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Thermoelektrische Energiewandler erzeugen Strom aus Abwärme Von Dr. Wolf Eckhard Müller Stille Stille Reserve Reserve

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Page 1: StilleReserve - DLR Portal · mobil, kann die direkte Umwandlung von Wärmeströmen in elektrische Leistung Energie sparen und damit auch die Umwelt schonen. Bewährt hat sich die

Thermoelektrische Energiewandler erzeugen Strom aus Abwärme

Von Dr. Wolf Eckhard Müller

StilleStilleReserveReserve

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Kann man Wärme gegen ein Tempe-raturgefälle strömen lassen, von ei-nem kälteren zu einem wärmerenKörper, ohne ein brummendes Aggre-gat, wie wir es vom Kühlschrank oderder Klimatruhe kennen, ohne Rohr-leitungen und Kühlmittel? Kann maneinen festen Körper veranlassen, elek-trischen Strom abzugeben, allein da-durch, dass man ihn von einer Seiteerwämt? Eine ungewöhnliche Vor-stellung für unsere Erfahrungswelt,aber physikalisch sehr wohl möglich.Im DLR-Institut für Werkstoffforschungkann man sich von beidem anschau-lich überzeugen. In einem kleinenDemonstrationsaufbau ist ein thermo-elektrisches Modul auf einem Metall-block angebracht. Berührt man mitder Hand die Keramikplatte auf derOberseite des Moduls und betätigtwahlweise einen blauen oder rotenKnopf, so spürt man binnen Sekun-den eine merkliche Abkühlung oderErwämung. Die Wahl der Taste ent-

scheidet, in welcher Richtung der elek-trische Strom durch das Modul fließt.

Ein festkörperphysikalischer Effekt,der so genannte Peltier-Effekt, ist dieUrsache für diese Wärmewirkungen.Das Institut für Werkstoff-Forschungentwickelt Materialien, die über diesebesondere Eigenschaft einer ther-misch-elektrischen Energiekopplungverfügen. Ein elektrischer Strom reißtdie Träger der Wärmeströmung mitsich, und dies mit solcher Kraft, dasssie auch gegen größere Temperatur-unterschiede ankommen – ähnlichwie Wasser, das bergauf gepumptwird. Die Erwärmung, die man beimDruck auf den roten Knopf spürt, istwesentlich stärker, als es der bekann-ten Jouleschen Stromwärme ent-spricht, die wir in elektrischen Heizernausnutzen. Heutige Peltier-Bauele-mente können Temperaturunterschie-de von 60 Grad und mehr erzeugen.Spezielle kaskadenartige Anordnun-

Der Kühlschrank soll kühlen, das tut er auch. Dabei produziert

er Wärme, das soll er nicht. Ist ja kein Ofen, so ein Kühlschrank.

Aber wie der Ofen ist er ein Energieverbraucher. Und er könnte

weniger davon verbrauchen, wenn es gelänge, seine Abwärme zu

nutzen. Mit dem Manko der ungenutzen Energie steht der Kühl-

schrank nicht alleine da. Viele Prozesse erzeugen neben dem ge-

wünschten Effekt auch Wärme, die ungenutzt bleibt. Materialien,

die Wärme in elektrische Energie umzuwandeln vermögen, könnten

das ändern. Thermoelektrische Generatoren sind ein Schlüssel, die

stille Reserve zu erschließen, zum Beispiel für die autarke Strom-

versorgung von Geräten mit geringem Energiebedarf. Aber auch

für hohe Einsatztemperaturen haben thermoelektrische Generato-

ren ein großes Einsatzpotenzial. DLR-Wissenschaftler suchen nach

neuen Möglichkeiten für die Gewinnung von Elektrizität aus bisher

ungenutzter Prozessabwärme. Sie entwickeln thermoelektrische

Materialien und nehmen bei Analyse und Simulation sowie beim

Design segmentierter Thermogeneratoren eine Spitzenposition ein.

Strom pumpt Wärme

Der französiche Physiker JeanCharles Athanase Peltier entdeckte1834 den nach ihm benannten Pel-tier-Effekt. Fließt ein Strom zwischenzwei Leitern mit unterschiedlichenEigenschaften, dann kommt es zueinem geänderten Wärmetransport.Der Stromfluss führt in diesem Fallalso zu einer Temperaturänderungan den Kontaktstellen zwischenden Leitern.

Aus Wärme wird elektrische Energie

Beim Seebeck-Effekt herrschen imVergleich zum Peltier-Effekt umge-kehrte Verhältnisse: Ein Temperatur-unterschied führt zu einer Spannung.Hält man die Verbindungsstellenzweier zu einem Leiterkreis geschlos-senen Leitungen aus verschiedenenMetallen (oder Halbleitern) auf un-terschiedlicher Temperatur, fließtwegen der unterschiedlichen Ther-mospannungen/Thermokräfte einThermostrom. Entdeckt wurde diesvon dem deutsch-baltischen PhysikerThomas Johann Seebeck im Jahr1821.

