sucht und migrationshintergrund im maßregelvollzug - lwl.org · pdf fileklinik für...

37
Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - Herausforderungen einer „Doppeldiagnose“ Herbert Steinböck & Wolfgang Krahl, 25.06.2015, 15:00 15:30 h „Was wirkt? Im Spannungsfeld zwischen Motivation und Verweigerung“ LWL-Klinik Herten / NRW Das Klinikum München-Ost ist zertifiziert nach DIN EN ISO 9001:2000 „Was wirkt?“ – LWL-Klinik Herten 25.06.2015 Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie kbo-Klinikum München-Ost

Upload: danghuong

Post on 06-Mar-2018

214 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Sucht und Migrationshintergrund im

Maßregelvollzug

- Herausforderungen einer „Doppeldiagnose“

Herbert Steinböck & Wolfgang Krahl, 25.06.2015, 15:00 – 15:30 h

„Was wirkt? Im Spannungsfeld zwischen Motivation und Verweigerung“

LWL-Klinik Herten / NRW

Das Klinikum München-Ost ist zertifiziert nach DIN EN ISO 9001:2000

„Was wirkt?“ – LWL-Klinik Herten

25.06.2015

Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie

kbo-Klinikum München-Ost

Page 2: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

Gliederung:

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im Maßregelvollzug

3. § 64 StGB und Migrationshintergrund

als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

2

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 3: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

1. Migrationshintergrund

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

3

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 4: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

4

Weshalb musste Sokrates sterben?

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 5: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

5

Kultur – das Eigene?

(Waldenfels 2006)

griech. Kosmos: All-Ordnung –

Jeder / Jedes hat eigenen Platz,

ist umgrenztes Seiendes,

hat Innnen / Außen;

All = ein Ganzes ohne Außen.

Deshalb musste Sokrates sterben:

als A-topos (Ortloser) stellt er die kosmische Ordnung (die

Polis) in Frage.

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 6: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

6

Also: Randfiguren innerhalb der Ordnung

stellen durch ihre Anomalität

die Normalität / die Ordnung in Frage.

Sokrates in den Straßen von Athen

(A. Castaigne)

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 7: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

7

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 8: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

8

Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus =

eine Praxisform, ein Diskurs, eine Vorstellung

zur Segregation bzw.

zur vorbeugenden Bewahrung des Gesellschaftskörpers

als „eigenes Selbst“ oder „Wir“

vor jeder „rassischen Vermischung“ oder vor jeder Überflutung;

artikuliert sich um die stigmatisierenden Merkmale des radikal

„Anderen“ herum (wie Name, Hautfarbe, religiöse Praxisformen).

Es geht demgemäß darum, Stimmungen und Gefühle durch

Stereotypisierung ihrer „Objekte“ wie auch ihrer „Subjekte“ zu

organisieren.

Hieraus entwickelt sich eine rassistische Gemeinschaft.

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 9: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

9

Weil der „moderne“ Rassismus heute gern

„Rasse“ durch „Kultur“ ersetzt (Balibar 1988/1990),

gerät die Rede über Kultur und Migrationshintergrund

leicht in Gefahr, sich rassistisch zu kontaminieren.

Besonders, wenn wir dies mit der Staatsmacht im

Rücken tun.

Die Rede vom Migrationshintergrund ist also stets

selbstkritisch zu reflektieren (das „Antlitz des Andern“ –

Lévinas 1987/2008).

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 10: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

10

Menschen mit Migrationshintergrund

(Def. gemäß Erhebung des Statistischen Bundesamtes Fachserie 1 Reihe 2.2):

nicht identisch mit Staatsangehörigkeit, sondern

„alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der BRD Zugewanderten,

sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und

alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem

zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“

„Ausländer“:

alle Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind,

d. h. nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 11: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

11

statt „Migrationshintergrund“ besser

„anderer kultureller Hintergrund“

(Krahl 2011)?

