.
Eine der wichtigsten Vorsorgeunter-
suchungen, zeigt sehr früh Gefäßverände-rungen lokal und im gesamten Körper an.
74–150 Euro (Patienten übernehmen Kosten, IGeL), private Kassen zahlen, ab 55 Jahren, jährlich empfohlen
Stresstest: Per Biofeedback und/oder-Computersoftware werden Stresslevel und Entspannungsfähigkeit beobachtet.
Geeignet, um den Umgang mit Stress
zu analysieren und so psychischen Erkran-kungen wie Burn-out vorzubeugen
Um 100 Euro (IGeL), empfohlen bei an-haltenden und starken Stresssymptomen
Alzheimer-Test (kognitiver Kurztest): Frage-Antwort-Tests (z. B. Mini-Mental-Status-Test), um Gedächtnisstörungen zu ermitteln
Sinnvoll, um Einschränkungen der
Gehirnleistung zu ermitteln und eine Alzheimer-Demenz auszuschließen
12–55 Euro (als Vorsorgeuntersuchung IGeL), bei Gedächtnisstörungen empfohlen
Neuropsychologische Tests: Befragungen geben Aufschluss über das Ausmaß des geistigen Leistungsabbaus.
Hilfreich, wenn Kurztests kein klares Ergebnis geliefert haben
21–105 Euro, Kosten abhängig vom Um-fang der Tests (als Vorsorgeuntersuchung IGeL), nur bei Alzheimer-Verdacht
Blutuntersuchung: u. a. Blutbild, Messung des Nüchternblutzuckers und der Vitamine B6/12, Folsäure, Hormonbild
Geeignet, um einen Vitaminmangel
oder Hormonstörungen als Ursache von Gedächtnisstörungen auszuschließen
Um 300 Euro (IGeL), bei unklaren Störun-gen des psychischen Befi ndens oder der geistigen Leistungsfähigkeit empfohlen
Gehirn-Scan (meist mittels Magnetreso-nanztomografen, MRT): Die genaue Analy-se eines digitales Schnittbilds macht mög-liche Schädigungen im Gehirn sichtbar.
Nur bei bestehender Altersvergesslich-
keit bzw. dringendem Verdacht sinnvoll, um eine Alzheimer-Demenz auszuschließen
Um 1000 Euro (als Vorsorgeuntersuchung IGeL), nur bei hartem Alzheimer-Verdacht empfohlen
Gentests bei familiärem Alzheimer: Untersuchung des Blutes auf Mutationen spezieller Gene (APP, Presenilin 1 und 2)
Nur bei Verdacht auf vererbte Demenz und nur nach ausführlicher Beratung durch eine humangenetische Beratungsstelle, da es noch keine geeignete Therapie gibt
Ab 500 Euro (IGeL), private Kassen zahlen bei Verdacht auf eine vererbte Alzheimer-Erkrankung.
Test zur Alzheimer-Früherkennung (Amyvid-Test): Ein schwach radioaktiver Stoff macht im Scanner (PET) im Gehirn alzheimerverdächtige Areale sichtbar.
Kann eine Alzheimer-Erkrankung schon rund 15 Jahre vor Ausbruch erkennen. Noch kann daraus aber keine Therapie-empfehlung erwachsen.
Um 1500 Euro (IGeL) wird in ausgewählten Fachkliniken in Deutschlandangeboten, private Kassen zahlen, bei begründetem Alzheimer-Verdacht.
AUGE Augeninnendruckmessung: Durch Druck auf die Hornhaut wird der Augeninnendruck ermittelt.
Wichtige Untersuchung zur Früherken-
nung des grünen Stars (Glaukom), nur in Kombination mit Sehnervuntersuchung und Gesichtsfeldbestimmung effektiv
Um 20 Euro (IGeL), Private zahlen im Rahmen der Vorsorge, empfohlen ab 40 alle drei Jahre, ab 65 Jahren alle ein bis zwei Jahre.
Untersuchung des Augenhintergrunds: Netzhaut, Sehnervkopf und Blutgefäße werden bei weiter Pupille durchleuchtet.
Sinnvoll, um Veränderungen der Netz-
haut früh zu erkennen, besonders wichtig bei stark Kurzsichtigen
Um 25 Euro (IGeL), empfohlen ab 60 alle ein bis zwei Jahre oder bei starker Kurzsichtigkeit jährlich
Messung der Hornhautdicke: mit einem Ultraschallgerät oder als optische Untersuchung
Wichtig, wenn nicht sicher ist, ob ein
erhöhter Augeninnendruck als krankhaft
zu bewerten ist bzw. ein Glaukom vorliegt
35–45 Euro (IGeL), der Test muss in der Regel nur ein einziges Mal durchgeführt werden.
Vom Stresstest bis zur Darmkrebsprävention Christoph Bamberger bietet in seinem Präventionszentrum in Hamburg Rundum-Check-ups an
= Innovation
Gehirn-Scans geben Aufschluss, wenn ein Alzheimer-Verdacht besteht
Mit einer Spaltlampe werden Sehnerv und Netzhaut untersucht
![Page 103: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/103.jpg)
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AUGE Erstellen eines 3-D-Bildes des Sehnervs: Augenspiegelung mit dem Heidelberger Retina-Tomografen (HRT)
Die wichtigste Untersuchung, um selbst feinste Veränderungen des Sehnervkopfes frühzeitig zu erkennen
75–85 Euro (IGeL), bei Glaukomverdacht und Risikopatienten (z. B. Diabetes) jährlich empfohlen
Netzhautanalyse (optische Kohärenztomo-grafi e, OCT): Die Netzhaut wird mit einem schwachen Laserlicht abgetastet.
Zeigt Veränderungen der Struktur und
Dicke der Netzhaut, zur Vorsorge altersab-hängiger Makuladegeneration (MAD) geeignet
90–105 Euro (IGeL), bei Verdacht auf Glaukom oder AMD zur Verlaufs-kontrolle jährlich empfohlen
Ermittlung der Nervenfaserschichtdicke: Ein Laser untersucht das Auge in vertikalen Schnitten.
Gut zur Früherkennung geeignet (bei Risikopatienten oder Glaukomverdacht)
75–85 Euro (IGeL), bei Glaukomverdacht und Risikopatienten ist die Untersuchung jährlich sinnvoll.
SCHILDDRÜSE Schilddrüsen-Check: Ultraschall und Messung der Schilddrüsenhormone (TSH)
Empfehlenswert, um eine Schilddrüsen-erkrankung früh zu erkennen
40–80 Euro (IGeL), ab 35 alle 2 Jahre, private Versicherungen zahlen.
Farbdoppler: Ultraschall, der die Durch-blutung der Schilddrüse, insbesondere auffälliger Areale anzeigt
Sehr sinnvoll, um die Beschaffenheit vorhandener Knoten abzuklären
60–80 Euro (wird in Kombination mit dem Schildrüsen-Check gemacht, IGeL), ab 35 alle zwei Jahre
HAUT Muttermal-Analyse: Der Arzt untersucht den gesamten Körper mit bloßem Auge oder einer Lupe.
Basisuntersuchung, um Hautkrebs und seine Vorstufen zu erkennen
Kassenleistung ab 35 alle zwei Jahre, viele Kassen zahlen schon früher, Private übernehmen Kosten
Analyse mit dem Aufl ichtmikroskop (Dermatoskopie): ermöglicht auch die Un-tersuchung tiefer liegender Hautschichten
Sehr gute Methode zur Untersuchung von Muttermalen und zur Früherkennung von Hautkrebs
39–52 Euro (IGeL), am besten jährlich, viele gesetzl. Kassen übernehmen die Kosten, private Kassen zahlen
Videoskopie: Eine Videokamera mit Mikro-skopvorsatz vergrößert Muttermale bis zu 70-fach, die Bilder werden gespeichert.
Sinnvoll bei Patienten mit erhöhtem
Hautkrebsrisiko, ermöglicht eine Langzeitüberwachung
75–100 Euro (IGeL), Kosten von der Zahl der Muttermale abhängig, Private zahlen in Einzelfällen.
HERZ UNDKREISLAUF
Check-up 35: Messung des Blutdrucks, Bluttests (Gesamtcholesterin, Glukose), Urinuntersuchung
Geeignet, um einige der Risikofaktoren ei-ner Herz-Kreislauf-Erkrankung zu ermitteln, als Vorsorge allein nicht ausreichend
Kassenleistung ab 35 Jahren alle zwei Jahre
Großes Blutbild: inkl. Analyse Leber-/Nierenwerte, Zucker, Fettstoffwechsel
Sinnvoll, um das Risiko für Diabetes, Nie-ren-, Herz-Kreislauf-Erkrankung zu ermitteln
Um 60–150 Euro (IGeL), Private zahlen, sinnvoll ab 40 alle ein bis zwei Jahre.
Lifestyle-Check: Beratung zu Gewicht, Ess-, Rauch- und Sportgewohnheiten
Sehr sinnvoll, um chronischen Erkrankun-gen wie Diabetes vorzubeugen
Um 60 Euro pro Gespräch (IGeL), sinnvoll ab 35 alle ein bis zwei Jahre
Belastungs-EKG: Der Arzt misst den Herzschlag bei körperl. Anstrengung wie Radfahren oder Joggen auf dem Laufband.
Sinnvoll, um eine Herz-Kreislauf-Erkrankung frühzeitig zu erkennen (v. a. bei Risikopati-enten mit Übergewicht, Diabetes etc.)
Um 60 Euro (IGeL), teilweise Kostenbetei-ligung (als Teil der sportmedizinischen Un-tersuchung), ab 40 alle ein bis zwei Jahre
Ultraschall der Halsschlagader:
Die hirnversorgenden Blutbahnen werden mit einem Ultraschallgerät untersucht.
Sehr wichtig, zeigt früh Gefäßveränderun-gen (Arteriosklerose) lokal und im gesam-ten Körper an
80–150 Euro (IGeL), Private zahlen, ab 55 Jahren jährlich empfohlen.
Herzultraschall (Echo-Kardiografi e): Untersuchung des Organs mit Hilfe eines Ultraschallgeräts
Sehr sinnvolle Untersuchung, um sich einen Eindruck von der Beschaffenheit von Herzklappen und -muskel zu machen
120–180 Euro (IGeL), empfohlen ab 40 Jahren, alle ein bis zwei Jahre
Gentests: Untersuchung des Blutes auf bestimmte Genvarianten, die auf ein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deuten
Wird gängige Früherkennungsunter-
suchungen nicht ersetzen, herkömmliche Methoden sind einfacher und günstiger.
Noch im Forschungsstadium
LUNGE Lungenfunktionsuntersuchung: Der Arzt ermittelt das Lungenvolumen und wie viel Luft man in einer Sekunde ausatmen kann.
Bei starken Rauchern ratsam, um eine chronische Lungenerkrankung (COPD) früh zu erkennen
50–60 Euro (IGeL) Gesetzliche beteiligen sich teilweise an Kosten, Private zahlen ab 45, sinnvoll für Raucher ab 40 jährlich.
Thoraxübersichtsaufnahmen
mit einem Computertomografen, der mit einer geringen Strahlendosis arbeitet (Low-Dose-CT)
Kann Veränderungen in der Lunge früh
erkennen – allerdings auch ungefährliche, wird derzeit wieder als Screening für Raucher diskutiert.
Um 290 Euro (IGeL), sinnvoll für Raucher mit 15–20 „Packyears“ (Jahre, in denen täglich eine Schachtel Zigaretten geraucht wurde)
Biomarker-Test (Epi proLung): Zellen aus den Bronchien werden auf ein Protein untersucht, das auf Lungenkrebs hinweist.
Nur zur Bestätigung bei Verdacht
auf Lungenkrebs200–250 Euro, kommt bislang nur vereinzelt in Fachkliniken zum Einsatz und wird dann auch bezahlt.
Organ Beschreibung KostenBewertung
= Innovation
Das Belastungs-EKG ist vor allem für Risiko-patienten und Extrem-sportler sinnvoll
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LUNGE Atemdiagnostik: „Elektronische Nasen“ untersuchen den Atem oder das Atemkon-densat auf fl üchtige organische Verbindun-gen oder Eiweiße, die auf Krebs hinweisen.
Viel versprechende Entwicklung,
die nötigen Sensoren sind aber noch nicht ausgereift, es gibt noch keine Serien-modelle zur Untersuchung des Atems.
Die Technik befi ndet sich in
einem frühen Forschungsstadium, ist noch nicht in Kliniken im Einsatz bzw. erhältlich.
WEIBLICHEBRUST
Brustuntersuchung: Inspektion und Abtasten der Brust und der Lymphknoten
Basisuntersuchung, um Brustkrebs zu erkennen
Kassenleistung, ab 30 jährlich empfohlen
Mammografi e: Erstellen eines Röntgenbildes beider Brüste
Die wichtigste Untersuchung der Brustkrebsfrüherkennung
Kassenleistung, vom 51. bis 70. Lebensjahr alle zwei Jahre
Mammasonografi e: Ultraschall-untersuchung des Brustgewebes
Bestimmte Tumoren werden nur beim Ultraschall erkannt, das Verfahren setzt einen erfahrenen Arzt voraus.
35–70 Euro (IGeL), Kassenleistung (GKV und Private) bei ärztlich bescheinig-ter Notwendigkeit
Mamma-MRT: Brustuntersuchung mit Hilfe eines digitalen Schnittbildes
Ist in besonderen Fällen sinnvoll, z. B. bei sehr dichtem Brustgewebe, einer Brust-prothese oder bei unklaren Befunden
Um 500 Euro (IGeL), GKV-Leistung bei familiärem Brustkrebs, Private zahlen, wenn z. B. Mammografi e nicht möglich ist.
Gentest: Untersuchung des Blutes auf Mutationen der Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2
Sinnvoll bei Patientinnen mit hohem
familiärem Risiko, nur nach umfassender genetischer Beratung
Kassenleistung bei erhöhtem Risiko für familiären Brustkrebs (Kriterien sind streng defi niert)
BAUCHSPEICHEL-DRÜSE
Diabetes-Test: Der Arzt bestimmt den Blutzuckerspiegel im nüchternen Zu-stand.
Sehr sinnvoll für die frühe Erkennung von Diabetes, einfache und schnelle Methode
Kassenleistung im Rahmen des Check-up 35, alle zwei Jahre
Zuckerbelastungstest (Glukosetoleranz-test, OGTT): zeigt, wie gut der Körper Glukose verarbeitet
Zentrale Untersuchung zum Nachweis von Diabetes, kann ein Diabetes-Risiko sehr genau bestimmen, aber zeitaufwendig
Um 32 Euro (IGeL), bei erhöhten Zuckerwerten empfohlen
Ermittlung des Langzeitblutzucker-
Wertes (HBA1c-Test): gibt Aufschluss über den Blutzuckerspiegel der letzten Monate
Wichtiger Test, um Diabetiker gut
einzustellenKassenleistung bei nachgewiesenem Diabetes zur Verlaufskontrolle
Gentest: Blutuntersuchung auf Genvarian-ten, die ein Risiko für Typ-2-Diabetes zeigen
Als Vorsorge-Untersuchung (noch)
ungeeignet
Noch im Forschungsstadium
KNOCHEN Knochendichtemessung: Ultraschall- oder spezielle Röntgenuntersuchung (DXA-Mes-sung) an der Lendenwirbelsäule oder Hüfte
Bei Verdacht auf Osteoporose zur Früh-
erkennung geeignet, bei unklaren Befun-den ist eine Röntgenuntersuchung nötig.
50–90 Euro (IGeL), private Kassen zahlen im Rahmen der Vorsorge, empfohlen ab 50 alle drei Jahre.
LEBER Ultraschall des Bauches: u. a. Leber, Nie-re, Milz, Bauchspeicheldrüse und Gefäße
Sehr wichtig, um Veränderungen der Organe und Krebs frühzeitig zu erkennen
80–150 Euro (IGeL), empfohlen ab 35 Jahren alle zwei Jahre
NIERE Nieren-Check: Ultraschall des Organs und Blutuntersuchung
Besonders der Ultraschall ist wichtig, um Nierenkrebs in einem frühen Stadium zu erkennen
Um 80 Euro (IGeL), private Kassen zahlen im Rahmen der Vorsorge.
BLASE Urinuntersuchung: Untersuchung des Urins auf Proteine, Zucker, Bakterien und Blut
Basisuntersuchung, geeignet, um Blasen- und Nierenerkrankungen zu erkennen
Kassenleistung im Rahmen des Check-up-35, alle zwei Jahre
NMP 22 Untersuchung des Urins auf den Gehalt bestimmter Eiweiße, der bei einem Blasentumor erhöht ist
Sinnvoll beim Verdacht auf ein Blasen-
karzinom, um Krebs auszuschließen sowie zur Verlaufskontrolle
22–35 Euro (IGeL), keine Übernahme durch private Kassen, da es sich noch nicht um einen med. Standard handelt
PROSTATA Tastuntersuchung (digital-rektale Unter-suchung): Der Arzt tastet die Prostata durch die Wand des Enddarms ab.
Wichtig, um Prostatakrebs zu erkennen, Tumoren werden aber erst in fortgeschritte-nem Stadium entdeckt.
Kassenleistung, ab 45 Jahre jährlich, empfohlen schon ab 40 Jahren jährlich
PSA-Test: Eine Blutprobe wird auf Eiweiße – das prostataspezifi sche Antigen – untersucht.
Effektiv, um bösartige Veränderungen frühzeitig zu erkennen, erfordert aber eine umfassende Beratung durch den Arzt
28–45 Euro (IGeL), Priavte übernehmen die Kosten im Rahmen der Vorsorge, ab 40 jährlich
PCA3-Test: Untersuchung des Urins auf bestimmte Eiweiße, die bei Prostatakrebs in stark erhöhtem Maße vorliegen
Nur zur Abklärung eines erhöhten PSA-
Wertes bzw. vor einer Biopsie sinnvollUm 330 Euro (IGeL), Private zahlen, wenn z. B. eine Prostatapunktion aus gesundheit-lichen Gründen nicht möglich ist.
= Innovation
Das Abtasten der Brust zählt zu den Basisunter-suchungen bei der Brustkrebsvorsorge
Diabetes-Risiko? Blut-tests schaffen Klarheit
![Page 107: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/107.jpg)
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GEBÄRMUTTERUND
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Gynäkologische Untersuchung: Abtasten von Gebärmutter (-hals), Muttermund, Eier-stöcken sowie Inspektion der Genitalien
Immer in Kombination mit einem
Abstrich, sinnvoll, um Krebs im Frühstadium zu erkennen
Kassenleistung ab dem 20. Lebensjahr jährlich
Vaginaler Ultraschall: Untersuchung der Harnblase, Gebärmutter sowie der Eierstöcke und Eileiter
Sinnvoll zur Früherkennung von gutarti-
gen Wucherungen (Myome) und um bös-artige Veränderungen in Gebärmutter oder Eierstöcken zu erkennen
65–76 Euro (IGeL), private Kassen zahlen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung, empfohlen ab dem 20. Lebensjahr jährlich
Zellabstrich (Pap-Test): Unter dem Mikro-skop werden Zellen aus der Gebärmutter-schleimhaut auf Veränderungen untersucht.
Basisuntersuchung, dringend empfohlen, um Krebsvorstufen zu erkennen
Kassenleistung ab dem 20. Lebensjahr jährlich
HPV-Test: Untersuchung des Abstrichs auf humane Pappilomviren (HPV), die als Auslöser von Gebärmutterhalskrebs gelten
Sehr wichtig, um das Risiko für Gebärmut-terhalskrebs einzuschätzen, in vielen Län-dern bereits eine Standarduntersuchung
38–118 Euro (IGeL), GKV übernimmt Kosten bei auffälligem PAP, Private zahlen, ab 30 bis 35 Jahren empfohlen.
Flüssigzytologie (Thin-Prep-Pap-Test): Die Zellprobe wird in eine Lösung gespült und dort konserviert.
Nicht unbedingt sicherer als der Pap-
Test, aber eine Zellprobe kann für mehrere Untersuchungen genutzt werden.
50-70 Euro (IGeL), private Kassen zahlen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen.
Chlamydien-Test: Untersuchung des Urins auf Bakterien
Sinnvoll, unter anderem, um einer möglichen Unfruchtbarkeit vorzubeugen
Kassenleistung bis 25 und bei sexuell aktiven Frauen jährlich
Schwangerschafts-Vorsorge: Unter-suchung auf Schwangerschaftsdiabetes zwischen der 24. und 28. Woche
Sehr wichtig, um Schwangerschafts-diabetes möglichst früh zu erkennen
Kassenleistung im Rahmen der Mutter-schaftsvorsorge (erst Glukosetest, bei erhöhten Werten Zuckerbelastungstest)
Test auf Zellmutationen (P16–Abstrich, Cervatec-p16+Ki-67-Abstrich, CINtech plus): misst den Wert des Eiweißes p-16 im Tumorgewebe
Sinnvoll, um Krebsvorstufen
frühzeitig zu erkennen, sollte nur bei positivem Hochrisiko-HPV oder bei Verdacht auf Krebs getestet werden
Kassenleistung bei auffälligem Zell-abstrich, ab 35 Jahren oder bei positiven Hochrisiko-HPV empfohlen
CA-125-Test: Untersuchung des Blutes auf den Wert eines bestimmten Eiweißes, das auf Eierstockkrebs hinweist
Nicht zur Vorsorge und Früherkennung
von Eierstockskrebs geeignet, sinnvoll nur zur Verlaufskontrolle nach einer Diagnose
Um 20 Euro, als präventive Unter-suchung keine Kostenübernahme
Gentests bei familiären Tumoren: Blutuntersuchung auf Mutationen der Eierstockkrebsgene (BRCA1 und BRCA2)
Sinnvoll für Patientinnen mit hohem familiärem Risiko (siehe Brustkrebs), nur nach eingehender Beratung
Um 5900 Euro, wird in Spezialkliniken angeboten, bei familiärem Risiko zahlen gesetzliche und private Kassen.
Genanalysen: Untersuchung des Blutes auf genetische Anfälligkeiten
Nur begrenzt zur Vorsorge geeignet, nur nach eingehender Beratung
Noch im Forschungsstadium
DARM Okkultbluttest (Guajak-Verfahren): macht mit bloßem Auge nicht erkennbares Blut im Stuhl sichtbar
Erkennt nur 50 Prozent aller Tumoren und Krebsvorstufen (Polypen), vor dem Test ist eine spezielle Diät nötig.
