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Suizid bei Jugendlichen Fachtagung Psychosoziale Begleitung von Kindern und Jugendlichen Greifswald 14. September 2013 Ao. Univ.- Prof. Dr. Barbara Juen Institut für Psychologie Universität Innsbruck Österr. Rotes Kreuz

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Suizid bei Jugendlichen Fachtagung Psychosoziale Begleitung von Kindern und Jugendlichen

Greifswald 14. September 2013

Ao. Univ.- Prof. Dr. Barbara Juen Institut für Psychologie Universität Innsbruck Österr. Rotes Kreuz

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Themen

1. Besonderheiten der Suizidalität bei Jugendlichen

2. Reaktionen nach Suizid

3. Bedürfnisse von Jugendlichen

4. Empfohlener Umgang

5. Interventionen nach Suizid

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Besonderheiten der suizidalen Entwicklung im Jugendalter

1. Plötzlichkeit, aus einer akuten Krise heraus

2. Einweihung der Gleichaltrigen aber nicht der Erwachsenen

3. Häufigkeit von Suizidgedanken, Spielen mit Suizidgedanken

4. Erhöhte Nachahmungsneigung

5. Verschwimmende Grenze von Suizidalität und Risikoverhalten

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Plötzlichkeit

Im Jugendalter entwickelt sich der Suizid(versuch) oft aus einer akuten Krise heraus, ohne dass auf den ersten Blick eine Vorgeschichte erkennbar ist

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Gleichaltrige werden oft (wie sich allerdings meist erst im Nachhinein herausstellt) in die Suizidgedanken und Phantasien mit eingebunden

Eine einzige jugendliche Vertrauensperson, die zum Geheimnisträger wird und die zunehmend unter Druck gerät

Eine ganze Gruppe (Internet, face to face, ...): Spiel mit Suizidgedanken und -phantasien

Gleichaltrige

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Suizidgedanken sind im Jugendalter extrem häufig - sie allein stellen daher keinen ausreichenden Vorhersagefaktor dar!

◦ Art der Suizidgedanken, Konkretheit, Zwanghaftigkeit… ◦ Daneben: Vielfalt der Bewältigungsstrategien, Ressourcen

und deren Verfügbarkeit!!!! (siehe Zusatzmaterial am Ende der Präsentation)

Häufigkeit von Suizidgedanken

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Nachahmung

Besonders spektakuläre Suizide werden von Jugendlichen nachgeahmt (siehe Jugendegozentrismus) NachahmerInnen sind suizidale Jugendliche

Erkennen von Gefährdung Art der Aufarbeitung: Tabuisieren ebenso schlecht wie Schwelgen im Detail oder „Verherrlichen“ , Sprechen über Gefühle und über Entstehung und Erkennen von Suizidalität (siehe Zusatzmaterial am Schluss der Präsentation)

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Risikoverhalten im Jugendalter

Risikoverhalten beginnt im frühen Jugendalter anzusteigen, erreicht für die meisten Verhaltensweisen einen Höhepunkt mit etwa 17 bis 22 und sinkt dann ab.

Man nimmt an, dass Risikoverhaltensweisen im Jugendalter sozialisiert werden und sich in der Persönlichkeit stabil verankern.

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Positive Funktionen des Risikoverhaltens

Erleichtert Peer-group Integration Ermöglicht expressive Selbstdarstellung Ermöglicht Abgrenzung Ist Autonomiesymbol Ist Kontrapunkt zu Langeweile und Routine des Alltags Kompensiert Probleme und Ängste

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Besonderheiten Jugendlicher zusammengefasst

Jugendegozentrismus Imaginäres Publikum

(lustvolle Vorstellung von weinenden Eltern am Grab; Spiel mit Suizidgedanken)

Erlebte Einzigartigkeit (eigene Gefühlslage absolut gesetzt, Plötzlichkeit)

Persönliche Fabel (Neigung sich an Vorbildern zu orientieren; Nachahmung)

Bedeutung von Gleichaltrigen Orientierung an Gleichaltrigen notwendig für Ablösung (Schweigen

gegenüber Erwachsenen)

Neigung zu Risikoverhalten Muss im Jugendalter erlernt werden; Bestandteil von Ablösung und

