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32 Schilddrüse W. Blank Schilddrüse und Halsregion Einleitung und Untersuchungsindikation Die topographische Anatomie der Halsregion (Abb. 32. 1 , 32.2, 32.3) stellt hohe Anforderungen an den Un- tersucher. Abzugrenzen sind: A Subkutis, A Muskulatur, A Gefäße, A Nerven, A Lymphknoten, A Schilddrüse, A Speicheldrüsen A Knochen A und Pleura. Bei vielen Erkrankungen wird die Ultraschallunter- suchung nach Anamnese, klinischer Untersuchung und Labor als erstes und oft auch einziges bildgebendes Ver- fahren eingesetzt (Schilddrüse, Speicheldrüsen, Lymph- knoten). Zur Beurteilung der topographischen Lage, der Kon- sistenz und der Verschieblichkeit ist eine dynamische Untersuchung mit Palpation und Kompression notwen- dig. Mit adäquater apparativer Ausrüstung (5 – 14 MHz- Transducer, Farbdopplertechnik) und methodisch opti- maler Durchführung der Untersuchung können patho- logische Befunde mit hoher Sensitivität erfasst werden. Die Spezifität ist demgegenüber deutlich niedriger, da gewebsspezifische sonomorphologische Befunde oft fehlen. Durch den Einsatz der Farbdopplersonographie und der ultraschallgesteuerten Punktion kann die Spe- zifität der Sonographie entscheidend verbessert wer- den. Im Bereich topographisch schwieriger Regionen (Pha- ryngeal- und Retropharyngealraum) sind zur Diagnose- stellung, zum Tumorstaging und zur Verlaufskontrolle unter Therapie in der Regel sich ergänzende bild- gebende Verfahren (z. B. CT, MRT) heranzuziehen, da 925 32 aus: Seitz u.a., Klinische Sonographie und sonographische Differenzialdiagnose (ISBN 9783131264527) # 2008 Georg Thieme Verlag KG Abb.32.1 Anatomie der tiefen Halsregion und der obe- ren Thoraxapertur. M. sternocleidomastoidei und kaudale Zungenbeinmuskeln teilweise abgetragen. M. mylohyoidei und digastrici durch- geschnitten. Brustbein und vordere Teile der ersten und zweiten Rippe sowie der Schlüsselbeine entfernt (Sobotta/ Becher. Atlas der Anatomie des Menschen). Abb.32.2 Laterales Halsdreieck – Sonographischer Nor- malbefund. Sagittale Schnittführung in der Fossa supraclavicularis major (Trigonum omoclaviculare des lateralen Halsdreiecks). Die 5 Wurzeln des Plexus brachialis (N) und die A. subclavia lassen sich in der Scalenuslücke zwischen dem M. scalenus anterior (M. sca.) und dem M. scalenus medius (M. scm.) mit einer 7,5 MHz Schallsonde mit Tissue Harmonic Imaging (Fa. Sie- mens) kontrastreich darstellen. Es besteht eine enge topo- graphische Beziehung zur Lungenspitze. Die Lunge ist in die- ser Region wenig atemverschieblich und der Pleuraspalt nur mit hochauflösenden Sonden darstellbar (Pfeil). Die angren- zende Lunge ist als breites echogenes Band (Summation aus Pleura visceralis und lufthaltiger Lunge) erkennbar (PL). VJI = V. jugularis interna, M. oh = M. omohyoideus.

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32 SchilddrüseW. Blank

Schilddrüse und Halsregion

Einleitung und Untersuchungsindikation

Die topographische Anatomie der Halsregion (Abb.

32.1, 32.2, 32.3) stellt hohe Anforderungen an den Un-

tersucher. Abzugrenzen sind:

A Subkutis,

A Muskulatur,

A Gefäße,

A Nerven,

A Lymphknoten,

A Schilddrüse,

A Speicheldrüsen

A Knochen

A und Pleura.

Bei vielen Erkrankungen wird die Ultraschallunter-

suchung nach Anamnese, klinischer Untersuchung und

Labor als erstes und oft auch einziges bildgebendes Ver-

fahren eingesetzt (Schilddrüse, Speicheldrüsen, Lymph-

knoten).

Zur Beurteilung der topographischen Lage, der Kon-

sistenz und der Verschieblichkeit ist eine dynamische

Untersuchung mit Palpation und Kompression notwen-

dig.

Mit adäquater apparativer Ausrüstung (5 – 14 MHz-

Transducer, Farbdopplertechnik) und methodisch opti-

maler Durchführung der Untersuchung können patho-

logische Befunde mit hoher Sensitivität erfasst werden.

Die Spezifität ist demgegenüber deutlich niedriger, da

gewebsspezifische sonomorphologische Befunde oft

fehlen. Durch den Einsatz der Farbdopplersonographie

und der ultraschallgesteuerten Punktion kann die Spe-

zifität der Sonographie entscheidend verbessert wer-

den.

Im Bereich topographisch schwieriger Regionen (Pha-

ryngeal- und Retropharyngealraum) sind zur Diagnose-

stellung, zum Tumorstaging und zur Verlaufskontrolle

unter Therapie in der Regel sich ergänzende bild-

gebende Verfahren (z. B. CT, MRT) heranzuziehen, da

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aus: Seitz u.a., Klinische Sonographie und sonographische Differenzialdiagnose (ISBN 9783131264527)� 2008 Georg Thieme Verlag KG

Abb.32.1 Anatomie der tiefen Halsregion und der obe-ren Thoraxapertur.M. sternocleidomastoidei und kaudale Zungenbeinmuskelnteilweise abgetragen. M. mylohyoidei und digastrici durch-geschnitten. Brustbein und vordere Teile der ersten undzweiten Rippe sowie der Schlüsselbeine entfernt (Sobotta/Becher. Atlas der Anatomie des Menschen).