Kassenleistung von 50 bis 55 jährlich, ab 55 Jahren alle zwei Jahre (statt Koloskopie)
Darmspiegelung (Koloskopie): Untersuchung mit einer lenkbaren Kamera
Sehr wichtig, fi ndet über 95 Prozent der Tumo-ren/Vorstufen, Polypen werden sofort entfernt.
Kassenleistung ab 55 (wenn unauffällig, nach zehn Jahren erneut)
Immunologische Stuhltests: Antikörper zeigen verstecktes Blut im Stuhl an.
Deutlich sicherer als der Guajak-Test, erkennen nur menschliches Blut im Stuhl
Um 35 Euro (IGeL), Kostenübernahme durch die GKV wird derzeit geprüft.
Virtuelle Koloskopie: Der Arzt untersucht den Darm mit Hilfe von Schnittbildern (Computertomografi e, CT).
Entdeckt nicht alle Polypen, Vorbereitung wie bei der Koloskopie, werden Krebsvor-stufen gefunden, ist eine Koloskopie nötig.
Um 300 Euro (IGeL), private Kassen zahlen bei medizinischer Indikation (z. B. bei schwierigen Darmpassagen).
Kapsel-Koloskopie: Eine Minikamera wird geschluckt und gelangt so in den Darm.
Übersieht einen Teil der Polypen, bei Befund ist eine Darmspiegelung nötig.
Um 1200 Euro (IGeL)
Septin-9-Test: Blutuntersuchung auf Veränderungen des Septin-9-Gens, die nur bei Darmtumoren auftreten
Viel versprechend, erkennt aber keine Po-lypen, medizinischer Wert im Vergleich zur Koloskopie muss noch ermittelt werden.
Um 160 Euro (IGeL), Private zahlen nicht, da es sich noch nicht um einen medizinischen Standard handelt.
Polypen-Früherkennungstest: Blutunter-suchung auf Stoffwechselprodukte, die von Krebsvorstufen abgesondert werden
Viel versprechend, ermöglicht die Erkennung von Darmkrebsvorstufen, noch in einem frühen Forschungsstadium
Wird derzeit in den USA erforscht
(Applied Proteomics).
= Innovation
Ein Zellabstrich hilft, Veränderungen der Gebärmutter-schleimhaut frühzeitig zu erkennen
Die Darmspiegelung ist die sicherste Methode, um Darmkrebs früh zu erkennen und -vorstufen sofort zu entfernen
Quelle: Christoph Bamberger (Präventionsmediziner, mpch.de), Christian Sailer (Internist, muenchen-praxis.de), Eigenrecherche; Preise können – je nachdem mit welchem Faktor der Arzt abrechnet – variieren. Am besten Preisinformationen beim Arzt er fragen. Die Erstattungspraxis privater Krankenversicherungen für Vorsorgeleistungen unterscheidet sich von Versicherung zu Versicherung sehr stark. Sicherheitshalber bei Ihrer Privaten anfragen.
![Page 109: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/109.jpg)
FOCUS 42/2012
Das Faxgerät auf „Abruf“, „Polling“ oder „Empfang“ stellen, Vorwahlnummer 0 90 01 mit Nachwahlziffern eingeben und Start-Taste drücken. Dieser Service kostet im deutschen Festnetz 0,62 Euro pro Minute. Technischer Dienstleister für den Fax-Abruf ist Infi n. Das Angebot wird laufend aktualisiert und ist auch im Web unter www.focus.de/fakten abrufbar.
* 0,62 Euro pro Minute aus dem deutschen Festnetz, abweichende Preise aus dem Mobilfunk
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0 90 01/87 00 87-3 37*
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Recht & Finanzen Medizin & Gesundheit
Inhaltsübersicht (0,14 Euro pro Minute aus dem deutschen Festnetz, abweichende Preise aus dem Mobilfunk):Recht & Finanzen (5 Seiten) 0 18 05/77 71 86 Medizin (5 Seiten) 0 18 05/77 71 87
Gefährliche Viren
Wenn zu Erkältungssymptomen hohes Fieber und Gliederschmerzen kommen, haben Sie möglicherweise eine Grippe. Wie Sie sich jetzt auskurieren und für den nächsten Winter vorbeugen (4 Seiten)
FAMILIENRECHT
Zugewinnausgleich: Die Aufteilung des ehelichen Vermögens (7 Seiten) 791Ehevertrag: Wie Sie Scheidungsstreitig-keiten vermeiden können (6 Seiten) 886Mediation: Der sanfte Weg zur Scheidung (5 Seiten) 618
Nicht eheliche Lebensgemeinschaft: Was Sie beachten müssen (8 Seiten) 826
Scheidung: Was auf Sie zukommt (6 Seiten) 334
MIETRECHT – FÜR MIETER
Mieterhöhung: Wann der Vermieter mehr verlangen darf (6 Seiten) 470Mietminderung: Behalten Sie bei Mängeln die Miete ein (5 Seiten) 664Nebenkosten: Welche Posten der Mieter zahlen muss (7 Seiten) 327Kündigung wegen Eigenbedarf: Wann Sie sich wehren können (6 Seiten) 683
MIETRECHT – FÜR VERMIETER
Kaution: Ihre Absicherung beim Auszug des Mieters (7 Seiten) 970Schönheitsreparaturen: Was der Mieter übernehmen muss (6 Seiten) 149Kündigung: Wie Sie ein Mietverhältnis korrekt beenden (6 Seiten) 252
INFEKTIONSERKRANKUNGEN
Hepatitis B (Gelbsucht): Mögliche Komplikationen (4 Seiten) 415Masern: Ursachen, Symptome und Behandlung (4 Seiten) 411Herpes-Erkrankungen: Wie Sie sie erkennen (8 Seiten) 924Zeckenstich: Was Sie beachten sollten (4 Seiten) 490
FITNESS
Krafttraining: Acht Übungen, mit denen Sie die wichtigsten Muskelgruppen stärken (5 Seiten) 888
Rückenschulung: Wann sie angezeigt ist und an wen Sie sich wenden können (4 Seiten) 392
Blitzschnell entspannen: Mit einfachen Übungen erholen Sie sich rasch (5 S.) 610
Alternative Ernährungsformen: Verschaf-fen Sie sich einen Überblick (8 Seiten) 410
Marathon für Einsteiger: So schaffen Sie einen Lauf unter fünf Stunden (inklusive Trainingsplan) (5 Seiten) 327
Marathon für Profi s: Wie Sie unter drei Stunden und 30 Minuten kommen (in-klusive Trainingsplan) (4 Seiten) 969
Vitamine und Mineralstoffe: In welchen Lebensmitteln sie stecken (8 Seiten) 647
FAX-THEMA DER WOCHE
FAKTEN AUF ABRUF
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FORSCHUNG & TECHNIK
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Herr Lansdorp, Sie planen, Astronauten zum Mars zu entsenden, die dort eine Kolonie errichten sollen. Ist der Plan nicht reichlich utopisch?
Wir arbeiten seit über eineinhalb Jah-ren an dem Projekt. Dabei haben wir alle verfügbaren Technologien unter-sucht und eine Mission entworfen, die nur auf Geräten beruht, die von Luft- und Raumfahrtunternehmen weltweit schon heute produziert werden.
Diese wurden aber noch nie auf dem Mars erprobt. Wie können Sie sicher sein, dass sie unter den extremen Umweltbedingungen dort funktionieren?
Sie wurden im All erprobt. So hat die Raumfahrtfi rma SpaceX, mit der wir den Flug zum Mars und die Landung durchführen wollen, bewiesen, dass sie ins All fl iegen und ihre Raumkap-sel auf der Erde landen kann. Auf dem Mars mit seiner dünnen Atmosphäre und geringen Schwerkraft ist die Lan-dung viel leichter. Das Gleiche gilt für die Lebenserhaltungssysteme. Die sind auf der Internationalen Raumstation im Einsatz, wo sie Atemluft und Wasser aufbereiten. Zudem brauchen wir einen großen Rover. Auch diese Technologie gibt es bereits.
Die Mission soll sechs Milliarden Dollar kosten. Wie wollen Sie diese gewaltige Summe einspielen?
Wir planen, die ganze Welt in die Mis-sion einzubeziehen. Das ist mit den Olympischen Spielen vergleichbar, für die sich weltweit auch sehr viele Leute interessieren. Bei den jüngs-ten Spielen in London wurden vier Milliarden US-Dollar erlöst durch den Verkauf von Fernsehrechten und Geld von Sponsoren. Dabei boten sie nur knapp drei Wochen lang Unterhal-tung. Wir dagegen bieten etwas, das Jahre oder gar Jahrzehnte andauert.
Glauben Sie wirklich, dass sich ebenso viele Menschen für Weltraum-fl üge interessieren wie für Sport?
Unser Berater Paul Römer, ein Miterfi n-der des Fernsehformats „Big Brother“, regte an, die Mission als Reality-TV zu gestalten. Für Wissenschaft und Raumfahrt interessieren sich vielleicht wirklich nicht so viele Leute. Es geht in erster Linie aber nicht um Raumfl ü-ge oder die Erkundung eines fremden Planeten, sondern um Menschen, ihre Abenteuerlust und den Drang, hinter den Horizont zu schauen und neue Gebiete zu erobern.
Sie planen also „Big Brother“ auf dem Mars?Ja. Die meisten Zuschauer wollen wis-sen: Wer sind diese Leute, die alles hin-ter sich lassen, um zum Mars zu fl iegen, und warum tun sie es? Man kann ihrem Alltag auf dieser fernen Welt beiwohnen. Bei ihnen laufen Beziehungen, Aus-einandersetzungen, aufregende Ereig-nisse und vieles mehr ab, was das Zuschauen für Menschen so interessant macht. Es wird das größte Medienspek-takel sein, das je im Fernsehen gezeigt wurde. Wir brauchen aber Sponsoren für die Anschubfi nanzierung. Die ers-ten haben wir gerade gewonnen.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass nicht die unterhaltsamsten Charaktere fl iegen, sondern solche, die den Anforderungen an einen Astronauten auch gewachsen sind?
Ein Auswahlkomitee wird die Bewer-bungen sichten, und es wird eine Liste mit Anforderungen geben. Nur wer die erfüllt, kommt weiter. Dann haben wir die guten Kandidaten, unter denen das Publikum auswählen kann. Sie werden in Vierergruppen eingeteilt und müs-sen zueinanderpassen, um Konfl ikte zu vermeiden. In der nächsten Runde wählt das Publikum die Gruppe aus, die tatsächlich zum Roten Planeten
»Big Brother auf dem Mars«Der Niederländer Bas Lansdorp will die ersten Menschen zum Roten Planeten schicken und das Projekt als weltgrößtes TV-Spektakel inszenieren. Das Problem: Die Astronauten können nicht zurückkehren
Mars-Enthusiast Der Maschinenbau-Ingenieur Bas Lans-dorp plant, auf unserem Nachbarplaneten eine Kolonie zu errichten. Dazu gründete der 35-Jährige im niederländischen Amers-foort die Firma Mars One. Nach mehreren Vorbereitungsfl ügen soll 2023 die erste bemannte Mission starten
Wohnen auf dem Roten PlanetenAb 2021 sollen fünf Wohn- und Technikmodule für die ersten vier Astronauten bereitstehen (Grafi k)
![Page 111: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/111.jpg)
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112 FOCUS 42/2012
FORSCHUNG & TECHNIK
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fl iegen soll. Die letzte Entscheidung liegt aber bei unseren Psychologen.
Werden auch Frauen dabei sein? Ja, gemischte Gruppen kommen mit langfristiger Isolation besser zurecht als gleichgeschlechtliche. Sex ist durch Empfängnisverhütung kein Problem, das gilt auch auf dem Mars. Sollten sich Paare bilden und Kinder wünschen, müssen sie sich überlegen, ob dies der rechte Ort, die richtige Zeit und ange-messene Umstände dafür sind.
Was geschieht, wenn in der Kolonie ein Streit aus dem Ruder läuft, ein Astronaut austickt oder ernsthaft krank wird? Die nächste Klinik ist ja mindestens 56 Millionen Kilometer entfernt.
In den Wohnmodulen wird es eine medizinische Versorgung geben. Es ist ähnlich wie bei den Polarforschern in der Antarktis, die können auch nicht beliebig zurückkehren. Bei sehr schweren Krankheiten wird es jedoch problematisch. Es gibt welche, die man auf der Erde behandeln kann, aber nicht auf dem Mars. Das gehört aber zum Geschäft. Psychischen Problemen versuchen wir durch die Auswahl der Astronauten vorzubeugen.
Der erste Start ist für 2016 geplant, 2018 soll ein Rover zum Roten Planeten gebracht werden, für 2023 ist dann die Reise für die ersten vier Astronauten vorgesehen. Ist dieser Zeitplan nicht viel zu ehrgeizig?
Wir haben ihn mit unseren Technolo-giepartnern diskutiert. Als besonders ehrgeizig empfanden sie nur den Start der Demonstrations-Landekapsel 2016. Sie sagten, ein längerfristiger Zeitplan sei problematisch, weil die Mission für die Zuschauer dann zu weit in der Zukunft läge.
Die Nasa hat die Apollo-Missionen zum Mond nach dem 17. Flug beendet, weil das öffentliche Interesse stark nachgelassen hatte. Müssen Sie nicht die gleiche Entwicklung fürchten?
Bei den Apollo-Missionen ging es nicht um Menschen, sondern darum, der Welt vorzuführen, wozu die USA
technisch fähig waren. Im Fernsehen wurden nur kurze Videos gezeigt, die beweisen sollten, dass alles gutläuft. Die Astronauten konnte man nicht erkennen. Das macht den Unterschied: Jeder kann sich bei uns bewerben, und unsere Zuschauer werden an der Aus-wahl der Besatzungen beteiligt. So fi n-den sie ihre Favoriten. Deren Schicksal wollen sie weiterhin beiwohnen.
Vielen Kritikern gilt die Mars-One-Mission als unethisch, da die Astronauten keine Möglichkeit haben, zur Erde zurückzukehren. Sie müssen ihr Leben auf dem Mars been-den. Gleicht das nicht einem Todesurteil?
Keineswegs. Das wäre etwa der Fall, wenn sie nur für ein Jahr Lebensmittel hätten. Sie setzen ihr Leben einfach an einem anderen Ort fort. Vielmehr will sich jeder Bewerber mit dem Marsfl ug einen Traum erfüllen. Wir helfen ihm dabei. Die ethische Anforderung ist, die Mission so sicher wie möglich zu machen. Sie wird natürlich ebenso ris-kant sein wie jede andere Mission im All. Außerdem können die Teilnehmer jederzeit aussteigen. Für solche Fälle stehen Ersatzleute bereit. Zwar haben wir noch keine offi ziellen Bewerbungs-formulare, aber wir bekommen Hun-derte Zuschriften von Menschen aus aller Welt, die sagen, sie wollen fl iegen.
Was treibt Sie persönlich an, dieses Projekt zu entwickeln?
Als 1997 der erste Rover über den Mars kurvte, dachte ich: Warum ein Robot-Fahrzeug? Es wäre doch viel fetziger, wenn Menschen dort herumlaufen könnten. Daraufhin begann ich, an dem Projekt zu arbeiten. Bald war mir klar, dass es nur als Einweg-Mission gelin-gen kann. Damals wollte ich noch selbst fl iegen. Dann erkannte ich jedoch, dass ich dafür nicht der richtige Typ bin. Ich fühle mich eher als Unternehmer, der die Geschichte verkaufen kann. Wenn die Astronauten starten, werde ich aber extrem neidisch sein. ■
INTERVIEW: MICHAEL ODENWALD
Möglicher LandeplatzIn der Marsebene
Utopia Planitia verbirgt sich Eis unter dem Boden.
Daraus könnten Astro-nauten Wasser gewinnen
Mit SpaceX ins AllEin Technologiepartner
von Mars One ist die US-Raumfahrtfi rma
SpaceX. Sie verfügt über ein komplettes
System aus Raketen und Raumkapseln.
SpaceX soll auch die Marsfl üge über-
nehmen. Den ersten Astronauten sollen ab 2025 weitere Vierer-
gruppen folgen, um die Kolonie auszubauen
![Page 113: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/113.jpg)
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![Page 114: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/114.jpg)
FOCUS 42/2012
FOCUS APP-CHARTS
Japan-Kult
Stil, ganz mobil: die besten Mode-Apps
Werbe-AlarmFOTOGRAFIEREN FERNSEHEN
M ein Kleiderschrank und ich haben eine On-off-Beziehung. Diese Woche versu-
chen wir es – mal wieder. Der Deal: Er hört auf, nachts mit den leeren Bügeln zu klap-pern – und ich gehe shoppen.
Aber bitte digital. Zum Beispiel mit der App „Kaleidoscope“. Hier zeigen Mode-Blog-ger und Street-Styler neue Looks. Ich kann Outfi ts von très chic bis trashig online ordern. Im Vergleich zur Gratis-App „Yoox“ (für iOS- und Android-Geräte) zeigt „Kaleidoscope“ (ebenfalls kostenlos) auch Outfi ts, die so ähnlich wie das gesuchte Kleidungsstück aussehen und viel besser passen.
Männermode ist in den Apps unterreprä-sentiert. Einen Tipp habe ich: Die Stil-Guide-App „iGentleman“ (für iPhone und iPad, Preis: 1,59) oder die App von Ebay. Es wäre aber an der Zeit, dass die Web-Seite „Modemeister“ eine eigene App an die Männer bringt.
Wichtiges Kriterium für eine gute Mode-App: Sie empfi ehlt Markenkleidung in allen möglichen Kombinationen und Preisklassen.
In meiner Kolumne werde ich mich jeden Monat aus dem App-Kosmos melden und Ihnen die besten Produkte, die spannendsten Neuentwicklungen, die wichtigsten Trends vorstellen.
Die App-Charts basieren auf Umfragen, die exklusiv für FOCUS erstellt werden. Wir ver-zichten auf die üblichen Download-Zahlen und zeigen stattdessen, welche Programme tat-sächlich am häufi gsten genutzt werden.
Übrigens: Ohne das nächtliche Klappern schlafe ich super. An einer Beziehung muss man eben ständig arbeiten.
BRITTA WEDDELINGDie FOCUS-Redakteurin berichtet aus der App-Szene
„Manga-Camera“ verwandelt iPhone-Schnappschüsse in Gemälde im Stil japanischer Comics. Die App erzeugt diverse kultige Schwarz-Weiß-Effekte, graue Schatten oder
versieht die Aufnahme mit Schriftzeichen.PREIS: kostenlos
Kaleidoscope PREIS: kostenlos
Zappen Sie während der Werbepause auch immer durch die Kanäle und verpassen dann den Moment, in dem der Film weitergeht? Abhilfe bietet eine App namens „z.app“. In der neuen Version überwacht das Programm sieben TV-Sender rund um die Uhr. Sobald der Werbeblock in einem markierten Fernsehkanal sich dem Ende nähert, informiert „z.app“ den Nutzer mit einem Signalton.PREIS: 1,59 Euro
![Page 115: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/115.jpg)
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Die Top 5 des MonatsFOCUS fragte Besitzer von iPhone & Co., welche Apps sie auf ihren Geräten nutzen.
Besonders häufi g wurde das Freundschafts-Netzwerk Facebook genannt.
IPHONE
WhatsApp Messenger
Safari
Wetter
Rechner
Die offi zielle App des sozialen Netzwerks Facebook für das iPhone
Ermöglicht den Austausch von Nachrichten mit anderen Nutzern von WhatsApp (Preis: 0,79 Euro)
Mit dem vorinstallierten Programm kann der Nutzer des iPhone auch im Internet surfen
Die App zeigt die Witterung für ge-wünschte Regionen an. Sie gehört zur Grundausstattung des iPhone
Die Taschenrechner-App für einfache bis komplexere Rechen-verfahren ist bereits vorinstalliert
IPAD
Safari
Karten
YouTube
Tagesschau
Der vorinstallierte Apple-Browser als Anwendung für das Surfenim mobilen Internet
Mit dieser App kann man die Freundschaftsnetzwerk-Plattform auf dem iPad nutzen
Vor Kurzem tauschte Apple die Google-Maps-App gegen eigenes Kartenmaterial aus
Im jüngst aktualisierten Betriebs-system bietet Apple die Video-App nicht mehr an**
Die App der ARD zeigt Nachrich-ten und Tagesschau-Livestreams rund um die Uhr
ANDROID-PHONE
WhatsApp Messenger
YouTube
Maps
wetter.com
Die App ermöglicht, sich über das Android-Phone innerhalb von Facebook zu bewegen
Die App lässt Nutzer kostenlos Nachrichten mit ihren WhatsApp-Freunden austauschen
Die App ruft YouTube-Channel von unterwegs aus auf. Sie ist vorinstalliert.
Die vorinstallierte App bietet um-fassendes Kartenmaterial mit 3-D-Gebäuden und Routenplanung.
Diese App zeigt die aktuellen Temperaturen und gibt eine Vor-hersage für die kommende Woche
YouTube
Adobe Reader
wetter.com
Firefox
Mit dem Programm kann man das „Gefällt mir“- Unternehmen auf dem Android-Tablet aufrufen
Videos anschauen und YouTube-Channel mobil nutzen – diese App ist auf dem Tablet vorinstalliert
Die App von Adobe Reader macht PDF-Dokumente auf dem Android-Tablet lesbar
Das Programm infomiert über die aktuelle Witterung und bietet eine 7-Tage-Vorhersage an
Die Android-Version des popu-lären Web-Browser Firefox muss extra geladen werden
*Anteil der Befragten, die die App innerhalb der letzten vier Wochen nutzten;**Zum Zeitpunkt der Erhebung war das alte Betriebssystem noch sehr verbreitet.
Mit der App „Jasmine“ lässt sich YouTube durch die Hintertür aufrufen
So entsteht das App-Ranking: Die Ergebnisse resultieren aus einer monatlichen Online-Befragung von Smartphone- und Tablet-Nutzern in Deutschland. Für die Betriebssysteme iOS und Android wurde der Gebrauch der Apps, basierend auf dem Katalogsystem von Apple bzw. Google Play, erhoben. Im Monat September befragte die Statista GmbH im Auftrag von FOCUS 3970 Nutzer. Alle Apps – bis auf den WhatsApp-Dienst für iPhone – sind kostenlos.
