sun tsu kunst des krieges

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SUN TZU SUN TZU ON THE ON THE ART OF WAR THE OLDEST MILITARY THE OLDEST MILITARY TREATISE IN THE WORLD TREATISE IN THE WORLD Translated from the Chinese with the „title „S un Tsu Ping Fa” with Introduction and Critical Notes BY DR. LIONEL GILES, M.A. Assistant in the Department of Oriental Printed Books and MSS. in the British Museum First Published in 1910 Deutsche Übersetzung aus dem Englischen, Version 1.0, © Guido Stepken, Januar 2005 mit verschiedenen, zusätzlichen Anmerkungen in () Nachzulesen unter http://www.little-idiot.de/teambuilding/SunTsuKunstDesKrieges.pdf auf Englisch mit einigen Bemerkungen zur Entstehung dieses Werkes: http://www.little-idiot.de/teambuilding/SunTsu-ARTOFWAR.pdf To my brother Captain Valentine Giles, R.G. in the hope that a work 2400 years old may yet contain lessons worth consideration by the soldier of today this translation is affectionately dedicated.

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sun tsu die Kunst des Krieges

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Page 1: Sun Tsu Kunst des Krieges

SUN TZUSUN TZU  ON THEON THE  

ART OF WARTHE OLDEST MILITARYTHE OLDEST MILITARY

TREATISE IN THE WORLD TREATISE IN THE WORLD Translated from the Chinese with the „title  „S un Tsu Ping Fa” with  Introduction 

and Critical Notes 

BY 

DR. LIONEL GILES, M.A. 

Assistant in the Department of Oriental Printed Books and MSS. in the British Museum 

First Published in 1910

Deutsche Übersetzung aus dem Englischen, Version 1.0, © Guido Stepken, Januar 2005mit verschiedenen, zusätzlichen Anmerkungen in ()

Nachzulesen unter http://www.little­idiot.de/teambuilding/SunTsuKunstDesKrieges.pdfauf Englisch mit einigen Bemerkungen zur Entstehung dieses Werkes:http://www.little­idiot.de/teambuilding/SunTsu­ARTOFWAR.pdf

To my brotherCaptain Valentine Giles, R.G.

in the hope thata work 2400 years old

may yet contain lessons worth considerationby the soldier of today

this translation is affectionately dedicated.

Page 2: Sun Tsu Kunst des Krieges

 Strategische Überlegungen 

SUN TSU on the ART OF WAR

1 Strategische Überlegungen ..........................................................................................................................................12Über die Kriegführung...................................................................................................................................................53 Über das Planen einer Belagerung...............................................................................................................................74 Über Formationen..........................................................................................................................................................95 Kraft................................................................................................................................................................................106 Leere und Fülle.............................................................................................................................................................127 Über den bewaffneten Kampf....................................................................................................................................14 Anhang: “AR T OF WARfare” ......................................................................................................................................179 Anpassung.....................................................................................................................................................................2010Armeen auf dem Marsch............................................................................................................................................2111 Terrain..........................................................................................................................................................................2412 Neun Arten von Gelände..........................................................................................................................................2713 Angriff durch Feuer...................................................................................................................................................3114 Über den Einsatz von Spionen.................................................................................................................................32

1  Strategische Überlegungen 

1. Jede Kriegshandlung ist für den Staat von größter Bedeutung

2. Es ist eine Sache von Leben und Tod, der Pfad, der das Überleben  sichert, oder in den Untergangführt. Daher ist es absolut unumgänglich, dieses Thema eingehend zu prüfen.

3. Die  Kriegskunst  wird  von  fünf  konstanten  Faktoren  geregelt,  wobei  man die  eigene  Bedacht­samkeit   in   Bedacht   ziehen   sollte,   wenn   man   Vergleiche   anstellt,   die   Bedingungen   hierfür   zuerkennen. 

4. Diese fünf Dinge sind (1) Das Gesetz der Moral, (2) Himmel, (3) Erde, (4) die Führung selber, (5)die Methode und die Disziplin.  [Hier sollte „Gesetz  der Moral”  ähnlich dem Tao von Lao Tzu als ein„P rinzip der Harmonie”  aufgefasst werden, welches unabhängig von der Führung aufzufassen ist, für unsEuropäer etwas ungewöhnlich gedacht.] 

5. Das moralische Gesetz (TAO) veranlasst die Menschen, stets das gleiche Ziel, wie die Führung zuverfolgen,  sodaß sie  vorbereitet  sind,  Leben und  Tod zu   teilen,  sich  nicht  von  Gefahren  oderWidrigkeiten abschrecken lassen, sich mit der Führung identifizieren. [Tu Yu zitiert Wang Tzu, derfolgendes sagte: „ Ohne ständige Übung werden die Offiziere nervös und unentschieden bei der Versamm­lung vor der Schlacht, und der General unentschlossen und zögerlich, wenn eine Krise bevorsteht]

6. HIMMEL bedeutet Nacht und Tag, Kälte und Hitze, Zeiten und Jahreszeiten. [Die Kommentatoren,denke ich, machen ein unnötiges  Geheimnis um zwei Wörter hier: Meng Shih bezieht sich auf „das  Starkeund das Weiche” , das „ zu­und abnehmen”  vom Himmel. Wang Hsi mag darin richtig liegen, wenn er sagt,daß das mit der „allgem einen Harmonie des Himmels”  gemeint ist, einschließlich die fünf Elemente, die vierJahreszeiten, Wind und Wolken und anderer Phänomene.]

7. ERDE   umfasst   Entfernungen,   große   und   kleine,   Gefahr   und   Sicherheit,   offenes   Gelände   undschmale Päße, die Möglichkeit zu leben und zu sterben.

8. Führerschaft   steht   für  die  Tugenden  von  Weisheit  oder  Klugkeit,  Aufrichtigkeit   (auch  Glaub­würdigkeit), aber auch Wohlwollen, Mut und Strenge (auch Geradlinigkeit). Die 5 Kardinaltugen­den der Chinesen sind: (1) Menschlichkeit oder Wohlwollen, (2) Aufrichtigkeit des Verstandes, (3)

Page 3: Sun Tsu Kunst des Krieges

 Strategische Überlegungen 

Selbstachtung,   Selbstdisziplin,   oder   „Aus geglichenheit”   (im   Sinne   der   inneren   Harmonie),   (4)Weisheit,   Klugkeit,   (5)   Aufrichtigkeit   oder   „guter   Glaube”.   Hierbei   werden   „W eisheit”   und„Auf richtigkeit”     klar   vor   „Mensc hlichkeit”   und   „ Wohlwollen”   gesetzt,   und   die   zwei   mil­itärischen Tugenden des  „M utes”  und „ Strenge”  (Geradlinigkeit)  ersetzt  durch  „Aufricht igkeitdes Verstandes” , „S elbstachtung” , „Selb stdisziplin”  oder „Ausgeglic henheit”.  

9. Methode und Disziplin sollte verstanden werden als das Ordnen der Armee in ihre korrekten Un­terteilungen, in den Staffelungen von Rang unter den Offizieren, bei der Erhaltung der Straßenund   Wege,   durch   die   die   Versorgungsmaterialien   die   Armee   erreichen   können,   und   in   derSteuerung der militätischen Aufwendungen. 

10. Jeder General hat von diesen fünf Dingen bereits gehört. Jene, die sie beherrschen, werden trium­phieren; jene, die sie nicht beherrschen, werden scheitern.

11. Benütze daher diese Beurteilungen, um Vergleiche anzustellen und um herauszufinden, welche(militärischen) Bedingungen herrschen, wie folgt:

1. Das heißt, welche politische Führung handelt im Einklang mit dem moralischen Gesetz, dem„Tao”?  

2. Welcher von zwei Generälen ist der fähigere? 

3. Wer verfügt über die besseren Voraussetzungen, was die Nutzung von  HIMMEL  und ERDEbetrifft? 

4. Wessen Disziplin ist wirksamer?  [Tu Mu erzählt eine bemerkenswerte Geschichte von Ts'ao Ts'ao(A.D. 155­220), der so stark diszipliniert war, daß er einmal, in Einklang mit seinen eigenen Regeln, dieer sehr ernst nahm, z.B. seine persönliche Regel gegen die Verletzung von stehendem Korn, dieser sichselber zum Tode verurteilte, daß er sein Pferd in das Feld laufen ließ. Jedoch konnte er überredet werden,anstelle  des  Verlierens   seines  Kopfes,  daß es  genügen  würde,  seine  Haare  abzuschneiden,  um seineVorstellung für Gerechtigkeit zu erfüllen. Ts'ao Ts'ao's  eigener Kommentar zu diesem Vorfall ist beze­ichnend kurz: „ Wenn Du ein Gesetz erläßt , sorge dafür, daß gegen es nicht verstoßen wird, und wenndoch, dann muß derjenige, der dagegen verstößt, sterben."]

5. Wessen Truppen sind die stärkeren?  [Sowohl moralisch,  als auch physisch.  Frei zitiert nach MeiYao­ch'en: "ESPIRIT DE CORPS and 'big battalions'"] 

6. Welche Soldaten und Offiziere sind besser ausgebildet? [Tu Yu zitiert Wang Tzu wie folgt: „ Ohneständige Übung werden die Offiziere nervös und unentschieden bei der Versammlung vor der Schlacht,und   der   General   unentschlossen   und   zögerlich,   wenn   eine   Krise   bevorsteht   (im   chinesischen   ist„Cha nce”  = „ Krise”) ]

7. Wessen System von Belohnung und Bestrafung ist klarer? [On which side is there the most abso­lute certainty that merit will be properly rewarded and misdeeds summarily punished?]

14. Anhand dieser 7 Betrachtungen kann ich vorhersagen, wer gewinnen, und wer verlieren wird. [LiQuan: Eine politische Führung, die in Einklang mit dem Tao steht, wird sicherlich über eine militärischeFührung verfügen, die intelligent und fähig ist.]

15. Der General, der meinen Ratschlag befolgt,  und danach handelt, wird erobern: ­ halte ihn unterdeinem Kommando! [Die Form diese Paragraphen erinnert und daran, daß Sun Tzu's Abhandlung aus­drücklich für das Wohl seines Herrschers geschrieben wurde, für Ho Lu, Herrscher des Wu – Staates.] DerGeneral, der meinen Ratschlag nicht befolgt, oder nicht danach handelt: ­ entlasse ihn!  

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 Strategische Überlegungen 

16. Während Du die Vorteile analysierst, die du aus meinem Ratschlag ziehst, nutze auch alle hilfre­ichen Umstände, die über diese Regeln hinausgehen, und dahinter stecken. [Damit meinte er, daß esneben diesen allgemeinen Grundregeln noch weitere, bisher unentdeckte, implizite Regeln oder „impl iziteLogiken”   gibt, die sich aus den Umständen der Situation ergeben.] 

17. Entsprechend den vorteilhaften Umständen modifiziere  dann deine Pläne. Dann gliedere deineKräfte entsprechend und mache dir außergewöhnliche Taktiken zunutze. [Sun Tzu, als praktischerSoldat, verfügte damals über keine Theorien aus Büchern. Er warnt hier eindringlich, unseren Glauben undHandeln  nicht an den abstrakten Prinzipien festzumachen.  Chang Yu:  „Währe nd die Hauptgesetze  derStrategie   offenbar   zum   Nutzen   von   jedermann   aufgestellt   werden   können,   mußt   Du   dich,   von   denTätigkeiten des Feindes geleitet, darauf einstellen, daß er eine vorteilhafte Position im aktuellen Kampf zusichern versucht.”  Am Vorabend der Schlacht von Waterloo ging Lord Uxbridge, die Kavallerie befehlend,zum Herzog von Wellington, um zu erfahren, was seine Pläne und Taktiken für den kommenden Tag zu er­fahren, weil – wie er erklärte – er wohlmöglich Oberbefehlshaber plötzlich sein könnte, und er dann nichtimstanden sein würde, neue Pläne in einem kritischen Moment zu gestalten. Der Herzog hörte ruhig zuund   sagte   dann:   „W er   wird   morgen   als   erster   angreifen   –  „Ic h   oder   Bonaparte?”,   antwortete   LordUxbridge. „Nun”,  ergänzte er, „Bonapar te hat mir keine Einsicht in seine Pläne gegeben, und da meinePläne von seinen abhängen, wie kann man von mir erwarten, zu sagen, welche Pläne ich habe?] 

18. Jede militärische Operation basiert auf Täuschung.  [Colonel Henderson erzählt uns, daß Wellington,der großartig in fast allen Bereichen der militätischen Führung war, sich von anderen dadurch unterschied,daß er  die  außerordentliche  Fähigkeit  hatte,  seine  eigenen (Truppen)  Bewegungen (aber  auch  Pläne)  sogeschickt  zu verbergen, und damit den Feind, und sogar Freund, täuschte.] 

19. Wenn du auf einen Angriff vorbereitet bist,  erscheine unvorbereitet. Wenn Du agierst,  mit denStreitkräften, erscheine untätig, wenn wir nahe sind, dann mache den Feind glauben, wir wärennoch weit entfernt, und wenn wir weit entfernt sind, mache ihn glauben, daß wir nahe sind.

20. Halte Köder aus, um deinen Gegner zu verleiten,  täusche vor, ungeordnet, unvorbereitet zu sein,und zerstöre ihn dann.

21. Wenn dein  Gegner  sich  seiner  Sache  sicher   ist,   sei  auch  vorbreitet.  Wenn  er  von  überlegenerStärke ist, weiche ihm aus.

22. Wenn der Gegner leicht erregbar ist, versuche, ihn zu irritieren. Täusche Schwäche vor, um dieArroganz des Gegners anzustacheln. [Wang Tzu, erwähnt von Tu Yu, sagte, daß ein guter Taktiker mitseinem Gegner spielt, wie eine Katze mit der Maus spielt, zuerst Schwäche und Immobilität vortäuschend,um sich dann plötzlich auf ihn zu stürzen.] 

23. Wenn der Gegner versucht, Ruhe zu finden, wieder zu Kräften zu kommen, stelle ihm nach. [Dasist wahrscheinlich das, was Mei Yao­ch'en meinte, als er schrieb: „ Während wir Kraft tanken, sorge dafür,daß der Gegner sich selber Müde läuft.  YU LAN:  „Locke  ihn an, und sorge dafür, daß er sich selber dabeivollständig erschöpft”]  Wenn seine Kräfte vereinigt sind, spalte sie auf.  [Weniger plausibel ist die In­terpretation, die oft bevorzugt wird: „W enn Herrscher (oder Befehlshaber) und Armee im Einklang sind,schiebe einen Keil dazwischen”]

24. Greife an, wenn der Gegner unvorbereitet ist, erscheine, wenn er es am wenigsten erwartet.

25. Die Strategie,  Stärke, Formation und das Vorgehen der Kräfte,  derer sich das Heer bedient, umzum Sieg zu gelangen, dürfen niemals  vorzeitig bekannt werden (besonders nicht dem Gegner).

26. Nun führt  der  General,  der  den  Kampf  gewinnt,   in  seinem  Hauptquatier  viele  Kalkulationendurch, bevor er den Kampf führt.  Der General, der den Krieg verliert, hat zuvor wenig Kalkula­tionen angestellt, wie er sich gegen den Gegner zur Wehr setzt. So führen viele Kalkulationen zumSieg   und   wenige   Berechnungen   zur   Niederlage   ­     Wenn   ich   diesem   Punkt   Aufmerksamkeitwidme, so kann ich vorhersehen, wer wahrscheinlich gewinnen oder verlieren wird.

Page 5: Sun Tsu Kunst des Krieges

Über die Kriegführung

2 Über die Kriegführung

1. Die Kosten der Kriegsoperationen in einem Feld mit 1000 schnellen Streitwagen,  ebenso vielenschweren  Streitwagen,  hunderttausend Schutz­plattierten  Soldaten,  [Die   „schnel len  Streitwagen”waren leicht,  und ­ entsprechend  Chang Yu ­,  verwendet   für den Angriff;  die  „schweren  Streitwagen"waren schwerer, und entworfen zwecks Verteidigung. Li Ch'uan sagt, daß die letzteren leicht waren, aberdieses scheint kaum wahrscheinlich. Die Analogien zwischen früherer, chinesischer Kriegsführung und de­nen der Griechen in Homers Schriften sind recht interessant. In jedem Fall war der Kriegs­Streitwagen derwichtige Faktor, da er den Kern um eine bestimmte Anzahl von Fuss­Soldaten bildete. Aus den Zahlen, diehier gegeben werden, wissen wir, daß jeder schnelle Streitwagen von 75 Lakaien, und jeder schwere Streit­wagen durch 25 Lakaien begleitet wurde, sodaß man die ganze Armee in tausend Bataillone teilen kann,jedes   aus   zwei   Streitwagen   und   hundert   Männer   bestehend.]  mit   dem   Auftrag,     tausend   LI   zumarschieren, [2.78LI sind eine Meile. Die Länge kann seit Zeit Sun Tzu's ein wenig geschwankt haben.]die Aufwendungen zuhause und an der Front, einschließlich Unterhaltung der Gäste, für kleineEinzelteilen   wie   Kleber   und   Farbe   und   die   Summen,   die   für   Streitwagen   und   Rüstungenaufgewendet werden, erreicht die Gesamtmenge von tausend Unzen Silber pro Tag. Das sind dieKosten des Aufstellung einer Armee von 100.000 Männern.

2. Wenn   du   in   den   Krieg  bist,   und  der   Sieg  droht,   sich   hinauszuzögern,  werden  deine   Waffenstumpf und die Kampfmoral leidet. Belagerst du eine befestigte Stellung, wird sich deine Kraft er­schöpfen. 

3. Wenn du deine Truppen lange Zeit im Feld belässt, wird es an Nachschub mangeln.

4. Sind deine Waffen stumpf und ist deine Kampfmoral schwach, sind deine Kräfte geschwundenund deine Vorräte erschöpft, dann werden andere Vorteil aus deiner Schwäche ziehen und sicherheben. 

5. Und auch wenn dir die klügsten Ratgeber zur Seite stehen, kannst du den Lauf der Dinge nichtmehr   zu   deinen   Gunsten   verändern.   Daher   habe   ich   von   Unternehmungen   gehört,   die   zwarungeschickt,  aber  schnell  waren,  aber  ich  habe nie  eine  gesehen,  die  geschickt  und langwieriggewesen wäre. 

6. Eine langwierige militärische Operation war für eine Nation noch nie von Vorteil.

7. Daher können jene, die sich der Nachteile eines Einsatzes von Waffen nicht voll und ganz bewusstsind, sich auch der Vorteile eines Einsatzes von Waffen nicht voll und ganz bewusst sein.

8. Jene, die das Militär vortrefflich einsetzen, heben Truppen nicht zweimal aus und transportierenden Proviant nicht dreimal.

9. Wenn du die nötige Ausrüstung aus deinem eigenen Land mitnimmst und dich, was den Proviantbetrifft, auf den Feind verlässt, kannst du über reichlich Ausrüstung und Vorräte verfügen.

10. Wenn ein Land durch eine militärische Operation verarmt, dann deswegen,  weil es den Nach­schub an einen weit entfernten Ort befördert. Transportiere den Nachschuh an einen weit entfern­ten Ort, und die Bevölkerung wird in Armut versinken.

11. Jene, die in der Nähe des Heeres leben, verkaufen zu hohen Preisen. Und hohe Preise lassen denReichtum des Volkes schwinden.

12. Sind die Reserven erschöpft, wird die Bauernschaft mit schweren Forderungen belastet

13. Mit  dem  Verlust  der  Substanz  und   Erschöpfung   der  Stärke   werden  die  Steuern  unter   Druckeingetrieben. Sind Kraft und Güter aufgezehrt, dann blutet das eigene Land aus. Das gewöhnliche

Page 6: Sun Tsu Kunst des Krieges

Über die Kriegführung

Volk büßt nicht nur 30%, sondern sogar bis zu 70% Prozent seines Einkommens ein, währende dieAusgaben   der   Regierung   für   zerbrochene   Streitwagen,   erschöpfte   Pferde,   Brust­Panzer   undHelme,   Bögen   und   Pfeile,   Speere   und   Schilder,   bewegliche   Schutzschilder,   Oxenkarren   undschwere Wagen bis zu 40% des gesamten Einkommens ausmachen.

14. Daher strebt ein weiser General danach, sich die Lebensmittel beim Feind zu verschaffen. JedesPfund Nahrung, das dem Feind abgenommen wird, wiegt zwanzig Pfund Nahrung auf, für diedu selbst aufkommen musst. [Weil 20 Wagenkarren mit Ladung verbraucht werden beim Transport andie Front. Ein PICUL sind 65.6 Kilogramm.]

15. Was den Gegner vernichtet, ist Zorn; was zur Erbeutung der Habe des Feindes führt, ist Beloh­nung.  [Tu Mu sagt: "Belohnungen sind notwendig,  um Soldaten den Vorteil des Sieges über den Feindklar zu machen. Deswegen, wenn Du Güter des Feindes erbeutest, verwende sie als Belohnungen, sodaß alledeine Leute ein starkes Verlangen haben, zu kämpfen, jeder für seinen persönlichen Vorteil."]

16. Daher belohne im Falle einer Wagenschlacht denjenigen, der als erster mindestens zehn Wagen er­obert. Tausche ihre Farben aus und mische die erbeuteten Wagen unter die deinen. Behandle diegefangenen Soldaten gut und nimm dich ihrer an.

17. Dies heißt, den Sieg über den Gegner zu erringen und obendrein die eigene Kraft zu stärken.

18. Daher ist das Wichtigste in einer militärischen Unternehmung der Sieg und nicht unnotig in dieLäge gezogene Aktionen.

19. Daher missen wir, dass der Anführer der Armee die Verantwortung für das Leben der Menschenträgt und über die Sicherheit des Staates entscheidet.  [Wie Ho Shih bemerkt: "Krieg ist kein Kleck­erkram.”  Sun Tsu erinnert hier an nochmals an Kapitel I, an welches hier nochmals erinnert werden soll.]

3  Über das Planen einer Belagerung

1. Sun Tsu: Die allgemein gültige Regel für den Einsatz des Militärs lautet: Es ist besser, eine Nationunversehrt zu belassen als sie zu zerstören. Es ist besser, eine Armee unversehrt zu belassen als siezu vernichten; es ist besser, eine Division unversehrt zu belassen als sie zu vernichten; es ist bess­er,  eine  Abteilung unversehrt  zu belassen als  sie  zu vernichten;  es  ist  besser,  eine  Einheit  un­versehrt   zu   belassen   als   sie   zu   vernichten.  [Das   Äquivalent   eines   Armee­Chors,   wie   Ssu­ma   Faberichtet, besteht aus 12500 Männern, Ts'ao Kung schreibt, ein Regiment besteht aus 500 Männern, eineAbteilung aus 100 bis 500 Männern, eine Kompanie aus 5 bis 100 Männern. Für die letzten beiden, gibtChang Yu exakte Zahlen von 100 bis 5 Männern an.]

2. Daher beweisen jene, die jede Schlacht gewinnen, nicht wirklich höchstes Geschick. [Hier wird malwieder klar, daß kein moderner Stratege die Worte dieses alten, chinesischen Generals bestätigen würde.Moltge's größter Triumph ist die Kapitulation der kompletten französischen Armee bei Sedan, quasi ohneBlutvergießen.] Jene, die die gegnerische Armee hilflos machen, ohne es zu einem Kampf kommenzu lassen, sind die wahrhaft Vortrefflichen.

3. Die höchste Kunst eines Generals ist die gegnerischen Pläne zu verhindern.  [Ho Shih drückt dassehr klar aus: „ Wenn ein Feind einen Angriff gegen uns plant, müssen wir ihm zuvor kommen, indem wirzuerst unseren Angriff ausführen.]Die   nächstbeste   Strategie   ist   es,   Zusammenschlüsse   der   gegnerischen   Kräfte   zu   verhindern[Isoliere ihn von seinen Alliierten. Wir dürfen nicht vergessen, daß Sun Tsu, wenn er von Feindschaften re­det, er immer im Kopf hat, daß China damals in unzählige Staaten, Fürstentümer aufgeteilt war.]Die nächstbeste  Strategie besteht  darin,  die Armee auf offenem Feld anzugreifen.  [Wenn er beivollen Kräften ist]Die schlechteste  Strategie besteht darin, eine befestigte Stadt anzugreifen. 