Abb.32.2 Laterales Halsdreieck – Sonographischer Nor-malbefund.Sagittale Schnittführung in der Fossa supraclavicularis major(Trigonum omoclaviculare des lateralen Halsdreiecks). Die 5Wurzeln des Plexus brachialis (N) und die A. subclavia lassensich in der Scalenuslücke zwischen dem M. scalenus anterior(M. sca.) und dem M. scalenus medius (M. scm.) mit einer7,5 MHz Schallsonde mit Tissue Harmonic Imaging (Fa. Sie-mens) kontrastreich darstellen. Es besteht eine enge topo-graphische Beziehung zur Lungenspitze. Die Lunge ist in die-ser Region wenig atemverschieblich und der Pleuraspalt nurmit hochauflösenden Sonden darstellbar (Pfeil). Die angren-zende Lunge ist als breites echogenes Band (Summation ausPleura visceralis und lufthaltiger Lunge) erkennbar (PL). VJI =V. jugularis interna, M. oh = M. omohyoideus.

oft nur durch deren Kombination Tumorgröße, Ausdeh-

nung, topographische Lage und Beziehung zu Nach-

barstrukturen vollständig angegeben werden können

(Tab. 32.1). Die Aussagekraft der verschiedenen Unter-

suchungsverfahren ist in Tab. 32.2 zusammengefasst.

Die sonographische Untersuchung erfolgt:

A Bei Beschwerden: Schmerzen, Dysphagie, Globusge-

fühl, Luftnot.

A Bei pathologischen Laborwerten: z. B. pathologische

Schilddrüsenwerte, erhöhtes Kalzium und Parathor-

mon.

A Bei pathologischen körperlichen Untersuchungsbe-

funden, tastbarer Raumforderung, oberer Einfluss-

stauung.

A Bei palpabler Schilddrüsenvergrößerung und

palpabler Schilddrüsenknoten.

A Zur Darstellung und Differenzierung von nicht

palpablen Schilddrüsenveränderungen.

A Zur Durchführung einer Aspirations- und Schneid-

biopsie.

A Zum Lymphknotenstaging bei Malignomen.

A Zur Tumorsuche.

A Als Screeninguntersuchung: bei erhöhtem Risiko für

ein Schilddrüsenkarzinom.

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Abb.32.3 Fünfter Halsnerv – Normalbefund.Die entsprechenden Wurzeln des Plexus brachialis lassen sichim Längsschnitt bis zu den Zwischenwirbelräumen als echoar-me bandförmige Formationen abgrenzen. Die Querfortsätze(QS) dienen als Landmarken. Der 6. Halsnerv ist im Bild etwasaußerhalb der Schnittebene und deshalb nur schemenhafterkennbar (C6). Das umgebende Bindegewebe erscheintechogen. Die echoarme Muskulatur, deren Zuordnung tief-gehende topographische Kenntnisse voraussetzt, muss abge-grenzt werden. M. cl = M. sternocleidomastoideus, M. sca =M. scalenus anterior, AV = A. vertebralis.

Tabelle 32.1 Vorteile und Nachteile der Sonographie

Vorteile der Sonographie Nachteile der Sonographie

A sehr hohe Ortsauflösung (10 – 14 MHz)

A Knoten >3mm und Zysten >2mm sind problemlos darstellbar

A Sonopalpation und (Schluck-) Verschieblichkeit

A einsetzbar auch bei: Metallimplantaten (‹‹fifi CT und MRT),Therapie mit Schilddrüsenhormonen und nach Jodbelastung undSchwangerschaft (‹‹fifi zur Schilddrüsenszintigraphie)

A keine komplette anatomische Übersicht(Verbesserung: Panoramaverfahren)

A topographisch schwierige Regionen(wg. Luft und Knochen): Pharyngeal- undRetropharyngealraum, Schädelbasisregion

Tabelle 32.2 Aussagekraft der Untersuchungsverfahren beider Schilddrüsen-Diagnostik (modifiziert nach Braun 2001)

Sono Szinti Zyto

Organgröße ++ + –

Formanomalie +++ –

Parenchymstruktur +++ – –

Funktion – +++ –

Durchblutung +++ – –

Malignität ++ + ++

Nachbarorgane ++ (+) –

Tabelle 32.3 Probleme der Schilddrüsensonographie

Volumetrie bei großen Strumen

Retrosternal und intrathorakal gelegenes Schilddrüsen-gewebe

Schilddrüsenfunktion nur indirekt beurteilbar(Durchblutung in der FDS, SD-Werte)

A Autonomie in Knotenstruma

A Differenzierung disseminierte Autonomie –Morbus Basedow

A Differenzierung Morbus Basedow – Hashimotothyreoiditis

keine sicheren morphologischen Malignitätskriterien

unzureichende Geräteausstattung

unzureichende Ausbildung

A Zur Therapieplanung und Verlaufsbeobachtung nach

Therapie (medikamentöse, Chemo-, Strahlen-, ope-

rative Therapie).

Die Probleme bei der Schilddrüsensonographie fasst

Tab. 32.3 zusammen.

Technische Ausrüstung

Die Auswahl der geeigneten Schallsonde richtet sich

nach der Ankoppelungsfläche und der topographischen

Lage der zu untersuchenden Region. Um bei der ober-

flächlichen Lage eine hohe Bildauflösung (1 – 2mm) zu

erreichen, sollten hochfrequente Schallsonden (7 – 14

MHz) eingesetzt werden. Bei großen nach retrosternal

reichenden Strumen sind elektronisch umschaltbare

Schallsonden (trapezförmig) oder Curved array-Trans-

ducer sinnvoll. Harmonic Imaging oder das sog. So-

no-CT können die Kontrastierung mit reduzierter Arte-

faktbildung auch bei hochauflösenden Schallsonden

verbessern. Mit der Panoramabilddarstellung lassen

sich größere anatomische Regionen auch bei kleinen

Transducern vollständig dokumentieren und die Ak-

zeptanz der Sonographie zuweilen erheblich verbes-

sern (Abb. 32.4)

Die Farbdopplersonographie beantwortet häufig

wichtige klinische Fragestellungen wie:

A vaskuläre oder avaskuläre Raumforderung

A zystische oder echoarme, vaskularisierte Raumfor-

derung

A Vaskularisationsgrad einer pathologischen Verände-

rung

A Tumorinfiltration oder thrombotischer Verschluss

von Halsgefäßen

A Differenzierung von Schilddrüsenfunktionsstörungen.

