studie "schulen und arbeitsmarkt"

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Schulen und Arbeitsmarkt Kooperationsbeispiele und Handlungsmöglichkeiten für Kommunen Bearbeiterinnen: Dr. Ulrike Baumheier Dipl.-Päd. Claudia Fortmann Bremen, Januar 2011

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Bildung, Schule, Arbeitsmarkt, EU, DC Noise, IAW, Übergangsmanagement

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Page 1: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

Schulen und Arbeitsmarkt

Kooperationsbeispiele und

Handlungsmöglichkeiten für Kommunen

Bearbeiterinnen:

Dr. Ulrike Baumheier

Dipl.-Päd. Claudia Fortmann

Bremen, Januar 2011

Page 2: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

Impressum:

Bearbeitung: Dr. Ulrike Baumheier Claudia Fortmann Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen

Herausgeber: Kommunalverbund Niedersachsen-Bremen e.V.

Freie Hansestadt Bremen Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa

Förderung durch: Metropolregion Bremen–Oldenburg im Nordwesten e.V.

Interreg IVB North Sea Region project DC: NOISE (Demografic Change: New Opportunities in Shrinking Europe)

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Page 3: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

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Inhaltsverzeichnis

Bildnachweis................................................................................................................. 4

I Einführung: Demografischer Wandel, Arbeitsmarkt und Bildung ................... 5

II Fallstudien: Kooperationsprojekte von Schulen, Unternehmen und sozialen Organisationen ..................................................................................................... 9

A Kooperationsprojekte an allgemeinbildenden Schulen ........................................ 10

1. Betriebskurse und Betrieb des Monats (Stuhr).............................................. 10

2. Berufsvorbereitende Kooperation der Ganztagsschule 2001 mit Betrieben und der berufsbildenden Schule (Syke) ........................................................ 13

3. Bildungserfolg durch Gestaltung von Vielfalt – Lernwerkstatt Übergang Schule-Beruf und Patenprojekt (Achim) ........................................................ 16

4. Palast der Vorstadt und weitere Bildungsprojekte (Bremen-Gröpelingen) ... 19

5. TheoPrax (Grasberg)...................................................................................... 22

6. Qualitätssiegel „Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung“ (Bremen)....... 25

7. Zukunftswerkstatt Ausbildungsplatzinitiative (Delmenhorst, Ganderkesee, Hude, Dötlingen, Landkreis Oldenburg) ........................................................ 29

B Kooperationsprojekte an Berufsschulen und im Übergangssystem...................... 32

1. Ausbildung – Bleib dran! (Bremen) ................................................................ 32

2. Kreativwoche an der Allgemeinen Berufsschule (Bremen-Walle)................. 36

3. Verbundausbildung „Außenbahn“ (Bremen) .................................................. 40

III Schlussfolgerungen und Empfehlungen.......................................................... 44

A Verbesserung von Berufsorientierung durch Kooperationsprojekte – Handlungsfelder, Erfolgsbedingungen und Grenzen............................................ 44

1. Erleichterung von Übergängen ...................................................................... 44

2. Förderung sozialer Kompetenzen .................................................................. 45

B Handlungsmöglichkeiten für Kommune und Region............................................. 46

1. Nachhaltigkeit von Kooperationsprojekten fördern……………………………47

2. Zur Qualitätsentwicklung beitragen……………………………………………..48

3. Übergangsgeschehen transparenter machen…………………………………48

Literatur ....................................................................................................................... 50

Links ............................................................................................................................ 51

Page 4: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

Bildnachweis

Seite Foto Quelle

10 Jugendliche im Einsatz bei einem Fahrzeugbauunternehmen und mit ihren Abschlusszertifikaten

Ulrich Weihe

16 Achimer Jugendliche mit ihren Bildungspaten

Bedia Akbas

19 Präsentation der von den Jugendlichen erstellen Exponate in einem Zirkuszelt und Szene aus der Eröffnungsveranstaltung

Kultur vor Ort e.V.

22 Titelblatt der Studie und Mitglieder der TheoPrax-Projektgruppe

Internetpräsenz der Gemeinde Grasberg: http://www.grasberg.de/default.cfm?mid=29272

25 Siegelfeier Rezertifizierung 2010 und Logo Berufswahlsiegel

Landesinstitut für Schule Bremen http://www.lis.bremen.de/qualitaetssiegel

(Foto: M. Bahlo)

29 Zwaig-Ausbildungsplatzbörse und Bewerbungstraining in einem Unternehmen

Zwaig e.V.

36 Abschlussveranstaltung der Kreativwoche und Werkstattarbeit

Allgemeine Berufsschule Bremen

40 Jugendliche im Einsatzunternehmen Zentrum für Schule und Beruf

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Page 5: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

I Einführung: Demografischer Wandel, Arbeitsmarkt und Bildung

Als Folge des demografischen Wandels wird in den kommenden Jahren bundesweit das Durchschnittsalter der Arbeitskräfte ansteigen und die Zahl der jüngeren Beschäf-tigten deutlich zurückgehen. Im gleichen Zeitraum wird die Nachfrage nach gut qualifi-zierten Personen aus dem Dienstleistungssektor, der Technologie und der Produktion durch den wirtschaftlichen Wandel hin zu einem eher wissensbasierten Arbeitsmarkt weiter steigen. Als Folge werden Unternehmen, Kommunen und Regionen verstärkt um junge, gut qualifizierte Arbeitskräfte konkurrieren.

In der Region Bremen wird es zwar bis 2030 keinen dramatischen Rückgang der Gesamtbevölkerung geben, die Zahl der 25 bis 50jährigen wird aber im Vergleich zum Basisjahr 2008 um 19,3% zurückgehen, die Zahl der 18 bis 25jährigen um 21,6% (Demografie-Monitoring Kommunalverbund). Zwar sind von diesem Rückgang, wie der Demografiebericht des Kommunalverbunds zeigt, die einzelnen Mitgliedskommunen unterschiedlich stark betroffen, angesichts der regionalen Verflechtungen wird die Entwicklung aber auch für die weniger stark betroffenen Gebiete zu Ungleichgewichten auf dem lokalen Arbeitsmarkt führen (Kommunalverbund 2010).

Einer der wichtigsten Ansätze zum Umgang mit diesen Herausforderungen ist die Ver-besserung der regionalen Bildungssysteme. Angesichts des Rückgangs des Erwerbs-personenpotenzials erscheint es dringend notwendig, das interne Potenzial an jungen Menschen stärker als bisher auszuschöpfen und insbesondere die Bildungs- und Be-schäftigungschancen für bislang eher benachteiligte Gruppen zu verbessern.

Es gibt heute im Kommunalverbundsgebiet wie in anderen Teilen Deutschlands einen hohen Anteil von Jugendlichen, die nicht genügend Qualifikationen erwerben, um er-folgversprechend in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können:

Bundesweit haben 2008 7,5% der 17 bis 25 jährigen die Schule verlassen, ohne min-destens den Hauptschulabschluss erreicht zu haben (Autorengruppe Bildungsbericht-erstattung 2010, S. 90). Diese Jugendlichen haben sehr geringe Chancen, Zugang zu betrieblicher Ausbildung und langfristiger beruflicher Tätigkeit zu finden.

Selbst mit einem Schulabschluss wird dieser Zugang aber immer schwieriger: Ein Drit-tel aller Jugendlichen, die nach der Schule ins Berufsbildungssystem wechseln, und sogar die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen von Hauptschulen beginnt nicht mit einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung, sondern mit berufsvorbereitenden Maßnahmen im Übergangssystem: Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr oder andere Maßnahmen. Dieses Übergangssystem stellt neben dem dualen Ausbildungs- und Schulberufssystem die dritte Säule des deutschen Berufsbildungs-systems dar. Es wurde ursprünglich eingerichtet zur Aufnahme benachteiligter Jugend-licher, die aufgrund von persönlichen Handicaps – z.B. Behinderung, sprachlichen Problemen – noch Weiterqualifizierungsbedarf haben. Es wird aber inzwischen zunehmend auch von Jugendlichen genutzt, die zwar eigentlich eine betriebliche Aus-bildung anstreben, jedoch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Wie eine aktuelle Studie der Bertelsmannstiftung zeigt, sind davon zunehmend nicht nur Schülerinnen und Schüler von Haupt- und Förderschulen, sondern auch von Realschulen betroffen (Funcke/ Oberschachtsiek/Giesecke 2010).

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Oft ist das Übergangssystem für Jugendliche nur eine Warteschleife: Nur gut 10% er-werben einen höherwertigen Schulabschluss. Nicht einmal die Hälfte der Absolventen und Absolventinnen findet im Anschluss Zugang zu Arbeit oder Ausbildung. Die übrigen verbleiben entweder im Übergangssystem oder werden arbeitslos (Baethge/ Solga/Wieth 2007).

Haben Jugendliche einen Ausbildungsplatz gefunden, ist das schließlich noch keine Garantie dass sie die Ausbildung auch erfolgreich abschließen. Bundesweit wurden 2008 21,8% der Ausbildungsverträge vorzeitig beendet; die Zahlen für Bremen und Niedersachsen liegen dabei nur geringfügig unter dem Bundesdurchschnitt (Bundes-ministerium für Bildung und Forschung 2010, S. 177). Zwar dürfen diese Zahlen nicht mit einem Ausbildungsabbruch gleichgesetzt werden, da etwa die Hälfte der Betroffe-nen ihre Ausbildung an anderer Stelle fortsetzt. Dennoch sind Vertragslösungen für beide Seiten mit Unsicherheiten, einem Verlust von Zeit, Energie und anderen Ressourcen verbunden.

Welche Gruppen sind von diesen Problemen besonders betroffen? Die strukturelle Selektivität des deutschen Schulsystems bindet den Schulerfolg stark an die soziale Herkunft. Die frühe Entscheidung für eine weiterführende Schulform bereits nach der Grundschule berücksichtigt die individuelle Entwicklungsgeschwindigkeit der Kinder nicht und stellt so schon sehr früh die Weichen für den weiteren Bildungsverlauf, den Schulabschluss und das Berufsbild. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind in Deutschland von diesem Effekt besonders betroffen (OECD 2006). So ist es nicht ver-wunderlich, dass diese fast doppelt so häufig ins Übergangssystem wechseln wie andere Jugendliche (Beicht/Ulrich 2008).

Quellen: Instant Atlas Metropolregion (Schulabbrecher), Autorengruppe Bildungsgruppe 2008, S. 98 (Übergangssystem), Berufsbildungsbericht 2010 (Ausbildungsabbrecher); eigene Darstellung

Bund: 21,5% (2008) Land Bremen: 22,6% Große Zahl von

Ausbildungsabbrechern

Land Bremen: 31,5% (2006)

Hoher Anteil von Jugendlichen im

Übergangssystem

Bund: 7 % (2008) Stadt Bremen 6,2% Stadt Delmenhorst 8%

Hoher Anteil von Schulabbrechern

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Page 7: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

Erleichterung des Übergangs durch Verbesserung von Berufsorientierung

Um hier Verbesserungen zu erzielen, sind zum einen interne Reformen des Schul-systems (z.B. Veränderungen von pädagogischen Konzepten und organisatorischen Rahmenbedingungen zur besseren individuellen Förderung) und des Ausbildungs-systems notwendig. Die Bewältigung der geschilderten Probleme schaffen die Schulen aber nicht alleine: Eine steigende Zahl von Kindern und jungen Erwachsenen lebt in Gebieten, die durch Armut, Dauerarbeitslosigkeit und geringe Bildungschancen ge-kennzeichnet sind. Diese Situation überfordert Familien und Schulen und hindert sie daran, die Entwicklung starker, gut ausgebildeter und sozial kompetenter Persönlich-keiten zu fördern – sie brauchen Zusammenarbeit mit und Unterstützung von Jugend-hilfe, Gesundheitsdiensten, Kultureinrichtungen und auch von der Wirtschaft.

Kooperationsprojekte von Schulen, Unternehmen und sozialen Organisationen bieten die Chance, die Berufsorientierung zu verbessern und jungen Menschen den Über-gang von der Schule in Ausbildung und Beruf zu erleichtern. Unter Berufsorientierung werden hier nicht nur Hilfestellungen beim unmittelbaren Übergang verstanden, sondern auch Unterstützung dabei, sich eigener Stärken und Schwächen bewusst zu werden, eigene Perspektiven zu entwickeln und diese konsequent zu verfolgen.

Viele berufsrelevante Kompetenzen können nur situationsabhängig erworben, weiter-entwickelt und unter Beweis gestellt werden – der Öffnung der Schule zur Arbeitswelt und zum praktischen Lernen kommt deshalb eine Schlüsselrolle zu. So kann die Zu-sammenarbeit von Schulen, Unternehmen und sozialen Organisationen dazu bei-tragen, das Potential von jungen Menschen in der Region besser auszuschöpfen, die z.B. aufgrund ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft Probleme bei der Integration in den Arbeitsmarkt haben.

Die Begleitforschung zum Bundesprogramm „Schule-Wirtschaft-Arbeitsleben“ hat ge-zeigt, dass die enge Verknüpfung von schulischen Lernangeboten und Praxiserfahrun-gen Motivation und Engagement fördern. Nachgewiesen werden konnten positive Wir-kungen auf Sozialverhalten, Leistung und Übergangsquoten der beteiligten Jugend-lichen (Bastian u.a. 2007). Bei Praktika oder Projekten in Unternehmen profitieren die Schülerinnen und Schüler etwa von einer „Lernwelt, die in vielen Dingen anders ist als das gewohnte schulische Umfeld, in der ökonomische Fragestellungen, die Fertigung von Produkten sowie Teamarbeit eine Rolle spielen und in der sie direkte Rückmel-dung auf ihr eigenes Handeln erhalten.“ (Horst 2008: 211)

Studie zu Kooperationsprojekten von Schulen, Unternehmen und sozialen Organisatio-nen

Vor diesem Hintergrund hat das Institut Arbeit und Wirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen e.V. ausgewählte Kooperationspro-jekte von Schulen und Unternehmen oder sozialen Organisationen untersucht, die zur Förderung sozialer Kompetenzen und zur Erleichterung des Übergangs in Ausbildung und Beruf beitragen. Dabei lag der Schwerpunkt auf Angeboten für Jugendliche, die einen Arbeitsplatz auf niedrigem bis mittlerem Qualifikationsniveau anstreben und die z.B. aufgrund ihrer sozialen Herkunft und ihres Migrationshintergrunds Probleme beim Einstieg in den Arbeitsmarkt haben. Ziel war es, Erfolgsbedingungen zu identifizieren, und daraus Handlungsempfehlungen für kommunale und regionale Entscheidungs-träger abzuleiten.

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Im Mittelpunkt standen dabei folgende Fragestellungen:

• Wie können auch benachteiligte Jugendlichen erreicht werden?

• Wie kann die Kooperation von Schulen, Unternehmen und weiteren Institutio-nen (Agentur für Arbeit, soziale Einrichtungen, Kultureinrichtungen) so organi-siert und koordiniert werden, dass alle Beteiligten davon profitieren?

• Welche Rahmenbedingungen sind für eine erfolgreiche Zusammenarbeit not-wendig, wo gibt es Stolpersteine?

• Wie kann die Nachhaltigkeit von Kooperationsprojekten gesichert werden?

• Wie kann der Transfer guter Erfahrungen in der Region gefördert werden?

Zur Bearbeitung dieser Fragestellungen wurden zehn Fallstudien zu innovativen Kooperationsprojekten durchgeführt. Für jede Fallstudie wurden Expertengespräche mit Vertretern und Vertreterinnen der beteiligten Schulen und ihren Partnern geführt und Internetpräsentationen und Literatur zum Projekt ausgewertet.

Da in den Mitgliedskommunen des Kommunalverbunds eine Vielzahl von Berufs-orientierungsprojekten unterschiedlicher Träger durchgeführt wird, hätte eine um-fassende Bestandsaufnahme den Rahmen der Studie gesprengt. Die Auswahl der Fall-studien erfolgte deshalb auf der Grundlage von Vorschlägen aus den Kommunen und Landkreisen sowie von regionalen Expertinnen und Experten. Die Projekte sollten durch Kommune oder Landkreis unterstützt oder koordiniert werden bzw. in kommu-nale oder regionale Netzwerke eingebunden sein und auf andere Schulstandorte oder Kommunen übertragbar sein. Um Aussagen über Projektergebnisse machen zu können, wurden nur Projekte ausgewählt, bei denen Erfahrungen aus mindestens zweijähriger Laufzeit vorliegen. Die Projektauswahl orientierte sich außerdem daran, dass der Leitfaden den Kommunen möglichst vielfältige Anregungen zur Bearbeitung des Themas Berufsorientierung und Übergänge geben soll. Zu diesem Zweck wurden unter anderem Fallbeispiele aus unterschiedlich großen Kommunen und unterschied-lichen Schularten einbezogen. Wenn Projekte mit vergleichbarem inhaltlichen Ansatz aus verschiedenen Teilen des Kommunalverbunds bzw. an verschiedenen Schulstand-orten vorgeschlagen wurden, wird eines der Projekte exemplarisch beschrieben und bei den übrigen lediglich auf Ansprechpersonen und weiterführende Informationen verwiesen.

