teppiche im sogenannten kleinen holbein-muster

13
Staatliche Museen zu Berlin -- Preußischer Kulturbesitz Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster Author(s): Brigitte Scheunemann Source: Forschungen und Berichte, Bd. 2 (1958), pp. 68-79 Published by: Staatliche Museen zu Berlin -- Preußischer Kulturbesitz Stable URL: http://www.jstor.org/stable/3880396 . Accessed: 24/06/2014 23:07 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Staatliche Museen zu Berlin -- Preußischer Kulturbesitz is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Forschungen und Berichte. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Upload: brigitte-scheunemann

Post on 31-Jan-2017

216 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

Staatliche Museen zu Berlin -- Preußischer Kulturbesitz

Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-MusterAuthor(s): Brigitte ScheunemannSource: Forschungen und Berichte, Bd. 2 (1958), pp. 68-79Published by: Staatliche Museen zu Berlin -- Preußischer KulturbesitzStable URL: http://www.jstor.org/stable/3880396 .

Accessed: 24/06/2014 23:07

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Staatliche Museen zu Berlin -- Preußischer Kulturbesitz is collaborating with JSTOR to digitize, preserve andextend access to Forschungen und Berichte.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

TEPPICHE

IM SOGENANNTEN KLEINEN HOLBEIN-MUSTER

Brigtte Scheunemann

Diesen irrefiihrenden Namen verdankt eine im 15. und i6. Jahrhundert in Kleinasien zahlreich angefertigte Teppichgattung ihrem wiederholten Vorkommen auf Gemiilden Hans Holbeins d. J. Im Besitz der Staatlichen Museen ist sie in mehreren Exemplaren vertreten, die eine beim Einzelstfick

schwer zu treffende differenzierte zeitliche Einordnung durch einen stilkritischen Vergleich moglich scheinen lassen.

Das Gliederungsprinzip ihrer Teppichfelder verandert sich nicht. Unterschiede bestehen nur in Einzelheiten der Zeichnung und dem Kolorit. Medaillons von anniihernd achteckiger Form mit einem innercn Stern, die durch verflochtenes Bandwerk konturiert werden, sind in waagerechten und senkrechten Folgen gleichmaBig iiber das Feld verteilt. Im Rhythmus der versetzten Reihen werden sie von Rautenfeldern, die aus entnaturalisiertem Rankenwerk symmetrisch aufgebaut sind, unter-

brochen. Kleine Sterne stehen in horizontaler Richtung einzeln, in vertikaler paarweise zwischen den Achtecken. Die am Feldrand oft beliebig abgeschnittenen Oktogone und rhombischen Rankenfelder bezeugen, daB das kleine Holbein-Muster nicht den jeweiligen MaBen des Teppichs entsprechend ins Feld komponiert wurde, sondern als willkiirlich gewahlter Teil eines ins Unendliche fortgesetzt zu denkenden Flachenmusters betrachtet werden will. - Meist dient verschlungenes Bandwerk, das in wenigen friihen Beispielen das einstige Vorbild des Flechtkufi noch erkennen laBt, als Borten- schmuck. Andere Beispiele geometrischen Dekors sind selten, nur mitunter saumen Kartuschen-, Stern- oder Rautenmuster das Teppichfeld. Pflanzlicher Dekor ist, meines Wissens, an Originalen gar nicht iiberliefert. DaB er jedoch vereinzelt vorgekommen sein muB, ja, vermutlich sogar das erste Bortenornament der Gattung war, beweisen die wenigen Darstellungen von Rankenorna- menten im Bortenstreifen kleingemusterter Holbein-Teppiche auf Gemalden des Quattrocento oder Arbeiten der fruihen Niederlinder. Unter ihnen befindet sich die friiheste bekannte Wiedergabe eines Teppichs unserer Gattung auf dem Werk des Piero della Francesca ,,Sigismondo Pandolfo Malatesta kniet vor dem hl. Sigismund" zu San Francesco in Rimini aus dem Jahre 145 1.

