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Band X, 201X, Heft X WALTHER NEUPER (Technische Universität Graz) „Systems that explain themselves“ für neue Ansätze in Technikdidaktik Herausgeber BERND ZINN RALF TENBERG DANIEL PITTICH Journal of Technical Education (JOTED) ISSN 2198-0306 Online unter: http://www.journal-of-technical-education.de

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Band X, 201X, Heft X

WALTHER NEUPER (Technische Universität Graz)

„Systems that explain themselves“für neue Ansätze in Technikdidaktik

Herausgeber

BERND ZINN

RALF TENBERG

DANIEL PITTICH

Journal of Technical Education (JOTED)

ISSN 2198-0306

Online unter: http://www.journal-of-technical-education.de

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JOURNAL OF TECHNICAL EDUCATION BAND X, 201X, HEFT X

WALTHER NEUPER

„Systems that explain themselves“für neue Ansätze in Technikdidaktik

ZUSAMMENFASSUNG: Dieses Positionspapier hebt spezifische Eigenschaften von Technologien aus „(computer) theorem proving“ (TP) in der Konstruktion von Lernsoftware für Ingenieurs-Mathematik hervor und zeigt, dass diese Eigenschaften neue Zugänge zu Grundfragen der Tech-nikdidaktik ermöglichen.

Drei Zugänge werden examplarisch genannt: der erste zur Relation zwischen mathematischerAbstraktion und konkret formalem Handeln beim Lösen von Ingenieurs-Problemen, der zweite zur Verbindung von mathematischer Grundausbildung mit komplexen technischen Anwendun-gen und der dritte zu allgemein-gesellschaftlichen Kontexten von Technikdidaktik.

Neue Zugänge via TP-gestützte Software zeigen Potential, klärend zur aktuellen Diskussion um Kompetenorientierung beizutragen.

Schlüsselwörter: Computer Theorem Beweiser, Ingenieurs-Mathematik, Mathematik-Modelle,formale Spezifikation, Dialogführung

“Systems that explain themselves” for new approaches in technology didactics

ABSTRACT: This position paper exposes specific features of technology from “(computer) theorem proving” (TP) in constructing educational software for engineering mathematics and shows, that these features open novel approaches to fundamental questions in didactics of technology.

The paper gives three different examples for such approaches: the first one to the relation between mathematical abstraction and concrete formal operation while solving engineering problems, the second one to the connection between introductory courses in mathematics and application of respective knowledge in complex technical models and the third one to public concerns about “Technikdidaktik”.

The approaches, enabled by TP-based software, indicate potential for clarifications in the current discussion about competences in mathematics eduction

Keywords: proof assistants, engineering-mathematics, models of mathematics, formalspecification, next-step-guidance

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2 WALTHER NEUPER

1 Einleitung

Das Positionspaper geht von einer etablierten Technologie aus, betrachtet spezifische Eigen-schaften einer daraus gewonnenen neuen Generation von Lern-Software und stellt neuartige Be-ziehungen zur Technikdidaktik her. Die Einleitung trennt eine Rechtfertigung des Slogans imTitel im Hinblick auf diese Technologie von einer vorläufigen Verortung in der Technikdidaktik.

1.1 “Systems that explain themselves”?

Der Titel ist provokativ, aber mit Bedacht gewählt: er soll den Leser und die geschätzte Leserindarauf aufmerksam machen, dass es trotz des reichen Angebots verschiedenartigsterMathematik-Software für Ingenieure, trotz der vielfachen Anwendbarkeit solcher Software inder Lehre und auch trotz spezieller Lern-Software-Produkte eine Technologie gibt, die nochkaum zur Konstruktion von Lern-Software herangezogen wurde: Bemerkenswerter Weise ebenjene, die die logischen Aspekte von Mathematik modelliert, die Technologie des „(computer)theorem proving (TP)“ --- bemerkenswert, weil dem (logischen) Begründen zunehmenddidaktische Bedeutung zugewiesen wird.

TP-basierte Technologie erweist sich als „self-contained“ in einem sehr spezifischen Sinnund gibt somit die perfekte Basis für „selbst-erklärende“ Systeme ab, wie im Weiteren zu zeigenist.

Die Phrase „systems that explain themselves“ wurde bereits vor Jahrzehnten vonExpertensystemen bemüht und neuerdings von der Technologie des „deep learning“ (Lei,Barzilay & Jaakkola 2016). Das vorliegende Papier zeigt, dass diese Phrase von TP-basiertenSystemen auf weitaus fundierterer Basis aufgenommen werden kann, einfach weil sie ihrenPrinzipien entsprechend („LCF-principle“ vgl. Milner & Wadsworth 1979) das gesamteMathematik-Wissen von Axiomen der formalen Logik ableitet und die Ableitungen, insofernsie lesbar sind, als Erklärungen von Grund auf verwendet werden können.

Das Positionspapier wird auf dieser Grundlage neue Ansätze zum Mathematik-Lernen inder Techniker-Ausbildung darstellen. Drei exemplarische Ansätze seien hiermit eingeführt,bevor nachfolgend eine Verortung in der Technikdidaktik versucht wird.

Lernspychologische Untersuchung der Relation zwischen mathematischer Abstraktion undkonkret formalem Handeln beim Lösen von Ingenieurs-Problemen (§3.1)

Methodisch-didaktische Feinplanung zu neuartigen Verbindungen zwischen mathemati-scher Grundausbildung und komplexen technischen Anwendungen verschiedenster Ingeni-eurs-Fakultäten (§3.2)

Curriculare Grobplanung zum Transfer von akademischer Ausbildung in formalen Metho-den in die Unternehmenspraxis verschiedenster Technologie-Sparten (§3.3) sowie zu allge-mein-gesellschaftlichen Kontexten von Technikdidaktik.

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1.2 Verortung in der Technikdidaktik

Ausgehend von (Tenberg 2011) ist festzustellen, dass der hier zu besprechende Ansatz beideBezugspunkte der Technikdidaktik betrifft, den Bezugspunkt Fachwissenschaften wie denBezugspunkt Berufspädagogik. Ersterer wird von mathematischer Software mit dem Potential,existierende Lernprozesse einschneidend zu verändern, im Kern getroffen, da Mathematik dermethodische Kern technischer Wissenschaften ist, der diese von Handwerk unterscheidet.Letzterer Bezugspunkt wird durch dieses Potential ebenfalls angesprochen, wobei unser Ansatzden Bezugsbereich wie folgt explizit machen will.