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 Über das Planen einer Belagerung

4. Zur Belagerung einer Stadt darf es nur dann kommen, wenn kein anderer Ausweg bleibt.  [Nochein gewichtiges Stück Militärtheorie: „ Another sound piece of military theory” .  Die Boers handelten nachdieser Devise 1899 und vermieden die Aufspaltung ihrer Kampfkraft vor Kimberley, Mafeking oder sogarLadysmith; es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie die die Situation gemeistert hätten, bevor die Briten ern­sthaft die Bereitschaft hatten, sich ihnen entgegenzustellen.] Die Vorbereitung der Schutzrüstungen, be­weglichen   Schutzschilder   und   verschiedenem   Kriegszubehör   wird   bis   zu   drei   Monaten   inAnspruch nehmen. [Es ist nicht ganz klar, was das chinesische Wort „ mantlets”  beschreibt. Ts'ao Kungdefiniert es einfach als „gro ße Schutzschilder”,  aber Li Ch'uan meint, daß sie die Köpfe der Angreifer aufbefestigte  Städte schützen auf kurze Distanzen. Tatsächlich scheint es dem römischen TESTUDO gleichzukommen.   Tu   Mu   sagt,   daß  sie   räderne   Vehikel   wären,   um   Angriffe   abzuwehren,   was   Ch'en  Haoverneinte. Siehe supra II. 14.  Der Name wird auch für Verteidigungstürme auf Stadtmeuernverwendet.   Von   den   „ beweglichen   Schutzschilden”   bekommen   wir   eine   sehr   klareBeschreibung von mehreren Kommentatoren.  Diese  waren hölzerne,  Wurfgeschosse  ab­wehrende   Karren   auf   vier   Rädern,   angetrieben   von   innen,   bedeckt   mit   einfachemSichtschutz, um bei Belagerungen Männer von und zu den Schutzwällen zu bringen, diedann den umgebenden Wassergraben mit Erde füllen sollten. Tu Mu fügt hinzu, daß sienun „hö lzerne Affen”  genannt wurden.]  und das aufschütten  von Rampen zur Mauer  hinwird weitere drei Monate dauern.[Dies waren große Hügel oder Rampen aus Erde, gegen die feindlichenMauern aufgeschüttet, um die Schwächen in der Verteidigung entdecken zu können, aber auch um die ver­stärkten Verteidigungstürme zu zerstören, die im vorhergehenden Kommentar erwähnt sind.]

5. Kann der General  seinen Zorn nicht kontrollieren,  wird er seine Leute einen Schlag ausführenlassen, wie ausschwärmende Ameisen [Dieses frische Grinsen von Ts'ao Kung stammt von dem Spek­takel von Ameisen, die eine Wand erklimmen. Die Bedeutung ist, daß der General, der die Geduld verliertnach einer langen Pause in Gefahr läuft, daß er den Platz stürmt, bevor seine Kriegsmaschinerie fertig ist.]mit dem Resultat, daß 1/3 seiner Soldaten vernichtet sind, ohne daß die Stadt eingenommen wer­den konnte. Dies sind die verheerenden Effekte einer Belagerung. [Dies erinnert uns an die fürchter­lichen Verluste der Japener vor Port Arthur, einer nahe zurückliegenden Belagerung der Geschichte.]

6. Daher besiegt der, der die Kunst des Krieges beherrscht, die feindlichen Truppen ohne Kampf; erbezwingt die Städte der anderen ohne Belagerung; er zerstört das Königreich der anderen durchkurz angelegte Operationen im Feld.  [Chia Lin bemerkt,  daß er nur die Regierung überwindet,  ohneMenschen zu verletzen. Das klassische Beispiel ist Wu Wang, der, nachdem er die Yin Dynastie beendethat, sich selber „ Vater und Mutter des Volkes”  bezeichnen ließ]

7. Mit   intakten Streitkräften  kann er  die Führung der  Herrschaft  angreifen,  ohne auch nur einenMann zu verlieren, und der vollständige Triumph ist sein. [Berücksichtigt man die Doppeldeutung imchinesischen Text, so hat der zweite Teil dieses Satzes noch eine weitere Bedeutung: „Und  so, ohne die Waf­fen verschlissen zu haben,  bleibt  die  Motivation erhalten"]  Die   ist  die Methode des  Angriffs  durchStrategie. 

8. Die Regel für den Einsatz des Militärs lautet: Wenn du dem Gegner zehn zu eins überlegen bist,dann umzingle ihn; wenn du ihm fünf zu eins überlegen bist, dann greife an [Geradeheraus, ohneauf irgendeinen Vorteil zu warten]; wenn du ihm zwei zu eins überlegen bist, zerteile deine Armee inzwei Hälften. [Tu Mu nennt eine Ausnahme zu diesem Sprichwort, und, auf den ersten Blick, scheint estatsächlich so, also wäre dies eine Verletzung der fundamentalen Prinzipien im Krieg. Ts'ao Kung gibt unsein „Pack­ An”  zu Sun Tsu's Meinung: „ Bei einem Verhältnis von 2:1 gegenüber dem Gegner, kann maneinen Teil der Armee in einem regulären Angriff nehmen, und den anderen für spezielle Angriffe. ChangYu erhellt diesen Punkt weiter: „Wenn  deine Kräfte doppelt so zahlreich sind, wie die des Feindes, teile siein zwei Hälften, greife mit einer den Feind frontal an, und mit der anderen falle ihm in den Rücken; Wenner auf den Frontalangriff antwortet, kann er von hinten zerstört werden, wenn er sich auf den Angriff von

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 Über das Planen einer Belagerung

hinten konzentriert, wird er von vorne zerstört.”  Tu Mu versteht nicht, daß das Aufteilen einer Armee einereguläre, strategische Methode ist, hält dies für eine irreguläre, und vielleicht etwas voreilig nennt er dieseinen Fehler.]

9. Bist du gleich stark wie dein Feind, dann kämpfe, wenn du dazu in der Lage bist.[Li Ch'uan, gefol­gt von Ho Shih, gibt uns folgenden Ratschlag: „  Wenn Angreifer und Angegriffener zahlenmäßig ebenbür­tig sind, wird nur ein fähiger General kämpfen."].  Bist du ihm zahlenmäßig unterlegen, dann haltedich von ihm fern, wenn du dazu in der Lage bist. [Die Bedeutung: „ Wir können den Feind beobacht­en”   ist   bestimmt   eine   große   Verbesserung   des   obigen   Ratschlages;   leider   ist   diese   Variante   nichtempfehlenswert. Chang Yu erinnert uns daran, daß das Sprichwort nur dann anwendbar ist, wenn alle an­deren Faktoren vergleichbar sind; nur ein kleiner Unterschied in den Zahlen kann ausgeglichen werdendurch überlegene Energie und Disziplin.] Bist du ihm nicht gewachsen, dann fliehe, wenn du dazu inder Lage bist.

10. Wenn also die schwächere Seite hartnäckig ist,  gerät  sie letztendlich in die Gefangenschaft desstärkeren Gegners.

11. Generäle sind die Gehilfen der Nation. Unterstützen sie das Land vollkommen, ist es stark. Unter­stützen sie das Land mangelhaft, ist es schwach.  [Wie Li Ch'uan es kurz auf den Punkt bringt: „Ab ­stand zeigt Mängel an; wenn die Fähigkeiten des Generals nicht perfekt sind (z.B. wenn er nicht versiert ist,in seinem Beruf), wird seine Armee Schwächen zeigen”]

12. Die Führung kann also das Heer auf dreifache Weise in Bedrängnis bringen: 

1. Eine Armee befehligen, vorzustoßen, oder zurückzuziehen, aber den Fakt ignorieren, daß dieArmee nicht gehorcht. Dies wird „ hinken der Armee”  genannt.  [Li Ch'uan fügt hinzu: „Es  ist,also ob man einem Rennpferd die Beine zusammenbinden würde, damit es nicht gallopieren kann”.  Mandenkt unweigerlich daran, daß der Führer zuhause wäre, und versucht, von dort aus, aus der Distanz,seine Armee zu befehligen. Die Kommentatoren hingegen verstehen genau das Gegenteil, und zitierenT'ai Kung: „Ein  Königreich sollte nicht von außen regiert werden, und eine Armee nicht von innengeführt werden”.  Natürlich ist es wahr, daß, während einer Aktion, oder wenn der Feind nähert, derGeneral nicht in der Mitte seiner Truppen sein sollte, sondern eine kleine Distanz weiter weg. Andern­falls trägt er die Verantwortung, falls er die Lage falsch einschätzt, und falsche Befehle erteilt.]

2. Zu versuchen, eine Armee in der gleichen Weise zu führen, wie ein Königreich verwaltet wird,ohne zu wissen, welche Bedingungen in der Armee herrschen. Dies führt zu Rastlosigkeit (Ver­wirrungen) in der Armee. [Ts'ao Kung's Bemerkung hierzu ist, frei übersetzt: Militär und Zivilistenunterscheiden sich völlig voneinander; man kann nicht eine Armee mit Kinderhandschuhen anpacken.”Chang Yu sagt: „Human ität und Gerechtigkeit sind die Grundprinzipien der Führung eines Staates,aber  nicht  die   einer  Armee;  Opportunismus  und  Flexibilität,  auf  der   anderen  Seite,   sind   eher  mil­itärische, als zivile Tugenden, um einen Vergleich zwischen Armme und Staat anzustellen.]

3. Offiziere einer Armee ohne genaue Unterscheidung zu befehlen,  [Was heißen soll, daß er nichtsorgfältig den richtigen Mann am richtigen Platz einsetzt.]  durch Mißachtung des Prinzipes, sichden Umständen anzupassen, dies erschüttert  das Vertrauen der Soldaten.  [Ich folge hier MeiYao­Ch'en. Die anderen Kommentatoren beziehen sich nicht auf die Regel, wie in SS. 13,14 beschrieben,aber auf die Offiziere, die er befiehlt: Tu Yu sagt: „Wenn  ein General die Prinzipien der Anpassung ig­noriert, dann darf diesem in seiner Eigenschaft als Autorität nicht vertraut werden. Tu Mu zitiert: „Derfähige Befehlende wird selber weise Männer befehlen, der tapfere nur tapfere, der dumme die Dummen.Der weise Mann versucht, seinen Geist umzusetzen, der tapfere mag es, Mut zu beweisen, der begierigeMann ist schnell darin, Vorteile zu erlangen, und der dumme Mann hat keine Angst vor dem Tode”.]

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 Über das Planen einer Belagerung

13. Sobald die Armee verwirrt und mißtrauisch ist, wird es Schwierigkeiten mit Rivalitäten geben.. Indiesem Fall spricht man davon, dass der Sieg weggenommen wird, weil in der Armee Anarchieherrscht.

14. Es gibt also fünf Wege, die erkennen lassen, wer siegen wird:

1. Jene, die wissen, wann sie kämpfen und wann sie nicht kämpfen sollen, werden siegen. [ChangYu sagt: Wenn er kämpfen kann, wird er fortschreiten und die Offensive übernehmen. Wenn er nichtkämpfen kann, wird er sich zurückziehen, und verbleibt in der Defensive. Er wird unweigerlich erobern,wenn er genau weiß, wann er in die Offensive gehen muß, oder in der Defensive verbleibt.]

2. Jene, die wissen, wann sie überlegene und unterlegene Kräfte wo einsetzen können, werdensiegen. [Dies bezieht sich nicht hauptsächlich auf die Fähigkeit des Generals, Zahlen genau schätzen zukönnen, wie Li Ch'uan und andere feststellten. Chang Yu erweitert dies, indem er sagt: „Indem  man„Art  of  War”  anwendet,   kann man mit  kleineren  Kräften  sich  gegen  eine  größere verteidigen,  undumgekehrt. Das Geheimnis liegt in einem genauen Auge für die Umgebung, und darin, den richtigenMoment nicht zu verpassen. So sagt Wu Tzu: „ Mit einer überlegenen Streitmacht bewege dich auf le­ichtem Grund, mit einer unterlegenen auf schwierigem Grund.]

3. Jene, deren obere und untere  Ränge die  gleichen Ziele  verfolgen,  die  denselben Teamgeist,Mannschaftsgeist besitzen, werden siegen. 

4. Jene, die dem Unvorbereiteten vorbereitet entgegentreten, werden siegen. 

5. Jene,  deren Generäle   fähig  sind  und nicht  von  ihrer  Regierung  behindert  werden,  werdensiegen. [Tu Yu zitiert Wang Tzu, der sagt: „Es  ist die Funktion des Souveräns, allgemeine Instruktio­nen zu geben, aber es ist Aufgabe des Generals, im Kampf zu entscheiden. Es ist unnötig, auf die mil­itärischen Katastrophen hinzuweisen, die dadurch zustande gekommen sind, daß Operationen im Kampfdurch Anweisungen der Regierung gestört worden sind.  Napoleon hatte unzweifelhaft  außergewöhn­lichen Erfolg dadurch, daß er nicht von einer zentralen Autorität behindert wurde.]

Dies sind die fünf Wege, die erkennen lassen, wer siegen wird.

15. Deshalb heißt es: Wenn du die anderen und dich selbst kennst, wirst du auch in hundert Schlacht­en nicht in Gefahr schweben; wenn du die anderen nicht kennst, aber dich selbst kennst, dannsiegst du einmal und verlierst einmal;  [Li Ch'uan erwähnt einen Fall von Fu Chien, dem Prinz vonCh'in, der im Jahre 383 v. Chr., der mit einer riesigen Armee gegen den Chin Kaiser auszog. Als er gewarntwurde, niemals einen Gegner zu verachten, der selber Schutztruppen befehligen könnte, wie die von HsiehAn und Huan Ch'ung, so erwiderte dieser überheblich: "Ich habe die Bevölkerung von acht Provinzen hin­ter mir, Infantrie und Reiterei von bis zu einer Million Männern; Warum? ­ sie könnten höchstens denYangtsze Fluß selber aufstauen, indem sie vielleicht ihre Peitschen in den Strom schmeißen. Welche Gefahrhätte ich zu fürchten?”  Dennoch wurden seine Streitkräfte vernichtend beim Fei Fluß geschlagen, und erselber wurde zu einem hastigen Rückzug gezwungen] wenn du die anderen nicht kennst und dich selb­st nicht kennst, dann wirst du in jeder einzelnen Schlacht in Gefahr sein [Chang Yu sagte: "KennstDu den Feind, so kannst Du in die Offensive gehen, wenn Du nur dich selber kennst, stehst Du in der De­fensive.”  Er fügt hinzu: „Angrif f ist das Geheimnis der Verteidigung; Verteidigung ist das Planen einenAngriffes”  Es wäre wohl schwierig, einen Ersatz für dieses Grundprinzip des Krieges zu finden.]

4  Taktische Entscheidungen

[Ts'ao Kung erklärt die chinesische Bedeutung dieser Worte für den Titel dieses Kapitels so: „Marsch ierenund Entgegenmarschieren zweier Armeen mit einem Blick auf den Zustand der jeweils anderen.”  Tu Musagt: „ Es liegt in den Eigenschaften einer Armee, daß ihre Stärke ausgespäht wird. Verberge diese Eigen­

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 Taktische Entscheidungen

schaften, und die Stärke wird vielleicht verborgen bleiben. Zeige deine Eigenschaften, und deine Stärkenwerden aufgedeckt, was zu einer Niederlage führt.”  Wang Hsi bemerkt, daß ein guter General vermag denErfolg sichern, indem er seine Taktik so verändert, daß er diese denen des Feindes anpasst.” ]

1. Sun Tsu sagt: „Di e guten, erfahrenen Kämpfer berücksichtigen die Möglichkeit einer Niederlage,und warten geduldig auf eine Gelegenheit, den Gegner zu schlagen.”

2. Unbesiegbarkeit   liegt   in deinen Händen,  die Möglichkeit,  den Feind zu schlagen,   liegt  in demGegner selber. [Was bedeutet, daß dies natürlich durch einen Fehler auf der Gegenseite verursacht ist.]

3. Ein guter Kämpfer kann sich gegen eine Niederlage absichern;   [Chang Yu sagt, daß man dies erre­icht, indem man: „ die Stärke der Truppen verbirgt, die Spuren des Gegners aufdeckt, und nicht zu pari­erende Vorkehrungen trifft.”]   aber er kann einen Sieg nicht sichern.

4. Daher sagt man: Man mag wissen, wie man erobert, ohne jedoch in der Lage zu sein, es zu tun.

5. Sich gegen Niederlage abzusichern erfordert  defensive Taktiken;  die Fähigkeit,  den Gegner zuschlagen, erfordert offensive Taktiken.[Ich behalte den Sinn einer ähnlichen Passage bei (in SS.1­3), ob­wohl die Kommentatoren alle gegen mich sind. Die Bedeutung, die sie angeben, ist: „ Derjenige, der nichterobern kann, erleidet eine Niederlage” , ist plausibel genug.”]

6. In der Defensive stehen ist ein Zeichen mangelnder Stärke; Angriff ein Zeichen der Stärke.

7. Derjenige General, der geschickt in der Verteidigung ist, verbirgt alle Geheimnisse unter der Erde;[Wortwörtlich:   "versteckt   sich   unter   der   neuten   Erde”,   welches   eine   Metapher   ist,   die   für   äußersteGeheimhaltung und Verborgenheit steht, sodaß der Feind nicht weiß, woran er  ist.]  derjenige, der Er­fahren in Angriffen ist, schießt hernieder von den höchsten Höhen des Himmels. [Noch eine Meta­pher, die besagt, daß er auf den Feind wie ein   Wirbelsturm herniederfährt, ohne daß dieser Zeit hat, sichvorzubereiten. Dies ist die Meinung der meisten Kommentatoren.] So haben wir auf der einen Hand dieFähigkeit, uns selber zu verteidigen, auf der anderen können wir einen vollständigen Sieg errin­gen.

8. Wer den Sieg sieht, nur dann, wenn er innerhalb des von der Allgemeinheit sichtbaren Horizontesist, der stellt nicht den Gipfel der Exzellenz dar.[Wie Ts'ao Kung bemerkt: „d er Punkt ist, daß man diePflanze  schon sieht,  bevor  sie  zu  keimen  beginnt,”  ein  Ereignis  vorherzusehen,  bevor  es  stattfindet.  LiCh'uan bezieht sich auf eine Geschichte von Han Hsin, der, als er dabei war, die völlig überlegene Armeevon Chao anzugreifen, die sich sehr enttäuscht in der Stadt Ch'eng­an befand, sagte zu seinen Offizieren:„Gentlemen , wir werden den Feind ausradieren, und uns hier wieder zum Abendessen treffen.”  Die Of­fiziere nahmen seine Worte ernst, und gaben in Zweifel ihre Zustimmung.  Aber Han Hsin hatte in seinemKopf die Details einer klugen Strategie ausgetüftelt, womit, wie er vorhersah, er in der Lage war, die Stadtzu nehmen, und seinem Feind eine zerstörerische Niederlage hinzuzufügen."]

9. Es   ist   sicher  kein  Gipfel  der   Exzellenz,  wenn   Du  kämpfst   und  das  ganze  Empire   sagt:   „G utgemacht!”. [Wahre Exzellenz ist, wie Tu Mu sagt: "geheim planen, unsichtbar bewegen, die Absichten desFeindes vereiteln, seine Handlungen vereiteln, sodaß an eines Tages man gewinnt, ohne daß ein TropfenBlut vergossen wurde.”  Sun Tzu hält sich bei der Zustimmung zu Dingen zurück, wobei „ der Welt rauherDaumen und Finger zu Blei werden.” ]

10. Es bedarf keiner großen Stärke, um ein Haar im Herbst aufzuheben; ["Haar im Herbst" ist das Felleines Tieres, welches am feinsten ist im Herbst, bevor es kalt wird. Dieser Ausdruck ist sehr weit verbreitetbei chinesischen Autoren] es bedarf keiner scharfen Augen, um Sonne und Mond zu sehen, es bedarfkeiner  schnellen  Ohren,  um einen  Donnerschlag  zu  hören.[Ho Shih  gibt  ein  Beispiel  von Stärke,Scharfsicht und „ schnellem Ohr” : Wu Ho konnte einen Dreifuß heben, der 250 Steine wog, Li Chu konnteauf der Distanz von 100 paces Objekte der Größe einer Haarwurzel sehen, und Shih K'uang, ein blinderMusiker konnte die Schritte einer Mücke hören.]

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 Taktische Entscheidungen

11. In alten Zeiten waren diejenigen als geschickte Krieger bekannt,  die nicht nur siegten,  sondernden Sieg auch mit Leichtigkeit nach Hause trugen. [Der zweite Teil lautet wortwörtlich: „derjeni ge, er­obernd, ragt heraus durch Eroberung mit Leichtigkeit.”  Mei Yao­ch'en sagt: „Derje nige,  der das Offen­sichtliche sieht, gewinnt seinen Kampf mit Schwierigkeiten, derjenige, der unter die Oberfläche der Dingeschaut, gewinnt mit Leichtigkeit.” ]

12. Daher bringen den vortrefflichen Kriegern ihre Siege weder Ruhm für  ihre Klugheit  noch An­erkennung für ihren Mut ein.  [Tu Mu erklärt das sehr gut: „So lange die Umstände für den Sieg nichtans Licht kommen, die Welt nichts darüber weiß, wird er keinen Ruhm für seine Weisheit ernten; und wennder eroberte Staat aufgegeben hat, bevor es zum Blutvergießen kam, erntet er keine Anerkennung für seinemMut.]

13. Man gewinnt seine Schlachten, indem man keinen Fehler begeht. [Ch'en Hao sagt: „Man  plant keineüberflüssigen Märsche, man plant keine zwecklosen Angriffe. Die Verbindung von Ideen erklärt Chang Yuso: „ Derjenige, der versucht, durch pure Stärke zu erobern, mag klug sein, einen großen Kampf zu gewin­nen, mag auch verantwortlich sein, gelegentlich besiegt zu werden, während derjenige, der in die Zukunftschauen kann, und Bedingungen erkennt, die noch nicht offenkundig sind, wird niemals einen Schnitzerbegehen, und daher stets konstant gewinnen. ] Keine Fehler zu machen, ist dasjenige, was die Gewis­seheit eines Sieges sicherstellt, was bedeutet, daß man einen Feind erobert, der schon bereits ver­loren hat.

14. Deshalb bezieht ein geschickter Krieger eine Stellung auf einem Terrain, auf dem er unbesiegbarist, und verpasst den günstigen Moment nicht, den Feind zu schlagen.  [“Ein  Rat zur Perfektion”,wie Tu Mu richtig beobachtet. „E ine Stellung”  ist nicht auf den aktuellen Boden begrenzt. Sie enthält auchEinrichtungen und Vorbereitungen, welche die Sicherheit einer Armee erhöhen.]

15. Daher gewinnt eine siegreicher Stratege zuerst und sucht dann erst den Kampf; hingegen ist der­jenige zur Niederlage bestimmt, der erst kämpft, und dann erst versucht, zu gewinnen.[Ho Shiherklärt das Paradox so: „ Im Krieg, stelle erst Pläne auf, die den Sieg sichern, und dann führe deine Armeein den Kampf; wenn Du nicht mit der Strategie beginnst, und dich auf pure Stärke alleine verläßt, ist dirder Sieg nicht sicher."]

16. Ein vollendeter Führer kultiviert das moralische Gesetz (TAO) und befolgt ausschließlich Meth­ode und Disziplin; so liegt es in seiner Macht, den Erfolg zu kontrollieren.

17. Betrachtet   man   die   militärische   Methode,   so   haben   wir   hier   zuerst   „Augen maß,   danach„S chätzung der Quantitäten”,  drittens „B erechnung”,  viertens „Ausgleic hen von Chancen” , fün­ftens – den Sieg.