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 12: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

12

Ausländer-Anteil an der Bevölkerung der BRD

(Stichtag: 31.12.2014; Statist. Bundesamt 2015)

Gesamtbevölkerung BRD davon Ausländer %

80,9 Millionen 7,2 Millionen 8,95

(konstant seit

1995)

z. B.:

Bayern: 1.418.684 9,9 %

München: 382.995 23,5 %

NRW: 2.074.230 10,1 %

Düsseldorf: 135.421 17,4 %

Sachsen: 123.648 2,6 %

Leipzig: 33.058 5,7 %

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 13: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

13

Rechtliche Grundlage:

1990 – 2004: Ausländergesetz (AuslG vom 09.07.1990)

abgelöst durch

Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vom 30.07.2004, in Kraft seit 01.01.2005

Aufenthaltstitel werden erteilt als

1. Visum,

2. Aufenthaltserlaubnis (befristet) oder

3. Niederlassungserlaubnis (unbefristet), sowie

4. Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG.

Duldung = vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (§ 60a AufenthG),

aber: Ausreisepflicht bleibt hierbei bestehen!

-----> Reha-Problematik!

1. Migrationshintergrund

2. Sucht, Kriminalität u. Migration

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“

4. Schluss

Page 14: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

2. Migrationshintergrund

im Maßregelvollzug

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

14

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 15: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

15

Migrationshintergrund im Maßregelvollzug (MRV):

• 1980er Jahre:

Anteil ausländischer Untergebrachter im MRV nur ca. 4% - 5%; z. B.

Westfälisches Zentrum für Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn (Schumann 1987),

Zentrum für Psychiatrie Weissenau (Missenhardt 1990),

Hessen (Dessecker 1997).

• AK Psychiatrie u. Migration der Bundesdirekorenkonferenz (Koch et al. 2008):

Am Stichtag 21.01.2004 betrug der Ausländeranteil in der stat.

Allgemeinpsychiatrie 17,4 %, im Maßregelvollzug (§§ 63 u. 64 StGB) 27,2 %.

• Klaus Hoffmann (2006): 865 Untergebrachte des OLG-Bezirks Karlsruhe gemäß

§§ 126a, 453c StPO, §§ 63, 64 StGB, Aufnahme 1.1.1990 – 31.12.1999;

davon 54 Aussiedler (6,3 %), 148 Ausländer (17,1%).

Diagnosen bei ausländischen Untergebrachten: mehr Psychosen, weniger

Pers.störungen, Intelligenzminderung u. Alkoholabhängigkeit.

Delikte bei ausländ. Untergebr.: mehr Tötungsdelikte u. Körperverl.,

weniger Brandstiftungs-, Diebstahls-, Betrugs u. pädosexuelle Delikte

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 16: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

16

Bulla J. et al. (2013): Stichtagserhebung zu § 63 StGB in Baden-Württemberg:

2011: Bevölkerung Baden-Württembergs 26,2 % mit Migrationshintergrund;

Untergebrachte gemäß § 63 StGB 34,1 % mit Migrationshintergrund.

Baumann et al. (2013): Untersuchung zu Spätaussiedlern gemäß § 64 StGB:

Spätaussiedler weisen überdurchschnittl. hohe Raten für Drogendelinquenz auf;

Unterbringungsdauer ähnlich wie bei Einheimischen,

aber häufigere Erledigungen wegen Aussichtslosigkeit

(aber eher weniger Erledigungen als andere Ausländer-Gruppen).

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 17: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

17

Jahr § 64

N-Gesamt

AKH* %

2006 121 48 40

2008 128 48 36

2010 128 73 57

2011 132 61 46

2012 134 59 44

2013 133 56 42

2014 147 72 49

AKH = anderer kultureller Hintergrund (Migrationshintergrund)

(Krahl & Steinböck 2015, S. 155)

kbo-Klinikum München-Ost:

fast 50 % der

gemäß § 64 Untergebrachten

weisen einen AKH auf!

