thrombektomie beim akuten schlaganfall schritt für schritt...tienten mit einer ausgeprägten...

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Grundlagen Die interventionelle Schlaganfallbehandlung mit Thrombektomie ist bei klinisch schwer betroffenen Pa- tienten mit embolischen Verschlüssen großer intrakra- nieller Arterien vielfach als Methode der Wahl anzuse- hen. Randomisierte Studien haben die Überlegenheit der kathetergestützten Therapie gegenüber einer i.v.- Thrombolyse oder sonstigen medikamentösen Be- handlung in Zeitfenstern von bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn nachgewiesen [1, 2]. Heute aktuelle und durch Studien gesicherte Indikationen und Techni- ken werden in komprimierter Form und anhand von Zeichnungen und Bildbeispielen dargestellt. Der Schlaganfall ist ein zeitkritischer Notfall, bei dem alle Schritte der Diagnostik und Therapie so schnell wie möglich und ohne Verzögerung durchgeführt wer- den müssen. Entsprechende Team-Trainings und Ab- laufschemata sowie diagnostische und interventionelle Standards erleichtern dies sehr. Wann ist eine Thrombektomie indiziert? Diagnostik Die Indikationsstellung zur Thrombektomie ist bei kli- nisch schwer betroffenen Schlaganfallpatienten unver- züglich zu prüfen. Der Rettungsdienst sollte bereits Pa- tienten mit einer ausgeprägten Hemiparese oder Sprachstörung identifizieren und unverzüglich in eine geeignete Klinik bringen. Der Neurologe legt dort an- hand des NIHSS den Schwergrad der Ausfälle fest. Eine Thrombektomie ist klinisch bei einem relevanten und behindernden neurologischen Defizit indiziert, wenn ein embolisch bedingter Verschluss einer großen in- trakraniellen Arterie vorliegt. Nach einer kurzen Sichtung des Patienten ist unverzüg- lich eine bildgebende Diagnostik mit Darstellung des Hirnparenchyms und der hirnversorgenden Gefäße ein- zuleiten, um dies festzustellen [3]. Als breit verfügbare und schnelle Standardmethode hat sich die native Schädel-CT in Kombination mit einer CT-Angiographie vom Aortenbogen bis nach intrakra- niell bewährt. Mit der CT-Diagnostik sind folgende diagnostische Aussagen zu treffen: Ausschluss einer Blutung Infarktausmaß: Infarktfrühzeichen in Form von Dichteminderungen, Bewertung nach dem ASPECTS ([4], Abb. 1) Thrombektomie beim akuten Schlaganfall Schritt für Schritt Joachim Berkefeld, Fee Keil Schritt für Schritt Die kathetergestützte Thrombektomie beim akuten Schlaganfall hat sich zu einer Evidenz-basierten Standardbehandlung entwickelt. Die Durchführung erfordert ein standardisiertes Vorgehen, das für drei Standardtechniken beschrieben wird, um das Verständnis für die Abläufe und technische Durchführung bei Neurologen zu erhöhen. Abb. 1 Festlegung der Infarktausdehnung mit Hilfe des ASPECTS am Beispiel eines Patienten mit einem Rechts- hemisphärensyndrom. Einteilung des Mediaterritoriums in zwei repräsentativen CT-Schichten in 10 Referenzregio- nen: I = Insel, C = Caudatuskopf, L = Linsenkern, IC = innere Kapsel, M1 M6 = kortikale Areale im Mediaterritorium. Suche nach dichtegeminderten Arealen mit enger Fens- tereinstellung; hier: M1, I und M2 (gelbe Buchstaben). Der ASPECTS gibt die Zahl der intakten Areale ohne Dichteminderung an: in unserem Fall liegt der ASPECTS bei 7 Punkten. Berkefeld Joachim et al. Thrombektomie beim akuten Neurologie up2date 2020; 3: 221232 221 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

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Page 1: Thrombektomie beim akuten Schlaganfall Schritt für Schritt...tienten mit einer ausgeprägten Hemiparese oder Sprachstörung identifizieren und unverzüglich in eine geeignete Klinik

GrundlagenDie interventionelle Schlaganfallbehandlung mitThrombektomie ist bei klinisch schwer betroffenen Pa-tienten mit embolischen Verschlüssen großer intrakra-nieller Arterien vielfach als Methode der Wahl anzuse-hen. Randomisierte Studien haben die Überlegenheitder kathetergestützten Therapie gegenüber einer i. v.-Thrombolyse oder sonstigen medikamentösen Be-handlung in Zeitfenstern von bis zu 24 Stunden nachSymptombeginn nachgewiesen [1, 2]. Heute aktuelleund durch Studien gesicherte Indikationen und Techni-ken werden in komprimierter Form und anhand vonZeichnungen und Bildbeispielen dargestellt.

Der Schlaganfall ist ein zeitkritischer Notfall, bei demalle Schritte der Diagnostik und Therapie so schnellwie möglich und ohne Verzögerung durchgeführt wer-den müssen. Entsprechende Team-Trainings und Ab-laufschemata sowie diagnostische und interventionelleStandards erleichtern dies sehr.