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116 FOCUS 42/2012
FORSCHUNG & TECHNIK
MICHAEL MIERSCH, 56, ist FOCUS-Ressortleiter für Forschung, Technik und Medizin
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Der Ausstieg aus der bisherigen Stromversorgung ist ein ökonomischer und technischer Kraftakt mit schmerzhaften Nebenwirkungen
Litauen sei zu arm für Wind- und Son-nenstrom, erklärte Ministerpräsident
Andrius Kubilius und plä-dierte für ein neues Atom-kraftwerk in seinem Land. Deutschland hingegen sei so reich, dass es sich höhere Energiepreise leisten könne.
Kann es das? Durch einen beispiellosen ökonomischen Kraftakt will die Bundes-regierung die bewährten Energieversorgungssysteme verschrotten und die Strom-gewinnung auf Wind- und Sonnenkraft umstellen.
Verbraucherverbände schätzen, dass 2011 bis zu 800 000 Haushalten in Deutschland der Strom abgestellt wurde, weil sie ihre Rechnung nicht be-zahlen konnten. Die Bun-desnetzagentur gab gerade bekannt, dass 2013 dieStrompreise nochmals kräf-tig steigen werden, da die Umlage zur Förderung von Wind- und Solarenergie erneut erhöht wird.
Gewerkschaften befürch-ten den Abbau von 20 000 Arbeitsplätzen in der deut-schen Energiewirtschaft.
Unterdessen wurden Stu-dien bekannt, die aufzeigen, dass in wärmegedämmten Häusern mehr und nicht weniger Energie verbraucht wird. Weil die Dämmstoffe
marschiert voran, und keiner folgt. Außer Österreich und – viel langsamer und mit Hin-tertürchen – die Schweiz.
Was ist, wenn die ande-ren doch nicht so naiv oder verantwortungslos sind, wie sie aus grün-deutscher Per-spektive gern dargestellt werden? Selbst Al Gore rät mittlerweile nicht mehr, in Solar- und Windkraftwerke zu investieren. Denn die eigentliche Energierevoluti-on spielt sich in Amerika ab. Dort sind sich Demokraten und Republikaner trotz des Wahlkampfs einig, dass die Energie der Zukunft unter der Erde liegt, in Form von Schiefergas. Laut Bundes-anstalt für Geowissenschaf-ten schlummern auch in deutschen Böden erhebliche Mengen davon. Doch Berlin hat sich auf die teuersten Formen der Energiegewin-nung festgelegt.
Den Bürgern, die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können, bietet der Umweltminister kostenlose Energieberatung. Und wer nicht genug zu Essen hat, bekommt demnächst einen Diätberater ins Haus geschickt. ■
VON MICHAEL MIERSCH
Auf dem Energie-Holzweg
im Gegensatz zu Mauern die Wärme der Wintersonne nicht aufnehmen.
Stromarmut, höhere Kosten für die Bürger, Vernichtung von Arbeitsplätzen, Energie-verschwendung, wo Energie-sparen draufsteht: Dies sind lediglich die aktuellsten Meldungen aus einer Serie schlechter Nachrichten.
Dennoch ziehen die Grü-nen in allen Parteien durch die Lande und tun so, als sei Deutschland Vorbild für die Welt. Die anderen hätten nur noch nicht gemerkt, dass die Kombination aus Atom-ausstieg und Reduktion der Kohlendioxidemissionen das ultimative Zukunftspro-gramm sei. Das Gegenteil ist wahr: Siehe Brennpunkt Seite 118/119. Deutschland
Teurer Strom. Soll der Atomausstieg verschoben werden?
In unserem Meinungs -forum debattieren unsere Leser das Thema der Woche. Die besten Texte drucken wir nächste Woche auf der Leserdebatten-Seite. Bedin-gung: Sie schreiben unter Ihrem echten Namen und verwenden kein Pseudonym.
Die Leser-debatte
Beiträge unter: www.focus.de/magazin/debatteMails an: [email protected]
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Bevölkerung 2012 313 847000
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Bevölkerung 2012 1 205 074 000
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Bevölkerung 2012 1 343 240 000
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118 FOCUS 42/2012
Deutschland schreitet voran. Doch wer folgt? Offensicht-
lich wird die Energiezukunft der Welt nicht in Berlin geschrie-ben, vielmehr in Peking und Neu-Delhi. Die beiden bevölkerungs-reichen Schwellenländer mit ihrem schnellen Wirtschafts-wachstum setzen völlig andere Prioritäten. Ebenso wie Ame-rika und Russland bauen sie neue Atomkraftwerke. Oben-drein steigern sie die Nutzung ihrer Kohleressourcen.
Eine Energiewende ganz anderer Art bahnt sich in Ame-rika an. Fortschritte bei der Erschließung von Gas- und Ölvorkommen in bisher schwer zugänglichen Schiefergesteins-formationen eröffnen den Ver-einigten Staaten neue stra-tegische Perspektiven. Die Abhängigkeit von den Ölländern des Nahen Ostens sinkt.
Russland bleibt das Land mitden größten Gasreserven und wird diese weiterhin nicht nur als Devisenquelle, sondern auch – ergänzt durch Atomkraft – für die eigene Versorgung nutzen.
Selbst im alten Europa exis-tiert keine einheitliche Energie-perspektive. Frankreich setzt weiterhin auf Atomkraft als Fun-dament der Stromversorgung.
Großbritannien baut ähn-lich wie Deutschland zwar die Solar- und Windenergie aus, schafft jedoch die Kernkraft-werke nicht ab. ■
M. MIERSCH / C. PANTLE / B. PEISER
BRENNPUNKT
Energie-zukunftAndere Länder, ANDERE STROM-QUELLEN. Die Pers-pektiven bis 2030
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Gas Atom Sonne,Wind
Kohle WasserGas Atom Sonne,Wind
Kohle WasserGas Atom Sonne,Wind
Kohle WasserGas Atom Sonne,Wind
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Stromproduktion gesamt Stromproduktion gesamt Stromproduktion gesamt Stromproduktion gesamt
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Bevölkerung 2012 142 518 000
2030 136 429 000
Bevölkerung 2012 81 306 000
2030 79 469 000
Bevölkerung 2012 65 631 000
2030 68 467 000
Bevölkerung 2012 63 047000
2030 69 314 000
RUSSLAND DEUTSCHLAND FRANKREICH GROSSBRITANNIEN
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FOCUS 42/2012 119
0,039 % der Luft bestehen aus Kohlendioxid (CO2). Das Treibhausgas zählt zu den sogenannten Spurengasen.Hauptbestandteile der Luft sind Stickstoff (78,08 %) und Sauerstoff (20,95 %).
2,3 %beträgt der Anteil Deutsch-lands am weltweiten CO2-Ausstoß der Menschheit, also 0,1 % des insgesamt entstehenden Kohlendioxids. Die Reduktions-bemühungen hier verändern global so gut wie nichts.
Kann Deutschland das Klima retten?Die Bundesrepublik beansprucht die globale Führungsrolle bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes.
Dies kostet nach Schätzungen zwischen 250 und 300 Milliarden Euro.
4 %des gesamten Kohlendioxids entstammen der Tätigkeit des Menschen: durch Feuer, Verbrennungs-motoren, Kraftwerke und Industrieproduktion.
96 %des CO2 stammen aus natürlichen Quellen, wie zum Beispiel vulkanischen Gasen, Gärungs- und Fäulnisprozessen etwa in Moorgebieten und dem Atem von Lebewesen.
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120 FOCUS 42/2012
PERSPEKTIVEN
Komfortabel, aber langsam
Die Samsung NX20 (950 Euro) ist eine Systemkameraim Gewand einer kleinen Spiegelrefl ex, also in der klas-sischen Gehäuseform. IhreAusstattung ist jedoch sehr modern. Der elektronische Sucher etwa wirkt so klar und scharf, dass man ihn mit einem optischen Sucher ver-wechseln könnte. Das drei Zoll große, leuchtkräftige OLED-Display ist auch im Sonnenlicht noch ablesbar. Der 20-Megapixel-Chip lie-fert sehr gute Bilder – wenn auch etwas langsam, vor allem im RAW-Format. Und dann nimmt die Kamera auch noch per WLAN Kontakt mit der Außenwelt auf.
Doch gerade die Funk-Optio-nen sind noch nicht ausgereift. Zu oft stößt der Nutzer auf är-gerliche Einschränkungen. In Bilderdiensten und sozialen Medien speichert die KameraFotos nur mit verringerter Auf-
lösung. Mit dem Smartphone-Fernauslöser geschossene Fo-tos kann man zwar auf dem Handy ablegen – aber stets nur das jeweils letzte. mm
Neue Tierarten in den AndenWissenschaftler sind in einem Natur-
reservat tief in den Anden Perus auf eine Vielzahl wahrscheinlich noch unbekann-ter Tiere gestoßen. Zu den Neuentdeckun-gen gehören acht Säuger – darunter eine Greifstachler- und eine Nachtaffenart, ein Mausopossum, ein Kleinbär sowie mehrere Nager und möglicherweise ein Graufuchs.
Der Fund gleich mehrerer größerer Säuge-tiere in dem relativ kleinen Gebiet gilt als sensationell. Denn von den rund 18 000 Tierarten, die insgesamt jedes Jahr neu ent-deckt werden, sind weniger als ein halbes Prozent Säuger.
Das Tabaconas-Namballe-Nationalreser-vat umfasst nur etwa 30 000 Hektar. Es erstreckt sich über eine Höhe von 2000 bis 3500 Metern und beherbergt somit eine Vielfalt unterschiedlicher Lebensräume, darunter Bergnebelwälder und alpine Wie-sen. Der bedrohte Bergtapir und Brillenbär sind in dem Park beheimatet. Das Schutzge-biet ist durch Wilderei und fortschreitende Entwaldung in angrenzenden Landfl ächen gefährdet. Um die Artenvielfalt zu schüt-zen, erwägt die peruanische Regierung, das Reservat durch einen Korridor mit einem anderen Naturpark zu verbinden. san
So fi nden Sie das Waren-test-Video:
Scannen Sie den QR-Code mit einer App wie „Scan“ (iPhone) oder „QR Barcode Scanner“ (Android)
Nachtaffe Er ernährt sich von Früchten
Keinohrspitzmaus Ihre Ohren ragen kaum aus dem Fell
Frosch Er gehört zur Gattung der Pristimantis
Greifstachler Er hat ungewöhn-lich lange zweifarbige Stacheln
![Page 121: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/121.jpg)
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„Die fabelhafte Welt der Amélie“ Die Hauptperson des Kinofi lms lebt in ihrem eigenen Kosmos
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Einsamkeit ist erblichWenn Menschen häufi g unter Einsam-
keit leiden, dann lässt sich das offenbar an ihrer Gehirnstruktur nachweisen. Ein inter-nationales Wissenschaftlerteam entdeckte in Hirnscans betroffener Probanden eine unterdurchschnittliche Anzahl grauer Zellen in einer kleinen Region des Schläfenlap-pens. Diese spielt eine wichtige Rolle bei
der Interpretation sozialer Signale. Tatsäch-lich hatten isolierte Testpersonen Schwie-rigkeiten, Kontaktaufnahmen durch Blicke richtig zu deuten. Die Neigung zu Einsam-keit kann erblich sein, so die Forscher. Die Ausprägung der Isolation werde aber von mehreren Persönlichkeitsmerkmalen und äußeren Faktoren bestimmt. ff
Das teuerste E-Bike der Welt
Noch Fahrrad oder schon Motorrad? Immerhin beschleunigt das Modell BlackTrail 2 vom Regensbur-ger E-Bike-Hersteller PG von null auf 100 Stunden-
kilometer Höchstgeschwin-digkeit in nur fünf Sekunden. Das 46-Kilogramm schwere Zweirad (2013 erhältlich) rast sowohl voll-elektrisch als auch mit Tretunterstüt-
zung. Laut Hersteller reicht eine Akku-
Ladung bei vollem Tempo 100 Kilometer
weit. Preis: 100 000 Euro. ff
Wenn es beim Frühstück um die Verteilung der Zeitung geht, sollten aufmerksame Männer sorgfältig auswählen, welche Seiten sie ihrer Gattin geben. Bestens geeignet sind Reportagen über Fürstenvermählungen, lustige Tiermeldungen und Besprechungen von Liebesromanen. Achtung bei Berichten über dro-hende Rentenlücken, die Finanzkrise oder Kriege.
Schlechte Nachrichten machen Frauen stress-empfi ndlicher, fanden
kanadische Wissenschaftler heraus. In einer Studie mit 60 Probanden entdeckten sie, dass bei Leserinnen vermehrt das Stresshor-mon Cortisol ausgeschüt-tet wird. Das wirkt sich nicht sofort beim Lesen aus. Aber später – bei Ärger im Büro, hektischem Verkehr oder schreienden Kindern – reagieren Frauen möglicherweise sensibler, wenn sie düstere Ge-schichten gelesen haben. Die Forscher vermuten evolutionäre Gründe: Sorge um den Nachwuchs mache das weibliche Geschlecht empfi ndlich für indirekte Gefahren.
Bei Männern erhöht sich der Stresslevel durch schlechte Nachrichten übrigens nicht. ff
»schlechte Nachrichten«
Die Wahrheit über
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123FOCUS 42/2012
KULTUR & LEBE N
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MILOSZ MATUSCHEK, 32, ist Autor und Smartphone-Besitzer, zuletzt: „Lovenomics. Liebst du noch, oder shoppst du schon?“
Die digitale Revolution hat eine neue Art Liebe geschaffen: Anstelle des Partners tätscheln wir mobile Apparate. Zeit, sich Sorgen zu machen
Es gibt neben dem Hochzeitstag ein zweites Datum, das man sich unbedingt
merken muss – das Erschei-nungsdatum des aktuellen Smartphones. Der moder-ne Mensch ist polyamor. Er liebt doppelt und dreifach. Und neuerdings auch sein Mobilfunkgerät. Das jeden-falls will der Marketing-Experte Martin Lindstrom herausgefunden haben, als er per Computertomografi e die Gehirne von iPhone-Fans vermaß und Aktivitäten in den Gehirnarealen für „Liebe“ feststellte und nicht etwa für „Sucht“, wie man hätte denken können.
Was wie ein abstruser Fetischismus klingt, ist inzwischen ein Massenphä-nomen. Wir sind Facebook-Narzisse und Gerätekusch-ler. Wie oft streicheln wir über das Display des Smart-phones und wie oft dem Partner über die Wange? Wann haben wir (Männer) unserer Freundin zuletzt etwas Schickes zum Anzie-hen spendiert und wie oft dem Smartphone schon eine neue Hülle? Ja, das Gerät hat einen Touchscreen. Schön. Auch Menschen sol-len bisweilen berührungs-empfi ndlich sein. Vielleicht haben die Geräte etwas, das
selbst? Genialer als die Mar-ketingstrategen von Apple hat das niemand erkannt, als sie den Gerätenamen ihre Bestimmung zur selbst-bezüglichen Befi ndlichkeits-onanie mit nur einem Buch-staben einhauchten: „i“.
Der Fotograf Martin Parr hat Paare aus verschiedenen Ländern fotografi ert, wie sie zufällig gelangweilt anein-ander vorbei ins Leere bli-cken. Die „bored couples 2.0“ starren nicht mehr aneinan-der vorbei, sondern in ihre
Smartphones. Das echte Leben scheint nicht mehr mithalten zu können. Auf Facebook wird man end-lich geliked (nicht zu ver-wechseln mit dem analogen „gemocht“) – der Partner dagegen hat heute wieder nur über den Saustall im Bad genörgelt. Wenn digi-tale Demenz bedeutet, dass man durch das Internet bestimmte Fähigkeiten ver-lernt, dann ist der Liebes-Autismus nicht mehr weit.
Wer Liebe sucht, dem kann keine Maschi-ne helfen. Im
Internet landet man immer wieder bei sich selbst, trotz Endlosschleife aus hippen Vorzeichen. Das erste Opfer des iTerror-Regimes der digitalen Revolution war das „Du“. „Was ist Liebe?“, frage ich Siri, das Orakel des iPhones. Die Antwort: „Soll ich für dich im Internet nach ‚Liebe‘ suchen?“ – „Nein“ – „Das dachte ich mir“.
Sogar Siri weiß, dass die Datenautobahn in Sachen Liebe eine Sackgasse ist. ■
EIN ZWISCHENRUF VON MILOSZ MATUSCHEK
Generation Gerätestreichler
Menschen fehlt; iPhone & Co. versprechen Erlebnis-dichte, Wellness-Gefühle und – ganz wichtig – Selbst-bestätigung. Der Blick auf das Smartphone ist der Blick auf das eigene kleine „Mini-me“, den Mikrokosmos aus „Gefällt mir“-Affi rmation, Ich-Gegoogele und den immer gleichen Buchemp-fehlungen auf Amazon.de. Das Gerät ist nicht das Tor zur Welt, sondern der Spie-gel des eigenen Ichs. Und wen liebt man mehr als sich
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124
KULTUR & LEBE N
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FOCUS 42/2012 125
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M enschen gibt’s, die haben alles. Fast alles. Manchmal fehlt nur ein Getränk. Ein ganz bestimmtes Getränk.
Gertrud Schneider aus Lech am Arlberg ist eine Expertin für solche Momente. Den Service der Hotelchefi n lösungsori-entiert zu nennen wäre Untertreibung. Einmal verlangte einer ihrer Gäste um zwei Uhr morgens nach einem Glas Pimm’s. „Der Drink war damals noch nicht wieder in Mode“, sagt Schneider, „außerhalb britischer Polo-Clubs galt er als ziemlich spießig. Wir hatten ihn jedenfalls nicht im Haus.“
In einem Hotel wie dem „Kristiania“ heißt es da für den Zimmerservice: an -ziehen und hinaus in den frisch gefal-lenen Pulverschnee. Schneider: „Mein Mit arbeiter hat den Pimm’s noch auf-getrieben. Morgens um drei in einem Nightclub.“
„Wohnen wie bei Freunden“ ist ein Ver-sprechen, das immer mehr Hotels ihren Gästen geben. Das Ideal des Standardi-sierten und Erwartbaren – es gilt nicht mehr, vor allem im Luxussegment. New York, Rio, Tokio: Die immer gleichen Kosmetikpröbchen im Bad können auch deprimieren, und wer berufl ich viel unterwegs ist, verbindet das geprägte Hotel-Logo im Aschenbechersand
Geht nicht? Gibt’s nicht! »Kristiania« Lech/Arlberg
Frühstück ist fertig! Warum nicht direkt an der Piste? Im „Kristiania“ hat man viel übrig für exzent-rische Gäste. Auch das Schnee-Picknick wird nachgefragt: inklusive Isomatten, Perserteppich und Pelzdecken
Butler-Diensteinklusive »Schwarz«Mieming/Tirol
Meine Suite, mein Koch, mein Urlaub. In der Royal-Mountain-Suite gibt es fast keinen Grund, vor die Tür zu gehen. Sauna, Spa, alles zur privaten Verfügung. Berge, Schnee und Loipen bleiben „outdoor“
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126 FOCUS 42/2012
KULTUR & LEBE N
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vor dem Lift eher mit langen Arbeits-tagen als mit Freizeit.
Der Branchenverband Dehoga be-schreibt das neue Bedürfnis nach Un-verwechselbarkeit und Originalität in einer internen Studie als „Megatrend“. „Weiche Faktoren“ wie eine originelle Gestaltung der Räume, eine authen-tische lokale Note und ein höchstper-sönlicher Service sollen dem Gast eine emotionale „Gesamterfahrung“ ermög-lichen. „Wohnen wie bei Freunden?“ Es müssen schon sehr wohlhabende Freunde sein, die nicht nur ein Bett zur Verfügung stellen, sondern auch gleich ihren Butler.
Den „Lese-Butler“ zum Beispiel. So et-was präsentiert Schneider ihren Gästen im Lecher „Kristiania“. Vor der Anreise mitgeteilte Lektürewünsche oder Bitten um Empfehlungen werden gewissen-haft erfüllt. Die Bücher liegen bei der Ankunft dann schon auf dem Nacht-tisch. Und sie gehören dem Gast.
Die – nicht riesigen – Zimmer kosten im Schnitt rund 500 Euro. Dafür wird die Minibar nach persönlichen Präfe-renzen gefüllt. Beim Pre-Check-in wer-den diese ebenso vom Gast abgefragt wie Vorlieben bei Kissen, Bettdecke und Matratze. Der „Bade-Butler“ besorgt Badezusätze. Der „Ski-Butler“ pfl egt nicht nur die Ausrüstung, er begleitet Ski-Novizen auch zum Händler.
Schneider ist eine Pionierin der Hotel-Individualität. Ihr Haus gehörte als ers-tes in Österreich zur Gilde der „Small Luxury Hotels of the World“. Als sie
2008 anfi ng, ihre Lese-Butler-Idee und schräge Angebote wie ein Schnee-Pick-nick zu verwirklichen, wurde sie von den Gold-und-Kaviar-Hoteliers am Arl-berg verlacht. „Das hat sich gelegt“, sagt Schneider. Ihr Haus ist von Dezem-ber bis April öffnet.
Fernab des Jetsets, auf dem Miemin-ger Hochplateau, liegt das „Alpenresort Schwarz“. Das Familienhotel hat sich über die Jahrzehnte zu einer Wellness-Hochburg mit 230 Betten entwickelt. Die Kundschaft ist gediegen, viele Schweizer kommen, die das exzellente Preis-Leistungs-Verhältnis und die Tiro-ler Herzlichkeit zu schätzen wissen.
Auch im „Schwarz“ gibt es seit gerau-mer Zeit Luxussuiten mit Butler-Service. „Wir hören sehr genau hin“, sagt Juni-orchef Franz-Josef Pirktl. „Was macht den Gast glücklich? Eine ganz bestimm-te Kaffeesorte? Die Heimatzeitung aus Deutschland? Wenn die irgendwo in Tirol ausgeliefert wird, haben wir sie morgen im Haus.“ Mehrere jun-
ge Damen versorgen im 24-Stunden-Service vier Suiten. Der Frühstücks-tisch wird in der Suite gedeckt. Wer auch mit-tags und abends für sich bleiben will, kann den Hotelkoch in die eigene Küche kommen lassen.
