tagung der deutschen gesellschaft für bluttransfusion

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Blut, Band 2, Seite 141-145 (1956) TAGUNGSBERICHTE 5. Tagung der Deutschen Gesellschaft fiir Bluttransfusion 3.--4. Dezember 1955 in Bochum Das Hauptthema der Tagung, die unter dem Vorsitz yon Professor Biirkle de za Camp stattfand, lautete: ,,Nicht durch Blutgruppen bedingte TransfusionsstiSrungen". Zu Beginn hielt Preuner (Liibeck) ein sehr gut aufgebautes Referat iiber allergische TransfusionsstiSrungen. Etwa 1--1,5% aller Transfusionen zeigen aIlergische Reak- tionen. Auf die Schwierigkeiten der Differentialdiagnose gegeniiber pyrogenen und psychischen Reaktionen wurde hingewiesen. Das sicherste Symptom des allergischen Zwischenfalles ist die Sekret- und Organ-Eosinophilie, nicht die Bluteosinophilie. Das Arthus-Ph~inomen ist nicht beweisend, eher ein positiver Prausnitz-Kiister'scher Ver- such. Auf die M6glichke:it der Mitbeteiligung yon heterophilen Antigenen (z. B. frilhere Pferdeserum-Injektionen beim Spender und 121bertragung des gebildeten Antik/Srpers auf den Antigen tragenden Empfiinger) wurde hingewiesen. Wigand (Bad Milnster am Stein) berichtete zum glei&en Thema fiber die in seinem Buch bereits ver6ffentlichten Untersuchungen. Marquardt (Freiburg/Br.) befafte sich in seinem Vortrag besonders mit den kreislaufwirksamen ,,Friihgiften", die in gelagertem Blur durch den Tierver- such nachweisbar sind. Er schlug die Bezeichnung ,,endogene und exogene Depressoren" vor. Reissigl (Innsbruck) beleuchtete die Frage der nichthiimolytischen Transfusions- st6rungen yore klinischen Standpunkt. In seinem Material land er 80% fieberhafte und 20% allergische Zwischenf~ille. Besonders yon den allergischen St6rungen sind Frauen h~iufiger als M~inner betroffen. Eine medikament6se Routine-Prophylaxe wird abgelehnt. Hasse (Berlin) spricht dem freien Hiimoglobin im Konservenblut eine Be- deutung fiir TransfusionsstiSrungen ab. Bei l[lbertragung yon iiber 1000 Konserven mit verschiedenen H~imolysegraden land Hasse keine Erh6hung der StSrungsrate. Weyrich (Jena) berichtete iiber Erfahrungen mit einer Konservenflasche nach dem halboffenen System und iiber bakteriologische Untersuchungen dieses Konservenblutes. In 18% der Konserven konnten Bakterien nachgewiesen werden. Nach Verbesserung des Steri- lisationsverfahrens enthielten nur no& 2% der Konserven Keime, Rosenthal (Mar- burg) untersuchte die Pyrogenwirkung am Kaninchen nach Gabe yon Humanplasma, agglutininfreiem Humanserum und Kaninchenserum. Nur nach Verabreichung yon pyrogenhaltigem Humanplasma trat t/Sdlicher Schock auf. Moeller (Berlin) verglich die Hiiufigkeit der TransfusionsstiSrungen bei Patienten mit Veriinderungen des Serum- eiweiflbildes: Je gr6fger die Eiweifverschiebung war, desto h~iufiger fanden sich Zwi- schenf~ille. In der Nachmittagsitzung sprach Domanig (Salzburg) mit menschlicher W~irme vom Standpunkt des Klinikers iJber die Bluttransfusion als Eingriff in das hlimodynarnische Gleichgewicht. Der transfundierende Arzt muff die verschiedenen Kompensations- Mechanismen, die der K6rper im Schock ergreift, beriicksichtigen, um nicht zu schaden. Der Patient ist abhS.ngig vom Arzt. Als Grunds~itze miissen gelten: 1) Man soil nicht transfundieren, nur ,,damit man alles rut"! 2) Nicht bei jedem unklaren Kollaps trans- fundieren! Wichtig ist: Richtige Indikationsstellung und richtige Dosierung zur rich- tigen Zeit!