Die echosignalverstärkte Sonographie ist in der Zwi-

schenzeit auch mit hochfrequenten Schallsonden mög-

lich. Die Durchblutung kann noch sensitiver erfasst

werden. Praktische Bedeutung hat die Methode nur in

Einzelfällen der Beurteilung des Therapieerfolges nach

einer Ethanolinstillationstherapie (PEIT) autonomer

Schilddrüsenknoten.

Sonographische Untersuchungstechnikund Befunderhebung

Grundvoraussetzung ist die Kenntnis des sonographi-

schen Normalbefunds, der mit einer ausgefeilten Un-

tersuchungstechnik erstellt wird.

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Abb.32.4 Panoramabilddarstellung der lateralen unddorsalen Halsregion.Die anatomischen Strukturen von ventral (rechts) nach dorsal(links):VS = V. subclavia,M. cl = M. sternocleidomastoideus,M. sca = M. scalenus anterior,AS = A. subclavia,Pfeil = Plexus brachialis,R = Rippe,PL = Pleura und Lungeneintrittsreflex,M. scm = M. scalenus medius,TNM = tiefe Nackenmuskulatur,M. t = M. trapezius.

Abb.32.5 Vordere Halsregion. Schilddrüse. Anatomie undSchnittführung.SD = Schmetterlingsförmige Schilddrüse,C = lateral Carotis communis,J = V. jugularis interna,ATS = A. thyreoidea superior,VTS = V. thyreoidea superior,VTI = V. thyreoidea inferior,TR = Trachea,VS = V. subclavia,AS = A. subclavia,LA = Larynx,NV = Nervus vagus,NLR = Nervus laryngeus rekurrens.Sonographische Schnittführung der Schilddrüse: Transversal-schnitt (T), Longitudinalschnitt (L).

Die Untersuchung erfolgt in Rückenlage des Patien-

ten mit Unterpolsterung der Schulterblätter. Eine

leichte Links- und Rechtsdrehung des Kopfes erleich-

tert die Darstellung der lateralen Halsregionen. Selten

erfolgt eine Untersuchung im Sitzen zur Beurteilung

der dorsalen Halsregion.

Zwei Untersucherpositionen sind möglich:

A Der Untersucher sitzt wie bei der Abdomensonogra-

phie neben dem Patienten

A oder wie bei der Carotis-Doppler-Untersuchung am

Kopf des Patienten.

Zur Befunderhebung, insbesondere bei Verlaufskon-

trollen, sind eine standardisierte Geräteeinstellung, Un-

tersuchungstechnik und Dokumentation einschließlich

einer exakten Beschreibung des sonographischen Be-

fundes notwendig.

Die Halsregion wird in organ- und befundadaptierten

Schnittführungen untersucht. Die Schilddrüse wird in

Transversal- und Longitudinalschnitten unter Kippung

der Schallsonde (langsam, radarförmig) dargestellt

(Abb. 32.5). Der standardisierte Untersuchungsgang um-

fasst auch die Betrachtung der Hals- und Mundboden-

region einschließlich der Speicheldrüsen.

Eine Raumforderung wird in zwei repräsentativen

senkrecht aufeinander stehenden Schnittebenen aus-

gemessen und fotodokumentiert. Mit der Panorama-

bilddarstellung können größere anatomische Regionen

dokumentiert und die topographischen Beziehungen

besser dargestellt werden. Die dynamische Unter-

suchung ist durch Video-Dokumentation (zeitaufwän-

diger) oder in Zukunft durch elektronisch speicherbare

Videoclips erfassbar.

Schilddrüse

Die Sonographie der Schilddrüse mit hochauflösenden

Schallsonden hat sich als primäres Untersuchungsver-

fahren zur Beurteilung der Schilddrüsenmorphologie

durchgesetzt. Schilddrüsenerkrankungen können kon-

klusiv nachweisen werden und bei Darstellung einer

normalvolumigen und homogen strukturierten sowie

unauffällig vaskularisierten Schilddrüse eine Erkran-

kung und eine Funktionsstörung der Schilddrüse weit-

gehend ausgeschlossen werden (Tab. 32.4)

Anatomie

Die 14 – 18 g schwere endokrine Drüse liegt im Trigo-

num infrahyoideum der Regio colli anterior. Sie ist in

der Frontalebene schmetterlingsförmig mit 2 Seiten-

lappen, die durch den Isthmus verbunden sind, im ana-

tomischen Querschnitt „brillenförmig“. Vom Isthmus

nach kranial zeigt sich ein Lobus pyramidalis in unter-

schiedlicher Ausprägung. Die Kapsula interna umschei-

det die Schilddrüse.

Epithelkörperchen. Diese sind in Ausbildung und Lage

sehr variabel. Sie liegen dorsal der Schilddrüse der Cap-

sula fibrosa aufgelagert, je ein Paar kranial und kaudal,

häufig sind sie im Bereich der unteren Schilddrüsen-

arterie lokalisiert. Selten können die Epithelkörperchen

intrathyreoidal (dorsal) liegen. Die Trachea liegt dorsal

des Isthmus. Dorsal der Trachea befindet sich die Pars

zervikalis des Ösophagus, die meist nicht exakt mittel-

ständig ist.