Wann ist eine Thrombektomieindiziert?Diagnostik

Die Indikationsstellung zur Thrombektomie ist bei kli-nisch schwer betroffenen Schlaganfallpatienten unver-züglich zu prüfen. Der Rettungsdienst sollte bereits Pa-tienten mit einer ausgeprägten Hemiparese oderSprachstörung identifizieren und unverzüglich in einegeeignete Klinik bringen. Der Neurologe legt dort an-hand des NIHSS den Schwergrad der Ausfälle fest. EineThrombektomie ist klinisch bei einem relevanten undbehindernden neurologischen Defizit indiziert, wennein embolisch bedingter Verschluss einer großen in-trakraniellen Arterie vorliegt.

Nach einer kurzen Sichtung des Patienten ist unverzüg-lich eine bildgebende Diagnostik mit Darstellung desHirnparenchyms und der hirnversorgenden Gefäße ein-zuleiten, um dies festzustellen [3].

Als breit verfügbare und schnelle Standardmethodehat sich die native Schädel-CT in Kombination mit einerCT-Angiographie vom Aortenbogen bis nach intrakra-niell bewährt.

Mit der CT-Diagnostik sind folgende diagnostischeAussagen zu treffen:▪ Ausschluss einer Blutung▪ Infarktausmaß: Infarktfrühzeichen in Form von

Dichteminderungen, Bewertung nach dem ASPECTS([4], ▶Abb. 1)

Thrombektomie beim akuten Schlaganfall –Schritt für SchrittJoachim Berkefeld, Fee Keil

Schritt für Schritt

Die kathetergestützte Thrombektomie beim akuten Schlaganfall hat sich zu einerEvidenz-basierten Standardbehandlung entwickelt. Die Durchführung erfordertein standardisiertes Vorgehen, das für drei Standardtechniken beschrieben wird,um das Verständnis für die Abläufe und technische Durchführung bei Neurologenzu erhöhen.

▶Abb. 1 Festlegung der Infarktausdehnung mit Hilfe desASPECTS am Beispiel eines Patienten mit einem Rechts-hemisphärensyndrom. Einteilung des Mediaterritoriumsin zwei repräsentativen CT-Schichten in 10 Referenzregio-nen: I = Insel, C =Caudatuskopf, L = Linsenkern, IC = innereKapsel, M1–M6=kortikale Areale im Mediaterritorium.Suche nach dichtegeminderten Arealen mit enger Fens-tereinstellung; hier: M1, I und M2 (gelbe Buchstaben).Der ASPECTS gibt die Zahl der intakten Areale ohneDichteminderung an: in unserem Fall liegt der ASPECTSbei 7 Punkten.

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▪ Lokalisation und Länge des Gefäßverschlusses▪ Einschätzung der Kollateralversorgung

Fallbeispiel 1a zeigt die diagnostischen Schritte derCT- und CTA-Beurteilung (▶Abb.2).

Noch am Gerät legen Neurologen und Neuroradiolo-gen das weitere Vorgehen fest:

Wenn keine Kontraindikationen bestehen, wird nochim CT-Raum eine intravenöse Thrombolysebehandlungbegonnen.

Eine klare Thrombektomie-Indikation besteht, wennfolgende Punkte erfüllt sind:▪ NIHSS ≥6 Punkte▪ Proximaler Gefäßverschluss:

– intrakranielle ACI, Carotis-T, M1-Segment, domi-nanter M2-Ast im vorderen Hirnkreislauf

– A. basilaris im hinteren Hirnkreislauf– Tandemläsionen: Kombination von Carotis-

stenose/Verschluss extrakraniell + nachgeschal-tetem intrakraniellem Verschluss durch einearterio-arterielle Embolie.

▪ Zeitfenster seit Symptombeginn von bis zu 6 Stun-den, in ausgewählten Fällen mit begrenztem In-farktkern auch bis zu 24 Stunden.

▪ Rettbares Hirnparenchym mit begrenzten Infarkt-frühzeichen (ASPECTS >5).

In fortgeschrittenen Zeitfenstern oder bei unsicheremInfarktausmaß in der CT kann eine MRT-Diagnostiksinnvoll sein, um festzustellen, ob über den im Diffusi-onsbild leicht erkennbaren Infarktkern hinaus noch ge-fährdetes Hirnparenchym mit in der MR-Perfusions-messung kritischer Minderperfusion vorliegt. Alterna-tiv kann ein sog. Mismatch zwischen begrenztem In-farktkern und minderperfundiertem, noch rettbaremHirnparenchym in der Umgebung auch durch eine CT-Perfusionsmessung festgestellt werden. Hierbei wirdder Infarktkern durch ein kritisch vermindertes Blutvo-lumen oder eine ausgeprägte Verzögerung der Kon-trastmittel-Anflutung festgestellt.