Identitätsbildung (Suizidalität als Risikoverhalten)

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Dominante Reaktionen nach Suizid

Scham

Schweigen

Schuldgefühl

Schuldzuweisungen

Wut

Gedankenkreisen

Nachahmungstendenzen

Angst

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Scham

Scham: ist häufig eines der dominierenden Gefühle Es ist immer noch ein Stigma, wenn sich jemand das Leben genommen hat, bei Jugendlichen gilt das noch viel mehr

Fallbeispiel: Jugendliche: vorher im Spaß Suizid diskutiert LehrerInnen: Gefühl des Versagens, weil sie das Thema Tod im

Unterricht behandelt haben

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Stillschweigen

Scham reißt oft eine Kluft zwischen Familie/Gruppe und

Gemeinschaft oder auch innerhalb der Familie/Gruppe, wenn nicht alle in der Gruppe gleich genau Bescheid wissen dürfen über die Umstände des Suizids

Es ist wesentlich dass auch die übrige Gemeinschaft informiert wird auch wenn nicht jedes Detail öffentlich gemacht werden kann und muss

Stigmatisierung ist eine Tatsache. Es ist daher immer gut,

gemeinsam mit den Betroffenen zu überlegen was wie nach innen und außen kommuniziert werden sollte/betroffene Eltern einbinden!

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Stillschweigen

Oft wird über die eigentliche Todesart geschwiegen, ein Unfall wird zum Beispiel von allen als Todesart akzeptiert, wer dem widerspricht, zieht sich den Zorn der Gruppe zu

Problem: Erziehungsberechtigte entscheiden: Vater in Schule nach Suizid/Unfall eines 13 jährigen

Strategie: Formulierung: Offenlassen der Ursache: wurde erhängt aufgefunden

Strategie: worst case scenario besprechen und vorbereiten

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Schuldgefühle

„Was wäre, wenn…..“ (Kontrafaktisches Denken)

Fast jeder aus dem Umfeld des Suizidanten findet einen Punkt, an dem er/sie anders reagieren hätte können

Da die Gesellschaft oft einem in der Familie/Gruppe oder der ganzen Familie/Gruppe die Schuld zuschiebt, wird das Gefühl oft verstärkt

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Schuldgefühle

Sicheren Ausdruck ermöglichen Rituale Gemeinsames Arbeiten daran, dass man in Zukunft besser aufeinander schaut und das Thema ernster nimmt (siehe Prävention)

Fallbeispiel

Klasse: Auffindesituation und Internetkonversation vorher macht Schulgefühle (Regulierung: Notfallplan, erste Hilfe Kurs, Abschiedsritual, Thema bearbeiten)

Freundin: Schluss gemacht (Abschiedsritual)

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Schuldzuweisungen

Aus Schuldgefühlen heraus entstehen leicht Wut und gegenseitige Schuldzuweisungen (in dem Fallbeispiel Eltern; LehrerInnen, SchülerInnen) Verhindern gegenseitiger Schuldzuweisungen Einbinden aller Gruppen in gemeinsame Rituale sowie Stärkung der Gesamtgruppenkohärenz sind unerlässliche Weichenstellungen der Akutphase

Gemeinsame Rituale können die Gruppenkohäsion stärken, aber auch Rituale für jede Gruppe und Raum für jede Gruppe sind wesentlich

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Wut

Durch das endgültige Handeln des Suizidanten wurde einem jede Handlungsmöglichkeit genommen- man fühlt sich ohnmächtig Der Verstorbene hat dem Umfeld die Möglichkeit abgesprochen ihm zu helfen Der Suizid wird oft als Zurückweisung empfunden, der Suizidant kann sie wohl nicht genug geliebt haben, sonst hätte er sie nicht verlassen

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Wut

Sicheren Raum schaffen für adäquaten Ausdruck der Wut

Einzelinterventionen wo notwendig, Fachpersonen einbinden

Fallbeispiel: Freundin des Verstorbenen

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Nachahmung

Besonders gefährdet für Nachahmung sind andere gefährdete Jugendliche in der Klasse, an der Schule sowie an anderen Schulen-Prävention und Fachmaßnahmen!