Gefäßversorgung. Die Gefäßversorgung der Schild-

drüse erfolgt über die A. thyreoidea superior (Ast der

Carotis externa), die nach kaudal zum oberen Schild-

drüsenpol an die vordere Kapsel verläuft und die A.

thyreoidea inferior (aus dem Truncus thyreozervikalis),

die dorsal der A. carotis communis zum unteren Schild-

drüsenpol zieht. Der venöse Abfluss erfolgt über den

kräftigen Venenplexus der Kapsel in die V. jugularis in-

ternae und über die V. thyreoidea ima. Lateral der bei-

den Schilddrüsenlappen liegen die Halsgefäße (A. ca-

rotis und V. jugularis).

Ventral der Schilddrüse findet sich die vordere Hals-

muskulatur (M. sternothyreoideus und M. sternohyoi-

deus, ventrolateral der M. sternocleidomastoideus, dor-

sal der prävertebrale M. longus colli, dorsolateral die

Scalenusgruppe) (Abb. 32.6).

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Tabelle 32.4 Untersuchungsverfahren in der Schilddrüsen-diagnostik

A Palpation

A Hormonanalyse einschließlich Schilddrüsenantikörper

A Sonographie ggf. mit Feinnadelpunktion

A Szintigraphie

A Röntgen: Trachea und Ösophagus*

A CT und MRT*

*selten

Abb.32.6 Schilddrüse. Sonographischer Normalbefund.Querschnitt beider Schilddrüsenlappen in Isthmushöhe. Ven-tral der Schilddrüse die vordere Halsmuskulatur: M. sterno-thyreoideus (M. st.) und M. sternohyoideus (M. sh.) ventrola-teral der M. sternocleidomastoideus (M. sc.), dorsal derprävertebrale M. longus colli (M. lc.), lateral der Schilddrüsedie A. carotis communis (ACC), zentral im linken Schilddrü-senlappen eine kleine Zyste (Pfeil).

Sonographischer Normalbefund

Die normale Schilddrüse zeigt eine glatte Außenkontur

(Kapsel), das Strukturmuster ist homogen und echodicht

im Vergleich zur echoarmen Muskulatur (M. sterno-

cleidomastoideus). Die Kapselgefäße sind B-Bild sono-

graphisch meist (Verbesserung durch Valsalvamanö-

ver) darstellbar, die intraglandulären Gefäße nur mit

hochauflösenden Sonden erkennbar.

Semiquantitative Informationen. Mit der Farbdoppler-

sonographie sind die zu- und abführenden und die in-

traglandulären Gefäße abgrenzbar. Sie liefert damit

wichtige Zusatzinformationen zur Durchblutung und

indirekt zur Funktion. Trotz standardisierter Geräte-

einstellung bleibt die Beurteilung subjektiv (semiquanti-

tative Information). Der „Normalbefund“ ist außerdem

schallkopf- und geräteabhängig. Jeder Untersucher

muss seine „Normalbefunde“ mit seinem Gerät ken-

nen.

Quantitative Informationen. Durch die Duplexsono-

graphie können quantitative Informationen erhalten

werden. Bestimmt wird die maximale systolische Ge-

schwindigkeit (Peak Systolic Velocity = PSV) in den zu-

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a

b

Abb.32.7 Schilddrüse. Sonographischer Normalbefund.a Linker Schilddrüsenlappen im Längsschnitt (Kreuze). Ven-

tral echoarme Halsmuskulatur dorsomedial die Pars cervi-calis des Ösophagus. Die Wandschichtung ist ventral guterkennbar. Dorsal des Ösophagus angedeutet die Halswir-bel.

b Querschnitt des linken Schilddrüsenlappens mit Isthmusventral der Trachea (TR). Das Strukturmuster der Schild-drüse ist homogen dicht im Vergleich zur echoarmen ven-tral abgebildeten Halsmuskulatur.

Abb.32.8 Lobus pyramidalis. Normalbefund.Längsschnitt durch einen kleinen Lobus pyramidalis (zwi-schen den Pfeilen cranial des Isthmus). Dorsal des Isthmussind Anteile des Kehlkopfes (Schildknorpel) erkennbar.

a

b

Abb.32.9 Kapselgefäße. Normalbefund.a Linker Schilddrüsenlappen im Querschnitt. Ventral im Be-

reich der Kapsel echofreie kleine Formation (Pfeile).b Im Valsalvamanöver eindeutig als Kapselvene zu erkennen

(Doppelpfeil). M. ST = M. sternocleidomastoideus, M.OMO = M. omohyoideus, VJ = V. jugularis, ACC = A. carotiscommunis.

führenden Arterien (A. thyreoidea inferior oder supe-

rior), deren Normalwerte liegen zwischen 20 und 40

(50 cm/s). Die von italienischen Autoren empfohlene

intraglanduläre Messung ist sehr störanfällig und noch

nicht ausreichend validiert. Empfohlen werden kleine

Messtore (2 – 3mm) und wegen eingeschränkter Win-

kelkorrektur jeweils 3 Messungen. Die PSV-Normal-

werte sind sehr variabel (3 – 6 – 10 cm/s), abhängig

vomMessort und auch vom Normalkollektiv.

Dorsomedial der linken Schilddrüse zeigen sich un-

ter leichter lateraler Kippung der Schallsonde die zervi-

kalen Anteile des Ösophagus. Beim Schluckakt bewegt

sich die Schilddrüse kranialwärts, der Ablauf der peris-

taltischen Welle durch den Ösophagus kann beobach-

tet werden (Abb. 32.7, 32.8 32.9, 32.10, 32.11, 32.12).

Volumenschätzung. Diese erfolgt nach der Nähe-

rungsformel

Länge � Breite � Tiefe � 0,5.

Die Volumina beider Schilddrüsenlappen und des

Isthmus werden addiert. Das Volumen des Isthmus

wird nach der gleichen Nährungsformel berechnet

(Tab. 32.5). Bei der Messung beträgt die Interobserver-

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Abb.32.10 A. thyreoidea superior. Normalbefund.Die A. thyreoidea superior verläuft nach Abgang aus der Ca-rotis externa kaudal zum oberen Schilddrüsenpol und lässtsich dort an der vorderen Kapsel farbdopplersonographischleicht abgrenzen. Die maximale systolische Geschwindigkeit(PSV = peak systolic velocity) wird bestimmt. PSV = 16,8 cm/sec.