Für folgende Indikationen besteht noch weiterer Studi-enbedarf. Nach bisherigen Daten können diese Patien-ten im gemeinsam mit den Neurologen zu entschei-denden Einzelfall von einer Thrombektomie profitie-ren:▪ M2-Astverschlüsse jenseits der Mediabifurkation bei

schwer betroffenen Patienten.▪ großer Infarktkern ASPECTS 3–5▪ klinisch leicht betroffene Patienten mit NIHSS<6

und proximalem Gefäßverschluss

Logistik der Thrombektomie

Nach der Indikationsstellung sollte der Patient unver-züglich der Thrombektomie zugeführt werden. Wenndie Erstversorgung in einem Thrombektomie-Zentrum

▶Abb. 2 Fallbeispiel 1a CCT und CT-Angiographie eines 75 jährigen Patienten mit plötzlich vor 2 Std. aufgetretener Hemi-plegie links und leichter Bewusstseinstrübung. a Die native CT zeigt eine geringe Dichteminderung im Stammgangliengebietre. (Pfeil) bei sonst unauffälliger Darstellung des Hirnparenchyms (ASPECTS=9). b CT-angiographischer Nachweis einesrechtsseitigen M1-Verschlusses (Pfeil).

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erfolgt, werden Anästhesie und Interventionsteam in-formiert, sobald klar ist, dass ein Thrombektomie-Kan-didat im Hause ist. Die Abläufe erfolgen am bestennach einem standardisierten Schema, um zeitliche Ver-zögerungen zu vermeiden [5]. Bei Verlegungen aus Kli-niken ohne Thrombektomie-Möglichkeit ist der Trans-port in ein Thrombektomie-Zentrum sofort nach derCT-Diagnostik zu organisieren. Vorteilhaft ist es bei-spielsweise, wenn der Rettungsdienst bis zum Ab-schluss der CT wartet und gleich danach den Weiter-transport übernimmt. Aus der Qualitätssicherung be-kannt gewordene Zeiten von über einer Stunde vonder CT bis zum Beginn der Verlegung sind nicht akzep-tabel. Sekundär in ein Thrombektomie-Zentrum verleg-te Patienten sollten beim Eintreffen sofort in die Angio-graphie gebracht werden. Bei sehr langen Zeiten vonmehr als zwei Stunden zwischen der initialen Bildge-bung und der Ankunft im Thrombektomie-Zentrum isteine Aktualisierung der Bildgebung z. B. mit DWI imMRT zu diskutieren, um frustrane Behandlungen vonPatienten mit zwischenzeitlich aufgetretenen ausge-dehnten Infarkten zu vermeiden.

Vorbereitung des Patienten

Für die Durchführung einer Thrombektomie ist eine In-tubationsnarkose (ITN) oder Sedierung erforderlich.Beide Möglichkeiten sind in neueren als mindestensgleichwertig mit Vorteilen für die ITN betrachten [6].Eine Thrombektomie in ITN ist bei unruhigen nicht ko-operationsfähigen Patienten, bei Interventionalistenmit geringerer Erfahrung, bei komplexen Eingriffenwie der Behandlung von Tandemläsionen und bei peri-pheren M2-Astverschlüssen zu bevorzugen. In Abspra-che mit der Anästhesie sollten die Zeiten für die Einlei-tung und das Legen von Zugängen so kurz wie möglichgehalten werden. In vielen Fällen ist z. B. keine arterielleBlutdruckmessung erforderlich.

Es ist erforderlich, Standardmaterialien für die Throm-bektomie festzulegen und griffbereit im Angiogra-phie-Raum vorzuhalten. Die Vorbereitung des Instru-mententischs und von drei Dauerspülungen mit hepari-nisierter Kochsalzlösung (1000 I. E./ml) sollte unver-züglich nach Indikationsstellung erfolgen. Eine zusätz-liche antithrombotische Behandlung während des Ein-griffs ist in der Regel nicht erforderlich, um das Blu-tungsrisiko nicht zu erhöhen. Die prophylaktischeGabe von Kalziumantagonisten wie Nimodipin in derSpüllösung ist ebenfalls routinemäßig nicht indiziertund allenfalls bei jungen, sehr Spasmus-empfindlichenPatienten mit einer Dosis von 2mg/l zu diskutieren.

Die Planung des Zugangs und des Eingriffs sowie dieAuswahl der Materialien erfolgt nach Analyse der CT-Angiographie, so dass in der Regel eine Sondierungdes zu behandelnden Gefäßes ausreicht und eine diag-nostische 4-Gefäß-Angiographie entbehrlich ist.

Zugang für die Thrombektomie

Nach Punktion der A. femoralis in der Leiste wird zu-nächst ein Diagnostikkatheter eingebracht und das zubehandelnde Gefäß sondiert. Die initiale Angiographiesoll folgende Informationen liefern:▪ Bestätigung der Diagnose und der Lokalisation eines

intrakraniellen Gefäßverschlusses▪ Lyseerfolg▪ Nachweis von eventuellen Tandemläsionen mit

vorgeschalteter Stenose

Als Zugang für die Thrombektomie im wird eine groß-lumige lange Schleuse mit 6-F-Innenlumen oder einBallonführungskatheter benötigt. Die Verwendungvon Ballonführungskathetern, die ein Bergen vonThromben unter temporärem Verschluss der ACI erlau-ben hat sich im Vergleich zu langen Schleusen oder dis-tal Access-Kathetern als vorteilhaft für das Rekanalisa-tionsergebnis erwiesen [7].