Je spektakulärer der Suizid desto wahrscheinlicher die Nachahmung

Angehörige und Freunde (besonders Kinder und Geschwister von Suizidanten) fühlen sich vom Gedanken an den Suizid verfolgt- das kann bis zur Überzeugung führen, dass man selbst auch durch eigene Hand sterben wird (Filmbeispiel: im Winter ein Jahr)

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Angst

Die Eltern der Jugendlichen haben Angst um ihre Kinder und wollen genau wissen welche Anzeichen auf mögliche Suizidalität hindeuten könnten, sie bedrängen ihre Kinder zum Teil sehr und verstehen nicht dass diese mit ihnen nicht sprechen wollen, sie forschen nach und finden die Internetkonversation zum Suizid…

Die Jugendlichen selbst haben Angst dass so etwas wieder passieren könnte und wollen viel wissen zum Thema: wie kann man es erkennen und was kann man tun, wohin können sie sich wenden

…es ist ein Zeitfenster offen das man nutzen sollte für Beratung und Prävention!!!

Hier braucht es Fachliche Maßnahmen und Information!!!!

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Akute Bedürfnisse der Jugendlichen

Ein großes Bedürfnis ist Information, daher ist es wichtig offen und ehrlich auf ihre Fragen einzugehen

Zeitnahe Information, um Gerüchte entgegen zu arbeiten und um das Vertrauen der SchülerInnen nicht zu verlieren

Sprechen über den Suizid aber nicht in den Details des Suizids hängenbleiben. Immer mit Fokus: wie kann man helfen, an wen kann man sich wenden, wie können wir in Zukunft besser aufeinander schauen...

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Akute Bedürfnisse der Jugendlichen

Das große Bedürfnis der Kommunikation nach außen (Handy, social media)-Umgang und mögliche Folgewirkungen proaktiv besprechen! Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten, sowie Rückzugsmöglichkeiten sehr bedeutsam –Abstand, Aktiv sein, etwas tun können Bedürfnis nach körperlicher Aktivierung-sich bewegen Peerunterstützung: Gesprächsmöglichkeiten für Jugendliche untereinander zu schaffen, dies beinhaltet auch klassenübergreifende Freundschaftsunterstützungen-Betreuungsangebote außerhalb der Klassen werden meist im Schutz einer Kleingruppe (2-3 FreundInnen) und nur in den seltensten Fällen von einzelnen SchülerInnen wahrgenommen Starke Gruppenorientierung von Jugendlichen-Gruppeninterventionen

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Empfohlener Umgang mit Jugendlichen

Unterschiedlichkeit beachten! Herausforderung liegt darin, den oft stark unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Gefahr = vorgefertigten Betroffenheits- bzw. Bedürfniseinteilungen zu unterliegen Emotionalität nicht zu hoch werden lassen!Unterschiedliche Emotionen adäquat zu regulieren: was bedeutet Emotionen auszuhalten, sie zu stabilisieren und dabei vorsichtig zu sein die Emotionen nicht noch zu verstärken!

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Psychosoziale Interventionen

Bedarf nach psychosozialen Interventionen auf verschiedenen Ebenen

Direkt betroffenen Familie Die Schulleitung Lehrpersonal (betroffene Klasse und andere) Gesamtes Schulpersonal (Sekretariat, Schulwart,…) Die SchülerInnen (betroffene Klasse und andere) Eltern

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Einsatzkoordination und mögliche InterventionspartnerInnen

Einsätze nach Jugendsuizid sind immer komplex und erfordern eine gute Einsatzkoordination Schuleinsatz: Überorganisationales Leitungs- und Koordinationsteam/Lead liegt bei Schulleitung und schulinternem KI-team!!!! Einbindung von Fachkräften und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind dringend anzuraten Alle verfügbaren Ressourcen bündeln!