18. Augenmaß verdankt seine Existenz „Erde”;  die Schätzung der Stärke dem Augenmaß; Ausgle­ichen von Chancen der Berechnung; und der Sieg dem Ausgleichen von Chancen. [Esist nicht ein­fach, die vier Bezeichnungen auf chinesisch klar zu unterscheiden. Die erste scheint ein Überblick zu sein,eine Einschätzung des Terrains, was uns eine Vorstellung davon gibt, wie stark der Gegner sein kann, umdamit dann Kalkulationen anzustellen, die auf den Daten berühen, die so gewonnen wurden; wir werdendann zu einem allgemeinen Aufwiegen geführt, was den Vergleich unserer eigenen Chancen mit denen desGegners vergleicht; wenn letzteres die Waagschale umschwenken läßt, dann ist der Sieg sicher. Die größteSchwierigkeit liegt in dem dritten Begriff, den die Kommentatoren als Berechnung von Zahlen auffassen,der fast ein Synonym für den zweiten Begriff darstellt.Vielleicht sollte der zweite Term als Betrachtung dergenerellen positionellen oder konditionellen Stärke des Feindes betrachtet werden, wobei der dritte Term dieSchätzung der zahlenmäßigen Stärke ist. Andererseits sagt Tu Mu: „Die  Frage der relativen Stärke, wenneinmal ermittelt,  wird noch durch die mannigfaltigen Möglichkeiten der Verschlagenheit  erweitert.”  HoShih unterstützt diese Deutung, schwächt sie aber gleichzeitig. Jedenfalls ist der dritte Term eine zahlen­mäßige Berechnung.]

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 Taktische Entscheidungen

19. Daher ist eine siegreiche Armee, einer völlig besiegten Armee entgegenstehend, wie ein Pfund,aufgewogen gegen ein Gramm; eine unterlegene Armee ist wie ein Gramm, aufgewogen gegenein Pfund. [Wortwörtlich: „ Eine siegreiche Armee ist wie ein „I”  (20 oz.) aufgewogen gegen einen „S HU”(1/24  oz.);   eine  völlig besiegte  Armee   ist  ein  SHU gewichtet  gegen ein   „ I”.  Der  Punkt   ist  einfach  einenormer Vorteil einer  disziplinierten Streitkraft,  gebündelt mit einem Sieg,  hat mehr als einen demoral­isierenden Vorteil, als die Niederlage.”  Legge, in seiner Bemerkung über Menicus, I.2. ix.2, macht aus demI = 24 chinesische Unzen, korrigiert Chu Hsi's Standpunkt, daß 1 I = 20 Unzen nur betragen würde. AberLi Ch'uan, aus der T'ang Dynastie, bestätigt die Aussage von Chu Hsi.]

20. Der   Ansturm   einer   erobernden   Streitkraft   ist   wie   das   Wasser   eines   berstenden   Staudammes,welches tausend Faden tief in den Abgrund stürzt.

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1. Sun Tzu sagt: Die Führung einer großen Anzahl ist wie die Führung einer kleinen Anzahl; es isteine Sache der Aufteilung in Gruppen.  [Was heißen soll,  daß die Armee in Regimenter, Kompanien,e.t.c. Aufgeteilt wird, mit untergeordneten Offizieren in jeder Einheit. Tu Mu erinnert uns an Han Hsin'sberühmte Antwort auf die des ersten Han Herrscher, der einst zu ihm sagte: „Wie  groß könnte wohl eineArmee sein, die ich führen kann?”  „Nich t mehr, als 100.000 Mann, Ihre Majestät”.  „Und  Du?” , fragte derHerrscher. „Oh!”, antwortete  er, „ je mehr, umso besser!”.]

2. Ein Kampf gegen eine große Anzahl ist wie ein Kampf gegen eine kleine Anzahl; es ist eher eineFrage der Einsatzes von Zeichen und Signalen.

3. Um sicher zu sein, daß die Armee dem Hauptgewicht eines feindlichen Angriffs  ohne Schadenstandhält – erreicht man die durch direkte und indirekte Manöver.[Wir kommen nun zu dem interes­santesten Teil von Sun Tsu's Abhandlung, der Diskussion des CHENG und des CH'I. Weil es nicht leichtist, die volle Bedeutung dieser beiden Worte zu verstehen, oder sie in gutes Englisch zu übersetzen, führeich hier noch einige Bemerkungen von Kommentatoren an, bevor ich weiter fortfahre:  Li Ch'uan: "Sich demGegner stellen ist CHENG, seitliche Ablenkungen zu bilden ist CH'I. Chia Lin: "In Gegenwart des Feindessollten die Truppen in normaler Weise angeordnet sein, aber um einen Sieg zu sichern müssen ungewöhn­liche Manöver durchgeführt werden." Mei Yao­ch'en: "CH'I ist aktiv sein, CHENG ist passiv sein; Passiv­ität bedeutet,  auf eine Gelegenheit zu warten,  Aktivität bedeutet, den Sieg zu erringen." Ho Shih: "Wirmüssen den Feind dazu veranlassen, einen Frontalangriff zu erwarten, als wäre er insgeheim geplant wor­den, und umgekehrt. Daher mag CHENG auch gleichzeitig CH'I sein, und CH'I kann auch CHENG sein.”Er führt hier die Hinterlist von Han Hsnin an, der, als er anscheinend gegen Lin­Chin marschierte (heuteChao­I in Shensi), dieser plötzlich eine große Streitkraft über den Gelben Fluß in hölzernen Kanu's schickte,und seinen Feind damit äußerst beunruhigte.[Ch'ien Han Shu, ch. 3.] Hier, so wird gesagt, war der Marschvon Lin­Chin CHENG, und das Überraschungsmanöver war CH'I. Chang Yu gibt uns folgende Zusam­menfassung seiner Ansichten hierzu: „Milit är­Berichterstatter simmten nicht mit dieser Betrachtung derBedeutung  von  CH'I und   CHENG  überein.  Wei   Liao   Tzu   [4.   Jahrh.  v.   Chr.]   sagt:   „Direkt er  Kampfbevorzugt Frontalangriffe, indirekter Kampf Angriffe von der Rückseite.”  Ts'ao Kung sagt: „Der  Gang ineinen  Kampf   ist   eine  direkte  Operation;  das  Erscheinen  auf  der  Hinterseite  des  Feindes   ein   indirektesManöver.”  Li Wei­kung [6./7. Jahrh. v. Chr.] sagt: „Im  Krieg, direkt geradeaus marschieren ist CHENG;die  Veränderung  der  Bewegungsrichtung,   auf  der   anderen  Seite,   ist  CH'I. Diese  Schreiber   betrachtenCHENG als CHENG und CH'I als CH'I; sie bermerken nicht, daß beide gegenseitg austauschbar sind, undbeide sich wie zwei Halbkreise ergänzen.”  [siehe infra, ss. 11]. Ein Kommentar über den T'ang HerrscherT'ai Tsung geht dem auf den Grund: „E in CH'I Manöver mag CHENG sein, wenn wir dem Feind es alsCHENG erscheinen lassen; dann wird unser tatsächliches Manöver CH'I sein, und umgekehrt. Das ganzeGeheimnis liegt darin, den Feind zu verwirren, so daß er unsere wahre Absicht nicht ausloten kann.”  Um

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es vielleicht noch etwas klarer zu machen: Jeder Angriff oder andere Operation ist CHENG, bei welcher derGegner eine bestimmte Erwartungshaltung hatte; hingegen CH'I dasjenige ist, was ihn unvorbereitet trifft,oder aus einer unerwarteten Ecke kommt. Falls der Feind eine Bewegung wahrnimmt, die CH'I sein sollte,so wird diese unverzöglich zu CHENG."]

4. Die  Wucht  der  Streitkräfte   gleicht   Schleifsteinen,  die  man  gegen  Eier   wirft:  Dies   ist  die  Wis­senschaft von „ Starke und Schwache Punkte”.

5. Im Kampf allgmein führt die direkte Methode zur direkten Konfrontation, jedoch die indirekteMethode ist diejenige, die den Sieg sichert.[Chang Yu sagt: "Entwickle ständig indirekte Taktiken, ent­weder um den Feind in den Flanken oder von hinten anzugreifen.”  Ein billiantes Beispiel der „indir ektenTaktiken”,  der über das Gelingen einer Operation entschied, war Lord Frederick Roberts' Nachtmarsch umden Peiwar Kotal Pass herum in dem Afghanistankrieg.  [1] ]

6. Indirekte Taktiken, geschickt angewendet, sind unerschöpflich, wie Himmel und Erde, unendlich,wie der Fluß der Flüsse und Ströme, wie Sonne und Mond, sie enden, um neu zu beginnen, wiedie vier Jahreszeiten, die kommen und gehen. [Tu Yu und Chang Yu verstehen dies als Permutationvon CH'I und CHENG. Aber in diesem Kapitel spricht Sun Tzu überhaupt nicht von CHENG, es sei denn,in der Tat, nehmen wir mit Cheng Yu­Hsien gemeinsam an, daß eine Textpassage aus dem Text gefallen ist.Natürlich, wie bereits herausgestellt, sind die beiden so untrennbar miteiandere verwoben bei allen Militär­operationen, daß sie nicht getrennt betrachtet werden können. Hier haben wir, bildlich gesprochen, eine un­endliche Quelle, aus dem ein guter Führer schöpfen kann.]

7. Angenommen, es gäbe nur fünf Noten auf der Tonleiter,   ihre Variationen jedoch ergeben mehrMelodien, als man jemals anhören könnte.

8. Es existieren nicht mehr als fünf Grundfarben (blau, gelb, rot, weiß und schwarz), aber ihre Varia­tionen sind unglaublich zahlreich.

9. Es gibt nur fünf grundsätzliche Geschmacksrichtungen (sauer, herb, salzig, süß, bitter), aber ihreVariationen sind unglaublich zahlreich.

10. Es gibt nur zwei Arten von Angriff, den direkten und den indirekten Angriff, aber die Kombina­tionen von beiden ergeben eine endlose Serie von Manövern.

11. Das direkte und indirekte führen aufeinander im Wechsel. Es gleicht einer Kreisbewegung – mankommt niemals zu einem Ende, derjenige, der die Möglichkeiten der Kombinationen ausnutzenkann.

12. Der Angriff der Truppen ist wie ein tosender Strom, desen Wucht sogar Steine mit sich reißt.

13. Die Qualität von Entscheidungen ist so: Wenn die Geschwindigkeit eines Falken groß ist, das erzuschlagen und töten kann, dann liegt es an seiner Genauigkeit.  [Das Chinesich hier ist trickreichund ein bestimmtes Wort im Kontext fordert einen Übersetzer sehr heraus. Tu Mu definiert dieses Wort als„ die Messung oder Schätzung der Entfernung” . Aber die Bedeutung trifft nicht genau das illustrative Ze­ichen in ss 15. Wendet man diese Definition auf den Falken an, so scheint es mir, daß der Instinkt der Selb­stbegrenzung,  der  den Vogel  davon abhält,  sich  auf  seine  Beute zu stürzen,  und zwar  solange,  bis  derrichtige Moment gekommen ist, zusammen mit der Energie des Beurteilens,  wann der richtige Momentgekommen ist. Analog liegt die Qualität eines Soldaten darin, solange sich beim Feuern zurückzuhalten, biszu dem Moment, wo es   am effektivsten ist. Als der Sieg bei Trafalgar mit Leichtigkeit errungen wurde,waren die Gegner mehrere Minuten einem Feuersturm ausgesetzt, bevor sie auch nur einen Schuß abfeuernkonnten. Nelson wartete kühl, bis der Gegner nahe war, als der eine Breitseite anbrachte, die eine fürchter­liche Verwüstung bei nächsten Feindschiffen anrichtete.]

14. Genauso verhält  es sich mit einem vortrefflichen Krieger – er ist fürchterlich in seinem Angriffund genau in seiner Entscheidung.  [Das Wort „ Entscheidung”  (decision) könnte man mit „ den Feind

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nahe kommen lassen, bevor man zuschlägt”  beschreiben. Aber ich denke, daß Sun Tsu dieses Wort in demSinn von „ kurz und scharf”  meinte.   Wang Hsi  bemerkte,  nachdem er die Art des Angriffs eines Falkenbeschrieb: „Dies  beschreibt, wie das 'psychologische Moment' im Krieg genutzt werden sollte"]

15. Seine Kraft ist schnell, seine Genauigkeit geht nicht fehl, seine Kraft gleicht einer straff gespanntenArmbrust, seine Genauigkeit gleicht dem Auslösen des Abzugs.

16. Unter dem Tumult und Schlachtgetöse mag es scheinende Unordnung geben, jedoch keine realeUnordnung; Im Durcheinander und Chaos kann die Schlachtordnung ohne Kopf oder Ende sein,dennoch bedeutet es keine Niederlage.[Mei Yao­ch'en sagt: "Die Unterabteilungen der Armee, die zu­vor   festgelegt  wurden,  können  im Verlauf  der  Schlacht  durch  die  verschiedenen,  vereinbarten  Signale,durch Trennung und Verbindung, durch Zersteuen und Sammeln so aussehen, als wenn es Unordnunggeben würde,  die real nicht gegeben ist. Deine Formation kann ohne Kopf­ oder Endstück sein, die Ein­teilungen total auf den Kopf gestellt, und dennoch kann von einer Niederlage nicht gesprochen werden.”  ]

17. Simulierte   Unordnung   fordert   perfekte   Disziplin,   simulierte   Furcht   fordert   Mut,   simulierteSchwächte   fordert   Stärke.  [Um   die   Übersetzung   klarer   verständlich   machen   zu   können,   war   esnotwendig, das scharfe Paradox des Originals etwas zu entschärfen. Ts'ao Kung deutet dessen Bedeutungmit seiner kurzen Anmerkung an: „ Diese Dinge dienen dazu, eine Formation zu zerstören, und den eigenenZustand   zu   verbergen”   Aber   Tu   Mu   ist   der   erste,   der   es   einfach   auf   den   Punkt   bringt:   „Wenn   duDurcheinander vortäuschen möchtest, um den Feind anzulocken, bedarf es einer perfekten Disziplin; wenndu Furcht vortäuschen möchtest, um den Feind in eine Falle zu locken, mußt Du extremen Mut haben;wenn Du Schwäche zeigen möchtest, um den Feind hochmütig zu machen, mußt du eine herausragendeStärke haben"]

18. Einen Auftrag  unter  der  Mantel  der  Unordnung zu verbergen,   ist  einfach eine  Frage  der  Un­terteilung; Mut hinter vorgetäuschter Furcht zu verbergen, setzt voraus, daß genügend latente En­ergie vorhanden ist, um   Schwäche anstelle Stärke vorzutäuschen, indem taktische Einteilungenvorgenommen werden.  [Die Kommentatoren verstehen hier das chinesiche Wort anders, als in anderenKapiteln. So sagt Tu Mu: „seh end, daß wir vollständig umstellt  sind, und uns nicht bewegen, wird derFeind glauben, daß wir Furcht haben. Chang Yu bezieht die folgende Anekdote von Kao Tsu, dem erstenHan – Herrscher: „ Im Wunsch, Hsiung­Nu zu schlagen, sendet er Spione aus, die über den gegenerischenZustand  berichten. Aber Hsiung­Nu, vorgewarnt, verbarg alle kerngesunden Männer und wohlgenährtenPferde und ließ nur zu, daß schwache Soldaten und ausgezehrtes Vieh gezeigt wird. Lou Ching allein hatteetwas zu entgegnen: Wenn zwei Länder in Krieg ziehen, sind sie natürlich geneigt, ihre Stärke zu demon­strieren. Dennoch haben unsere Spione nichts außer Alter und Schwäche gesehen. Dies ist sicher irgendeineTäuschung  des  Feindes  und es  wird  unklug sein,  anzugreifen.  Der  Kaiser   jedoch,  warum auch immer,mißachtete seinen Rat, ging in die Falle und fand sich plötzlich bei Po­Teng umzingelt wieder]

19. Wer   den   Feind   talentiert   in   Bewegung   hält,   hält   seine   täuschende,   äußere   Erscheinung   bei,entsprechend so, wie der Feind agiert. [Ts'ao Kung's Bermerkung lautet: "Zeige Schwäche und Absichtnach außen.”  Tu Mu sagt: „ Wenn deine Streitkräfte denen des Gegners überlegen sind, sollte Schwächevorgetäuscht werden, um ihn anzulocken; falls du jedoch schwächer bist, dann soll er annehmen, daß wirstark sind, durch die Zeichen, die wir auswählen und ihm zeigen, in der Hoffnung, daß er sich fernhält. Diefolgende Anekdote von Sun Pin, einem Nachkomme von Sun Wu, 341 v.Chr. Als der Ch'i Staat sich imKrieg mit Wei befand, sendete er T'ien Chi und Sun Pin gegen General P'ang Chuan, der später Todfeinddes letzteren wurde. Sun Pin sagte: „ Der Ch'i Staat ist bekannt für Feigheit, folglich verachtet unser Gegn­er uns. Daher laßt uns diesen Umstand für uns nutzen”.  Entsprechend, als die Armee die Grenze zum WeiTerritorium gekreuzt hatte, gab er Befehl, 100.000 Lichter zu entzünden in der ersten Nacht, 50.000 in derzweiten und 20.000 in der 3. Nacht. P'ang Chuan verfolgte dieses interessiert, sagte zu sich: „Ich  weiß, daßdiese Männer von Ch'i Feiglinge waren, ihre Zahl hat sich mehr als halbiert. Bei seinem Rückzug kam SunPin an einen schmalen Paß, und er kalkulierte, daß seine Verfolger diesen erst im Dunkeln erreichen wür­den. Er ließ von einem Baum die Rinde abschälen und schrieb dort hinein: „Un ter diesem Baum wird P'ang

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Chuan sterben”.  Dann, als die Nacht einbrach, positionierte er starke Bogenschützen in der Nähe, mit demAuftrag, sofort zu schießen, sobald sie ein Licht sehen. Später, als P'ang Chuan an dem Punkt ankam, denBaum bemerkte, zündete er ein Licht an, um zu sehen, was darauf geschrieben stand. Sein Körper war sofortvon einer Salve Pfeilen durchbohrt,  und seine ganze Armee zerschlagen.  Dies ist Tu Mu's Version derGeschichte;  Im SHIN CHI, weniger dramatisch, aber vielleicht historisch korrekter, schneidet sich P'angChuan selber die Kehle durch, mit einem Ausdruck von Verzweifelung, nachdem seine Armee vernichtetwar].  Er opfert etwas, wonach der Feind schnappen kann.

20. Durch das Auswerfen von Ködern hält er ihn in Bewegung; mit einigen ausgewählten Männernliegt er auf der Lauer.

21. Der kluge Kämpfer schaut auf den Effekt der kombinierten Kräfte und fordert nicht zuviel von je­dem einzelnen. [Tu Mu sagt: „Er  betrachtet zuerst alle Kräfte seiner Arme im Pulk; danach betrachtet erindividuelle  Talente,  und setzt Männer entsprechend ihrer Fähigkeiten ein.  Er verlangt keine Perfektionvon   untalentierten   Männern.   ]  Hieraus   ergibt   sich   seine   Fähigkeit,   die   richtigen   Männerauszusuchen, und deren kombinierte Energie zu nutzen, die Umstände für sich arbeiten zu lassen.

22. Wenn man Menschen veranlasst  zu kämpfen,  indem man das Zusammenspiel  der  Kräfte  aus­nützt, ist es, als würde man Langhölzer oder Felsen rollen. Es ist die Natur der Langhölzer undFelsen, sich nicht zu bewegen, wenn sie auf ebenem Grund liegen, aber zu rollen, sobald sie aufeinen Abhang geraten. Sie bleiben liegen, wenn sie viereckig sind, sie rollen, wenn sie rund sind.[Ts'au Kung nennt dies: „die  Nutzung der natürlichen oder inhärenten Energie”].

23. Wenn Menschen also geschickt in den Kampf geführt werden, gleicht ihre Schlagkraft  der vonrunden Felsen, die einen Berg hinabrollen ­ dies ist Kraft.  [Die wichtigste Lehre in diesem Kapitel,entsprechend Tu Mu's Meinung, ist die überragende Wichtigkeit im Krieg schneller Entwicklung und plöt­zlicher Sturmangriffe. „Groß artige Ergebnisse”,  fügt er hinzu, „ kann man mit kleinen Streitkräften erzie­len!”]

[1] "Forty­one Years in India," chapter 46.

6  SCHWACHE PUNKTE UND STARKE

[Chang Yu versucht,  den Inhalt  dieses  Kapitels  wie folgt,  zu beschreiben:  "Kapitel  IV, „Taktisc he Stellungen“handelt von Offensive und Defensive; Kapitel V, „ Energie“,  handelt von direkten und indirekten Methoden. Einguter General macht sich zuerst selbst vertraut mit der Theorie von Angriff und Verteidigung, erst dann widmeter sich den direkten und indirekten Methoden. Er studiert die Kunst, wie man beide Methoden miteinander kom­biniert, bevor er dann zu Thema der Schwachstellen kommt. Nämlich die möglichen direkten und indirekten Me­thoden ergeben sich aus dem Angriff und der Verteidigung, und das Erkennen der Schwachstellen und Stärkenhängt von den obigen Methoden ab. Daher folgt dieses Kapitel direkt auf das Kapitel „ Energie“.  

1. Sun Tsu sagt: Jene, die sich als erste am Schlachtfeld einfinden und den Gegner erwarten, sindentspannt; jene, die als letzte am Schlachtfeld eintreffen und sich übereilt in den Kampf stürzen,verausgaben sich.

2. Deshalb zwingt ein begabter Krieger dem anderen seinen Willen auf, erlaubt einem Gegner nicht,ihm seinen Willen aufzuzwingen.

3. Was den Gegner dazu bewegt, sich zu nähern, ist die Aussicht auf Vorteil. Was den Gegner vomKommen abhält, ist die Aussicht auf Schaden.

4. Wenn der Gegner also ausgeruht ist,  ist es möglich,  ihn zu ermüden. Ist er wohlgenährt,  ist esmöglich, ihn auszuhungern. Verhält er sich ruhig, ist es möglich, ihn in Bewegung zu versetzen.

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5. Erscheine an Plätzen, wo dein Gegner sich sputen muß, um diesen zu verteidigen; eile dorthin, woer dich am wenigsten erwartet. 

6. Willst  du tausend LI zurücklegen,  ohne zu ermüden,  dann durchquere  Gebiete,  die der Feindnicht erreicht.[Ts'ao Kung fasst treffend zusammen: "Tauche aus dem Nichts auf, schlage in verletzbareStellen, meide Plätze, die verteidigt sind, greife Quartiere unerwartet an."]

7. Willst du sicher gehen, dass du auch erobern kannst, was du angreifst, dann greife Stellungen an,die nicht verteidigt werden. Willst du sicher gehen, dass du auch halten kannst, was du vertei­digst, dann halte Stellungen, die nicht angegriffen werden können. [Wang Hsi bezeichnet „unvertei ­digte Plätze”  als „Schwachpun kte” ; das soll meinen, wenn ein General Kapazitätsprobleme hat, oder es denSoldaten  am Kampfgeist  mangelt;  wo die  Wände nicht  stark  genug  sind,  oder  die  Vorkehrungen  nichtgenau genug, wo Ablösung zu spät kommt, Vorkehrungen zu dürftig sind, oder die Verteidiger untereinan­der zerstreut sind. Tu Mu, Ch'en Hao, und Mei Yao­ch'en meinen hierzu folgendes: "Um eine Verteidi­gungsstellung recht  sicher  zu machen,  muß Du sogar  diejenigen Plätze verteidigen,  die  wahrscheinlichnicht angegriffen werden; und Tu Mu fügt hinzu:  "Es gibt dann viel mehr Plätze, die angegriffen werden.”So aufgefasst, wie auch immer, verträgt sich diese Anweisung schlecht mit dem Vorhergehenden ­  immerunter Berücksichtigung des besonderen Stils, der natürlich für die Chinesen ist, dem Stil der Antithesen.Chang Yu, kommt dem Ganzen schon näher, indem er sagt: Der, der Angriffe beherrscht, fährt wie ein Blitzherunter von den höchsten Hügeln des Himmels, das der Feind keine Möglichkeit hat, sich zu verteidigen.Da dem so ist,  sollte  man nur diejenigen Plätze  angreifen,  die  der  Gegner  nicht  halten kann.  Der,  derVerteidigung beherrscht, versteckt sich in den geheimsten Schlupfwinkeln der Erde, und macht es seinemFeind unmöglich, ihn zu finden. Da dem so ist, sollte ich exakt diejenigen Plätze nur besetzen, die der Feindnicht angreifen kann."]