Diese Zugangskatheter werden entweder im Austauschgegen den Diagnostikkatheter über einen in die A. ca-rotis externa oder in die A. subclavia einbrachten lan-gen Wechselführungsdraht eingewechselt. Alternativund bei schwierigen Zugängen hat sich auch eine Tele-

Sondierung der ACE mit überlangem Diagnostik-katheter und FK mit Führungsdraht in der ACE Vorschieben des FK in die ACC

▶Abb. 3 Schematische Darstellung der Teleskop-Technikmit Einbringen einer langen Schleuse oder eines Ballon-führungskatheters in die zu behandelnde A. carotis. Beieinfachem Zugang kann der Zugangskatheter auch übereinen in die A. carotis externa eingebrachten Wechsel-führungsdraht eingewechselt werden.

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skop-Technik (▶Abb. 3) mit Einbringen des Zugangs-systems über einen überlangen Diagnostikkatheter be-währt.

Thrombektomie-TechnikenDer Rückzug mit einem Stent-Retriever oder die direkteAspiration von Thromben mit einem großlumigen Aspi-rationskatheter (A Direct Aspiration First Pass Techni-que, ADAPT) haben sich als Standardtechniken mit inStudien nachgewiesener Effektivität etabliert. Bezüg-lich der Rekanalisationsergebnisse und der klinischenBehandlungserfolge gibt es keine signifikanten Unter-schiede [8]. In jedem Thrombektomie-Zentrum isteine Entscheidung über die Standard-Technik der ers-ten Wahl zu treffen. Aus der Vielzahl von Stent-Retrie-ver-Modellen und Kathetersystemen ist ebenfalls eineAuswahl zu treffen, um Fehler oder suboptimale Ergeb-nisse durch mangelnde Übung zu vermeiden.

Anhand der Illustrationen und Fallbeispiele werden dieverschiedenen Schritte der Thrombektomie in unter-schiedlichen Szenarien nach Einbringen des Zugangs-systems durchgespielt.

Standardtechnik A:Stent-Retriever +Ballonführungskatheter

siehe ▶Abb.4, Fallbeispiel 1b (▶Abb.5), ▶Video 1)

Der Stent-Retriever muss an die Thrombuslänge und anden Durchmesser des zu behandelnden Gefäßes ange-passt und ein entsprechend passender Mikrokatheterzum Einführen ausgewählt werden.

Schritt 1: Über den Führungskatheter wird ein für diePlatzierung des Stent-Retrievers geeigneter Mikroka-theter mit einem Mikroführungsdraht in Richtung aufdas verschlossene Gefäß navigiert. Der Thrombus wirdmit dem Mikroführungsdraht passiert und die Draht-spitze distal des Thrombus in einen größeren Ast zwei-ter Ordnung bewegt. Es ist darauf zu achten, dass derMikrodraht mit seiner vorgebogenen Spitze nicht indünne perforierende Arterien abweicht und diese ver-letzt.

Schritt 2: An der am häufigsten betroffenen Mediabif-urkation ist es vorteilhaft, den Mikrodraht und dennachgeführten Mikrokatheter in der meist kaliberkräf-tigeren unteren M2-Astgruppe (Tr. inferior) zu platzie-ren. Diese biegt hinter der Bifurkation nach hinten inRichtung auf die Fissura Sylvii um, was im Seitbild gutzu erkennen ist. Die frontale Astgruppe (Tr. superior)ist in der Regel kaliberschwächer, verläuft nach vornoben und verzweigt sich bald in noch dünnere Arterien.Es ist weniger wahrscheinlich, dass der Hauptanteil desThrombus in diesem dünneren Ast steckenbleibt. Dementsprechend gibt es Hinweise darauf, dass die Erfolgs-

rate bei Thrombektomien über den Tr. inferior höher ist[9].

Die Position des Mikrokatheters in einem größeren Ge-fäß sollte durch eine vorsichtige Injektion von Kontrast-mittel verifiziert werden, um eine versehentliche Son-dierung eines perforierenden Astes auszuschließen.

Schritt 3: Der in einer Hülle befindliche Stent-Retrieverwird in den mit der Dauerspülung verbundenen Y-Adapter am Mikrokatheter eingeführt und gespült, bisKochsalzlösung austritt. Anschließend wird die Hüllean den Hub des Mikrokatheters angedockt und derStent-Retriever vorgeschoben bis die Markierungender Spitze distal des Thrombus erkennbar sind. Es istdarauf zu achten, dass der zwischen proximalem unddistalem Marker befindliche Stent-Retriever denThrombus überdeckt. Die Freisetzung erfolgt durchlangsamen Rückzug des Mikrokatheters während derStent-Retriever in Position gehalten wird und sichdann distal des Thrombus öffnet.