Abb 32.11 A. thyreoidea inferior.Die A. thyreoidea inferior entspringt aus dem kurzen Truncusthyreozervikalis (3. Ast aus der A. subclavia), wendet sichnach medial und unterkreuzt (Pfeil) in Höhe des 6. Halswir-bels die Carotis communis (ACC) und erreicht die Schilddrüseam unteren Pol.

a b

Abb.32.12 Intraglanduläre Gefäße. Normalbefund.a Der Normalbefund ist abhängig von der Gerätequalität, der Frequenz der Schallsonde und auch vom Normalkollektiv (je

nach Jodversorgung unterschiedlich). Jeder Untersucher muss seine Normalbefunde mit seinem Gerät kennen. Eine standar-disierte Geräteeinstellung ist Voraussetzung. Die Untersuchung erfolgt im klassischen Farbdopplermodus oder wie im vorlie-genden Fall im Powermodus. TR = Trachea, M. SC = M. sternocleidomastoideus,ACC = A. carotis communis.

b Im Dopplermodus auf den Schallkopf zulaufendes Gefäß, das duplexsonographisch sicher als Arterie beurteilt werden kann.Die PSV liegt bei 15mm/sec.

Tabelle 32.5 Normalwerte der Schilddrüsenvolumina beimäßiger Jodversorgung

A Neugeborene < 1,5ml

A 1 – 4-jährige < 3ml

A 6 – 10-jährige < 4ml

A 11 – 14-jährige < 8ml

A Frauen < 18ml

A Männer < 25ml

variation 3 – 13 %. Auch die „Normalmaße“ variieren

stark (Breite 1 – 3 cm, Tiefe 1 – 1,7 cm, Länge 4 – 7 cm).

Entscheidend sind die Volumina, nicht die Einzelmaße.

Differenzialdiagnose sonographischerSchilddrüsenveränderungen

Eine Schilddrüsenerkrankung kann bei sonographischem

Normalbefund mit hoher Sicherheit ausgeschlossen

werden.

Diffuse und fokale Schilddrüsenveränderungen. Diese

können anhand ihrer Echogenität differenziert werden.

Das Echomuster wird bei fokalen Veränderungen mit

dem normalem Schilddrüsengewebe, bei diffusen Ver-

änderungen mit der Halsmuskulatur (M. sternocleido-

mastoideus) verglichen (Tab. 32.6).

Morphologie und Funktion. Die B-Bild-sonographische

Realtime-Beobachtung der Schilddrüse (Pulsatilität,

Kompressibilität, Schluckverschieblichkeit) ermöglicht

in vielen Fällen nicht nur die Beurteilung der Morpho-

logie, sondern gibt auch – zusammen mit klinischen

Befunden wie basalem TSH – Hinweise auf die Funk-

tion: z. B. kleine SD-Volumina bei Hypothyreose (häufig

im Alter!), Darstellung einer kleinen echoarmen Schild-

drüse bei fortgeschrittener Hashimoto- oder bei Strah-

lenthyreoiditis oder ferner eine vergrößerte, echoarme,

pulsierende Schilddrüse bei M. Basedow. Weitere Infor-

mationen zur Funktion werden durch die Farbdoppler-

sonographie mit der Darstellung der Vaskularisation

erzielt.

Sensitivität und Spezifität. Die Sensitivität der Farb-

dopplersonographie ist durch verbesserte Gerätetechnik

in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Spezifität

(Unterscheidung benigne – maligne, hormonaktive –

inaktive Knoten) ist jedoch nicht ausreichend. Die Zu-

ordnung sonographisch erhobener pathologischer Be-

funde zu den unterschiedlichen Krankheitsbildern er-

fordert deshalb Zusatzinformationen aus Anamnese,

klinischem Befund und Laborwerten und ist wesentlich

abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Zur end-

gültigen Diagnosesicherung kann die sonographisch

gezielte Feinnadelpunktion notwendig sein.

Anomalien und Fehlbildungen. Agenesie, Hemiagene-

sie, Hypoplasie und Ektopie sind in der Regel einfach

darstellbar. Bei Ektopien ist die Szintigraphie zu bevor-

zugen.

Schilddrüsenerkrankungen

n Struma

Die Struma ist definiert als Organvergrößerung. Haupt-

ursache ist ein alimentärer Jodmangel. Seltener ist eine

Schilddrüsenvergrößerung bei Hyperthyreose, Entzün-

dungen und Tumoren (Tab. 32.7) zu finden.

Struma diffusa

Sie ist die häufigste Schilddrüsenerkrankung. Sie mani-

festiert sich bei Jugendlichen und im jungen Erwachse-

nenalter (Prävalenz in Deutschland 10 – 20 % der 20 –

30-jährigen). In Endemiegebieten ist alimentärer Jod-

mangel die Hauptursache.

Leitsymptome sind Globusgefühl, „dicker“ Hals, Schluck-

störungen, Dyspnoe und Hustenreiz (Tab. 32.8). Die pal-

patorisch vergrößerte Schilddrüse ist weich, die Schild-

drüsenfunktion ist normal (normales basales TSH).

Sonographie. Sonographisch ist die vergrößerte Schild-

drüse glatt begrenzt, das Strukturmuster ist homogen

dicht oder leicht echogenitätsvermehrt (Struma diffusa

colloides, Abb. 32.13).