8. Deshalb weiß der Gegner bei jenen, die geschickt anzugreifen wissen, nicht, wo er sich verteidigensoll. Bei jenen, die es verstehen, sich zu verteidigen, weiß der Gegner nicht, wo er angreifen soll.[Ein Aphorismus, der die ganze Schrift ART OF WAR in eine Nußschale packt.]

9. Das ist die göttliche Kunst – sei unendlich subtil und geheimnisvoll. Durch sie lernen wir unsicht­bar zu sein, unhörbar zu sein. So hältst du das Schicksal des Gegners in deinen Händen.

10. Um unaufhaltsam vorrücken zu können, stoss durch seine Lücken vor. Um dich zurückziehen zukönnen, und sicher zu sein, daß Du nicht verfolgt wirst, sei schneller als er.

11. Suchst du also den Kampf, so mag sich der Feind noch so sehr in der Verteidigung verschanzen,er wird dem Kampf nicht ausweichen können, wenn du jene Stellen angreifst, zu deren Schutz ersich gezwungen sieht.  [Tu Mu sagt: "Wenn der Feind derjenige ist, der angreift, können wir die Liniender Kommunikation kappen, und die Rückzugsstraßen belagern; falls wir eindringen, greifen wir direkt denBefehlshaber selber an” . Es ist klar, daß Sun Tzu nicht an Frontalangriffe glaubte, im Gegensatz zu bes­timmten Generalen in dem Boer Krieg.]

12. Wollen wir den Kampf vermeiden, können wir ihn daran hindern, uns durch die Linien unseresFeldlagers   einzunehmen,   indem   wir   ihn   bloß  an   der   Nase   herumführen.   Alles   was   wir   tunmüssen, ist etwas unvorhergesehenes und merkwürdiges in seine Richtung werfen.  [Dieser kurzeAusdruck ist von Chia Lin genauer erklärt worden: „Auch  wenn wir keinen Schutzwall, noch einen Grabenhaben – wir verblüffen ihn durch seltsame und ungewöhnliche Anordnungen;”  und Tu Mu ergänzt nochdie Bedeutung durch drei weitere, anschauliche Anekdoten: ­­ eine von Chu­ko Liang, der, als er Yang­p'ingbesetzte, und von Ssu­ma I angegriffen wurde, plötzlich seine Fahnen einzog, die Trommeln schweigen ließ,die Stadttore aufstoßen ließ, und nur ein paar Männer zeigen ließ, die fegten die Erde gossen. Dieses uner­wartete Vorgehen hatte den beabsichtigten Effekt; für Ssu­ma I, der direkt einen Hinterhalt erwartete, zogtatsächlich seine Armee zurück. Das was Sun Tsu hier vertritt, daher, ist nicht mehr oder weniger als diezeitweilige Anwendung von „Blö ff”. ]

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13. Durch Entdeckung der gegnerischen Anordnung, wobei die unseren unsichtbar bleiben, könnenwir unsere  Kräfte  konzentriert  halten,  während die des  Gegners  sich aufsplitten müssen.  [DerHintergrund ist nicht sehr durchsichtig,  aber Chang Yu (nach Mei Yao­ch'en) erklärt es so: "Wenn diefeindlichen Anordnungen sichtbar sind, können wir geeint auftreten; während hingegen, wenn unsere eige­nen Anordnungen geheim bleiben, der Feind gezwungen ist, seine Streitkräfte aufzuteilen, um sich gegenAngriffe von vielen möglichen Seiten zu verteidigen."]

14. Wenn du konzentriert als Einheit auf trittst, während die gegnerischen Kräfte in zehn Teile ges­palten sind, greifst du als Einheit ein Zehntel der gegnerischen Kräfte an. Daher bist du dem Geg­ner zahlenmäßig überlegen.

15. Wenn du so  mit  der  Mehrzahl  die  Minderzahl  angreifen  kannst,  wird unser  Gegner   in  argenNöten sein.

16. Der Ort,  an dem du kämpfen willst,  darf  nicht bekannt werden,  weil  der  Feind sich auf  vielemögliche Situationen und Angriffe an unterscheidlichen Orten vorbereiten muß. Und wenn seineStreitkräfte in viele Richtungen verteilt sind, haben wir es an jedem Punkt nur mit relativ wenigenGegnern zu tun.

17. Wenn also die Frontlinie gerüstet ist, ist die Nachhut geschwächt, und wenn die Nachhut gerüstetist, ist die Frontlinie geschwächt.  Wenn die linke Flanke gerüstet ist, ist die rechte geschwächt;wenn die rechte Flanke gerüstet ist, ist die linke geschwächt. Überall gerüstet zu sein bedeutet,überall geschwächt zu sein. [In „Die  Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale”,  geschrieben1747, lesen wir:  "Ein Verteidigungskrieg ist in der Lage, uns zu verführen, in zu viele, kleine Einheitenaufzuteilen. Diejenigen Generale, die nichts hatten, außer ein wenig Erfahrung, versuchten, jeden Punkt zuverteidigen,  wohingegen jene,  die besser ausgebildet waren, und nur den Hauptgegenstand der Verteidi­gung im Auge hatten, sich vor einem entscheidenden Schlag schützten, indem sie billigend kleine Niederla­gen hinnahmen, um eine größere zu verhindern.“]

18. Zahlenmäßige Unterlegenheit  kommt von der Notwendigkeit,  sich auf alle möglichen Angriffevorbreiten  zu  müssen.  Zahlenmäßige   Überlegenheit   tritt   dann   ein,   wenn   man   seinen   Gegnerzwingt,  sich auf uns  in dieser  Art  vorzubereiten.  [„Die  höchste Generalität”,   in  Col.  Henderson'sWorten, „ ist es, den Gegner zwingen, sich zu zerstreuen, und dann überlegene Kräfte gege jede kleine Ein­heit zu führen."]

19. Wenn du also Ort und Zeit der Schlacht weißt, kannst du dich der Herausforderung aus größtenEntfernungen stellen.  [Was Sun Tzu offensichtlich im Kopf hat, sind Kalkulationen der Entfernungenund   die   meisterlichen   Beschäftigungen   mit   Strategien,   die   es   einem   General   erlauben,   seine   Armeeaufzuteilen, für einen langen und schnellen Marsch, und hinterher diese  an einem präzisen Punkt zu einerpräzisen Uhrzeit  zusammenstoßen zu lassen, um einen Feind mit überlegener Stärke dann zu schlagen.Unter vielen solcher Zusammenschlüssen der Geschichte des Militärs finden wir einen höchst dramatischenund entscheidenden, als Blucher genau im richtigen Moment auf dem Feld in Waterloo erschien.]

20. Wenn du Ort und Zeit der Schlacht nicht kennst, dann kann deine linke Flanke deiner rechtennicht beistehen, deine rechte kann deiner linken nicht beistehen, deine Vorhut kann deiner Nach­hut nicht beistehen und deine Nachhut kann deiner Vorhut nicht beistehen, auch wenn die Entfer­nung nur ein paar LI beträgt. [Das Chinesische des letzten Satzes läßt mangelde Präzision erkennen, aberdas gedankiche Bild, welches wir zeichnen mußten, ist möglicherweise das von einer Armee, die zu einemTreffpunkt marschiert in mehreren Truppenabschnitten,  jede von ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkthinbefohlen. Wenn der  General diesen erlaubt, planlos loszulaufen, ohne exakte Instruktionen für Zeit, Ortdes Treffens, wird der Feind in der Lage sein, die Armee in Stücke zu zerschlagen. Chang Yu's Kommentarist hier willkommen: „Wenn  wir nicht den Ort und den Platz kennen, an welchem unsere Gegner sich sam­meln werden, oder dem Tag, wann sie in den Krieg eintreten (dazustoßen), büßen wir unsere Einheit ein,weil wir uns auf Verteidigung vorbereiten müssen, und die Stellungen, die wir halten müssen, werden un­

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sicher sein. Wenn plötzlich ein mächtiger Feind auftaucht, werden wir verzweifelt kämpfen, ohne gegenseit­ige Unterstützung zwischen den Flügeln, zwischen Vorhut oder Nachhut, was insbesondere auch zutrifft,wenn nur eine scheinbar vernachlässigbare Entfernung zwischen den vorderen und hinteren Divisionen derArmee liegt."]

21. Nach meiner Einschätzung mögen die Soldaten von Yueh ja über viel mehr Truppen verfügen, alsdie anderen, aber dieser Vorteil wird ihnen nicht zum Sieg verhelfen. Ich sage, daß wir einen Siegerringen können. [Ach, was für tapfere Worte! Die lange Fehde zwischen den beiden Staaten endete 473 v.Chr. mit der totalen Niederlage von Wu durch Kou Chien und seiner Eingliederung in Yueh. Das warzweifelsohne lange nach Sun Tzu's Tod. Mit dieser Behauptung vergleiche auch Kapitel IV. Ss 4. ChangYu, wo es nur einen Unterschied in der Beschreibung gibt, der wie folgt erklärt wird: „ In dem Kapitel übertaktische Vorkehrungen wird gesagt: „ Man kann wissen, wie man erobert, ohne fähig zu sein, es zu tun!” ,während hingegen wir hier stehen haben, daß der Sieg errungen werden kann. Die Erklärung hierzu ist,daß in einem früheren Kapitel, wo Offensive und Defensive diskutiert werden, angenommen wird, daß derFeind vorbereitet ist, man ihn also nicht mit Sicherheit schlagen kann. In dieser Passage jedoch wird vonden Soldaten von Yueh berichtet, die, nach Sun Tzu's Berechnungen, nicht wissen, wann und wo der kom­mende Kampf stattfinden wird. Deswegen sagt er, daß er Sieg errungen werden kann.] 

22. Selbst wenn der Gegner in großer Zahl auftritt, kannst du ihn dazu veranlassen, nicht zu kämpfen.Laß es so aussehen, als hättest du seine Pläne durchschaut als wären sie erfolgversprechend. [EineAlternative wird von Chia Lin beschrieben: „ Kenne im Vorhinein alle Pläne, die zu unserem Erfolg und zueinem Versagen des Feindes führen."]

23. Reize deinen Gegner, und lerne seine Prinzipien von Aktivität und Inaktivität. Zwinge ihn, sichzu offenbaren, um seine Schwächen herauszufinden.

24. Vergleiche sorgsam die gegnerische Armee mit deiner eigenen, sodaß Du vermuten kannst, wo siein ihrer Stärke überlegen und wo sie unterlegen ist.

25. Wenn du taktische Vorkehrungen triffst, die höchste Stufe, die du erreichen kannst, ist, sie geheimzu halten. [Die Schärfe des Widerspruches verschwindet in der Übersetzung: Geheimhaltung ist vielleichtnicht so sehr die tatsächliche Unsichtbarkeit, in dem Sinne von „k eine Zeichen geben” , dessen, was du beab­sichtigst, der Pläne, die du entwickelt hast.]  Halte deine Vorbereitungen stets geheim, und du wirstsicher  sein  vor  der  Neugierde  der   feinsten  Spione,  von den Machenschaften  und Intrigen  derweisesten Köpfe.

26. Wie der Sieg errungen wird, durch die taktischen Fehler des Feindes – dies zu verstehen, ist fürdie Allgemeinheit unmöglich.

27. Was man sehen kann ist die Taktik, mit der ich erobere, jedoch sieht niemand die Strategien, ausdenen sich der Sieg zwagsläufig ergibt.

28. Daher sind die Taktiken des Sieges die zu einem Sieg geführt haben, in einem Krieg nicht wieder­holbar, sondern die Methoden passen sich in unendlicher Vielfalt den Umständen an. [Wie WangHsi klug bemerkt: Es gibt ein Grundprinzip, welches jedem Sieg zugrunde liegt, aber die Taktiken sind un­zählig.”  Vergleiche auch Colonel Henderson: „Die  Regeln der Strategie sind wenige und recht simpel. Siekönnen in einer Woche erlernt werden. Man kann sie schulen durch anschauliche Illiustrationen oder eindutzend Diagrame. Aber solches Wissen wird niemanden lehren, eine Armee zu führen, wie Napoleon estat, ebenso wie die Kenntnisse von Grammatik ihn lehren wird, wie Edward Gibbon (Der Untergang desrömischen Reiches) zu schreiben."]

29. Eine militärische Formation ist wie Wasser ­ die Form des Wassers ist es, Höhen zu vermeidenund nach den Tiefen zu streben. 

30. Im Krieg, ist es der Weg, das Starke zu meiden, und das Schwache anzugreifen.

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31. Der Fluss des Wassers ist von der Erde bestimmt, der Sieg einer Streitmacht wird von dem Gegnerbestimmt, dem er gegenüber steht.

32. Daher   hat   eine   militärische   Streitmacht   keine   feststehende   Formation.   Wasser   kennt   keinebeständige Form.

33. Derjenige ist fähig, zu siegen, der sich dem Gegner entsprechend wandelt und anpasst, verdientes, ein „ dem Himmel entsprungener Führer”  genannt zu werden.

34. Die fünf Elemente (Wasser, Feuer, Holz, Metal, Erde) sind nicht immer beherrschend. [Das ist es,was   Wang  Hsi  sagt:  "Sie   herrschen   abwechselnd."]  die   vier   Jahreszeiten   welchseln   sich   ab.[Wortwörtlich:   "haben   keinen   bestimmten   Platz"]  Es   gibt   kurze   Tage   und   lange,   der   Mond   hatzunehmende und abnehmende Phasen. [Cf. V. ss. 6. Die Bedeutung des Wortlautes dieser Passage isteinfach die, den Wunsch nach Beständigkeit im Kriege zu illustrieren, indem man Veränderungen in derNatur   beschreibt.   Der   Vergleich   ist   nicht   sehr   glücklich   gewählt,   warum   auch   immer,   weil   dieRegemäßigkeit dieses Phänomens, welches Sun Tsu erwähnt, keine Parallelen im wirklichen Krieg hat.]

[1] Siehe Col. Henderson's Biografie von Stonewall Jackson, Ausgabe von 1902, Band. II, Seite 490.

7  Über den bewaffneten Kampf

1. Sun Tsu sagt:  Gemäß der  gewöhnlichen Regel  für den Einsatz  von Streitkräften erhält  der Be­fehlshaber seine Befehle vom Herrscher. 

2. Daraufhin   zieht   er   die   Truppen   zusammen,   sammelt   sie   und   bringt   sie   in   gemeinsamenQuartieren unter. Nichts ist schwieriger als der bewaffnete Kampf. ["Chang Yu sagt: "Die Herstel­lung der inneren Harmonie und Zuversicht zwischen höhreren und niedrigeren Rängen muß geschehen,bevor man ins Feld zieht.”  Er fügt noch eine Äußerung von Wu Tzu hinzu: „ Ohne Harmonie im Staatekann keine militärische Operation unternommen werden; ohne Harmonie in der Armee kann keine Kampf­formation formiert werden.”  In einem historischen Roman werden Sun Tzu folgende Worte in den Mundgelegt, die er zu Wu Yuan sagt: „Als  allgemeine Regel, für solche, die in Krieg ziehen, ist, daß sie sich vonallen Streits zuhause befreien sollten, bevor sie fortfahren, einen außenstehenden Gegner anzugreifen."]

3. Danach   kommt   der   taktische   Kampf,   der   nicht   weniger   schwer   ist.   Die   Schwierigkeit   im   be­waffneten Kampf besteht darin.  Fernes in Nahes und Widrigkeiten in Vorteile  zu verwandeln.[Dieser Satz enthält mal wieder einen dieser hochverdichteten und etwas kryptischen Ausdrücke, die SunTzu gerne verwendet. Dieser wird von Ts'ao Kung so interpretiert: „L aß es so erscheinen, daß Du weit wegbist, dann hole die Strecke schnell auf, und erscheine auf dem Schauplatz, bevor dein Gegner eingetroffenist."Tu Mu  sagt:   „ Führe  den Feind hinters  Licht,  damit  er sich  Zeit   läßt, während Du mit maximalerGeschwindigkeit   fortschreitest.  Ho Shih beschreibt  es  etwas anders:   „Obwoh l  Du vielleicht  schwierigenGrund zu überqueren hast, natürliche Hindernisse, ist dies ein Nachteil,  der in einen taktischen Vorteilgewandelt werden kann, durch die Geschwindigkeit der Bewegung”.  Leuchtende Beispiele hierfür sind diebeiden Passagen über die Alpen – die von Hannibal, von welchem das Schicksal Italiens abhing, und dasvon Napoleon 2000 Jahre später, welcher dadurch den großen Sieg von Marengo erringen konnte.]

4. Daher lass deinen Gegner einen weiten Weg einschlagen und locke ihn mit der Aussicht auf einenVorteil. Wenn du dich nach ihm in Bewegung setzt und vor ihm ankommst, beherrschst du dieStrategie der Umleitung, Fernes in Nahes zu verwandeln. [Tu Mu zitiert den berühmten Marsch vonChao She, 270 v.Chr., die berühmte Stadt O­yu zu befreien, die kurz zuvor von der Armee von Ch'in beset­zt wurde.   Der König von Chao konsultierte zuerst Lien P'o nach seinem Rat, die Stadt zu befreien, aberdieser   meinte,   daß  die   Entfernung   zu   groß  wäre,   und   das   dazwischenliegende   Land   zu   schroff   undschwierig.  Seine   Majestät   befragte   dann  Chao   She,   der   die   gefährliche   Natur   eines   solchen   Marsches

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 Über den bewaffneten Kampf

bestätigte. „Wir  werden sein, wie zwei Ratten, die in einem Loch kämpfen, und die flinkere wird gewinnen.So verließ er die Hauptstadt mit seiner Armee, stoppte nach 30 LI, und begann, Befestigungsstellungen zubauen. 28 Tage lang verstärkte er seine Stellungen, und sorgte dafür, daß Spione Informationen zum Feindtrugen. Der Ch'in General war überglücklich, und schrieb die Langsamkeit des Gegners der Tatsache zu,daß die belagerte Stadt im Han – Staat sich befand, welche nicht Teil des Chao Territoriums war. Aber dieSpione waren gerade unterwegs, als Chao She einen Gewaltmarsch begann, der zwei Tage und eine Nachtdauerte, und erreichte den Kampfplatz mit so einer erstaunlichen Geschwindigkeit, daß er in der Lage war,eine beherrschende Stellung auf dem Nordhügel zu besetzen, bevor der Feind Wind von seinen Bewegungenbekommen hatte. Die Ch'in Streitkräfte erführen eine bittere Niederlage, wurden gezwungen die Stadt O­yu aufzugeben, und sich in aller Eile hinter die Grenze zurückzuziehen.]

5. Daher  wird  der  bewaffnete  Kampf mit  einer  Armee  als  vorteilhaft  gesehen,   jedoch mit  einemundisziplinierten  Haufen   ist   er  höchstgefährlich.  [Ich  verweise  hier  auf  die  Schriften  von  T'UNGTIEN, Cheng Yu­hsien und T'U SHU, die dies so formulierten, daß es mehr Sinn machte. Einige Kommen­tatoren  des  Standard­Textes  meinen   fälschlicherweise,   daß Manöver gewinnbringend  sein   sollten,  odergefährlich wären: Beides würde von den Fähigkeiten des Generals abhängen.]

6. Wolltest du ein voll ausgestattes Heer in Marsch setzt, um dir einen Vorteil zu verschaffen, könntees sein, daß Du zu spät kommst., wolltest du aber mit einer leicht bewaffneten Armee um denSieg kämpfen, so käme dies einem Mangel an Ausrüstung gleich. [Einiges des chinesischen Textes istoffenbar für Kommentatoren nicht zu entziffern gewesen, die hier den Satz paraphrasiert haben. Ich schreibehier  meine   eigenen  Erkenntnisse,   emotionslos,  davon  überzeugt,  daß hier   ein  Problem  im Originaltextsteckt.  Zusammenfassend  kann man sagen,  daß Sun Tsu  keinen   langen  Marsch  empfiehlt,   ohne  ausre­ichende Ausrüstung und Versorgung.]

7. Bist du also mit leichter Ausrüstung unterwegs und machst du weder bei Tag noch bei Nacht halt,marschierst du doppelt so schnell wie sonst, marschierst du hundert LI, um für einen Vorteil zukämpfen,   dann   werden   deine   Heerführer   in   Gefangenschaft   geraten.  [Ein   gewöhnlicher   Tages­marsch,  nach  Tu Mu,  betrug  30 LI;  aber  gelegentlich,  nach Liu  Pei,  wird  gesagt,  daß Ts'ao Ts'ao dieunglaubliche Distanz von 300 LI innerhalb 24 Stunden zurückgelgte.] 

8. Starke Soldaten werden zuerst ankommen, die müden erst später ­ in der Regel schafft es einervon zehn.  [Die Moral ist, wie Ts'ao Kung und andere herausstellten: Marschiere keine hundert LI, umeinen taktischen Vorteil zu haben, egal ob mit oder ohne Gepäck. Diese Art Manöver sollten auf kurze Dis­tanzen begrenzt werden. Stonewall Jackson sagte: Die Härten von Gewaltmärschen sind schmerzhafter, alsdie Gefahren des Kampfes. Er selber hat seinen Truppen selten außergewöhnliche Härten abverlangt, außer– er beabsichtigte eine Überraschung, oder wenn schneller Rückzug angesagt war, sodaß er alles opferte ­für die Geschwindigkeit.[1]]

9. Wenn du fünfzig LI marschierst, um den Feind auszumanövrieren, wirst Du die Führung, die er­sten Reihen der ersten Division verlieren, und in der Regel wird nur die Hälfte der Soldaten dasZiel erreichen.[Wortwörtlich: “ Der Führer der ersten Division wird WEGGERISSEN WERDEN."]

10. Wenn du dreißig LI mit demselben Ziel marschierst,  dann erreichen nur zwei  von drei deinerArmee  das  Ziel.  [Im T'UNG TIEN   ist   beigefügt:   "Hieraus   läßt  sich  vielleicht  die  Schwierigkeit   des“M anövrierens”  erlernen.]

11. Eine Armee muss zugrunde gehen, wenn sie keinen Proviant mehr hat; ebenso, wenn sie keineVersorgungsdepots hat; sie muss zugrunde gehen, wenn sie keine Versorgungslogistik mehr hat.[Ich denke, Sun Tzu meinte "Proviant, in Depots gespeichert", aber Tu Yu sagt "Futter und dergleichen"Chang Yu sagt "Güter allgemein," und Wang Hsi sagt "Heizmaterial, Salz, Nahrungsmittel, etc."]

12. Wenn du also die Pläne deiner Widersacher nicht kennst, kannst du keine Bündnisse schließen.

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 Über den bewaffneten Kampf

13. Wenn du Berge und Wälder, Pässe und Schluchten, Sümpfe und Moore nicht kennst, vermagst dueine bewaffnete Streitmacht nicht zuführen. 

14. Wenn du  keine  ortsansässigen  Führer  einsetzt,  kannst  du die  Vorteile  der  Gegend nicht  aus­nützen.

15. Im Krieg – über, dich zu verstellen.[In den Taktiklehren von Turenne ist Täuschung des Feindes einwesentliches Element, speziell was die zahlenmäßige Stärke der Truppen angeht.