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Page 1: Tagung der Deutschen Gesellschaft für Bluttransfusion

Blut, Band 2, Seite 141-145 (1956)

T A G U N G S B E R I C H T E

5. Tagung der Deutschen Gesellschaft fiir Bluttransfusion

3.--4. Dezember 1955 in Bochum

Das Hauptthema der Tagung, die unter dem Vorsitz yon Professor Biirkle de za Camp stattfand, lautete: ,,Nicht durch Blutgruppen bedingte TransfusionsstiSrungen". Zu Beginn hielt Preuner (Liibeck) ein sehr gut aufgebautes Referat iiber allergische TransfusionsstiSrungen. Etwa 1--1,5% aller Transfusionen zeigen aIlergische Reak- tionen. Auf die Schwierigkeiten der Differentialdiagnose gegeniiber pyrogenen und psychischen Reaktionen wurde hingewiesen. Das sicherste Symptom des allergischen Zwischenfalles ist die Sekret- und Organ-Eosinophilie, nicht die Bluteosinophilie. Das Arthus-Ph~inomen ist nicht beweisend, eher ein positiver Prausnitz-Kiister'scher Ver- such. Auf die M6glichke:it der Mitbeteiligung yon heterophilen Antigenen (z. B. frilhere Pferdeserum-Injektionen beim Spender und 121bertragung des gebildeten Antik/Srpers auf den Antigen tragenden Empfiinger) wurde hingewiesen. Wigand (Bad Milnster am Stein) berichtete zum glei&en Thema fiber die in seinem Buch bereits ver6ffentlichten Untersuchungen. Marquardt (Freiburg/Br.) befafte sich in seinem Vortrag besonders mit den kreislaufwirksamen ,,Friihgiften", die in gelagertem Blur durch den Tierver- such nachweisbar sind. Er schlug die Bezeichnung ,,endogene und exogene Depressoren" vor. Reissigl (Innsbruck) beleuchtete die Frage der nichthiimolytischen Transfusions- st6rungen yore klinischen Standpunkt. In seinem Material land er 80% fieberhafte und 20% allergische Zwischenf~ille. Besonders yon den allergischen St6rungen sind Frauen h~iufiger als M~inner betroffen. Eine medikament6se Routine-Prophylaxe wird abgelehnt. Hasse (Berlin) spricht dem freien Hiimoglobin im Konservenblut eine Be- deutung fiir TransfusionsstiSrungen ab. Bei l[lbertragung yon iiber 1000 Konserven mit verschiedenen H~imolysegraden land Hasse keine Erh6hung der StSrungsrate. Weyrich (Jena) berichtete iiber Erfahrungen mit einer Konservenflasche nach dem halboffenen System und iiber bakteriologische Untersuchungen dieses Konservenblutes. In 18% der Konserven konnten Bakterien nachgewiesen werden. Nach Verbesserung des Steri- lisationsverfahrens enthielten nur no& 2% der Konserven Keime, Rosenthal (Mar- burg) untersuchte die Pyrogenwirkung am Kaninchen nach Gabe yon Humanplasma, agglutininfreiem Humanserum und Kaninchenserum. Nur nach Verabreichung yon pyrogenhaltigem Humanplasma trat t/Sdlicher Schock auf. Moeller (Berlin) verglich die Hiiufigkeit der TransfusionsstiSrungen bei Patienten mit Veriinderungen des Serum- eiweiflbildes: Je gr6fger die Eiweifverschiebung war, desto h~iufiger fanden sich Zwi- schenf~ille.

In der Nachmittagsitzung sprach Domanig (Salzburg) mit menschlicher W~irme vom Standpunkt des Klinikers iJber die Bluttransfusion als Eingriff in das hlimodynarnische Gleichgewicht. Der transfundierende Arzt muff die verschiedenen Kompensations- Mechanismen, die der K6rper im Schock ergreift, beriicksichtigen, um nicht zu schaden. Der Patient ist abhS.ngig vom Arzt. Als Grunds~itze miissen gelten: 1) Man soil nicht transfundieren, nur ,,damit man alles rut"! 2) Nicht bei jedem unklaren Kollaps trans- fundieren! Wichtig ist: Richtige Indikationsstellung und richtige Dosierung zur rich- tigen Zeit!

Page 2: Tagung der Deutschen Gesellschaft für Bluttransfusion

142 Tagungsberichte

Helm (Berlin) hielt ein ausfiihrliches Referat tiber die intraarterielle Bluttransfusion, in dem eingehend die Physiologie abgehandelt und die Technik und Bedeutung an Hand eigener F~ille besprochen wurde. Die Technik kann zu besonderen Transfusions- sch~den f~ihren. Die intraarterielle Blut~ibertragung darf nicht iiberbewertet werden. Sie leistet nut bei besonderen Indikationen oft Vorziigliches (irreversibler Schock). Es folgten Vortr~ige tiber die Bluttransfusion bei Herzoperationen (Korff und Meyer, Diisseldorf) mit eindrucksvollem Patientengut, die intraoperative Bluttransfusion (Feurstein, Salzburg) und Untersuchungen ~iber die klinisch-chirurgische Bedeutung der Erythrozyten-Infusion (Heinrich und Lutzeyer, Wiirzburg).