An den Anfang der Gruppe kleingemusterter Holbein-Teppiche im Besitz der Berliner Museen muB ein Fragment gestellt werden (J 6737), das Kurt Erdmann2 auf Grund seines Bortenmusters, in

1 Hans Graber, Piero della Francesca, Basel I920, Tafel 9. 2 Kurt Erdmann, Ein Teppichfragment des I5. Jahrhunderts, Berliner Museen LXI, 1940, S. 48ff.

68

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

AL_

I04.0d

I

m

I

6

Mr::

IIL

I

I

I

F!s Io,

a No

I

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

dem sich die Herkunft vom Schriftvorbild deutlich spiegelt, mit Recht in die zweite Hailfte des fiinfzehnten Jahrhunderts

verwiesen hat (Abb. 2). Die Wiedergabe desselben Ornaments auf einem kleingemusterten Holbein-Teppich, den Andrea Mantegna seiner I 460 beendeten Darstellung der thronenden Madonna in San Zeno Maggiore3 beigab, wird von ihm zur Bekraftigung dieser Ansetzung herangezogen. Am Original und auf der Wiedergabe sind die Achtecke im Teppichfeld ausnahmslos weil3grundig, so daB Erdmann die Frage erhebt: lst die Einfarbigkeit der Achtecke oder - noch weiter ein- geschrankt - ist die Aufreihung weiBer Achtecke bezeich- nend fur die friihen kleingemusterten Holbein-Teppiche? Eine endguiltige Beantwortung dieser Frage ist bis heute nicht m6glich. Kann die genannteWiedergabeeines kleingemuster- ten Holbein-Teppichs von Piero della Francesca nicht durch eine noch zeitiger entstandene Nachbildung des Typus mit Achtecken in derselben Farbe aus ihrer exponierten Stellung als friihestes Belegbeispiel fur die Gattung verdraingt werden, muB sie, allerdings unter Vorbehalt, verneint werden; in dem I 45 I entstandenen Bild sind verschiedenfarbige Achtecke mit dem friihen, vegetabilen Bortenornament kombiniert.

Abb. 2. Fragment eines sogenannten klein- Der naichste Teppich (J i i) ist verschollen (Abb. i). Auf gemusterten Holbein-Teppichs . Berlin seinem dunkelblauen Feldgrund wechseln rote und weiBe

Staatliehe Museen (I. 6737) Achteckmedaillons. Ihren inneren Achtecken und den kleinen

flankierenden Oktogonen ist jeweils ein acht- oder sechzehnstrahliger Stern eingezeichnet. Die Rauten- felder unterscheiden sich darin, daB ihre innerenRankensysteme, die jedes fur sich einheitlich koloriert sind, in den Farben wechseln und so, je nach Kraft der Farbe, das eine oder das andere starker hervor- tritt. Der iiuBere Rankenkranz bleibt unverandert und sichert damit den ruhigen Gesamteindruck. WeiBes Bandwerk, das dem Schriftvorbild schon weitgehend entfremdet ist, erstreckt sich iiber die Borte. Eine Folge verzahnter Motive, die in ihrer Grundform dem Buchstaben S ahnlich sehen, bedeckt den inneren Begleitrand. Die glatt abgeschlossenen AuB3enkanten der Langseiten lassen mit Sicherheit an- nehmen, daB der sonst ubliche aiuBere Begleitrand nie vorhanden war. Dieselbe Kombination von Borten- und Begleitrandmuster kehrt an dem Teppich auf einem Bild der thronenden Madonna mit Engeln und Heiligen von Raffaelino del Garbo (Berlin, Staatliche Museen, Gemiildegalerie), das am Ende des I5. Jahrhunderts entstand, wieder (Abb. 3). Es gibt den terminus ante quem. DaB der Bortendekor aber nur einen ungefahren Anhaltspunkt fur die Datierung bieten kann, erklart sich aus der Tatsache, daB nicht nur Raffaelino del Garbo dieses Flechtornament abgebildet hat. Es wurde wahrend des ganzen I 6. Jahrhunderts dargestellt und beschlieBt sogar einen Teppich, mit dem Justus Suttermans noch I 6 5 5 ein Damenportrat ausstattete4. Dennoch konnen wir mit Beriicksichtigung des Felddekors, dessen so vollkommene und ausgeglichene Ornamentfuhrung hochste Qualitiit verkorpert, unseren Teppich spiitestens um die Zeit der Wende vom I 5. zum i6. Jahrhundert ansetzen.