16. Teilung und Vereinigung der Truppen – darüber entscheidet die Situation.

17. Bewege deine Streitmacht schnell wie der Wind; [Das Gleichnis ist in doppelter Hinsicht angemessen,weil der Wind nicht nur schnell ist, sondern, wie Mei Yao­ch'en herausstellt, "unsichtbar, ohne Spuren zuhinterlassen"] wenn sie sich langsam bewegt, ist sie wie ein Wald. [Meng Shih kommt mit seiner Erk­lärung dem näher: "Wenn Du langsam marschierst, muß Rang und Ordnung hergestellt sein – z.B. gegenÜberraschungsangriffe. Aber – natürlicher Wald wächst nicht in Reihen, wobei diese jedoch die Qualitätder Dichte oder Kompaktheit besitzen.]

18. Sie ist raubgierig wie das Feuer [Cf. SHIH CHING, IV. 3. iv. 6: "Heftig, wie loderndes Feuer, welchesniemand kontrollieren kann."] und unbeweglich wie die Berge.  [Das bedeutet, wenn du eine Positionhältst, von der der Feind versucht, dich zu verdrängen, oder, wie Tu Yu sagt, wenn er versucht, dich in eineFalle zu locken.]

19. Deine Pläne sollten so schwer zu durchschauen sein, wie die Dunkelheit; wenn du agierst, falleein, wie ein Wirbelsturm.  [Tu Yu zitiert  hier  ein Sprichwort von T'ai Kung, welches  inzwischen einSprichwort geworden ist: "Du kannst nicht deine Ohren vor dem Wirbelsturm verschießen, oder deine Au­gen vor dem Blitz – so schnell sind sie.”  Vergleichend kann man sagen, daß ein Angriff so schnell erfolgensollte, daß er nicht pariert werden kann.]

20. Wenn Du ein Land plünderst, teile die Beute unter deinen Truppen auf, [Sun Tzu lehrt uns damit,daß  mißbräuchliches,   wahlloses   Plündern   unterlassen   wird,   zugunsten   der   Bildung   eines   allgemeinenBeuteguts­Lagers, welches danach gerecht unter allen aufgeteilt wird.]  wenn Du neues Territorium er­oberst, teile deine Beute aus einem Pool gerecht anteilsmäßig auf.  [Ch'en Hao sagt: "Verteile deineSoldaten auf dem Land, laß es sie sähen und bepflanzen”.  Auf diesem Prinzip basierend haben die Chinesenerfolgreich Eroberungszüge durchgeführt, wie z.B. die am meisten beachtete und triumphale Eroberung deskaspischen Landes durch Pan Ch'ao, und in späteren Jahren durch Fu­k'ang­an and Tso Tsung­t'ang.]

21. Handle immer nur nach eingehender Lagebeurteilung. [Chang Yu zitiert Wei Liao Tzu, der sagt, daßman  von  Lager   nicht   solange   aufbrechen   sollte,   als  daß man  genaue   Informationen  über  die   Verteidi­gungsstärke und Taktiken des gegnerischen Generals hat. Cf. the "seven comparisons" in I. ss. 13.]

22. Jener, der die Kunst der UMLEITUNG [Täuschung des Gegners, damit er in eine andere Richtungläuft]  gelernt hat, wird siegen. Dies ist die Kunst des bewaffneten Kampfes.  [Mit diesen Wortenwürde sich dieses Kapitel normalerweise schießen. Aber hier folgt noch ein langer Anhang eines früherenBuches über den Krieg,  der nun verloren ist, aber zu Zeiten Sun Tus's existierte.  Der Stil  dieses  Frag­mentes ist klar unterscheidbar von den Schriften Sun Tsu's selber, jedoch hat bisher noch keine Kommenta­tor Zweifel an der Urheberschaft Sun Tsu's geäußert.]

 Anhang: „ ART OF WARfare”

Im Anschluß an Kapitel VII des Buches „ART  OF WAR”  von Sun Zsu fand sich ein Anhang einesfrüheren Buches über den Krieg,  der leider  verloren gegangen ist,   jedoch zu Zeiten Sun Tsu's ex­istierte. Der Stil dieses Fragmentes, hier „ Art of Warfare”  genannt, ist klar unterscheidbar von denSchriften Sun Tsu's selber, jedoch hat bisher noch keine Kommentator Zweifel an der Urheberschaft

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 Anhang: „ART  OF WARfare”

Sun Tsu's geäußert. Mei Yao­Ch'en nennt es „Frühzei tlicher Militär­Klassiker”,  Wang Hsi, "ein altesBuch über Krieg". Betrachtet man die unglaubliche Zahl von Kriegen, die schon Jahrhunderte vor derZeit Sun Tsu's  stattfanden, zwischen verschiedensten Königshäusern und Fürstentümern Chinas, istes   nicht   unwahrscheinlich,   daß  jemand   über   Prinzipien   der   militärischen   Führung   schon   frühergeschrieben hat. 

1. Das Buch „Art  of Warfare”  besagt: „Auf  dem Kriegsschauplatz tragen gesprochene Worte nichtweit  genug.  Daher  verwendet  man Gongs  und Trommeln.  Da gewöhnliche  Objekte  nicht  klargenug gesehen werden können, verwendet man Banner und Flaggen.”

2. Gongs und Trommeln, Banner und Flaggen dienen dazu, die Ohren und Augen der Menschen aufeinen speziellen Punkt zu richten und zu einen. [Chang Yu sagt: "Wenn Blick und Gehöhr gleichzeitigauf dasselbe Objekt konzentriert sind, verhalten sich eine million Soldaten wie ein einziger Mann!"]

3. Sobald die Soldaten zu einem einzigen Körper geeint sind, kann der Tapfere nicht alleine vorge­hen, und der Feigling kann sich nicht alleine zurückziehen. Dies ist die Kunst, eine große Massevon  Männern  zu   handzuhaben.  [Chuang   Yu   zitiert   ein   Sprichwort:   "Gleichermaßen   schuldig   sinddiejenigen, die voreilig Befehle ausführen und diejenigen, die verzögert Befehle ausführen” . Tu Mu erzählteine Geschichte in dem Anschluß zu Wu Ch'i, als er sich im Kampf gegen den Staat Ch'in befand. Bevorder eigentliche Kampf begonnen hatte, stürmte einer seiner Soldaten eigenverantwortlichvor, erbeutete zwei Köpfe seiner Gegner, und kehrte in das Camp zurück. Wu Ch'i ließ denMann sofort exekutieren, wogegen ein Offizier demonstrierte, und sagte: „Dieser  Mann war ein guter Sol­dat, und hätte nicht enthauptet werden sollten.”  Wu Ch'i antwortete: "Ich glaube ganz daran, daß er einguter Soldat war, aber ich ließ ihn enthaupten, weil er ohne Befehl handelte."] 

4. Benütze  deshalb bei nächtlichen Angriffen  Signal­Feuer und Trommeln, bei  Angriffen am hell­lichten Tag benütze viele Banner und Flaggen als Mittel, um die Augen und Ohren deiner Armeezu beeinflussen. [Ch'en Hao spielt auf Li Kuang­pi's nächtlichem Ritt nach Ho­yang an, 500 berittenenMännern vorausreitend. Sie machten so einen imposanten Eindruck mit ihren Fackeln, daß der Füherer derRebellen sich nicht traute, die Passage zu verhindern.]

5. Es ist möglich, einer gegnerische Armee ihres Kampfgeistes, und einen Oberbefehlshaber seinerVerstandes und seiner Entschlossenheit berauben. ["Im Krieg," sagt Chang Yu, "Wenn der Geist desZornes alle Ebenen der Armee durchzieht, zu ein – und derselben Zeit, wird der Angriff nicht abzuwehrensein. Nun ist der Geist der feindlichen Soldaten am schärfsten, wenn diese gerade frisch eintreffen auf demKriegsschauplatz, und es liegt in unserer Hand, nicht direkt gegen sie zu kämpfen, sondern zu warten, bisihr Kampfgeist und Begeisterung nachgelassen hat, um dann zuzuschlagen. Dies ist der Weg, wie man sieihres Kampfgeistes beraubt.  Li Ch'uan und andere erzählen eine Anekdote (Quelle: TSO CHUAN aus demJahre 10, Seite 1) des Ts'ao Kuei, einem Schützling des Herzoges Chuang aus Lu. Der Staat Lu wurde vonCh'i angegriffen, und der Herzog zog gerade in den Krieg bei Ch'ang­cho, und nach dem ersten Erklingender feindlichen Trommeln, sagte Ts'ao: "Bitte nicht jetzt!”  Nachdem die Trommeln zum dritten Male erk­lungen  waren,  erteilte  er das Kommando zum Angriff.  Sie kämpften,  und die Männer von Ch'i warenendgültig   besiegt.   Als   der   Herzog   Ts'ao  nach   der   Bedeutung   der   Verzögerung  des   Angriffs   fragte,antwortete dieser: „ Im Kampf, der Kampfgeist ist alles. Nun – das erste Erklingen der Trommeln erzeugtden Kampfgeist, aber beim zweiten ist er schon wieder am abnehmen, und nach dem dritten Erklingen istder Kampfgeist verschwunden. Daher unser Sieg.”Wu Tzu (Kapitel.  4)  stellt  den „Ka mpfgeist”  an  erste  Stelle  unter  den  „v ier  wichtigen Einflüssen”  imKrieg, und fährt fort: „Der  Wert einer ganzen Armee – eine Truppe von einer Million Männer – ist ab­hängig von einem Mann alleine: Das ist der Einfluß des Kampfgeistes!”.  Chang Yu sagt: "Gegenwart desVerstandes ist des Generals wichtigster Wert. Es ist eine Qualität, die ihn befähigt, die Männer zu diszi­plinieren, und wieder Mut in Männer mit panischer Angst zu bringen. Li Ching (A.D. 571­649) hatte einSprichwort: "Angriff besteht nicht bloß aus dem Angriff befestigter Städte oder dem Angreifen einer Armee

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 Anhang: „ART  OF WARfare”

in Kampfformation; er muß die Kunst beinhalten, das mentale Gleichgewicht des Gegners außer Balance zubringen"]

6. Eines Soldaten Kampfgeist ist am schärfsten am Morgen, zu Mittag wird er schwächer und amAbend sind seine Gedanken beim Rückzug ins Camp.[Immer vorausgesetzt, so nehme ich an, daß erfrühstücken konnte. Beim Krieg von Trebia wurde den Römern dummerweise erlaubt, nüchern zu kämpfen,während Hannibal's Truppen in der Freizeit gefrühstückt hatten., Siehe auch Livy, XXI, liv. 8, lv. 1 und 8.]

7. Ein kluger General vermeidet daher den Kampf, wenn der Kampfgeist scharf ist, greift an, wennder Gegner kampfunwillig ist und geneigt ist, umzukehren. Dies ist die Kunst, Stimmungen zustudieren.

8. Diszipliniert und ruhig,  das Erscheinen der Unordnung und Tumult beim Gegener abwarten –das ist die Kunst, wie man Selbstbeherrschung behält.

9. Nahe am Ziel zu sein, während der Gegener weit entfernt ist, zu warten mit Geduld, während derFeind schuftet und kämpft, satt zu sein, wärend der Feind ausgehungert ist – das ist die Kunst,mit den Kräften zu haushalten.

10. Du vermeidest jede Konfrontation mit einem Feind, der dessen Banner in geordneten Reihen ste­hen, und greifst keine Arme an, die in einer ruhigen und zuversichtlichen Formationen ist. Dies istdie Kunst, wie man eine Sachlage studiert.

11. Deshalb gilt für eine militärische Operation: Rücke niemals  gegen einen Gegner bergauf vor, nochwidersetze dich ihm, wenn er, vom Berg her kommend, angreift.

12. Nimm die Verfolgung nicht auf, wenn die Flucht nur vorgetäuscht ist. Greife keine Elitetruppenan.

13. Nimm nichts zu dir aus den Händen des Feindes.  [Li Ch'uan und   Tu Mu, die die Metapher darinnicht   gesehen   haben,   interpretieren   diese   Worte   direkt   als   „Essen   und   Trinken,   welches   vom   Gegnervergiftet wurde” .  Ch'en Hao und Chang Yu machen sorgsam klar, daß dieses Sprichwort allgemeine An­wendung finden kann.]  Gerate nicht in Konflikt mit einer Armee, die sich auf dem Rückzug nachHause befindet.[Die Kommentatoren erklären diesen einzelnen Rat so, daß ein Mann, dessen Herz vollvon Gedanken an Zuhause ist, wird bis zum Tode kämpfen, wenn er an seinem Heimweg gehindert wird,und deswegen ist es zu gefährlich, mit so einem Gegner zu tun zu haben. Chang Yu zitiert  die Worte vonHan Hsin: „Un besiegbar ist der Soldat, dessen Verlangen  daraus besteht, nach Hause zu gelangen.”  Einwunderbares Märchen wird von Ts'ao Ts'ao's Mut erzählt, in dem ersten Kapitel des SAN KUO CHI: ImJahre 198 v. Chr. Belagerte Chang Hsiu bei Jang, als Liu Piao Verstärkung mit der Absicht schickte,Ts'ao's Stellung abzuschneiden.  Letzterer  war gezwungen,  seine Truppen zurückzuziehen,  undfand  sich  wieder  zwischen  zwei   feindlichen  Truppen  eingezingelt,  die   jeweils   einen  Ausgangeines schmalen Passes bewachten, in welchem er sich verschanzt hatte. In seiner verzweifelten Sit­uation wartete Ts'ao bis zum Einbruch der Nacht, bohrte einen Tunnel in die Gebirgsseite undlegte einen Hinterhalt. Als die gesamte Armee vorbeimarschiert war, fielen die versteckten Trup­pen diesen in den Rücken, während Ts'ao selber seine Verfolger auf der Vorderseite angriff, sodaßsie, völlig verwirrt, vernichtet wurden. Ts'ao Ts'ao sagte nachher: „  Die Brigaden versuchten, michbeim Rückzug  zu überraschen,  und verwickelten mich in  einen Kampf,  wo ich  in unhaltbarerLage mich befand: Letzendlich jedoch konnte ich sie überwinden."]

14. Lass einen Ausweg offen, wenn du eine Armee umzingelst. [Dies soll nicht bedeuten, daß der Feindnicht entkommen können soll. Der Gegenstand ist, wie Tu Mu sagt, den Gegner Glauben machen, daß ereinen  Ausweg  gefunden  hat,  und  man  hierdurch  verhindert,   daß  er  mit  dem  Mut  der  Verzweifelungkämpft.”  Tu   Mu   fügt  amüsiert  hinzu:   „ Danach   kannst  Du   ihn   ruhig   vernichten!” ]  Bedränge  einenverzweifelten Feind nicht zu sehr. [Ch'en Hao zitiert ein Sprichwort: "Vögel und Tiere, in Bedrängnisgebracht, werden ihre Klauen und Zähne verwenden.” . Chang Yu sagt: „Wenn  dein Feind seine eigenen

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 Anhang: „ART  OF WARfare”

Boote verbrannt und seine Kochtöpfe zerstört hat, und bereit ist, alles in die Schlacht zu werfen, sollte ernicht zu Extremen gedrängt werden.  Ho Shih illustriert die Bedeutung dieser Geschichte mit einer Episodeaus dem Leben von Yen­ch'ing. Dieser General, zusammen mit seinem Kollegen Tu Chung­wei war umzin­gelt von einer mächtig überlegenen Armee von Khitans im Jahre 945 v. Chr. Das Land war karg und wüste­nartig,  und die  kleine  chinesische  Streitmacht  war  bald  verzweifelten  Nöten wegen Wassermangel.  DieBrunnen, die sie bohrten, waren trocken, und die Männer waren gezwungen, den Schlamm auszudrücken,und die  Feuchtigkeit  auszusaugen.  Viele  starben  schnell,   bis  zuletzt  Fu Yen­ch'ing ausrief:   „ Wir   sindverzweifelte Männer. Besser, als für unser Land zu sterben ist es, mit gefesselten Händen in Gefangenschaftzu gehen!”  Ein starker Sturm zog auf von Nordosten, und verdunkelte den Himmel mit dunklen Wolkenaus Sand. Chung­Wei wartete, daß er abklung, um den letzten Angriff zu befehlen, aber glücklicherweisesagte ein anderer Offizier namens Li Shou­Cheng sah schnell eine Gelegenheit und sagte: „S ie sind vieleund wir sind wenige, aber in der Mitte des Sandsturmes sind unsere Truppen nicht bemerkbar; der Sieg istmit dem zähen Kämpfer,  und der Wind wird unser bester  Alliierter sein.”  Dem entsprechend bildete  ereinen plötzlichen und unerwarteten Angriff mit der Kavallerie, besiegte die Barbaren und brach erfolgreichdurch, bis sie in Sicherheit waren.]

15. Dies sind die Regeln, die für eine militärische Operation gelten.

[1] See Col. Henderson, op. cit. vol. I. p. 426.

[2] For a number of maxims on this head, see "Marshal Turenne" (Longmans, 1907), p. 29.

9  Variationen in Taktiken

[Diese Überschrift bedeutet wortwörtlich „ Die Neun Variationen” , aber, weil Sun Tsu diese nicht nu­meriert   hat,  und   weil  –  tatsächlich  –  er  dies  auch  geschrieben  hat,   (V  SS.  6­11),  haben  wir  wenigeMöglichkeiten, außer Wand Hsi zu folgen, der sagt, daß „Neun ”  steht für eine unendlich große Zahl. „.Was bedeuten soll, daß im Krieg Taktik variiert werden kann bis zu jedem Grad ... Ich weiß nicht, wasTs'ao Kung meint, diese wären, aber er hat gemeint, daß diese mit den „Neun  Situationen”  ­ aus KapitelXI Verbindung hätten. Die andere Alternative ist anzunehmen, daß etwas verloren gegangen ist – eineAnnahme ­ die angesichts der ungewöhnlichen Kürze des Kapitels – nicht abwegig ist.]

1. Sun Tsu sagt: Im allgemeinen gilt für militärische Operationen, dass die militärische Führung dieBefehle zum Zusammenziehen der Truppen von der zivilen Führung erhält.[Wiederholt aus KapitelVII. ss. 1, wo es sicher richtiger am Platze ist. Es scheint hier angepasst worden zu sein, um lediglich einenAnfang für ein neues Kapitel zu finden.]

2. Schlage kein Lager auf schwierigem Terrain auf.  In einer Gegend, wo sich Straßen kreuzen, bauediplomatische Beziehungen zu Alliierten auf. Bleibe nicht in unfruchtbaren oder isolierten Gebi­eten. [Die letzte Situation ist keine der „Neu n Situationen”  von Kapitel XI, sondern erscheint etwas später(ibid. ss. 43. q.v.). Chang Yu definiert die Situation als wenn sie jenseits der Grenzen stattfinden würde, inFeindesland.Li Ch'uan sagt, es sei ein „ Land in welchem es keine Quellen oder Brunnen,   Scharen oderHerden von Tieren, Gemüse oder Feuerholz gibt.”  Chia Lin, „ eines voller Schluchten, Senken, Abgründe,ohne Straßen, auf denen man laufen könnte”]  In   Situationen, in denen Du umzingelt bist, greife aufeine Kriegslist zurück. In hoffnungsloser Position mußt Du kämpfen.

3. Es gibt Wege, die du nicht einschlagen solltest ["Speziell solche, die in schmale Täler führen,”  sagt LiCh'uan, "dort, wo man einen Hinterhalt vermuten muß"], es gibt Armeen, die du nicht angreifen soll­test [Korrekter vielleicht: „ Es gibt Zeiten, wo eine Armee nicht angegriffen werden sollte.”  Ch'en Hao sagt:"Wenn Du deinen  Weg  siehst,   einen  Vorteil   zu  erlangen,  aber  zu  schwach,  um einen  echten  Sieg  zuerzwingen,   verzichte   auf   einen   Angriff,   weil   du   fürchten   mußt,   die   Stärke   deiner   Männer   zuüberschätzen.”] ; es gibt Städte, die du nicht belagern solltest [Cf. III. ss. 4 Ts'ao Kung gibt eine interes­

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 Variationen in Taktiken

sante Illustration seiner eigenen Erfahrungen. Als er in das Territorium von Hsu­chou einmarschierte, ig­norierte er die Stadt Hua­pi, welche direkt auf seinem Weg lag, und drang weiter in das Herz des Landesvor.  Diese  exzellente  Strategie  wurde durch die  folgende  Einnahme von nicht  weniger als 14 wichtigenBezirks­Städten belohnt. Chang Yu sagt: „M an sollte keine Stadt einnehmen, die, falls genommen, nichtgehalten  werden   kann,   oder,   falls   alleine   gelassen,   keinen   weiteren   Ärger  macht.”  Hsun   Ying,   als   ergezwungen wurde, Pi­Yang anzugreifen, antwortete:  „Die  Stadt ist klein und gut befestigt;  sogar dann,wenn es mir gelingt, sie einzunehmen, wird es keine große Mühe machen für die Streitmacht, jedoch wennich fehle, werde ich mich lächerlich machen.”  Im 17. Jahrhundert waren Belagerungen ein wichtiger Teil imKrieg. Es war Turenne, der die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit von Märschen, Gegenmärschen undManövern lenkte. Er sagte: „Es  ist ein großer Fehler Männer zu opfern für die Eroberung einer Stadt, wenndieselbe Menge von Soldaten eine ganze Provinz einnehmen kann.”  [1] ]; es gibt Gebiete,  um die dunicht kämpfen solltest; es gibt Befehle der zivilen Regierung, denen du nicht gehorchen solltest.[Dies ist ein hartes Sprichwort für einen Chinesen, angesichts ihrem Respekt für Autoritäten, und Wei LiaoTzu (zitiert von Tu Mu) fühlte sich, auszurufen: „W affen sind bedrohliche Instrumente, Streit wirkt derTugend entgegen, ein Militärkomandant ist die Verneinung eines zivilen Befehls!”  Eine ungenießbare Tat­sache   bleibt   jedoch,  daß  sogar   imperiale  Wünsche   sich  den   miltätischen   Notwendigkeiten  unterordnenmüssen.]

4. Wenn   ein   General   also   alle   Möglichkeiten   der   Anpassung   von   Taktiken   kennt,   um   sich   dieVorteile zunutze zu machen, dann weiß er, wie militärische Kräfte einzusetzen sind,

5. Wenn ein General es nicht versteht, sich vorteilhaft anzupassen, mag er zwar die Beschaffenheitdes Terrains kennen, wird aber keinen Nutzen daraus ziehen können.[Wortwörtlich: „ den Vorteildes Terrains bekommen” , was bedeutet, daß man nicht nur eine gute Position sichert, sondern sich natür­liche Vorteile  in jeder Art beschafft.  Chang Yu sagt:  „Jede  Art von Terrain ist charaktierisiert  von bes­timmten, natürlichen Eigenschaften, und läßt damit  einen Freiraum für eine bestimmte Variabilität  derPläne.   Wie   ist   es   möglich,   diese   natürlichen   Eigenschaften   zu   nutzen,   wenn   topographisches   Wissenergänzt wird durch die vielseitige Verwendbarkeit des Verstandes ?]

6. So ist der Student der Kriegskunst, der unversiert ist in ART OF WAR, wie man seine Pläne vari­iert, sogar dann, wenn er mit den „F ünf Vorteilen”  vertraut ist, wird darin scheitern, den größtenNutzen aus seinen Männern zu ziehen.  [Chia Lin erzählt uns, daß diese fünf offensichtliche und allge­meine Handlungsvorteile enthalten,  nämlich: „Wenn  eine bestimmte Straße kürzer, folge ihr; wenn eineArmee isoliert ist, muß sie angegriffen werden; wenn  eine Stadt in einem wehrlosen Zustand ist, muß sieeingenommen werden, wenn eine Stellung gestürmt werden kann, muß es versucht werden; und, sofern inÜbereinstimmung mit den Militäroperationen, müssen die Befehle des Führers befolgt  werden.”  Aber esgibt Umstände, welche es manchmal einem General verbieten, diese Vorteile zu nutzen. Zum Beispiel, „ einebestimmte Straße mag die Kürzeste sein für ihn, aber wenn er weiß, daß sie entlang natürlicher Widrigkeit­en führt, oder daß ein Feind einen Hinterhalt legen kann, sollte er dieser Straße nicht folgen. Ein feindlicherAngreifer   mag   bereit   sein,   anzugreifen,   aber   wenn   er   weiß,  daß  es   hart­auf­hart   kommt,   und   er   mitVerzweifelung kämpfen muß ­ das wir ihn von einem Schlag abhalten,”  und so weiter...]