Die Sitzung am 4. 12. 1955 begann mit einem sehr interessanten Referat yon Hol- l~nder und Stampfli (Basel und Bern) tiber den Spenderschutz in der Schweiz. Nach einer I~bersicht iiber die Spendersch~iden berichteten die Vortragenden [iber den Ver- sicherungsschutz fiir Blutspender und ausfi~hrende 5frzte und medizinisch-technische Assistentinnen des Blutspendedienstes des Schweizerischen Roten Kreuzes. Der Blut- spendedienst hat eine Flaftpflichtversicherung fiir gesetzliche Haftung abgeschlossen (Jahrespr~mie 400 sfr.). Welter wurde eine Versicherung f~ir 3. Personen abgeschlossen, die Schiiden durch die Spenderuntersuchung, Blutentnahme, Blutgruppen-Bestimmung, Transfuslonssch~iden, Hersteilung und Abgabe yon Testseren, Immunisierung "con Spendern zur Testserumgewinnung usw. einschliel~t. Die Pr~imie betr~gt bei bis zu 20 000 Blutentnahmen 450 sfr., bis zu 100 000 Blutentnahmen 990 sfr. Die Leistungen gehen bis 100 000 sfr. pro Person und 500 000 sfr. s mehrere Personen im Schadens- fall. Eine Zusatzversicherung betrifft Gesundheitssch~idigungen der Spender auch ohne vorliegende gesetzliche Haftung. Die Pr~imie betr~gt 4,5 Rappen pro Blutentnahme bei 50%iger I~berschuf~-Rfickzahlung. Die Leistungen sind 10 000 sfr. im Todesfall, 10 sfr. Tagegeld und bis 2000 sfr. Heilkosten.

F~ir Zademack (Berlin) berichtete Hasse (Berlin) tiber KolIapsprophylaxe bei Blu'~- spendern mit einem ,,Spendertrunk" (Coffein und Sympathicomimetica). Die Kollaps- rate konnte yon 10% auf 2% gesenkt werden. Dahr ~nd Fischer (G6ttingen) referier- ten tiber TransfusionszwlschenflilIe im Modellversuch bei Kaninchen. Dabei konnte ein Kaninchen mit 2 Blutgruppen gefunden werden (Blutgruppen-Chim~re), wie dies bei RinderzwilIingen h~ufig, beim Menschen bereits einmal beobachtet wurde. Weitere Vortr~ge befa~ten sich mit Blutungen dutch Fibrinolyse in der Geburtshilfe (Hartert und Runge, Heidelberg), Blutersatz bei geburtshilflichen Blutungen (Niesert, Rostock), Beeinflussung der Blut/eiSrperchenneubildung dutch h~ufige Blut~bertragungen (Engel- hardt, Erlangen), Blutersatz bei der Verbrennungskrankheit (Beck, Bochum) mit ein- drucksvoller Statistik, Diurese nach Blutersatz (Schwalm und G6Itner, Mainz) und serologische Unterss4chungen nach Dextran-Infusionen (Arndt-Hanser, Mainz), wobei keine Beeinflussung bei der Bestimmung der Blutgruppe mit aufgeschwemrnten Erythrozyten gefunden wurde. Nur im Kreuztest mit Vollblut trat manchmal Geld- rollenbildung auf. Fisd~er (Bensberg) zeigte, daf~ Periston die Ausscheidung kompletter oder inkompletter Antik6rper nicht f6rdert. Zum Abschlui~ der Tagung zeigte Lindner (Karlsruhe) eine Reihe yon histologischen Pr~paraten, bei denen die Anlagerung hoch- molekularer PIasmaersatzmitteI (Polyvinylpyrrolidon und Dextran) an Zellen ver- s chi.edener Gewebe, besonders bei Tieren im Winterschlaf, deutlich wurde.