TP-basierte Software wird sich über industrielle Anwendung ausbreiten, wie in §3.3 zubesprechen sein wird. Ihr Potential hinsichtlich Lernsoftware wird daher Berufspädagogikvorerst im akademischen Bereich ansprechen --- unser Ansatz kommt also um den explizitenEinschluss von akademischer Lehre nicht herum und spricht somit Forschungsstrukturen an, diebereits an verschiedenen universitären Standorten eingerichtet werden und schon wurden(Pittich 2016).

Für den Einschluss akademischen Lernens betreffend Mathematik sprechen auch Gründeder Entwicklungspsychologie im Zusammenhang mit §3.1: Die psychologische Theorie dermathematischen Abstraktion scheint sich einig zu sein, dass Abstraktion ein nach oben offenerProzess ist („[...] the construct becoming freely and flexibly available to the learner [...]pertains to consolidation. Consolidation is a never-ending process through which studentsbecome aware of their constructs [...]“ (Dreyfus 2012 S. 4).

Hier könnte ein wesentlicher Beitrag der Technikdidaktik liegen: dass sie Phänomene derAbstraktionsbildung in einem reiferen Alter bei Studierenden an technischen Fakultätenuntersucht. Solche Phänomene sind der Mathematikdidaktik in ihrer gegenwärtigen Separationzwischen gymnasialer und akademischer Mathematik schwer zugänglich.

Wagt man sich an Didaktik akademischer Lehre, so ist „Zur aktuellen Diskussion über dieQualität des Mathematikunterrichtes“ (Koepf, Röckner, Eichler & Heckmann 2017) dieemotional geführte Kontroverse über die Kompetenzorientierung des Mathematikunterrichtes inBetracht zu ziehen. Die obgenannten drei Ansätze zum Mathematik-Lernen in der Techniker-Ausbildung halten sich von dieser Kontroverse fern. Vielmehr schlagen sie pragmatische Wegevor, die Lehrenden an technischen Fakultäten dabei behilflich sind, bestimmteMathematikkenntnisse bei ihren Studenten in hinreichendem Ausmaß voraussetzen zu können.Bezüge zwischen Kompetenzmodellen und Interaktionen an TP-gestützten Lernsystemenherzustellen bleibt ein lohnendes Forschungsfeld, das unter anderem auf neuartige empirischeDaten aus den Systemen (Kober 2012) bauen kann.

1.3 Aufbau des Papiers

Der nachfolgende Abschnitt §2 stellt die Prinzipien von TP in der gebotenen Kürze dar, sowiedamit zusammenhängende Fragen wie Lesbarkeit von Ableitungen, Interaktivität, etc. DerHauptabschnitt §3 diskutiert drei Zugänge examplarisch, die der Technikdidaktik durch TP-gestützte Technologien auf neuen Wegen eröffnet werden. Schlussfolgerungen bilden §4.

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2 TP-Technologie und ihre Affinität zum Lernen

Die Entwicklung von TP-Technologie wird seit mehreren Jahrzehnten durch die Motivationgetrieben, Komplexität von Technik beherrschbar zu machen, die zunehmend von Softwaregesteuert wird. Die Eigenschaften von Software lassen sich nicht mittels Schublehre oderOszilloskop vermessen, ihre Beschreibung ist auf die Formelsprache der Mathematikangewiesen.

TP-Technologie mechanisiert die Sprache der Mathematik, ihr Ziel ist ähnlich wie inanderen Ingenieursdisziplinen möglichst weitgehende Automatisierung. Tatsächlich kommt„automated theorem proving (ATP)“ 1 im Verifizieren von Software-Eigenschaften bereitserstaunlich weit. Dies allerdings häufig auf Kosten der Lesbarkeit ihrer Formeln, die gewissenNormalformen entsprechen müssen und auch von ATP 2 zu ATP verschieden sind. DieEntscheidbarkeit von Beweisaufgaben ist prinzipiell gelöst. Die zur Modellierung von Softwarebesonders geeignete „high order logic (HOL)“ ist als unentscheidbar bewiesen. Was nichtautomatisch beweisen werden kann, fällt dem „interactive theorem proving (ITP)“ zu. Dieentsprechenden Softwarewerkzeuge werden „proof assistants“ genannt. Das vorliegende Papierbezieht sich exemplarisch auf Isabelle (Nipkow, Paulson & Wenzel 2002). Da Isabelle mehrereATPs integriert (Paulson & Blanchette 2010), benutzt dieses Papier die Abkürzung TP undumfasst damit ATP wie ITP.

TP-Technologie liefert Methoden und Werkzeuge für (derzeit noch sehr spezialisierte)Ingenieure und hat mit Lernen genau so viel oder so wenig zu tun wie andereIngenieursdisziplinen. Eine spezifische Affinität zum Lernen ergibt sich jedoch aus zweiGründen. Erstens steht diese Disziplin vor der großen Herausforderung, ihre eigeneakademische Lehre auszuweiten (Näheres dazu in §3.3) und zweitens modelliert TP die Essenzvon Mathematik: Mathematik ist nicht nur Rechnen, sondern vor allem exaktes Beweisen nachden Regeln der Logik

Da TP also eine Essenz von Mathematik modelliert, kann man weitergehende Unterstützungbei der Konstruktion von Lernsoftware für Mathematik erwarten (weitergehend als inUnterstützung durch Computer Algebra Systeme, die zum (symbolischen) Rechnen entwickeltwurden) – dies wird im Folgenden zu erhärten sein. Zur Demonstration wird der Prototyp einesTP-gestützten Systems, genannt Isabelle/Isac (Krempler & Neuper 2018), herangezogen.

2.1 Transparente Ableitungen aus elementaren Begriffen

Erklärungen von Sachverhalten, auch von Objekten und Verfahren der Mathematik, greifen aufeinfachere Sachverhalte zurück. TP-Technologie implementiert dies in extremem Ausmaß.Abb.1 auf der Folgeseite zeigt eine Rechnung, 12345 * 67 + 12345 * 33, im TP Isabelle. Schoneinfaches Rechnen zeigt: Zahlen sind nicht durch einen Typ wie in einer Programmiersprachedefiniert, der der Übersetzung in Binärmuster dient, sondern Zahlen sind logische Objekte,deren mathematisch exakte Konstruktion innerhalb des Systems verfolgt werden kann. EinMausklick auf Isabelles Benutzeroberfläche holt die mathematische Konstruktion der ganzenZahlen int aus den natürlichen Zahlen nat mittels Äquivalenzrelation auf Paaren nat x nathervor: intrel (x, y) (u, v) <--> x + v = u + y).

1 Dieses Papier verzichtet auf Eindeutschung von Fachbegriffen der Informatik, sofern diese nicht schon geläufig sind. Auch andere Begrif-fe, die im Deutschen keine direkte Entsprechung haben (wie „self-contained“), bleiben englisch und werden apostrophiert.