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Tabelle 32.6 Sonomorphologie diffuser und fokaler Schild-drüsenveränderungen

Diffuse Veränderungen Fokale Veränderungen

Normale Binnenstruktur

A Struma diffusaparenchymatosa

A selten Morbus Basedow

echofrei

A Zyste

Echoarme Binnenstruktur

A M.Basedow

A Hashimoto- Thyreoiditis

A Postpartum Thyreoiditis

A Thyreoiditis de Quervain(meist fokal)

echoarm

A Adenom

A maligner Tumor

A Einblutung, Abzess

A Thyreoiditisde Quervain

Echodichte Binnenstruktur

A Struma diffusa colloides

A Amyloidablagerung

echodicht

A Adenom

A Fibrose, Kalk

Tabelle 32.7 Differenzialdiagnose Schilddrüsenvergrößerung

A Endemische Struma (parenchymatosa et nodosa)

A Hyperthyreose (M. Basedow, Knotenstruma)

A Thyreoiditis (Autoimmunthyreoiditis, Post-partumThyreoiditis, subakute Thyreoiditis de Quervain)

A Amyloidose

A Tumoren

Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnostisch sind ein

echogener Morbus Basedow (vermehrte Vaskularisa-

tion, erhöhte PSV = maximale systolische Geschwindig-

keit) und eine diffuse Amyloidablagerung in der Schild-

drüse (vergrößerte, vermehrt echogene Schilddrüse)

abzugrenzen.

Sind sonographisch knotige Schilddrüsenverände-

rungen ausgeschlossen und liegt der TSH-Spiegel im

Normbereich, werden Jod und/oder Schilddrüsenhor-

mone substituiert. Nach einem Jahr erfolgt eine Kon-

trollsonographie (Tab. 32.9).

Struma nodosa

Bei länger bestehendem Jodmangel kann sich bei geneti-

scher Disposition nach Jahren eine Struma nodosa ent-

wickeln mit multiplen Knotenbildungen (knotige Hyper-

plasie, echte Adenome) und regressiven Veränderungen

(zystische Degeneration, Fibrosierungen und Verkal-

kungen). Die Größenzunahme kann beträchtlich sein.

Durch lokale Verdrängung entsteht zunächst eine

Verlagerung von Trachea und/oder Ösophagus, später

resultiert eine obere Einflussstauung. Hier besteht eine

Indikation für die konventionelle Röntgenzielaufnahme

der Trachea, am besten mit „Breischluck“ zur Ösopha-

gusdarstellung.

Sonographie. Sonographisch ist die Organkontur unver-

ändert glatt begrenzt mit knotigen Vorwölbungen (Abb.

32.14). Retrosternale Anteile können mit angulierten

Schnittführungen mit sektorförmigen Schallsonden er-

fasst werden. Zur Organausmessung und Dokumenta-

tion sind niederfrequente Schallsonden (5 MHz) mit

größerer evtl. gebogener Auflagefläche günstig. Vor-

teile bieten moderne Schallsonden mit elektronischer

Umschaltmöglichkeit zu einem trapezförmigem Bild.

Die Volumenbestimmung wird mit zunehmender

Größe von Schilddrüse und Knoten und bei größeren

retrosternalen Anteilen ungenauer (Abb. 32.15). Große

Strumen sind mit zusammengesetztem Bild oder bes-

ser in Panoramatechnik exakt zu vermessen, wenn die

Schilddrüsenlänge die Abmessung der Transducer

überschreitet.

Schilddrüsenknoten

Die Prävalenz der polpakten Knoten liegt bei 20–30 %,

sonographisch werden derzeit Knoten bei 50–70 % der

erwachsenen Bevölkerung gefunden. Die Mehrzahl die-

ser Knoten werden als Zufallsbefunde entdeckt und

sind harmlos.

Schilddrüsenknoten zeigen eine große Echovielfalt.

Sie können echoärmer, echogleich oder echoreicher als

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Tabelle 32.8 Ursachen für Globus/Fremdkörpergefühl

A Psychogen

A Struma

A Thyreoiditis

A extrathyreoidale Ursachen

Abb.32.13 Struma diffusa.Längsschnitt des vergrößerten linken Schilddrüsenlappensmit normaler Echotextur (Vergleich mit echoarmer ventralgelegener Muskulatur). Eine vermeintliche Echogenitätsver-mehrung mit deutlicher Kontrastanhebung ist durch die har-monische Bildgebung bedingt. Die Curved-array-Schallsonde(8MHz) ermöglicht die fast vollständige Darstellung undAusmessung des Organs.Volumen des linken Schilddrüsenlappens: 1 � 2 � Länge(8,53 cm) � Breite (2,82) � Tiefe (2,97 cm) = 35,72ml. WK =Wirbelkörper.

Tabelle 32.9 Basisdiagnostik bei Struma

A Anamnese und klinische Untersuchung

A Labor (TSH basal, evtl. CRP)

A Sonographie

Abb.32.14 Struma nodosa.Rechter Schilddrüsenlappen im Längsschnitt mit Panorama-bilddarstellung (Sie-Scape, Fa. Siemens). Vollständige Abbil-dung des vergrößerten rechten Schilddrüsenlappens (7,85 cm).Multiple, teils zystisch zerfallende, echogleiche und echorei-chere teils inhomogene Knoten mit maximalem Durchmes-ser von 1,5 cm. Der dominante Knoten (Pfeil) zeigt keineMalignitätszeichen. Eine diagnostische Punktion ist nicht not-wendig. Bei unauffälliger Anamnese ist eine Kontrollsonogra-phie in einem Jahr ausreichend.

das umgebende Schilddrüsenparenchym sein, häufig

sind Mischtypen. Durch regressive Veränderungen, die

auch in normal großen Schilddrüsen zu finden sind,

entsteht zusätzlich ein inhomogenes sonographisches

Bild (Abb. 32.17).

Zystische Degenerationen. Diese zeigen sich als echo-

freie, teils unregelmäßig begrenzte Formationen mit

distaler Schallverstärkung. Einblutungen führen zu

echogenen Septierungen, Koagel zu polypösen Forma-

tionen. Farbdopplersonographisch sind solche Bezirke

durch die fehlende Vaskularisation von soliden Struk-

turen zu unterscheiden. Davon abzugrenzen ist ein zys-

tisch zerfallenes Adenom (Abb. 32.51).