„Mir geht nichts über Mich.“ Das Zitat des deut-schen Philosophen Max Stirner könnte das Motto der neuen Luxus-Befi nd-lichkeit sein. Der Kunde bestimmt das Produkt. Nicht nur als markt-
Echt individuell Loewe Reference ID
Ihr TV-Gerät passend zum Teppich? Denken Sie sorgfältig über Ihre Wün-sche nach – sie könnten in Erfüllung gehen. Das neue Flaggschiff von Loewe ist ab 5500 Euro zu haben
Lachs über KopfBeyerdynamics T 50
Wer gern mobil etwas auf die Ohren kriegt, kennt das Equipment von Beyerdyna-mics. Auch hier gilt: die Tech-nik vom Feinsten, das Design nach Wunsch. Lachsleder ist eine Option. Oder doch lieber Kuschelvelours?
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wirtschaftliches Grundprinzip, sondern auch im Prozess des Auswählens und Konsumierens. Massenware hat eben nicht die Aura des Unikats.
Du bist, was du kaufst? Der Historiker Andreas Wirsching hat untersucht, wie die bis Ende der 80er-Jahre weit ver-breitete Konsumkritik in Europa einem geradezu gegenteiligen Konsens gewi-chen ist: Heute denken wir den „Kon-sumbürger“ nicht mehr als armes, manipuliertes Wesen. Sondern als Indi-viduum, das sich durch Kaufentschei-dungen und persönlichen Stil aus der Masse hervorheben kann.
Konsumkritische Milieus, die sich mit Vintage-Mode oder Biokost abzugren-zen wünschen, scheinen Wirschings Analyse nur zu bestätigen.
Echte Maßarbeit bleibt teuer. Bei komplexen Industriegütern wird sie rasch unerschwinglich. Einen dritten Weg sehen Marketingexperten in einem Verfahren, das sich „Mass Customizati-on“ nennt. Gemeint sind standardisierte Produkte, die man – meist per Maus-klick – nach persönlichen Vorlieben gestalten kann: „Maßarbeit“ nach dem Baukastenprinzip. Adidas und Nike gingen 2001 mit Turnschuhen voraus. Das Web 2.0 schien das Ende der Kon-fektion einzuläuten.
Heute müssen Fach-Gurus wie Domi-nik Walcher von der Fachhochschule Salzburg einräumen: „Mass Customizati-
on macht noch weniger als drei Prozent des Konsum-gütermarkts aus.“ Zusam-men mit dem Aachener Wirtschaftswissenschaftler Frank Piller hat Walcher 500 solcher Internet-An-bieter untersucht. Vor al-lem einfache Produkte wie Postkarten, T-Shirts und Lebensmittel verkaufen sich gut. Inte ressant auch: Die meisten dieser Firmen sitzen in den USA oder in Deutschland.
Personalisierung als Kauf-anreiz: Walcher ist davon überzeugt, dass wir Zeugen eines Paradigmenwechsels werden: „Individuelle Mas-senware ist kein Wider-spruch mehr. Es ist eine neue, hybride Produkt-
form des postindustriellen Zeitalters.“ Je komplexer das Produkt, desto un -wahrscheinlicher sei es allerdings, dass der Kunde es auch gleich im Netz kauft: „Der Konfi gurator ist dann ein Informationsinstrument, das vor dem Gang zum Händler ausgiebig studiert wird.“ Zum Beispiel beim Erwerb eines Fernsehers, der laut Hersteller „mehr als eine Million individueller Kombi-nationsmöglichkeiten“ bei Design, mul-timedialen Vernetzungen und Sound-System bietet. Das traditionsreiche Un-ternehmen Loewe wird ihn zum Jah-reswechsel auf den Markt bringen. Getoppt wird der Individual TV noch vom Reference ID, der Anfang Septem-ber auf der Berliner Funkaus stellung präsentiert wurde.
Für den Reference ID gilt das Rolls- Royce-Prinzip: Die Technik ist sowie-so vom Feinsten. Darüber hinaus wird jeder Farbwunsch, jede noch so exo-tische Idee verwirklicht, solange sie die technische Funktionalität nicht be -einträchtigt.
Das TV-Gerät als Prestige-Möbel? „So kann man das verstehen“, bestätigt Loewe-Sprecher Roland Raithel: „So ein Fern seher soll vor allem gesehen werden. Die Zielgruppe hat erfah-rungsgemäß gar nicht so viel Zeit zum Schauen.“ ■
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S chuld waren verseuchte Tiefkühl-erdbeeren aus China. Als Ent-schädigung für Magen-Darm bei
rund 11 000 Kindern will der Caterer Sodexo jetzt 50-Euro-Gutscheine an die Betroffenen verteilen. Einzulösen für Bücher oder Nach-hilfe. So kann einer-seits der versäumte Stoff nachgearbei-tet werden. Ande-rerseits hat man das nächste Mal auf dem Klo gleich was zum Lesen dabei.
Erstaunlich nur, dass es seitens der Politik medial so ruhig blieb. Da war schon mehr los, wenn einem mal eine Gurke spanisch vorkam. Oder wenn am Ostseestrand das Federvieh nicht die erwünschte Flughö-he erreichte.
Wir vermuten: Schulkinder haben keine Lobby, und ihre Eltern sind als Wähler uninteres-sant. Oder soll das Betreuungsgeld so erhöht werden, dass Kinder in jedem Fall zu Hause verpfl egt werden?
Vielleicht ergibt sich nach einer wei-teren Debatte über Altersarmut für Inte-ressierte demnächst die Gelegenheit, sich in einer Schulkantine umzusehen. Oder auch nur am Schulkiosk. Viel Freude macht es nicht, was man da zu sehen bekommt. Außer, man betreibt eine Zuckerplantage. Wer feurige Reden über zu dicke, bewegungsarme Kinder
schwingt, der fände bei der Schulnah-rung ein weites Betätigungsfeld. Wa rum nicht ein nationaler Rettungsschirm, solange er die Dicken noch hält? Kinder haben mehr erneuerbare Energie als jedes Windrad. Mit einer Milliarde aus
dem Energiewan-del kann für alle Schüler in Deutsch-land viel Gesundes aus der regionalen Küche serviert wer-den. Und welcher Minister ist eigent-lich dafür zustän-dig, dass es im Herbst keine Erd-beeren gibt?
Vielleicht ist es unseren Eliten aber auch egal, was der Nachwuchs isst.Wird eh immer weniger. Der Nach-wuchs.
Und man darf da-rüber staunen, was so mancher Sena-tor abends noch in der Lounge futtert,
wenn vor dem letzten Flug schon mit dem Saubermachen begonnen wird.
Da geht ein und derselbe Putzlappen von der Glasplatte über den Rand der Theke über die Düse der Kaffeema-schine rund um die Nüsschenbehälter die Weinfl aschen hoch und runter über das Gläserregal rund um die Schüs-seln mit dem Obatzten und dem Kar-toffelsalat. Am Ende des Gewischten macht sich der Vielfl ieger dann den Teller voll.
Zur Entschädigung bald Meilen? ■
SchulvirusIst den Eliten egal, was Kinder essen?
50 EURO FÜR MAGEN-DARMDie Politik blieb ruhig
DIE HARALD-SCHMIDT-KOLUMNE
![Page 136: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/136.jpg)
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D as schlagende Argument, das ist offenkundig, ist die Aufl age. Wann
immer Produzenten der Idee verfallen, einen Roman auf die Leinwand zu brin-gen, hat es mit der Platzierung in den Bestsellerlisten zu tun. Wenn das Publi-kum etwas als Buch goutiert hat, kann man es auch für eine Illustrierung gewin-nen, so die Prämisse. Natürlich gilt dabei die Regel, dass es keine gibt: Gerade jene Literatur, die als unverfi lmbar fi rmiert, übt einen unwiderstehlichen Reiz aus. Und liefert durchaus Ausnahmebeispiele, dass eine Adaption funktionieren kann – von „Der englische Patient“ bis zum „Parfum“.
Drei deutsche Produktionen fi lmen nun gegen die Binsen an, dass Kino starke Identifi kationsfi guren bräuchte und einfa-che Erzählstrukturen, bildkräftige Außen-welten und klare Spannungsbögen.
„Die Wand“, nach Marlen Haushofers Kultroman aus dem Jahr 1963, schildert die existenzielle Lebenserfahrung und -abrechnung einer Frau, die sich auf einer Berghütte hinter einer Glaswand gefan-gen fi ndet, jenseits einer erstorbenen Welt. Eine so faszinierende wie kinoferne Kopfgeburt, eine Endzeit- oder Depres-sionsmetapher, der die Verfi lmung mit viel Naturvisualisierung und einer beein-druckenden Sololeistung von Martina Gedeck einen Achtungserfolg abringt.
Standing Ovations erhielt „Cloud Atlas“ bei seiner Weltpremiere in Toronto – das knapp dreistündige Opus von Tom Tyk-
Die Vermessenheit der BilderMuss jeder Bestseller im Kino vermessen werden? Bei Daniel Kehlmann hätte man es sich lieber erspart
wer und den Wachowski-Geschwistern bringt David Mitchells Ideengeschichte der Menschheit mit sechs Handlungs-strängen samt multipler Persönlichkeiten grandios auf die Leinwand.
Die wohl größte Herausforderung und zu- gleich Vermessenheit ist die Adaption der „Vermessung der Welt“, zu der Autor Daniel Kehlmann nicht nur das Dreh buch beisteuerte, sondern auch als auktorialer Filmerzähler fungiert. Nah am Roman eta-bliert sich diese Parallelmontage der Kar-rieren des Mathematikers Carl Friedrich Gauß und des Naturforschers Alexander von Humboldt – eines so bornierten wie lebensdrallen Stubenhockers und eines so verklemmten wie beseelten Kosmopoli-ten. Nur zweimal, als Kinder und als Älte-re, begegnen sie sich. Skurrile Gestalten, die kaum Charisma verströmen dürfen – läppische Figuren, nicht mal Antihelden.
Verstärkt wird das alles durch die dis-tanzierte Erzählhaltung, welche die indi-rekte Rede des Romans samt seiner Iro-nie auf die Leinwand übertragen möchte. Man wohnt einem ziemlich tristen Feld-versuch bei, der die Hybris seiner Ambi-tion mit beschaulichem Dilettantismus zu überspielen sucht. Und dann hatte irgendjemand noch die Idee mit 3-D! Klar, Vermessung der Welt – wo, wenn nicht hier die Zusatzdimension? Nur: So schlicht hat das selten ausgesehen. ■
HARALD PAULI
Die Lust des Forschers Alexander von Humboldt (Albrecht Abraham Schuch, im blauen Gehrock) macht sich in „Die Vermessung der Welt“ mit den Usancen des Sklavenhandels vertraut
Trailer zu »Die Vermessung der Welt« (Kinostart: 25.10.)
Allein in der Höhensonne Martina Gedeck als Frau um die 40, die sich auf einer Berghütte gefangen fi ndet – jenseits einer „Wand“, hinter der jedes Leben erstorben ist
![Page 137: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/137.jpg)
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ACTION
DEUTSCH-POP
Da-capo-Schlag Liam Neeson ist wegen des großen Erfolgs noch mal auf Rachefeldzug
Schande der Charts Witts neues Album ist pathe-tisch und peinlich
Rache an HollywoodEr hat es wieder geschafft: Luc Besson ist wirklich ein Phänomen. Der französi- sche Kinomogul ist der einzige Produzent außerhalb Amerikas, der dort mit Block- bustern reüssiert, die in Europa entstan-den und finanziert worden sind. Der erste „Taken“-Thriller (mit dem „deutschen“ Titel „96 Hours“) hat gerade mal 25 Mil- lionen Dollar gekostet und weltweit 227 eingespielt. Nun ist Ex-CIA-Mann Bryan Mills (Neeson) wieder unterwegs, seine Tochter ist noch mal entführt worden, und die Rache fällt erneut gnadenlos aus. Und der Film hat in einer Woche bereits mehr als 150 Millionen Dollar umgesetzt. hap
Gefallener Reiter Sein Comeback-Versuch ist gründlich misslungen. In den 80er-Jahren wurde Joachim Witt mit dem Song „Der Golde-ne Reiter“ bekannt. Sein neues Musik-video „Gloria“ brachte ihn nun wieder ins Gespräch – auf denkbar geschmacklose Weise. Der Film zeigt, wie Soldaten eine Frau vergewaltigen. Ihre Tarnuni-formen erinnern an die der Bundeswehr. Nicht nur die Militärs sind empört, sogar die Bundesregierung hat sich einge-schaltet: Ob das Video auf den Index gehört, soll nun die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien klären. Der 63-Jährige entschuldigt sich nur halb-
herzig. Er pocht auf seine „Freiheit als Künstler“. nw
BESTSELLER
*⯠ Jonasson: (2/58) Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand carl’s books, 14,99 Euro
⯡ Rowling: (1/2) Ein plötzlicher Todesfall Carlsen, 24,90 Euro
⯢ Follett: Winter der Welt (3/4) Lübbe, 29,99 Euro
⯣ Falk: Grießnockerlaffäre (4/3) dtv, 14,90 Euro
⯤ Adler-Olsen: Verachtung (5/7) dtv, 19,90 Euro
⯥ Link: Im Tal des Fuchses (6/5) Blanvalet, 22,99 Euro
⯦ Green: Das Schicksal (8/10) ist ein mieser Verräter Hanser, 16,90 Euro
⯧ Fitzek/Tsokos: Abgeschnitten (7/3) Droemer, 24,99 Euro
⯨ Irving: In einer Person (9/3) Diogenes, 24,90 Euro
⯩ Hoffman: Argus Wunderlich, 19,95 Euro
BESTSELLER – LITERATUR
*(Rang Vorwoche/Anzahl der Wochen)
*Besucher: Zahlen vom vergangenen Start-Donnerstag
ALBUM-CHARTS
*(Rang Vorwoche/Anzahl der Wochen)
*
⯠ Seeed: Seeed Warner
⯡ Muse: The 2nd Law Warner
⯢ Xavas: (1/2) Gespaltene Persönlichkeit Tonpool Medien
⯣ Pink: The Truth About Love (4/3) Sony
⯤ Mumford & Sons: Babel (2/2) Universal
⯥ Joachim Witt: Dom Sony
⯦ Green Day: Uno! (3/2) Warner
⯧ Broilers: Santa Muerte (–/12) EMI
⯨ Mark Knopfler: (7/5) Privateering Universal
⯩ Lana Del Rey: Born To Die (–/36) Universal
KINO-HITLISTE
⯠ Madagascar 3: Flucht durch Europa (1) 2. W. Regie: E. Darnell, T. McGrath, C. Vernon, Besucher*: 69 611/Gesamt: 1 784 751
⯡ 96 Hours – Taken 2 Olivier Megaton, B./G.: 61 167
⯢ Mann tut was Mann kann Marc Rothemund, B./G.: 21 341
⯣ Wie beim ersten Mal (3) 3. W. David Frankel, B.: 13 791/G.: 393 445
⯤ Savages Oliver Stone, B./G.: 12 803
⯥ Schutzengel (2) 3. W. Til Schweiger, B.: 11 000/G.: 477 412
⯦ Looper (4) 2. W. Rian Johnson, B.: 8522/G.: 174 608
⯧ Gregs Tagebuch 3 – Ich war’s nicht (8) 4. W. David Bowers, B.: 5446/G.: 270 251
⯨ Abraham Lincoln Vampirjäger (5) 2. W. Timur Bekmambetow, B.: 5045/G.: 155 722
⯩ Die Wand Julian Pölsler, B./G.: 4971
⯠ Nießen: Die Sauerei geht weiter (2) Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,95 Euro
⯡ Frank: Das ARD-Buffet Haushalts-1x1 (1) Frech, 14,99 Euro
⯢ Lauren/Clark: Fit ohne Geräte (4) Riva, 16,99 Euro
⯣ Schulkochbuch, Jubiläumsausgabe (6) Dr. Oetker, 10 Euro
⯤ Byrne: The Magic (5) Knaur, 14,99 Euro
⯥ Keller: Kosmos Himmelsjahr 2013 (–) Kosmos, 16,99 Euro
⯦ Hildmann: Vegan for fit. (8) Die Attila Hildmann 30-Tage-Challenge Becker Joest Volk, 29,95 Euro
⯧ Langenscheidt: Handbuch zum Glück (3) Heyne, 19,99 Euro
⯨ Jaenisch/Rohland: (–) myboshi – Mützenmacher Frech, 14,99 Euro
⯩ Henning/Bremer-Olszewski: (7) Make Love Rogner & Bernhard, 22,95 Euro
*(Letztplatzierung)
*
BESTSELLER – RATGEBER
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G leich werden sie einen Ausfl ug in ein anderes Leben machen: die Men-
schen, die an diesem Oktobernachmit-tag über das Gelände der Dortmunder Westfalenhallen gehen, vorbei an einer Bratwurstbude und an Ticketschaltern, die mit Gittern verschlossen sind. Das trübe Herbstlicht lassen sie hinter sich, als sie die Halle betreten.
Drinnen wirbeln Lichtkegel durch die Dunkelheit, Salsa-Musik verschluckt jedes Wort. Die Neuankömmlinge stellen ihre Sporttaschen ab. Noch wirken sie schüchtern und blass. Gleich könnte sich das ändern. Die Menschen in der Halle tanzen sich schön. Sie hüpfen, räkeln, verbiegen sich. Es sind etwa 1000 Gäste auf Deutschlands größter Zumba-Party.
Der Hype sprang von Kolumbien auf mehr als 150 andere Länder über, weltweit besuchen 14 Millionen Menschen die Kurse in Fitnessstudios und Tanzschulen. „Zumba ist ein Workout, das auf latein-amerikanischen Tänzen basiert“, sagt Petra Rimek, die eine Tanzschule in Dort-
Lasst die Körper sprechenDeutschland ist verrückt nach Zumba. Die Erfi nder des Massen-Fitnesstrends verdienen an Sehnsüchten
mund leitet und die Party in der West-falenhalle 2 organisiert hat. Sie nahm Zumba 2009 in ihr Programm auf, als es in Deutschland noch kaum bekannt war.
Der Fitnesstrend bedient sich bei Tän-zen wie Salsa, Samba, HipHop. Und zwischendurch schmuggeln die Trai-ner Übungen für Kraft und Ausdauer in die Choreografi e. Kniebeugen, Ausfall-schritte, Liegestütze. Der Körper kann dabei 400 bis 600 Kalorien pro Stunde verbrauchen. „Die Leute merken nicht, dass sie gerade Sport machen“, sagt Petra Rimek. Den Vergleich mit Aerobic mag sie gar nicht. „Tanzen gibt es doch schon viel länger.“
Zumba ist tatsächlich so viel mehr als Sport – es ist auch ein Geschäft. Das Kunstwort steht für das nach eige-nen Angaben größte markenrechtlich geschützte Fitnessprogramm der Welt. Die Macher des Unternehmens Zumba Fitness mit Sitz in Miami haben an alles gedacht: Wer unterrichten will, muss sei-ne Stunden zu 70 Prozent mit lizensierter Musik halten und jährlich ein Zertifi kat erwerben.
Das Zumba-Imperium verkauft DVDs, hat die Rechte an Fernsehshows, ver-treibt Sportkleidung. Allein die Serie für Spiele-Konsolen verkaufte sich acht Mil-lionen Mal. Aus Umsatz und Firmenwert machen die Gründer ein Geheimnis.
Es ist das Geschäft mit dem Wunsch, sich sexy zu fühlen. „Wenn ich erreiche, dass es den Leuten nach der Stunde gutgeht, bin ich glücklich“, sagt Petra Rimek. Ihre Haare kleben vom Vortanzen im Nacken, der Lidstrich sitzt. Bauch-muskeln blitzen unter ihrem Oberteil hervor, die Haut ist braun gebrannt.
Räkeln mit Ansage Beim Zumba tanzen die Teilnehmer eine schweiß-treibende Choreografi e nach. Elemente aus dem Bauchtanz gehören dazu
![Page 141: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/141.jpg)
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KULTUR & LEBE N
Auffallend viele Schönheiten wiegen ihre durchtrainierten Körper an diesem Nachmittag im Lichtgewitter. Sie zucken im Puls der Musik, ihr Hüftschwung ein wortloses Versprechen. Eine von ihnen ist Ararita Neuhaus, Lehrerin an einer Gesamtschule. „Bei Zumba kann jeder sofort mitmachen. Man muss nicht groß
Gute-Laune-Profi Zumba-Trainer wie Petra Rimek, 44, vermitteln nicht nur Technik, sie liefern ihren Kunden eine Show
Alle im gleichen Takt Etwa 1000 Gäste wackelten
in Dortmund mit dem Hintern – erstaunlich synchron
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Locker aus der Hüfte: Die Zumba-Party im Video
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nachdenken“, sagt die 40-Jährige. Sie unterrichtet Zumba nebenberufl ich im Fitnessstudio. Sportliche, attraktive Trai-ner, die auf der Veranstaltung Inspiration suchen – das ist die eine Sorte Gäste. Dann gibt es noch die Freaks.
Ein bisschen ähnelt so ein Zumba-Spekta-kel den Castingshows im Fernsehen. Viele Gäste tanzen sich in einen Rausch der Selbstüberschätzung, ihre Bewegungen sind alles: ausladend und dramatisch, bloß nicht schön. Gern tragen sie dazu schrilles Make-up und schräge Frisuren. Und gerade diese Kandidaten haben sich meist mit Merchandising-Artikeln eingedeckt. Vom Stirnband bis zu den Socken, für die man im Online-Shop schon mal knapp 20 Euro pro Paar aus-geben kann. Schlüsselanhänger kosten etwa zehn Euro.„Das perfekte Zumba-Outfi t kommt aber von innen“, versichert Tanzlehrerin Petra Rimek.
Einer der wenigen Männer, die bei der Party dabei sind, hat sich das wohl zu Herzen genommen. Er hoppelt der Choreografi e hinterher. Entschlossenheit brennt in seinem Gesicht, seine Kotelet-ten sind messerscharf getrimmt. Nicht weit von ihm ringt eine schon ziemlich betagte und nicht ganz so schlanke Dame mit der Erschöpfung. Zumba ist für alle da.