2 ATP steht sowohl für die akademische Disziplin wie auch für die Klasse von Softwaretools, die die jeweilige Disziplin entwickelt. Dies gilt auch für ITP sowie für TP im Allgemeinen.

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Solche Äquivalenzrelationen mögen für Ingenieure nicht interessant sein. Aber dasRechengesetz a * (b + c) = a * b + a * c ist von Interesse, sobald der Rechenbereich vonganzen Zahlen übergeht etwa auf Matrizen, wo andere Rechengesetze gelten. In diesem Fall giltdas Distributivgesetz sowohl für ganze Zahlen wie für Matrizen, aber auch für komplexe Zahlen(und insgesamt für entsprechende Variable) – alles sind Semigruppen.

Abb. 1: Syntaktische Präzision TP-gestützter Formelsprache.

Auch die Beweise, dass ganze Zahlen, Matrizen oder komplexe Zahlen Semigruppen sind,mag für einen Ingenieur nicht interessant sein – er verwendet die ihm geläufige Mathematik imVertrauen darauf, dass die Mathematiker exakt beweisen, was sie behaupten. WährendMathematiker ihre Beweise auf einer bestimmten Abstraktionsebene lesbar halten, kann in TPhinter jedem Objekt oder Beweisschritt die Kette von Ableitung bis zu den Axiomen eineslogischen Systems (hier jene von HOL) verfolgt werden – und alle Ableitungen sind in Isabelleso nahe an traditioneller mathematische Notation, dass man sagen kann: das System ist eintransparentes Modell von Mathematik. Auch ist dieses Modell komplett hinsichtlich deduktiverTiefe bis hinunter zu Axiomen; zur Komplettheit mehr in §2.2.

Bei der Konstruktion eines Lernsystems auf Basis von TP ist die Herausforderung alsonicht, Details zur Begründung manuell hinzu zu fügen (wie etwa Hilfsinformation zu AlgebraSystemen), sondern Details für Studenten passend automatisch zu filtern; das gesamteMathematikwissen ist in lesbarem Format vorhanden (Nipkow 2017). Solch mechanisiertesWissens geht in seinem Umfang bereits weit über jenes in Grundvorlesungen hinaus; Isabelleverwaltet Beträge aus verschiedensten Anwendungsbreichen in einem „archive of formalproofs“ , siehe https://www.isa-afp.org/topics.html.

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2.2 Traditionelles Lösen von Ingenieurs-Problemen

Abb.1 zeigt das typische Verfahren in „proof assistants“: Man schreibt das zu beweisendeTheorem oder lemma an als 12345 * 67 + 12345 * 33 = 12345 * 100 (also samt Ergebnis!) undsucht in einem sogenannten „backward proof“ eine Ableitung aus elementaren Begriffenmithilfe des Systems – dieses Verfahren entspricht nicht der Konstruktion von Lösungen fürIngenieursprobleme. Ingenieurs-Mathematik ist vielmehr in ein Format abzubildeen, wie esetwa Abb.2 für die Konstruktion einer Biegelinie in der Statik zeigt:

Abb. 2: Konstruktion einer Biegelinie

Obiges Format entspricht weitgehend jenem von händischen Rechnens auf Paper, nur ebenmit Mehrwert aus Software-Unterstützung. Ein Mehrwert ist größere Übersichtlichkeit aufgrunddes Ein- und Aus-Faltens von Teilen der Baumstruktur, in der eine traditionelle Rechnungabgebildet werden kann: das Subprobem in Zeile 21 ist ausgefaltet, ebenso jenes in 214,hingegen sind die Subprobleme in den Zeilen 23 und 25 eingefaltet und verbergen weitereDetailschritte, die auf Benutzeranforderung ausgefaltet werden.

Der entscheidende Mehrwert aus TP-Unterstützung ist in den rechts-gerückten Zeilen 212b,26b, 27b und 28b ersichtlich: Diese Zeilen zeigen Begründungen – jeder Rechenschritt muss

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nach formalen Regeln der Logik begründet sein und in diesen Zeilen wird das angezeigt. Wiediese Begründungen interaktiv zustande kommen, wird in §2.3 und §2.4 unten besprochen.

Ein Lernsystem muss eine Problemlösung wie die obige automatisch erzeugen können.Diese Anforderung geht über die prinzipiellen Möglichkeiten von TP hinaus – aber das Isac-Projekt arbeitet mit einer wesentlichen Erweiterung, Lucas-Interpretation (Neuper 2012, 2016),die in §2.4 unten besprochen wird.

Damit Lucas-Interpretation ein Problem automatisch lösen kann, muss eine formaleSpezifikation für dieses Problem gegeben sein, wie Abb.3 zeigt:

Abb. 3: Formale Spezifikation zur Rechnung in Abb.2

Eine Spezifikation besteht aus einem Modell und aus Referenzen in die Wissensbasis, inAbb.3 gezeigt in den Zeilen 11 beziehungsweise 12. Das Modell gibt die Daten an, wie sie auchfür Software-Verifikation benötigt werden: 111 sind die Eingabedaten, 113 ist die zuberechnende Ausgabe-Größe. In 112 gibt die sogenannte „pre-condition“ die Eigenschaften an,die die Eingabedaten erfüllen müssen. Und die „post-condition“ in 114 stellt die Relationzwischen Eingabe und Ausgabe her 3 und charakterisiert somit den Typ des Problems.

Spezifikationen gelten für ganze Klassen von Übungsbeispielen. Sie werden von Dateninstantiiert, die vor dem Benutzer versteckt hinter der Angabe des jeweiligen Beispielsbereitstehen. Dies ermöglicht dem System, beim interaktiven Spezifizieren zu helfen.

Ein wesentliches Anliegen in der Lehre von Ingenieurs-Mathematik ist, das „Wie“ einerProblemlösung vom „Was“ zu trennen, wobei letzteres zuerst erfolgen sollte. Die in Abb.2gezeigten Subprobleme sind jedes für sich wählbar, ebenfalls die zugehörigen Methoden.(Krempler & Neuper 2018) widmen der Spezifikations-Phase ein eigenes Kapitel.

Zusammenfassend lässt sich sagen: ein TP-gestütztes System kann alle Phasen des Lösensvon Problem der Ingenieurs-Mathematik unterstützen – es ist in dieser Hinsicht zusammen mitder deduktiven Tiefe aus §2.1 als komplettes Modell von Mathematik zu betrachten.