Schritt 4: Wenn das distale Ende Wandkontakt hat,wird der Stent durch weiteren Rückzug des Mikroka-theters freigesetzt. Die meisten Hersteller empfehlennach der Freisetzung eine Wartezeit von beispielsweise5 Minuten, damit sich die Maschen des Stents durch dieExpansionskräfte in die Thrombusoberfläche hinein-drücken können. Bei im Röntgen sichtbaren Stent-Re-trievern kann man die dadurch bedingte Expansion di-rekt beobachten. Am Ende der Wartezeit wird der Bal-lon des Führungskatheters inflatiert.

Eine Vakuumspritze wird an den Y-Konnektor des Füh-rungskatheters angeschlossen und bei geschlossenemHahn wird durch Anziehen der Spritze das Vakuum er-zeugt, das durch Umlegen des Hahns wirksam wird. Al-ternativ kann auch eine Vakuumpumpe verwendetwerden.

Schritt 5: Der Stent-Retriever wird langsam bis in denY-Konnektor hinein zurückgezogen. Dieser wird dannam besten entfernt und man beobachtet, ob der Füh-rungskatheter rückläufig ist. Ist dies nicht der Fall,wird nochmals aspiriert. Der Ballon wird deflatiert undbei frei rückläufigem Führungskatheter erfolgt die Kon-trollangiographie.

Schritt 6: Angiographisch ist zu überprüfen, ob einausreichendes Rekanalisationsergebnis, mindestensTICI IIb erreicht wurde. Bei persistierendem Verschlussoder Embolisation eines größeren Thrombusanteils ineinen abhängigen Seitenast ist das Thrombektomie-Manöver zu wiederholen. Insbesondere unerfahreneOperateure seien davor gewarnt, Thrombusfragmenteaus weit distal der Mediabifurkation gelegenen M2oder M3-Ästen zu entfernen. Hier drohen Blutungs-

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komplikationen durch Dissektionen oder Abriss vonPerforatoren. Nach drei erfolglosen Stent-Retriever-Manövern werden die Erfolgsaussichten einer Throm-bektomie zunehmend geringer. Dies liegt entweder anrigidem Thrombusmaterial, dass mit den Maschen des

Stent-Retrievers nicht ausreichend interagiert oder da-ran, dass es sich nicht um einen embolischen, sondernum einen atherothrombotischen Verschluss auf demBoden einer Stenose handelt, die ggf. mit Ballonangio-plastie oder akutem Stenting zu behandeln ist [10].

1Passage des Thrombus mit Mikrokatheter

4SR überdeckt Thrombus

5Inflation Ballon

6SR in Führungs-katheter

2 MikrokatheterlageTr. inferior

3 SR-Freisetzungdistal d. Trombus

▶Abb. 4 Standardisiertes Vorgehen bei der Thrombektomie mit Stent-Retriever und Ballonführungskatheter. SR= Stent-Retriever.

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Standardtechnik B:Direkte Thrombusaspiration

siehe ▶Abb.6, Fallbeispiel 2 (▶Abb. 7)

Schritt 1: Nach Legen des Führungskatheters erfolgtdie Sondierung des zu behandelnden Gefäßes miteinem Koaxialsystem aus Mikroführungsdraht, Mikro-katheter und einem großlumigen 5– oder 6-F Aspira-tionskatheter. Aspirationskatheter sind sehr flexibel,so dass sie die Kurven des Carotissiphons oder der At-lasschleife passieren können.

Schritt 2: Der Mikrokatheter wird entfernt und derAspirationskatheter wird am Thrombus angedockt.

▶Abb. 5 Fallbeispiel 1b Thrombektomie mit Stent-Retriever und Ballonführungskatheter (gleicher Patient wie Fallbeispiel 1a). a Angiographi-sche Bestätigung der Diagnose eines M1-Verschlusses re. mit guter Kollateralversorgung aus Ästen der rechten A. cerebri anterior (Pfeil). b NachEinwechseln eins 8 F-Ballonführungskatheters wurde ein Stent-Retriever über dem Thrombus freigesetzt. Nur geringe Kontrastierung des Ge-fäßlumens nach Stent-Entfaltung (Pfeil). c Wiedereröffnung des verschlossenen M1-Segments nach einmaligem Rückzug des Stent-Retrieversunter Aspiration und Ballonokklusion der ACI. d Vollständige Rekanalisation des Mediaterritorius TICI III. e CCT nach 24h: Unverändert kleinerInfarkt im Stammgangliengebiet rechts (Pfeil). Im Verlauf gute Rückbildung der klinischen Symptome.

VIDEO 1

▶Video 1 Präinterventionelle DSA, Freisetzung undRückzug eines Stent-Retrievers am Beispiel einesM1-Verschlusses rechts. Erfolgreiche Rekanalisation inder postinterventionellen DSA.

https://doi.org/

10.1055/a-0970-2871

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Schritt 3: Nach Anschluss einer Vakuumspritze oder ei-ner Vakuumpumpe an den in Kontakt mit dem Throm-bus befindlichen Aspirationskatheter beginnt der vor-sichtige Rückzug des Katheters unter kontinuierlicherAspiration des Führungskatheters unter temporärerBallonokklusion der zuführenden Arterie.