Und alle wollen so sein wie die Profi s, die auf der Bühne vortanzen. Die Trai-ner wecken Begehrlichkeiten: Lars aus den Niederlanden, Marta aus Spanien, Izabela aus Polen. Gerade ist Lars dran mit Stimmung machen. Er strahlt, bis das Lächeln festfriert, fordert das Publikum zum Mitsingen auf. Als er andeutet, sein Hemd auszuziehen, kreischen die Frau-en wie bei einem Popkonzert.
Die tanzenden Leiber haben die Hal-le aufgeheizt. Müde Menschen gehen
vorbei und ziehen den Schweißgeruch in Fahnen hinter sich her. Seit mehr als vier Stunden läuft das Programm. Der Koteletten-Mann tanzt immer noch. Sein Gesicht ist hochrot angelaufen.
Zum Abschluss schaukeln die Trainer mit der Meute zu „Time To Say Good-bye“. Die Choreografi e ist elegisch, wie beim Ausdruckstanz. Die Musik hört auf, die Trainer winken. Partygäste schultern ihre Sporttaschen und gehen in den Herbst hinaus. Draußen ist immer noch alles grau, nur die Gesichter glühen vor Anstrengung und vor Stolz. ■
SABRINA HOFFMANN
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Galerist JOHANN KÖNIG teilt mit seinem Vater KASPER KÖNIG die zupackende Art und die Liebe zur Kunst
»Er war besorgt – und ließ mich machen«
Mein Vater und die Kunst sind für mich nicht zu trennen. Als Siebenjähriger versuchte ich, On Kawara davon zu über-
zeugen, das Datum meines Geburtstags zu malen – den 22. Juli 1981 –, ohne zu wis-sen, dass der Konzeptkünstler nur jeweils das aktuelle Datum auf Leinwand festhält.
Mit zwölf nahm mein Vater mich mit auf eine Reise nach New York. Wir hatten einen klar strukturierten Tagesablauf: Die eine Hälfte bestimmte er, die andere ich. An einem Tag trafen wir Jeff Koons. Er hatte ein Modell für eine Außenskulptur in Münster gebaut, mit riesigen Tulpen. Ich konnte diese Blumen nicht sehen, weil ich mit elf Jahren bei einem Feuer-werksunfall fast mein Augenlicht ver-loren hatte. Jeff bot mir an, das Modell stattdessen zu ertasten. Leider war die
besorgt, dass ich damit scheitere. Aber er ließ mich machen. Er hatte Respekt vor meiner Willenskraft, die ich durch meinen Unfall entwickelt habe. Seine zupackende Herangehensweise habe ich bestimmt von ihm geerbt. Vielleicht auch die negative Seite seiner direkten Art, die Leute vor den Kopf zu stoßen, ohne das zu wollen.
Wir gehen beide intuitiv an die Kunst heran. Von ihm habe ich wohl auch meine Risikobereitschaft. Denn derzeit lasse ich die ehemalige Kirchenanlage St. Agnes in ein Kunstzentrum umbauen.
Wir haben ein sehr enges Verhältnis. Ich selbst werde in drei Wochen Vater. Und wenn er nun seine Wohnung in Köln auf-gibt und ganz nach Berlin zieht, freut mich das. Ich hoffe, mein Vater wird einen eben-so guten Großvater abgeben.
Aufgezeichnet von Gabi Czöppan
Drahtkonstruktion so fragil, dass ich sie komplett zerstörte. Jeff Koons nahm das nicht tragisch. Er meinte nur, dass er das Original wohl stabiler bauen müsse. Das war das Besondere bei den Künstlern, die mein Vater traf: Sie hatten immer Humor.
Den hat mein Vater auch. Er ist fantas-tisch zu kleinen Kindern, aber ab einem gewissen Alter behandelt er die Kinder wie Erwachsene.
Ich war immer sehr glücklich mit mei-nem Vater. Nur manchmal habe ich mir einen gewünscht, der sich um vier Uhr nachmittags darüber freut, von der Arbeit nach Hause zu kommen. Beruf und Pri-vatleben trennte er praktisch nicht. Heute bin ich selbst froh, einen Beruf auszu-üben, den ich nicht als Arbeit empfi nde.
Als ich den Entschluss fasste, eine Gale-rie in Berlin zu eröffnen, war er wohl sehr
Vater : Der Ausstellungsmacher und ehemalige Hochschulrektor Kasper König, 68, leitete zwölf Jahre lang das Kölner Museum Ludwig. Ende Oktober nimmt er seinen Abschied. Sohn: Johann König, 31, wuchs unter Künstlern auf. Seit zehn Jahren führt er eine der wichtigsten jungen Galerien Berlins – bald in einer ehemaligen Kirche
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KULTUR & LEBE N
Auch so können Reisen beginnen Die Kenia-Route startet im Hotel „Giraffe Manor“ außerhalb Nairobis, wo die Tiere sich direkt vom Fenster aus von den Gästen füttern lassen
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Special
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Wann ist ein Erlebnis ein Erlebnis? Naturfotograf Michael Poliza bietet mit TUI erlesene Reisen an – sogar zur Wiege der Menschheit im Norden Kenias
Alles
auf Anfang
Die Hände zum Himmel Zwischenstopp mit dem
Hubschrauber auf dem vulkanischen Aruba-Felsen inmitten von Dünen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang
![Page 148: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/148.jpg)
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KULTUR & LEBE N
Es ist nicht der Zufall, der es so will, dass sich in Kenia am Logipi-See Abertausende Flamingos fl ügelschlagend aus dem Wasser erheben.
In rosafarbenen Wolken ziehen sie wogend hin und her, rund um einen zer-klüfteten Felsen im See, der den stolzen Namen Cathedral Rock trägt. Sie kom-men erst zur Ruhe, als der Hubschrauber über ihnen weiterfl iegt – zur Spitze des Sees. Dann geht es im tiefen Flug über eine leere Lehmebene bis zu einer klei-nen schwarzen Lavainsel in der Mitte eines gelben Dünenmeers. Und dort lan-det er, mit den Kufen auf dem vulkani-schen Geröll, fast vorsichtig nach einer sicheren Position tastend.
Nein, nicht der Zufall will es so, son-dern Michael Poliza. Er will das genau jetzt, zum Sonnenuntergang. Pilot Ben Simpson wirft eine blütenweiße Tisch-decke aus Stoff über den Tragekorb an der Flanke seines Fluggeräts und bie-tet seinen Gästen einen Sundowner an. Mit dem Gin Tonic und dem Bier in der Hand möchte jeder für sich sein. Weil alle spüren, dass es etwas festzuhalten gibt, was schnell vorbei sein wird. Ein überwältigender Moment in einer fast außerirdischen Weite, die so ganz anders ist als die oft enge Wirklichkeit des All-tags. Wie ein Urgefühl ist es, das sich da rührt, weil plötzlich irgendein gene-tisches Gedächtnis in Gang kommt. Ob es daran liegt, dass diese Gegend als Wiege der Menschheit gilt, weil in dem ostafrikanischen Grabenbruch bis zu 1,8 Millionen Jahre alte Schädel und Faustkeile gefunden wurden?
„Es ist einer der ganz wenigen von Menschenhand unberührten Orte auf der Welt, wo ich, wie fast nirgend-
regisseur „Überraschungen und Momen-te, von denen man nach Jahren noch erzählt, weil sie die Seele berühren“. Das klingt groß und nach viel. Vor allem, wenn derlei Erlebnisse dann auch noch gekonnt, aber nicht gewollt daherkom-men müssen. Den Anfang macht Polizas „Sehnsuchtsland“ – Kenia.
Wütendes Fauchen: Es ist früh am Mor-gen, im Governor’s Private Camp in der westkenianischen Masai Mara. Viertel nach fünf, um genau zu sein. Unten, in der Biegung des Mara-Flusses, plan-schen und schnaufen Nilpferde, auf der Terrasse vor dem Zelt funzelt eine Paraffi nlampe. „Good morning, I bring the coffee and hot water for the shower!“, ruft eine etwas heisere Stimme vor dem Eingang.
Eine Dreiviertelstunde später, noch ist es dunkel, geht es im echten Land Rover – ein wichtiges Detail, weil Poliza bei seinen Inszenierungen keine japani-schen Geländewagen duldet – zunächst zu einem anderen Camp und dann, in verheißungsvoller Dämmerung, mit
einem Floß über einen klei-nen Fluss.
Etwas Warmes zum Anzie-hen solle man vorsichtshal-ber mitnehmen, hieß es als Ankündigung am Abend, mehr nicht. Auch nicht, dass da auf einmal dieses wüten-de Fauchen ist, als es zu Fuß an einigen Hütten vorbei-geht. Erst recht nicht, dass das Fauchen zum Gasbren-ner eines farbenprächtigen Heißluftballons gehört, der sich gerade auf einem Platz hinter den Hütten wölbt. Wow-Effekt nennt das Fo
tos:
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Pol
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wo sonst, Natur genießen kann“, wird Poliza später sagen, über den Aruba-Felsen, die Lavainsel also. Es ist dabei wichtig zu wissen, dass er schon in mehr als 140 Ländern war.
Als „Mann mit fünf Leben“ wird der 54-jährige Hamburger zuweilen bezeichnet. Weil er als Schauspieler ein richtiger Kin-derstar war, in Filmen wie „Tadellöser & Wolff“ zum Beispiel, und danach erst mil-lionenschwerer Computer-Pionier und Freund von Bill Gates, dann Weltumseg-ler und Wildlife-Fotograf.
Als Fotograf gehört er bis heute zu den Besten seiner Zunft, aber nun lebt er ein weiteres, ein fünftes Leben, als „Expe-rience-Designer“. Poliza hat geschafft, was keinem Menschen zuvor gelungen ist: eine Marke der TUI zu werden. Unter „Michael Poliza Experiences“ bietet der Reiseriese seit Kurzem von ihm choreo-grafi erte Expeditionen an, zunächst vier in Afrika, später weitere in der Antarktis, in Kanada und anderswo. Mindestens 12 000 Euro kosten die Touren pro Per-son. Dafür aber verspricht der Urlaubs-
Auf geht’s! Flamingos im Formationsfl ug. Das Loch entsteht, weil sich in dem See darunter heiße Quellen befi nden. Zu heiß für Flamingos
Die Tür bleibt offen, wenn’s recht ist Seinen Gästen empfi ehlt Poliza Open-Air-Flüge. Sie verstärken die Wahrnehmung
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Ozean
KENIA
ÄTHIOPIEN
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Nairobi
Mombasa
Kisumu
250 km
2695 km inelf Tagen
ERLEBNISTOUR
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DIE TUI hat jetzt eine „Premium-Erlebnismarke“: Die Expeditionen führen Reisende mit Geld auch in neu zu entdeckende Gegenden Kenias – und zu sich selbst.
20 000 Euro kostet die Kenia-Tour. Mehr Infos: mp-experiences.de
Auf Polizas Spur
Poliza, der Choreograf. Auch weil vor dem Abfl ug noch Kaffee gereicht wird. Vor allem aber weil der Ballon exakt in den Sonnenaufgang steigt, sorgsam gelenkt von einem Australier namens Markham Boston, der nicht nur Ballon-fahrer ist, sondern auch Künstler.
Eine Stunde und 17 Kilometer lang schwebt er auf Polizas Spuren der Seren-geti entgegen, manchmal nur wenige Meter über all den Elefanten, Gazellen, Impalas, Leoparden und Zebras, manch-mal 300 Meter hoch. Es ist, als würden die Szenerien und Farben und Formen aus Polizas Bildbänden zum Leben erweckt, bis der Ballon schließlich landet, in der Nähe einer Schirm-Akazie, unter der livriertes Personal Champagner und andere Köstlichkeiten serviert.
Es gehe ihm keineswegs um schnö-den Luxus, beteuert Poliza, sondern um Verblüffung, um Großzügigkeit und um „die Optimierung eines Erlebnisses“ in der Natur: „Deswegen sind ja die Rah-menbedingungen so wichtig. Wenn an dem Platz für das Frühstück eine Straße langführt, wäre das doch wie eine Sei-fenblase, die zerplatzt.“ Fragt man den Herrn Optimierer, wann denn ein Erleb-nis überhaupt ein Erlebnis sei, antwortet er fast zögerlich: „Wenn ich etwas im All-tag nicht erleben kann. Wenn es in mir eine Wirkung hat. Und wenn es etwas mit Träumen zu tun hat.“
Wer will denn schon Tourist sein! Fast anderthalb Jahre lang haben Poliza, der schon seit Jahren Privattrips für Freunde und besonders Betuchte entwirft, und einige TUI-Leute an der Dramaturgie der neun- bis zwölftägigen Trips getüftelt. Eine ihrer wichtigsten und nur scheinbar widersprüchlichen Erkenntnisse lautet: Es ist gar nicht schön, Tourist zu sein.
Weil es kleinlich wirken kann, Formula-re auszufüllen und ein- und auszuche-cken. „Ich will, dass meine Kunden mög-lichst unbehelligt reisen und dass sie das Gefühl haben, nach Hause zu kommen“, erklärt Poliza. Schließlich haben sie ja genügend Geld, nur eben zu wenig Zeit.
Die wenige Zeit nutzen sie – auch mit dem Hubschrauber. Wobei es nicht da rum geht, mit ihm zu fl iegen, sondern dar-um, an Orten zu landen, die sonst kaum zu erreichen sind. Bei einem Nomaden-stamm der Samburu zum Beispiel, von denen einige gerade rhythmisch sin-
gend tiefe Brunnenlöcher für ihre Zie-gen graben. Oder auf dem Rand des Vul-kankraters Nabiyotum am Südufer des salzhaltigen Turkana-Sees, dem größten Wüstengewässer der Erde. Oder bei einer roten Steinsäule im fremden Nichts, die wie von Menschenhand geformt meter-hoch in den Himmel ragt.
„Wir hinterlassen keine Spuren“, sagt Erlebnis-Designer Poliza. „Wir hinterlas-sen keine Spuren“, sagt auch Pilot Simp-son. „Der Wind der Rotoren verwischt wirklich jeden Fußabdruck“, sagen bei-de. Und das sei ja nun wirklich besser als jedes Auto und jeder neu gebaute Pfad.
Spuren bleiben trotzdem: Nicht nur bei Polizas Gästen, auch bei seinen Gast-gebern wie Emma Hedges. Am Fuß des Nyiru-Berges führt die weiße Kenianerin an einem bewaldeten Steilhang auf rund 1700 Meter Höhe die Lodge „Desert Rose“, sprühend fantasievoll eingerich-tet und noch dazu mit Swimmingpool.
Hedges weiß um die Vorteile des gele-gentlichen Flugverkehrs: „Unsere Gäste trekken nun mal nicht in 16 Tagen mit dem Kamel zu uns“, sagt sie. „Aber es ist schon erstaunlich, wie einfach das Leben sein kann. Mit dem Geld, das wir ver-dienen, unterstützen wir die umliegen-den Dörfer, bezahlen Schulgelder. Und trotzdem spüren unsere Gäste, dass es nicht nur um Geld geht. Reisen kann irgendwie Leben verändern.“ ■
STEFAN RUZAS
Außerirdisch Der Nabiyotum-Krater am Turkana-See, dem weltgrößten Wüstengewässer. Der Salzgehalt des Wassers sorgt für schillernde Farben
Mehr Eindrücke von der Kenia-Expedition:
Scannen Sie den QR-Code mit einer App wie „Scan“ (iPhone) oder „QR Barcode Scanner“ (Android)
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U m Fische zu fangen, klettert Joe auf eine Palme. Oben in der Baumkrone überblickt der jun-
ge Mann das türkis schimmernde Was-ser der Beau Vallon Bay im Norden der Seychellen-Insel Mahé.
In zwei schmalen Holzbooten hinter der Brandung sitzen seine Brüder. Mit Gesten und Zurufen dirigiert Joe die Fischer zu einem Schwarm Makrelen. Die Brüder lenken ihre Pirogen nach rechts, nach links und werfen schließ-lich ihr Netz aus. Die Falle schnappt zu. Kinder springen ausgelassen in die Bran-dung den Booten entgegen. Am Strand beobachtet eine kleine Gruppe Touris-ten, wie die zuckenden Fischleiber an Land gezogen werden.
Als vor gerade mal 40 Jahren die ersten Urlauber auf die Inselgruppe kamen, war dieses Schauspiel fast täglich zu sehen. Auch als ich 1974 zum ersten Mal hier hinkam. Nun bin ich wieder da. Aber: Die Fischer klettern nur noch gelegent-lich auf Kokospalmen.
Das Erstaunliche jedoch: Fast vier Jahr-zehnte Tourismus haben zwar Spuren hinterlassen, und doch scheint vieles so wie früher. Der Strand an der weitläufi -gen Bucht von Beau Vallon ist beliebt und paradiesisch und leer – so wie damals. Und das Abbild einer Muschel aus blau-en Mosaiksteinen ist immer noch auf
Bevor es anders wirdEine FOCUS-Redakteurin kehrt 38 Jahre nach ihrem ersten Aufenthalt auf die Seychellen zurück. Kann Zeit wirklich stillstehen?
dem Grund des kleinen Pools im mehr-stöckigen „Coral Strand Hotel“, das heute erstaunlich klobig wirkt. Auf der schmalen Pool-Terrasse steht immer noch derselbe Takamaka-Baum und wirft uner-müdlich seine haselnussgroßen Früchte auf dösende Gäste. Und die speisen am Abend in einem Saal, der nicht mehr edel ist, sondern poppig mit seinen bun-ten Stühlen. Hauptakteur ist der Indi-sche Ozean, dessen Wellen nur wenige Meter vom Hotelgebäude laut ans Ufer schlagen. Der Eigentümer will Eindruck machen: Seit 2007 ist es der russische Mischkonzern Group Guta. Dass Russen Hotels auf den Seychellen kaufen, ist neu.
Und nicht nur das: Während die Frauen früher bunte und selbst geschneiderte Kleider trugen, kommen sie heute west-lich daher. Victoria, eine der kleinsten Hauptstädte der Welt, erstickt fast im Berufsverkehr. Aber ist das überhaupt zu spüren, als Urlauber auf einer von 115 Trauminseln? Und merkt man wirklich, dass sich die Menge des Fischfangs, einst Haupteinnahmequelle der Seychellen, innerhalb von fünf Jahren fast halbiert hat, wegen all der Piraterie? Eigentlich nicht. Es gibt kaum Armut oder Krimi-nalität, keine Slums oder Straßenhänd-ler. Und es gibt ganz neue, luxuriöse Resorts wie das „Constance Ephelia“ inmitten eines Naturschutzgebiets
Frischer geht’s nicht Früher lebten die Seycheller vom Fisch. Wegen Piraterie ist die Fangquote gesunken
![Page 153: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/153.jpg)
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KULTUR & LEBE N
IndischerOzean
IndischerOzean
SEYCHELLEN
Victoria
SilhouetteIsland
La DigueNorth Island
Mahé
FrigateIsland
PraslinIsland
20 km Seychellen
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auf einer Landzunge im Westen der Insel Mahé. Auf der 120 Hektar gro-ßen Anlage stehen geräumige Villen in -mitten üppiger tropischer Vegetation. Die Luft ist erfüllt von einem schwe-ren, süßlichen Duft und fremdartigen Vogelschreien, in einem Gehege lebt ein halbes Dutzend Riesenschildkröten. Neben Natur und Urtümlichkeit gibt es auch kostenlosen WLAN-Zugang.
Der Sprung in die Moderne ist der Regierung um Präsident James Michel wichtig: Seit Mai ist der Inselarchipel an das weltweite Glasfasernetz ange-schlossen, und ab 2013 soll auch Wind-kraft Strom liefern. Über die Hälfte der Landfl äche ist Naturschutzgebiet, es ist der höchste Prozentsatz weltweit. Und das, obwohl die Zahl der Touristen von zurzeit 170 000 möglichst schnell auf 200 000 steigen soll. Zusätzliche Flug-verbindungen sind jedenfalls schon da: Allein Ethiopian Airlines fl iegt seit eini-gen Monaten viermal in der Woche von Addis Abeba nach Mahé, um vor allem Gäste aus den USA und aus Asien auf die Inselgruppe zu bringen.
Still steht sie nicht, die Zeit im Paradies der Strände. Das Mehr an Urlaubern soll
115 Inseln
EINMALIG AUF DER WELT ist die Coco de Mer. Die Kokosnuss, geformt wie eine weibliche Hüfte, wächst auf der Insel Praslin. Auf den Seychellen gibt es zahlreiche endemische Tiere und Pfanzen.
Noch kann man für 14 Tage ab 2000 Euro Urlaub auf den Seychel-len machen. Das ändert sich.
Perlen im Ozean
in den kommenden Jahren vor allem ein Mehr an Luxus bringen: 34 neue Hotel-projekte sind bereits bewilligt, die Hälfte davon im 5-Sterne-Segment und etliche im Auftrag von großen Fluggesellschaf-ten wie Qatar Airways oder Emirates. 23 Resorts sollen allein auf der Hauptin-sel Mahé entstehen. Einer der größten Neubauten ist Eden Island, eine künst-liche Insel, auf der für 350 Millionen Euro Villen, ein Einkaufszentrum, ein Hotel und ein Jachthafen entstehen sol-len. Auch für das vergleichbare Resort „Ile Aurore Nouvelle“ muss künstlich Land gewonnen werden, immerhin 60 Hektar. Und jeder, der eine Immobi-lie kauft, erwirbt automatisch auch ein Dauerwohnrecht auf den Seychellen.
Es tut sich viel in der Fluchtwelt fürs Tauchen, Schnorcheln und Nichtstun, und vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, nicht allzu lange zu warten mit einer Rei-se, bevor sie da sind, die Superreichen. „Noch sind die Seychellen der lebens-werteste Ort der Welt“, schwärmt der englische Maler Michael Adams. Er lebt seit 1972 hier. ■
NOELANI WALDENMAIER
Dschungel auf Leinwand Michael Adams gilt als Seychellen-Gauguin
Granitfelsen im türkisfarbenen Wasser Seit Jahrzehnten sind die Inseln beliebtes Ziel für Segler
![Page 155: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/155.jpg)
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KULTUR & LEBE N
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Thailand Sprechstunde all inclusiveGünstige Preise, viele Fachkräfte, hohe Qualität: Der Medizintourismus vor allem Richtung Thailand (Foto) boomt. Die Lufthansa stellt sich mit Bord-Intensivstationen, Stretchliegen und Rabatten für die Patienten unter den Passagieren darauf ein. www.lufthansa.com/gesundheit
Emirate Die Kleinen kommen
Dubai ist für deutsche Urlauber noch immer das beliebteste Ziel am Golf,
doch die anderen Emirate holen auf: Im ersten Halb-jahr 2012 kamen 45 Pro-zent mehr Deutsche nach
Abu Dhabi. Auch das kleine Katar will bis zur Fußball-WM
2022 ein echtes Urlaubs-ziel werden. Am Souk Wahif
in Doha (Foto) sieht es schon fast aus wie in Ita-
lien – allerdings ohne Wein.
trendsHerbst
2012
Prozent: Das ist die durchschnittliche Aus-lastung von Japans Liebeshotels. Pro Tag. Die
circa 17 000 Häuser gelten als profi tabelste Hotels der Welt. Ein langjähriger Investor zieht sich nun wohl aus moralischen Gründen zurück: die US-Agrarfi rma Cargill.
Drohne Ganz friedlichSie sind die neuen All-zweckwaffen der Militärs, aber sie können auch friedlich: Sonnenklar,
eine Tochterfi rma des Reiseveranstalters FTI, setzt für Luftbilder in Urlaubsregionen eine Drohne ein – und hat drei weitere bestellt.
Die Stadt im Nordosten Südafrikas galt lange als eine der gefähr-lichsten der Welt – und es ist noch immer nicht empfehlenswert, allein in der Dämmerung durch Soweto zu streifen. Wer sich aber mit einem lokalen Stadtführer zu Fuß aufmacht, erlebt das kultu-relle Zentrum des Landes von seiner charmanten Seite. Karoly Pinter ist einer von ihnen: Der gebürtige Ungar, der seit 1979 im
Land am Kap lebt, kennt die coolsten Studentencafés in Melville und die schönsten Galerien in den ehemaligen Fabriken Milparks. Er zeigt Bungee-Jumper, die von stillgelegten Kraftwerken in Soweto springen, und erklärt kundig, wie die Regenbogennation wurde, was sie ist. Für alle, die sich nicht nur für die bezaubernde Landschaft Südafrikas interessieren. www.pastexperiences.co.za
Johannesburg – zu Fuß durch eine harte Metropole
![Page 157: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/157.jpg)
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![Page 158: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/158.jpg)
MEDIEN
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»Ich hatte nur die Komik
als Waffe«Alle lachen über Bastian Pastewka. Keiner kennt seine traurige Seite. Der Komiker bezog Prügel in der Schule, weinte bei Mogli und träumt den immer gleichen Albtraum
❙ Der eineNach dem Studien-abbruch kam der Durchbruch in der „Wochenshow“. Gerade läuft wieder die Selbstsatire „Pastewka“ auf SAT.1.
❙ Der andereAm Donnerstag trumpft er um 20.15 Uhr im ZDF als Tragikomiker auf in „Mutter muss weg“.
Bastian Pastewka, 40
Wandelbar!
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Herr Pastewka, wie viel Traurigkeit mussten Sie erleben, um komisch zu werden?
Ein wenig. Als kleiner Junge wusste ich genau: Morgen auf dem Schulweg lauern sie dir wieder auf, zu dritt oder zu viert. Sie wollen dich verkloppen. Ich stand deswegen früher auf, ging Umwege zur Schule. Alles nur, um den Idioten nicht zu begegnen. Ich habe mir meine Heimatstadt Bonn erlaufen, weil ich immer ausgewichen bin. Nach der Schule nahm ich die Straßenbahn und stieg erst zwei Stationen später aus, weil ich wusste, da passt dich keiner mehr ab.
Sie waren der Klassenschwächling?Ich habe nie verstanden, warum ich Kind sein musste. Warum muss sich ein Junge auf dem Spielplatz darum raufen, wer zuerst auf die Schaukel darf? Ich habe mich hinten angestellt und gewar-tet, bis ich drankam. Dann hat es ange-fangen zu regnen, und alle waren weg.
Und dann haben Sie als erste Rolle den Klassenclown einstudiert?
Ich hatte in der Tat nur mein Komisch-sein als Waffe. Nicht um andere abzu-schrecken, sondern um meine Unsi-cherheit zu ummanteln. Das war mein Schutzwall. Ich habe gelernt, allem aus dem Weg zu gehen, was schwierig war. Und dazu musste ich lernen, mich zu verstellen.
Nun sind Sie berühmt und die Idioten vom Pausenhof immer noch dämlich. Ist das nicht prima?
Nein, weil ich immun gegen jede Form von Genugtuung bin.
Ihr Publikum ahnte bislang kaum etwas von Ihrer traurigen Seite. Sie überraschen mit ihr in „Mutter muss weg“, Ihrem neuen Film am 18. Oktober im ZDF. Sie spielen berührend tragikomisch.
Danke. Das Tragiko-mische habe ich aber auch in meinen frü-heren Comedy-Rollen einzubinden versucht. Denn Komik kommt aus Verlangen und Unzulänglichkeit.
Wenn Sie so sprechen, schauen Sie gerade ziemlich anders aus als in Ihren Rollen.
Verdammt! Mache ich was falsch?
Nein, Ihre Gesichtszüge sind nur völlig ernst.
Um Gottes willen! Las-sen Sie uns dieses Gespräch stoppen! Ich habe mir doch früh und mühsam gute Laune antrainiert!
Apropos Training. Sie waren als Schüler so etwas wie ein Turnbeutelvergesser?
Ich habe in der Schule Krankhei-ten simuliert, so glaubwürdig, dass der Lehrer mich besorgt heimfuhr. Ich brachte mir selbst kleine, harm-lose Verletzungen bei, um nicht beim
W underbar witzig wie immer ist er nur zu Beginn des Inter-views. Da greift er zum Aufnahmegerät, führt es dicht
zum Mund und spricht ins Mikro, als wolle er eine Durchsage machen: „Pastewka! Guten Tag! Hallo! Nicht Guido Cantz! Nicht Bernd Stelter! Pastewka!“ Er trägt dazu sein Fernsehgesicht, seine „Gesichtskirmes“, wie er sie manchmal nennt.
In seinem Antlitz ist Platz für Kettenkarussell. Schießbude und Flohzirkus zugleich. Der Mann hat die Macht über das Reper-toire eines Pantomimen. Sein Gesicht weitet sich ins Cinema-scope-Format, das Doppelkinn ist live viel schlanker, er selbst hochgewachsen. Eine Forsa-Umfrage kürte ihn zum beliebtesten Comedian des Landes. Wir wollten über das Traurige im Komi-
Geheimsache Pastewka schen sprechen. Das verkörpert er in seinem neuen Film, und dazu hat er Lust. Dann die erste Frage. Plötzlich ist es, als ziehe jemand den Stecker, als lege ein Stromausfall die Kirmes in ihm still. Die Gesichtszüge entgleisen. Pastewka sieht entspannt undernst aus, mit sich im Reinen. Er legt er sich halb auf eine Chaise-longue in der Bibliothek des „Bayerischen Hofs“ in München, um noch gelassener zu reden. Und verwandelt sich, berichtet zwei Stunden lang aus seinen Seelenwinkeln. Derart gefühlsstark und offenherzig, dass Pastewkas Pressefrau Tage später einige be-wegende Interview-Passagen nicht zum Druck freigibt.
Pastewka erzählte in ihnen ehrlich über Abgründe seiner Bran-che. Von seinem Heißhunger auf Schokolade. Und von seinen Tricks, dem traurigen Kind im lustigen Künstler immer wieder zu entkommen. Und es trotz allem lebendig zu halten.
Schulsport mitmachen zu müssen. Das perma-nente Vergleichen mit den anderen Jungs war das Beschissenste. Ihr Kollege Hape Kerkeling hat es ähnlich erlebt. Haben Sie mal mit ihm darüber gesprochen?Leider nein. Wir äh-neln uns wahrschein-lich, aber wir kennen uns kaum. Ich verehre ihn sehr.Kerkelings Mutter starb, als er acht Jahre alt war. Sie sind verschont geblieben von Tragödien?Ja, glücklicherweise! Ich bin in den behü-teten 80er-Jahren auf-gewachsen. Aber ich war ein verschrobenes Kind, ich habe viel Leid in mir gespeichert, ohne es direkt zu erfahren. Ich glaube, dass alle Kreativen, die in eine Rolle schlüpfen, ihr ganzes Leben und ihr Leid dafür mitbringen müssen und sich nicht verstellen dürfen. Die
Persönlichkeit scheint immer durch. In meinen Rollen kehre ich manches davon nach außen. Aber alles, was dahinter verborgen liegt, ist übrigens unfassbar langweilig.
Was sich neckt . . . „Oft sagt sie zu mir: ,Nun komm aber mal wieder runter!‘“ Pastewka mit seiner Freundin Heidrun Buchmaier
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Geben Sie trotzdem ein Beispiel? Bei aller Lustigkeit habe ich Phasen, in denen ich mich wie damals als Kind verkrieche. Immer dann, wenn ich gerade nicht arbeite.
Sie sind erfolgreich, wieso können Sie so schlecht ohne Aufgabe sein?
Ich habe für nichts anderes Begeiste-rung als für meine Rollen. Ich treibe keinen Sport, ich habe keine Hobbys, ich kann mit mir wenig anfangen, wenn ich nicht grad arbeite.
Deswegen mögen Sie auch keinen Urlaub?Ich brauche keine schönen Landschaf-ten oder Sehenswürdigkeiten, ich brauche mich nicht zu erholen, ich mag nicht nichts tun. Ich mag höchstens die Stille. Die Abgeschiedenheit.
Die suchten Sie schon als Kind, im Kino.Ja, ich habe „Das Dschungelbuch“ geliebt. Nur dass alle Kinder lach-ten, ich aber traurig wurde. Ich war ein Staunkind und fand es schreck-
lich, dass wir nie erfahren haben, was aus dem brennenden Tiger Shir Khan geworden ist. Hat er überlebt? Und was passierte mit Mogli, als er am Ende das Mädchen traf? Ein großartiger Film. Aber für mich als Kind war das erst mal verwirrend.
Mogli wurde trotzdem Ihr Held?Nein, das wurde Pinocchio in dieser 52-teiligen japanischen Zeichentrick-serie. Ein Junge aus Holz, der aber von der Schauspielerin Helga Anders synchronisiert wurde. Eine Puppe, die sich auf einer endlosen Reise immer weiter vom Vater entfernt. Die Moral dieser Serie: Die Holzpuppe wird am Ende ein echter Junge aus Fleisch und Blut. Aber erst, als sie verspricht, ein ehrlicher und verantwortungsbe-wusster Mensch zu werden. Trotzdem wird Pinocchio fi nal noch einmal von Fuchs und Kater hereingelegt. Das war für mich ein Gongschlag als Kind.
Ich spürte: Diese Welt war ungerecht. Dabei meinten es die Macher sicher-lich lustig.
Sie lernten von Pinocchio also Ehrlichkeit und Moral?
Ich habe meine Fernsehsendungen genauso ernst genommen wie Hausauf-gaben oder eine Schularbeit. Wenn ich „Pinocchio“ nicht sehen konnte, fühlte ich mich ungerecht behandelt. Ich habe geschrien und die Folge mit einem Kas-settenrekorder aufgenommen. Das Mik-rofon habe ich an den TV-Lautsprecher mit Tesafi lm geklebt. Hunderte Male hab ich sie mir dann angehört.
Sie haben das Sensible in sich früh kulti-viert. Und sagen oft, Sie seien rückgratlos. Ihr Codewort für Harmoniesucht?
Genauso ist es. Wieso diese Sehnsucht? Weil sich das schwierige Kind im Manne wieder meldet?
Unbedingt. So sehr dieses Kind Schwie-rigkeiten macht, so sehr muss ich es in mir kitzeln, es bewahren. Wie wenn man eine Schwimmweste anzieht, die sich dann automatisch aufbläst und einen schützt.
Schützen wovor?Davor, dass ich den kleinen Jungen in mir mal besiege. Er erdet mich.
Er bewahrt Sie jedoch nicht gerade vor der Härte des Lebens?
Nein. Aber ich kenne Gott sei Dank kaum Herzweh. Wenn mich etwas schmerzt, tut es das in Brust und Ober-bauch. Und am Solarplexus. Dort, wo bei einem Aufziehbären die Schnur raushängt.
Und wer zieht an dieser Schnur?Meine Freundin sagt manchmal zu mir: „Jetzt komm aber mal wieder runter!“
So rastlos, wie Sie wirken, klappt das wohl erst im Schlaf. Träumen Sie dann genauso bunt, wie Sie wachen?
Ich träume oft, dass ein Mann mit Bril-le, Fliege und Aktenkoffer an meiner Tür klingelt und mir verbietet, weiter komisch zu sein. Er sagt: „Das, was Sie da in Ihrem Beruf machen, das kön-nen Sie doch gar nicht!“ Am Ende die-ses Traums streckt mir der Mann noch einen Umschlag mit Siegel und Notar-kordel entgegen: „Hier haben Sie es schriftlich. Ich versichere es Ihnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Auf Wiedersehen.“ ■
INTERVIEW: TIM PRÖSE
»Mein Komischsein war mein Schutzwall. Ich wollte meine Unsicherheit ummanteln. Und lernte, mich zu verstellen« Bastian Pastewka
Die heile Welt als Rolle Pastewka als Volksmusiker Wolfgang Funzfi chler
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D er Slogan passt – auf jeden Fall schon mal zur Chefi n. Katja Hofem scheint
das Motto des neuen Senders zu ver-körpern. Es lautet: „Mir geht’s gold“.
Gold geht es der für das Channel Deve-lopment von ProSiebenSat.1 zuständi-gen Managerin aus diversen Gründen. Endlich stehen Konzept und Programm für einen neuen Sender, von dem die Branche schon seit geraumer Zeit mun-kelt. Der vor zwei Jahren gelaunchte Frauenkanal sixx läuft gut. Außerdem hat Katja Hofem geheiratet – und dabei den Doppelnamen Hofem-Best abgelegt.
Als neues Beiboot des TV-Konzerns wird am 17. Januar 2013 SAT.1 Gold vom Stapel laufen. Gemacht sei der Sender, so Hofem, für „eine Zielgruppe in den allerbesten Jahren“, welche die Sen-derchefi n auf keinen Fall Best Ager, sondern am liebsten „Master Consumer“ genannt wissen möchte.
Deren Lebensgefühl defi niert man in Unterföhring so: positiv und harmonisch, bereit, einen neuen Abschnitt zu begin-nen, weil die Kinder aus dem Haus sind und berufl ich alles erreicht ist. Die Ziel-gruppe ist weiblich, zwischen 49 und 64 Jahren alt – kurzum die, für die sich nach den gelernten Regeln kein Werbender interessiert. Dabei denken diese Frauen, ProSiebenSat.1-eigener Marktforschung zufolge, nach dem Schuften für Fami-lie und Eigenheim jetzt an sich. Und sie haben bereits – Achtung, Werbebranche! – 30 bis 40 Jahre Konsumerfahrung.
Das alles klingt schön. Und wird folge-richtig mit einem „sehr schönen Namen, der für etwas Hochwertiges, eine Pre-
In den allerbesten JahrenDie TV-Managerin Katja Hofem startet einen neuen Sender. SAT.1 Gold richtet sich an Frauen zwischen 49 und 64 Jahren
Katja Hofem, 42
Sender-Erfinderin ❙ Neu auf der FernbedienungAm 17. Januar 2013 startet SAT.1 Gold für die Zielgruppe der 49- bis 64-Jährigen. Vor zwei Jahren launchte Hofem den Frauensender sixx.
❙ Retro im ProgrammSAT.1 Gold will nur Deutsches zeigen und setzt auf Bewährtes aus dem Archiv.
mium-Anmutung, steht“ garniert: eben SAT.1 Gold.
Überraschend ist das Programm. „Wir werden nur deutschen Content und nichts Synchronisiertes on air haben“, kündigt die Geschäftsführerin an. „Wir sind ein rein deutscher Sender.“
Für den hat ProSiebenSat.1 einiges in den Regalen stehen, was nur auf eine Wiederverwertung wartet. So sollen bei SAT.1 Gold Spielfi lme wie „Das Wun-der von Lengede“ oder „Traumprinz in
Farbe“, Serien wie „Wolffs Revier“ oder „Ein Bayer auf Rügen“ laufen. Magazin-Dino Ulrich Meyer wird mit drei Sen-dungen dabei sein. Und Talk-Konserven von „Britt“ über „Pilawa“ bis „Kerner“ werden noch einmal serviert. Frische Eigenproduktionen beschränken sich zunächst auf acht Programmstunden pro Woche. Mehr verrät Hofem nicht. Ein paar Geheimnisse gilt es zu hüten. ■
ROBERT VERNIER
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B eim Bremer „Weser Kurier“, einer Zeitung mit immerhin knapp 175 000
Aufl age, liefern sich die Eigentümer eine bizarre Schlacht. Vor Gericht erstritt nun der eine, nämlich Christian Güssow, dass der andere, nämlich Ulrich Hackmack, nicht länger Vorstandsvorsitzender der Bremer Tageszeitungen AG sein darf. Im Vorstand sitzt Letzterer allerdings schon seit 1999. Doch die Gerichte entschieden nun, Hackmack bekleide seinen jetzigen Posten rechtswidrig.
Wie eine archaische Stammesfehde wirkt die Auseinandersetzung im Nor-den – auch wenn sie mit leidlich zivilisier-ten Mitteln, per juristischen Klagen und Beschwerden, ausgetragen wird. Dabei hätte der Verlag durchaus andere Prob-leme. Wie bei fast allen Regionalzeitun-gen erodiert auch beim „Weser-Kurier“ die Aufl age. Vor allem die Abonnenten-zahlen gingen in den vergangenen zwei Jahren zurück. Die Eigentümer jedoch streiten sich bis zur letzten Instanz.
Die „Verlängerung der Amtszeit von Herrn Dr. Ulrich Hackmack“ um fünf
Stammesfehde im NordenBeim »Weser Kurier« ist der Vorstandsvorsitzende rechtswidrig in seiner Position, urteilten Gerichte: ein Chef auf Abruf
Jahre, die 2009 beschlossen wurde, erklärte das Bremer Oberlandesgericht bereits 2011 „für nichtig“. Eine Nichtzu-lassungsbeschwerde wies der Bundesge-richtshof (BGH) kürzlich ab.
Hier kämpfen zwei Familien, die das Bremer Gericht als „Stämme“ bezeich-net. Jedem gehören 50 Prozent des Unter-nehmens. Den rund 20 Hackmacks tritt Christian Güssow entgegen: 36 Jahre alt, Fotograf aus Hamburg und Haupterbe des Stammes-Gründers Hermann Rudolf Meyer. Der Name Güssow sagte bis vor Kurzem noch nicht einmal den Verlags-mitarbeitern etwas. Vor Jahren, so erzählt man in der Redaktion, hospitierte er im Unternehmen. Glaubt man Güssows Ver-trauten, entstand damals dessen Aversi-on gegen den selbstherrlichen Vorstands-chef Ulrich Hackmack, 60 Jahre alt und Enkel des „Weser Kurier“-Gründers Hans Hackmack.
Was genau den Meyer-Erben antreibt, den Hackmack-Statthalter von seinem Posten zu verscheuchen, bleibt unklar. Auf jeden Fall muss der Aufsichtsrat nun
handeln. Bisher hatte er es vorgezogen, keine Konsequenzen aus dem bereits im Sommer 2011 gefällten Urteil des Ober-landesgerichts zu ziehen und stattdes-sen die BGH-Entscheidung abzuwarten. Nun trifft sich das Gremium Ende Okto-ber zu einer außerordentlichen Sitzung. Dann muss es über eine Ablösung Hack-macks befi nden.
Publizistisch verliert die einstige Vor-zeige-Regionalzeitung an Renommee. Unter dem Chefredakteur Lars Haider hatte das Blatt einige Journalistenpreise geholt. Seine Nachfolgerin wurde Sil-ke Hellwig. Die 49-Jährige kommt vom Fernsehen. Sie hatte zuvor bei Radio Bre-men das Regionalmagazin geleitet und sich dort mit der Redaktion heillos zer-stritten. Unter ihrer Ägide haben bereits sieben Redakteure beim „Weser Kurier“ gekündigt, die als Leistungsträger gal-ten. Entschiedenster Fürsprecher für die Einstellung Hellwigs war übrigens Ulrich Hackmack. ■
JAN-PHILIPP HEIN
Das preisgekrönte Blatt leidet unter dem Streit
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Cherry ist neun, als ihre Mutter in den Tod springt. Vor der Gefühlskälte des Vaters fl üchtet sie sich in eine Welt der Worte. Mit 14 muss sie end-gültig gehen, sie lernt den Musiker Scratch kennen und beginnt, für ihn Songs zu texten. Die Berliner Autorin LILLY LINDNER, 27, erzählt Cherrys Geschichte im Roman „Bevor ich fal-le“ (Droemer Verlag). Sie weiß, wie es ist, in Verachtung aufzuwachsen.
Als Kind wurde sie vergewaltigt. Sie hat ihren Körper entstellt, ver-kauft und erst spät anzunehmen gelernt. Von ihrer Selbstfi ndung han-delte vergangenes Jahr ihr Bestseller „Splitterfasernackt“, vom Schutz-raum der Literatur das neue Buch.
Dass Lindner noch längst nicht ent-kommen ist, zeigt sich in ihrer unge-heuren Arbeitswut. 15 Manuskripte stapeln sich bei ihrem Agenten, alle sind sie entstanden in den vergange-nen zwei Jahren. Hier ist eine Auto-rin süchtig nach dem Schreiben. Und süchtig nach dem Leben. jub
Schreiben, um zu leben
Frau mit VergangenheitLilly Lindner schreibt
berührend über schwer zu Ertragendes – mit über-raschenden Bildern und
Wortschöpfungen
„Götter und Schriften rund ums Mittelmeer“ lautet der Titel eines Symposiums zu Ehren Friedrich Kittlers (†) in Karlsruhe
Das Alphabet von Aristoteles und Pink Floyd„Programmieren sollen sie
schon lernen“, riet er sei-nen Studenten. Zwar glaubte FRIEDRICH KITTLER (1943–2011) als Germanist an die Macht des Wortes. Mehr noch vertraute der Univeralge-lehrte den „Aufschreibsyste-men“ – so der Titel eines sei-ner berühmten Bücher –, die unsere Kultur von der Anti-ke bis ins Computerzeitalter bestimmen würden.
Dem genialen Geisteswis-senschaftler, der schon in den 80ern seine Computer
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aufschraubte und der über Aristoteles ebenso spielerisch theoretisierte wie über Pink Floyd, widmet das Zentrum für Kunst und Medientech-nologie (ZKM) in Karlsruhe postum ein Symposium.
Vom 19. bis zum 20.10. disku-tieren Forscher verschiedenerSchriftkulturen, von der Ägyp-tologie bis zur neu entstande-nen Protestgestik der Occupy-Bewegung. Vorgestellt wird auch Kittlers Nachlass, dar-unter sein in den 70ern selbst gebauter Synthesizer. cöp
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MUSIK BETH HART: „BANG BANG BOOM BOOM“Musikkritiker vergleichen ihr Talent mit dem von Janis Joplin oder Amy Winehouse. Die kaliforni-sche Sängerin Beth Hart durchlebte auch Drogenex-zesse und entblößte auf der Bühne ihre Seele. Die dunklen Jahre sind vorbei. Geblieben ist ihre außer-gewöhnliche, vom Leben gezeichnete Stimme. Hart bewegt sich mit ihrem kraft-vollen Rockalbum gekonnt zwischen Soul und Blues.
KUNST DIE SAMMLUNG GUNTER SACHS Mehr als 50 Jahre lang schlug sein Herz für die mo-derne Kunst. Gunter Sachs kaufte Werke von Andy Warhol und Roy Lichtenstein (Foto), bevor sie hierzulande bekannt wurden. Das Muse-um Villa Stuck in München eröffnet ein Jahr nach Sachs’ Tod eine Schau über den Kunstfan (ab 18.10.).
BUCH „DER WHISKY-ATLAS“Whisky-Experte müsste man sein! Dann dürfte man wie Dave Broom, Schotte natürlich, die Welt bereisen, Destillateure beraten und Whisky verkosten, bis die Leber kollabiert. Im Ernst: Wenige können so klug über Single Malt, Blend und Bourbon schreiben wie Broom. Ein Buch für Entde-cker – oder wussten Sie, dass Taiwan eine große Whisky-Nation ist?
Für die Briten ist er einer dieser deut-schen Stars, von denen sie noch nie gehört haben – obwohl er einst vor Michael Jack-sons „Thriller“ die Spitze der deutschen Charts besetzte: HERBERT GRÖNEMEYER, 56. U2-Frontmann Bono aber weiß viel über den Mann aus dem Pott, der über 18 Millionen Tonträger verkauft hat. Nach-dem Bono, 52, und Grönemeyer auf einem Überraschungskonzert im August ein ergreifendes Duett von „Mensch“ zum Besten gaben, ist es keine Überraschung, dass Grönemeyer nun mit Bono eine eng-lische Version des Songs für sein neues Album eingespielt hat. Grönemeyer veröf-fentlicht am 19. Oktober mit „I Walk“ ein englischsprachiges Album.
Der Weltstar und der Deutschland-Star kennen sich von der Kampagne „Deine Stimme gegen Armut“. „Bosse einer Band sind oft die Torjä-ger der Musik, sie sind die Ver-rückten. Aber Bono war ganz anders: unglaublich freund-lich, bescheiden und zurück-haltend. Wir haben uns getrof-fen und gemerkt, dass wir uns gut verstehen. Wir streiten auch viel, aber ich denke, Künstler müssen gefährlich sein“, sagt Grönemeyer.
Während der Nazi-Zeit ar -beitete sein Vater als Bergbau-ingenieur. Er verlor einen Arm in der Schlacht von Stalingrad. „Er war politisch links und sehr selbstkritisch, weil er Hitler in die Falle getappt war“, so der Sohn über den Vater. Gröne-meyer suchte Abstand durch Musik, unter anderem von den Beatles: „Das Radio hat ständig englische oder amerikanische Musik gespielt. Mit 13 Jah-ren begann ich zu singen, und das hat mich befreit. Deutsche Musik war sehr langweilig und begann erst in den 70er-Jah-ren, interessant zu werden.“
Einige Songs des neuen Albums thematisieren sein schlechtes Gewissen darüber, wie er mit dem Erfolg umging. „Es war schwierig für meine Frau“, sagt Grönemeyer. „Mit
28 Jahren war ich megaberühmt, was nicht immer einfach war. In den späten 90er-Jah-ren wurde sie krank, und das Leben sagt dir plötzlich, dass du den Bogen über -spannt hast.“
Er fand sich als Witwer mit zwei Kindern wieder: „Ein Schock, der alles veränderte. Das Essen schmeckte anders, man denkt anders, man ist einfach nur betäubt.“
Seit 1998 Jahren lebt er in England, jetzt will Deutschlands größter Star seine Musik auch dort erfolgreich präsentieren. Dabei unterstützen ihn Gäste wie Antony Hegarty und James Dean Bradfi eld von den Manic Street Preachers. „Ich habe mich immer mehr an die Sprache, den Humor und die Kultur hier gewöhnt. Mit diesem Album können sich die Menschen wohlfühlen“, verspricht Grönemeyer. Gavin Martin
TIPPS DER REDAKTION
»Künstler müssen gefährlich sein«
Seelentröster der DeutschenJetzt auf Englisch: Am 19. Oktober erscheint Herbert Grönemeyers neues Album „I Walk“
Textquelle: The Mirror/The Interview People
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K ompaktwagen im Geländewagen-Look sind die Renner der Autobran-
che. „Es ist das am stärksten wachsende Segment“, weiß Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Car-Centers der Universität Duisburg-Essen. Opel allerdings profi -tiert kaum von dem Trend – obwohl die Rüsselsheimer 2006 mit dem Antara als erster deutscher Hersteller einstiegen. Die Abräumer heißen VW Tiguan und Ford Kuga.
Neues Auto, neues Glück? Seit wenigen Tagen ist Opel erneut mit einem kleinen SUV am Start. Diesmal eine Klasse tiefer – und wieder als erste deutsche Marke. Wie gut der Mokka bereits ankommt, zeigen mehr als 40 000 Vorbestellungen. Teilweise müssen sich die Kunden bis Februar gedulden. „Der Mokka trifft perfekt den Zeitgeist“, wirbt Opels Mar-ketingmanager Martin Golka. Ähnlich sieht dies auch Dudenhöffer: „Autobau-er, die dieses Segment zukünftig nicht
Fahrspaß: am meisten mit dem Diesel
Fahrwerk: agil über Europas Straßen
Raumgefühl: außen kompakt, innen üppiger als erwartet
OPEL MOKKA
Benziner: 115/140 PS Diesel: 130 PS Länge × Breite: 4,28 × 1,77 m Verbrauch*: 4,5/6,4 l/100 km CO2-Emission*: 120/149 g/km Preis: ab 18 990 Euro
bedienen können, bringen sich um exzellente Absatzchancen.“
Beim Mokka soll neben dem Namen vor allem das modische Design den Appetit anregen. Die ansteigende seitliche Fens-tergrafi k behinderte bei der ersten Test-fahrt freilich die Sicht nach schräg hinten; Parksensoren sind somit wärmstens zu empfehlen. Sicherheitshalber bietet Opel auch gleich eine Rückfahrkamera an.
Mit nur 4,28 Meter Außenlänge bietet der Mini-SUV vorn wie hinten überra-schend gute Platzverhältnisse. Die höhe-re Sitzposition ist angenehm; hinter den Passagieren bleiben 356 Liter Kofferraum – solides Mittelmaß. Soll größeres Gepäck mit, können die Rücksitze geteilt umge-legt werden, und es entsteht eine durch-gängig ebene Ladefl äche. Das ist bei diesem Autotyp nicht selbstverständlich. Einzigartig ist Opels Fahrradträgersystem Flex-Fix, das wie eine Schublade im hin-teren Stoßfänger verschwindet.
Technisch basiert Opels Neu-SUV auf der „Global Small Platform“ von General Motors. Während die Crash-Struktur in Südkorea entwickelt wurde (wo der Mok-ka zusammen mit dem Schwestermodell Chevrolet Trax auch vom Band läuft), gingen danach beide Marken getrenn-te Wege. „Wir haben den Mokka durch und durch europäisch abgestimmt“, ver-sichert Chefi ngenieur Marcus Lott. Was das bedeutet, zeigt sich in einem hoch-wertigen Cockpit ebenso wie während der Fahrt. Auf kurvenreichen Landstra-ßen glänzt der Opel durch präzises
Spritztour Der Opel Mokka bei Testfahrten in St. Peter-Ording
Der MuntermacherLandet Opel endlich mal wieder einen richtigen Hit? Für den Mokka liegen schon massenhaftBestellungen vor. Eine erste Probefahrt mit dem kleinen SUV aus dem großen GM-Konzern
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168 FOCUS 42/2012
AUTO
Handling, eine gefühlvolle Lenkung und guten Komfort. Das Geräuschniveau bleibt selbst bei höherem Autobahn-tempo angenehm dezent.
Die beiden Benziner und der Diesel sind bekannte Aggregate; neue, sparsamere kommen erst Ende 2013. Mit Preisen ab knapp 19 000 Euro – inklusive Radio und Klimaanlage – dürfte der Mokka für Aufsteiger vom Kompaktwagen durchaus interessant sein. Wer nicht nur optisch, sondern auch technisch fi t für Feldwe-ge und verschneite Straßen sein möchte, zahlt für Allrad mindestens 23 790 Euro.
Ein faires Angebot bleibt der Mokka auch dann. Ob das reichen wird, Opel in Sachen Image und Absatz wieder nach vorne zu bringen? Die Konkurrenten sind hellwach. Derzeit führt Skodas Yeti das Segment an. Ford hat seinen Ecosport jüngst vorgestellt. Fiat will nächstes Jahr mit einem 500X dagegenhalten, Peugeot arbeitet am 2008, Volkswagen am Polo-SUV.
M azda ist ein kleiner Autohersteller – doch das spornt die Entwickler
offenbar besonders an. Obwohl sie seit der Trennung von Ford weitgehend allein dastehen, gelingen den Ingenieuren in Hiro-shima immer wieder erstaunliche Erfolge. Der jüngste Coup war der Geländewagen CX-5: Er kommt bei den Kunden so gut an, dass Mazda gar nicht genug Autos bauen kann. 6000 Käufer warten allein in Deutschland auf ihr bestelltes Modell, die rasche Lieferung scheitert an zu geringen Fabrikkapazitäten.
Mit dem Mazda 6 kommt zum Jahres-wechsel das nächste Modell der Japaner. Gedacht ist es vor allem für Europa und die USA. Hier könnte der Mittelklassewa-gen, wie schon seine frühen Vorgänger, tat-sächlich durchstarten. Es gibt an ihm kaum etwas zu mäkeln, aber fast alles zu loben.
Das beginnt beim guten Aussehen. Besonders die Limousine ist Designer Aki-ra Tamatani und seinem Team hervorra-gend gelungen. Die Front wirkt dynamisch und erinnert von der Seite an eine Kat-ze im Sprung. Die hintere Linie hingegen neigt sich elegant wie beim Coupé: Von der üblichen Langeweile des japanischen Auto-designs ist dieser Wagen weit entfernt.
Offenbar hat Mazda außer modernen For-mengebern auch einige ziemlich fähige Inge-nieure versammelt. Sie schaffen es, dass der Wagen mit lediglich 3,9 Liter Diesel
auf 100 Kilometer auskommt (in der 150-PS-Version). Selbst wenn es im realen Betrieb etwas mehr werden sollte: So ein geringer Durst lässt Rivalen wie den Passat alt aussehen. Der Volkswagen kommt mit 140 PS nicht unter 4,6 Liter Diesel aus.
Seine Genügsamkeit lässt sich der Mazda 6 während der Fahrt nicht anmer-ken. Der Diesel zieht auch bei niedriger Drehzahl kräftig durch und ist auf der Auto-bahn zuverlässig fl ott. Auffällig ist allenfalls, wie leise und ruhig die Maschine selbst bei hohem Tempo bleibt. Das erfreut die Passagiere – auch auf der Rückbank. Sie reisen zudem bequem, denn es gibt reich-lich Bein- und Kopffreiheit. Erstaunlicher-weise auch in der Limousine. Die Designer haben es geschafft, ihr eine Coupé-Form zu verpassen, ohne gleich eingezogene Köpfe im Fond zu erzwingen.
Auf den Viertürer ist Mazda zu Recht stolz. Dennoch weiß Deutschland-Chef Josef Schmid, dass sich die Kombi-Vari-ante wesentlich häufi ger verkaufen wird. „Wir bieten Kombi und Limousine zum glei-chen Preis an“, verspricht er. Der Fünftürer verschwindet dafür vollständig aus dem Programm. Autos mit Fließheck-Klappe sind Schmid zufolge nicht mehr im Trend. Und so chic wie klassische Limousinen sind sie ohnehin nicht. ■
SUSANNE FRANK
Der Mazda 6 unterbietet die Mittel-klasse-Konkurrenz beim Verbrauch und schlägt sie mit schickem Design
Ganz neue Töne aus Japan Fahrspaß: mehr als man einer
Limousine zugesteht
Raumgefühl: luxuriös
Design: mal was Neues in dieser Klasse
Benzin: 145–192 PS
Diesel: 150/175 PS
Länge × Breite: 4,68 × 1,84 m
Verbrauch*: 3,9/5,5 l/100 km
Preis: ab 24 990 Euro
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Schöner sparen Den Neuen gibt es als
Kombi und Viertürer
Im Frühjahr droht dazu konzerntypisch hausgemachte Konkurrenz: Chevrolet schickt den Trax zu uns. Mit identischer Technik. Einziger Unterschied: Für den Opel sind viele Sicherheitsfeatures liefer-bar – wie adaptives Fahrlicht, Frontkamera mit Verkehrsschilderkennung, Abstands- und Kollisionswarner. Immerhin das hat General Motors offenbar begriffen: Wer gegen VW und Ford antritt, muss nicht nur früh an den Start – der muss auch moderne Technik bieten. ■
MICHAEL SPECHT
Lust auf Luxus Die (aufpreispfl ichtige) Ausstattung mit zweifarbigem Leder
Knuffi ger SUV: der Opel Mokka im Video
Scannen Sie den QR-Code mit einer App wie „Scan“ (iPhone) oder „QR Barcode Scanner“ (Android)
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AUSNAHME-
ATHLETENSie sind die Stars der deutschen Olympiamannschaft. Im Gegensatz zu den vier Gold-Jungs waren die Ergebnisse der anderen Athleten eher enttäuschend: 86 Medaillen hatte der Deutsche Sportbund eingeplant – geworden sind es am Schluss lediglich 44.
31. Juli 2012. Seinen 30. Geburtstag konnte Michael Jung erst abends feiern. Tagsüber musste der Reiter zweimal Gold holen
Olympiasieger, Welt- und Europameister. Wirtschaftsstudent, Diskus-Hüne und Hobby-Hürdenläufer Robert Harting, 27
Ein guter Sommer. Erst baggerte sich Julius Brink, 30, zu Gold, dann heiratete der Beach-Boy seine Freundin Verena
2008 Letzter, 2012 Erster. Kristof Wilke, 27, Schlagmann des Deutschland-Achters, kopiert die Siegerpose von Usain Bolt
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Der Aufstand der Gold-JungsVier Olympiasieger ziehen Bilanz. Sie rechnen mit dem Sportunterricht in den Schulen, öffentlich-rechtlichen TV-Sendern und Funktionären ab
Meine Herren, Sie alle haben bei den Olympischen Spielen in London Gold gewonnen und können die Kritik von Thomas Bach daher am besten einschätzen. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) bemängelt, dass Spitzensportler – wie auch Nobelpreis-träger – in unserer Gesellschaft nicht mehr wertgeschätzt würden. Vermissen Sie die „notwendige Anerkennung“?
Harting: Thomas Bach und ich sind sel-ten einer Meinung. In diesem Punkt muss ich ihm aber Recht geben – was die Olympiasportler betrifft. Die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt uns. Nur kurz vor Olympia kommen einige Medien darauf, dass es neben Fuß-ball auch noch andere Sportarten gibt. Sind die Spiele vorbei, interessiert sich für uns wieder kein Mensch. Damit müssen wir uns abfi nden – oder eben Lotto spielen.
Wieso Lotto spielen?Harting: Das war doch der grandiose Vorschlag unseres Präsidenten Bach. Das ist einfach nur unverschämt. Brink: Finde ich auch. Allerdings ist es nicht so, dass ich morgens aufste-he und darauf warte, dass mir ganz Deutschland zujubelt. Ich stehe auf, um zu trainieren und mein nächstes Turnier zu gewinnen. Alles andere kommt von selbst.
TV-Einladungen zu Stefan Raab, Markus Lanz und zum „Aktuellen Sportstudio“.
Brink: Das war unglaublich, so viel Pub-licity haben wir sonst nie. Das Interesse an meinem Partner Jonas Reckermann und mir lag aber auch daran, dass wir nicht jeden Samstag in der „Sportschau“ sind. Die Leute waren vielleicht froh, mal nicht einen Fußballer zu sehen.
Auch deswegen ist es die Pfl icht der öffentlich-rechtlichen Sender, verschie-dene Sportarten zu zeigen und nicht das x-te Fußballspiel. Die ARD und das ZDF dürfen nicht vergessen, dass sie einen staatlichen Bildungsauftrag für unsere Gesellschaft haben.
Kommen die Sender dem nicht nach?Brink: Was die Breite des Sports betrifft, sicherlich nicht. Deshalb kann ich es nicht nachvollziehen, dass die Öffent-lich-Rechtlichen Unsummen wie für
die Übertragungsrechte der Champi-ons League ausgeben. Wilke: Die Sender müssen sich die Fra-ge stellen, warum die Einschaltquoten bei den Olympischen Spielen in Lon-don so hoch waren – sie aber trotzdem fast ausschließlich Fußball zeigen.Harting: Dazu kommt das Problem in den Schulen. Ich bekomme häufi g Mails von Kindern, die sich darüber beschweren, dass sie im Schulsport gerne mal was anderes machen wür-den, als immer nur zu kicken. Jung: Für die Lehrer ist das doch das Einfachste: Sie schmeißen den Kindern einfach einen Ball in die Halle. Damit haben sie den geringsten Aufwand …Harting: … und den geringsten Ertrag. Ein paar rennen immer dem Ball hin-terher, die anderen stehen rum. Viel-leicht sind Sportlehrer mit ihrem Unter-richt pädagogisch überfordert.
Wenn die Schulen auf Ballsportarten setzen, warum haben sich dann für London so wenige Ball-Teams qualifi ziert?
Brink: Nur weil in unseren Schulen ständig gekickt wird, rennen bei Olym-pia noch lange keine deutschen Mes-sis rum. Die Spitzensportler werden in Vereinen, Landessportverbänden und den Olympiastützpunkten gemacht.
Nur weniger als früher. Die Medaillen wur-den 2012 in 17 Sportarten erzielt – früher in mehr als zwei Dutzend. Der Sportbund spricht von „enttäuschenden Ergebnissen“.
Wilke: Die Spiele sind doch kein Wunschkonzert. Das habe ich 2008 in Peking erleben müssen, als wir mit dem Deutschland-Achter Letzte wurden. Bei den Spielen treffen sich nun mal die besten Athleten der Welt. Dabei sein ist alles – das ist so.
Die Medaillenausbeute: Deutschlandt kennt seit 1992 nur eine Richtung: nach unten!
DER MEDAILLENSPIEGEL
Quelle: DOSB; *Vereintes Team (GUS und Georgien)
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Dem Sportbund ist das zu wenig. Ober-funktionär Bach kündigte nun eine „General-Revision“ an. Er will in den nächsten Wochen „alles auf den Kopf stellen“, damit der Erfolg zunimmt. Die Zielverein-barung sah 86 Medaillen für die deutsche Mannschaft vor, geworden sind es 44.
Wilke: Diese Zielvereinbarungen, die etliche Jahre vor dem Großereignis beschlossen werden, sind doch albern. In dieser Zeit kann viel passieren. Kann ich heute garantieren, dass ich 2016 in Rio am Start bin und Gold hole? Nein. Harting: So etwas können sich nur ein paar Bürokraten ausgedacht haben, die vom Sport wenig Ahnung haben. Brink: Sicherlich waren Jonas und ich große Hoffnungsträger beim Volley-ball-Verband. Dennoch hat er hoch gepokert, als er mit dem Sportbund vereinbarte, dass wir in London eine Medaille holen werden. Leider haben wir davon erst viel später erfahren, bei den Gesprächen waren wir nicht mit am Tisch. Die Medaille wurde über unseren Kopf hinweg versprochen! Grotesk fi nde ich zudem, dass die Ver-öffentlichung der Zielvereinbarungen von Journalisten eingeklagt werden musste. Es sind öffentliche Gelder, die in den Sport fl ießen und uns unter-stützen. Deshalb erwarte ich von allen Beteiligten totale Transparenz.
Die Engländer haben nichts zu verbergen. In den Zielvereinbarungen ist nicht nur die Medaillenprognose nachlesbar, sondern auch, welche Gelder in welchen Sport fl ießen.
Wilke: Je mehr ein Verband dem Sport-bund verspricht, desto mehr Geld bekommt er. Ich posaune also als Ver-bandsleiter heraus, dass wir bei den nächsten Spielen in allen Disziplinen gewinnen werden, und bekomme die maximale Förderung? Unter dem Strich ist es doch nur ein Kräftemessen der Verbände.
Das Fördersystem müsse schleunigst modernisiert werden, fordert der Soziologe Eike Emrich. Einer seiner Vorschläge ist, dass Sportler zusammen trainieren sollten. Sie, Herr Harting, können doch wohl schlecht mit dem Vielseitigkeits-reiter Michael Jung trainieren.
Harting: Das klappt deswegen schon nicht, weil er mich gar nicht kennt. Vor-her kam der Michael auf mich zu und fragte: „Und, wer bist du?“ Ich sagte: „Der Harting!“
Herr Jung, Sie haben Robert Harting nicht gekannt?