3 Die Ingenieurs-Studenten gezeigte „post-condition“ ist eine Vereinfachung der logisch exakten und vollständigen Form, die Quantorenenthält, siehe ()

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2.3 ATP zur Überprüfung von Benutzereingaben

ATP dient dazu, um Behauptungen automatisch aus vorgegebenem Mathematikwissen in einemlogischen Kontext abzuleiten. Für die in der Ingenieursmathematik gebräuchlichsten Formelngibt es „normalising term rewriting systems (nTRS)“ als vorgegebenes Wissen, das dieAbleitung entscheidbar macht – diese können also als ATP-Methoden verlässlich und inmaximaler Allgemeinheit überprüfen, ob eine Behauptung ableitbar ist.

Genau dies wird zur Überprüfung von Benutzereingaben verwendet: eine eingegebeneFormel muss von den vorhergehenden Konstruktionsschritten einer Problemlösung (wie inAbb.2) ableitbar sein. Der hierfür benötigte Kontext wird zum Beginn der Lösung aus derSpezifikation (wie in Abb.3) erzeugt und bei jedem Schritt fortgeschrieben. ATP ist die stärksteverfügbare Technologie zur Überprüfung von Benutzereingaben.

Die Problemlösung in Abb.2 zeigt, wie Ableitungen präsentiert werden: In 212b wirdrechts-bündig ein einziges Theorem Belastung_Querkraft (- qq x = Q‘ x) angewandt, um dieFormel Q‘ x = - q0 aus dem Kontext (hier von der vorhergehenden Formel) abzuleiten. In 27bwird ein nTRS angewandt, um die Doppelbrüche zu vereinfachen. 26B greift auf einZwischenergebnis aus 22 zurück und Substitute in 27b ersetzt die angeführten Variablen ausdem Kontext. Interaktionen wie Rewrite, Take, etc werden ergänzt mit der Ausgangsformel undder Rückmeldung des Systems, in einer Datenbank (Kober 2012) gespeichert, die der Analyseder Interaktionen zum Zweck von Dialogführung dient.

Rewrite, Rewrite_Set_Inst (Anwendung eines nTRS plus Instantiierung von bestimmten Va-riablen, z.B. durch Funktionen gebundene Argumente), Take, Substitute markieren nicht nurBegründungen, sie können auch von BenutzerInnen eingegeben werden, um die nächste Formelzu bestimmten. Daher werden Rewrite, Rewrite_Set_Inst, Take, Substitute (und andere hier nichtgenannte) als Taktiken bezeichnet.

Der Isac Prototyp präsentiert die Rechnung aus Abb.2 oben in einem elektronischenWorksheet wie in Abb.4 unten gezeigt (Formeln werden im Isac Prototypen noch alsZeichenketten dargestellt):

Abb. 4: Prototyp eines TP-gestützten Lernsystems

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Die Abbildung zeigt den Zustand im Worksheet in der Mitte während der Bestimmung einesIntegrals (entsprechend der Zeile 2124 in Abb.2). Die Benutzereingabe wird an der rotmarkierten Stelle erwartet. Das Worksheet wurde durch einen Klick auf die Nummer 7.70 nebender Aufgabenstellung im Example Browser geöffnet, es wurde auch nach dem TheoremBelastung_Querkraft gefragt. Ein Klick darauf führte zum Theorem im Theory Browser und einweiterer Klick zu einer Erklärung, die ein Statiker mit dem Theorem verbunden hat 4.

Das System ist also in vielfacher Weise transparent (vgl. §2.1): zu jedem Schritt imWorksheet kann nachgefragt werden, welches Theorem, welches nTRS, etc den Schrittbegründet (im Theory Browser), welche Spezifikation der Problemlösung zu Grunde liegt(Problem Browser) und welche Methode für die Lösung (Method Browser) verwendet wird – alldies kann von BenutzerInnen bestimmt werden, wenn der Dialog danach fragt.

2.4 Generieren von konkreten Varianten

Sobald Mathematik-Wissen in mechanisierter Form vorliegt und durch logischen Kontextverbunden ist, wovon wir hier ausgehen, ist Softwaretechnik in der Lage, erstaunlicheFunktionalitäten daraus zu generieren.

Der TP Isabelle, zum Beispiel, liefert bei der Eingabe eines Theorems (oder lemma, sieheAbb.1) umgehend ein konkretes Gegenbeispiel, wenn das Theorem falsch ist (Blanchette &Nipkow 2017). Isabelles Codegenerator erzeugt (auch für induktive) Prädikate kurzerhandkonkrete Beispiele (Haftmann 2017). (Schreiner 2017 S. 10 ff) generiert Beispiele undGegenbeispiele aus (auch impliziten) Definitionen.

Diese Funktionalitäten sind noch nicht in den Isac Prototypen übernommen, dieserverwendet TP-Technologie jedoch für eine andere wesentliche Ergänzung, Lucas-Interpretation,bereits erwähnt in §2.2. Diese verbindet Berechnung mit Deduktion (Neuper 2012): derInterpreter berechnet aus einem Programm die schrittweise Lösung für eine Problemklasse –und verbindet jeden Schritt mit einem logischen Kontext. Der Interpreter übergibt nach jedemSchritt die Kontrolle an den/die Benutzer/in (wie ein Debugger), der den nächsten Schrittanfordern oder den Schritt selbst bestimmen kann. Im letzteren Fall kann die nächste Formeleingegeben und mittels ATP überprüft werden, oder eine Taktik (§2.3), um die nächste Formelvom System bestimmen zu lassen.

Ein Lucas-Interpreter kann also innerhalb einer Problemlösung einen nächsten Schrittbestimmen – und eine Dialogkomponente (Krempler & Neuper 2018) kann das ausnutzen, umdamit Hilfestellungen verschiedenster Art zu erzeugen (Krempler & Neuper 2008). Eine solcheHilfestellung ist zum Beispiel eine Liste von Theorem (anwendbar auf die aktuelle Formel -oder nicht um zum Nachdenken zu zwingen), oder die Bekanntgabe von Teilen des nächstenSchrittes, von Taktiken oder Formeln. Für letzteres folgt ein Beispiel in Abb.5. auf derFolgeseite.

Dieses Beispiel zeigt Hilfestellung in der Anwendung der Kettenregel. Die Dialogkompo-nente nimmt die Kettenregel, bestimmt durch Lucas-Interpretation, zeigt sie als Taktik in Zeile06 so, dass die Übereinstimmung der Struktur der „left hand side“ mit jener der Formel in 05klar wird, und gibt mit der Struktur der „right hand side“ eine Hilfestellung dafür, wie die resul-tierende Formel aussehen sollte (die durch Lucas-Interpretation ja bekannt ist). Der gekreuzteKreis stellt die Eingabe-Aufforderung dar.4 Aufmerksame LeserInnen werden bemerken, dass das Worksheet für die Querkraft die Variable Q verwendet, die Erklärung hingegen

schon das neuerdings gebräuchliche V.