Fibrosierungen und Verkalkungen stellen sich sono-

morphologisch als echodichte Strukturen teils mit dor-

saler Schallschattenbildung dar (Abb. 32.16).

Malignitätsrisiko. Das Problem der Diagnostik besteht

darin, unter der großen Zahl der benignen Knoten die

seltenen Malignome (< 0,190) herauszufinden. Es gibt

zwar keine sicheren sonographischen Malignitätskrite-

rien, jedoch weisen bestimmte Merkmale (Echointen-

sität, Echoverteilung, Umgebunsbegrenzung) auf die

Dignität eines Knotens hin und erlauben eine „Risiko-

stratifizierung“:

A Knoten mit homogenem echofreiem, echogleichem

oder echoreicherem Reflexmuster haben ein Karzi-

nomrisiko unter 0,1 – 1 %. Eine Feinnadelpunktion

ist hier nur bei einem erhöhten Risikoprofil für ein

Schilddrüsenkarzinom notwendig (s. u. „Schilddrü-

senkarzinom“ und Tab. 32.15).

A Knoten mit einem echoarmen Reflexmuster haben

ein Karzinomrisiko von 5 – 15 %. Liegen bei erhöh-

tem Risikoprofil sonographische Malignitätskriterien

(Tab. 32.15) vor, ist ein Malignom wahrscheinlich (s.

Kapitel „Schilddrüsenmalignome“). Bei echoarmen

Knoten sollte die Indikation zur Feinnadelpunktion

großzügig gestellt werden (Abb. 32.18, Tab. 32.10).

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Abb.32.15 Riesiger rechtsseitiger Knotenkropf.Palpatorisch weicher faustgroßer Kropf rechts. TSH basal imNormbereich. Die Panoramabilddarstellung ermöglicht diegesamte Organdarstellung im Querschnitt. Der linke Schild-drüsenlappen zeigt ein normales Strukturmuster ohne Volu-menvergrößerung. Die ventrale Halsmuskulatur ist abgrenz-bar. Die rechte Schilddrüse weist nur noch im Isthmusbereicheine weitgehend normale Struktur auf. Der übrige Schilddrü-senlappen ist echoarm verändert und besteht aus einemknotigen Gebilde mit Durchmesser von 10 � 8 � 10 cm. Derpalpatorisch weiche Knoten ist unter dem Schallkopf pud-dingartig verformbar. Farbdopplersonographisch zeigt sichder linke Schilddrüsenlappen und auch der Isthmusbereichnormal durchblutet. Im Bereich des rechten Schilddrüsenlap-pens sind nur ganz peripher Kapselgefäße detektierbar.Bei Beschwerdefreiheit wurde eine Operation vom Patientenabgelehnt. Trotz insgesamt fehlender Malignitätshinweise (ne-gative Familienanamnese, langsames Wachsen über Jahre)wurden aus Sicherheitsgründen bei der ausgeprägten Echoar-mut Aspirationspunktionen durchgeführt. Zentral konnte blu-tiges Sekret abgesaugt werden. Die peripheren soliden Kno-tenanteile wurden als regressive Veränderungen interpretiert.Abschlussdiagnose: großer regressiv zerfallender rechtsseiti-ger Schilddrüsenknoten mit chronischer Einblutung.

Abb.32.16 Struma nodosa.Ein „Kalkknoten“ (Kreuze 1) mit kräftiger dorsaler Schall-schattenbildung. Daneben ist im rechten Schilddrüsenlappenein echogleicher Knoten (Kreuze 2) mit echoarmem Rand-saum (Pfeil) erkennbar (Durchmesser 1,5 cm). Die übrigeSchilddrüse mit ganz normalem homogenem Binnenreflex-muster. Eine diagnostische Punktion der Knoten ist nicht not-wendig.

Abb.32.17 Regressive Schilddrüsenknoten.Linker Schilddrüsenlappen im Längsschnitt. Zwei echoglei-che, etwas inhomogene, weiche Knoten mit kleinzystischenArealen. Der rechte Knoten weist einen kompletten echoar-men Randsaum auf. Eine Durchblutung (Powerdoppler) istnur im Randsaum der beiden Knoten nachweisbar; bei nor-malem TSH basal sind regressive Veränderungen sehr wahr-scheinlich.

A Ein vollständiger echoarmer oder echofreier Rand-

saum in mehreren Schnittebenen ist dagegen ein

relativ sicheres Benignitätskriterium! (s. Kapitel

„Schilddrüsenadenome“ und Abb. 32.19).

Knoten werden in 3 Ebenen vermessen, topographisch

zugeordnet und dokumentiert.

Klinische Vorgehensweise bei einer Knotenstruma. Nurca. 20 % aller Patienten mit einer Knotenstruma benöti-

gen eine operative Therapie. Eine abwartende Haltung

mit Verlaufssonographie alle 6 – 12 Monate ist berech-

tigt bei

A negativer Familienanamnese für ein SD-Karzinom

A fehlender Bestrahlung der Halsregion

A einer Knotengröße < 1,5 cm

A fehlenden Malignitätskriterien (Tab. 32.15)

„Dominante“ Knoten (groß, auffällig) werden genau in-

spiziert und nach den unten genannten Malignitätskri-

terien (Tab. 32.15) beurteilt. Suspekte Knoten sollten

immer diagnostisch punktiert werden (Tab. 32.16)!

Schilddrüsenzysten

Vorwiegend handelt es sich um Pseudozysten durch

regressive Veränderungen. Echte, mit Epithel ausge-

kleidete Zysten sind in der Schilddrüse selten. Die Zys-

ten werden meist zufällig gefunden, manchmal auch

als „akute Schilddrüsenzysten“ bei Schmerzen und

Schwellung (Abb. 32.20).