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 18: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

18

Kulturelle Kompetenz (Krahl 2011)

= soziale Kompetenz im kulturellen Kontext:

seitens des Therapeuten:

• Unvoreingenommenheit,

• Reflektion über die eigene kulturelle Identität,

• Reflektionsbereitschaft über das eigene kulturelle Denken, Fühlen und Handeln

• Neugier und Wissen über andere Kulturen,

• Sprach-Akzeptanz (zuhören, auch wenn Pat. nicht perfekt deutsch spricht)

• Achtsamkeit in Hinblick auf nonverbale Äußerungen,

• Arbeiten mit Übersetzern,

• Bereitschaft in multikulturellen Teams zu arbeiten,

• fachlicher Austausch mit Therapeuten aus anderen Kulturkreisen,

• Vermeidung von Stereotypien und entsprechenden kulturellen Schlagworten

(z. B. "Schamkultur" oder "Unterdrückung der Frauen im Islam"),

• Behandlung individueller Patienten, nicht ethnischer Gruppen!!!

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 19: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

19

Kulturelle Kompetenz (Krahl 2011)

= soziale Kompetenz im kulturellen Kontext:

seitens des Patienten:

• Bereitschaft mit Menschen des Aufnahmelandes in Kontakt zu treten,

• Akzeptanz der Aufnahmekultur,

• Bereitschaft die Sprache des Aufnahmelandes zu erlernen,

• Integrationsbereitschaft (nicht Assimilationsbereitschaft),

• Wissen über das Aufnahmeland und

• die Bereitschaft zu neuen Aktivitäten.

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 20: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

3. § 64 StGB und Migrationshintergrund

als „Doppeldiagnose“?

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

20

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 21: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

21

„Doppeldiagnosen“

verkomplizieren die Diagnostik und Behandlung

und erschweren eine günstige Prognose.

Sie erfordern die synchrone Auseinandersetzung

mit beiden Problembereichen.

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 22: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

22

Erschwernisse für Menschen mit AKH im Maßregelvollzug:

• kulturelle u. soziodemographische Besonderheiten:

größere Rolle der klassischen Familie

(Herkunftsfamilie, Partnerschaft in Ehe mit Kindern;

tradit. Rolle eines „Familienvorstands“);

religiöse Einbindung?

Tabuisierungen (Sexualität, Geld, Ehre)

individuelles / kollektives „Ich“?

Sprachprobleme

geringere schulische u. berufliche Qualifikation

höhere Arbeitslosenquote

höheres Risiko angezeigt zu werden

……

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 23: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

23

Erschwernisse für Menschen mit AKH im Maßregelvollzug:

• rechtliche Besonderheiten:

unklarer oder in Frage gestellter Aufenthaltsstatus:

§ 53 AufenthG: zwingende Ausweisung,

§ 54 AufenthG: Ausweisung im Regelfall,

§ 55 AufenthG: Ermessensausweisung.

falls Asylbewerber:

PTSD zwischen Invalidierung und Funktionalisierung?

Fehlen relevanter Informationen von 3. Seite;

falls illegal eingereist: keine Papiere

Beschaffung von Papieren oft nur an entfernter Botschaft möglich

(Lockerungsstatus? unterstützende Begleitung?

……

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 24: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

24

„Doppeldiagnose“ § 64 StGB & AKH – Beispiele:

• Auswirkung auf stat. Unterbringung

• Auswirkung auf Therapie-Ziel

• Auswirkung des § 456a StPO

• Auswirkung auf Nachsorge

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 25: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

25

„Doppeldiagnose“ § 64 StGB & AKH – Beispiele: • Auswirkung auf stat. Unterbringung:

AKH-Pat.: Lebensmittelpunkt BRD oder auf der Durchreise?

ggf. Einbindung in ethnisch definierte kriminelle Subgruppe

Sprachprobleme:

Sprachunkundigkeit Absehung von der Anordnung des § 64 StGB.

Deutschunterricht zur Erreichung von Therapie- u. Reha- (=

Integrations-) fähigkeit;

bei mangelhafter Anstrengungsbereitschaft oder nicht ausreichenden

Lernfortschritten Abbruch.