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Abb. 5: Eine der Möglichkeiten für Hilfe in der Anwendung der Kettenregel.

Dieses Verfahren gilt für alle Regelanwendungen und ist daher völlig automatisch, es mussnur von der Dialogkomponente vom Lucas-Interpreter angefordert werden.

Die Fähigkeit von TP-gestützten Systemen mit Lucas-Interpretation, einen jeweils nächstenSchritt in einer Problemlösung zu bestimmen, ermöglicht Interaktion zwischen BenutzerIn undSystem ähnlich wie mit einem Schachprogramm: Der Spieler teilt dem System einen Zug (denSchritt einer Problemlösung) mit, das System weist inkorrekte Züge (nicht ableitbare Formelnund Taktiken) zurück – und auch das System kann Züge machen (Formel oder Taktikvorschlagen). Das Ziel im Schachspiel ist eine Matt-Stellung, das Ziel einer Problemlösung isteine Formel, die der aktuellen „post-condition“ genügt (§2.2). Während die Rollen imSchachspiel üblicherweise nicht getauscht werden, ist Rollentausch in TP-gestützten Systemendie Regel: Wenn die Dialogkomponente anhand eines spezifischen Usermodels (Krempler &Neuper 2018) feststellt, dass der/die Studierende sich allzu viele Schritte vom System hatvorrechnen lassen, wird sie die Eingabe der nächsten Schritte verlangen. Wenn andererseitsStudierende irgendwo nicht weiterkommen (zum Beispiel bei der Kettenregel wie in Abb.5),dann kann das System auf verschiedene Arten weiterhelfen.

Die Abschnitte §2.3 und §2.3 zusammengefasst lässt sich sagen: TP-gestützte Systemekönnen interaktive Software-Modelle von Mathematik darstellen.

2.5 Mathematik-Modelle: komplett, transparent, interaktiv

§2.1 hat gezeigt, dass sich TP-gestützte Systeme als transparente Modelle von Mathematikverstehen lassen: jedes Element der mathematischen Formelsprache ist von elementarenBegriffen abgeleitet, mit lesbaren Ableitungen. Da die Kette der Ableitungen komplett sind, imPrinzip bis hinunter zu den Axiomen einer Logik, sind sie in dieser Hinsicht komplett.Komplette Modelle von Mathematik sind sie laut §2.2 auch, weil sie alle Phasen des Lösens vonProblemen in Ingenieurs-Mathematik unterstützen. Und §3.3 zusammen mit §3.4 zeigt, wie TP-gestützte Software auch interaktiven Modelle darstellen kann. TP-gestützte Systeme könnenalso als komplette, transparente und interaktive Modelle von (Ingenieurs-)Mathematikbetrachtet werden.

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Nebenbemerkung zur obigen Analogie mit Schach-Software: Diese ist nicht als transparentzu betrachten – wie informativ kann schon die Betrachtung der Kaskaden von Bewertungs-Funktionen in millionenfacher Anwendung sein?

Hinsichtlich Technikdidaktik ergeben Modelle von Mathematik ein neues Bild: Hier wirdein Typ von Lerngeräten präsentiert, das sich nicht primär an Strukturen und Theorien desLernens orientiert, sondern strikt an die Strukturen der Mathematik, soweit diesemechanisierbar sind (wobei Mathematik als Wissenschaft von „mechanisation of thinking“verstanden werden kann, also der Mechanisierung von allen Wissenschaften am nächsten steht).Studierende sprechen mit diesen Modellen in der formalen Sprache der Mathematik, nicht mehrund nicht weniger.

Dies erhebt vorneweg die Frage: Führt die Interaktion mit derart mechanisierter Computer-Mathematik nicht zur Verarmung im Denken der Studierenden, in einer Beschränkung ihrerIntuition und Kreativität („drill & practice“ Lernsoftware liefert ja eine Reihe vonNegativbeispielen)? Wir antworten im Hinblick auf die Analogie mit Schachcomputern: Nein,auch Schachmeister benutzen solche Maschinen, um neue Strategien zu erproben; der Menschdenkt gemäß seiner Gehirnstruktur, und je mehr Struktur und Variabilität eine Maschine zeigt,desto mehr regt sie genuines Denken an – und komplette, transparente, und interaktive Modellevon Mathematik sind mindestens ebenso anspruchsvoll wie Schachcomputer.

3 Neue Zugänge für Technikdidaktik

Technikdidaktik sieht sich einer rasanten technischen Entwicklung gegenüber, der die Lehresowohl im akademischen Bereich wie auch in der dualen Berufsausbildung Rechnung zu tragenhat (Tenberg & Pittich 2017). Die im Folgenden diskutierten neuen Zugänge fokussieren einenrelativ stabilen Teil von Technikausbildung, nämlich die Mathematik als methodischen Kernvon Ingenieurswissenschaften.

Wie in §1.1 angekündigt, werden drei Zugänge examplarisch für drei verschiedeneFragenkomplexe diskutiert; dies erfolgt in den nächsten drei Abschnitten.

3.1 Abstraktion – konkretes Operieren

Ingenieurs-Wissenschaften bauen ihre physikalisch-technischen Modelle auf mathematischeAbstraktionen. Der Grad von Abstraktion wächst innerhalb der Mathematik ständig und somitwerden auch die Modelle abstrakter, die Ingenieure als Grundlage für ihreEntwicklungstätigkeiten heranziehen. Das erhöht die Herausforderung für die Lehre anakademischen Ingenieurs-Fakultäten, wobei TP hier wesentliche Unterstützung verspricht.

Für die Mathematik bedeutet höhere Abstraktion von Konzepten größere Allgemeinheit undelegantere Darstellung komplexer Theorien. TP hat mathematische Formalismen in Syntax undSemantik soweit präzisiert, dass jedwedes Konzept samt den Operationen darauf gut lesbar inSoftware abgebildet werden kann (§2.1).

Für das Lernen bedeutet höhere Abstraktion weitere Entfernung von Sinnes-Wahrnehmung.Als Beispiel möge der Abstraktionsprozess im Zahlbegriff dienen: Natürliche Zahlen sind derWahrnehmung direkt zugänglich, negative Zahlen erregten noch zu Beginn der Neuzeit

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Widerstand und komplexe Zahlen enthalten heute noch die Benennung „imaginär“ -- letzteresowie algebraische Strukturen sind die abstraktesten und werden zuletzt gelehrt

Abstraktionen werden durch Symbole dargestellt, man bewegt sich also in einem Sprach-und Denk-Raum wie in Abb.6 dargestellt. Die individuelle Entwicklung von Abstraktion findetstatt zwischen Intuition (linke, grüne Seite in Abb.6) und formaler Mathematik (rechte, graueSeite). Bedeutung entsteht in natürlicher Sprache (grün) durch Abstraktion von Sinnes-Wahr-nehmung zu sprachlichen Begriffen und festigt sich durch zwischenmenschliche Kommunikati-on. In der Formelsprache (grau) hingegen entsteht Bedeutung im streng mathematischen Sinndurch formale Semantik, Begründungen bauen letztendlich auf Logik.