SchulleiterIn (schulinternes Krisenteam) Schulpsychologie (schulinternes Krisenteam) Krisenintervention Notfallseelsorge Psychiatrie und andere Einrichtungen für Kinder und Jugendliche ……

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Interventionsziele (Wirkfaktoren nach Hobfoll)

Sicherheit (Sicherer Ort, Vertrauensbasis, Vertraulichkeit) Verbundenheit (aller Gruppen aber auch der Untergruppen) Handlungsmöglichkeiten (aller Gruppen abhängig von Betroffenheit) Stressreduktion (Alltag, Abstand, Bewegung) Zukunftsorientierung (Planung nächster Schritte, Gemeinsamkeit betonen, Präventionsmaßnahmen)

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Interventionsprinzipien

1. Gutes Informationsmanagement (wer muss wann wie informiert werden-Schulleitungsaufgabe)

2. Kreise der Betroffenheit bilden 3. Gruppenmaßnahmen (Gesprächsmöglichkeiten

und Rituale) für alle Betroffenengruppen anbieten

4. Zusammenhalt der Gesamtgruppe beachten 5. Präventionsmaßnahmen einleiten und betroffene

Klasse/Gruppe nachbetreuen 6. Multidisziplinäre Zusammenarbeit

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Lessons learned

Direkt betroffene Klasse Mindestens zwei Betreuungspersonen am Beginn

Akutsituation: primär Informationsvermittlung, Regulierung von Emotionen (z.B. Eingehen auf Schuldgefühle, Normalisierung bei Bedarf…) und Strukturierung

Mittelfristig: „Information, erste Anerkennung fördern, Erinnern, Abschied nehmen, dem Leben wieder zuwenden und Ressourcenaktivierung“

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Lessons learned

Zeitnahe Anweisung zum Umgang mit dem Handy

Einen Zugang bei Jugendlichen zu finden kann oft eine große Herausforderung sein. Dabei zeigt sich aus der Erfahrung, dass der Informationsvorsprung in der Akutsituation hilft eine erste Vertrauensbasis mit den betroffenen Jugendlichen aufzubauen.

Es wird empfohlen „offene“ Gruppenarbeitsmethoden zu wählen, wo den SchülerInnen die Möglichkeit geboten wird, sich verschieden intensiv mit dem Ereignis auseinanderzusetzen.

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Lessons learned

Das Coaching der Schulleitung, des Lehrpersonals und auch der Eltern hat die Bestärkung der jeweiligen Kompetenzen dieser Personen zum Ziel. Es gilt der Grundsatz sich zurück zu halten und sich nicht aufzudrängen: „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ (externe Helferin). Externe HelferInnen müssen vorherrschende Hierarchien und Strukturen anerkennen und sich ihr anpassen. Bei Bedarf auch telefonische Beratung der Bezugspersonen sinnvoll (z.B. große räumliche Distanz)

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Lessons learned

An alle Berufsgruppen im System Schule denken (Sekretariat, Schulwart, Reinigungspersonal,…). Erkennen von Risikofaktoren, wie vorhergehende Verlusterfahrungen, Vorbelastungen oder auch Zeugenschaft. Eine gute und schnelle Zusammenarbeit ist der Grundpfeiler jeglicher psychosozialer Unterstützung: Hierfür wichtig sind Besprechungen, ein regelmäßiger Informationsaustausch des Teams. Ein regelmäßiger Informationsaustausch besonders auch zwischen dem Lehrpersonal der direkt betroffenen Klasse ist wichtig.

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Lessons learned

Eigene Betroffenheit von Schulleitung und Lehrpersonal: es ist wichtig die eigene Betroffenheit in Worte zu fassen bzw. ein Teil seiner Gefühle zu teilen ohne dabei aber völlig überwältigt zu sein. Lehrpersonen und Schulleitung wollen aktiv sein und in ihrer Rolle bleiben Zusammenarbeit bzw. Austausch zwischen Schule und für Jugendliche relevanten Institutionen (z.B. Jugendzentren) wird empfohlen. Zeitliche Begrenzung

Von Ritualen Von Ausnahmeregelegungen Von geplanten Sonderstunden …

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Lessons learned

Strukturiertes Vorgehen: Der Fokus liegt vorerst nicht auf der Betreuung, sondern auf der Strukturierung der Situation

Eine gute Koordination ist nicht nur in der Akutsituation, sondern auch in den ersten Tagen danach fundamental

Klare Rolleneinhaltung

Protokollierung der gesetzten Interventionen wird empfohlen

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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