In der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft ffir Bluttransfusion wurde Professor Dr. Schulten, K~51n, in Abwesenheit zum neuen Vorsitzenden gew~hlt. Pro- fessor yon Dungern wurde zum Ehrenmitglied der Gesellschaft ernannt. Der Richt- linienausschuf~ hat seine Arbeit an den Richtlinien, die die Deutsche Gesellschaft f[ir Bluttransfusion beabsichtigt herauszugeben, noch nicht beendet. Der Normierungsaus- schufl unter dem Vorsitz yon Professor Helm (Berlin) hat einen Normentwurf fiir

Page 3: Tagung der Deutschen Gesellschaft für Bluttransfusion

Tagungsberichte 143

Transfusionsger~ite, de r in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Normenausschut~ aus- gearbeitet wurde, vorgelegt. Der Normenvorschlag wurde angenommen. Einspriiche gegen den Entwurf kSnnen binnen eines Vierteljahres beim Deutschen Normenausschui~ vorgetragen werden. H . J . Pettenkofer, Berlin

II. Internationales Symposion iiber die Anwendung radioaktiver Isotope in der Medizln

Badgastein 6.--8. 1. 1956.

Das Symposion in Badgastein brachte wieder eine F/ille yon Vortr~igen iiber die �9 Anwendung radioaktiver Isotope in Forschung, Diagnostik und Therapie. Dem Rah- men dieser Zeitschrift entsprechend soll hier nur kurz auf Mitteilungen hingewiesen werden, die sich mit h~imatologischen Fragen befassen.

Kiinke! und Henke (Hamburg) untersuchten die intrazellul~ire Verteilung yon Radioeisen Fe 59 in der Rattenleber nach Bestrahlung der etwa 200 g schweren Tiere mit 650 r. Bei den bestrahlten Tieren land sich fiber 12 Tage ein niedriger Fe 59- Blutspiegel, dagegen bei den nichtbestrahlten ein Anstieg des Blutspiegels bis zum 9. Tag. Die Lebern der Tiere zeigten ein umgekehrtes Verhalten. Die Autoren legten besonderen Wert auf die Erfassung des Cytochrom C, des hydrolysierbaren und des anorganischen Eisens in den Mitochondrien, Zellkernen und im Zellplasma. Die Mitochondrien der Leberzellen speicherten Fe 59 in hohem Maf~e, die Leberzellkerne waren dagegen yon geringer spezifischer Aktivit~it, und zwar bei beiden Versuchs- gruppen. Die spezifische Aktivit~it des Cytochrom C blieb durch die Bestrahlung unbe- einfluigt. Als Ergebnis wurde gefolgert, daf~ durch die Bestrahlung keine direkte Lebersch~digung eintritt, dagegen eine Sch~idigung des Knochenmarks, wodurch eine Verringerung der Eisenverwertung bedingt ist.

Belcher und Harris (London) untersuchten die Lebensdauer der Erythrozyten bei der Ratte. Bei Verwendung yon p-Jodphenylhydroxylamin, das mit j18~ markiert wurde, fanden sie keine Unterschiede zwischen normalen und splenektomierten Tieren. Bei Verwendung yon Cr 5~ land sich ein geringer Unterschied, und zwar war der Abbau der Erythrozyten bei splenektomierten Tieren etwas geringer. Bei Verwendung yon Fe 59 zeigte sich dagegen bei normalen Tieren ein charakteristisches Maximum der Fe~9-Exkretion dutch den Stuhl um den 60. Tag, wShrend dieses Maximum bei sp~en- ektomierten Tieren erst um den 75. Tag auftrat. Bei Autoradiographien yon Blutaus- strichen zeigten normale Tiere einen starken Abfall der Radioaktivit~it um den 50.Tag, splenektomierte Tiere um den 70. Tag.

Fellinger, Giesinger und Vetter (Wien) verabreichten kleine Mengen yon kolloi- dalem Fe59-Saccharat i. v. an Patienten. Sie fanden, dai~ das Kolloid unmittelbar nach der i. v. Verabreichung rasch aus dem Kreislauf entfernt und yon Leber und Milz auf- genommen wird, woes wahrscheinlich im RES gespeichert wird. Da ein Teil der ver- abreichten Menge bereits innerhalb einer Stunde, als Transferrin gebunden, wieder im Plasma erschien, yon wo die Verteilung ins Knochenmark und in die Eisendepots des KSrpers, elnschlie~lich der Leber, erfolgt, wurde angenommen, daf~ das Kolloid in den phagozytierenden Zellen abgebaut wird. Sobald das Eisen einmai verteilt war, verhielt es sich praktisch gleich wie injiziertes ionisiertes Eisen. Bei Gesunden wurden 80--100~ der verabreichten Menge innerhalb yon 2--3 Wochen in den Erythrozyten wiederges w~ihrend dies bei Eisenmangelan~imien bereits nach 8 Tagen der Fall war. Bei einem Fall yon erworbener h~imolytischer An~mie wurde die Konstanz der