Abb. 6: Formatvorlage „Tab./Abb. Titel“

Das Lernen von Zweitsprachen kennt zwei Stufen:

A) Sprachelemente (Vokabel, Grammatik, Syntax, ...) benennen und erklären können B) die Sprache sprechen können.

Die Psycholinguistik weist nach (Ellis 2002), dass (A) nicht hinreicht, um (B) eine Spracheangemessen und flüssig benutzen zu können. Vielmehr müssen Lernszenarien geboten werden,um die zu lernende Sprache aktiv zu sprechen und kommunikativ zu nutzen. Betrachtet manMathematik als Sprache, so stellt sich die Frage:

Wie können Studierende „Mathematik sprechen“?

Bisher war das Geschick gefordert, in der Lehre von Technik Formeln so zu präsentieren, dassder Unterschied zwischen formaler Sprache (grau in Abb.6) und natürlicher Sprache (grün inAbb.6) deutlich ist und zunehmend klarer werden kann --- mithilfe natürlicher Sprache imLehrsaal; und genau das könnte häufiger misslingen als bisher beobachtet.

In dieser altgewohnten Herausforderung kann TP nun helfend einspringen: TP-basierteSoftware ist „native speaker“ in der mathematischen Formelsprache, Computer sindprinzipiell auf den Bereich formaler Sprache beschränkt und wenn TP-basierte Software alskomplette, transparente und interaktive Modelle (§2.5) mit klarer Abgrenzung gegenübernatürlicher Sprache implementiert sind, bieten sie vielfache Gelegenheit, ganz direkt

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„Mathematik zu sprechen“ in aktiver Benützung der syntaktischen Präzision TP-gestützterFormelsprache (Abb.1):

abstrakte formale Definitionen können automatisch mit Zahlenbeispielen hinterlegt werden(§2.4)

die Frage nach Begründungen in Term-Umformungen führt automatisch zu den angewand-ten Theoremen (Abb.1)

die Unverzichtbarkeit exakter Beschreibung von Problemen (§2.2) wird interaktiv erfahren(das System führt eine Methode nicht aus, wenn eine „precondition“ nicht erfüllt ist) --- die-ser Punkt erscheint als der kommunikativste beim „Mathematik sprechen“ und leitet über zuden anderen Ansätzen für Technikdidaktik in §3.2 und §3.3

falsche Behauptungen können mit konkreten Gegenbeispielen (Blanchette & Nipkow 2010)entkräftet werden

Und umgekehrt: konkrete Operationen auf mathematischen Objekten führen bei der Fragenach Begründung zu den angewandten Theoremen (wie z.B. Operationen auf Zahlen wie inAbb.5 gezeigt, oder auf Polynomen und entsprechenden Variablen führen zu den angewand-ten algebraischen Strukturen.

Mathematische Abstraktionen werden also am „interaktiven Modell von Mathematik“ (§2.4)konkret erfahren, und nicht als gesonderte Konzepte „gelernt“ (ohne sie anwenden zu können).

Der mathematischen Vorbildung obliegt die Aufgabe, Abstraktionen auf Sinnes-Wahrnehmung und haptisches Verhalten zu gründen und somit Konzepte des Denkensempirisch zu verankern: „[...] mathematical objects need to be linked to [...] empirical conceptsif their learning is to be meaningful“ (Mitchelmore & White 2004 S. 3–335). Die akademischeTechniker-Ausbildung sieht sich der Hausforderung gegenüber, den Übergang in die abstraktemathematische Formelsprache zu vollenden. Psychologische Theorie spricht von „concretenessfading“ (vgl. Fyfe 2014): der Prozess des Abstrahierens beginnt mit konkreten Objekten undOperationen und Erklärungen in natürlicher Sprache (grün in Abb.6). Von dort führenmethodisch geführte Abstraktionsprozesse über figurale Modelle kontinuierlich weiter bis zusymbolischer Formeldarstellung (grau in Abb.6).

Abschließend ist zu bemerken, dass die Unterscheidung der Sprachstufen (A) und (B) aufder zweiten Seite von §3.1 auch klarstellt, dass die in Abb.6 genannte „Formale Logik“ nichtInhalt von Ingenieurs-Ausbildung 5 werden muss, um Sicherheit in der mathematischenFormelsprache zu verbessern, oder „Formale Semantik“ um Abstraktionsfähigkeit zukonsolidieren: praktische Übung im „Mathematik sprechen“ sollte für Ingenieursausbildunghinreichen.

Technikdidaktische Forschung bekommt zu ihrem vielfältigen Instrumentarium (Pittich2016) durch TP-gestützte Lernsysteme eine weitere empirische Methode hinzu, dasProtokollieren von Benutzerinteraktionen lt.§3.3, um Fragen wie den folgenden nachzugehen:

Welche Interaktionen konsolidieren welche Abstraktionen? Welches Verhältnis zwischen natürlichsprachlicher Erklärung und formalem Operieren

zeitigt optimale Lernergebnisse?

5 Ausnahme: Informatik wird voraussichtlich formale Logik vermehrt in ihre Curricula aufnehmen, vermutlich früher als Mathematik selbst– vgl. §3.3 unten.

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Welche Begründungen bevorzugen Studierende in welcher Lernphase, anschaulich intui-tive oder abstrakt formale (vgl. Abb.2)?

Wie wirken sich selbständige Entscheidungen Studierender beim Fragen nach Begrün-dungen versus mechanische Benutzerführung (zum Beispiel §2.4, Abb.5) aus?

3.2 Grundausbildung --- technische Anwendung

Dieser Abschnitt geht über die Lehre von Mathematik hinaus und betrachtet die Relationzwischen mathematischer Grundausbildung einerseits und akademischer Technikausbildungandererseits, ins-besonders hinsichtlich komplexer Anwendungen von Mathematik in technisch-physikalischen Modellen.

Das Problem ist bekannt, der vielfältigen Anwendbarkeit abstrakter Mathematik geschuldetund in Abb.7 dargestellt:

Abb. 7: Ein Beispiel wird in zwei Versionen, links und rechts, verwendet.