Die Voyagersonde, die in entfernteBereiche des Sonnensystems vorstieß,wurde durch Thermogeneratoren(Anbauteil unten) mit Strom ver-sorgt.

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trische Generatoren bezeichnet. Ob-wohl ihr Wirkungsgrad noch relativbescheiden ist, bieten sie in einigenAnwendungen Vorteile gegenüberanderen Verfahren der Energieum-wandlung.

Die wichtigsten technischen Kenn-größen eines thermoelektrischen Ge-nerators sind neben der elektrischenGesamtleistung der Wirkungsgrad derUmwandlung von Wärme in elektri-sche Energie. Hinzu kommt die er-reichbare Flächendichte der elektri-schen Leistung und insbesondere beimobilen Systemen auch die spezifi-sche Leistung pro Volumen bezie-hungsweise Masse. Die thermoelek-trische Energiewandlung ist auchdeshalb attraktiv, weil sie auf Grunddes Verzichts auf mechanische Teileeine hohe Zuverlässigkeit mit ge-räuschlosem und wartungsfreiemBetrieb verbindet.

In Deutschland und Europa befindensich Forschungs- und Entwicklungsak-tivitäten an thermoelektrischen Ma-terialien und Systemen zurzeit starkim Aufwind. Neue Förderschwerpunk-te des Bundesministeriums für Bildungund Forschung (BMBF) und der Deut-schen Forschungsgemeinschaft (DFG)widmen sich diesem Thema. Das DLRmit seiner langjährigen Erfahrungauf dem Gebiet der Hochtemperatur-Thermogeneratoren gestaltet diesenProzess aktiv mit und baut seine For-schungskapazität auf diesem Gebiet

aus. International sind große undkleinere Unternehmen überaus in-teressiert. Mehr und mehr werdenauch die Unternehmen in Deutsch-land aufmerksam auf Technologienmit Thermogeneratoren. Fahrzeug-hersteller, Zulieferer, Entwicklungs-dienstleister sowie Unternehmen derChemie, Energiesystem- und Heiz-technik, Brennstoffzellen- und Solar-branche bauen inzwischen eigeneEntwicklungskapazitäten auf. Dortfindet das DLR ideale Versuchspartnerfür die Erforschung von thermoelek-trischen Materialien und Systemen.

Der immense Anteil von ungenutzterAbwärme in Energie-Anlagen, Indus-triebetrieben, Transportmitteln undim Haushalt ruft geradezu danach,diese Energie in Nutzanwendungeneinzubeziehen. In vielen Energiesys-temen, beispielswiese auch im Auto-mobil, kann die direkte Umwandlungvon Wärmeströmen in elektrischeLeistung Energie sparen und damitauch die Umwelt schonen. Bewährthat sich die Thermoelektrik bereits invielen Raumfahrtmissionen, wo siezuverlässig und langlebig für elektri-schen Strom sorgte. Produkte, dieauf Peltier-Kühlern beruhen, findenbereits vielfach Verwendung, bei-spielsweise in Auto- und Camping-kühlboxen, Transportbehältern fürempfindliche Güter wie Pharmazeu-tika oder biologische Produkte, inKühlern für elektronische Schaltkrei-se oder bei der Temperaturstabilisie-rung für optische Detektoren, selbstzur Temperierung beim Transportvon Kunstgegenständen.

Weltweit schreitet die Nutzung vonAbwärme bei mittleren Temperatu-ren bis etwa 400–500 °C rasch voran. Hier werden große Marktchan-cen gesehen. Spezielle Anwendun-gen reichen sogar bis in einen Tem-

gen im Labor erreichen sogar gegendie Raumtemperatur eine Abkühlungauf etwa minus 120 Grad Celsius (°C).

Auch das zweite Experiment beruhtauf der Kopplung von Wärme undElektrizität. Sobald eine starke Lam-pe auf ein thermoelektrisches Modulstrahlt, zeigt das angeschlosseneMessgerät einen Stromfluss von etwaeinem Ampere. Das lässt erahnen,dass sich mit Wärmezufuhr von außenin der Tat nennenswerte elektrischeLeistungen erzeugen lassen. Entge-gengesetzt zum Peltier-Effekt reißthier, beim Seebeck-Effekt, die strö-mende Wärme die Träger des elektri-schen Stromes mit sich. Wird also einTemperaturgefälle an einem Modulangelegt, kommt es mit dem Wärme-strom durch das thermoelektrischeMaterial zu einem Stromfluss. SolcheBauelemente werden als thermoelek-

Radiothermogenerator (RTG) als Strom-quelle für sonnenferne Raumsondenund lunare/planetare Lander. Thermo-elektrische Module umgeben eine Ra-dioisotopen-Wärmequelle im Inneren.Die hindurchströmende Wärme wirddurch dunkle Radiator-Strukturen nachaußen in den freien Raum abgestrahlt.