3 Fritz Knapp: Andrea Mantegna, Stuttgart und Leipzig I9IO, Tafel 79. & Onze Kunst I915, Teil I, S. 43.

70

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 5: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

Ein Fragment aus dem Kunstgewerbemuseum (KGM 86, II72) schlieBt an (Abb. 4). Auf das

Feldmuster braucht nur kurz eingegangen zu werden, weil es sich in der Zeichnung wenig von dem

des vorangegangenen Teppichs unterscheidet. Den 31/2 Achtecken in der Breite und 7 in der Lange, die dort das Feld ausfiillten, stehen hier 5 Achtecke in der Breite gegeniuber. Die Linge ist schwer zu ergiinzen, wird aber bei 52/2 Achtecken, die das Fragment schon betragt, mindestens 7, vermutlich

sogar 9 Achtecke eingeschlossen haben; eine ungewohnlich hohe Zahl. Zwei bis drei Achtecke in der Breite und drei bis sieben in der Lange stellen den Normalfall dar, der im Original und in Wieder-

gaben auf Gemiilden reichlich vorliegt. Zwei gleichschenklige Kreuze, die derart uibereinander gelegt

w~~~~~~~~~~~~~~M t _ PM _ I _

Abb. 3. Sogenannter kleingemusterter Holbein -Teppich, auf: Raffaclino del Garbo

,,,Thronende Madonna mit Engeln und Heiligen" (Berlin.- Staatliche Museen).- Ende 15. Jh.

sind, daB sie einen Stern, der von einem Achteck umschlossen ist, formen, wiederholen sich in den Achteckmedaillons als zentrales Motiv. Die Farbgebung hIBt diesen Vorgang nicht immer kiar erkennen. Dem Feld mangelt es an Ausgeglichenheit, die den vorigen Teppich so besonders schiitzens- wert sein lieB. Daran ist nicht der zweifellos schlechtere Erhaltungszustand schuld, sondern die Ver-

teilung der Farben. Ihr stiindiger Wechsel in den Rautenfeldern, dem auch der iiufere Rankenkranz

einbezogen ist, verwischt die ruhige Kontur und den Eindruck der streng zweifach axialen Aus-

richtung. Damit verliert der Feiddekor gleichzeitig die sekunduir ausgebildete Gliederung in

Quadrate mit eingeschlossenen Achteckmedaillons und das ordnende Prinzip in seinem Fliichendekor. Drei Ornamentstreifen sind zur Borte vereint.CUber den mittleren erstreckt sich eine Kartuschenkette, die durch kleine, in Viertel unterteilte Rauten mit vier kelchf6rmig ge6ffneten Ansiitzen verbunden ist. Ihre Felder enthalten einzelne Rosettbluiten. Dieses Bortenornament findet, abgesehen von den vegetabilen Endigungen der zwischengestellten Rauten, eine genaue Parallele auf dem kleingemusterten Holbein-

Teppich, den emn Gemiilde aus dem Dom zu Florenz vom Ende des i 5. jahrhunderts wiedergibt

7'

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 6: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

Abb. 4. Fragment eines sogenannten kleingemusterten Holbein -Teppichs Berlin.* Staatliche Museen (KGM 8 6, I 172)

.IA'