Erste Ergebnisse der Fallstudien wurden beim Regionalgespräch „Bildung und Arbeits-markt“ am 8.9.2010 sowie in einem Themenworkshop am 2.11.10 in Bremen mit Fach-leuten aus Schule, Wirtschaft, Kommunen sowie Multiplikatoren aus Wissenschaft und Praxis diskutiert. Die Ergebnisse dieser Veranstaltungen sind in den Leitfaden einge-flossen.

Im Folgenden werden zunächst die Beispiele guter Praxis vorgestellt. Dabei steht neben den Aktivitäten, der Kooperationsstruktur und den Ergebnissen die Frage nach Erfolgsbedingungen und Stolpersteinen im Vordergrund. Aus der vergleichenden Analyse der Fallstudien und den Diskussionsergebnissen beim Workshop werden abschließend Handlungsmöglichkeiten für Kommunen und Region aufgezeigt. Die Darstellung der Einzelbeispiele dient aber auch als Anregung für Schulakteure und andere Einrichtungen und Unternehmen, die ein Kooperationsvorhaben in Erwägung ziehen.

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II Fallstudien: Kooperationsprojekte von Schulen, Unterneh-men und sozialen Organisationen

Übersicht über die Fallstudienprojekte

Bildungserfolg durch Gestaltung von Vielfalt

TheoPrax

Betrieb des Monats undBetriebskurse

Zukunftswerkstatt Ausbildungsplatz-initiative(ZWAIG)

Berufsvorbereitende Kooperation der GTS 2001 mit Betrieben und derberufsbildenden Schule

- Qualitätssiegel Berufsorientierung- Palast der Vorstadt- Verbundausbildung – „Außenbahn“- Ausbildung – Bleib dran!- Kreativwoche

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A Kooperationsprojekte an allgemeinbildenden Schulen

1. Betriebskurse und Betrieb des Monats (Stuhr)

Jugendliche im Einsatz bei einem Fahrzeugbauunternehmen und mit ihren Abschlusszertifikaten Kommune: Gemeinde Stuhr (33.200 Einw.)

Beteiligte: Kooperative Gesamtschule Stuhr-Brinkum (KGS Stuhr-Brinkum), Koopera-tive Gesamtschule Stuhr-Moordeich (Lise-Meitner-Schule), Eggers Fahr-zeugbau GmbH, Senioren Wohnpark Weser GmbH, Yacht Teccon Engi-neering GmbH & Co. KG und weitere Unternehmen, Wirtschaftsförderung der Gemeinde Stuhr

Laufzeit: Seit mehr als sieben Jahren

Finanzierung: Eigenmittel der beteiligten Institutionen

Ansprech-personen:

Lothar Wimmelmeier Gemeinde Stuhr Stadtmarketing/ Wirtschaftsförderung Blockener Str. 6 28816 Stuhr Tel. 0421/5695-245 [email protected]

Gertrud Hoffmann KGS Stuhr-Brinkum Brunnenwerg 2 28816 Stuhr Tel. 0421/809690 [email protected]

Sven Lübben Lise-Meitner-Schule Danziger Str. 5 28616 Stuhr [email protected] Tel.: 0421-563066

1.1 Ziele und Aktivitäten

Ausgangspunkt der Kooperation war das Problem, dass zu viele Jugendliche nach dem Schulabschluss nicht in eine Ausbildung, sondern ins Übergangssystem wech-seln. Die Grundidee der Beteiligten aus Schule, Wirtschaft und Gemeinde war und ist es, hier Veränderungen durch eine verstärkte Kommunikation zwischen Jugendlichen und Unternehmen sowie zwischen Schulen und Unternehmen herzustellen. Zu diesem Zweck werden eine Reihe gemeinsamer Projekte durchgeführt, darunter die Aktion „Betrieb des Monats“ und die Betriebskurse zur praxisnahen Vorbereitung der Jugend-lichen auf technische, soziale oder kaufmännische Berufe.

Beim „Betrieb des Monats“ stellen sich Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen (Handwerk, Dienstleistung, verarbeitendes Gewerbe) in einer Doppelstunde den

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Schüler/innen der neunten und zehnten Jahrgangsstufe vor. Bei Interesse an einem der Berufe haben die Jugendlichen die Möglichkeit zur freiwilligen Teilnahme an vertie-fenden "betrieblichen Erkundungskursen". Im Rahmen der Erkundung geben die Unter-nehmen umfangreiche theoretische Informationen über ihre Ausbildungsberufe und bieten den Jugendlichen die Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte praktisch zu erpro-ben. Die Maßnahme ist freiwillig und findet außerhalb der regulären Schulzeit statt. Am Ende der Betriebskurse erhalten die Schüler ein Abschlusszertifikat durch das Unter-nehmen.

Die Betriebskurse unterscheiden sich von den regulären Schulpraktika durch ihre Frei-willigkeit, die intensive Vorbereitung der Unternehmen auf die Schülergruppen und die Unterstützung durch die Wirtschaftsförderung der Gemeinde, die unter anderem eine begleitende Pressearbeit organisiert.

1.2 Kooperationsstruktur

Die Projekte werden durchgeführt im Rahmen eines seit vielen Jahren aktiven Netz-werks aus Schulen, Unternehmen und Gemeinde. Die Gemeinde lädt die Beteiligten aus verschiedenen Anlässen regelmäßig zu Veranstaltungen (z.B. Begrüßung der neuen Auszubildenden der Gemeinde Stuhr) ein. Koordiniert wird dieses Netzwerk von der Wirtschaftsförderung der Gemeinde Stuhr; darüber hinaus kommt den Interessen-gemeinschaften der Wirtschaft eine wichtige Rolle zu. Um die Unternehmen nicht zu stark durch Planungstreffen zu belasten, werden neue Vorhaben in der Regel von der Gemeinde und den Schulen vorbesprochen und erst dann an die Unternehmen heran-getragen.

Bei den Betriebskursen sind die Schulen dafür verantwortlich, für die Angebote zu wer-ben und Anmeldungen entgegenzunehmen; außerdem sorgen sie für den Versicher-ungsschutz. Teilweise werden die Gruppen von Lehrkräften in die Betriebe begleitet. Die Unternehmen sind für die Durchführung der Kurse zuständig; jedes der beteiligten Unternehmen hat dafür ein eigenes Konzept entwickelt.

1.3 Ergebnisse und Perspektiven

Die Jugendlichen erhalten durch die Projekte die Möglichkeit, sich einen Überblick über sehr unterschiedliche Berufsbilder und Ausbildungsberufe zu verschaffen. Sie können überprüfen, ob ein Beruf für sie geeignet ist, wissen genauer über die Anforderungen Bescheid und erhalten unter Umständen einen besseren Zugang zu Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Lehrkräfte, die die Schülerinnen und Schüler zu Betriebskursen begleiten, erhalten einen besseren Einblick in den betrieblichen Alltag. Die Unter-nehmen machen sich – auch im Rahmen der begleitenden Pressearbeit der Gemeinde – stärker als Ausbildungsbetrieb bekannt. Bisher konnten aus dem Teilnehmerkreis der Betriebskurse allerdings lediglich zwei Jugendliche direkt als Auszubildende rekrutiert werden.

Pro Schule nehmen jährlich etwa zwanzig Schülerinnen und Schüler an den Betriebs-kursen teil. Aufgrund des Freiwilligkeitsprinzips erreicht man mit dem Angebot nur inte-ressierte und engagierte Jugendliche. Aus dieser Gruppe profitieren am meisten die-jenigen mit schlechten Schulnoten, weil diese aufgrund ihres Zeugnisses keine Chance hätten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, durch die Teilnahme am Betriebskurs, die sie in Bewerbungen durch das Zertifikat belegen können, auch für nicht am Projekt beteiligte Ausbildungsbetriebe interessanter werden.

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1.4 Stolpersteine und Erfolgsbedingungen

Es ist nicht einfach, die Jugendlichen für eine Kursteilnahme in ihrer Freizeit zu moti-vieren. Zum Teil vermissen Schulen und Unternehmen dabei auch eine ausreichende Unterstützung durch die Eltern. Notwendig ist deshalb, dass die Lehrkräfte intensiv für die Kurse werben und die Jugendlichen bei Bedarf in den Betrieb begleiten. Die Be-teiligten überprüfen darüber hinaus regelmäßig den Erfolg der Kurse und überarbeiten gegebenenfalls ihr Konzept.

Die Einbindung von Unternehmen wurde in Stuhr dadurch erleichtert, dass die Kontakt-aufnahme nicht durch die Schulen selbst, sondern durch eine Vertrauensperson in der Kommune wie den Bürgermeister oder die Wirtschaftsförderung erfolgt ist. Im weiteren Projektverlauf wurden gemeinsame Aktivitäten durch die Benennung fester Ansprech-partner/innen in den Unternehmen und in den Schulen erleichtert. Bewährt hat sich die Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen, weil diese stärker als Großunter-nehmen bereits heute vom Problem des Fachkräftemangels betroffen sind und deshalb ein besonderes Interesse an Kontakt zu potentiellen Nachwuchskräften haben. Damit die Jugendlichen nicht zu weite Wege zum Betriebskurs zurücklegen müssen, hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass die Unternehmen ihren Standort im Einzugsbereich der Schule haben.

Vergleichbare Projekte: Projekt Nähere Informationen und Ansprechpersonen

Mentorenprogramm und vertiefte Berufsorientierung

(Handwerkskammer Bremen)

http://www.hwk-bremen.de/index.php?id=657

Gabriela Schierenbeck Handwerkskammer Bremen Ansgaritorstraße 24 28195 Bremen Tel. 0421 30500-131 E-Mail: schierenbeck.gabrielahwk-bremen.de

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2. Berufsvorbereitende Kooperation der Ganztagsschule 2001 mit Betrieben und der berufsbildenden Schule (Syke)

Kommune: Stadt Syke (24.401 Einw.)

Beteiligte: Ganztagsschule 2001 Syke (Haupt- und Realschule), Berufsbildende Schulen Syke, unterschiedliche – vor allem kleine und mittelständische - Betriebe und weitere Kooperationspartner, Stadt Syke und Landkreis Diepholz

Laufzeit: Seit 2002

Finanzierung: ca. 3000 € Etat durch die Stadt Syke (Sachkostenerstattung zur Realisierung der Kooperation zwischen der GTS und der BBS)

Nähere Informationen:

http://www.hs-syke.de/

Ansprechpersonen: Rainer Goltermann GTS 2001 (Haupt- und Realschule) Ferdinand-Salfer-Straße 3 28857 Syke E-Mail: [email protected] Tel.: 0 42 42 / 780 50

2.1 Ziele und Aktivitäten

Die gebundene Ganztagsschule 2001 in Syke (Haupt- und Realschulzweig) ist mit dem Ziel der Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit gegründet worden und arbeitet dies-bezüglich mit einem ganzheitlichen Ansatz, der die Bereiche Ausbildungsreife, Berufs-orientierung und Förderung sozialer Kompetenzen gleichermaßen umfasst. Zu diesem Zweck werden ab der fünften Klasse unterschiedliche Maßnahmen durchgeführt, die in einem langfristigen und intensiv begleiteten Prozess die Persönlichkeitsentwicklung und die Berufswahlorientierung systematisch festigen: Das gesamte Konzept basiert – ausgehend von der Lernausgangslage der Jugendlichen - auf vier Säulen, die neben der Vermittlung von Berufsorientierung gleichermaßen die Vermittlung von sozialen, Lern- und Medienkompetenzen integrieren. Neben einer kontinuierlichen Stabilisierung im Rahmen der Schulsozialarbeit kooperiert die Schule mit einer Vielzahl von Be-trieben, die den Schülerinnen und Schülern in unterschiedlichen Kontexten (z.B. Praxislerntage, Betriebsbefragungen, Betriebsvorstellungen in der Schule, Schnupper-tage und langfristige Praktika) Einblicke gewähren und Praxiswissen vermitteln. Ein anderer Baustein stellt die Kooperation mit der ortsansässigen BBS Syke dar: Im neun-ten Schuljahr haben die Jugendlichen die Möglichkeit, an zwei Tagen in der Woche berufspraktische Erfahrungen in den Schwerpunktbereichen der BBS (Metalltechnik, Elektrotechnik etc.) zu sammeln und auf diese Weise eine grundlegende Allgemein-bildung mit einer beruflichen Grundbildung zu koppeln. Darüber hinaus bietet die Schule weitere Alternativen zur Berufsorientierung und Förderung der sozialen Kompe-tenzen an, wie die Teilnahme an verschiedenen Schülerfirmen, Mitarbeit in einem Kooperationsprojekt zwischen der Schule und dem Kreismuseum oder die unter-stützende Begleitung durch Berufseinstiegsbegleiter.

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Kooperationen

Schule Schule –– Ein Haus des LernensEin Haus des Lernens

Haus des Lernens – Schulprogramm der Ganztagsschule 2001 in Syke

2.2 Kooperationsstruktur

Die Ganztagsschule kooperiert mit einer Vielzahl von Betrieben und anderen Insti-tutionen in der Region rund um Syke und Bremen. Dabei zeichnet sich die Zusammen-arbeit durch unterschiedliche Ansatzpunkte und Intensitäten aus: Kooperationen er-folgen beispielsweise im Rahmen von einzelnen Praxistagen, Schülerfirmen oder Prak-tika. Gerade die Gestaltung von Praktika setzt mit zunehmendem Anspruch an die Lernergebnisse intensivere Kooperationen voraus: So legt die Schule großen Wert darauf, dass die Langzeitpraktika in Klasse 10 gemäß den realen Anforderungen der ersten drei Ausbildungsmonate strukturiert werden. Die Einhaltung dieses Standards erfolgt auf Basis mündlicher Absprachen. Die Verlässlichkeit ist vor allem dadurch gegeben, dass die Betriebe im Laufe der Jahre selbst festgestellt haben, dass sich dieses Konzept bewährt und auch ihnen die Möglichkeit bietet, potenzielle Auszubil-dende in „Situationen mit Ernstcharakter“ kennen zu lernen.

2.3 Ergebnisse und Perspektiven

Das Konzept zeigt bislang gute Erfolge: Durch den ganzheitlichen Förderansatz kann bei vielen Jugendlichen das Selbstbewusstsein und die Lernmotivation gesteigert wer-den, was sich u.a. darin äußert, dass 95% der Hauptschüler/innen in die 10. Klasse der Realschule wechseln und dort ihren Abschluss machen. Ca. 70% der Schülerinnen und Schüler haben im direkten Anschluss an die Langzeitpraktika in Klasse 10 bereits einen Ausbildungsplatz gefunden. Die langfristige und intensiv begleitete Berufs-orientierung zahlt sich diesbezüglich in zweierlei Hinsicht aus: Einerseits haben die Betriebe durch die Langfristigkeit der Praxiskonzepte die Gelegenheit, potenzielle Auszubildende über einen längeren Zeitraum kennen zu lernen und sich im Gegenzug bekannt zu machen, andererseits beugt das Konzept auch späteren Ausbildungs-

Lernausgangslage der Schüler

LernstandardsSchuleigene Lehrpläne

Individuelle Beratung & Betreuung

Individuelle Förderpläne

Berufs-orientier-

ungs-konzept

Lern-konzept

Medien-konzept

Sozial-konzeptAußersch.

Lernorte

Präv./ Integr.

Individualisiertes Lernen Kooperatives Lernen Handelnd -Entdeckendes Lernen

Selbstständigkeit Selbstbestätigung Selbstverantwortung

Berufsfindungskompetenz Selbstkompetenz

Ein ganzheitlicher Ansatz

Zeug

nisse

Zertifikate

Absch

lüsse

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Page 15: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

abbrüchen vor, da die Jugendlichen ihre Berufswahlentscheidung auf einer fundierten Basis treffen. Perspektivisch sieht die Schule aber auch die Notwendigkeit, das Kon-zept an aktuelle Entwicklungen anzupassen. So wird ein stetiger Einstellungswandel bei den Jugendlichen beobachtet, der sich in der abnehmenden Bereitschaft äußert, das häusliche Umfeld zu verlassen und einen Ausbildungsplatz zu suchen, der evt. weniger Annehmlichkeiten bietet als das bisherige Leben während der Schulzeit.

2.4 Stolpersteine und Erfolgsbedingungen

Die Gelingensbedingungen des Konzepts fußen auf mehreren Eckpfeilern: Die Grund-lage bildet zunächst das pädagogische Konzept, das die langfristige und intensiv be-gleitete Förderung von Ausbildungsreife, Persönlichkeitsstabilisierung und Berufsorien-tierung integriert und den Schülern und Schülerinnen unterschiedliche Möglichkeiten bietet, frühzeitig mit der beruflichen Praxis in Kontakt zu kommen. Dieser umfassende Ansatz erfordert allerdings auch strukturelle Rahmenbedingungen. So handelt es sich bei der Haupt- und Realschule um eine gebundene Ganztagsschule, die über die zusätzlichen Ressourcen Zeit und eine umfassende Ausstattung mit Schulsozialarbeit verfügt. In diesem Zusammenhang wird auch die in Niedersachsen vorhandene Möglichkeit der Kapitalisierung von Lehrerstunden positiv bewertet, mit der die Schulen passgenau zusätzliche Fachkräfte für den berufsvorbereitenden Bereich einstellen kön-nen.