BGH-Erwartung an Therapie mittels Dolmetscher verfehlt die

Behandlungsrealitäten (Milieu, Gruppen!)

Lockerung trotz Abschiebung

(BVerfg 2012; Entweichungen von Ausländern nicht häufiger)

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 26: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

26

Sprachunkundigkeit:

BGH, Beschluss vom 15.03.2001 – 5 StR 591/00 (LG Berlin):

Der Senat hält es für nahe liegend, dass die von einer Unterbringung nach § 64 StGB

geforderte Annahme hinreichend konkreter Aussicht eines Behandlungserfolges

bereits an der Sprachunkundigkeit des Angeklagten scheitert.

BGH 3 StR 209/01 - Beschluß v. 20. Juni 2001 (LG Kleve)

… Zum einen genügen für die Verständigung zwischen Therapeut und Patient

regelmäßig sprachliche Grundkenntnisse (BGHSt 36, 199, 203).

BGH, Beschluss vom 18.12.2007 – 1 StR 411/07:

Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten bei der

Unterbringungsanordnung außer Betracht zu bleiben haben, wird dies in dieser

Allgemeinheit unter der Geltung des neuen Rechts nicht aufrecht zu erhalten

sein.

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 27: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

27

Ausweisungsbescheid:

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 28: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

28

Lockerung trotz Abschiebung BVerfg 2 BvR 2025/12, Beschluss vom 10.10.2012:

Es sei „darauf hinzuweisen, dass das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung

mit Art. 1 Abs. 1 GG den Staat verpflichtet, den Strafvollzug auf das Ziel

auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu

ermöglichen. Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es geboten, aktiv den

schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und

ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen. Hierfür kommt der

Möglichkeit, dem Gefangenen Lockerungen zu gewähren, besondere Bedeutung

zu. Diese dürfen einem Strafgefangenen nicht generell mit Blick auf eine

(noch) fehlende Entlassungsperspektive verwehrt werden. Dies gilt

grundsätzlich auch dann, wenn der Strafgefangene aus der Haft heraus

abgeschoben werden soll, weil das Resozialisierungsgebot nicht allein dem

(inner)staatlichen Interesse an einer künftigen Straffreiheit des Verurteilten dient,

sondern vor allem auch dessen Grundrechte schützt.“

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 29: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

29

„Doppeldiagnose“ § 64 StGB & AKH – Beispiele: • Auswirkung auf Therapie-Ziel:

Motivation: Abschiebungsvermeidung bei hinreichenden Therapiefortschritten

(Berichte der MRV-Klinik an KVR)

Dominanz des jurist. Streits um das Bleiberecht:

affektive Einengung darauf (ohne inneren Raum für Therapie) etc.;

Instrumentalisierung der / Fixierung auf die Pat.-Rolle, der PTSD-Rolle etc;

Schwierigkeit, sich auf Therapie hinreichend intensiv einzulassen, wenn unklar

bleibt, wann und wohin ggf. die Unterbringung beendet werden wird;

Vorwegvollzugsfrage bei vollziehbarer Ausreisepflicht:

Umkehr der Reihenfolge: Haft, dann Abschiebung? (§ 67 Abs. 2 Satz 4 StGB)

Überstellung in den Heimatstaat?

Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen v. 21.03.1983; für

BRD in Kraft seit 01.02.1992. Auf Gesuch des Pat., mit Stellungnahme an

Vollstreckungsbehörde.

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 30: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

30

„Doppeldiagnose“ § 64 StGB & AKH – Beispiele: • Auswirkung auf Therapie-Ziel:

§ 67 StGB - Reihenfolge der Vollstreckung (1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor

der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der

Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen

Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser

Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach

Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die

verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich

dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn

Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das

Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine

Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar

nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe

angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des

Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe

erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug

der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 31: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

31

Besondere kriminalpolitische wie ethische Problematik:

Ausweisung bei

Migrationshintergrund in der 2. Generation:

trotz hiesigen Geburtsorts,

fehlender Sprachkenntnisse des „Herkunftslandes“,

fehlenden sozialen Netzwerks dort

= äußerst ungünstiger sozialer Empfangsraum!

(deletär bei HIV in Entwicklungsländern;

Risiko-Export; (dessen „Hybridisierung“ als Touristen-Gefährdung?)

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 32: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

32

„Doppeldiagnose“ § 64 StGB & AKH – Beispiele: • Auswirkung des § 456a StPO:

§ 456a

[Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder

Ausweisung] (1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer

Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte

wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen

Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes

ausgewiesen wird.

(2) Kehrt der Ausgelieferte, der Überstellte oder der Ausgewiesene zurück, so kann die Vollstreckung

nachgeholt werden. Für die Nachholung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt § 67c Abs. 2

des Strafgesetzbuches entsprechend. Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von

der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen, dass der Ausgelieferte, Überstellte oder

Ausgewiesene zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen sowie

die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme, veranlassen;

§ 131 Abs. 4 sowie § 131a Abs. 3 gelten entsprechend. Der Verurteilte ist zu belehren.

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 33: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

33

„Doppeldiagnose“ § 64 StGB & AKH – Beispiele: • Auswirkung des § 456a StPO:

„Strafbedürfnis“ des deutschen Staates als Argument für

Fortsetzung des MRV?

Vorbereitung des sozialen Empfangsraums

außerhalb der Grenzen der BRD?

(Informationsdefizit über Versorgungsstrukturen,

eingeschränkte Überprüfbarkeit schriftlicher Nachsorge-Zusagen)

Komplikationen

(„Karenzzeit“ vom Pat. falsch berechnet – zu früh zurück –

erneut in § 64)

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 34: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

34

„Doppeldiagnose“ § 64 StGB & AKH – Beispiele: • während der Nachsorge

Auslandsaufenthalt während der Führungsaufsicht:

Bewährung in Spanien - Antrag des Pat. in der

Nachsorge, vorübergehend das Bundesgebiet

verlassen zu dürfen (Urlaub, Verwandtenbesuch,

Arbeit, Wohnen).

Achtung: auch positive Auswirkungen eines AKH z. B.:

in Krisen größerer Rückhalt in der Großfamilie!!!

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 35: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

4. Schluss

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

35

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 36: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

36

Fazit:

1. „Migrationshintergrund“ = in unserer Gesellschaft normal geworden.

2. „Migrationshintergrund“ = für MRV ebenfalls „normal“ und zugleich

hoch relevant (fast 50 % der § 64-Pat.!

aber auch hoher Migrat.-Anteil unter MitarbeiterInnen!)

3. kann sich verkomplizierend auswirken (Sprache, subkulturelle Einbindungen,

Konfundierung von Therapiemotivation mit anderen Zielen, kulturelle

Bedeutungsbesetzungen von Begriffen, Klärung des sozialen Empfangsraums,

Abschiebungsdrohung, § 456a StPO, Ausreisewunsch während der

Führungsaufsicht etc)

4. Aber: „Doppeldiagnose“ = hier lediglich plakative Metapher.

5. Kultursensibilität heißt nie Gleichsetzung des Betroffenen mit seiner „Ethnie“

oder „Kultur“.

6. Statt Stereotypisierung gilt also auch hier der Fokus auf das Individuum, dessen

Gesellschaftlichkeit (und in diesem Sinne auch Kultureingebundenheit) stets

mitzudenken ist.

7. Eine solche Haltung entspricht einer humanen forensischen Psychiatrie ebenso,

wie sie unvereinbar ist mit jeder Form von (auch „Kultur“-)Rassismus.

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss

Page 37: Sucht und Migrationshintergrund im Maßregelvollzug - lwl.org · PDF fileKlinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 8 Etienne Balibar (1988/1990): Rassismus = eine Praxisform,

Klinik für Forensische

Psychiatrie und Psychotherapie

vielen Dank!

[email protected]

37

1. Migrationshintergrund

2. Migrationshintergrund im MRV

3. § 64 u. Migration als „Doppeldiagnose“?

4. Schluss