Schritt 4: Nach Hineinziehen in den Führungskatheterund Entfernung des Aspirationskatheters wird bei rück-läufigem Führungskatheter der Ballon deflatiert. An-schließend erfolgt eine Kontrollangiographie. Bei unzu-reichendem Rekanalisationsergebnis kann die Aspirati-on wiederholt oder sekundär noch ein Stent-Retrievereingesetzt werden.

1Sondierung ASPMikrokatheter

2ASP am Thrombus

3Aspiration ASPRückzug, Ballonokklusion

4Aspiration FK + ASPRückzug

▶Abb. 6 Standardisiertes Vorgehen bei der direkten Thrombusaspiration. ASP=Aspirationskatheter, FK = Führungskatheter

▶Abb. 7 Fallbeispiel 2 Direkte Thrombusaspiration bei einer 69-jährigen Patientin mit Basilarisspitzenembolie. a Angiographie über eine indie V. vertebralis eingebrachte lange 6-Schleuse: Schwach umflossener Thrombus in der distalen A. basilaris. b Nach einmaliger kräftiger Aspi-ration mit einem 6 F-Aspirationskatheter Wiedereröffnung der Basilarisspitze. c Vollständige Rekanalisation in der Abschlusskontrolle.

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Die direkte Thrombusaspiration hat gegenüber derStent-Retriever-Technik den Vorteil, dass der Throm-bus nicht passiert werden muss. In Studien konnte ge-zeigt werden, dass angiographische und klinische Er-folgssraten beider Techniken sich nicht signifikant un-terscheiden. Es ist gegenwärtig noch nicht ganz klar,ob es Unterschiede bezüglich der der Häufigkeit peri-pherer Embolien und der Notwendigkeit, zusätzlich ei-nen Stent-Retriever als sog. Rescue-Therapie einzuset-zen, gibt [8]. In einem Thrombektomie-Zentrum soll-ten beide Techniken beherrscht werden. Die direkteAspiration ist besonders für kurzstreckige, an einer Bif-urkation hängende Thromben geeignet (Fallbeispiel 2).Mit großlumigen 6F-Aspirationskathetern kompatibleBallonführungskatheter stehen derzeit noch nicht füralle Systeme zur Verfügung, so dass ggf. eine langeSchleuse ohne die Möglichkeit einer temporären Ballo-nokklusion verwendet werden muss.

Technik C: Kombination Stent-Retrieverund Aspirationskatheter

siehe ▶Abb.8, Fallbeispiel 3 (▶Abb. 9)

Mit den beiden genannten Techniken lassen sich miteinem Thrombektomie-Manöver Rekanalisationsraten≥TICI IIb von 80–90% erreichen [7, 8]. Weiterentwick-lungen der Standardtechniken haben zum Ziel den An-teil an erfolgreichen First-pass-Manövern zu erhöhen,um so eine schnellere Rekanalisation zu erreichen. Daszweite Ziel ist die Verminderung des Risikos der mitden beiden Standardtechniken möglichen Thrombus-

fragmentierung mit Embolisation in bisher nicht be-troffene Gefäßterritorien.

Ein interessanter Ansatz ist hierzu die SAVE (Stent Re-triever Assisted Vacuum locked Extraction)-Technik,bei der der Thrombus mit einem Stent-Retriever unterkontinuierlicher Aspiration an die distale Öffnung deskoaxial eingeführten Aspirationskatheters herangezo-gen wird. Der Stent-Retriever klemmt dabei denThrombus am Aspirationskatheter ein, der unter konti-nuierlicher Aspiration und zusätzlicher Aspiration desFührungskatheters zurückgezogen wird [11].

Schritt 1: Ein Koaxialsystem aus Mikroführungsdraht,Mikrokatheter und Aspirationskatheter wird in Rich-tung auf den Thrombus vorgeschoben. Der Thrombuswird mit dem Mikrokatheter passiert und der Stent-Re-triever wird darüber freigesetzt (siehe Technik A). DerAspirationskatheter wird an den Thrombus herange-führt. Der Mikrokatheter wird entfernt, um die Flächefür die Aspiration zu vergrößern. Der entfaltete Stent-Retriever bleibt dabei in Position, auch wenn man denDraht beim Rückzug des Mikrokatheters nicht festhal-ten kann.

Schritt 2: Unter kontinuierlicher Aspiration des Füh-rungskatheters mit einer Vakuumpumpe oder mit eineVakuumspritze wird der Stent-Retriever vorsichtig anden Eingang des Aspirationskatheters herangezogenund nur partiell hineingezogen. Wenn der Thrombuszwischen Katheterende und Stent-Retriever einge-

1SR über dem Thrombus ASP heranführen

2SR + Thrombus part. in ASP kont. Aspiration ASP

3Rückzug ASPAspiration FK, Ballonokklusion

4Rückzug in FKAspiration (ASP + FK)

▶Abb. 8 Standardisiertes Vorgehen bei der Thrombektomie mit Stent-Retriever +Aspirationskatheter mit Verankerung des Thrombus amEingang des Aspirationskatheters und Rückzug des Systems unter kontinuierlicher Aspiration (SAVE-Technik). SR = Stent-Retriever, ASP=Aspirationskatheter, FK = Führungskatheter.