# ttt ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ d

s fA'. sN ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ISIWuG 3~~~~~~~-wC Ati -Fwm

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 7: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

(Abb. 5). Hier steht es neben einem gleichbedeutenden, aus der Schrift hergeleiteten Bandorna- ment. Ein groBgemusterter Holbein-Teppich aus dem Besitz unseres Islamischen Museums5 zeigt es in Gemeinschaft mit zwei Bandornamenten. Man mochte daraus entnehmen, daI3 die schmale Kartuschenkette nicht als selbstiindiger Bortendekor auftrat, sondern nur in Begleitung anderer Ornamentstreifen Verwendung fand. An unserem kleingemusterten Holbein-Teppich wird sie von zwei gleichen Bandmustern flankiert, die nur noch fluichtig das Schriftvorbild spiegeln. Auch hierfuir halt die Quattrocento-Malerei ein entsprechendes Beispiel bereit, das in dem Bortenstreifen des groB- gemusterten Holbein-Teppichs auf dem I486 gemalten Verkuindigungsbild von Carlo Crivelli (London, National Gallery)6 iberliefert ist. Ihm zufolge darf man annehmen, daB auch dieses Borten- ornament nur in Gesellschaft eines zweiten Musters gebrauchlich war. Die unruhige Feldzeichnung scheint bereits ein Stadium beginnenden Verfalls anzuzeigen. Daher darf fur das Original, trotz der Bortenstreifen, die eine Datierung in das Ende des I 5. Jahrhunderts rechtfertigten, erst die erste Halfte des i6. Jahrhunderts als Zeitpunkt der Entstehung angenommen werden.

DaB im Laufe der Entwicklung ein Bruch mit der bisher tiblichen Feldaufteilung - weniger mit der Zeichnung - stattfand, bringt ein gut erhaltenes Exemplar aus dem Kunstgewerbemuseum zum Aus- druck (KGM 82, 894) (Abb. 6). Es ist in anniihernd quadratische Felder gleicher Gr6Be zerlegt, die in zwei Grundfarben, Rot und Grin, wechseln. Darauf stehen einzeln die Achteckmedaillons. Die Rauten sind zerfallen, ihr Rankenwerk paBt sich in Vierteln dem Farbbild des zugrunde liegenden Feldausschnittes an. So gewinnt man den Eindruck, die Flache sei primar in etwas iiberhohte Quadrate mit Achteckmedaillons in ihrer Mitte aufgeteilt, die sekundiir durch die Abgrenzung von vier drei- eckigen Rankenfeldern in Achtecke umgewandelt werden. DaB der Ornamentablauf aber nicht in dieser Weise erfolgte, geht aus der Einleitung hervor; ein anatolisches Teppichfragment des I3. Jahr- hunderts7, dessen Feld durch Oktogone in versetzten Reihen gegliedert ist, enthebt uns aller Zweifel daran. Bandverflechtungen wie auf dem Madonnenbild des Raffaelino del Garbo vom Ende des I 5. Jahrhunderts umsiiumen das Feld. Uber die beiden Begleitriinder ziehen magere Ranken hin, die von kleinen Quadraten oder liegenden S-Mustern unterbrochen sind. Eine schachbrettartige Feldaufteilung ist bei den kleingemusterten Holbein-Teppichen, wie schon erwahnt, charakteristisch fur eine spate Entwicklungsstufe und spricht in unserem Falle gegen eine Entstehung im I 5. Jahrhundert, die wiederum das Bortenornament moglich scheinen lieBe. Die friiheste einwandfrei zu identifizierende Schilderung eines Teppichs dieser Art hat, meines Wissens, Dosso Dossi in der ersten Halfte des i6. Jahrhunderts auf dem Bildnis eines Adligen (Rom, Galerie Cervini) (Abb. 7) gegeben. Dieser Termin mag auch der Entstehungszeit des Exemplars aus dem Kunstgewerbemuseum naherkommen. Nach einem Vergleich mit dem zuvor beschriebenen Fragment glaubt man allerdings, ihn auf Grund der disziplinierteren Feld- und Bortengestaltung friiher als dieses, dem verschollenen Teppich folgend, ansetzen zu miissen.