Einführungsvorlesungen in den ersten Semestern wie Analysis, Algebra oder Stochastik(oben in Abb.7) vermitteln die mathematischen Grundlagen für verschiedenste Ingenieurs-Disziplinen wie Elektrotechnik, Statik oder Mechanik. In höheren Semestern wird dann dasGrundwissen gebraucht, ist aber den Studierenden häufig nicht mehr verfügbar.

Die Gründe hiefür scheinen offenkundig: In den Einführungsvorlesungen ist keine Zeit, umAnwendungen zu besprechen; Studierende haben auch noch nicht das fachspezifische Wissen,um Anwendungen zu verstehen (und insbesonders nicht jenes für Anwendungen in anderen

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Ingenieurs-Disziplinen ihrer Studienkollegen). Nachdem die Anwendungsrelevanz denStudierenden nicht bekannt ist, lernen sie eher unmotiviert und vergessen schnell.

TP Technologie bietet eine überraschende Lösung: da ihre Konzeption ohnehin lückenloseBegründungen für jede Problemlösung verlangt (vgl. §2.1) und flexible Benutzerführung(vgl.§2.4) gegeben ist, kann ein und dasselbe(!) Beispiel auf zwei grundverschiedene Arten ver-wendet werden:

1. In Beispiel-Sammlungen zu Einführungsvorlesungen springt die Benutzerführung (über dengrün abgedeckten Bereich links in Abb.7) direkt zur Methode, die eingeführt und geübtwerden soll, zum Beispiel ein Integrationsverfahren. Ist das Beispiel interaktiv gelöst,wobei das System die Korrektheit der Lösung überprüft (vgl. §2.3), erledigt das Systemautomatisch das Beispiel bis zur endgültigen Lösung. Studierenden steht es natürlich auchin diesem Studienabschnitt frei, die grün abgedeckten Bereiche (unten links in Abb.7), alsodie Anwendungsaspekte, interaktiv zu erkunden.

2. In Lehrveranstaltungen, Übungen und Labors höherer Semester dient dasselbe Beispiel denAnwendungsaspekten: Wie sieht die exakte (formale) Problembeschreibung aus, wie dieVorbedingungen („precondition“ rechts in Abb.7), in welche Subprobleme kann dasProblem zerlegt werden, gibt es Alternativen in der Wahl und Reihenfolge der Subprobleme(vgl. §2.2), etc. Studierende, die grundlegende Methoden und Konzepte vergessen habenund meinen, diese für das Verständnis der Gesamtlösung zu benötigen, können diesselbständig tun und ebenfalls in die grünen Bereiche (nun komplementär zur linken Seite)interaktiv eindringen.

So können TP-gestützte Beispielsammlungen allen dienen, den Studierenden wie denLehrenden: keine Auseinandersetzung mit technischen Anwendungen verschiedensterDisziplinen in Anfängervorlesungen, keine ineffizienten Wiederholungen in anspruchsvollenLaborübungen.

Sobald größere Beispielsammlungen in TP implementiert sind und breitere Feldversuchemöglich werden, eröffnet dies neue Ansätze für technikdidaktische Forschung:

Können Einführungsvorlesungen (wieder) zu Fakultäts-übergreifender Ausbildung zu-sammengeführt (und die Allgemeingültigkeit von Mathematik erlebbar gemacht) wer-den?

Welche sind die häufigst gebrauchten mathematischen Konzepte und Methoden in wel-chen Disziplinen?

Welche sind die häufigst gebrauchten Konzepte und Methoden Disziplinen-übergreifend(relevant für Curriculum-Planung an Gymnasien)?

Welche Konzepte und Methoden geben in höheren Semestern am meisten Anlass zu(freiwilliger) Wiederholung?

3.3 Technik und Mathematik --- Öffentlichkeit

Der dritte Zugang zu Fragenkomplexen der Technikdidaktik erweitert den Raum des zweitenZuganges vom engeren Kreis der Lehre in weitere Kreise unserer technisch-wissenschaftlichenZivilisation.

Dieser Erweiterungsschritt ist notwendig und erscheint mit „systems that explainthemselves“ auf neuen Wegen möglich. Die Notwendigkeit ergibt sich aus „alarming decline in

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young people’s interest for key science studies and mathematics“, schon vor zehn Jahren vonhöchster Stelle festgestellt (Rocard 2007). Und gegenwärtige technischen Entwicklungen, diedurch Schlagworte wie „Industrie 4.0“ (vgl. Tenberg & Pittich 2017), „internet of things“ oder„systems of systems“ (Nielsen et.al. 2015) angedeutet sind, erhärten die Notwendigkeit.

Die angedeutete technisch-ökonomischer Entwicklung ist gekennzeichnet durchVernetzung, nicht nur von Dingen und Services im alltäglichen Gebrauch, sondern auch vonInfrastruktur wie „smarten“ Energienetzen (die flexibel auf Lieferung von Wind- oderSolarstrom reagieren) bis hin zu Produkten unterwegs im Transport.

Vernetzung bedeutet Software in Komponenten, deren Eigenschaften dadurch wesentlichverändert werden. Konnte man physikalische Eigenschaften von Komponenten mittelsSchublehre (vor Einbau in einen Motor etwa) oder Widerstandsmessgerät (vor Integration ineine Platine) erfassen, so genügen zum Erfassen Software-bestimmter Eigenschaften auchkomplexe Messgeräte wie Speicheroszilloskope nicht mehr. Die Erfahrung aus vielenschwerwiegenden Softwareunfällen zeigt, dass komplexe Software-Eigenschaften nur mehrmittels mathematischer Formelsprache verlässlich erfassbar sind; Datenblätter undSpezifikationen in technischer Prosa führen unweigerlich zu Fehlern, die natürliche Sprache istzu unpräzise.

Diese Herausforderung trifft Großindustrie wie KMU in großer Breite: Entwickler solcherKomponenten wie auch all jene Ingenieure in Entwicklungsabteilungen, die die Integrationsolcher Software-gesteuerter Komponenten in technische Systeme planen -- im BereichElektrotechnik, Maschinenbau, Anlagenbau, etc. Und diese Herausforderungen werden sichvoraussichtlich nicht völlig durch automatisierte Werkzeuge abdecken lassen, die Ingenieuremüssen wohl oder übel besser formale Beschreibungen lesen lernen.

Der hiermit gegebenen Notwendigkeit weiterer Verbreitung mathematischerSprachfähigkeit (im Sinne von §3.1) mithilfe von „systems that explain themselves“ zubegegnen, dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten; eine davon sei herausgegriffen: Besonders antechnischen Fakultäten von Fachhochschulen fällt auf, dass sie in ihren Webauftritten die Rollevon Mathematik nicht ansprechen (Dies ist offenbar einer der Gründe für hohe Dropout-Raten)--- aber dem Angebot, selbst-erkärende Mathematik-Systeme zur Vorinformation und zumVorauslernen anzubieten, wird entgegnet: „Wenn wir Mathematik nach vorne stellen,bekommen wir weniger Studienanfänger“.