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klemmt ist, ist das Ostium des Aspirationskathetersverlegt und es fließt kein Blut mehr zurück.

Schritt 3: Aspirationskatheter und fixierter Stent-Re-triever werden unter fortdauernder Aspiration und zu-sätzlicher Aspiration des Führungskatheters gemein-sam zurückgezogen. Eine temporäre Ballonokklusiondes zuführenden Gefäßes ist dabei zusätzlich vorteil-haft.

Schritt 4: Wie bei den anderen Techniken auch wird dieRückläufigkeit des Führungskatheters nach vollständi-gem Rückzug des Thrombektomie-Systems überprüft.Nach Deflation des Ballons folgt eine angiographischeErfolgskontrolle.

Mit der SAVE-Technik lassen sich nach ersten multizen-trischen Studiendaten First-pass-Rekanalisationsratenvon 59% erreichen. Im Vergleich zur ADAPT-Technikwar die Rate von sehr guten TICI IIc oder III-Rekanalisa-tionsergebnissen höher. Nach bisherigen Ergebnissenscheinen auch die Patienten klinisch von einer mög-lichst raschen und vollständigen Rekanalisation zu pro-fitieren. Im Vergleich zu anderen kombinierten Techni-ken mit komplettem Rückzug des Stent-Retrievers ineinen Aspirations- oder Intermediärkatheter scheinendie Ergebnisse der SAVE-Technik u. a. durch eine gerin-

gere Rate an distalen Embolien besser zu sein [12]. Ver-gleichsstudien mit höherem Evidenzniveau müssen zei-gen, ob sich die komplexere, aber auch standardisiertanwendbare SAVE-Technik klinisch für die Patientenwirklich lohnt. Alternative, technisch etwas einfachereEntwicklungen versuchen einen besseren Rückhalt derThromben durch größere Öffnungen in entsprechendmodifizierten Stent-Retrievern zu erreichen [13]. Auchmit Stent-Retriever + Ballonführungskatheter lassensich nach Registerdaten [7] ähnlich gute Ergebnisse er-reichen.

Angiographische ErfolgskontrolleAbschließende Angiogramme in 2 Ebenen sind für diestandardisierte Bewertung des Rekanalisationsergeb-nisses nach dem TICI (Thrombolysis In Cerebral In-farction)-Score erforderlich. ▶Abb. 10 illustriert dieam häufigsten verwendete Variante des modifiziertenTICI-Scores [14]. Als erfolgreiche Rekanalisation giltein Ergebnis > 2b. Gegenwärtige Entwicklungen derThrombektomie-Techniken haben zum Ziel, eine mög-lichst vollständige Rekanalisation TICI IIc oder III zu er-reichen, die nochmals zu einer signifikanten Verbesse-rung des klinischen Behandlungsergebnisses führenkann [15].

▶Abb. 9 Fallbeispiel 3a Embolischer Verschluss des dominanten unteren M2-Astes rechts bei einer Patientin mit Rechtshemisphärensyndrom.b Ballonführungskatheter, Aspirationskatheter und der über dem Thrombus entfaltete Stent-Retriever sind vor Ort und führen zu einer partiellenRekanalisation. c Nach Rückzug des Stent-Retrievers und Verankerung des Thrombus am Eingang des Aspirationskatheters unter kontinuierlicheAspiration wird das Thrombektomie-System unter temporärer Ballonokklusion der ACI und zusätzlicher Aspiration des Führungskatheters ge-borgen. Die Abschluss-Kontrolle zeigt eine komplette Wiedereröffnung der A. cerebri media mit einem Thrombektomie-Manöver mit SAVE-Technik.

Schritt für Schritt

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Postinterventionelles ManagementNach der Thrombektomie ist es die Aufgabe des Neuro-logen, die Patienten adäquat zu überwachen und wei-ter zu betreuen. Folgende Punkte sind dabei besonderszu berücksichtigen:▪ Im Falle einer ITN sollte eine möglichst rasche Extu-

bation, am besten noch im Angiographie-Raum an-gestrebt werden, um längere Beatmungen zu ver-meiden und das Risiko einer Pneumonie zu verrin-gern.

▪ Zur Prävention von Reperfusionsschäden mit intra-zerebralen Blutungen ist nach erfolgreicher Rekana-lisation ein Blutdruckmonitoring. Eine Hypertoniesollte konsequent behandelt werden. Insbesonderesollten Blutdruckspitzen>150mm Hg systolischvermieden werden. Symptomatische Blutungen ka-men in den randomisierten Studien in 4,4% der Fällevor und waren nach Thrombektomie nicht signifi-kant häufiger als nach alleiniger i. v.-Thrombolyse[1].