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Das DLR entwickelt einzigartige Mess-technik für thermoelektrische Materia-lien und Module, hier die Messsäuleeines Teststands zur Bestimmung desWirkungsgrads und anderer Bauteil-eigenschaften unter einsatzrelevantenBedingungen.

peratrurbereich von 600 bis 700 °Cund darüber hinaus. Bei großen Tem-peraturunterschieden können neuarti-ge Thermogeneratoren Wirkungs-grade von zehn Prozent und mehrerreichen. Laborentwicklungen fürdie Raumfahrt erbrachten bereitsWirkungsgrade bis zu 14 Prozent.Neue Nanomaterialien und Design-studien segmentierter Elemente las-sen 17 bis 20 Prozent und mehrmöglich erscheinen. Damit kann dieseTechnologie über bisherige Nischen-und Sonderanwendungen hinaus in-teressant werden und spürbar zurReduzierung von Kohlendioxid-Emis-sionen beitragen.

Thermogeneratoren sind dann beson-ders wirkungsvoll, wenn sie gemein-sam mit erneuerbaren Energiequellenbetrieben werden. Hybride netz-autarke Stromversorgungen für dieUmweltmesstechnik, Kommunika-

tionstechnik und Navigationshilfen,die neben der Photovoltaik auch dieThermoelektrik als Quelle nutzen,stellen unter rauhen klimatischen Be-dingungen die Versorgung bei besse-rer wirtschaftlicher Gesamtbilanz si-cher. Solarthermische Kollektoren sindin der Lage, durch eine Ausstattungmit Thermogeneratoren direkt Elektri-zität zu liefern. Weitere Szenariensehen vor, die Abwärme von Hoch-temperatur-Brennstoffzellen thermo-elektrisch zu wandeln, um systemin-terne Verbraucher zu versorgen undso höhere Wirkungsgrade für dasGesamtsystem zu erreichen. Bio-masse-Heizkessel und -Wärmepum-pen können durch integrierte Ther-mogeneratoren autark und damitunabhängig von der zentralen Ener-gieversorgung betrieben werden.Standheizungen in Fahrzeugen, diemit thermolektrischen Generatorenausgestattet werden, entlasten daselektrische Bordnetz oder speisensogar die Fahrzeugbatterie.

Bei der Serienfertigung kommerziellerhältlicher thermoelektrischer Modu-le kommen als thermoelektrisch ak-tive Materialen bisher ausschließlichspezielle Tellur-Verbindungen zum Ein-satz. Auf Basis von Bismuttellurid sindderzeit die Einsatztemperaturen auf250 °C begrenzt. Die technologischenMöglichkeiten der thermoelektrischenWerkstoffe, und damit das Potenzialfür Anwendungen, sind damit aberbei Weitem nicht ausgeschöpft. Welt-weit laufen intensive Anstrengungenzur Entwicklung hocheffektiver Wandlerwerkstoffe, thermoelektri-scher Module und Systementwick-lungen für den mittleren Temperatur-bereich.

Der Schlüssel für zukünftige Lösungenliegt vor allem in der Entwicklungthermoelektrischer Materialien mit

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hohem Wirkungsgrad sowie hoherStabilität und ihrer Kontaktierung.Favorisierte Materialklassen sind ne-ben anderen Chalkogenide, Skutte-rudite, Silizide und Clathrate. Einebesondere Herausforderung bestehtin der elektrischen Kontaktierung derMaterialien und ihrer Integration ineinsatzfähige Thermogenerator-Mo-dule. Die numerische Simulation aufder Material-, Bauelement- und Sys-temebene ist hier ein wichtiges Werk-zeug. Innovative Messverfahren fürthermoelektrische Material- und Sys-temeigenschaften sind für diese Ent-wicklungen unverzichtbar. Im Institutfür Werkstoff-Forschung des DLR inKöln arbeiten Wissenschaftler intensivan der Entwicklung neuartiger Ther-mogeneratoren für Temperaturen bis400 °C und darüber hinaus. In diesenProzess bringt das DLR seine Erfah-rungen und Kompetenzen ein, die esdurch den kontinuierlichen wissen-schaftlichen Aufbau der Thematik inden letzten anderthalb Jahrzehntenerworben hat. Eine anerkannte undteilweise führende Position in Europahat das DLR insbesondere bei derautomatisierten Analytik und beimnumerischen Design von thermoelek-trischen Werkstoffen, Modulen undsegmentierten Thermogeneratoren.

Die Industrie wartet auf Forschungs-ergebnisse, die sich in die Praxis um-setzen lassen. Anwender haben be-reits gezeigt, dass es relativ raschmöglich ist, Thermogeneratoren er-folgreich in Systeme zu implementie-ren. Es bedarf nun der Verfügbarkeitverbesserter Materialien und entspre-chender Thermogenerator-Module.

Autor:

Dr. Wolf Eckhard Müller ist Gruppenlei-

ter „Thermoelektrische Funktionsmateri-

alien und Systeme“ im DLR-Institut für

Werkstoff-Forschung.