Der Wechsel zwischen grin- und rotgrundigen Rechtecken im Feld laBt das Fragment aus dem Islamischen Museum (J 37) (Abb. 8) im voraus als Erzeugnis des i 6. Jahrhunderts werten. Das Flecht- band im Bortenstreifen steht, wie gew6hnlich, weiB auf rotem Grunde. Man kann unschwer seine Herkunft von dem Bandornament, das u. a. Raffaelino del Garbo auf dem Berliner Madonnenbild

5 Ernst Kiihnel, Ein neu erworbener Holbein-Teppich, Berliner Museen LI, 1930, S. I40 ff. 6 Raimond van Marle: The Development of the Italian Schools of Painting, Vol. XVIII, den Haag I936, Fig. 27. 7 Wilhelm von Bode und Ernst Kishnel, Vorderasiatische Knupfteppiche aus alterer Zeit, 3. Auflage I922, Abb. 6i; 4. Auflage,

Braunschweig i195, Abb. I.

10 73

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 8: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

schilderte, erraten. Glieder, die dort noch e~ 77

miteinander verflochten waren, sind jetzt, t unter Zwischenschaltung eines x-formigen _ Motives, vereinfachend aneinandergereiht. Den engen zeitlichen Zusammenhang beider Arten macht eine Ornamentunterbrechung im oberen Drittel des Bortenstreifens deut- lich, die nicht durch Reparatur entstand, sondern von jeher zum Teppich gehorte. Hier wurde versehentlich ein Verbindungs- glied, wie es das ornamentgeschichtlich altere Muster charakterisiert, eingefiigt. k_ Daraus geht hervor, daB die alten Ornament- formen nicht durch neu ausgebildete getilgt wurden, sondern noch geraume Zeit neben _ ihnen bestanden. So kann also eine Datie- ^ rung nach stilistischen Merkmalen der Bortenmuster, wie schon einmal gesagt, nur i bedingt zuverlassig, vor allem aber nicht allein ausschlaggebend sein. Der Kniipfer, dem der Fehler unterlaufen ist, hat noch vor Fertigstellung des Motivs seine Arbeit in der richtigen Weise fortgesetzt. Vielleicht I

muBte er diesen Teppich langere Zeit ruhen WN lassen und sich einem anderen mit dem friiheren Bortenmuster zuwenden, nach dessen Beendigung es ihm nicht gleich ge- -_

lang, sich in den angefangenen Dekor hin- "_ einzufinden. Eine weitere Moglichkeit ist 3 die, daB ein zweiter Handwerker an dieser Stelle seine Arbeit antrat, der es gewohnt war, das andere Bortenornament auszu- ftihren. Er begann falsch, paBte sich aber

noch vor AbschluB des ersten Gliedes dem Abb. 6. Sogenannter kleingemusterter Holbein-Teppich

richtigen Muster an. Wenig oberhalb ist ihm Berlin * Staatliche Museen (KGM 82, 894)

auch ein Fehler im Schmuck des Begleit- randes unterlaufen. Die sichelformigen Motive, deren Richtung wechselt, wurden in einem Falle irrtiim- licherweise zweimal hintereinander derselben Seite zugewandt, folgen aber anschlieBend wieder dem bis dahin leitenden Rhythmus. Auf einem Madonnenbild aus der Schule des Leonardo da Vinci (I 9 5 5 im Kunsthandel) (Abb. 9), erste Hailfte i 6. Jahrhundert, ist ein kleingemusterter Holbein-Teppich abge- bildet, der mit dem gleichen Bortenmuster wie unser Fragment schlieBt. Daraus laBt sich fur das Original eine sichere Zuschreibung in die erste Halfte des i6. Jahrhunderts ableiten, die durch Ver- gleiche mit den zuvor betrachteten Teppichen etwa auf das zweite Viertel bis Mitte des Jahrhunderts ein-