Sonographie. Sonographisch zeigen sich 2mm bis

mehrere cm große rundlich bis ovale, glatt begrenzte

echofreie Bezirke, teils mit echogenen Septenbildun-

gen. Frische Einblutungen führen zu Binnenechos, die

bei kleinen Zysten echoarme Tumoren vortäuschen

können. Farbdopplersonographisch ist typischerweise

keine Durchblutung detektierbar, so dass ausgeprägt

echoarme Tumoren (z. B. Lymphome) und auch zys-

tisch zerfallende Knoten (hormon- und nicht hormon-

aktive Adenome) differenziert werden können (Abb.

32.21 und 32.51). Zystisch zerfallende autonome Ade-

nome können durch Nachweis eines echoarmen vas-

kularisierten Randsaumes vermutet bzw. erkannt wer-

den.

Bei unklarem Befund ist eine Feinnadelpunktion in-

diziert. Bei einer akuten Einblutung führt das Absaugen

des Zysteninhalts zur Schmerzfreiheit (Abb. 32.22).

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Abb.32.18 Follikuläre Neoplasie.Als Zufallsbefund zeigte sich ein solitärer, unscharf begrenz-ter, echoarmer, inhomogen vaskularisierter Knoten (Durch-messer 1 cm) im rechten Schilddrüsenlappen. Eine Schilddrü-senautonomie ist bei fehlendem Randgefäß und TSH basalim Normbereich unwahrscheinlich. Eine Aspirationspunktionwurde veranlasst und zytologisch eine follikuläre Neoplasiebeschrieben. Es erfolgte eine subtotale Schilddrüsenresektionrechts. Abschlussdiagnose: follikuläres SD-Karzinom.

a

b

Abb.32.19 Benigner Schilddrüsenknoten.a Als Zufallsbefund wurde ein echogleicher solitärer Schild-

drüsenknoten (Durchmesser 6mm) im linken Schilddrü-senlappen entdeckt. B-Bild-sonographisch ist ein vollstän-diger echogener Randsaum (Pfeil) als Benignitätszeichenerkennbar.

b Farbdopplersonographisch zeigt sich dementsprechendein komplettes Randgefäß, außerdem im Knoten eine peri-phere und zentrale Vaskularisation. Ohne zusätzliche Funk-tionsparameter (TSH basal) kann nicht zwischen einemhormon- und einem nicht hormonproduzierenden Ade-nom unterschieden werden. Hier war bei einem TSH basalim unteren Normbereich eine Autonomie sehr wahrschein-lich. Bei einer solchen Konstellation ist eine Szintigraphiebei der Klarheit des Befundes nicht notwendig. Eine Ver-laufsbeobachtung mit TSH-Kontrolle in halbjährlichen Ab-ständen ist zu empfehlen. Exzessive Jodgaben (Kontrast-mittel, Medikamente) sollten vermieden werden. Bei einemweiteren Absinken des TSH basal ist eine ablative Therapiez. B. Alkoholinjektion (einschließlich diagnostische Punk-tion) oder eine operative Resektion angezeigt.

Tabelle 32.10 Erweiterte Strumadiagnostik

A Feinnadelpunktion

A Szintigraphie

A Tracheazielaufnahme

Schilddrüsenadenome

Schilddrüsenadenome sind epitheliale Neubildungen

im Gegensatz zu den reaktiven adenomatösen Knoten

bei Knotenstrumen. Follikuläre Adenome treten meist

solitär auf.

Adenome haben eine Kapsel, sind also gegenüber

der Umgebung glatt abgegrenzt. Endokrin aktive auto-

nome Adenome (szintigraphisch hyperfunktionelle

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Abb.32.20 „Akute“ Schilddrüsenzyste.Klinisch akute schmerzhafte Schwellung im Bereich des rech-ten Schilddrüsenlappens. Sonographisch glatt begrenzte,fast echofreie Raumforderung (Durchmesser 3 � 2,5 � 3 cm).B-Bild-sonographisch sind langsam sedimentierende Binnen-echos nachweisbar, peripher auch koagelartige echogeneGebilde. Farbdopplersonographisch sind Farbpixel zu erken-nen, die bei oberflächlicher Betrachtung als Durchblutungfehlgedeutet werden können. Eine Entlastungspunktion wur-de durchgeführt.

a

b

Abb.32.21 Hochmalignes Non-Hodgkin-Lymphom derSchilddrüse.a In verbackenem rechtsseitigen Halslymphknoten Non-

Hodgkin-Lymphom bioptisch gesichert. Im Querschnittdes linken Schilddrüsenlappens sind mehrere fast echo-freie fokale Herde mit Durchmesser 2 bis 4mm zu erken-nen (X). B-Bild-sonographische Verdachtsdiagnose regres-siver Zysten.

b Nach Zuschaltung des Powerdopplers (Colourdoppler Ener-gy) lässt sich ein Knoten (Kreuze 1) als Zyste, ein zweiterKnoten (Kreuze 2) als gut durchblutete echoarme Raum-forderung differenzieren. Die Feinnadelpunktion des vas-kularisierten Knotens ergab ein Lymphom.

a

b

c

Abb.32.22 Schilddrüsenzyste. Sklerosierung durchAlkoholinjektion.a 30-jährige Patientin mit Schluckbeschwerden und Druck-

gefühl im Bereich der rechten Schilddrüse. Nach Abpunk-tion der Schilddrüsenzyste bestand Beschwerdefreiheit. DieNadelspitze zeigt sich als echogener Doppelreflex (Pfeil).

b Die entleerte Zyste ist durch einen schmalen Streifen nor-malen Schilddrüsengewebes von der A. carotis communisgetrennt; eine Alkoholinjektionstherapie war daher mitvertretbarem Risiko möglich.

c 5ml 96 %-igen Alkohols wurden bei liegender Nadel in dieZyste injiziert. Ausbildung des typischen echogenenSchneegestöbers (Pfeile). Die Verlaufsbeobachtung nacheinem Jahr zeigte kein Rezidiv.