Jung: Nein. Wir Reiter trainieren meist woanders, haben mit den anderen Olympiasportlern wenig zu tun. Harting: Sie sehen also, dass sich das gemeinsame Training schwierig gestal-ten könnte. Ich trainiere seit Jahren allein – die Rechnung geht auf.
Sie sind alle Olympiasieger. Könnten Sie noch mehr aus sich herauskitzeln, wenn Sie „jeden Tag den Atem Ihres Konkurrenten im Nacken spüren würden“, wie es der Sportbund vorschlägt?
Brink: In der Theorie hört sich das alles ganz gut an, die Praxis sieht jedoch anders aus. Wir sollten uns am briti-schen Fördersystem orientieren. Die Strukturen, die Zusammenarbeit mit den führenden Universitäten des Lan-des, das alles ist vorbildlich und nach-haltig. Die sind uns Deutschen um Jahre voraus. Darüber hinaus haben die Briten es mit dem „Team Great Britain“ vorgemacht: Sie haben eine starke Marke geschaffen – dafür aber auch richtig investiert.
Im Fußball gibt es den Leitsatz „Geld schießt Tore“. Gilt das grundsätzlich für alle Sportarten?
Brink: Wenn das Geld bei uns Sport-lern ankommt, dann auf jeden Fall. Wir müssen uns aber eingestehen, dass wir mit China oder den USA schon lange nicht mehr mithalten können. Dies sollte aber auch nicht unser pri-märes Ziel sein, denn dort spielt der Sport in der Gesellschaft einfach eine andere Rolle. In Rio de Janeiro bei den Olympischen Spielen 2016 wird das nicht anders sein – wir sind nur noch Mittelmaß. Dass wir in London im Medaillenspiegel überhaupt auf Platz fünf landeten, ist für mich fast schon ein Wunder.Harting: Um mit den Briten und den Russen konkurrieren zu können, müss-ten unsere Funktionäre mal einen Blick ins Ausland werfen und sich dort ein Bild machen, wie unsere Konkurrenten ihre Strukturen verbessert haben. Das ist allerdings mit Aufwand verbunden. Brink: Die Forderung nach mehr Geld ist mir zu eindimensional. Wir brau-chen nicht mehr Geld, sondern wir müssen den gesellschaftlichen Nutzen des Sports in den Vordergrund stellen, schließlich sind es am Ende auch Steu-ergelder, die für uns Sportler bereit-gestellt werden. Sollte dann am Ende tatsächlich ein gesellschaftliches Inte-resse bestehen, dass wir uns über die Medaillen mit anderen Nationen mes-sen wollen – dann brauchen wir einiges mehr an fi nanzieller Unterstützung.
Das Geld fehle an allen Ecken und Enden, heißt es im DOSB-Abschlussbericht für London 2012. Sollte nicht mehr in den Sport gepumpt werden, würden viele Sportarten entweder im Mittelmaß ver-sinken oder das Geld auf nur noch wenige verteilt werden. Beides sei nicht tragbar.
Jung: In der Außendarstellung unseres Landes ist den Deutschen der Sport wichtiger als die Kultur und die Poli-tik. Ich erinnere an eine Studie der Deutschen Sporthilfe. In der stand, dass zwei von drei Deutschen glücklich seien, wenn deutsche Sportler inter-national Erfolge erzielen würden. Die Zahlen sprechen für sich. Wilke: Nicht aber unsere Prämien. Die Italiener erhalten für eine Goldmedaille 140 000 Euro, die polnischen Ruderer eine lebenslange Rente von 2500
»Bachs Aussagen halte ich für völlig
inakzeptabel und nicht
gerechtfertigt«Julius Brink
über den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB)
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Euro monatlich. Das sind mal echteAnreize. Der Sporthilfe kann man kei-nen Vorwurf machen. Sie hat ein Förder-volumen von zwölf Millionen Euro, das sich auf 4000 Athleten verteilt. Die-se zwölf Millionen Euro liegen unter dem Jahreseinkommen von Zlatan Ibrahimovic von Paris Saint-Germain. Der verdient dort 14 Millionen Euro im Jahr. Als erfolgreicher Sportler möchte ich jedoch nicht rumheulen und nach höheren Prämien schreien, deshalb übe ich meinen Sport nicht aus. Mir ist es wichtig, dass sich die Situation für die nächste Generation verbessert. Harting: Nach meinem Olympiasieg habe ich im Deutschen Haus in London einen Holzhund geschenkt bekom-men. Was will ich mehr?
Bis März 2013 möchte DOSB-Präsident Bach ein neues Förderkonzept vor-stellen. Wie könnte das aussehen?
Brink: Zunächst sollten wir schnell den Dialog suchen. Vor ein paar Tagen waren wir aber alle in einem Robinson Club auf Kreta. Wir, damit meine ich fast 100 Olympiateilnehmer, die Sport-hilfe und Sponsoren. Und wer war vom DOSB da? Niemand. Der einzige Kon-takt, den ich mit Thomas Bach hatte, war nach meinem Olympiasieg. Harting: Statt mit uns zu diskutieren, setzt der Sportbund auf den „Beirat der Aktiven“. Das sind ehemalige Sport-ler, die früher mal bei einem Wett-kampf dabei sein durften und heute schön Spesen abkassieren. Da züch-tet der Verband doch nur seinen eige-nen kranken Funktionärsbaum hoch. Erfolgreiche Spitzensportler müssten sich mit dem Sportbund an einen Tisch setzen und nach Lösungen suchen.
Herr Jung, Sie sind bei der Sporthilfe, erhalten monatlich 1500 Euro. Das soll Sie „frei von fi nanziellen Sorgen“ machen. Mit dem Geld sind doch aber nicht mal die Kosten für den Stall und die Karotten Ihres Pferdes abgedeckt.
Jung: Natürlich bin ich mit den 1500 Euro nicht frei von fi nanziellen Sorgen.
Die FAZ schrieb, dass Ihre Familie „recht-schaffene Schwaben seien, ohne Flausen im Kopf und Millionen auf dem Konto“.
Jung: Vor 30 Jahren haben meine Eltern und Großeltern unsere Reitanlage mit sehr viel Schulden aufgebaut. Jeder freie Euro – und jede freie Minute – wird in unsere Reitschule gesteckt. Ich
stand einen Tag nach meinen Olympia-siegen wieder auf unserem Hof.
Den Sportlern mangele es an Einsatz-bereitschaft. Können Sie den Kritikpunkt des Sportbunds nachvollziehen?
Harting: Ich halte das für eine Pauschal-kritik und würde gern von ihm wissen, wie er zu dieser Einschätzung kommt. Wilke: Ich fordere die Funktionäre gern mal auf, unser straffes Programm zu absolvieren. Ich stehe frühmorgens auf, gehe trainieren, dann mittags völ-lig platt in die Uni. Nachmittags steht wieder Training an, abends lernen. Harting: Wie soll ich mich auf meine Leistung konzentrieren können, wenn ich Existenzängste habe?
Die haben Sie doch heute nicht mehr. Harting: Früher hatte meine Fami-lie nicht mal das Geld, um den Mit-gliedsbeitrag für den Handballverein zu bezahlen. Die Realität ist doch, dass Leistungssportler eine 60-Stunden-Woche bei einem durchschnittlichen Nettoverdienst von 626 Euro haben. Deswegen denken viele ans Aufhören. Erst recht, wenn sie hören, dass dikta-
»Mit China und den USA können wir nicht mehr mithalten.
2016 wird das nicht anders
sein«Brink (r.) im Robinson Club
„Kalimera Kriti“ auf Kreta (mit v. l. Harting, Wilke, Jung)
torisch regierte Länder bis zu eine Mil-lion Euro für eine Goldmedaille zahlen.
Die Funktionäre wie Bach & Co. appellieren an Ihre sportlichen Ideale. Sie müssten mehr Fleiß an den Tag legen, auch mal auf was verzichten und sich durchbeißen.
Harting: Also, ich trainiere immer so sechs, acht Stunden, abends ballere ich mir noch stundenlang Texte für mein Gesellschafts- und Wirtschaftskom-munikationsstudium rein. Bei solchen Aussagen wird mir schlecht. Das, was mir machen, heißt nicht Duale Karriere, sondern Duale Vollbelastung. Unsere Gewinne werden sozialisiert, das Risi-ko aber auf uns individualisiert.
Im Fußball ist das anders. Cristiano Ronaldo war vor Kurzem traurig, weil er bei Real Madrid nicht mehr die gleiche Wertschätzung bekommen würde. Daraufhin verbesserte der Verein sein Salär auf 16 Millionen Euro.
Harting: (lacht) Wenn sich Ronaldo jeden Tag zwischen 15 und 20 Karat entschei-den muss, dann ist das schlimm für ihn. Wilke: Ich wollte nicht mit ihm tau-schen. Zwar ist mein Trainingsaufwand um ein Vielfaches höher – trotzdem bin ich glücklich, auch wenn ich nur ein Bruchteil seines Gehalts bekomme.
Sind Sie nicht neidisch?Wilke: Fußball ist doch ein schnelllebi-ges Geschäft. Darüber hinaus haben viele Fußballer keine Ausbildung. Da bin ich doch froh, dass ich mit meinem Biologie- und Sportstudium ein zwei-tes Standbein habe. Wenn ich nur den Sport hätte, mich dann aber schwer verletzen würde, stände ich mit leeren Händen da. Harting: Jetzt muss ich noch mal auf das Zitat zu sprechen kommen. Hat Bach das wirklich so gesagt?
„Den deutschen Sportlern fehlt es an absoluter Leistungsbereitschaft.“
Harting: Zum Sieg braucht es deutlich mehr als nur Glück und Zufall. Das müsste Thomas Bach als ehemaliger Spitzensportler eigentlich wissen. Brink: Wie Herr Bach mit der deutschen Sportfamilie – allen voran den Athleten von London – umgeht, die vier Jahre des Verzichts hinter sich haben, kann ich nicht nachvollziehen. Seine Aus-sagen halte ich für völlig inakzeptabel und nicht gerechtfertigt. ■
INTERVIEW: ANDREAS HASLAUER
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BMW: von 0 auf 100Nach 20-jähriger Abwesenheit
hat BMW am Wochenende die Chance, die DTM zu gewinnen. BMW-Fahrer Bruno Spengler liegt nur drei Zähler hinter dem Führen-den Gary Paffett. „Unser Ziel war es, in der Comeback-Saison mög-lichst schnell konkurrenzfähig zu sein“, sagt BMW-Motorsport-Direk-tor Jens Marquardt. „Dass wir vier der ersten neun Rennen gewin-nen und beim zehnten sogar noch die Möglichkeit haben, die Saison für uns zu entscheiden, das hätten wir in den kühnsten Träumen nicht erwartet.“ Als Zuschauer am Hockenheim-Ring wird Alex Zanardi, der 2001 bei einem Horror-Crash beide Beine verlor, mit dabei sein. „Wir setzen uns nach dem Finale mit ihm zusammen. Alex würde gern DTM fahren – und wir ihm das ermöglichen“, so Marquardt. has
BMW-Fahrer Spengler wollte konkur-renzfähig sein – nun könnte er gewinnen
Albrecht fordert »Verletztenbonus«
Ski-Rennläufer Daniel Albrecht, der 2009 in Kitzbühel stürzte und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, hat vom Welt-Skiverband FIS eine Ab-sage für seine Ausnahmeregelung erhalten. Der 29-jährige Schweizer muss in der Saison 2012/13 beim Riesenslalom mit einer hohen Startnummer fahren, obwohl er vor seinem Unfall einer der weltbesten Fahrer in dieser Disziplin war. „Des-halb fordern wir einen Verletzten-bonus, sonst haben die Rehabili-tierten nie wieder eine Chance, ganz vorne dabei zu sein“, so Athle-tensprecher Kilian Albrecht. has
FINALE
D ie silberne Krawattennadel war sein Markenzeichen: eine Axt. Knallhart.
Kompromisslos. Ein Vorstopper von ech-tem Schrot und Korn. 149 Spiele absol-vierte Uli Borowka in der Bundesliga für Gladbach, 239 für Bremen. Er gewann zwei Meister-, zwei DFB-Pokal-Titel und den Europapokal der Pokalsieger, fuhr schnelle Autos und verdiente viel Geld.
Nun ist seine Biografi e „Volle Pulle“ (Edel Verlag) erschienen, eine „komplette Aufarbeitung meines bisherigen Lebens“, sagt der ehemalige Nationalspieler. Darin schildert er sein Doppelleben als Fußball-profi und Alkoholiker und offenbart „Din-ge, die ich nicht ungeschehen machen kann“. Kurzum: Der Alkohol nahm ihm alles: Geld, Familie und Selbstachtung.
Im Rausch baut der heute 50-Jährige Unfälle, überlebt einen Selbstmordver-such und verprügelt seine Ehefrau. 15 Jahre lang lebt Borowka das Leben eines Süchtigen, bis er im Jahr 2000 in der Entzugsklinik Bad Fredeburg landet und seither keinen Tropfen mehr anrührt.
Borowkas Absturz beginnt in der Saison 1984/85. Kurz vor Trainingsstart wacht er im Auto mit Brummschädel, Schnapsfah-ne und leerem Tank auf einem Rastplatz auf. Benebelt informiert er seinen dama-ligen Bremer Trainer Otto Rehhagel, der die Trainingsabstinenz des Verteidigers öffentlich mit einer „Magen-Darm-Infek-tion“ entschuldigt. Mit dieser Lüge ist der Bann für weitere Exzesse gebrochen.
Im März 1995 läuft der Fußballer Amok, weil Gattin Carmen ihm gedroht
habe, ihn zu verlassen, wenn er „mal keine Kohle mehr“ verdiene. „Vor Zorn ganz blind, jagte ich meine Frau die Treppe hoch, packte sie am Hals und schlug ihren Kopf mit voller Wucht gegen die Wand“, erinnert sich Borowka. Vier Jahre später – Borowka lebt längst von der Familie getrennt – tritt er im Alkohol-wahn die Haustür ein, um sich Zugang zur Geburtstagsfeier des Sohnes zu ver-schaffen. Der Neunjährige weint. „Er hatte Angst. Vor seinem eigenen Vater.“
Immer mehr verliert Borowka die Kont-rolle. 1996 fährt er seinen Porsche mit 1,71 Promille an einen Baum. Nach dem Ver-tragsende beim polnischen Club Widzew Lodz, muss er sich bereits Geld bei Freun-den leihen, weil er „mehr oder weniger mittellos war“. 1998 kommt er im Alko-hol-Filmriss fast zu Tode. „Es war dunkel, als ich die Augen öffnete“, so Borowka. „Ich lag, die Hose zerrissen, das Gesicht blutverschmiert, auf den Flussbettsteinen unter einer Brücke. Ich musste die fünf Meter heruntergestürzt sein.“
Trotz der eigenen schonungslosen Beichte rät Borowka von Outings wäh-rend der Karriere ab – egal, ob alkoholab-hängig oder homosexuell. „Dann wären sie durch“, sagt er. „Als Profi -Sportler darfst du keine Schwäche zeigen.“
Inzwischen hat Borowka ein zweites Mal geheiratet und betreibt eine Sport-Marketing-Firma in Berlin. Die Krawat-tennadel hat er irgendwo verloren. ■
AXEL WOLFSGRUBER
Flasche leerSein Leben als Alkoholiker, der sogar seine Frau verprügelte, hat Ex-Nationalverteidiger Uli Borowka gebeichtet. Von Outings aller Art rät er Profi -Sportlern trotzdem ab
Wie im RauschMit Werder Bremen gewinnt
Uli Borowka 1992 den Europapokal der Pokalsieger
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1 Was gefällt Ihnen an sich besonders?Dass ich Freude am Leben habe.
2 Schenken Sie uns eine Lebensweisheit.Wenn etwas sehr eilig ist, muss man sich besonders viel Zeit nehmen.
3 Welchen Satz hassen Sie am meisten?„Das geht nicht“ – dieser Satz geht überhaupt nicht.
4 Worüber können Sie lachen?Über Heinz Erhardt, Dieter Nuhr und das Wirtschaftsprogramm der Linkspartei.
5 Als Kind wollten Sie sein wie . . .?Uli Hoeneß. Trotz oder gerade wegen des einen Elfmeters.
6 Auf welche eigene Leistung sind Sie besonders stolz?Dass ich mich von der Politik nicht habe auffressen lassen.
7 Was ist für Sie eine Versuchung?Belgische Pralinen und antiquarische Bücher.
8 Welches politische Projekt würden Sie beschleunigt wissen wollen?Die internationale Energiewende.
9 Hier können Sie drei Bücher loben.Otto von Bismarck: „Gedanken und Erinnerungen“;Heinrich Mann: „Professor Unrat“;Harry Mulisch: „Das Attentat“.
10 Mit wem würden Sie gern tauschen?Mit Harry Potter.
11 Was sagt man Ihnen nach?Soweit ich weiß, nichts Schlimmes.
12 Wer sollte Sie spielen, wenn Ihr Leben verfi lmt wird?Der Bulle von Tölz.
13 Von wem würden Sie sich gern einmal bekochen lassen?Von Ilse Aigner.
PETER ALTMAIERBundesumweltminister (CDU)
»Bekochen darf mich gern
Ilse Aigner«
Der Kommunikator CDU-Politiker Peter Altmaier, 54, twitterte schon, als die meis-ten Politkollegen noch gar nichts von dem Medium gehört hatten. Der Jurist aus dem Saarland ist Single, Hobbykoch und gilt als begnadeter Netz-werker – on- wie offl ine. Im Mai ernannte Kanzlerin Angela Merkel den Europapolitiker als Nachfolger Norbert Röttgens zum Bundesumweltminister.
![Page 181: to4f72s2FocMa4212d35z7u8](https://reader036.vdocuments.site/reader036/viewer/2022081719/55721119497959fc0b8e5530/html5/thumbnails/181.jpg)
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sie denkt natürlich nicht daran, den Gast auch argumentativ zu schützen. Die Par-teien müssten ja bekennen, dass sie sich mit frisierten Zahlen in die Währungs-union gemogelt und ihr Land in vielen Bereichen weit unter den europäischen Standards organisiert haben.
Die einfachen Griechen, die für die Sünden ihrer Regierungen bitter büßen müssen, sollen ihren Zorn nicht gegen die Verursacher richten.
Was Angela Merkel in Athen auch nicht sah, war der Auftritt eines deutschen Politikers. Der Vorsitzende der deutschen Linkspartei brachte es fertig, in Griechen-land gegen die deutsche Kanzlerin mit-zudemonstrieren.
Zusammen mit dem Anführer des grie-chischen Linksbündnisses marschierte der Gewerkschaftsfunktionär über den Syntagmaplatz. Sein Kommentar: „Die Straßen von Athen sind heute genau der richtige Platz für den Vorsitzenden der Linken.“ Ein geeigneterer Platz jedenfalls als in einem deutschen Parlament.
MITTWOCH
Der Mörder kassiert 3000 Euro Entschädigung, weil ihm Polizisten mit Fol-
ter gedroht haben. Das Urteil ist menschlich schwer zu verste-hen, auch wenn es einwandfrei begründet ist. Vor drei Wochen haben wir noch das eindrucksvol-le Fernsehspiel „Der Fall Jakob von Metzler“ gesehen. Robert Atzorn, gut wie nie, hatte uns die Gewissensqualen des Frankfurter Vizepolizeichefs nahegebracht, der das Leben des elfjährigen Jakob hatte retten wollen. Der
DIENSTAG
Angela Merkel sah es nicht mit eigenen Augen, aber die Medien in ganz Europa verbreiteten die
hässliche Begrüßung in Athen. Die deutsche Kanzlerin mit Hitler-
Schnurrbart auf einem riesigen Fahn-dungsplakat, Nazi-Anspielungen in vie- len Varianten und Gewerkschaftsmitglie-der, die in Nazi-Uniformen durch die Stadt fuhren, symbolisierten aufs Primitivste die antideutsche Stimmung vieler Griechen.
Der Traum von der europäischen Part-nerschaft ist in Hass umgeschlagen. Zwist statt Einigkeit, Entfremdung statt Annäherung. Die Demonstranten, die von linken Gruppen aufgewiegelt wer-den, scheinen tatsächlich zu glauben, dass Deutschland und Angela Merkel die Hauptschuld an ihrer Misere tragen.
Sie wollen das Land, das sie mit den höchsten Summen über Wasser hält, zum Buhmann und Erzfeind ausrufen.
Die griechische Regierung hat zwar die Kanzlerin höfl ich empfangen und die Pro-testierer außer Sichtweite gehalten, aber
„Gesucht“ und „Kriegsreparationen“ steht auf dem Hassbild der Kanzlerin, das Griechen durch Athen trugen
Hitler-Bilder in Athenund ein deutscher Politiker
VON HELMUT MARKWORT
Beamte ist seit Jahren ein gebro chener Mann. Weil er das Leben des Kindes nicht retten konnte und weil er für seinen rechtswidrigen Rettungsversuch bestraft wurde.
TAGEBUCH DES HERAUSGEBERS
Spiel und Realität Der Polizeibeamte Daschner (gespielt von Robert Atzorn) muss erleben, dass der Mörder von Jakob von Metzler „entschädigt“ wird
Die Fortsetzung des Spiels im richtigen Leben zeigte heute vor dem Oberlandes-gericht in Frankfurt den Gegencharakter. Der kühle Kindesmörder Gäfgen, „Jurist durch und durch“, wie eine Reporterin schrieb, scheint sich mit seinem scheuß-lichen Verbrechen wenig zu beschäftigen. Ihn drückt nicht Reue nieder. Er will Opfer spielen und Recht haben. Jetzt muss ihm das Land Hessen 3000 Euro zahlen.
Den Polizisten Wolfgang Daschner wird auch dieses Urteil zu Gunsten des Mör-ders schmerzen.
Daschner muss hinnehmen, dass er die Figur einer wirklichen Tragödie ist. Viel zu oberfl ächlich wird mit dem Begriff tragisch umgegangen. Oft wird damit nur ein plötzliches Unglück, ein Unfall beschrieben. Tragisch im Sinne der griechischen Tragödie ist es, wenn ein Mensch schuldig wird, egal, wie er sich in einer Situation entscheidet. So ausweglos stand Daschner vor seiner Entscheidung.
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