74

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 9: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

geschrankt werden konnte. Der horizontal gerichtete Teil von Borte und Begleitrand, der durch abweichenden Dekor auffiillt, wurde dem Teppich erst bei einer Reparatur

hinzugefuigt. Den spaten Vertretern der drei Holbein-

Gattungen ist ein kleines Feld, umgeben von einem unverhailtnismiif3ig breiten Borten-

streifen, eigentumlich. Der letzte kleinge- Abb. 7. Sogcnannter kleingemusterter Holbein -Teppich, auf: musterte Holbein -Teppich aus Berliner Dosso Dossi ,,Bildnis eines Adligen" (Rom * Galerie Cervini) Museumsbesitz (J z6) (Abb. io), dem wir

i. H. i6. Jh. unsere Aufmerksamkeit schenken wollen,

weist sich auf Grund dieser Gliederung als Erzeugnis einer Produktion aus, die ihren H6hepunkt bereits uiberschritten hatte. Im Zentrum seiner leuchtend ziegelroten oder dunkelgriunen Rechteckfelder sieht man Achteckmedaillons von gedrungener Gestalt, die Sterne aus sich iiberschneidenden Kreuzen einschlieBen. An das dichte Rautengitter in der Bortenmitte, dem kleine Rosetten eingefiigt sind, grenzt von beiden Seiten ein reziprokes Zinnenmuster. Wahrend sich bei den beliebten Flechtbandornamenten aus dem Grad ihrer Entfremdung vom Schrift- vorbild ein groBzuigig anwendbarer MaBstab fur die zeitliche Einordnung der Teppiche ablesen liiBt, zumindest aber ein Anhaltspunkt fur ihre Stellung im Musterablauf gefunden werden kann, bietet das Rautenwerk keine derartigen M6glichkeiten. Es begegnet iuB3erst selten und dann, soweit ich feststellen konnte, ausschlieBlich an Teppichen im groBen Holbein-Muster, die das Prinzip der Flichenaufteilung mit den kleingemusterten Teppichen gemeinsam haben. Im Original kennen wir das Rautengitter von einem Teppich der sogenannten Bergama-Gruppe, der dem I 8. Jahrhundert angehort (Istanbul, Turk ve Islam Eserleri Miizesi)8. Es findet sich auch in der Wiedergabe, und zwar auf einem Portriit des Richard Sackville, Third Earl of Dorset (London, Victoria and Albert Museum)9 von Isaac Oliver, Ende des i 6. Jahrhunderts. Eine bis ins Detail gehende Jbereinstimmung verbindet den Bortenstreifen unseres Berliner Teppichs mit dem Ornamentband, das die quadratischen Felder des Teppichs im groBen Holbein-Muster auf dem I 5 3 3 fertiggestellten Bildnis der Gesandten (London, National Gallery) von Hans Holbein d. J. rahmt (Abb. i i). Die Zusammenstellung mit dem reziproken Zinnenmuster, das den Teppich in der Abbildung als Borte saumt, verstarkt die Beziehungen. Das farbliche Schwerge- wicht der gegenstandigen Zinnen liegt hier am Teppichrand und erklart sich aus der Funktion als diuBere Begrenzung. Bei dem kleingemusterten Holbein-Teppich wird dieses Amt von zwei Flecht- bandern iubernommen. Daher liegt die Betonung, die in der Lagerung der roten Zinnenreihe ihren Ausdruck findet, auf dem breiten Rautengitter, fur das mit der Jahreszahl I 533 der terminus ante quem angezeigt ist. Die Schachbrettgliederung des Feldes steht damit in zeitlicher Ubereinstimmung. Ebenso scheint die grobe, unregelmaiBige Kniipfung, die auf IO cm in der Breite zwischen 24 und 29

Knoten und auf IO cm in der Hohe zwischen 4I und 43 Knoten schwankt, fiir eine Entstehungszeit, die wir friihestens um die Mitte des I 6. Jahrhunderts annehmen wollen, zu plidieren. Mit diesem Termin wird dem Teppich der Platz des spatesten Beispiels innerhalb unserer Berliner Gruppe zugewiesen.