Aber auch durch den „Willen“ und das konsequente Handeln der beteiligten Schul-träger konnten die Rahmenbedingungen für berufsorientierende Maßnahmen ver-bessert werden: Die Zusammenarbeit mit der BBS Syke ist vor allem deshalb möglich, weil die Stadt Syke als Schulträger der Ganztagsschule die entstehenden Sachkosten der BBS Syke, die sich in der Trägerschaft des Landkreises Diepholz befindet, finan-ziert. Beispiele aus anderen Kommunen haben bereits gezeigt, dass ähnliche Koope-rationsvorhaben durchaus an solchen strukturellen Grundsatzfragen scheitern können. Hinzu kommt, dass die Zusammenarbeit zwischen allgemein- und berufsbildenden Schulen voraussetzt, dass in letzteren ausreichende Personalkapazitäten für Berufs-vorbereitung zur Verfügung stehen. Im Hinblick auf die Wegstrecken hat sich überdies die unmittelbare Nähe beider Standorte als zentrale Erfolgsbedingung gezeigt, da sonst zusätzliche Transportkosten anfallen würden.

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3. Bildungserfolg durch Gestaltung von Vielfalt – Lernwerkstatt Übergang Schule-Beruf und Patenprojekt (Achim)

Achimer Jugendliche mit ihren Bildungspaten Kommune: Stadt Achim (31.000 Einw.)

Beteiligte: Haupt-, Real- und Förderschule Achim, Freiwilligenagentur Achim, Arbeit Landkreis Verden, Agentur für Arbeit, Landkreis Verden, Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg, Wirtschaftsbeirat Achim e.V., PACE/LK Verden, Berufsbildende Schulen des Landkreises Verden, Coban GmbH, Ehrenamtliche

Laufzeit: 2008-2011 innerhalb des ESF-Projekts, anschließend selbsttragend

Finanzierung: ESF (75%), Stadt Achim (25%)

Nähere Informationen:

www.bildungserfolg-achim.de

Ansprechpersonen: Bedia Akbas Projektmanagerin Magdeburger Str. 15 D-28832 Achim Tel. 04202/953523 [email protected]

Martina Meyer Freiwilligenagentur Obernstraße 38 28832 Achim Tel. 04202 9160-550 [email protected]

3.1 Ziele und Aktivitäten

Lernwerkstatt und Patenprojekt sind Teil des Modellprojekts „Bildungserfolg durch Ge-staltung von Vielfalt“. Das Projekt zielt auf die Verbesserung des Bildungserfolges von Kindern und Jugendlichen aus dem „Magedeburger Viertel“, einer in den 70er Jahren entstandenen Hochhaussiedlung mit einem Migrantenanteil von über 70%. Viele Ju-gendliche aus diesem Quartier haben Probleme, einen Schulabschluss zu erreichen und einen Ausbildungsplatz zu finden. Wichtige Ursachen dafür sind Sprachprobleme auch bei Kindern und Jugendlichen deutscher Herkunft sowie mangelnde soziale Kom-petenzen und fehlende oder unzureichende Unterstützung durch Eltern und Familie.

In der Lernwerkstatt „Übergang Schule-Beruf“ arbeiten Schulen, Ehrenamtliche sowie Unternehmen, Arbeitsförderung und die Universität Oldenburg praxisorientiert zu-sammen, um Ideen zur besseren Unterstützung dieser Jugendlichen auf dem Weg in

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den Beruf zu entwickeln. Als zentrales Projekt wird seit 2009 das Patenprojekt umge-setzt. Das Projekt basiert auf Förderbeziehungen zwischen einem ehrenamtlichen, berufstätigen Paten und einem/r Jugendlichen der neunten bzw. zehnten Klasse. Eine zweijährige individuelle und kontinuierliche Begleitung soll helfen, die sozialen Kompe-tenzen der Jugendlichen zu stärken, sie im Prozess der Berufsfindung zu unterstützen und ihnen einen geeigneten Weg in die Arbeitswelt aufzuzeigen. Im Mittelpunkt steht dabei das Erlernen von Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit. Es werden nur Schülerinnen und Schüler aufgenommen, die selbst an dem Projekt interessiert sind und bei denen die Lehrkräfte einen besonderen Unterstützungsbedarf festgestellt ha-ben. Um alle Beteiligten in die Verantwortung für den Prozess einzubinden, schließen Jugendliche/r, Eltern und Pate einen Patenschaftsvertrag.

Das Projekt ist als gutes Beispiel ausgewählt worden, weil die Einbindung in ein breites Netzwerk es ermöglicht, zielgerichtete Beratung und Fortbildung für die Jugendlichen und ihre Paten zu organisieren und sie bei der Suche nach geeigneten Praktikums- und Ausbildungsplätzen zu unterstützen.

3.2 Kooperationsstruktur

Die Gesamtkoordination erfolgt durch eine beim Bürgerzentrum der Stadt Achim an-gesiedelte Projektmanagerin, die die Lernwerkstatt fachlich vorbereitet und moderiert, geeignete Fachleute hinzuzieht, die Ergebnisse dokumentiert und „Knotenpunkt“ zu weiteren Lernwerkstätten etwa im Bereich der Sprachförderung und der Elternarbeit ist. Jede der beteiligten Schulen stellt darüber hinaus eine koordinierende Person für das Patenprojekt zur Verfügung, die die Jugendlichen und Eltern über das Vorhaben informiert und Treffen der Beteiligten organisiert. Die städtische Freiwilligenagentur kümmert sich um die Gewinnung, Beratung und Unterstützung von Paten. Beim Zu-gang zu Paten aus der Wirtschaft wird sie vom Wirtschaftsbeirat Achim unterstützt.

3.3 Ergebnisse und Perspektiven

Das Gesamtprojekt wird durch die Universität Oldenburg (Prof. Dr. Rudolf Leiprecht) evaluiert. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich durch die gemeinsame Arbeit in der Lern-werkstatt in Achim ein tragfähiges Netzwerk rund um den Übergang Schule-Beruf in Achim gebildet hat. Nach Angaben der Projektmanagerin findet das Patenprojekt eine gute Resonanz bei Jugendlichen aus Förderschule, Haupt- oder Realschule, die zum großen Teil aus sozial benachteiligten Strukturen kommen. Die Patenschülerinnen und –schüler schaffen zusammen mit Ihren Paten klarere Perspektiven für Bildungsverlauf bzw. Berufswahl.

Bisher konnten 40 Jugendliche durch 21 Paten unterstützt werden und die ersten Ju-gendlichen haben bereits mit Unterstützung ihrer Paten einen Ausbildungs- oder Schul-platz erhalten. Nach Ende der ESF-Förderung soll das Patenprojekt durch die Freiwilli-genagentur fortgeführt werden.

3.4 Stolpersteine und Erfolgsbedingungen

In Achim hat eine strukturierte Projektorganisation dazu beigetragen, den Beteiligten das Gefühl zu vermitteln, dass sie von der Kooperation profitieren. Dabei kam ins-besondere beim Aufbau des Netzwerks und der Entwicklung des Projekts der Projekt-

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managerin eine zentrale Rolle zu. Wichtig war aber darüber hinaus die frühzeitige Übernahme von Teilaufgaben durch andere Projektbeteiligte.

Voraussetzung für die erfolgreiche Einbindung insbesondere der Schulen war die ge-meinsame Bedarfsentwicklung im Rahmen einer Bildungskonferenz. Auch das Konzept für das Patenprojekt wurde in der Lernwerkstatt gemeinsam mit allen Beteiligten ent-wickelt. Als besondere Herausforderung im Gesamtprojekt hat sich dennoch die Rück-kopplung der Ergebnisse der Lernwerkstätten in die Schulen erwiesen. Im Rahmen des Projekts wird deshalb darüber diskutiert, ob man bei vergleichbaren Vorhaben das Pro-jektmanagement anstatt beim Bürgerzentrum an einer der beteiligten Schulen ansie-deln sollte.

Trotz der Einbindung der Freiwilligenagentur ist es nicht gelungen, so viele Paten zu gewinnen, wie für die Betreuung aller interessierten Schüler/innen notwendig wäre. Aus diesem Grund soll das Konzept zukünftig von der Einzel- zur Klassenpatenschaft verschoben werden: Ein bis zwei Paten sollen die Berufsorientierung in einer gesamten Klasse begleiten und auf Nachfrage für Einzelbetreuungen zur Verfügung stehen. Für das Gelingen der Patenbeziehungen ist es wichtig, dass die Paten nicht nur eigene Be-rufserfahrungen, sondern auch Offenheit für die Wünsche und Lebenssituation ihrer „Patenkinder“ mitbringen. Vergleichbare Projekte: Projekt Nähere Informationen und Ansprechpersonen Emforce

(Gemeinde Kirchlinteln)

www.emforce.de Schule am Lindhoop Tel. 04236/93120 [email protected]

Emkon. Systemtechnik Projektmanagement GmbH Stephanie Schubert Tel. 04236/9436-23 [email protected]

Ausbildungsbrücke

(Gemeinde Ganderkesee, Stadt Wildeshausen, Stadt Bremen)

http://www.ausbildungsbruecke.patenmodell.de

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4. Palast der Vorstadt und weitere Bildungsprojekte (Bremen-Gröpelingen)

Präsentation der von den Jugendlichen erstellen Exponate in einem Zirkuszelt und Szene aus der Erföffnungsveranstaltung Kommune: Stadt Bremen, Stadtteil Gröpelingen (35.000 Einw.)

Beteiligte: Kultur Vor Ort e.V., Gesamtschule Bremen West, Johann-Heinrich Pestalozzi Schule Bremen

Laufzeit: Seit 2007

Finanzierung: Wechselnde Drittmittelgeber. Das Jahresprojekt 2010 „Palast der Vorstadt“ wurde mit 40.000€ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Europäischen Kommission im Rahmen des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010 gefördert.

Nähere Informationen:

www.palast-der-vorstadt.de

Ansprechpersonen: Christiane Gartner Geschäftsführung Kultur Vor Ort e.V. Liegnitzstr. 63 28237 Bremen Tel. 0421/6197727 [email protected]

4.1 Ziele und Aktivitäten

In Gröpelingen, einem Bremer Stadtteil mit vielfältigen sozialen Problemlagen, werden seit mehreren Jahren vom Verein Kultur vor Ort gemeinsam mit den beiden weiterführ-enden Schulen einmal jährlich Kulturprojekte für Schülerinnen und Schüler der 8. Klas-sen organisiert. Ziel dieser Jahresprojekte ist es, durch Offenlegung und Weiterent-wicklung spezifischer Begabungen das Selbstbewusstsein der Jugendlichen und ihre sozialen Kompetenzen zu stärken und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zur Begeg-nung mit anderen sozialen Milieus zu bieten. Damit bieten die Projekte die Chance, auch Jugendliche zu erreichen, die die Hoffnung auf eine erfolgreiche schulische und berufliche Laufbahn bereits aufgegeben haben und deshalb mit klassischen Berufsvor-bereitungsmaßnahmen wie Bewerbungstraining nicht mehr erreicht werden können.

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Die Jugendlichen treffen sich in Kleingruppen drei bis vier Monate lang an zwei Nach-mittagen in der Woche in einem Atelier mit professionellen Künstlerinnen und Künstlern, um zum jeweiligen Jahresthema an einer künstlerischen Aufgabe zu arbei-ten. Die Ergebnisse werden anschließend in einer Kultureinrichtung in der Innenstadt einem breiten Publikum vorgestellt und ermöglichen so den Austausch mit Klassen anderer Schulen, Fachleuten aus Politik und Verwaltung und Kunstinteressierten. Zum Abschluss des 2010 durchgeführten Projekts „Palast der Vorstadt“, das sich mit so-zialer Ausgrenzung und der Überwindung von Vorurteilen beschäftigte, präsentierten die Jugendlichen ihre Exponate eine Woche lang in einem Zirkuszelt im gutbürger-lichen Stadtteil Schwachhausen.

4.2 Kooperationsstruktur

Die Jahresprojekte sind eingebettet in ein Stadtteilnetzwerk, in dessen Rahmen der Verein Kultur vor Ort gemeinsam mit Volkshochschule, Stadtbibliothek, dem Bürger-haus Oslebshausen, Schulen und Kindergärten ein breites Spektrum von Aktivitäten zur kulturellen Bildung organisiert. Die Projekte werden vom Verein Kultur vor Ort koor-diniert, der auch die notwendigen Finanzmittel einwirbt. Die Schulen sind für die An-sprache und die Auswahl der Jugendlichen zuständig. Zu Beginn der Zusammenarbeit erfolgte eine ausführliche gemeinsame Planung mit den beteiligten Schulen, inzwi-schen steht die Besprechung organisatorischer Fragen im Mittelpunkt.

4.3 Ergebnisse und Perspektiven

Jährlich nehmen ca. 40 Jugendliche an den Kunstprojekten teil. Die Projekte stoßen auf große Resonanz bei den Schüler/innen; es treten kaum Probleme mit Fehlzeiten auf. Die Projektergebnisse wurden bisher nicht systematisch evaluiert, Künstler/innen und Lehrkräfte beobachten aber, dass die Jugendlichen nicht nur künstlerische Techni-ken kennen lernen, sondern auch das Selbstvertrauen und die Selbstdisziplin, eigene Ideen umzusetzen und die Ergebnisse zu präsentieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei zum einen, dass bei den Projekten nicht Defizite, sondern Stärken im Mittelpunkt stehen und die Jugendlichen in der Gruppe Verantwortung für das Gelingen des Ge-samtprojekts übernehmen. Zum Teil wirkt sich das neu erworbene Selbstbewusstsein direkt auf die Beteiligung der Jugendlichen am Unterricht aus.

Auch die Lehrkräfte können von den Projekten durch einen neuen Blick auf ihre Schü-lerinnen und Schüler und durch Anregungen für ihren Unterricht, insbesondere den Kunstunterricht, profitieren. Der Austausch mit den Künstlerinnen und Künstlern, z.B. im Rahmen von Besuchen bei den Projektbesuchen, ist aber noch ausbaufähig.

4.4 Stolpersteine und Erfolgsbedingungen

Voraussetzung für die Entwicklung spezifischer Stärken der Jugendlichen und das gro-ße Interesse einer breiten Öffentlichkeit an ihren Arbeiten ist die hohe Qualität der Pro-jekte, die grundsätzlich von professionellen Künstlerinnen und Künstlern geleitet wer-den und in gut ausgestatteten Ateliers außerhalb der Schule stattfinden. Der hohe Qualitätsanspruch führt umgekehrt zu einem relativ hohen Finanz- und Koordinations-bedarf. Die Projekte können nur realisiert werden, weil der Verein Kultur vor Ort die notwendigen Drittmittel einwirbt und eine verlässliche und professionelle Koordination gewährleistet.

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Trotzdem ist die Drittmittelabhängigkeit der Projekte für alle Beteiligten mit Problemen verbunden: Oft entscheidet sich erst sehr spät, ob das Vorhaben realisiert werden kann, was die Organisation insbesondere für die auf langfristige Planung angewiese-nen Schulen sehr erschwert. Notwendig für die Durchführung der Projekte ist die Be-reitschaft von Klassen- und Fachlehrern und -lehrerinnen, innerhalb eines festen Stun-denplans Zeit für die Projektaktivitäten eines Teils der Klasse zu schaffen.

Vergleichbare Projekte: Projekt Nähere Informationen und Ansprechpersonen Kooperation der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen mit der Gesamtschule Bremen Ost

(Stadt Bremen)

http://www.kammerphilharmonie.com/Zukunftslabor.html

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5. TheoPrax (Grasberg)

Titel der Studie und Schüler/innen der TheoPrax-Projektgruppe

Kommune: Gemeinde Grasberg (7.700 Einw.)

Beteiligte: Findorffschule Grasberg (Haupt- und Realschulzweig), Gemeinde Grasberg, Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM))

Laufzeit: Seit 2005 (Aufbau eines TheoPrax-Netzwerks im Landkreis Osterholz), April bis Juli 2007 (Projekt Grasberg)

Finanzierung: Europäischer Sozialfonds und Jugendstiftung der Kreissparkasse Osterholz (TheoPrax-Netzwerk), Gemeinde Grasberg (Projekt Grasberg)

Nähere Informationen:

http://www.grasberg.de/default.cfm?mid=29272 (Ergebnisse des Grasberger Projekts), www.theo-prax.de (Theo-Prax-Methode)

Ansprech-personen:

Elke Schnakenberg Findorffschule Speckmannstraße 30 Tel. 04208/594 [email protected]

Beate Brede Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) Wiener Straße 12 28359 Bremen Tel. 0421/2246-421 [email protected]

5.1 Ziele und Aktivitäten

Das von einem Fraunhofer Institut entwickelte Lehr- und Lernkonzept TheoPrax zielt auf die Verzahnung von theoretischem und praktischem Lernen durch Projektarbeit mit Ernstcharakter. Projektteams aus Schulen bearbeiten reale Aufträge (sog. „Schub-ladenthemen“) aus Unternehmen oder aus Kommunen. Das Bremer TheoPrax-Kom-munikationszentrum im Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandete Ma-terialforschung (IFAM) baut seit 2005 im Landkreis Osterholz ein Netzwerk aus Schulen und Betrieben auf.

In diesem Rahmen hat die Gemeinde Grasberg der Schülerfirma der ortsansässigen Findorffschule (Haupt- und Realschule) den Auftrag erteilt, eine Studie zum Freizeit-verhalten von Jugendlichen und deren aktuellen Bedarf an Freizeitangeboten durchzu-führen. Der Auftrag wurde von einer Gruppe von Zehntklässler/innen/n durchgeführt

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und umfasste die Erstellung eines Angebots inkl. Kostenkalkulation, die Durchführung, Auswertung, schriftliche und graphische Darstellung der Ergebnisse sowie eine öffentliche Präsentation derselben im Rathaus der Gemeinde. Mit der erfolgreichen Bearbeitung konnte gezeigt werden, dass die TheoPrax-Methode, die schwerpunkt-mäßig an Gymnasien und Hochschulen eingesetzt wird, auch neue Impulse für das Praxislernen an Haupt- und Realschulen geben kann.

5.2 Kooperationsstruktur

Bei der Projektakquise und -bearbeitung wurden die Schülerfirma sowohl von der Schule als auch vom Theo-Prax-Kommunikationszentrum am Bremer Fraunhofer IFAM begleitet. Hauptaufgabe des Kommunikationszentrums war dabei die Vermittlung von Projektmanagementtechniken. Die Betreuung der inhaltlichen Projektbearbeitung lag bei der für die Marketingabteilung der Schülerfirma verantwortlichen Lehrerin. Da die Schülerfirma an der Findorffschule nicht als freiwillige Arbeitsgemeinschaft organisiert ist, sondern im Rahmen des Unterrichts arbeitet, bot sie einen verlässlichen Rahmen zur Bearbeitung des Auftrags.

5.3 Ergebnisse und Perspektiven

Der besondere Vorteil dieses Projekts ergibt sich aus dem Nutzen aller Beteiligten: Die Gemeinde konnte mit Hilfe der Studie kostengünstig die Freizeitwünsche der Grasber-ger Jugendlichen aus deren Sicht erheben und in konkrete Handlungsstrategien ein-fließen lassen. Die beauftragen Schülerinnen und Schüler konnten anhand eines rea-len Auftrags berufsrelevante Kompetenzen wie Projektmanagement, Teamfähigkeit, Präsentationsfähigkeiten, Umgang mit Termindruck etc. erwerben. Ihre Arbeit wurde öffentlich gewürdigt und sie haben dafür ein TheoPrax-Zertifikat erhalten, das sie bei Bewerbungen vorlegen können. Darüber hinaus dienten die Ergebnisse der TheoPrax-Studie auch als Arbeitsgrundlage für das Jugendparlament. Die besondere Projekt-konstellation – die Gemeinde als Auftraggeber – hat nach Aussagen der Beteiligten auch dazu beigetragen, den Jugendlichen zu signalisieren, dass die Gemeinde an ihnen interessiert ist und sich mehr Beteiligung wünscht.

5.4 Stolpersteine und Erfolgsbedingungen

Es ist nicht immer einfach, Praxisaufträge zu akquirieren, die für die Bearbeitung durch Haupt- und Realschüler und –schülerinnen geeignet sind. Notwendig war vorab eine gute Abstimmung zwischen Schule und Auftraggeber, um abzuklären, was die Jugend-lichen leisten können.

Die Durchführung eines realen Auftrags unter Anwendung der Projektmanagementme-thode war für die Kompetenzentwicklung der Jugendlichen besonders bedeutsam, da sie den Umgang mit den alltäglichen Tücken der Team- und Projektarbeit (z.B. Zeit-druck, Unzuverlässigkeiten, terminliche Abstimmungsschwierigkeiten etc.) erlernt ha-ben. Eine zentrale Rolle spielte hierbei die öffentliche Präsentation der Ergebnisse im Verwaltungsausschuss der Gemeinde, in dessen Rahmen die Schüler/innen viel Lob und Anerkennung erhalten haben und in ihrem Selbstvertrauen gestärkt wurden.

Besonders motivierend für die Jugendlichen war es, dass die Projektergebnisse nicht „in der Schublade verschwunden sind“, sondern Auswirkungen in der Praxis hatten. So diente die TheoPrax-Studie als Grundlage für weitere Partizipationsprozesse von Ju-

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Page 24: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

gendlichen in der Gemeinde, unter anderem im Rahmen des neu eingerichteten Jugendparlaments. Die Jugendlichen haben dadurch zusätzlich die Erfahrung sam-meln können, dass sie gestaltenden Einfluss nehmen können (Selbstwirksamkeit).

Voraussetzung für die erfolgreiche Bearbeitung des Auftrags war es, dass die Schule einen flexiblen, aber zugleich verlässlichen Rahmen innerhalb des „normalen“ Stundenplans geboten hat und eine Lehrkraft die Arbeit der Schülergruppen eng begleitete.

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6. Qualitätssiegel „Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung“ (Bremen)

Siegelfeier Rezertifizierung 2010 und Logo Berufswahlsiegel

Kommune: Land Bremen (661.710 Einw.)

Beteiligte: Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft, Landesinstitut für Schule (LIS), Handelskammer Bremen, Handwerkskammer Bremen, Universität Bremen, die Agentur für Arbeit, Wirtschaftsunternehmen, das Netzwerk-Berufswahlsiegel der Bertelsmann Stiftung und andere

Laufzeit: Seit 2006

Finanzierung: Regelfinanzierung

Nähere Informationen: Informationen zum Qualitätssiegel und den Bewertungsmaßstäben: http://www.lis.bremen.de/qualitaetssiegel ; Informationen zum Netzwerk Berufswahl-SIEGELder Bertelsmann Stiftung: http://www.netzwerk-berufswahlsiegel.de/projekt.0.html

Ansprechpersonen Dr. Margareta Brauer-Schröder Landesinstitut für Schule Am Weidedamm 20 28215 Bremen Tel. 0421-361 14435 E-Mail: [email protected]

Claudia Schettler Landesinstitut für Schule Am Weidedamm 20 28215 Bremen Tel.: 0421-361 14649 E-Mail: [email protected]

6.1 Ziele und Aktivitäten

Mit dem Qualitätssiegel „Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung“ beteiligt sich Bre-men an dem bundesländerübergreifenden „Netzwerk Berufswahl-SIEGEL“ der Bertels-

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mannstiftung, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Qualität der Berufsorientierung nach-haltig zu verbessern und erfolgreiche Schulen mit einem bundesweit einheitlichem Qualitätssiegel auszuweisen. Die zertifizierten Schulen sollen als gute Beispiele dienen und für andere Schulen Anregung und Aufforderung zur Nachahmung und Weiterent-wicklung sein.

Die teilnehmenden Netzwerkregionen sind aufgefordert, einen transparenten und re-gionalspezifischen Kriterienkatalog zu entwickeln, auf dessen Basis die Vergabe des Zertifikats erfolgt. Der Bremer Kriterienkatalog umfasst ein Indikatorenset, das sowohl den Bereich der Berufsorientierung als auch die Förderung sozialer, personaler (z.B. Teamfähigkeit oder eigenverantwortliches Lernen) und fachlicher Kompetenzen (z.B. Mathematik oder Medienkompetenz) berücksichtigt. Allgemeinbildende Schulen der Sekundarstufe I und II und die Förderzentren im Lande Bremen können selbst ent-scheiden, ob sie sich für die Zertifizierung bewerben wollen. Das Bewerbungsverfahren sieht neben der schriftlichen Darstellung des Berufsorientierungskonzepts eine Au-ditierung der jeweiligen Schule vor, die eine Hospitation und eine Befragung des Lehr-personals, der Schülerinnen und Schüler und ggf. der Eltern beinhaltet. Eine Jury aus den Bereichen Schule, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft entscheidet über die Vergabe des Siegels, das innerhalb eines feierlichen Rahmens in der Handelskammer von der Senatorin für Bildung und Wissenschaft verliehen wird. Die Schulen dürfen das Siegel drei Jahre lang führen und müssen im Falle einer Rezertifizierung die Weiterent-wicklung ihres Konzepts nachweisen. Das Landesinstitut für Schule berät und unter-stützt die Schulen bei der Bewerbung.

Das Bremer Qualitätssiegel wurde als Beispiel guter Praxis ausgesucht, weil es eine konkrete Steuerungsmöglichkeit für kommunale und regionale Entscheidungsträger aufzeigt, um Berufsorientierungsprozesse an Schulen zu verbessern. Eine Initiative wie das Qualitätssiegel kann zudem flächendeckend umgesetzt werden und dazu beitra-gen, unterschiedliche Ansätze der Berufsorientierung zu verbreiten

6.2 Kooperationsstruktur

Das Bremer Qualitätssiegel „Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung“ wird durch eine Gemeinschaftsinitiative getragen, an der sich u.a. Behörden, Kammern, Gewerk-schafts- und Unternehmensverbände, freie Träger und unterschiedliche Unternehmen der freien Wirtschaft beteiligen. Zusätzlich wird die Initiative vom Netzwerk Berufswahl-SIEGEL der Bertelsmann Stiftung unterstützt.

Gemeinsam werden von den beteiligten Akteuren die Qualitätskriterien für die Vergabe des Berufswahlsiegels definiert und weiter entwickelt. Ein Juroren-Team bewertet die eingereichten Berufsorientierungskonzepte und führt die Auditierungen an den jeweili-gen Schulen durch. Die Projektleitung liegt beim Landesinstitut für Schule.

6.3 Ergebnisse und Perspektiven

Seit 2006 wurden insgesamt 27 Schulen mit dem Qualitätssiegel ausgezeichnet. 2009 wurden 15 und 2010 insgesamt acht Schulen rezertifiziert. Das Berufswahlsiegel trägt dazu bei, die Qualitätsentwicklung der einzelnen Berufsorientierungskonzepte weiter voran zu bringen. So berichtet z.B. die Schule am Oslebshauser Park, dass die Bewer-bung für das Qualitätssiegel intern dazu geführt hat, bislang nebeneinander existieren-de Ansätze einzelner Lehrkräfte zu bündeln, zu systematisieren und zu einem gemein-

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samen Schulkonzept weiter zu entwickeln. Auch zwischen den Zertifizierungsphasen entwickeln die Schulen ihr Berufsorientierungskonzept kontinuierlich weiter.

Das Qualitätssiegel ist bei den Schulen angesehen und kann bei gezieltem Einsatz auch eine entsprechende Außenwirkung entfalten. Beispielsweise ist die Schule am Oslebshauser Park durch eine andere, bereits zertifizierte Schule auf das Qualitäts-siegel aufmerksam geworden und hat sich mit einem eigenen Konzept ebenfalls beworben. Seit erfolgter Zertifizierung trägt die Schule das Siegel auf der Startseite der Schulhomepage. Dadurch sei es bereits gelungen, auch Akteure außerhalb von Bremen auf sich aufmerksam machen – beispielsweise die Deichmannstiftung, die ei-nen Preis ausgelobt hat und die Schule aufgrund des Qualitätssiegels zur Teilnahme aufgefordert hat.

6.4 Erfolgsbedingungen und Stolpersteine

Der Erfolg des Qualitätssiegels ist u.a. darauf zurückzuführen, dass dieses durch eine Vielzahl an Partnern aus unterschiedlichen – nicht nur bildungsverwandten - Bereichen getragen und unterstützt wird und dadurch öffentliche Aufmerksamkeit und Aner-kennung genießt. So trägt beispielsweise die Beteiligung von Unternehmen aus der Privatwirtschaft, der Handelskammer oder Handwerkskammer etc. dazu bei, dem Qualitätssiegel bei den Schulen, in der freien Wirtschaft und in der allgemeinen öffent-lichen Wahrnehmung zu einer breiten Akzeptanz zu verhelfen und die Relevanz des Zertifikats zu unterstreichen. Dies begründet sich nicht zuletzt damit, dass die Einbin-dungspraxis den beteiligten Akteuren die Gelegenheit bietet, eigene, arbeitsweltbezo-gene Ansprüche an Berufsorientierung und Ausbildungsreife in die Entwicklung der Qualitätskriterien einzubringen und dem Siegel damit eine praxisbezogene und re-alitätsnahe Ausrichtung zu verleihen. Wichtig ist darüber hinaus, dass sich dieser An-spruch auch im Bewerbungsverfahren widerspiegelt. Dieses gliedert sich in eine schriftliche Darstellung des Berufsorientierungskonzepts und eine Auditierung in der je-weiligen Schule vor Ort. Das Juroren-Team setzt sich aus Vertretern und Vertreter-innen unterschiedlicher Bereiche (Bildung, Wirtschaft, Wissenschaft o.ä) zusammen, die einen Tag lang in den Bewerberschulen hospitieren. Im Rahmen der Hospitation werden Gespräche mit Lehrkräften, mit der Schulleitung und vor allem auch mit den Schülerinnen und Schülern (ohne Anwesenheit der Lehrkräfte!) durchgeführt. Die Hos-pitationsphase endet mit einem Feedback-Gespräch, in dem positive und kritische Ein-drücke rückgemeldet werden. Auf Basis der Auditierung und dem schriftlichen Konzept werden anhand der definierten Indikatoren Punktzahlen vergeben, die über eine Zertifizierung entscheiden. Nicht allen Schulen gelingt es, die volle Punktzahl zu erreichen. Zwar stellen die Anforderungen für einige Schulen mit einem wenig ent-wickelten Berufsorientierungskonzept eine Hürde für die Beteiligung dar – andererseits ist es gerade das anspruchsvolle Bewertungsverfahren, das die Schulen die Beurteilung durch die Jury als ernstzunehmendes Feedback annehmen lässt. So berichtet z.B. die Schule am Oslebshauser Park, dass sie den „objektiven Blick von außen“ besonders schätzt, weil sie sich mit Hilfe der externen Bewertung vergewissern kann, das Berufsorientierungskonzept in die richtige Richtung zu lenken. Damit Berufs-orientierung von den Schulen letztendlich als ein langfristiger und ganzheitlicher Prozess verstanden wird, der nicht nur die Arbeitsmarktorientierung, sondern auch die Entwicklung sozialer und fachlicher Kompetenzen umfasst, ist es von zentraler Be-deutung, diese Anteile als verbindliche Bewertungsmaßstäbe festzulegen. Die be-grenzte Laufzeit des Siegels auf drei Jahre und die Überarbeitung des Indikatorensets wirken bei Schulen, die eine Rezertifizierung anstreben, als Anreizmechanismen für die

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kontinuierliche Weiterentwicklung ihres Konzepts. Auch die Zertifikatsfeier in den Räu-men der Handelskammer wird als „motivierend“ erlebt, da die öffentliche Anerkennung als „Belohnung“ der Mühe und Arbeit empfunden wird.

Die Anerkennung und der Stellenwert des Qualitätssiegels sind darüber hinaus auch auf die Einbettung der Initiative in das „Netzwerk Berufswahl-SIEGEL“ der Bertelsmann Stiftung zurückzuführen. Die einheitliche Nutzung des Zertifikatslogos besitzt einen bundesweiten Wiedererkennungswert und hebt sich damit von vereinzelten, regionalen Initiativen ab.

Vergleichbare Projekte: Projekt Land Nähere Informationen und

Ansprechpersonen Zertifizierungsprojekt „proBerufsOrientierung! Schule-Wirtschaft“

Niedersachsen Annegret Krause Landesschulbehörde - Außenstelle Uelzen Schillerstr. 30a 29525 Uelzen Tel. 0581-88 52 411 [email protected]

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7. Zukunftswerkstatt Ausbildungsplatzinitiative (Delmenhorst, Ganderkesee, Hude, Dötlingen, Landkreis Oldenburg)

Ausbildungsplatzbörse und Bewerbungstraining in einem Unternehmen Kommune: Stadt Delmenhorst (77.361 Einw.), Gemeinden Ganderkesee (30.750

Einw.), Hude (15.785 Einw.) und Dötlingen (6.102 Einw.), Landkreis Oldenburg

Beteiligte: Zwaig e.V., Allgemeinbildende Schulen, Berufsschulen, Betriebe u.a.

Laufzeit: seit 2003 (erste Initiativen seit 1998)

Finanzierung: Förderung durch die Stadt Delmenhorst, die Gemeinden Ganderkesee, Dötlingen und Hude und den Landkreis Oldenburg; Mitglieds- und Sponsorenbeiträge

Nähere Informationen:

www.zwaig.de

Ansprechpartner: Sabine Burgdorf Büro Zwaig e.V. Mühlenstraße 2-4 27777 Ganderkesee Tel. 04222/44407 [email protected]

Rolf Stiening 1. Vorsitzender Zwaig Mühlenstraße 2 - 4 27777 Ganderkesee Tel. 04222/1600 [email protected]

7.1 Ziele und Aktivitäten

Ziel der Zukunftswerkstatt Ausbildungsplatzinitiative (Zwaig) ist die Unterstützung und Förderung von Berufsorientierung und Berufswegplanung von Jugendlichen im Landkreis Oldenburg. Um Jugendliche über die Ausbildungsmöglichkeiten in regio-nalen Betrieben zu informieren und mit den Betrieben in Kontakt zu bringen, werden regelmäßig Ausbildungsplatzbörsen organisiert und freie Ausbildungs- und Praktikums-plätze auf der Website des Vereins veröffentlicht und durch Plakataktionen in den Schulen bekannt gemacht. Darüber hinaus werden bei Betriebsbesuchen mit Lehrer/-innen und Jugendlichen interessante Berufe vorgestellt und in der Presse präsentiert. Zur praxisnahen Vorbereitung auf die Bewerbung führt Zwaig Bewerbungstrainings mit Firmenchefs und Personalverantwortlichen durch. Diese finden, wenn möglich, nicht in

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der Schule, sondern in den Unternehmen statt. Schließlich bietet Zwaig in Einzel-beratungen gezielte Unterstützung für Jugendliche an, die besondere Unterstützung beim Übergang in Ausbildung oder Beruf benötigen.

7.2 Kooperationsstruktur

Der Verein Zwaig e.V. ist 2003 als regionaler Zusammenschluss von Arbeitskreisen in Delmenhorst, Wildeshausen und Ganderkesee entstanden. Vereinsmitglieder sind 21 allgemein- und berufsbildende Schulen, 34 Betriebe und fünf Organisationen wie die Kreishandwerkerschaft. Der Verein beschäftigt im Zwaig-Büro im Rathaus Ganderke-see eine fest angestellte Mitarbeiterin für Koordinations- und Beratungsaufgaben, der Großteil der Arbeit wird aber von den ehrenamtlichen Mitgliedern getragen. Die Aktivi-täten sind eingebettet in ein breites, kommunenübergreifendes Netzwerk: Der Verein arbeitet mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern aus Wirtschaft, Verwaltung und (Weiter)Bildungseinrichtungen zusammen.

Mitglieder, Förderer und Kooperationspartner von Zwaig (Quelle www.zwaig.de)

7.3 Ergebnisse und Perspektiven

Seit 2000 wurden 13 Ausbildungsplatzbörsen mit insgesamt 22.500 Besucherinnen und Besuchern und 70 Betriebsbesuche durchgeführt. Diese Aktivitäten führen nicht direkt zu messbaren Vermittlungserfolgen, sondern werden in der Regel lediglich zur ersten Information genutzt. Da aber die Mehrzahl der Schüler/innen besonders von Haupt- und Realschulen an einem Ausbildungsplatz in der Region interessiert sind, beobachten die Schulen, dass dieser Erstkontakt in vielen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt zu einer gezielten Bewerbung führt.

Um von Börsen und Betriebsbesuchen zu profitieren, ist allerdings ein Eigenen-gagement der Schülerinnen und Schüler erforderlich. Deshalb sind diese Instrumente nur bedingt zur Unterstützung von besonders benachteiligten Jugendlichen geeignet.

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Die ca. 30 jährlichen Einzelfallberatungen werden dagegen schwerpunktmäßig von Hauptschülerinnen und -schülern mit problematischer Berufswegeplanung genutzt. Aus einigen dieser Beratungen ergeben sich direkte Vermittlungen in Praktikums- oder Ausbildungsplätze oder berufsvorbereitende Maßnahmen. Zwaig hält eine noch stärkere Vernetzung mit Betrieben in der Region für wichtig, um durch persönliche Kontakte unter Umständen auch problematischen Jugendliche Chancen eröffnen zu können.

Den Unternehmen bieten die Zwaig-Aktivitäten die Möglichkeit, sich in der Region be-kannter zu machen und mit anderen Unternehmen und Institutionen Kontakte zu knüp-fen. Um die Kommunikation zwischen Unternehmen auf der einen und Jugendlichen und Lehrkräften auf der anderen Seite noch zu intensivieren, wird im Verein zurzeit über Veränderungen im Zuschnitt der Ausbildungsplatzbörsen diskutiert.

7.4 Stolpersteine und Erfolgsbedingungen

Notwendig für die Arbeit von Zwaig ist ein Stamm von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, weil diese die Arbeit zu einem großen Teil tragen. Eine Grundfinanz-ierung durch die beteiligten Kommunen hat diesen die Einrichtung eines Koordinations-büros und die Durchführung regelmäßiger Projekte ermöglicht und damit auch die Vor-aussetzung zur Werbung zahlender Mitglieder und Sponsoren geschaffen.

Um möglichst viele Jugendliche zu erreichen, ist ein enger persönlicher Kontakt zwi-schen Zwaig und den Schulen notwendig. So werden die Ausbildungsbörsen auf einer gemeinsamen Konferenz mit den Schulen vorbereitet. Eine gute Vor- und Nachberei-tung der Zwaig-Aktivitäten an den Schulen ist allerdings nicht immer gewährleistet, un-ter anderem, weil es nicht genügend Fachlehrer und -lehrerinnen für Arbeit und Wirt-schaft gibt. Eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Schulsozialarbeiterinnen und –sozialarbeitern wird dadurch erschwert, dass diese zum Teil nur geringe Stundenzah-len und/oder befristete Verträge haben.

Vergleichbare Projekte: Projekt Kommune Nähere Informationen und

Ansprechpersonen Jobstream Wesermarsch

Landkreis Wesermarsch Willy Bartels, BEA GmbH [email protected] www.jobstream-wesermarsch.de

Jugend in Ausbildung –wir engagieren uns

Gemeinde Weyhe Dieter Helms Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing der Gemeinde Weyhe Tel.: 04203/71-218 [email protected]

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Page 32: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

B Kooperationsprojekte an Berufsschulen und im Übergangssystem

1. Ausbildung – Bleib dran! (Bremen)

Mediation bei Ausbildungskonflikten (Mahlberg-Wilson/Mehlis/Quante-Brandt 2009, S. 3) Kommune: Stadtgemeinde Bremen (547.700 Einw.)

Beteiligte: Freie Hansestadt Bremen, Akademie für Arbeit und Politik der Uni-versität Bremen, berufsbildende Schulen in den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven, Arbeitsausschuss ‘Ausbildungsabbreche-rInnen’ (Bremen), Arbeitskreis ‘Vermeidung von Ausbildungsabbrü-chen` (Bremerhaven)

Laufzeit: Seit 2001; aktuelle Projektphase läuft seit 2009 bis Ende 2011

Finanzierung: Förderung durch den europäischen Sozialfonds (ESF) und die Senatorin für Bildung und Wissenschaft im Land Bremen

Nähere Informationen:

http://www.bleibdran.uni-bremen.de/index.php

Ansprechpersonen: Projektleitung: Eva Quante-Brandt Akademie für Arbeit und Politik der Universität Bremen Am Fallturm 1 28359 Bremen Tel.: (0421) 218-3359 [email protected]

Beratung und Vermittlung bei Ausbildungskonflikten: Ulf Kuhlemann Akademie für Arbeit und Politik der Universität Bremen Am Fallturm 1 28359 Bremen Tel.: (0421) 218-9020 [email protected]

1.1 Ziele und Aktivitäten

„Ausbildung - Bleib dran!“ wurde als Reaktion auf eine hohe Anzahl an Ausbildungsab-brüchen insbesondere im Bremer Handwerk initiiert. Im Hinblick auf den demograf-ischen Wandel und den steigenden Fachkräftemangel zeichnete sich ab, dass nicht nur die Quantität der verfügbaren Ausbildungsplätze eine zentrale Rolle spielt, sondern

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Page 33: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

auch die Ausbildungsqualität, welche maßgeblichen Einfluss auf den (positiven und ne-gativen) Verlauf einer Ausbildung ausüben kann. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des Projekts der Ausbildungsbegleitung ein hoher Stellenwert eingeräumt und eine Unterstützungsstruktur etabliert, die im wesentlichen auf zwei Säulen fußt: Zum einen wird präventiv gearbeitet, indem Berufsschulen, Auszubildende und Betriebe für die Bedeutung von Ausbildungskonflikten sensibilisiert werden und entsprechende Stra-tegien zur Konfliktbewältigung erlernen. Zu diesem Zweck bieten die zuständigen Mit-arbeiter/innen bei „Ausbildung – Bleib dran“ beispielsweise Unterrichtseinheiten zu den Themen „Konflikt und Konfliktbearbeitung“ in den sieben projektbeteiligten Schulen an und versuchen auf diese Weise eine grundlegende Sensibilisierung für bzw. eine Ent-tabuisierung von ausbildungsgefährdenden Konflikten zu erreichen und gleichzeitig deren prinzipielle Lösbarkeit in den Vordergrund zu stellen. Darüber hinaus werden in den beteiligten Schulen zu festen Zeiten offene Sprechstunden angeboten, die die Ju-gendlichen nutzen können, um Probleme in der Ausbildung anzusprechen und gemein-sam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die zweite Säule umfasst den Aspekt der Intervention: Im Konfliktfall besteht auf Wunsch des Auszubildenden die Möglichkeit, eine Ausbildungsmediation in Anspruch zu nehmen und den jeweiligen Betrieb in die durch „Ausbildung - Bleib dran!“ moderierte Konfliktbearbeitung einzubeziehen.

1.2 Kooperationsstruktur

Das Projekt „Ausbildung - Bleib dran!“ ist in ein weitgespanntes Netzwerk eingebettet: Als formale Gremien tagen in regelmäßigen Abständen der Arbeitsausschuss „Ausbil-dungsabbrecherInnen“ (Bremen) und der Arbeitskreis „Vermeidung von Ausbildungs-abbrüchen“ (Bremerhaven). Beide Arbeitskreise werden durch das Projekt koordiniert. An diesen Gremien beteiligen sich vielfältige Akteure, die Berührungspunkte mit dem Bereich der beruflichen Bildung aufweisen (z.B. die Agentur für Arbeit, die Bremer Ar-beitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis), das Landesinstitut für Schule, Betriebe, Handwerkskammer, Innungen, Berufsschulen, Träger der Jugendberufshilfe, Gewerkschaften). Thematisch werden dort alle Phänomene aus dem Bereich Ausbil-dungsabbrüche sowie zentrale Entwicklungen in der Bremer Bildungslandschaft und Politik diskutiert. Der Austausch in den Arbeitskreisen hat sich bislang als sehr ertrag-reich erwiesen. Da jeder Akteur einen anderen Blick auf die Situation Ausbildungsab-bruch hat, wurde ein kontinuierlicher Dialog über mögliche Ansatzpunkte zur Vermei-dung von Abbrüchen und zur Verbesserung der dualen Berufsausbildung in Gang ge-setzt, der auch in die Initiierung gemeinsamer Vorhaben münden kann. Die Zusam-mentreffen ermöglichen zudem persönliche Zugänge zu Akteuren, die auch über die Gremiensitzungen hinaus eine wichtige Rolle für die alltägliche Arbeit spielen: So über-nimmt „Ausbildung - Bleib dran!“ neben den Aufgaben der „Prävention“ und „Interven-tion“ auch eine „Lotsenfunktion“ zwischen den verschiedenen Beratungs- und Anlauf-stellen und vermittelt die Auszubildenden bei Bedarf an weitere Stellen aus unter-schiedlichen Kompetenzbereichen (z.B. an die schülerbezogene Beratung des Landes-instituts für Schule, an Suchtberatungsstellen, an die Schuldnerberatung). Zu diesem Zweck sind persönliche Kontakte zu Netzwerkpartnern unerlässlich, die auch außer-halb der formalen Gremienstrukturen schnell und unkompliziert aktiviert werden können.

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1.3 Ergebnisse und Perspektiven

Eine projektinterne Befragung von Auszubildenden, die in den vergangenen acht Jah-ren Beratung in Anspruch genommen hatten, hat ergeben, dass 61% nach Abschluss des Beratungs- oder Interventionsprozesses die Ausbildung im Betrieb fortgesetzt haben. Weitere 15% haben ihre Ausbildung zumindest in einem anderen Betrieb oder Beruf fortgesetzt bzw. haben in eine weiterführende schulische Ausbildung gewechselt (3%). Lediglich 14% haben ihre Ausbildung - zunächst ohne weitere Perspektive – ab-gebrochen (Mahlberg-Wilson/Mehlis/Quante-Brandt 2009, S. 34). Die Erfolgsquote wird auf das frühzeitige Eingreifen des Beratungsteams zurückgeführt: Waren Konflikte bereits stark eskaliert und hatte der Wunsch, das Ausbildungsverhältnis zu beenden, sich bereits stark verfestigt, war die Bereitschaft zur Konfliktvermittlung oft nicht mehr vorhanden“ (ebd.). Eine vom IAW befragte Kooperationsschule gibt darüber hinaus zu bedenken, dass auch die Art des jeweiligen Konflikts über die Erfolgsaussichten der Maßnahme entscheidet: So gebe es „grundlegende Konflikte“, die z.B. aus einem man-gelnden Passungsverhältnis zwischen Auszubildenden und Betrieb resultieren und deshalb kaum lösbar seien. Allerdings räumt die Schule ein, dass auch kleinere Konflikte oftmals mit einem Ausbildungsabbruch oder einer Kündigung enden und es sich in diesen Fällen lohnt, frühzeitig durch eine externe Beratungsinstanz zu inter-venieren.

Perspektivisch ist eine fachliche Verstetigung des Konzepts durch eine stärkere Ver-schränkung der Beratungsarbeit mit der Schulentwicklung vorgesehen: Hierzu soll ex-emplarisch an drei Schulen das Beratungsangebot mit dem Qualitätssicherungssystem “Qualitätsevaluation und Qualitätsentwicklung in der Sekundarstufe 2 (Q2E = Qualität durch Evaluation und Entwicklung)” verbunden werden. Auf diese Weise erhofft man sich eine stärkere Institutionalisierung des Beratungsangebots. Grundsätzlich ist auch eine Erweiterung des Beratungskonzepts um Qualifizierungsaufgaben – z.B. im Rah-men der schulinternen Fortbildung von Lehrkräften – angedacht, um auch Schulakteure im souveränen Umgang mit ausbildungsgefährdenden Konflikten zu schulen. Das externe Beratungspersonal wird dadurch allerdings nicht überflüssig: Um den Aufgaben der Beratung und Konfliktbewältigung gerecht werden zu können, wird immer wieder eine „Mittlerinstanz“ zwischen Schulen und Betrieben mit unabhängiger Position benötigt. Auch um das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen, muss die Be-ratung neutral bleiben und nicht „als verlängerter Arm der Schule“ agieren.

1.4 Erfolgsbedingungen und Stolpersteine

Neben der Neutralität spielt auch die personelle Kontinuität der beratend Tätigen eine zentrale Rolle, die auf Basis von Drittmittelfinanzierung allerdings nur unzureichend ge-währleistet ist. Eine personelle Verstetigung der Beratung durch Regelfinanzierung kann zur langfristigen Qualitätssicherung des Konzepts beitragen.

Das zentrale Erfolgsrezept des Konzepts ist die frühzeitige Intervention: Nur die früh-zeitige Konfliktbewältigung bietet eine realistische Chance der Deeskalation. Zu die-sem Zweck ist es unerlässlich für die Jugendlichen ein niedrigschwelliges Beratungs-angebot zur Verfügung zu stellen. Als erfolgversprechend haben sich diesbezüglich die offenen Sprechstunden an den jeweiligen Berufsschulen herausgestellt. Darüber hin-aus ist eine gute Zusammenarbeit zwischen den beratend Tätigen und den Schulen bzw. den Lehrkräften notwendig: Wichtig ist eine entsprechende „Feedback-Kultur“, innerhalb derer sich alle Beteiligten über den weiteren Entwicklungsverlauf des Ju-gendlichen gegenseitig in Kenntnis setzen.

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Um der Vielfalt der ausbildungsgefährdenden Konflikte zu begegnen, ist eine gute Ver-netzung zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Kompetenzbereichen eine wesent-liche Erfolgsbedingung. Für die Stabilisierung dieser Netzwerkstrukturen hat sich in diesem Fall eine Mischung von Akteuren aus praktischen und wissenschaftlichen Be-reichen bewährt: So konnte zu manchen Institutionen z.B. ein leichterer Zugang durch die Universität hergestellt werden, weil dann von einer „gewissen Fachlichkeit“ der Pro-jekte ausgegangen wird. Dies gilt allerdings nur, so lange auch ausreichend „Praktiker“ einbezogen werden – eine rein wissenschaftliche Projektausrichtung würde nicht auf die entsprechende Akzeptanz stoßen. Für eine nachhaltige Stabilisierung der Netz-werkstrukturen ist es zudem wichtig, nicht nur freie, sondern auch öffentliche Träger einzubinden.

Um darüber hinaus eine grundlegende Akzeptanz des Projekts bei den unterschied-lichen Wirtschaftsunternehmen zu erreichen, empfiehlt sich die Einbindung von „Schlüsselakteuren“ (z.B. Kammern und Innungen), die als „Türöffner“ fungieren. Dennoch bleibt die Einbindung der Betriebe eine der größten Herausforderungen. Ob-wohl das Verständnis für den demografisch bedingten Fachkräftemangel wächst, öff-nen sich noch längst nicht alle Betriebe für neue und präventive Ansätze. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass vor allem kleinere Betriebe eher kurz- als lang-fristige Personalstrategien verfolgen und oftmals erst dann handeln, wenn bereits ein massiver Konflikt aufgetreten ist, der das Ausbildungsverhältnis bedroht. Zum anderen scheuen viele Betriebe aber auch die „Einmischung“ von außen. Es ist daher wichtig, zunächst einige wenige Betriebe zu gewinnen, die dann ihre positiven Erfahrungen via „Mund-zu-Mund-Propaganda“ in andere Betriebe tragen.

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2. Kreativwoche an der Allgemeinen Berufsschule (Bremen-Walle)

Abschlussveranstaltung der Kreativwoche und Werkstattarbeit

Kommune: Stadtgemeinde Bremen, Stadtteil Walle (27.720 Einw.)

Beteiligte: Allgemeine Berufsschule Bremen (ABS), Zentrum für Schule und Beruf Bremen (ZSB), Kulturwerkstatt Westend

Laufzeit: Seit 2002

Finanzierung: Wechselnde Drittmittelfinanzierungen (z.B. durch „Vielfalt Bremen“, „Stadt der vielen Kulturen“, den Rotary-Club etc.). Kosten pro Kreativwoche: 3000-5000€

Nähere Informationen: http://vielfalt-bremen.de/toleranz/admin/attachviewer.php?typ=Thema&dateiorig=We+come+together1.pdf&dateiverzeichnis=51072&dateiname=a9b5432cfa32066ae52f0d7c765aa397

Ansprechpersonen: Erika Bosecker Allgemeine Berufsschule Bremen Steffensweg 171 28217 Bremen Tel. 0421-361-19631 [email protected]

Stylianos Eleftherakis Kulturwerkstatt Westend Waller Heerstr. 294 28219 Bremen Tel. 0421-61 60 455 [email protected]

Koray Arslan Zentrum für Schule und Beruf Steffensweg 171 28217 Bremen Tel. 0421-36119668 [email protected]

2.1 Ziele und Aktivitäten

Die allgemeine Berufsschule (ABS) im Bremer Stadtteil Walle ist eine zentrale Schule der Ausbildungsvorbereitung, die sich an Schüler und Schülerinnen richtet, die die Sek-undarstufe I ohne Abschluss bzw. ohne Anschlussperspektive in eine weiterführende Schule oder Ausbildung verlassen haben. Außerdem lernen hier spätzugewanderte Ju-gendliche ohne bzw. mit geringen Deutschkenntnissen im Rahmen der Berufsorientier-ung die deutsche Sprache. Nahezu 70% der Jugendlichen haben einen Migrationshin-tergrund. Es gibt Schülerinnen und Schüler, die bereits strafrechtlich auffällig waren. Die Schule hat die Aufgabe, diese sehr heterogene Gruppe an der Schwelle des Über-gangs „Schule-Beruf“ aufzufangen und sie so zu qualifizieren, dass sie in der Lage sind, eine persönliche und berufliche Lebensplanung zu entwickeln und sich gesell-schaftlich zu integrieren. In diesem Zusammenhang kommt der Entwicklung von „kul-tureller Kompetenz“ und der Gleichzeitigkeit von sozialem und kulturellem Lernen eine

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besondere Bedeutung zu: Ein wichtiges Instrument ist hierbei die „Kreativwoche“, die in Kooperation mit der Kulturwerkstatt Westend und dem Zentrum für Schule und Beruf (ZSB) durchgeführt wird. Ziel der einwöchigen Projektwoche ist es, mithilfe von kreativen und künstlerischen Ansätzen die wechselseitige Akzeptanz der Kulturen zu fördern und das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken. Zeitgleich werden soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeiten, Verantwortungsgefühl, Zuver-lässigkeit, Rücksichtnahme, Durchhaltevermögen und Teamarbeit und damit zentrale berufsrelevante Qualifikationen gefördert.

Im Rahmen der Kreativwoche wird eine Vielzahl an unterschiedlichen Workshops von externen Künstlern und Künstlerinnen zu einem breiten Themenspektrum - von Break-dance über Trommeln, Bildhauerei, digitale Bildbearbeitung, Video bis hin zu orientali-schem Tanz und Standardtanz - angeboten. Die Jugendlichen ordnen sich gemäß ihrer Interessen verbindlich einem Workshop zu; die regulären Klassenstrukturen sind währ-end dieses Zeitraumes aufgehoben. Die Kreativwoche endet mit einer öffentlichen Abschlussveranstaltung, auf der die Arbeitsergebnisse präsentiert werden. Das Projekt nutzt damit einen kreativ-künstlerischen Ansatz, der sonst nur von einigen allgemeinbil-denden Schulen umgesetzt wird, erfolgreich für die Qualifizierung von Jugendlichen im Übergangssystem.

2.2 Kooperationsstruktur

Die Kreativwoche wird in Zusammenarbeit zwischen der Allgemeinen Berufsschule (ABS), dem Zentrum für Schule und Beruf (ZSB) und der Kulturwerkstatt Westend durchgeführt. Die Koordination des Projekts liegt bei der stellvertretenden Schulleiterin der ABS und einer Projektgruppe Kreativwoche. Während der Kreativwoche arbeiten die Projektpartner „Hand in Hand“: Die einzelnen Angebote werden hauptverantwortlich von den verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern durchgeführt. Die Lehrkräfte ordnen sich – genau wie die Schüler/innen - als Teilnehmer/innen den einzelnen Work-shops zu. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die i.d.R. pädagogisch nicht ausgebildeten Künstlerinnen und Künstler bei Konflikten unterstützt werden. Das Zentrum für Schule und Beruf als fester Kooperationspartner der Allgemeinen Berufsschule stellt die sozialpädagogische Begleitung während der Projektwoche sicher und bietet ebenso wie einzelne Lehrkräfte auch eigene Workshops an. Die Kulturwerkstatt Westend ist ebenfalls an der Konzepterstellung und Organisation beteiligt, vermittelt die Kontakte zu externen Künstlerinnen und Künstlern, die mit einem Honorar vergütet werden, und stellt bei Bedarf Räume zur Verfügung. Die Kooperationsbeziehungen zwischen den Projektbeteiligten zeichnet sich durch informelle Strukturen aus: Es gibt keine regelmäßigen, formalen Treffen, sondern bedarfsorientierte, anlassbezogene Zusammenkünfte.

2.3 Ergebnisse und Perspektiven

Der künstlerisch-kreative Ansatz ist aus Sicht der Beteiligten gut geeignet, um beson-ders benachteiligte, bildungsferne Zielgruppen zu erreichen. Die Besonderheit der Kre-ativwoche liegt in der Gleichzeitigkeit von künstlerisch-kreativen bzw. kulturellen Er-fahrungen und dem Erwerb sozialer Kompetenzen: Viele Jugendlichen haben bereits Erfahrungen mit dem „klassischen“ Sozialtraining gemacht und setzen dieses mit schu-lischem Unterricht gleich. Im Rahmen der Kreativwoche steht stattdessen das künstler-ische Arbeiten im Vordergrund, welches den Erwerb sozialer Kompetenzen „beiläufig“, d.h. von den Schülerinnen und Schülern quasi unbemerkt, fördert.

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Page 38: Studie "Schulen und Arbeitsmarkt"

Dass sich dieses Konzept bewährt, leiten die Beteiligten aus ihren Beobachtungen während und nach der Kreativwoche ab: So stellen sie unter anderem fest, dass sich die Schüler/innen im Vergleich zum normalen Schulalltag „stärker öffnen“ und den Arbeitsaufgaben mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit und Begeisterungsfähigkeit begegnen. Diese Erfahrungen und Beobachtungen verändern auch den Blickwinkel der Lehrkräfte auf die Jugendlichen – zum Teil entdecken diese sehr talentierte Schü-lerinnen und Schüler. Hilfreich wirkt sich hierbei der Umstand aus, dass die Lehrkräfte selbst aktiv an den Workshops teilnehmen und keine Leitungsfunktion ausüben. Darüber hinaus lässt sich unter den Jugendlichen eine Gruppendynamik beobachten, die zunehmend von Teamgeist, Zielstrebigkeit und Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Die Jugendlichen sorgen im Bemühen um ein erfolgreiches Endprodukt in der Regel selber dafür, dass kein Teammitglied „aus der Reihe tanzt“ und an einem Strang gezogen wird.

Als zentrales Ergebnis der Kreativwoche wird auch die Förderung interkultureller Kom-petenzen betrachtet. An der Allgemeinen Berufsschule (ABS) sind viele unterschied-liche Nationalitäten vertreten, was im normalen Schulalltag zu Konflikten führen kann. Nicht selten verbergen sich dahinter sprachlich bedingte Verständigungsprobleme. Künstlerische Ansätze können in einem zwangloseren Setting dazu beitragen, sich auf andere Art und Weise zu verständigen und besser kennen zu lernen (z.B. „Musik als Sprache“). Die zusätzliche Auflösung der regulären Klassenstrukturen während der Kreativwoche trägt des Weiteren dazu bei, unterschiedliche Schülergruppen in einem anderen Kontext als dem Schulunterricht zusammenzubringen. Zum Teil lösen sich da-durch „Nationalitätscliquen“ auf und das Sozialklima an der Schule gestaltet sich nach-haltig „milder“.

Wesentlicher Erfolgfaktor der Kreativwoche ist die Möglichkeit, „kleine Erfolge zu orga-nisieren“, da am Ende ein konkret „fassbares“ Arbeitsergebnis steht (z.B. in Form eines Produktes oder einer neu erlernten Fähigkeit in Kombination mit einer Ausstellung oder Präsentation). Dadurch erleben die Jugendlichen Selbstwirksamkeit und eine öffent-liche Anerkennung ihrer Leistungen, die ihnen die Erfahrung vermittelt: „Mensch, wir können ja was!“ (Projektmitarbeiter). Mithilfe dieser Erfolgserlebnisse, die ansonsten im Alltag der Jugendlichen eine geringere Rolle spielen, wird das Selbstbewusstsein der Schüler/innen nachhaltig gestärkt.

2.4 Erfolgsbedingungen und Stolpersteine

Auf der konkreten Umsetzungsebene hängt der pädagogische Erfolg der Kreativwoche maßgeblich von einem zielgruppengerechten Zuschnitt ab: Damit die Angebote den erwünschten Effekt erzielen, werden sie möglichst „barrierefrei“, d.h. weitestgehend be-freit vom Anspruch „Kunst ist etwas ganz Großes“ gestaltet und weisen einen Bezug zur Lebenswelt der Jugendlichen auf. So spielen z.B. Musik oder Tanz eine wichtige Rolle im Leben der Jugendlichen und auch die Auseinandersetzung mit unterschied-lichen kulturellen Einflüssen weist direkte Berührungspunkte zum Alltagserleben der Jugendlichen auf.

Bei der Konzeption der Angebote spielen zudem die unterschiedlichen Charaktereigen-schaften und Bedürfnisse der Jugendlichen eine wichtige Rolle: Während einige Schü-lerinnen und Schüler stark von einem öffentlichen Auftritt bei der Abschlussveran-staltung profitieren, fühlen sich andere mit dieser Aufgabe überfordert und scheuen das „Rampenlicht“. Um eine bestmögliche Förderung aller Schüler/innen zu erreichen, hat es sich bewährt, die individuellen Voraussetzungen zu berücksichtigen und sowohl

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Angebote für extrovertierte als auch für introvertierte Schüler/innen zu konzipieren. Mit Blick auf die unterschiedlichen Nationalitäten und kulturellen Einflüsse bietet es sich darüber hinaus an, in einigen Fällen Angebote nur für Mädchen vorzuhalten.

Der Erfolg bzw. die Wirksamkeit der Kreativwoche begründet sich nicht zuletzt mit der qualitativ hochwertigen Umsetzung des Konzepts. Mit der Kulturwerkstatt Westend und den Künstlerinnen und Künstlern bekommt die Kreativwoche einen professionellen Rahmen, innerhalb dessen sich die Jugendlichen entfalten können. Allerdings tun sich an dieser Stelle auch erste Grenzen auf: Nicht alle gut ausgebildeten Künstlerinnen und Künstler sind bereit, zu den vergleichsweise niedrigen Honorarsätzen (ca. 500€ die Woche) zu arbeiten und haben deshalb bereits eine Zusammenarbeit abgelehnt. Dass es der Schule aber dennoch immer wieder gelingt, eine Reihe gut qualifizierter Kräfte für die Projektwoche zu gewinnen, ist vor allem auf die enge Zusammenarbeit mit der Kulturwerkstatt Westend zurückzuführen, die über entsprechende Kontakte verfügt. Dabei greift die Allgemeine Berufsschule gerne auf bewährte Personen zurück, die mit den schulischen Strukturen bereits vertraut sind. Ihrerseits achtet die Schule darauf, die Jugendlichen rechtzeitig auf die Kreativwoche „einzustimmen“ und im Vorfeld mit allen Beteiligten deren Erwartungshaltung abzuklären.

Da die Kreativwoche nur durch Drittmittel finanziert werden kann, setzen die Antrags-, Organisations- und Abstimmungsarbeiten einen langfristigen Planungsprozess voraus, der zeitlicher Ressourcen bedarf. An der Schule wird mindestens eine Person benötigt, die über den zeitlichen Freiraum verfügt, Anträge zu schreiben, Abrechnungen vorzu-nehmen, das Projekt zu koordinieren und sich mit den Partnern abzustimmen. Auch auf Seiten der Kooperationspartner werden verlässliche Ansprechpersonen benötigt, die das Projekt mittragen. Die unsicheren Rahmenbedingungen – nicht nur im Hinblick auf die Finanzierung der Kreativwoche, sondern auch hinsichtlich der Grundausstat-tung der Kooperationspartner - lässt das Vorhaben jährlich zu einer erneuten „Zitter-partie“ werden. Neben der grundlegenden Planungsunsicherheit empfinden die Be-teiligten auch die Prozedur der jährlichen Projektbeantragung als problematisch: Für die Mittelakquise müsse ein auf Vertiefung und Nachhaltigkeit angelegtes Projekt jähr-lich als „Novum“ dargestellt werden, was die Antragarbeit unnötig erschwere.

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3. Verbundausbildung „Außenbahn“ (Bremen)

Jugendliche im Einsatzunternehmen

Kommune: Stadtgemeinde Bremen (547.700 Einw.), Stadtteil Walle (27.720 Einw.)

Beteiligte: Allgemeine Berufsschule Bremen (ABS), Zentrum für Schule und Beruf Bremen (zsb), Ausbildungsgesellschaft Bremen mbH (ABiG)

Laufzeit: Seit 2008

Finanzierung: Ausbildungsvergütungen der Jugendlichen und eine halbe Stelle für die begleitende Sozialpädagogin werden durch die ABiG gezahlt

Nähere Informationen: http://www.abig.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen02.c.742.de

Ansprechpersonen: Manfred Mollenhauer Allgemeine Berufsschule Bremen Steffensweg 171 28217 Bremen Tel. 0421-36119640 [email protected]

Vanessa Jones Zentrum für Schule und Beruf Steffensweg 171 28217 Bremen Tel. 0421 - 38 35 40 [email protected]

Kirsten Schüller Ausbildungsgesell-schaft Bremen mbH (ABiG) Doventorscontre-scarpe 172 B 28195 Bremen Tel. 0421- 361 59944 Kirsten.Schueller @afz.bremen.de

1. Ziele und Aktivitäten

Die Ausbildungsvorbereitenden Bildungsgänge der Allgemeinen Berufsschule (ABS) richten sich an Jugendliche aus der Stadtgemeinde Bremen, die nach 10 Schulbe-suchsjahren keine Anschlussperspektive in Schule und Ausbildung gefunden haben und zu einem großen Teil Vermittlungshemmnisse (z.B. schlechte Schulzeugnisse, in-stabile Familienverhältnisse, Migrationsbenachteiligungen oder demotivierende Bewer-bungserfahrungen) aufweisen. Diese Jugendlichen absolvieren im Rahmen ihrer

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Schulpflicht einjährige, ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge der ABS und erfahren in diesem Kontext eine Kombination aus individueller Förderung und praxisnaher Berufsorientierung. Hierbei werden die Schüler/innen durch ein Pädagogenteam, das sich aus ein bis zwei Lehrkräften der Schule und einer Mitarbeiterin oder einem Mitar-beiter des Zentrums für Schule und Beruf (zsb) zusammensetzt, kontinuierlich begleitet und u.a. beim Aufbau berufsbezogener Qualifikationen und sozialer Kompetenzen unterstützt. Die berufliche Orientierung an der ABS umfasst intensive Langzeitpraktika in Betrieben, die den Prozess der Berufsorientierung festigen und die Chance auf einen erfolgreichen Übergang in Ausbildung oder eine weitere schulische Qualifizier-ung erhöhen sollen. Die Langzeitpraktika (5-10 Wochen) werden durch Betriebsbe-suche der zuständigen Pädagoginnen und Pädagogen und einen begleitenden Unterrichtstag in der Woche fachlich begleitet. Jugendliche, die in diesem Zeitraum erfolgreiche Praktika absolviert haben und lediglich deswegen nicht in eine Ausbildung übernommen werden, weil es den in Frage kommenden Betrieben an finanziellen Ressourcen fehlt, können von der Zusammenarbeit zwischen der Allgemeinen Berufsschule, dem Zentrum für Schule und Beruf und der Ausbildungsgesellschaft Bremen mbH (ABiG) profitieren: Mit Hilfe der finanziellen und administrativen Unter-stützung der ABiG können bei Vorliegen aller relevanten Voraussetzungen Jugendliche aus ausbildungsvorbereitenden Bildungsgängen bei der ABiG in ein Ausbildungsver-hältnis übernommen werden. Die ABiG schließt dabei die Ausbildungsverträge, zahlt die Ausbildungsvergütung und regelt die Vertrags- und Personalangelegenheiten – die Betriebe stellen im Gegenzug ihre Ausbildungskapazitäten zur Verfügung.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Maßnahme ist allerdings eine vorheri-ge Einschätzung des Pädagogenteams, dass die Ausbildung voraussichtlich erfolg-reich abgeschlossen werden kann. Die Einschätzung erfolgt auf Basis eines festgeleg-ten Kriterienkatalogs, der u.a. vorsieht, dass die schulischen Leistungen der Jugend-lichen mit dem Berufswunsch übereinstimmen, eine praktische Eignung für den Beruf vorliegt, eine regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme an Unterricht und Praktika statt-gefunden hat und die Jugendlichen mit alltäglichen Konfliktsituationen umgehen können. Bei der Überprüfung der Auswahlkriterien spielt vor allem auch die Ein-schätzung des jeweiligen Betriebes eine zentrale Rolle, der sich auf Basis der Lang-zeitpraktika eine fundierte Meinung bilden konnte. Jugendliche, die diesen Auswahl-kriterien nicht entsprechen, können dieses Modell der Verbundausbildung nicht in An-spruch nehmen.

Alle Jugendlichen, die in die Verbundausbildung der ABiG übernommen wurden, werden während der Ausbildung von einer Mitarbeiterin des zsb weiterhin betreut. Diese Form der „Nachsorge“ in Form von Beratung und Betriebsbesuchen, soll nach-haltig den positiven Ausbildungsverlauf sicherstellen.

2. Kooperationsstruktur

Die Verbundausbildung beruht auf der Zusammenarbeit zwischen der Ausbildungsge-sellschaft Bremen mbH (ABiG), der Allgemeinen Berufsschule Bremen (ABS) und dem Zentrum für Schule und Beruf Bremen (zsb). Während die ABiG vor allem für den administrativen und finanziellen Teil der Verbundausbildung zuständig ist, übernehmen die Allgemeine Berufsschule und das zsb die pädagogischen Aufgaben. Die Zusam-menarbeit ist in zwei Phasen unterteilt. Die erste Phase erfolgt in der Zeit, in der die Jugendlichen Schüler/innen der ABS sind. In dieser Phase übernimmt das Pädagogen-team (zsb und ABS) gemeinsam die Förderung der Schüler/innen und unterbreitet der ABiG Vorschläge, welche Kombination aus Betrieb und Schüler/in für eine Förderung

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durch die ABiG in Frage kommt; diese überprüft im Gegenzug die jeweiligen Vorschlä-ge. In der zweiten Phase kooperiert die ABiG insbesondere mit den Betrieben: Sie un-terstützt die Betriebe bei administrativen Fragen (z.B. Ausbildungsberechtigung, Ver-tragsgestaltung etc.) und führt Gespräche mit Vorgesetzten und Lehrkräften der Be-rufsschulen, während die zuständige Pädagogin des zsb regelmäßig die Jugendlichen in den Betrieben aufsucht, um deren Entwicklungsprozesse begleiten und einschätzen zu können. Im Bedarfsfall kann sie von den Ausbilderinnen und Ausbildern angespro-chen und bei Klärungsprozessen hinzugezogen werden.

3. Ergebnisse und Perspektiven

Mit Hilfe der Verbundausbildung („Außenbahn“) wurden in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt 35 betriebliche Ausbildungsplätze in 18 verschiedenen Ausbildungsberufen für Jugendliche mit besonderen Vermittlungshemmnissen und Marktbeteiligung neu geschaffen. Dies bezieht sich vor allem auf kleine und mittelständische Unternehmen, die durch die finanzielle und administrative Entlastung zusätzliche Ausbildungskapa-zitäten zur Verfügung stellen konnten. Da der erste Ausbildungsdurchgang innerhalb des Verbundes erst 2011 beendet sein wird, ist der langfristige Erfolg der Maßnahme derzeit noch nicht abzusehen. Es zeichnet sich allerdings ab, dass das breit angelegte Förderkonzept mit ausgedehnten Praxisphasen und das passgenaue Auswahlverfahr-en Ausbildungsabbrüchen offenbar präventiv vorbeugen können.

Grundsätzlich können mit diesem Konzept auch Jugendliche mit diversen Vermittlungs-hemmnissen erreicht werden. Das Stigma „Benachteiligung“ kann durch individuelle Förderung überwunden und Jugendliche mit Bildungsdefiziten und sozialen Herkunfts-nachteilen in den ersten Ausbildungsmarkt integriert werden. Einige Betriebe berichten beispielsweise, dass nur die Langzeitpraktika dazu geführt hätten, Jugendlichen, die im normalen Bewerbungsverfahren aufgrund ihrer mangelnden Präsentationsfähigkeiten keine Chance gehabt hätten, doch einen Ausbildungsplatz anzubieten.

4. Erfolgsbedingungen und Stolpersteine

Einen zentralen Erfolgsfaktor sehen die Beteiligten in der Langfristigkeit und besonde-ren Zusammensetzung ihres umfassenden Ausbildungsvorbereitungs- und Förderkon-zeptes: Insbesondere die konsequente Mischung aus individueller Begleitung, der ge-zielten Förderung sozialer Kompetenzen (z.B. Konfliktfähigkeiten), der starken Praxis-orientierung durch Langzeitpraktika und dem passgenauen Auswahlverfahren trägt zum Vermittlungserfolg bei. Dabei berücksichtigt das Auswahlverfahren auch aus-drücklich die Einschätzung der beteiligten Betriebe. Auch die „Nachsorge“ in Form der weiterführenden Ausbildungsbegleitung wird als wesentliches Erfolgselement betrach-tet, da individuelle Problemstellungen der Jugendlichen im Rahmen der Ausbildung ge-meinsam und frühzeitig bearbeitet werden können. Voraussetzung hierfür ist ein durch regelmäßige Besuche der zsb-Mitarbeiterin in den Betrieben gewachsenes Vertrauens-verhältnis und die arbeitgeberunabhängige Position der Ausbildungsbegleiterin. Die meisten Betriebe begrüßen die regelmäßigen Betriebsbesuche und betrachten diese als Entlastung, da sie sich z.T. mit den schwierigen Problemlagen ihrer Auszubilden-den überfordert fühlen. Manchmal wird es allerdings kritisch gesehen, dass bei intern-en Konflikten eine außenstehende Person Einblicke in die ungelösten Probleme des Betriebes erhält. Da die Dreieckskommunikation zwischen den Jugendlichen, den Betrieben und den Lehrkräften aber als unerlässliches Erfolgskriterium betrachtet wird,

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gilt es, eine entsprechende Überzeugungsarbeit zu leisten und die Betriebe zu mehr Offenheit und Zusammenarbeit zu bewegen.

Die durch die ABiG geförderten Ausbildungen bieten bildungsbenachteiligten aber mo-tivierten Jugendlichen die zusätzliche Möglichkeit, einen vollqualifizierenden Berufsab-schluss im dualen System zu erwerben. Gerade dies wird als wesentlicher Gewinn des Konzepts betrachtet: Stigmatisierende Effekte einer vollzeitschulischen Ausbildung, die in vielen Fällen eine spätere Einmündung in den Arbeitsmarkt verhindern, könnten so vermieden werden. Das Konzept der Verbundausbildung bietet zudem die Möglichkeit, nicht (mehr) ausbildenden Betrieben einen risikofreien (Wieder)Einstieg ins Aus-bildungsgeschäft zu ermöglichen, da die ABiG den Ausbildungsvertrag abschließt. Allerdings gelten dann auch die Bedingungen der ABiG, die im Hinblick auf Arbeits-zeiten, Urlaubstage oder Überstundenregelungen nicht unbedingt mit denen des Be-triebes deckungsgleich sein müssen, was zu klärungsbedürftigen Konflikten führen kann. Nicht alle Berufszweige können mit dem Konzept der Verbundausbildung ver-mittelt werden. Manche Ausbildungsberufe (z.B. Zimmermann oder Dachdecker) sind an eine Reihe von teuren Zusatzqualifikationen gekoppelt, deren Kosten das Budget der ABiG übersteigen würden. Grundsätzlich setzt das Bremer Konzept der Verbund-ausbildung einen klaren politischen Willen und die Bereitschaft zur Finanzierung durch öffentliche Mittel voraus.

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III Schlussfolgerungen und Empfehlungen

A Verbesserung von Berufsorientierung durch Kooperationsprojekte – Handlungsfelder, Erfolgsbedingungen und Grenzen

1. Erleichterung von Übergängen

Viele der vorgestellten Projekte organisieren abgestimmte Unterstützungsangebote für Jugendliche beim Übergang von der Schule in Ausbildung oder Beruf. Dazu gehört zu-nächst die Förderung der Kommunikation zwischen Jugendlichen und Unternehmen, damit Jugendliche bessere Einblicke in die Anforderungen der betrieblichen Praxis und verschiedene Berufsbilder erhalten. So werden in Stuhr Betriebskurse für Jugendliche organisiert, in denen Unternehmen umfangreiche Informationen über die Ausbildungs-berufe im Unternehmen vermitteln und den Jugendlichen die Möglichkeit bieten, einzel-ne Arbeitsschritte praktisch zu erproben. In Delmenhorst, Ganderkesee und im LK Oldenburg werden im Rahmen der Initiative „Zukunftswerkstatt Ausbildungsplatzinitia-tive“ regelmäßig Ausbildungsplatzbörsen organisiert und reale Bewerbungssituationen in Betrieben mit Personalverantwortlichen durchgespielt. In Syke ermöglicht die Koope-ration der Haupt- und Realschule mit der Berufsbildenden Schule die Ergänzung des regulären Unterrichts durch eine berufliche Grundbildung.

Diese Aktivitäten werden häufig ergänzt durch maßgeschneiderte Beratungsangebote. In Achim werden Jugendliche beispielsweise bei der Berufswegplanung und bei der Suche nach einem Praktikums- oder Ausbildungsplatz von ehrenamtlichen Paten unterstützt. In Bremen bietet das Projekt „Ausbildung- Bleib dran“ ein Informations- und Beratungsangebot zur Bewältigung von Ausbildungskonflikten.

Ein wesentlicher Erfolg dieser Ansätze liegt in einer Verbesserung der Einblicke von Jugendlichen in den betrieblichen Alltag und der Kontakte zu Unternehmen. Die Ju-gendlichen werden zum einen in die Lage versetzt, eine fundiertere Berufswahl zu treffen und können zum anderen dank der Hinweise von Praktikern gezieltere Strate-gien zur Verwirklichung ihres Berufswunsches entwickeln. Dadurch wird auch ebenso wie durch gezielte Beratungsangebote während der Ausbildung der Gefahr eines Aus-bildungsabbruchs vorgebeugt.

Darüber hinaus tragen die Kooperationsprojekte auch dazu bei, die Chancen von Ju-gendlichen mit besonderem Förderbedarf und/oder schlechten Schulleistungen auf Ab-solvierung einer dualen Ausbildung zu verbessern. In Praxiseinsätzen oder Betriebs-kursen können Jugendliche ihr Engagement unter Beweis stellen und damit u.U. im späteren Bewerbungsverfahren auch schlechtere Schulnoten ausgleichen. Durch die passgenaue Vermittlung und die begleitende sozialpädagogische Betreuung in Mo-dellen wie der Verbundausbildung kann schließlich erreicht werden, dass Unternehmen auch Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf eine Ausbildung anbieten.

Die Unternehmen profitieren von der verstärkten Zusammenarbeit mit den Schulen da-durch, dass sie sich als Ausbildungsbetrieb in der Region bekannt machen und Kontakt zu potenziellen Nachwuchskräften erhalten. Dieser Kontakt kann Unternehmen auch Hinweise darauf geben, wie sie die Ausbildung in ihrem Unternehmen für die Jugend-lichen attraktiver machen können und damit sowohl ihre Chancen bei der Gewinnung von Auszubildenden erhöhen als auch Ausbildungskonflikten vorbeugen. Besonders in kleineren Kommunen erklären Unternehmen ihr Engagement auch als Ausdruck von sozialer Verantwortung: So konnten die an den Stuhrer Betriebskursen beteiligten Unternehmen lediglich zwei Jugendliche direkt als Auszubildende rekrutieren; sie

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betrachten die Betriebskurse aber dennoch als Erfolg, weil sie Jugendliche bei der Berufsorientierung unterstützen konnten.

Was ist das Erfolgsrezept von Kooperationsprojekten zur Förderung von Berufsorien-tierung und Übergängen? Aus pädagogischer Perspektive ist eine wichtige Voraus-setzung, dass Schulen ihre Berufsorientierungskonzepte langfristig anlegen und den Jugendlichen unterschiedliche, aufeinander aufbauende oder sich gegenseitig er-gänzende Orientierungs- und Praxisphasen anbieten. So haben Schulen gute Erfahr-ungen damit gemacht, in den unteren Klassen kleinere Praxiseinsätze zu organisieren, um den Schülerinnen und Schülern einen Überblick über verschiedene Arbeitsumge-bungen zu vermitteln und in den höheren Klassen längerfristige Praktika durchzu-führen, die ähnlich wie die ersten drei Monate der dualen Ausbildung strukturiert sind. Eine Fortführung der Begleitung und Beratung durch die Schule oder soziale Organi-sationen auch während der Ausbildung steigert die Chancen auf einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss.

Wie kann vor diesem Hintergrund die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Partnern so organisiert werden, dass beide Seiten davon profitieren? Der Organisationsaufwand für beide Seiten wird zunächst durch die räumliche Nähe von Schule und Unternehmen verringert. Da Unternehmen in der Regel nur wenig Zeitressourcen für gemeinsame Planung haben, hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass Schule und Kommune neue Projekte zunächst gründlich planen und erst dann Kontakt zu potentiellen Partnerunter-nehmen aufnehmen. Die Zusammenarbeit wird erleichtert, wenn auf beiden Seiten fes-te Ansprechpartner/innen benannt und zentrale Rahmenbedingungen der Kooperation – z.B. Aufgabenverteilung und Haftungsfragen – schriftlich festgehalten werden. Um den Jugendlichen Zugang zu einer Vielzahl von Unternehmen und zu bedarfsgerech-ten Unterstützungs- und Beratungsangeboten verschaffen zu können, ist die Einrichtung eines breiten lokalen Netzwerks aus Schulen, Kammern und Innungen bzw. lokale Arbeitskreise der Wirtschaft und kommunalen Institutionen erforderlich.

Auch bei guter Organisation der Zusammenarbeit stoßen Kooperationsprojekte zur Er-leichterung von Übergängen aber immer wieder an Grenzen. Die Verzahnung von Praxiserfahrungen und Unterricht ist stark vom Engagement einzelner Lehrkräfte abhängig und gelingt längst nicht in allen Fällen. Der Einfluss der Eltern auf Berufs-wahlentscheidungen wird zwar von allen Beteiligten sehr hoch eingeschätzt; fast immer fehlt es aber an geeigneten Instrumenten zur Einbindung von Eltern in die entsprech-enden Projekte. Das trägt mit dazu bei, dass Jugendliche, die sich mehr oder weniger aufgegeben haben, bei denen es nicht nur gravierende Defizite in der Schulleistung, sondern auch bei Selbstwertgefühl und Sozialverhalten gibt, nur schwer erreicht wer-den können: Damit Schülerinnen und Schüler von den Maßnahmen profitieren, ist ein gewisses Maß an Eigenengagement und Unterstützung durch die Eltern notwendig.

2. Förderung sozialer Kompetenzen

Umfassende bzw. ganzheitliche Prozesse der Berufsorientierung beziehen auch Maß-nahmen zur persönlichen Stabilisierung und Förderung sozialer Kompetenzen ein. So zielen die Angebote der Ganztagsschule 2001 in Syke nicht nur auf die Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit im engeren Sinne, sondern auf die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit. Diese Studie stellt unterschiedliche Varianten zur Förderung sozialer Kompetenzen im Rahmen der Berufsorientierung vor, die von künstlerisch-kreativen Projekten bis zur Bearbeitung von Projekten mit Ernstcharakter reichen.

So kooperieren in den Projekten aus Bremen-Gröpelingen und Bremen-Walle die Schulen mit externen Künstlerinnen und Künstlern, die gemeinsam mit den Jugend-

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lichen an künstlerischen Aufgaben (z.B. bildnerische Gestaltung, Musik, Theater) arbei-ten. Im Projekt TheoPrax bearbeiten schulische Projektteams reale Aufträge aus Unter-nehmen oder Kommunen. In diesen Projekten werden nicht nur Projektmanagement-techniken und spezifische (z.B. künstlerische) Fähigkeiten vermittelt - die Jugendlichen entwickeln auch Selbstvertrauen, Durchhaltvermögen und Selbstdisziplin bei der Um-setzung eigener Ideen und der öffentlichen Präsentation der Ergebnisse. Darüber hin-aus lässt sich unter den Jugendlichen eine Gruppendynamik beobachten, die zuneh-mend von Teamgeist, Zielstrebigkeit und Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Schließlich können durch solche Projekte zum Teil auch neue Anknüpfungspunkte zwischen Schule und Eltern geschaffen werden, weil die Eltern nicht wie häufig bei Elternsprechtagen oder Elternabenden auf Defizite ihrer Kinder hingewiesen werden, sondern sie bei den öffentlichen Präsentationen im Gegenteil besondere Fähigkeiten oder Leistungen ihrer Kinder miterleben können.

Schülerinnen und Schüler können besonders gut durch solche Angebote erreicht werden, wenn sie einen Bezug zu ihrer Lebenswelt und ihrem Alltagsleben haben, z.B. dem Zusammenleben verschiedener Kulturen oder Freizeitangeboten für Jugendlich-en. Darüber hinaus ist es notwendig, die Heterogenität der Gruppen zu berücksich-tigen. Während ein Teil der Schülerinnen und Schüler etwa davon profitiert, ihre Ergeb-nisse öffentlich präsentieren zu können, müssen für eher introvertierte Jugendliche an-dere Möglichkeiten eines Beitrags zur Gruppenleistung geschaffen werden. Voraus-setzung für die Entwicklung spezifischer Stärken der Jugendlichen und das große In-teresse einer breiten Öffentlichkeit an ihren Arbeiten ist darüber hinaus eine hohe Qua-lität der Projekte, wie sie z.B. in den Kulturprojekten durch die Zusammenarbeit mit professionellen Künstlerinnen und Künstlern und die Nutzung gut ausgestatteter Ateliers außerhalb der Schule erreicht werden kann. Bei der Zusammenarbeit zwi-schen den Schulen und externen Auftraggebern bzw. Partnern hat es sich bewährt, wenn erfahrene Partner wie Kultureinrichtungen oder Jugendhilfeträger die Projekte koordinieren und die Schulen bei der Mittelakquise unterstützen. Freiwilligkeit und individuelle Motivation sind gerade in diesem Bereich zentrale Erfolgsvoraussetzungen bei jedweden Angeboten; gleichwohl zeigen die Praxiserfahrungen, dass klare Regeln und deren Einhaltung erforderlich sind, um die Ernsthaftigkeit der Maßnahmen zu unterstreichen.

Diese Erfolgsbedingungen lassen aber auch erkennen, dass Schulen und ihre Partner in diesem Bereich schnell an Grenzen stoßen: Da sowohl die Verpflichtung von Fach-leuten als auch die notwendige Projektkoordination kostenintensiv sind und die Schu-len auf die Finanzierung durch Drittmittel angewiesen sind, kann nur eine relativ ge-ringe Zahl von Schülerinnen und Schülern daran teilnehmen und die Projekte sind in ihrer Existenz ständig bedroht.

B Handlungsmöglichkeiten für Kommunen und Region

Insgesamt zeigt die Untersuchung guter Beispiele aus den Mitgliedskommunen des Kommunalverbunds, dass es viele gute Ansätze und Projekte zur Verbesserung der Berufsorientierung durch Kooperationsprojekte von Schulen, Unternehmen und sozial-en Organisationen gibt. Häufig handelt es sich um Modellprojekte, die nur auf einen Standort beschränkt und zeitlich begrenzt sind. Ergebnisse werden nur selten systematisch erfasst und Transfer findet zu wenig statt. Welche Handlungsmöglich-keiten haben hier Kommunen und Region?

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Die Kommunen sind unmittelbar von den Folgen der (Aus)Bildungsprobleme betroffen. Zur Bewältigung des demografischen Wandels, aber auch, um ihrer sozialen Verant-wortung gerecht zu werden, sind sie zunehmend darauf angewiesen, möglichst vielen Jugendlichen einen Bildungs- und Ausbildungsabschluss zu ermöglichen. Wegen der Zuständigkeit der Länder für die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts sind anderer-seits die Handlungsmöglichkeiten von Kommunen und Landkreisen in der Bildungspoli-tik begrenzt. Dennoch können sie aufgrund ihrer Kenntnis der lokalen Problemlagen und ihres Zugangs zu lokalen Ressourcen, durch ortsnahe Koordinations- und Unter-stützungsleistungen einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsverbesserung von berufs-bezogener Bildung leisten. Die Praxisbeispiele zeigen, dass sie dies in vielen Fällen bereits tun. Bedarfe und kommunale Handlungsspielräume für ein intensiveres Engagement der Kommunen lassen sich in den folgenden Handlungsfeldern identifi-zieren:

1. Nachhaltigkeit von Kooperationsprojekten fördern

Zur Verstetigung und zum Transfer erfolgversprechender Ansätze der Berufsorientie-rung sind zum einen funktionierende Netzwerke aus Schulen, Unternehmen bzw. Inter-essengemeinschaften der Wirtschaft und Arbeitsagentur notwendig, zum anderen eine dauerhafte Sicherung der Finanzierung.

Sowohl Landkreise als auch viele Kommunen koordinieren bereits Netzwerke rund um den Übergang Schule und Beruf und bieten Serviceleistungen für Schulen und ihre Partner an. So betreuen die Städte Achim und Bremen Freiwillige, die sich in Schulen engagieren, und die Gemeinde Stuhr organisiert regelmäßig Veranstaltungen, die Schulen und Unternehmen Gelegenheit zum Austausch geben.

Häufig sind solche Koordinationsaufgaben bei den Ämtern für Bildung und Soziales angesiedelt. Sinnvoll erscheint darüber hinaus eine aktive Rolle der Wirtschaftsför-derung. Die Ämter für Wirtschaftsförderung haben einen guten Überblick über Bedarfe und Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen und können deshalb nicht nur Unter-nehmen gezielt ansprechen, sondern wissen auch, wie die Kooperation so organisiert werden kann, dass sie auch den Interessen und zeitlichen Möglichkeiten der Unter-nehmen gerecht werden. So werden in der Gemeinde Stuhr neue Ideen zunächst von der Wirtschaftsförderung und den Schulen vorbesprochen und dann erst Unternehmen gezielt befragt, ob sie sich eine Mitwirkung vorstellen könnten. Das Engagement der Wirtschaftsförderung und auch des Bürgermeisters signalisiert gleichzeitig allen Beteil-igten, dass die Kommune sich für den schulischen und beruflichen Weg „ihrer“ Jugend-lichen verantwortlich fühlt. Deutlich wird an dieser Stelle, dass ein längerfristig erfolg-reiches Übergangsmanagement zwischen Schule und Beruf bzw. Arbeitswelt in der Regel das Zusammenwirken mehrerer kommunaler Stellen erfordert und als eine Querschnittsaufgabe für die kommunalen Verwaltungen zu begreifen ist.

Zur Verstetigung der Finanzierung von Kooperationsvorhaben können die Kommunen aufgrund ihrer überwiegend schwierigen Haushaltslage nur in begrenztem Umfang beitragen. In Kommunen, in denen verschiedene Behörden (insbesondere die Ämter bzw. Ressorts für Bildung, Soziales und Wirtschaft) im Themenfeld Berufsorientierung und Übergänge zusammenarbeiten, ihre Mittel bündeln und Schulen und ihre Partner bei der Akquise von EU-Mitteln oder Stiftungsmitteln unterstützen, gelingt die länger-fristigere Absicherung erfolgreicher Projekte besser.

Das Zusammenwirken von Landkreisen, Kommunen, Land und weiteren Sponsoren kann den Handlungsspielraum weiter vergrößern. So hat der Landkreis Osterholz ge-meinsam mit den Kommunen und dem Land im Rahmen der Initiative „Beste Bildung“

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einen Bildungsfonds geschaffen, aus dem Schulen gezielt unterstützt werden können (Landkreis Osterholz 2010).

2. Zur Qualitätsentwicklung beitragen

Zwar liegt die Zuständigkeit für die Qualität schulischer Aktivitäten beim Land. Die Zusammenarbeit von Kommunen, Schulen und Wirtschaft in lokalen Netzwerken bietet aber die Möglichkeit, durch freiwillige Verständigung auf gemeinsame Ziele und Standards zur Qualitätsentwicklung beizutragen. So hat die Stadt Achim bei der Vorbe-reitung des Projekts „Bildungserfolg durch Gestaltung von Vielfalt“ in einer Bildungs-konferenz gemeinsam mit den Schulen Handlungsbedarfe ermittelt und sich auf ge-meinsame Ziele festgelegt. Die beteiligten Institutionen haben sich schriftlich dazu ver-pflichtet, die auf dieser Grundlage erarbeiteten Handlungsansätze in ihren Einrichtun-gen umzusetzen. Wenn Kommunen Kooperationsprojekte finanziell unterstützen, kön-nen sie zur Bedingung machen, dass sich die Partner z.B. in Kooperationsverträgen zur Einhaltung bestimmter Standards verpflichten. Eine besondere Herausforderung besteht dabei bei der Festlegung von Erfolgskriterien. Die Bewertung von „Erfolg“ durch Übergangsquoten greift deutlich zu kurz; einbezogen werden sollten auch die psychische und soziale Stabilisierung von Jugendlichen sowie die Stärkung von Fähig-keiten zur Entwicklung und Verfolgung eigener Perspektiven.

Auf der konkreten Umsetzungsebene können Kommunen im Rahmen eigener Vor-haben, z.B. durch Aufträge an Schülerfirmen, die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an der Planung von Jugendeinrichtungen oder die Einrichtung von Jugend-parlamenten das Praxislernen von Schülerinnen und Schülern fördern. Nicht zuletzt können die kommunalen Akteure den Einstieg in ein modernes Qualitätsmanagement im Bildungswesen politisch und sachlich anstoßen und befördern.

3. Übergangsgeschehen transparenter machen

Um Jugendliche passgenau beim Übergang unterstützen zu können, benötigen die beteiligten Akteure einen möglichst genauen Überblick darüber, welche Jugendlichen in der Kommune einen besonderen Förderbedarf haben und durch welche Angebote man sie erreichen kann. Hierfür können genauere, kleinräumige Daten über die Wege der in der Kommune lebenden Jugendlichen von der Schule in den Beruf, wie sie etwa durch eine Befragung der Schulabgänger und entsprechende Folgebefragungen gewonnen werden können, wichtige Hilfestellungen leisten. Welche Berufsziele haben die Jugendlichen und welche Wege schlagen sie tatsächlich ein und aus welchen Gründen? Solche Befragungen liefern gleichzeitig Hinweise darauf, wie bestehende Beratungs- und Unterstützungsangebote angenommen werden, wo ggf. zusätzlicher Unterstützungsbedarf besteht oder wo solche Angebote u.U. nachjustiert werden müssen..

Wenig transparent ist gegenwärtig überdies das Spektrum der bestehenden Unter-stützungsangebote. In den Mitgliedskommunen des Kommunalverbunds existiert wie auch in anderen Regionen eine Vielzahl von Programmen und Projekten zur Berufs-orientierung, die von diversen Trägern durchgeführt und von unterschiedlichen Ebenen – EU, Bund, Länder, Stiftungen u.a. – finanziert werden. Eine umfassende Bestands-aufnahme solcher Angebote verbessert zunächst vor allem die Chancen für einen Transfer von Ansätzen und Erfahrungen zu anderen Schulen bzw. in andere Teile des Kommunalverbunds. Zudem kann durch die Gegenüberstellung mit den ermittelten Bedarfen die „Passfähigkeit“ zwischen Nachfrage und Angebot überprüft werden. Auf

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dieser Grundlage lassen sich dann gegebenenfalls Doppelungen identifizieren und Defizite im Angebot gezielter beseitigen.

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Literatur

Arbeitnehmerkammer Bremen (2008): Jugendliche zwischen Schule und Beruf. Armutsbericht. Bremen (http://www.arbeitnehmerkammer.de/cms/upload/Downloads/Armutsbericht/r_armutsbericht2008.pdf)

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010): Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel. Bielefeld (http://www.bildungsbericht.de/daten2010/bb_2010.pdf)

Baethge, Martin/Heike Solga/Markus Wieck (2007). Berufsbildung im Umbruch – Signale eines überfälligen Aufbruchs. Berlin (http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/04258/studie.pdf)

Bastian, Johannes/Combe, Arnold/Hellmer, Julia/Wazinski, Elisabeth (2007): Zwei Tage Betrieb – drei Tage Schule. Kompetenzentwicklung in der Lernortkooperation in Allgemeinbildenden Schulen. Bad Heilbrunn

Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd 2008: Welche Jugendlichen bleiben ohne Berufsausbildung? Analyse wichtiger Einflussfaktoren unter besonderer Berücksichtigung der Bildungsbiografie. BiBB Report 6/2008

Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Berufsbildungsbericht 2010. Bonn (http://www.bmbf.de/pub/bbb_2010.pdf)

Deeken, Sven/Butz, Bert (2010): Berufsorientierung. Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Bonn (Bundesinstitut für Berufsbildung) (http://www.good-practice.de/expertise_berufsorientierung_web.pdf)

Funcke, Antje/Oberschachtsiek, Dirk/Giesecke, Johannes (2010): Keine Perspektive ohne Ausbildung. Eine Analyse junger Erwachsener ohne Berufsabschluss in Westdeutschland. Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Gütersloh (http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-A8207452-50D81310/bst/xcms_bst_dms_32102_32103_2.pdf)

Horst, Meike (2008): Kooperationen von Schule mit Betrieben, Bundesagentur für Arbeit und weiteren Bildungspartnern. In: Wissenschaftliche Begleitung des Programms „Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben“ (Hrsg.): Berufsorientierung als Prozess. Persönlichkeit fördern, Schule entwickeln, Übergang sichern. Baltmanssweiler

Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen e.V. (Hrsg.) (2010): Demografie-Bericht. Auswirkungen und Handlungsempfehlungen zum Demografischen Wandel im Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen. Bearbeitet von Martyn Douglas und Günter Warsewa. Bremen (http://www2.iaw.uni-bremen.de/projekte/Demographie_Kommverbund_29072010_RT-1.pdf) und http://www.kommunalverbund.de/inhalt/datei.php?id=OTAxMDAwMjA1Oy07L3Vzci9sb2NhbC9odHRwZC92aHRkb2NzL2dydWVuZXJyaW5nL2dydWVuZXJyaW5nL21lZGllbi9kb2t1bWVudGUvZGVtb2dyYXBoaWVfa29tbXZlcmJ1bmRfMDMxMTIwMjBfMi5wZGY%3D

Krause-Dörte/Eyerer, Peter (2007): Schulprojekte managen – TheoPrax-Methode in Aus- und Weiterbildung. Bielefeld

Landkreis Osterholz (2010): Qualitätsinitiative „Beste Bildung“ (http://www.landkreis-osterholz.de/internet/page.php?naviID=901000488&site=901000780&typ=2)

Mahlberg-Wilson/Mehlis/ Quante-Brandt (2009): Dran bleiben…Sicherung des Ausbildungserfolgs durch Beratung und Vermittlung bei Konflikten in der dualen Berufsausbildung. Eine empirische Studie. Bremen (http://www.good-practice.de/dran_bleiben.pdf)

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Links

www.bnw-akademie.de Das Bildungswerk der niedersächsischen Wirtschaft organisiert neben Fortbildungen für Lehrkräfte und Schulleitungen auch Schülerseminare und Wirtschaftsplanspiele.

http://www.bremen.ganztaegig-lernen.de/Bremen/Materialien.aspx Eine Übersicht über Fördermöglichkeiten für Schulprojekte u.a. zur Berufsorientierung gibt eine Förderfibel der Serviceagentur Ganztägig Lernen Bremen. Die Veröffentlichung richtet sich schwerpunktmäßig an Bremer Schulen, viele der Fördermöglichkeiten stehen aber auch niedersächsischen Schulen offen.

http://datenreport.bibb.de/html/index.html Der Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2010 bietet eine Fülle aktueller Informationen zum Übergangsgeschehen.

www.demografie-monitoring.de Der Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen hat zusammen mit dem Bremer Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa im Rahmen des EU-Projektes DC: Noise das De-mografie-Monitoring für die Region Bremen erstellt. Die kostenfreie Anwendung bietet aktuelle Daten und Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in der Region Bremen auf Ebene der Region, der Landkreise, der Städte und Gemeinden sowie teilweise der Stadt- und Ortsteile.

www.good-practice.bibb.de Ziel des Good Practice-Center des Bundesinstituts für Berufliche Bildung ist es, Erfahrungen, Ideen und erprobte Lösungen in der Förderung der beruflichen Bildung benachteiligter Jugendlicher allgemein zugänglich zu machen. Die Website enthält Datenbanken zu Anbietern, guten Praxisbeispielen, Qualifizierungsbausteinen, Methoden und Materialen.

www.iaw.uni-bremen.de/abo-beruf Auf der Internetseite des Projekts „Arbeits- und Berufsorientierung für die Zukunft – Lernort Praktikum“ werden eine Vielzahl von Materialien zu Verbesserung des Praxislernens und der Entwicklung von Standards für Praktika zur Verfügung gestellt.

www.lis.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen56.c.7515.de Das Bremer Landesinstitut für Schule bietet Fortbildungsangebote zum Bereich Schule und Wirtschaft und stellt auf seiner Website ausführliche Materialien zu Berufsorientierungskonzepten und zu Unterrichtsmethoden zum Praxislernen zur Verfügung.

http://www.nibis.de/nibis.phtml?menid=2550 Die Bundesagentur für Arbeit hat gemeinsam mit dem niedersächischen Kultusministerien und weiteren Partnern in einem Internetportal umfangreiche Informationen, Verfahren und Konzepte zur nachhaltigen Studien- und Berufswahlorientierung zusammengestellt.

www.weinheimer-initiative.de Die Weinheimer Initiative ist eine Gruppe engagierter Expertinnen und Experten aus Kommunen, Betrieben, Stiftungen, Verbänden, Instituten und zivilgesellschaftlichen Projekten, die sich auf Anregung der Freudenberg Stiftung und unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft zusammengefunden hat. Sie fordert, dass die öffentliche Verantwortung für Bildung, Ausbildung und Zukunftsperspektiven – nicht nur, aber vor allem – durch lokale Verantwortungsgemeinschaften und kommunale Koordinierung wahrgenommen wird.

www.wirtschaft-im-hafen.de Im Rahmen des Projektes "Ökonomie im Hafen" konzipiert das Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) in Kooperation mit bremenports, BLG Logistics, seaports of Niedersachsen und dem Landesinstitut für Schule in Bremen Materialien für den Wirtschaftsunterricht, die eine Auseinandersetzung mit den Häfen und der Logistik im Nordwesten Deutschlands ermöglichen.