Dieser Einschätzung ist Rechnung zu tragen, aber ist die Situation in HightechUnternehmen nicht umgekehrt? Privatunternehmen rekrutieren mit explizitenAnforderungsprofilen und auch ihr Branding wird von Mathematik eher auf- als abgewertet.Damit ergeben sich folgende Gründe für den Einsatz TP-basierter Mathematik-Systeme:

„Scientific Branding“: Ingenieurs-Fakultäten verbergen in ihren Internet-Auftritten Mathema-tik, um Studierende nicht abzuschrecken --- während Unternehmungen Mathematik posi-tiv besetzen können, wenn sie mit ihr den High-Tech Charakter ihrer Produkte und ihrerEntwicklungsverfahren unterstreichen: Image-Filme könnten multimediale Produktpräsen-tationen mit interaktivem Erkunden der zugrundeliegenden mathematisch-physikalischenModelle in TP-basierter Software verbinden.

Wissensmanagement: TP-gestützte Systeme (auch Lernsysteme) dienen der Beschreibungtechnisch-physikalischer Modelle wie in §2.5 beschrieben. Somit bieten sie sich dafür an,Wissen in lernenden Organisationen dynamisch pflegen; wenn Mitarbeiter abgehen und

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neue Mitarbeiter einzuführen sind. Wenn bestehendes Wissen beim Lösen neuer Problemezu durchforsten ist, dann ist interaktiv verfügbares, mechanisiertes Wissen von Nutzen.

Praxisnahe Ausbildung: wird dadurch gefördert, dass Software aus den vorgehenden Punktenals E-Learning-Elemente in die Lehre übernommen werden. TP-basierte Software model-liert detailgetreu elementare Begriffe und Methoden der gesamten Mathematik. Damitkann mittels Zoom-Funktion auf Details zugegriffen und mit diesen interaktiv experimen-tiert werden.

Und wenn nun Technikdidaktik ihren Aktionsradius über Facharbeit, Berufsschulen undGymnasien hinaus wahrnimmt, dann kann sie großflächige Prozesse im öffentlichen Raum mitForschungsfragen begleiten, wie etwa:

Können Image-Filme von High-Tech-Unternehmen mit interaktivem Zugang zu einfa-cher Mathematik, die Mittelschüler i.A. verstehen, das Interesse für Technik-Studien er-höhen?

Verringert Vorabinformation über die Rolle der Mathematik in Technik-Studien durch„Systems that Explain Themselves“ die Zahl der Studienabbrecher, wenn Technikfakul-täten im Web dazu einladen, mathematische Voraussetzungen in interaktiver TP Soft-ware zu erkunden?

Verringert Vorabinformation wie oben die Zahl der Studienanfänger? Vermögen offene und interaktive Online-Zugänge zu realistischen Mathematik-Anwen-

dungen in High-Tech-Produkten das öffentliche Bild der Mathematik zu präzisieren undaufzuwerten?

4 Schlussfolgerungen

Das Positionspaper hat anhand von Ergebnissen langjähriger Prototypen-Entwicklung gezeigt,dass TP-gestützte Software die Phasen im Lösen von Problemen der Ingenieursmathematikkomplett abbilden kann, dass transparent implementiertes Mathematik-Wissen vielesachgerechte Fragen von Studierenden automatisch beantworten kann und dass Interaktion aufsolchen Systemen analog zur Interaktion mit Schachsoftware modelliert werden kann, in derSchachmeister neue Strategien erproben --- dass „systems that explain themselves“ entstehenkönnen, die komplette, transparente und interaktive Modelle von Mathematik (§2.5) darstellen.

Solche TP-gestützten Systeme schaffen neue Zugänge zum Mathematik-Lernen underöffnen somit eine Reihe von Forschungsfragen für die Technikdidaktik, von denen dreiexamplarisch dargestellt wurden (§3.1, §3.2, §3.3). Künftig wird vor allem eine Interpretationvor dem Hintergrund der aktuellen Kompetenztheorien interessieren.

Die Entwicklung des besprochenen Prototypen bis hin zu einem in der Techniker-Ausbildung einsetzbaren Werkzeug wird mit ca. zehn Mann-Jahren geschätzt (Neuper &Krempler 2018). Da solche Entwicklung keine primäres Interesse in der TP Communitydarstellt, ist Entwicklungszusammenarbeit mit Institutionen der Techniker-Ausbildung sowieder Technikdidaktik gefragt.

Solche Zusammenarbeit verspricht unmittelbare Vorteile für drei Seiten, die TPCommunity, die Technikdidaktik und nicht zuletzt für Lehrende an technischen Fakultäten: Die TP Community bekommt einen breiten Weg zur Einführung Formaler Methoden. Die

Notwendigkeit zur breiten Einführung ist in dieser Community unbestritten wie in §3.3

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dargestellt. Die derzeitige Lehre dieser Wissenschaftsbereiche beschränkt sich jedoch aufmechanisches Beweisen sowie auf Verwendung spezialisierter Werkzeuge außerhalb vonHauptlehrveranstaltungen an technischen Fakultäten.

Die Technikdidaktik erhält ein neues Forschungsinstrument (siehe Userlogging in §2.5)für neue Forschungsaufgaben, die in in den jeweiligen „>“-Aufzählungen von §3.1, §3.2und §3.3 angedeutet sind.

Den Lehrenden und Studierenden in Mathematik-lastigen Lehrveranstaltungen antechnischen Fakultäten bekommen Lernwerkzeuge, an denen selbständig gelernt werdenkann, im aktuell gewünschten Detail von der Aufgabenstellung bis zur Lösung mitbeliebiger Tiefe an (mechanischer, aber geduldiger) Erklärung.

Verständigung zwischen TP-Community und Technikdidaktik bedeutet eine aktuelle Herausfor-derung für beide Seiten, zumal nicht nur Grenzen zwischen Disziplinen zu überschreiten sind,sondern auch jene am Übertritt von Schule und Hochschule. Sollte diese gelingen, dann werdensich früher oder später auch Wege zur Finanzierung entsprechender Entwicklungsprojekte erge-ben.

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DR.TECHN. WALTHER NEUPER

Technische Universität Graz, Institut für SoftwaretechnologieInffeldgasse 16b/II, 8010 [email protected]

Zitieren dieses Beitrags:

Neuper, W. (2018): „Systems that Explain Themselves“ für neue Ansätze in Technikdidaktik. Journal of TechnicalEducation (JOTED), X(X), xx-yy.

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