8 Kazim Dirik, Eski ve yeni Turk haliciligi ve cihan hali tipleri panoramasi, Istanbul I938, S. 97.

Kurt Erdmann, Der orientalische Knupfteppich, Tubingen I955.

9 Allan Gwynne-Jones, Portrait Painters, London I950, Abb. 45.

10* 75

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 10: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

Abb. 8. Fragment eines kleingemusterten Holbein -Teppichs * Berlin Staatliche Museen (I. 37)

Abb. '.DSoenanner_klingemsertr Holein-eppic, afSchuedesLeonadodaVinc

,,E

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 11: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

Fur den Ornamentablauf des kleinen Holbein-Musters konnten wir, nach Betrachtung der Originale und gestiitzt durch datierbare Abbildungen auf Gemalden, etwa folgende Phasen feststellen:

Am Anfang steht der Teppich mit verschiedenfarbigen Sternen und vegetabilem Bortendekor, gesichert durch die Wiedergabe aus dem Jahre I45 i. Es folgt eine Gruppe, deren Feld von Flecht- bandmustern gesaumt ist, die nachweislich auf Vorbilder in der Schrift - im Flechtkufi - zuriickgehen. Hierzu zThlen das von K. Erdmann schon bearbeitete Fragment (J 6737) und die Nachbildung auf der Darstellung der thronenden Madonna des Andrea Mantegna von 1460. Beide Felder enthalten ohne Ausnahme weif3e Achteckmedaillons. Da zwischen den Abbildungen auf Gemalden, I45 I und I460, nur eine Zeitspanne von knapp Io Jahren liegt, ist die Frage, welche der beiden Teppicharten der anderen voranzustellen sei, nicht zu umgehen. Vom Standpunkt der Ornamententwicklung be- trachtet, scheint die Plazierung der einfachen Form, hier verkorpert durch das Feldmuster mit weiBen Achteckmedaillons, vor der komplizierten naheliegend. Dennoch kann dieses Problem, aus Mangel an Belegbeispielen, nicht gelost werden. Bisher spricht die friiheste Wiedergabe eines kleingemusterten

Holbein-Teppichs zumindest nicht dafiir. Das Bandwerk im Bortenstreifen entfremdet sich weit- gehend dem Schriftvorbild. Man betrachte den Teppich auf dem Bild der thronenden Madonna von Raffaelino del Garbo, Ende des i 5. Jahrhunderts. Dieselbe noch straff gegliederte Variante ist an einem besonders schonen Exemplar aus der Zeit um I 500 erhalten (J i i), das sich durch eine nahezu klassische Feldzeichnung heraushebt. Hier haben die disziplinierte Ornamentfiihrung und Farbgebung gemeinsam das Hervortreten einer zweiten Flachengliederung - die primaire erfolgte durch versetzte Reihen von Achteckmedaillons und Rautenfeldern - in Gestalt eines Quadratnetzes bewirkt. Bis zur