7. Daher werden in den Plänen weiser Führer Betrachtungen von Vorteilen und Nachteilen zusam­mengefügt.  ["Ob nun in einer vorteilhaften, oder in einer unvorteilhaften Positition”,  sagt Ts'ao Kung,„ die Gegenposition sollte immer im Kopf gegenwärtig sein."]

8. Wenn deine  Erwartung eines  Vorteils   in dieser  Art  erweckt  wird, können wir   fortfahren,  denwesentlichen Teil unserer Entwürfe zu vollenden.  [Tu Mu sagt: "Wenn wir einen Vorteil  von demFeind erlangen, dürfen wir nicht unsere Aufmerksamkeit darauf alleine richten, sondern wir müssen auchbetrachten, daß der Feind uns einen Schaden zufügen kann, was wir als Faktor in unserer Kalkulationenmit einbeziehen müssen.]

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 Variationen in Taktiken

Wenn, auf der anderen Seite, inmitten von Schwierigkeiten wir bereit sind, einen Vorteil zu erlan­gen, können wir uns dem Unglück entziehen. [Tu Mu sagt: "Wenn ich mich aus einer gefährlichen Sit­uation herausziehen möchte, darf ich nicht nur die Möglichkeit betrachten, daß der Feind mich verletzenkann, sondern ich muß auch einen Vorteil über den Feind erlangen. Wenn ich in meinen Ratschlägen diesebeiden Betrachtungen sauber verbinde, sollte ich mich erfolgreich befreien können. Zum Beispiel: Wenn ichvom Feind umgeben bin, und nur daran denke, wie ich entkomme, wird die Unbeherrschtheit in meinemVorhaben meinen Gegner veranlassen, mich zu verfolgen und zu vernichten; es wäre weit besser,  meineMänner zu einem kräftigen Gegenangriff zu ermutigen, und einen Vorteil für meine Befreiung aus den geg­nerischen Anstrengungen zu ziehen. Siehe die Geschichte von Ts'ao Ts'ao, VII. ss. 35, Anmerkung.]

9. Reduziere   die   Kraft   der   feindlichen   Führung,   indem   du   ihr   Schaden   zufügst;  [Chia   Lin   führtmehrere Arten auf, eine solche Verletzung zuzufügen, einige davon entspringen einem orientalischen Ver­stand: ­ „Werbe  den besten und weisesten Mann deines Feindes ab, sodaß er ohne Berater alleine dasteht.Führe   Verräter   in   dem   Land   ein,   sodaß  die   Regierungspolitik   zwecklos   wird.   Sorge   für   Intrige   undTäuschung, sähe so Zwietracht zwischen dem Führer und seinen Ministern. Mittels kunstvoll gestaltetenVereinbarungen sorge unter seinen Männern für Verschwendung seines Schatzes.  Verderbe seine Moraldurch heimtückische Geschenke, die ihn in Überfluß führen. Störe und verunsichere seinen Verstand, indemdu ihn mit reizenden Frauen vorstellst”.  Chang Yu (nach Wang Hsi) interpretiert Sun Tzu hier: „  Bringeden Feind in eine Position, wo er eine Verletzung erleidet, und er wird sich aus eigenen Stücken unterwer­fen.] und sorge dafür, daß sie in Aufruhr kommen, [Tu Mu, will mit seiner Interpretation des Stückeszeigen, daß man dem Feind Ärger machen kann, indem man seine Besitztümer, oder, wie wir sagen, seine„W irtschaftsgüter” ,  zu welchen er auch eine große Armee zählt, einen reichen Schatzmeister,  Harmonieunter  den  Soldaten,  genaue  Erfüllung  von  Befehlen,  beeinträchtigt.  Diese  geben  uns  Gewalt  über denFeind.] und halte sie ständig auf Trab; [Wortwörtlich: „ mache Sklaven aus ihnen” . Tu Yu sagt, „ verhin­dere, daß sie zur Ruhe kommen.”]  lege verführerische Köder aus, laß sie zu jedem gegebenem Punktlaufen.  [Meng Shih führt  ein bemerkenswertes  Beispiel   für  idiomatische  Redensart  an:  „Veran lasse  sie,PIEN zu vergessen (die Gründe, anders zu handeln, als der erste Impuls vielleicht einen handeln läßt), undin unsere Richtung zu eilen."]

10. ART OF WAR  lehrt uns, uns nicht darauf zu verlassen, daß der Feind aller Wahrscheinlichkeitnach nicht kommt, sondern darauf, daß wir vorbereitet sind, ihn zu empfangen; nicht darauf zuhoffen, daß er nicht angreift, sondern uns mit absoluter Sicherheit unangreifbar zu machen.

11. Es gibt 5 gefährliche Fehler, die ein General begehen kann: 

1. Draufgängertum, was zur Selbstzerstörung führt; ["Tapferkeit ohne Vorausschau”,  wie Ts'ao Kunganalysiert, läßt einen Mann blind und verzweifelt kämpfen, wie ein geistesgestörter Stier. Einem solchenGegner, sagt Chang Yu, „darf  man nicht mit Gewalt entgegentreten, sondern man lockt ihn in einenHinterhalt und erschlägt ihn einfach” . Cf. Wu Tzu, chap. IV. ad init.: "Beim Abschätzen des Charakterseines Generals, sind die Männer es gewöhnt, ihre Aufmerksamkeit nur auf den Mut des Generals zurichten, völlig vergessend, daß Mut nur eine der Qualitäten ist, die ein General besitzen muß. Der ehertapfere Mann ist geneigt, draufgängerisch zu kämpfen; und derjenige, der draufgängerisch kämpft, ohneEmpfindung dafür, was angebracht ist, er ist ein Todeskandidat.”  Ssu­ma Fa macht auch eine treffendeBemerkung: „In d en Tod gehen bringt nichts für den Sieg”]

2. Feigheit, die zur Gefangennahme führt;  [Ts'ao Kung definiert das chinesische Wort, was hier als„Fei gheit”   übersetzt   ist,   als   ein   Mann,   „dessen   Furchtsamkeit   ihn   davon   abhält,   einen   Vorteilwahrzunehmen,”   und   Wang   Hsi   fügt   hinzu   „der   schnell   die   Flucht   ergreift,   sobald   eine   Gefahrauftritt.”  Meng Shih gibt   folgende Umschreibung  „jemand ,  der  daran gebunden  ist,   lebend  zurück­zukehren”,  was bedeutet, daß dieser Mann niemals ein Risiko eingeht. Aber, wie Sun Tzu schon wußte,kann man nichts erreichen im Krieg, ohne Risiken einzugehen. T'ai Kung sagt: „Derjen ige, der einenVorteil verstreichen läßt, wird unvermeidlich in eine Katastrophe hineinschliddern. Im Jahre 404 v.Chr.,verfolgte Liu Yu den Rebell Huan Hsuan den Yangtsze hoch, und kämpfte einen Krieg zur See mit ihm

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 Variationen in Taktiken

bei der Insel Ch'eng­hung. Die treuen Truppen waren nur ein paar tausend, während ihre Gegner einegroße Streitkraft waren. Aber Huan Hsuan, der schon sein Schicksal kommen sah, hatte ein leichtes,schnelles Boot an der Seite seiner Kriegs­Dschunke, sodaß er im Moment der Gefahr entkommen konnte,falls nötig. Das natuurliche Resultat war, daß der Kampfgeist seiner Soldaten völlig geschwächt war,und als die Loyalisten einen Angriff mit Feuerschiffenvon der Windseite aus starteten, und alle mit demgrößten Wetteifer danach strebten, der erste im Gefecht zu sein, sind die Streitkräfte von Huan Hsuangeschlagen worden, mußten all ihre Ausrüstung verbrennen, und flohen zwei Tage und Nächte ohneRast. Chang Yu erzählt eine ähnliche Geschichte von Chao Ying­ch'i, einem General des Chin Staates,der während eines Krieges mit der Armee von Ch'u im Jahre 597 v. Chr. Ein Boot für sich auf dem Flußbereithielt, um im Falle einer Niederlage der erste zu sein, der entkommen konnte.] 

3. ein übereiltes Temperament, welches durch Beleidigungen provoziert werden kann;  [Tu Muerzählt uns, daß Yao Hsing, im Jahre 357 v. Chr. in Kämpfe gegen Huang Mei verwickelt, als TengCh'iang  und   andere   bedrängten   ihn   hinter   seinen   Mauern   und   weigerten   sich   zu   kämpfen.   TengCh'iang sagte: „Unser  Gegner ist von cholerischem Gemüt und kann leicht provoziert werden; laß unsregelmäßige Ausfälle machen, wobei wir seine Schutzmauern niederreißen; er wird dann wütend wer­den, und herauskommen. Wenn wir seine Streitkräfte in einen Kampf verwickeln können, sind sie dazuverdammt, unser Opfer zu sein.”  Der Plan wurde ausgeführt, Yao Hsiang kam heraus, um zu kämpfen,wurde angelockt, indem San­Yuan den Kampf gegen den Gegner nur vortäuschte, griffen ihn schließlichan, und erschlugen ihn.] 

4. die Zartheit der Ehre, die eine Schande nicht erträgt;  [Man darf dieses nicht auffassen, als wennEhre ein Fehler des Generals wäre. Was Sun Tsu verurteilt, ist eher eine übertriebene Empfindlichkeitgegenüber beleidigenden Berichten, der dünnhäutige Mann, der von Schande gestochen ist, wie auchimmer, unverdient. Mei Yao­ch'en beobachtet wahrhaft, obwohl etwas paradox anmutend: „Die  Suchenach Ruhm sollte die allgemeinheit nicht kümmern” ]

5. übermäßige Besorgtheit um seine Männer, welche ihn in Kummer und Ärger bringt.  [Hiermitmeint Sun Tzu nicht, daß der General sich nicht um das Wohl seiner Truppen kümmern soll. Was er be­tonen will,  ist die Gefahr, einen wichtigen militärischen Vorteil  zu opfern, nur um seine Männer zuschonen. Dies ist eine kurzsichtige Strategie, weil auf lange Sicht werden die Truppen mehr unter derNiederlage leiden, oder günstigenfalls noch nur unter der Verlängerung des Krieges, der die Folge seinwird. Ein falsch aufgefasstes Gefühl der Schande wird oft einen General dazu verführen, eine belagerteStadt zu befreien, oder eine unter Druck stehende Einheit zu verstärken, im völligen Widerspruch zuseinen militärischen Instinkten. Es ist inzwischen allgemein zugestanden, daß es bei den wiederholtenAnstrengungen, Ladysmith zu befreien, im Südafrika – Krieg, es viel strategischen Pfusch gab, der sichselbst widersprach. Und letzendlich kam die Befreiung durch den besonderen Mann, der den eindeutigenEntschluß fasste, nicht mehr länger das Gesamtziel den Teilzielen unterzuordnen. Ein alter Soldat, einerunserer Generale, der auffallend häufig scheiterte in diesem Krieg, versuchte einmal, wie ich mich erin­nere, sich mir gegenüber zu verteidigen, mit der Begründung, daß er immer “ zu gut zu seinen Leuten”gewesen wäre. Dadurch, daß er so sprach, als hätte er es nicht gewußt, verdammte er nur sich selber, wieSun Tzu es beschrieb.]

12. Dies sind die fünf schlimmen Sünden eines Generals, ruinös in einem Krieg.

13. Immer dann, wenn eine Armee überwunden ist und ihr Führer umgebracht, ist der Grund immerunter diesen fünf gefährlichen Fehlern zu finden. Sie mögen Gegenstand weiterer Betrachtungensein.

[1] "Marshal Turenne," p. 50.

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10 Armeen auf dem Marsch

1. Sun Tzu sagt: Wir kommen nun zu der Frage des Lagers einer Armee, und der Beobachtung vonAnzeichen   eines   Feindes.   Überquere   schnell   Berge,  und   halte  dich   in   der   Nachbarschaft   vonTälern auf.  [Die Idee ist, nicht in ödem Hügelland zu verweilen, sondern sich immer nahe dessen zu hal­ten, wo Wasser ist, und Graß wächst. Cf. Wu Tzu, Kapitel.  3: "Verweile nicht in natürlichen Öfen,”  z.B.“ den Zugängen zu Tälern”  Chang Yu erzählt hierzu folgende Anekdote: Wu­tu Ch'iang war ein Räuber­hauptmann   in   der   Zeit   der   späten  Han   –  Dynastie,   und   Ma   Yuan   wurde   ausgeschickt,   seine   Gangauszukundschaften. Ch'iang fand eine Zuflucht auf den Hügeln, und Ma Yuan machte keine Anstalten, ihnin einen Kampf zu verwickeln, aber er nahm alle bevorzugten Plätze für die Versorgung mit Wasser undFuttergraß in Beschlag. Ch'iang war bald in einer so verzweifelten Lage durch Mangel an Proviant, sodaßer gezwungen werden konnte sich vollständig zu ergeben. Er wußte nicht, daß es von enormen Vorteil war,sich in der Nähe der Täler aufzuhalten]

2. Campiere auf leichten Anhöhen [Nicht auf hohen Hügeln, sondern auf kleinen Anhöhen und Hügeln,die   sich   leicht   aus   der   umgebenden   Landschaft   herausheben]  immer   der   Sonne   entgegen.  [Tu   Mubeschreibt dies als “ nach Süden schauen”,  und Ch'en Hao meine "gen Osten" Cf.  infra, SS. 11, 13.] Erk­limme niemals Hügel, um dort zu kämpfen. So viel zu Kampf in Bergen.

3. Nachdem Du einen Fluß überquert hast, halte dich möglichst weit weg von diesem.["Mit dem Ziel,deinen Feind dazu zu verführen, diesen nach dir zu überqueren,”  wie Ts'ao Kung meint, und auch sagtChang Yu, "um nicht in der eigenen Entwicklung behindert zu werden." Der T'UNG TIEN liest sich so:"Wenn der Feind den Fluß überquert,”  etc. Aber angesichts des nächsten Satzes, ist dies sicherlich eine An­näherung daran]

4.   Immer   dann,   wenn   eine   eindringende   Streitkraft   einen   Fluß   überquert,   um   ihren   Marschfortzusetzen, trete ihnen nicht entgegen, sie mitten im Fluß zu treffen. Am Besten ist es, du läßtdie Hälfte der Armee das andere Ufer erreichen, und dann greife sie an. [Li Ch'uan verweist auf dengroßen Sieg, den Han Hsin über Lung Chu errungen hat, beim Wei Fluß. Wenden wir uns an den CH'IENHAN SHU, ch. 34, fol. 6 verso, finden wir den Kampf wie folgt beschrieben: “Die  zwei Armeen standensich auf beiden Seiten des Flusses gegenüber. In der Nacht befahl Han Hsin seinen Männern, einige 10.000Säcke mit Sand zu nehmen, und damit einen Damm flußaufwärts zu bauen. Dann, als der die Hälfte seinerArmee hinübergeführt hatte, griff  er Lung Chu an; aber nach einer  Zeit gab er vor, mit seinem Angriffgescheitert  zu  sein,  und zog  sich  hastig  auf  das  andere  Ufer  zurück.  Lung Chu war  durch  diesen  un­vorhergesehenen  Erfolg   freudig  erregt,  rief  aus:   “Ich  war   sicher,  daß Han Hsin ein  wirkicher  Feiglingwar!” , er verfolgte ihn, und begann, den Fluß zu überqueren. Han Hsin schickte nun ein Kommando los,welches  die  Sandsäcke  öffnete,  und so ergoß sich eine  riesige  Menge  Wasser,  die  niederschoß, und dengrößeren Teil der Armee von Lung Chu daran hinderte, nachzufolgen. Er stürzte sich dann auf die Kräfte,die nun abgeschnitten waren,  und eliminierte sie,  Lung Chu selber war unter den Toten.  Der Rest derArmee, am anderen Ufer wurde zerstreut und flüchtete in alle Richtungen]

5.  Wenn Du ängstlich bist, zu kämpfen, solltest Du den Eindringling nicht in der Nähe eines Flussestreffen, den er zu überqueren hat.[Aus Angst, ihn daran zu hindern, ihn zu überqueren]

6. Laß Dein Schiff  weiter stromaufwärts vor Anker gehen, als dein Feind, mit Blick in die Sonne.[Siehe supra, ss. 2. Die Widerholung dieser Worte in Verbindung mit Wasser ist sehr gefährlich. Chang Yuschreibt eine Bemerkung: “An genommen, eine der Truppen hat sich an einem Flußufer verschanzt, oder aufBooten mitten im Strom geankert; in jedem Fall ist es wichtig, weiter flußaufwärts zu sein, und der Sonneentgegen zu schauen.”  Die anderen Kommentatoren sind alle nicht so genau]

7. Treffe deinen Feind niemals stromaufwärts.  [Tu Mu sagt: "Weil Wasser stromabwärts fließt, dürfenwir unser Camp nicht in den niederen Lagen des Flusses aufschlagen, um nicht in Gefahr zu laufen, daß der

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Feind seine Schleusen öffnet, und uns in einer Flut wegschwemmt.Chu­ko Wu­hou hat angemerkt, daß: 'Ineinem Flußkampf dürfen wir nicht gegen den Strom vorrücken,' was dasselbe ist, als wenn man sagt, daßunsere Flotte nicht unterhalb der des Feindes ankern sollte, damit der Feind keinen Vorteil aus der Strö­mung zieht, und uns viele Umstände macht.”  Hier existiert aber auch die Gefahr, so anderen Kommenta­tren, daß der Feind Gift ins Wasser schmeißt, welches dann zu uns herübergetragen wird.]  So viel zumFlußkampf.

8. Beim Überqueren von Salz­Sümpfen,  solltest  Du dich einzg darum kümmern, diese  schnell  zuüberwinden,  ohne  Verzögerung.  [Wegen  einem Mangel  an  Frischwasser,  der  mageren  Qualität  derGewächse, und nicht zu guterletzt, weil sie tief und flach sind, sondern angriffsgefährtdet.]

9. Wenn   du   in  einem  Salz­Sumpf  angegriffen  wirst,   solltest  Du  Wasser  und  Grass   in  der  Nähehaben, und dich dann zu einer Baumgruppe zurückziehen. [Li Ch'uan bemerkt, daß der Boden dortweit weniger trügerisch ist, wo Bäume sind, während Tu Mu sagt, daß diese dazu dienen, den Rücken zuschützen.] So weit zu Operationen in Salz­Sümpfen

10. In trockenem Land,  nimm eine leicht zugängliche Position ein mit leicht ansteigendem Terrainlinks und rechts, [Tu Mu zitiert T'ai Kung, der sagt: "Eine Armee sollte einen Fluß oder einen Sumpf aufder einen Seite, und eine Anhöhe oder einen Hügel auf der anderen Seite"] sodaß die Gefahr von vornekommt, und Sicherheit von hinten ist. So viel zum lagern in Ebener Landschaft.

11. Dies sind die vier nützlichen Äste des militärischen Wissens [Diese lauten entsprechend dem, womitsie zu tun haben: (1)Berge, (2)Flüsse, (3)Sümpfe, und (4)Ebenen. Vergleiche mit Napoleon's “ Grundsätzedes Militärs”  # 1] welches es dem Gelben Kaiser erlaubte, vier separate Herrscher zu überwinden.[Betrachten wir den “ Gelben Kaiser” : Mei Yao­ch'en fragt, mit Grund, warum hier ein Fehler in dem Textist, nämlich nicht ist bekannt darüber, daß Huang Ti jemals vier fremde Herrscher überwunden hätte. DasSHIH CHI (Kapitel 1, zu Beginn) spricht nur von seinen Siegen über Yen Ti und Ch'ih Yu.  In dem LIUT'AO wird erwähnt, daß er “vierzig  Kämpfe focht, und das Reich befriedete" Ts'ao Kung's Erklärung ist,daß der “ Gelbe Kaiser”  der erste war, der ein feudales System von Vasallen­Prinzen errichtete, jedes von ih­nen (es waren der Zahl vier) trug den Namen des Kaisers. Li Ch'uan erzählt uns, daß der ART OF WARentstanden ist unter Huang Ti, welcher es von seinem Minister Feng Hou erhalten hat.]

12. Alle Armeen bevorzugen Anhöhen gegenüber Senken.  [“Anhöhen”,  sagt Mei Yao­ch'en, "ist nichtnur einverständlicher und zuträglicher, sonder auch vorteilhafter aus militärischer Sicht; Senken sind nichtnur dunkler  und ungesund, sondern auch nachteilig für den Kampf.”]  und sonnige Plätze gegenüberden dunklen.

13. Wenn Du sorgsam mit deinen Männern umgehst,  [Ts'ao Kung sagt: "Sorge für frisches Wasser undWeideland, auf welches du deine Tiere grasen lassen kannst.”]  und campierst Du auf hartem Unter­grund, wird die Armee frei sein von aller Art Krankheiten, [Chang Yu sagt: "Die Trockenheit des Kli­mas wird vor Ausbruch vor Krankheiten schützen"] und das wird Sieg bedeuten.

14. Wenndu an einen Hügel kommst, oder an einen Wall,  besetze immer die Sonnenseite, mit demHang rechts hinter dir.  So wirst  du für das Wohl deiner Soldaten sorgen,  und gleichzeitig  dienatürlichen Vorteile des Geländes für dich nutzen.

15. Wenn ein Fluß aufgrund heftiger Regelfälle oberhalb angestiegen ist, den du überqueren willst,und von Schaum besprenkelt ist, musst du warten, bis der Pegel sinkt.

16. Land, in welchem es steil abfallende Klippen gibt, mit Sturzbächen dazwischen, tiefe natürlicheHöhlen,  [Die später beschrieben sind als “P lätze, an jeder Seite von steilen Böschungen eingeschlossen,und am Fuße mit Wassertümpeln] eingegrenzte Plätze, [beschrieben als "natürliche Pferche oder Gefäng­nisse"   oder  "Plätze,  an  drei  Seiten  umgeben  von  Abgründen  –  leicht  hinein   zu  kommen,   aber"]  ver­wirrende Dickichte,  [beschrieben als "Plätze, bedeckt mit so dichtem Unterholz, das keine Speere durch­dringen können"] Sümpfe [beschrieben als “n iedrig liegende Plätze, so schwer voll Matsch, und unpassier­

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bar für Streitwagen und Reiter"] und Gletscherspalten,  [beschrieben von Mei Yao­ch'en als "schmalerund schwieriger Weg zwischen vorstehenden Klippen" Tu Mu's Bemerkung ist "Grund, bedeckt mit Bäu­men und Steinen, gekreuzt von vielen Schlaglöchern und Ritzen" Dies ist sehr vage, aber Chia Lin erklärtees klar genug als einen Bergpass  (Klause) oder schmalen Paß, und Chang Yu sieht es ebenso. Insgesamttendieren die Kommentatoren sicherlich zu einer Übersetzung in “ Bergpass”.  Aber die ursprüngliche Be­deutung des Chinesischen an einer Stelle ist “Sprung  oder Spalte”,  und die Tatsache, daß das Chinesischean anderen Stellen in dem Satz etwas wie die Natur eines Bergpasses andeutet, läßt mich an Gletscherspal­ten denken, die Sun Tsu wohl meinte] sollte unverzüglich verlassen werden und man sollte sich auchniemals in ein solches begeben.

17. Wenn   wir   uns   weit   fernhalten   von   solchen   Plätzen,   sollten   wir   den   Feind   dorthin   treiben;während wir ihm gegenüberstehen, sollte er diese in seinem Rücken haben.

18. In der Nachbarschaft deines Camps sollten keine Hügellandschaften, Teiche, umgeben von hohemWassergras,   hohle   Basins   mit   Schilf,   oder   Wälder   mit   dichtem   Unterholz,   sein,   sie   solltensorgfältig ausgekundschaftet und untersucht sein; denn genau dies sind Plätze, wo Männer au­flauern, hinterlistige Spione lauern. [Chang Yu macht die Bemerkung: "Wir müssen auch ständig auchauf der Hut sein vor Verrätern, die nahe versteckt liegen könnten, heimlich unsere Schwächen auskund­schaften, und unsere Befehle mithören."]

19. Wenn dein Feind nahe an dir dran ist, und sich ruhig verhält, verläßt er sich auf die natürlicheStärke seiner Position.  [Hier beginnen Sun Tzu's Bemerkungen über das Lesen von Zeichen, vieles vondem ist so gut, daß es schon fast Teil in einem modernen Handbuch sein könnte, wie General Baden­Pow­ell's “Aids  to Scouting”]

20. Wenn er sich fernhält und versucht, einen Kampf zu provozieren, ist er erpicht darauf, daß derGegner vorrückt.  [Möglicherweise, weil wir in einer starken Position sind, aus der er uns versucht, her­vorzulocken.   “Wenn  er  uns  zu nahe käme”,  so  sagt  Tu Mu,   “und  versuchen  würde, einen  Kampf  zuerzwingen, würde er uns verachten, und damit wäre die Wahrscheinlichkeit geringer, daß wir uns daraufeinlassen."]

21. Wenn sein Lagerplatz leicht zugänglich wäre, versucht er einen Hinterhalt.

22. Bewegungen zwischen Bäumen in einem Wald zeigen, daß der Feind vorrückt. [Ts'ao Kung erklärtdies als “Fäll en von Bäumen, um einen Weg frei  zu machen”,  und Chang Yu sagt: “ Jedermann sendetKundschafter aus, die auf Anhöhen klettern, um den Feind zu beobachten. Wenn ein Kundschafter sieht,daß die Bäume in einem Wald sich bewegen und geschüttelt  werden,  kann er daraus schließen, daß siegefällt werden, um eine Passage frei zu machen, für den weiteren Marsch des Feindes."]  Das Erscheineneiner Zahl von Schirmen aus langem Gras bedeutet, daß der Feind uns argwöhnisch machen will.[Tu Yu's Erklärung, geborgt von Ts'ao Kung's, ist folgende: “Die  Anwesendheit einer Zahl von Schirmenaus dichtem Gras ist ein klares Zeichen dafür, daß der Feind geflohen ist, und aus Angst vor Verfolgunghat er diese Verstecke gebaut,  damit  wir einen Hinterhalt  befürchten. Es schaut so aus,  als  wenn dieseSchirme hastig aus irgendwelchem langen Gras zusammengeknotet worden sind, die der Feind auf seinemRückzug zufällig gefunden hat..]

23. Erheben sich Vögel in die Luft, so ist dies ein Zeichen für einen Hinterhalt. [Chang Yu's Erklärungist zweifellos richtig: “W enn Vögel, die in einer geraden Linie plötzlich aufsteigen, so bedeutet dies, daß Sol­daten genau dort in einem Hinterhalt lauern"] Aufgeschreckte Tiere zeigen an, daß ein plötzlicher An­griff erfolgt.

24. 23. Wenn der Staub in einer hohen Säule emporsteigt, ist dies ein Zeichen dafür, daß Streitwagenherannahen; wenn der Staub niedrig ist, aber über eine große Fläche verteilt ist, verkündet diesdas Annähern von Fußvolk. ["Hoch und scharf", oder sich zu einem Gipfel erhebend, ist natürlich etwasübertrieben,   besonders   auf   Staub   angewendet.   Die   Kommentatoren   erklären  das   Phänomen,   indem   sie

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sagen, daß Pferde und Streitwagen, die schwerer sind, als Menschen, mehr Staub aufwirbeln, und daß einRad dem anderen ja in der Spur folgt, während Fußsoldaten in Reihen nebeneinander laufen. Nach Chang­Yu, “ jede Armee auf dem Marsch muß Kundschafter vorausschicken, die bei Anzeichen von Staub, den derFeind aufwirbelt, zurückreiten und dies dem Oberbefehlshaber melden. Cf. General Baden­Powell: "Wenndu marschierst, sagen wir mal in einem feindlichen Gebiet, solltest Du Ausschau halten nach anzeichen desFeindes:   Spuren,   aufgewirbelter   Staub,   auffliegende   Vögel,  aufblitzen   von   Waffen,   e.t.c."   [1]   ]  WennSpuren in verschiedenste Richtungen führen, zeigt dies, daß Kommandos ausgesendet wurden,um Feuerholz zu sammeln. Ein paar aufsteigende Wolken signalisieren, daß eine Armee campt[Chang Yu sagt: "Beim Aufteilen der Verteidigungsarbeiten für die Unterkunft, wird ein leichtes Pferd ver­wendet, um die Lage zu beurteilen, und die Stärken und Schwachpunkte in der Umgebung auszukund­schaften. Daher die geringe Menge an Staub und seiner Bewegung.”]

25. Wenige Worte  und emsige Vorbereitungsarbeiten signalisieren,  daß der Feind sich vorbereitet,weiterzuziehen. ["Auch hatten sie große Angst vor uns.", sagt Tu Mu. "Ihr Ziel ist es, uns sorglos undsie geringschätzend zu machen, um uns danach anzugreifen." Chang Yu weist auf die Geschichte von T'ienTan hin, über Ch'i­mo gegen die Yen Streitkräfte, angeführt von Ch'i Chieh. In Kapitel 82 des SHIH CHIlesen wir: "T'ien Tan sagt offen: 'Meine einzige Angst ist daß die Yen Armee die Nasen ihrer Ch'i Gefan­genen abschneidet, und diese dann in der ersten Reihe plaziert, um gegen uns zu kämpfen; das wäre derRuin für unsere Stadt' Die andere Seite, von seiner Rede unterrichtet, handelten entsprechend seiner Rede;aber die Menschen in der Stadt waren aufgebracht, als sie sahen, daß ihre Landsleute verstümmelt wurden,und, aus Angst, in Feindeshand zu fallen, verteidigten sie sich mit dem Mut der Verzweifelung wie nochnie zuvor. T'ien Tan schickte umgedrehte Spione zurück, die folgende Worte dem Feind  berichten sollten:“W as ich am meisten fürchtete, daß die Männer von Yen die Gräber ihrer Vorfahren außerhalb der Stadtausgraben, und dadurch,  daß sie diese Schande an unseren Vorvätern üben, machen sie uns mutlos.Un­verzüglich öffneten die Belagerer alle Gräber, und verbrannten alle darin liegenden Körper. Und die Ein­wohner der Einwohner von Chi­mo, als sie diese Freveltat sahen, weinten bitterlich, und, ihr rasender Zornauf das Zehnfache gesteigert,  waren alle ungeduldig, herauszustürmen und zu kämpfen. T'ien Tan wußtenun, daß seine Soldaten bereit waren für jede Unternehmung. Aber anstelle eines Schwertes, nahm er eineHacke in seine Hände, und befahl anderen, sich zwischen seinen besten Kämpfern zu verteilen, wobei er dieReihen   mit   deren   Frauen   und   Konkubinen   auffüllte.   Dann   ließ  er   alle   verbleibenden   Essensrationenverteilen, und bat seine Leute, sich satt  zu essen. Die regulären Soldaten waren angewiesen,  sich außerSicht zu halten, und die Mauern wurden bevölkert mit älteren und schwachen Männern, sowie Frauen. Alser damit fertig war, schickte er Gesandte zum gegnerischen Camp, um die Bedingungen für eine Kapitula­tion auszuhandeln, woraufhin die Yen Armee laut lachte. T'ien Tan sammelte auch 20.000 Unzen Silbervon den Leuten, und ließ die wohlhabenden Bürger von Chi­mo diese an den Yen general übersenden, mitder Bitte, daß wenn die Stadt kapituliert,  er ihre Häuser verschone und Mißhandlung ihrer Frauen un­terbinde. Ch'i Chieh, amüsiert, gewährte diese Bitte; aber seine Armee wurde von nun an zunehmend lust­loser und sorgloser. In der Zwischenzeit sammelte T'ien Tan 1000 Ochsen zusammen, schmückte sie mitStücken roter Seide,  malte ihre Körper Drachen­ähnlich an, mit farbigen Streifen,  und befestigte  scharfeKlingen an ihren Hörnern, und ließ die Haarbüschel an den Schwanzenden einfetten. Als die Nacht kam,entzündete  er die Schwanzenden der Ochsen,  und trieb sie  durch eine Zahl von Löchern in der Wand,dahinter eine Armee von 5000 handverlesenen Soldaten. Die Tiere, vor Schmerz verrückt, rannten in Ragein das Camp des Feindes, wo sie für äußerste Verwirrung und Schrecken sorgten; mit ihren Schwänzen alsFackeln, den scheußlichen Mustern auf ihren Körpern, und den Waffen auf ihren Hörnern töteten oder ver­wundeten sie jeden, der mit ihnen in Kontakt kam. In der Zwischenzeit war die Schar von 5000 Soldatenmit Knebeln im Mund herangekrochen und stürzte sich auf den Feind. Zeitgleich erklang ein fürchterlichesGetöse in der Stadt, alle, die dort zurückgeblieben waren, machten soviel Getöse, wie sie nur konnten, in­dem sie Trommeln und auf Bronzekessel schlugen, bis Himmel und Erde von diesem Tumult erschüttertwaren. Von Panik ergriffen floh die Yen Armee in völligem Chaos, scharf verfolgt von den Menschen vonCh'i, die es sogar schafften, deren General Ch'i Chien zu erschlagen.... Das Ergebnis des Krieges war die

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Zurückeroberung von ungefähr 70 Städten, die zu dem Ch'i Staat gehörten."] Agressive Sprache undgleichzeitiges   Vorrücken,   wie   bei   einem   Angriff   sind   Anzeichen   dafür,   daß  der   Gegner   sichzurückziehen wird.

26. Wenn die beleuchteten Streitwagen zuerst herauskommen, und eine Position an den Flügeln ein­nehmen, ist das ein Zeichen dafür, daß der Feind sich für einen Kampf formiert.

27. Friedensangebote,  nicht  begleitet  von einem geschworenen Bündnis  lassen eine  Verschwörungvermuten.  [Die Leseweise hier ist unbestimmt.  Li Ch'uan deutet an: "Ein Vertrag, bekräftigt durch Eideund Geiseln”.  Wang Hsi und Chang Yu, auf der anderen Seite, sagen einfach: "ohne Grund", "unter einemleichtfertigen Vorwand"]

28. Wenn alle hastig herumrennen [Jeder Mann hastet zu seinem richtigen Platz unter seiner Regiment ­Fahne]  und die Soldaten zu ihrer Reihe finden, dann ist der kritische Moment gekommen.

29. Wenn beobachtet wird, daß einige vorrücken, und andere sich zurückziehen, dies ist ein Köder.

30. Wenn die Soldaten sich auf ihre Speere stützen, sind sie erschöpft vor Hunger.

31. Wenn diejenigen, die geschickt wurden, um Wasser zu holen, selber anfangen zu trinken, leidetdie Armee unter Durst. [wie Tu Mu bemerkt: "Man kann den Zustand einer ganzen Armee abschätzen,indem man sich das Verhalten eines einzigen Mannes anschaut."]

32. Wenn der Feind einen Vorteil für sich sieht, den er erringen könnte, und macht keine Anstrengun­gen, diesen zu erlangen, sind seine Soldaten erschöpft.

33. Wenn Vögel sich an einem Punkt versammeln, ist dieser nicht besetzt. [Eine sehr nützliche Tatsache,die man im Auge haben sollte, für den Falle, wie Ch'en Hao sagt, der Feind heimlich sein camp verlassenhat.]

34. Lärm in der Nacht zeugt von Nervosität.

35. Wenn   dort   Unruhe   im  Camp   ist,   ist   die   Autorität   des  Generals   schwach.  Wenn   Banner   undFlaggen sich bewegen, ist Aufruhr im Gange. Wenn die Offiziere wütend sind, sind die Soldatendes Kämpfens überdrüssig. [Tu Mu versteht diesen Satz anders: "Wenn alle Offiziere einer Armee sauerauf ihren General sind, bedeutet das, daß sie Müde sind vor Erschöpfung”  verschuldet durch die Strapazen,die er ihnen abverlangt hat.]

36. Wenn eine Armee mit Korn füttert, und ihre Vieh für Nahrung tötet, [Gewöhnlich werden die Män­ner mit Korn gefüttert,  und die Pferde hauptsächliche  mit Grass.]  und wenn die Männer ihre Topfenicht mehr über die Lagerfeuer halten, dadurch zeigen, daß sie nicht in ihre Zelte zurückkehren,daraus kann man schließen, daß sie um ihr Leben kämpfen müssen.  [Ich zitiere hier einen erhellenAbschnitt von HOU HAN SHU, Kapitel. 71, in verkürzter Form von P'EI WEN YUN FU: "Der RebelWang Kuo Liang belagerte die Stadt Ch'en­ts'ang. Huang­fu Sung, der das Oberkommando hatte,  undTung Cho wurden ausgesandt gegen ihn. Letzterer drängte auf schnelle Maßnahmen, aber Sung hörte nichtauf seinen Rat. Schließlich waren die Rebellen völlig erschöpft, und streckten, völlig erschöpft, ihre Waffennieder. Sung griff nicht an, aber Cho sagte: “ Es ist ein Prinzip im Krieg, verzweifelte Männer nicht zu ver­folgen, einen Feind bei seinem Rückzug nicht zu bedrängen.”  Sung antwortete: “Dieses  greift hier nicht.Ich greife eine erschöpfte Armee an, keinen Feind auf Rückzug; mit disziplinerten Truppen stoße ich aufeinen unorganisierten Haufen, nicht auf einen Trupp von verzweifelten Männern. Hierauf rückte er zumAngriff vor, ohne die Unterstützung seines Kollegen, und verfolgte den Feind, und Wang Kuo wurde er­schlagen.]

37. Männer, die sichtbar zusammen flüstern in kleinen Gruppen oder in gedämpften Ton reden, dieszeigt auf eine Unzufriedenheit bei Rang und Ordnung.

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38. Zu häufige Belohnungen zeugen davon, daß der Feind am Ende seiner Kräfte ist; [Weil, wenn eineArmee hart bedrängt ist, wie Tu Mu sagt, besteht immer die Gefahr einer Meuterei, und großzügige Beloh­nungen  halten  die  Männer  in  guter  Stimmung.]  zu viele  Bestrafungen  zeugen  von  einer   starkenBedrängnis [Weil in solchen Fällen die Disziplin nachlässt, und ungewöhnliche Härte notwendig ist, umdie Männer dazu zu bewegen, ihre Pflicht zu tun.]

39. Mit viel Lärm beginnen, und später sich über die Zahl der feindlichen Soldaten zu erschrecken,zeugt einen übermäßigen Mangel  an Intelligenz.  [Ich folge hier der Interpretation von Ts'ao Kung,auch vertreten von Li Ch'uan, Tu Mu und Chang Yu. Eine andere Meinung haben Tu Yu, Chia Lin, MeiTao­ch'en und Wang his, die lautet: “ Derjenige General, der zuerst tyrannisch zu seinen Männern ist, unddann diese terrorisiert, aus Furcht, daß sie Meutern, e.t.c.”  Dies könnte die beiden vorhergehenden Sätzeverbinden, vor denen mit Belohnungen und Bestrafungen.]

40. Wenn Botschafter  ausgesandt  werden mit  Grüßen auf  der  Zunge,  so signalisiert  dies,  daß derFeind einen Waffenstillstand wünscht.   [Tu Mu sagt: "Wenn der Feind freundschaftliche Beziehungenvorschlägt, indem er Betschafter schickt, ist dies ein Zeichen dafür, daß sie sich um einen Waffenstillstandbemühen, entweder weil ihre Kraft erschöpft ist, oder aus einem anderen Grund." Aber es benötigt kaumeines Sun Tzu, um solche Schlüsse zu ziehen.]

41. Wenn die feindlichen Truppen wütend auftreten und für längere Zeit den unseren nur gegenüber­stehen, ohne den Kampf zu eröffnen, oder sich wieder zurückzuziehen, so ist diese Situation eine,die größte Wachsamkeit  und Umsicht erfordert.  [Ts'ao Kung sagt, daß ein Manöver dieser  Art  istgewöhnlich eine List, um Zeit zu gewinnen, für einen unerwarteten Angriff der Flanke, oder um einen Hin­terhalt zu legen.]

42. Wenn unsere  Truppen  dem  Feind  zahlenmäßig  nicht  überlegen  sind,   ist  dies   reichlich  ausre­ichend; Es bedeutet nur,  daß man keinen direkten Angriff  ausführen kann.  [Wortwörtlich, "keinkriegerischer   Vorteil"   Das   soll   bedeutet,   daß  CHENG   Taktiken  und   Frontalangriffe   gemieden   werdenmüssen, und man sich auf Kriegslisten stattdessen besinnen muß.]

43. Was wir tun können, ist uns einfach auf unsere verfügbaren Stärken konzentrieren, den Feindgenau zu beobachten, und zu versuchen, Verstärkungen zu erreichen.  [Dies ist ein obskurer Satz,und  keiner  der  Kommentatoren   schaffte   es,   viel  Sinn  aus  diesem  herauszuquetschen.  Ich   folge  hier  LiCh'uan, der die einfachste Erklärung anbietet (siehe auch Ockhams Rasiermesser!): "Nur diejenige Seite,die mehr Männer hat, wird gewinnen." Glücklicherweise haben wir Chang Yu, der die Bedeutung dessenerklärt in einer Sprache, die die Klarheit selber ist: "Wenn die Zahl gleich ist, und sich keine vorteilhafteEröffnung   (der   Kämpfe)   offenbart,   obwohl   wir   nicht   stark   genug   sind,   einen   anhaltenden   Angriffauszuführen, so können wir doch zusätzliche Rekruten unter unseren Ausstattern und Camp­Folgekräftenfinden, um dann, uns auf unsere Kräfte konzentrierend, den Feind genau beobachtend, es so einzufädeln,damit  wir  den Sieg  zu erringen  können. Aber  – wir  müssen  es  unbedingt  vermeiden,   fremde  Soldatenauszuleihen, die uns helfen.”  Der zitiert hierzu Wei Liao Tzu, Kapitel 3: "Die nominelle Stärke käuflicherTruppen mag 100.000 sein, aber deren tatsächliche Stärke wird kaum halb so hoch sein.”]

44. Derjenige, der nicht vorausdenkt, und seine Gegner auf die leichte Schulter nimmt, kann sichersein,  von ihnen gefangen genommen zu werden.  [Ch'en Hao,   schreibt   im TSO CHUAN:  "Wennschon Bienen und Skorpione Gift tragen,, wie viel mehr dann ein feindlicher Staat! Sogar der kümmerlich­ste Feind darf nicht unterschätzt werden”]

45. Wenn Soldaten bestraft wurden, bevor sie dir zugeteilt werden, werden sie sich nicht als unter­würfig erweisen; und, wenn sie unterwürfig sind, sind sie praktisch nutzlos. Wenn dir Soldatenzugeteilt wurden, und diese nicht verschärft werden, werden diese wirkungslos sein.

46. Deswegen müssen Soldaten zunächst mit Menschlichkeit behandelt werden, aber unter Konteollesein, in dem Sinn von eiserner Disziplin. [Yen Tzu [B.C. 493] sagte von Ssu­Ma Jang­chu: "Mit seinen

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Bürgertugenden schmeichelte er sich bei dem Volk ein; seine kriegerische Tapferkeit hielt seine Feinde inEhrfurcht.”  Cf. Wu Tzu, ch. 4 init.: "Der ideale Befehlshaber vereinigt Kultur mit einem kriegsähnlichenGemüt; der Beruf der Waffenführung erfordert eine Kombination aus Härte und Einfühlungsvermögen"]Dies ist eine sichere Straße zum Sieg.

47. Falls   im Training  die  Befehle  ständig   forciert  werden,  wird  die  Armee  sehr  diszipliniert  sein;wenn nicht, wird ihre Disziplin schlecht sein.

48. Wenn ein General zeigt, daß er Vertrauen in seine Männer hat, aber jedesmal daran erinnert, daßseine Befehle befolgt werden müssen,  [Tu Mu sagt: "Ein General sollte in Friedenszeiten freundlicheZuversicht   in seine Männer  zeigen und auch dafür sorgen,  daß seine  Autorität respektiert  wird,  sodaßdann, wenn sie dem Feind gegenüber stehen, Befehle ausgeführt werden, und Disziplin aufrecht erhaltenwird, weil sie ihm alle vertrauen und zu ihm aufschauen." Was Sun Tzu gesagt hat in ss. 44, wie auch im­mer, könnte dazu führen, daß man eher dies hier vermutet: "Wenn ein General immer zuversichtlich ist,daß seine Befehle ausgeführt werden,”  etc."]  wird der der Gewinn beiderseitig sein.  [Chang Yu sagt:"Der  General  hat  Vertrauen in seine  Leute,  und die  Leute  sind fügsam, haben Vertrauen zu ihm.  DerGewinn wird beiderseitig sein.”  Er zitiert den bedeutungsvollen Satz von Wei Liao Tzu, ch. 4: "Die Kunst,Befehle zu geben, ist nicht zu versuchen, kleineren Pfusch richtigzustellen, und auch nicht durch unbedeu­tende Zweifel ins Wanken zu geraten." Unschlüssigkeit und Umständlichkeit sind die sichersten Mittel,das Vertrauen einer Armee zu verspielen..]

1. [1] "Aids to Scouting," p. 26.

11  Terrain

1. Manches Terrain ist leicht zugänglich, auf manchem Terrain wirst du aufgehalten, manches Ter­rain lässt keine Entscheidung zu und manches ist eng, manches ist steil und manches ist weit of­fen.

2. Wenn beide Seiten kommen und gehen können, wird das Terrain »leicht zugänglich« genannt. Istdas Gelände leicht zugänglich, nimm zuerst deine Position ein, wobei du die erhöhten und sonni­gen Stellen wählst, die sich als Nachschubwege eignen. Dann ist der Vorteil im Kamp f au f deinerSeite.

3. Wenn du das Gelände verlassen hast, aber nur unter Schwierigkeiten zurückkehren kannst, dannheißt es, du wirst aufgehalten. Auf dieser Art von Terrain wirst du siegen, wenn der Gegner un­vorbereitet ist und du vorrückst. Ist der Feind aber vorbereitet und rückst du vor, ohne zu siegen,dann wirst du nur schwer wieder zurückkehren können. Dann bringt es dir keinen Vorteil.

4. Wenn es für beide Seiten nicht von Vorteil ist vorzurücken, dann spricht man von einem Gelände,das keine Entscheidung zulässt. Auf einem solchen Terrain mag dir der Gegner einen Vorteil bi­eten, aber du nimmst ihn nicht an ­ du ziehst dich zurück, wodurch du den Gegner halb heraus­lockst, und greifst dann an, zu deinem Vorteil.

5. Enges Terrain solltest du, wenn du der erste bist, vollständig besetzen und den Gegner abwarten.Ist der Gegner zuerst da, folge ihm nicht, wenn er die Engstellen blockiert. Verfolge ihn, wenn ersie nicht besetzt.Auf steilem Terrain solltest du, wenn du der erste bist, die lichten Höhen besetzen und dort aufden Feind warten. Ist der Gegner als erster da, zieh dich von dort zurück und verfolge ihn nicht.

6. Auf weit offenem Terrain ist das Spiel der Kräfte ausgeglichen, und es ist schwierig, den Gegnerherauszufordern. Ein Kampf würde dir zum Nachteil gereichen.

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 Terrain

7. Diese sechs Arten von Terrain zu verstehen, darin liegt die höchste Verantwortung eines Generals,und es ist unabdingbar, sie genauestens zu prüfen.

8. Unter den Streitkräften gibt es solche, die fliehen, solche, die zögern, solche, die fallen, solche, diezugrunde gehen, solche,  die in Unordnung sind, und solche,  die geschlagen werden. Dies sindnicht etwa Naturkatastrophen, sondern Folgen von Fehlern der Generäle.

9. Jene  Truppen,  die  über  den  gleichen  Schwung  wie  der  Gegner  verfügen,  aber  eine zehnfacheÜbermacht angreifen, fliehen. Jene Truppen, deren Soldaten stark, aber deren Offiziere schwachsind,  zögern.   Jene,  deren Offiziere  stark,  aber deren Soldaten  schwach sind,   fallen.  "Wenn dieObersten   zornig   und   widerspenstig   sind   und   aus   Ärger   nach   eigenem   Gutdünken   kämpfen,sobald sie auf einen Gegner treffen, und die Generäle ihre Fähigkeiten nicht kennen, dann gehensie zugrunde.

10. Wenn die Generäle  schwach sind und es ihnen an Autorität  mangelt,  wenn ihre Anweisungennicht klar sind und es den Offizieren und Soldaten an Richtlinien fehlt, an die sie sich halten kön­nen, und wenn sie die Schlachtreihen nicht geordnet aufstellen, dann herrscht Unordnung, Wenndie  Generäle,   die   unfähig   sind,   den  Gegner   zu  beurteilen,   mit   einer   kleinen  Streitmacht  einegrößere angreifen oder mit schwachen Truppen viel stärkere angreifen und in ihren eigenen Trup­pen die Soldaten nicht nach ihrer Leistung auswählen, dann sind es Generäle, die geschlagen wer­den.

11. Dies sind die sechs Wege, die zur Niederlage fuhren. Sie zu verstehen, darin liegt die höchste Ver­antwortung der Generäle; sie müssen sorgfältig studiert werden.

12. Die Formen des Terrains stellen eine Hilfe für die Armee dar; die einem überlegenen Anführerangemessene Handlungsweise besteht darin, den Gegner zu analysieren, um den Sieg zu sichern,und Gefahren und Entfernungen richtig einzuschätzen. 

13. Jene, die sich in den Kampf begeben und dies wissen, werden gewinnen;  jene, die sich in denKampf begeben und dies nicht wissen, werden verlieren.

14. Weisen also die Gesetze des Krieges auf einen sicheren Sieg hin, dann ist es gewiss angemessenanzugreifen, selbst wenn die Regierung keinen Kampf will. Weisen die Gesetze des Krieges abernicht  auf  einen  sicheren  Sieg  hin,  dann  ist   es  angemessen,  nicht  anzugreifen,  auch  wenn  dieRegierung befiehlt, den Krieg zu eröffnen. 

15. So rückst du vor, ohne nach Ruhm zu schielen, so ziehst du dich zurück, ohne der Schande ausdem Weg zu gehen. Deine alleinige Absicht ist es, das Volk zu schützen, und daher handelst duauch zum Wohl der Regierung. So erweist du der Nation einen wertvollen Dienst.

16. Betrachte deine Soldaten wie Kinder, und sie werden dir in tiefe Täler folgen; behandle deine Sol­daten wie deine eigenen Nachkommen, und sie werden bereitwillig mit dir in den Tod gehen.

17. Daher bewegen sich jene, die erfahren sind in der Kunst des Krieges, ohne zu irren, und sie han­deln, ohne sich zu zermürben. 

18. Daher heißt es, dass der Sieg nicht in Gefahr ist, wenn du dich selbst und den anderen kennst;wenn du Himmel und Erde kennst, dann ist der Sieg vollkommen.

19. Bist  du ihnen gegenüber so großzügig,  dass du sie nicht mehr einsetzen kannst;  bist  du ihnengegenüber so gütig, dass du sie nicht mehr befehligen kannst; bist du ihnen gegenüber so inkonse­quent,  dass  du nicht  mehr  imstande bist,  Ordnung herzustellen,  dann sind sie wie verwöhnteKinder, nutzlos.

20. Wenn du weißt,  dass  deine  Soldaten  fähig  sind  anzugreifen,  aber  nicht  weißt,  ob  der  Gegnerunangreifbar ist, dann hast du nur den halben Weg zum Sieg zurückgelegt. 

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 Terrain

21. Wenn du weißt, dass der Gegner angreifbar ist, aber du nicht weißt, ob deine Soldaten unfähigsind, einen solchen Angriff durchzuführen, dann hast du nur den halben Weg zum Sieg zurück­gelegt. 

22. Wenn du weißt, dass der Gegner angreifbar ist, und du weißt, dass deine Soldaten fähig zum An­griff sind, aber wenn du nicht weißt, ob sich das Terrain für einen Kampf eignet, dann hast du nurden halben Weg zum Sieg zurückgelegt.

12  Neun Arten von Gelände

1. Gemäß den Regeln der Kriegskunst gibt es neun Arten von Gelände. Wo örtliche Interessen aufihrem eigenen Territorium miteinander im Wettstreit liegen, spricht man vom Gelände der Auflö­sung.

1. Wenn  du  des  anderen  Land  betrittst,   aber   nicht   tief   eindringst,   spricht  man  von   leichtemGelände.

2. Ein Gebiet, das für dich von Vorteil wäre, würdest du es erobern, und das für den Gegner vonVorteil wäre, würde er es erobern, heißt umkämpftes Gelände.

3. Ein Gelände, wo du und die anderen kommen und gehen können, wird verbindendes Geländegenannt.

4. Ein Gelände, das auf drei Seiten von Widersachern umgeben ist und das demjenigen, der es alserster  besetzt,  Zugang zum ganzen  Volk  auf  dem Kontinent  geben würde,  wird sich über­schneidendes Gelände genannt.

2. Wenn du tief in feindliches Gebiet eindringst, vorbei an Städten und Dörfern, spricht man vonschwerem Gelände.

3. Durchquerst  du Bergwälder,  tiefe  Schluchten,  Sümpfe öder andere Stellen,  wo es schwierig istvorwärtszukommen, dann handelt es sich um unwegsames Gelände.

4. Ist der Weg hinein schmal und der Weg hinaus verschlungen, so dass eine kleine gegnerische Stre­itmacht dich angreifen kann, obwohl deine Truppen in der Mehrzahl sind, dann handelt es sichum eingekreistes Gelände.

5. Wenn ein rascher Angriff das Überleben sichert und ein zögernder Angriff die Vernichtung be­deutet, dann spricht man von sterbendem Gelände.

6. Lass es daher auf einem Gelände der Auflösung nicht zu einem Kampf kommen. Auf leichtemGelände halte nicht inne. 

1. Auf umkämpftem Gelände greife nicht an. 

2. Auf verbindendem Gelände achte darauf, dass du nicht abgeschnitten wirst. 

3. Auf sich überschneidendem Gelände stelle Verbindungen her. 

4. Auf schwerem Gelände plündere, auf unwegsamem Gelände gehe weiter. 

5. Auf eingekreistem Gelände schmiede Pläne und auf sterbendem Gelände kämpfe.

7. Jene, die in alter Zeit als vortreffliche Krieger bekannt waren, wussten zu verhindern, dass Vorhutund Nachhut des Gegners einander erreichen und sich kleine und große Gruppen aufeinanderverlassen konnten. 

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 Neun Arten von Gelände

8. Sie wussten zu verhindern, dass sich die verschiedenen sozialen Klassen des Gegners gegenseitigum ihr Wohlergehen sorgen und die Vorgesetzten und Untergebenen einander unterstutzen kon­nten. 

9. Sie wussten zu verhindern, dass die Soldaten engagiert waren und Zusammenhalt innerhalb derArmee bestand. Sie traten in Aktion, wenn es für sie von Vorteil war, und hielten inne, wenn esdies nicht war.

10. Du magst dich fragen, wie du wohl mit gut organisierten Gegnern, die auf dich zukommen, fertigwirst? Die Antwort ist, dass du ihnen zuerst nimmst, was sie lieben. Dann werden sie auf dichhören.

11. Schnelligkeit   ist  die wesentliche Eigenschaft  einer  Streitmacht.  Nütze  es aus, wenn der anderedich nicht einholen kann; schlage Wege ein, die er nicht erwartet; greife an, wo er nicht auf derHut ist.

12. Im allgemeinen besteht das Prinzip einer Invasion darin, dass die Eindringlinge um so geeintersind. Je tiefer sie ins gegnerische Gebiet vordringen. Dann kann die sich verteidigende Führungsie nicht mehr bezwingen.

13. Sammle, was du auf fruchtbaren Feldern findest, und deine Armee wird genug zu essen haben.Sorge für deine Gesundheit und vermeide jede Überanstrengung, konzentriere deine Energie undgeh sparsam mit deinen Kräften um. Truppenbewegungen und Strategien musst du so ausführen,dass du unergründlich bist.

14. Führe sie in Stellungen, die keinen Ausweg offen lassen, und sie werden nicht fliehen, auch wennsie sterben müssen. Wenn sie dazu bestimmt sind, dort zu sterben, wozu wären sie dann nicht im­stande? Krieger entfalten ihre gesamte Kraft, 

15. Wenn sie sich in großer Gefahr befinden, dann kennen sie keine Furcht. Wenn sie keinen Ausweghaben, dann sind sie entschlossen; wenn sie tief in etwas verwickelt sind, dann lassen sie nichtdavon ab; wenn sie keine Wahl haben, dann kämpfen sie.

16. Daher sind die Soldaten wachsam, ohne dass du sie dazu ermahnen müsstest. Sie melden sichfreiwillig, ohne dass du sie einberufen müsstest; sie unterstützen dich, ohne dass du sie dazu auf­fordern musst; sie sind zuverlässig, ohne dass du Befehle erteilen müsstest.

17. Verbiete die Wahrsagerei, zerstreue die Zweifel, und die Soldaten werden dich nie verlassen. 

18. Wenn deine Soldaten nichts Überflüssiges besitzen, so heißt das nicht, dass sie materielle Güterverabscheuen. 

19. Wenn sie kein Leben mehr vor sich haben, dann heißt das nicht, dass sie nicht lange leben wollen. 

20. An dem Tag, an dem der Befehl zum Ausrücken ergeht, weinen die Soldaten.

21. Daher sollte eine geschickte militärische Operation einer schnellen Schlange gleichen, die mit demSchwanz zurückschlägt, wenn ihr jemand einen Schlag auf den Kopf versetzt, die mit dem Kopfzustößt,  wenn ihr  jemand einen Schlag auf  den Schwanz versetzt,  und die sich mit  Kopf undSchwanz wehrt, wenn jemand sie in der Mitte trifft.  Du magst fragen, oh eine Streitkraft dieserflinken Schlange gleichen kann? Die Antwort ist: Sie kann.

22. Selbst Menschen, die einander nicht mögen, werden einander helfen, wenn sie im gleichen Bootsitzen und in Schwierigkeiten geraten.Daher sind angebundene Pferde und eingegrabene Räder nicht verlässlich genug.

23. Verschiedene Stufen von Tapferkeit auszugleichen und zu vereinheitlichen, das ist das Tao derOrganisation. Erfolg im Harten und im Weichen liegt in der Struktur des Geländes begründet.

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 Neun Arten von Gelände

24. Daher gelingt es jenen, die in militärischen Operationen geschickt sind, die Zusammenarbeit ineiner  Gruppe  zu  fördern,  so  dass  sie  sie   lenken  können,  so  wie  sie  ein  einzelnes  Individuumlenken, dem keine andere Wahl bleibt.

25. Ein General handelt verschwiegen und geheim, fair und geordnet .

26. Er kann Augen und Ohren der Soldaten täuschen und sie uninformiert und unwissend lassen.

27. Er ändert seine Maßnahmen und revidiert seine Pläne, so dass die anderen im unklaren darüberbleiben. Er wechselt seinen Aufenthaltsort und geht verschlungene Wege, so dass die anderen ihmnicht zuvorkommen können.

28. Wenn sich ein Führer mit seinen Truppen ein Ziel setzt, ist es, als würde er irgendwo hinaufklet­tern und dann die Leiter umwerfen. 

29. Wenn ein Führer mit seinen Truppen tief in feindliches Gebiet vordringt, setzt er ihr Potential frei.Er lässt sie die Boote verbrennen und die Topfe zerstören; er treibt sie wie eine Schafherde hin undher, und keiner weiß, wohin sie marschieren.

30. Die Armeen sammeln und sie in eine gefährliche Situation bringen, das ist die Aufgabe der Gen­eräle. 

31. Die Anpassung an verschiedene Arten von Gelände, die Vorteile von Zusammenziehen und Aus­dehnen, die Muster der menschlichen Gefühle und Bedingungen ­ all dies muss untersucht wer­den.

32. Im allgemeinen verhält es sich mit den Angreifern so, dass sie sich einen, wenn sie sich tief auffeindlichem Gebiet befinden, aber dass sie nahe der Auflösung sind, wenn sie sich erst am Randedesselben befinden. 

1. Wenn du im Zuge einer militärischen Operation dein Land verlässt und die Grenze überschre­itest, handelt es sich um isoliertes Gelände. 

2. Wenn es von allen Seiten zugänglich ist, ist es verbindendes Gelände. Wenn du weit vorge­drungen bist, ist es schweres Gelände. 

3. Wenn du nicht weit vorgedrungen bist, handelt es sich um leichtes Gelände. 

4. Wenn du eine uneinnehmbare Festung im Rücken hast und vor dir Engstellen liegen,  dannhandelt es sich um eingekreistes Gelände. Wenn es keinen Ausweg gibt, dann ist es tödlichesGelände.

33. Deshalb wurde ich auf einem Gelände der Auflösung den Willen der Truppen einen. 

1. Auf leichtem Gelände würde ich sie untereinander in Verbindung stehen lassen. 

2. Auf umkämpftem Gelände würde ich sie schnell nachrücken lassen. 

3. Auf sich überschneidendem Gelände würde ich sorgfältig mit der Verteidigung umgehen. Aufverbindendem Gelände würde ich die Bündnisse festigen. 

4. Auf schwerem Gelände würde ich für ständigen Nachschub sorgen. 

5. Auf unwegsamem Gelände würde ich zum Vormarsch drängen. 

6. Auf eingekreistem Gelände würde ich Lücken schließen. 

7. Auf tödlichem Gelände würde ich ihnen zu verstehen geben, dass es kein Überleben gibt.

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 Neun Arten von Gelände

26. Im Wesen  der  Soldaten  liegt  es.  Widerstand zu  leisten,  wenn sie  umzingelt   sind,  zukämpfen,wenn es nicht vermieden werden kann, und zu gehorchen, wenn sie sich in Extremsituationenbefinden.

34. Daher können jene, die die Pläne ihres Widersachers nicht kennen, keine Bündnisse vorbereiten.Jene, die die Beschaffenheit des Terrains nicht kennen, können keine Truppenbewegungen durch­führen.  Jene, die  keine einheimischen Führer  einsetzen,  können die Vorteile  des Terrains nichtausnützen. 

35. Das Militär eines erfolgreichen Herrschers muss um alle diese Dinge wissen.

36. Wenn die Armee eines erfolgreichen Herrschers  ein großes Land angreift,  dann kann sich dasVolk  dort  nicht  zusammenschließen.  Wenn  seine  Macht  den  Gegner  überwältigt,  können  sichkeine Bündnisse bilden.

37. Wenn du also nirgends versuchst, um Bündnisse zu wetteifern, dann verstärke auch nirgends dieMacht,  sondern  dehne  nur deinen  persönlichen  Einfluss  aus,   indem du den Gegner  bedrohst.Dann sind die Städte und das Land angreifbar.

38. Teile Belohnungen aus, die nicht vorgesehen sind, gib Befehle aus, die nicht im Reglement enthal­ten sind.

39. Führe   das   gesamte   Heer,   als   würdest   du   eine   einzelne   Person   führen.   Beschäftige   sie   mitkonkreten   Aufgaben,   aber   sprich   mit   ihnen   nicht   darüber.   Motiviere   sie  durch   Vorteile,   abersprich mit ihnen nicht über die Nachteile.

40. Konfrontiere sie mit ihrer Vernichtung, und sie werden überleben; bring sie in eine tödliche Lage,und sie werden leben. Wenn Menschen in Gefahr geraten, dann sind sie fähig, um den Sieg zu rin­gen.

41. Daher besteht die Aufgabe bei einer militärischen Operation darin, vorzugeben, mit der Absichtdes Feindes übereinzustimmen. Wenn du dich gänzlich auf den Feind konzentrierst, kannst duseine militärische Führung töten, auch wenn sie tausend LI entfernt ist. Dies bedeutet, die Auf­gabe vortrefflich zu meistern.

42. An dem Tag also, an dem der Krieg erklärt wird, werden die Grenzen geschlossen, die Ausweis­papiere zerrissen und Abgesandte nicht durchgelassen.

43. Alle Angelegenheiten werden in den Hauptquartieren aufs genaueste beraten.

44. Wenn der Gegner sich eine Blöße gibt, solltest du unverzüglich vorrücken. Nimm den Ort ein, derdem Feind am wichtigsten ist, und komm ihm dabei heimlich zuvor. Halte die Disziplin aufrechtund passe dich dem Feind an, damit du den Ausgang des Krieges bestimmen kannst. Anfangsgleichst   du   einer   Jungfrau;   daher   öffnet   dir   der   Feind   sein   Tor;   dann   bist   du   flink   wie   einentsprungenes Kaninchen; daher kann der Feind dich nicht abwehren.

13  Angriff durch Feuer

1. Es gibt fünf Arten des Angriffs durch Feuer: Verbrennen von Menschen, Verbrennen von Nach­schub, Verbrennen von Ausrüstung, Verbrennen von Lagerhäusern und Verbrennen von Waffen.

2. Für   den   Einsatz   von   Feuer   müssen   gewisse   Voraussetzungen   gegeben   sein,   und   er   erfordertgewisse Werkzeuge. Es gibt einen angemessenen Zeitpunkt, um Feuer zu legen, nämlich wenndas Wetter trocken und windig ist.

3. Im   allgemeinen   ist   es   beim   Angriff   durch   Feuer   unumgänglich,   auf   die   Veränderungen   zureagieren, die durch das Feuer verursacht werden. Wenn das Feuer innerhalb eines feindlichen

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 Angriff durch Feuer

Lagers gelegt wird, dann reagiere schnell von draußen. Verhalten sich die Soldaten ruhig, wenndas Feuer ausbricht, warte ab ­ greif nicht an, Wenn das Feuer den Höhepunkt seines Wütens erre­icht, greif an, wenn möglich, sonst halte inne.

4. Wenn das Feuer im Freien gelegt werden kann, warte nicht, bis es im Inneren eines Lagers gelegtwerden kann. Lege es, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

5. Wenn das Feuer windwärts gelegt wird, greife nicht gegen den Wind an.

6. Wenn es während des Tages windig ist, wird der Wind sich in der Nacht legen.Armeen müssen es verstehen, diese fünf Arten des Angriffs durch Feuer flexibel einzusetzen undsich mit wissenschaftlicher Genauigkeit daran zu halten.

7. Daher bedeutet der Einsatz  von Feuer,  der einen Angriff  unterstützt,  Klarheit;  der Einsatz vonWasser,  der  einen Angriff  unterstützt,  bedeutet  Stärke.  Wasser  kann den Gegner abschneiden,aber nicht seine Ausrüstung vernichten.

8. Wer einen Kampf gewinnt oder eine Belagerung erfolgreich durchfuhrt, ohne die Verdienstvollenzu belohnen, verhält sich unglücklich und wird knausrig genannt. Deshalb heißt es, dass eine er­leuchtete Regierung dies in Betracht zieht und eine gute militärische Führung Verdienste belohnt.Sie machen nicht mobil, wenn sich daraus kein Vorteil ergibt, sie handeln nicht, wenn es nichts zugewinnen gibt, sie kämpfen nicht, wenn keine Gefahr droht.

9. Eine Regierung sollte die Armee nicht aus Zorn mobilmachen; militärische Führer sollten einenKrieg nicht aus Wut provozieren. Zorn kann sich in Freude kehren, Wut kann sich in Entzückenwandeln,  aber  eine  zerstörte  Nation kann nicht  wiederhergestellt  und die  Toten  können nichtwieder zum Leben erweckt werden. Daher geht eine erleuchtete Regierung sorgfältig damit um,und eine gute militärische Führung nimmt sich davor in acht. Dies ist der Weg, einer Nation denFrieden zu erhalten und die Unversehrtheit der bewaffneten Kräfte zu bewahren.

14  Über den Einsatz von Spionen

1. Eine größere militärische Operation ist eine schwere Belastung für die Nation und kann sich imKampf um den Sieg, der an einem einzigen Tag errungen wird, über Jahre hinziehen. 

2. Wenn man also die Bedingungen beim Gegner nicht kennt, weil man die Ausgaben für die Entloh­nung von Spionen scheut,   ist  dies  der  Gipfel  der Unmenschlichkeit  und zeichnet  weder einenwahren militärischen Führer  noch eine  Stütze der  Regierung oder einen siegreichen Herrscheraus. 

3. Was also eine kluge Regierung und eine weise militärische Führung dazu befähigt, andere zu be­siegen und außerordentliche Leistungen zu erbringen, ist ihr Vorherwissen.

4. Vorherwissen kann nicht Geistern und Dämonen entlockt werden; es kann nicht durch Analogienabgeleitet werden; es kann nicht durch Berechnungen ermittelt werden. Es muss von Menschenerworben werden, von Menschen, die die Bedingungen beim Gegner kennen.

5. Es gibt fünf Arten von Spionen: der ortsansässige Spion, der innere Spion, der Gegenspion, dertote Spion und der lebendige Spion. Wenn alle diese  fünf Arten von Spionen in Aktion treten,weiß niemand um ihre Wege ­ dies nennt man organisatorisches Genie, Es ist das kostbarste Guteines Herrschers. 

1. Ortsansässige Spione werden unter der Bevölkerung eines Ortes angeworben. 

2. Innere Spione werden unter den feindlichen Offizieren rekrutiert. 

3. Gegenspione werden unter den feindlichen Spionen angeworben. 

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 Über den Einsatz von Spionen

4. Tote Spione lassen den gegnerischen Spionen falsche Nachrichten zukommen. 

5. Lebendige Spione kehren zurück, um Bericht zu erstatten.

5. Daher wird niemand in den Streitkräften so vertraglich behandelt wie Spione, niemand wird re­icher belohnt als Spione, und nichts ist geheimer als die Arbeit der Spione.

6. Man kann Spione  nicht ohne Scharfsinn und Weisheit  einsetzen;  man kann Spione nicht  ohneMenschlichkeit und Gerechtigkeit führen; man kann die Wahrheit von Spionen nicht ohne Subtil­ität erfahren. Es ist tatsächlich eine sehr heikle Angelegenheit. Spione sind überall von Nutzen.

7. Wenn etwas, das eigentlich Gegenstand von Spionagetätigkeit ist, bekannt wird, noch bevor derSpion davon berichtet hat, müssen sowohl der Spion als auch derjenige, der darüber gesprochenhat, sterben.

8. Wann immer du einen Gegner angreifen, eine Stadt belagern oder einen Menschen töten willst,musst du zuerst die Identität ihrer verantwortlichen Generäle, ihrer Vertrauensleute, ihrer Besuch­er, ihrer Torhüter und ihrer Kammermeister kennen. Lass es deine Spione herausfinden.

9. Du musst  die   feindlichen  Spione  ausfindig  machen,  die  dich  überwacht  haben,  du musst   siebestechen und sie dazu bewegen, bei dir zu bleiben. So kannst du sie als Gegenspione einsetzen. 

10. Durch Nachrichten, die du so erhalten hast, kannst du ortsansässige Spione und innere Spione an­werben. 

11. Durch Nachrichten, die du so erhalten hast,  kannst du die falschen Informationen, die du demtoten Spion gibst, dem Feind zukommen lassen. 

12. Durch Nachrichten, die du so erhalten hast, kannst du den lebendigen Spion seine Arbeit wie ge­plant verrichten lassen.

13. Es ist wesentlich für einen Führer, um diese fünf Arten der Spionage zu wissen, und dieses Wis­sen hängt von den Gegenspionen ab, daher müssen Gegenspione gut behandelt werden.

14. Daher kann sich nur ein hervorragender Herrscher oder ein weiser General,  der die Intelligen­testen als Spione einsetzt, eines großen Erfolges sicher sein. 

15. Dies ist wesentlich für militärische Operationen, und darauf verlässt sich die Armee bei all ihrenBewegungen.