▪ Eine spezielle antithrombotische Nachbehandlungist nach Thrombektomie eines embolischen Gefäß-verschlusses nicht erforderlich. Die postinterventio-nelle Gabe von ASS oder eine Antikoagulation beiVorhofflimmern kann nach den neurologischenLeitlinien erfolgen.

▪ Geringe Subarachnoidalblutungen an der Throm-bektomie-Stelle oder Kontrastmittel-Extravasate inInfarkten sind in postinterventionellen CT-Kontrol-len nach 24h relativ häufig nachweisbar und habenmeist keine klinische Relevanz. Die Befunde solltenkontrolliert werden bevor antithrombotische Medi-kamente gegeben werden.

LimitierungenDiese Anleitung bezieht sich auf die grundlegendenSchritte verschiedener Thrombektomie-Techniken undsoll Verständnis für die von Neuroradiologen heutestandardmäßig eingesetzten Techniken vermitteln.

Sie soll keine Anleitung für die Durchführung vonThrombektomien durch darin unerfahrene und nichtadäquat ausgebildete Ärzte darstellen.

Die DeGIR/DGNR hält dafür ein Ausbildungs- und Zerti-fizierungsprogramm für interventionelle Neuroradiolo-gen und Radiologen vor, das derzeit 50 unter Aufsichtin einem anerkannten Ausbildungszentrum durchzu-führende rekanalisierende Eingriffe vorsieht. Keines-falls sollte eine Klinik mit Stroke-Unit auf die Idee kom-men, allein anhand von Anleitungen, Simulatortrai-nings oder Modellversuchen mit der Thrombektomiezu beginnen. Katastrophale Komplikationen in Formvon lebensbedrohlichen Blutungen können die Folgesein, wenn die genannten Techniken nicht adäquat ein-gesetzt werden.

Diese Arbeit behandelt nicht spezielle Techniken wiedie Rekanalisation von Tandemläsionen mit zusätzli-cher extrakranieller Stenose oder die Behandlung vonGefäßverschlüssen auf dem Boden einer intrakraniellenStenose mit akutem Stenting. Ebenso wird nicht aufnoch nicht abschließend durch Studien etablierte Indi-kationen wie die Rekanalisation von Patienten mit jen-seits der Mediabifurkation gelegenen M2-Astverschlüs-sen eingegangen.

▶Abb. 10 Klassifikation des Rekanalisationserfolgs nach dem modifizierten TICI-Score am Beispiel von Fällen mit M1-Verschluss im lateralenCarotisangiogramm: a TICI 0 und 1: fehlende oder minimale Rekanalisation: nur A. cerebri anterior gefüllt. b TICI IIa: Rekanalisation <50% desMediaterritoriums: nur ein Ast gefüllt (Pfeil). c TICI IIb: Rekanalisation ≥50% des Mediaterritoriums: peripherer Astverschluss frontal (Pfeil) d TICIIIc/III: Subtotale oder vollständige Rekanalisation: Wiedereröffnung aller Mediaäste, partiell verlagnsamte Perfusion bei TICI IIc.

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FazitDas Vorgehen bei der Thrombektomie beim akutenSchlaganfall lässt sich weitgehend standardisieren. Esgibt drei grundlegende, in Thrombektomiezentren zubeherrschende Techniken: Stent-Retriever, direkteThrombusaspiration und die Kombination aus beidemin Form der komplexeren SAVE-Technik. In jedem Zen-trum sollte eine Entscheidung getroffen werden, wel-che Variante je nach Gefäßanatomie bevorzugt einge-setzt und standardisiert von adäquat ausgebildetenOperateuren durchgeführt wird. Eine Zusammenarbeitvon Neurologen und Neuroradiologen ist beim Ma-nagement von Thrombektomie-Patienten unerlässlich.

Interessenkonflikt

Mitglied der DGNR und des Berufsverbands der Neuroradio-logen.

Autorinnen/Autoren

Joachim Berkefeld

Prof. Dr. med., Leitender Oberarzt am Institutfür Neuroradiologie des UniversitätsklinikumsFrankfurt am Main. Seine klinischen und wis-senschaftlichen Schwerpunkte liegen aufdem Gebiet der vaskulären und interventio-nellen Neuroradiologie.

Fee Keil

Dr. med., Funktionsoberärztin am Institut fürNeuroradiologie des UniversitätsklinikumsFrankfurt am Main. Mit interventionellemSchwerpunkt führt sie zahlreiche Thrombek-tomien durch und ist an der Koordinationvon Behandlungsstandards im Institut und

anderen Einrichtungen im regionalen Schlaganfallnetzwerkbeteiligt.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Joachim BerkefeldInstitut für NeuroradiologieKlinikum der Goethe-UniversitätSchleusenweg 2 - 1660528 Frankfurt am MainE-Mail: [email protected]

Literatur

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Bibliografie

DOI https://doi.org/10.1055/a-0970-2871Neurologie up2date 2020; 3: 221–232© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 2511-3453

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