Vollendung der Feldzerstiickelung durch farblich gegeneinander abgesetzte Rechtecke bleibt nur ein kurzer Schritt, der im Dekor des Teppichs aus dem Kunstgewerbemuseum (KGM 82, 894) aus-

gefiihrt ist. Dasselbe Bandornament und die ausgeglichene Feldzeichnung verbinden ihn, trotz des dazwischenliegenden Bruchs, nahe mit dem vorigen Teppich. Der Wechsel roter und griiner Felder mit geometrischer Innenzeichnung, der die Stiicke mit schachbrettartiger Aufteilung charakterisiert, ist durch Wiedergaben auffallend ahnlicher Teppiche auf persischen Miniaturen seit dem Beginn des I 5. Jahrhunderts bekannt. Ob zwischen beiden Gruppen Beziehungen bestehen - die eine ist anato- lischer Herkunft, die andere ist durch die persische Buchmalerei belegt -, bleibt noch ungeklirt. Das Fragment aus dem Kunstgewerbemuseum (KGM 86, I 72) kann trotz seines einfarbigen Feldgrundes giinstigstenfalls etwa gleichzeitig mit dem vorigen Teppich entstanden sein. Eine Reihe von Verfalls- erscheinungen, die durch das Kolorit bewirkt werden, spricht gegen eine friihere Entstehung. GewiB wurden Teppiche mit einfarbigem Grunde noch eine Zeitlang neben den Stiicken mit Schachbrett- gliederung hergestellt. Der Bortendekor des Fragments J 37 besteht in einer weiter vereinfachten Form des zuletzt beschriebenen Bandmusters, dessen verflochtene Glieder durch gereihte Glieder ab- gelost wurden. Man wird es ungefahr dem Ende der ersten Halfte des I6. Jahrhunderts zuweisen konnen. Ihren zeitlichen AbschluB findet die Gruppe kleingemusterter Holbein-Teppiche durch das reichfarbige Beispiel mit breitem Rautengitter in der Umrahmung, das den Typ mit kleinem Feld und breitem Bortenstreifen vertritt. - Es ist gewiB kein Zufall, daB der Bortendekor dieses spatesten Teppichs nicht Entsprechungen auf italienischen, sondern auf englischen Gemalden findet (das Bildnis der Gesandten wurde in London angefertigt und muB hierzu gerechnet werden).

Seit der Zeit der Kreuzziige hatten ausgedehnte Handelsbeziehungen Italien mit dem Orient ver- bunden. Das I4. und I . Jahrhundert brachten die verschiedensten Erzeugnisse islamischen Kunst-

handwerks ins Land. DaB Teppiche dabei keine unwesentliche Rolle spielten, geht aus der groBen

77

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 12: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

Abb. IO. Sogenannter kieingemusterter Holbein-Teppich * Berlin* Staatliche Museen (I. z6)

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 13: Teppiche im sogenannten kleinen Holbein-Muster

Abb. i I. Sogenannter groBgemusterter Holbein-Teppich, auf: Hans Holbein d. J. ,,Die Gesandten" (London * National Gallery) 1 5 3 3

Zahl ihrer Wiedergaben in der Malerei hervor, unter denen die Holbein -Teppiche, speziell der klein- gemusterte Typ, die erste Stelle einnehmen. Mit dem Zeitalter der Entdeckungen und beginnenden Kolonisierung im i 6. Jahrhundert ging diese Vormachtstellung an Spanien und die Niederlande uber. Als Folge verringert sich gegen Mitte des Jahrhunderts die Zahl der Holbein-Teppiche auf italie- nischen Bildern. Sie finden jedoch bis zum Aussterben der Gattung neue Interpretation in den Nieder- landen, England und Deutschland.

Fotonachweis: Abb. I, 2, 3, 4, 6, 8, io Aufnahmen Staatliche Museen zu Berlin. Abb. 5: Nach einem Foto im Besitz des Isla- mischen Museums. Abb. 7: Ausschnitt aus: Catalogo della esposizione della pittura Ferrarese del rinascimento, Ferrara I933,

S. I58, Nr. I90. Abb. 9: Ausschnitt aus: Zeitschrift ,,Das Schonste" Munchen, November 195 5. Abb. ii: Paul Ganz, Hans Holbein, Basel I950 Taf. II5.

79

This content downloaded from 195.78.108.107 on Tue, 24 Jun 2014 23:07:21 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions