stammtisch
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Ludwigshafen, Kneipen, Besitzer, Räumlichkeiten,TRANSCRIPT
1 Editorial
2 Bierstube
3 Laterne
4 Bit-Stube
5 Zwettwohnung
6 Alt Lu
7 Bauernstube
8 City Treff
9 Treiber Stuben
10 Zur kleinen Eule
11 Impressum
1 Der Stammtisch
Ob morgens, mittags, abends oder mitten in tiefster
Nacht, irgendwo ist immer ein Jemand zielstrebig auf
dem Weg in seine Kneipe.
In den häufigsten Fällen sind es Stammgäste, die meist
aus Ein-Personen-Haushalten kommen. Sie suchen
in den Kneipen Zuflucht, Geselligkeit, Leben und ein
Offenes Ohr. Und so gibt es in vielen Lokalen eine eng
zusammengewachsene Gemeinschaft an einzelnen
Personen, die sich täglich in ihrer Stammkneipe zusam-
menfinden. Demnach kann man in kleinen Bars schon
fast sagen, dass die gesamte Kundschaft ein einziger
Stammtisch ist. Es ist zwar kein organisiertes regelmä-
ßiges Treffen mehr, sondern vielmehr für jeden Gast
selbstverständlich am nächsten, übernächsten und
überübernächsten Tag wieder hier zu sitzen und zu-
sammen ein Bierchen zu schlürfen. Jeder kennt Jeden
und die kleine Gemeinschaft wird zur kleinen Familie.
Der oder die BesitzerIn wird zum Familienoberhaupt.
Eigentlich kurios, weil die Gäste doch König sind.
Ohne die Gäste würde kein Geld reinkommen. Doch
in der Regel pendelt sich ein gutes Verhältnis zwischen
Barmann/ Barfrau und Gästen ein. Auf der einen Seite
sind die Gäste von Nöten um Geld zu verdienen und
andererseits ist die Bar, das Bier und die Zigaretten
für die Gäste unersetzbar. Das heißt, in gewisser Weise
sind auch die Gäste wieder abhängig von der/ dem
BesitzerIn. Resultat ist: Jeder braucht Jeden.
Auszüge aus Stefan Diestelmanns Lied :
Kneipenleben
Zwanzig Uhr in der Biergärtnerei,
man setzt sich zusammen und säuft sich frei.
Man redet von Elend und von Einsamkeit
und wie oft man das eine wie das andere bereut.
Man träumt sich voll Sehnsucht
in die Kindheit zurück
und sucht ein Mittel zum ewigen Glück.
Man rauft sich zusammen,
wühlt gemeinsam im Dreck,
so verbringt man den Abend in der Kneipe am Eck.
Wo die Fliegen den Schweiß aus den Wänden ziehn,
wo die Menschen das Hell statt das Dunkel fliehn,
wo alle Weisheit steckt im Portemonnaie.
Wo das Nikotin dir die Haut zerfrisst,
wo die Leber die weiße Fahne hisst,
wo du vergisst, tut der Alltag nicht weh.
Ein jeder redet um sich zu berfrei`n,
um für ein paar Stunden wichtig zu sein.
Zwischen Bierdunst und Smog man sich Witze erzählt
und so manches müde Lachen erquält.
So geht `s jeden Abend bis man nichts mehr spürt
und einer den andern nach draußen führt.
Man sucht nach dem Leben,
nach dem tieferen Zweck
und findet halt nur die Kneipe am Eck.
2 Bierstube
Erst mit der Bahn, dann mit dem Bus. Hohe Wohn-
blocks, kleinere Häuser, alles steht hier eng zusammen
und mittendrin ein langgezogenes Flachdachhaus.
Gleich neben der »Wort des Lebens - Freien Christen-
gemeinde Ludwigshafen« liegt die »Bierstube«.
»Die Kneipe gibts seit dem 1. Oktober 1977. Das heißt ich
bin hier jetzt schon seit 34 Jahren.«
Seit sich Gerhard und seine Frau 2005 getrennt haben
heißt »Tanja´s Bierstube« nur noch »Bierstube« und
wird von Gerhard alleine weitergeführt. Alles macht
er nun alleine, sogar die gesamte Kneipe hat er selbst
zusammengebaut.
»Die Aufbauten, alles. Alles hier hab ich mit der Hand
selber gemacht. Alles! Die Tische bezogen, hab ich ge -
macht. Da hängt man dann doch schon dran. Auch
wenns manchen nicht so gefällt. Aber es hat sich halt
im Laufe der Jahre so ergeben, dass das Ding so aus-
sieht und solang es mir gefällt ändere ich auch nichts.«
Neben der Möglichkeit auch eine Kleinigkeit zu Essen
gemacht zu bekommen, gibt es teilweise zum Leidwesen
der Nachbarschaft jeden ersten Samstag im Monat
eine »Böse Onkelz - Party«. »Die Leute kommen hier
einfach her um zu feiern und zu trinken und deren ihre
Musik zu hören. Da ist niemand besonders links noch
rechts gerichtet.«
»Wir sind ja fast schon ein Familienbetrieb. Mit den
meisten Gästen verkehre ich auch privat. Wir gehn dann
mal Sonntags zusammen weg oder wenn sichs ergibt
auch mal Samstags ab und zu.«
10 Uhr morgens.
Ein älterer Herr kommt herein.
»Buon giorno!«
»Servus. Richard was kriegst du?«
»Ach mach mir nen Tee.«
3 Laterne
»Mein Vater hatte vor 34 Jahren ein Lokal an dieser
Stelle reingebaut. Er ist im Oktober 1994 verstorben. Und
ich habs dann im Januar 1995 übernommen, von seiner
damaligen Frau hab ichs abgekauft. Ich hab früher in
der Chemie gearbeitet. Ich hab Kollagen hergestellt. Und
der Markt für Rinderkollagen ist dann weggebrochen
und dann hab ich ne Abfindung gekriegt und davon hab
ich das Lokal hier dann gekauft. Ja und seither bin
ich da.«
Hierher kommen alle. Früher von Philharmoniker
über Doktor bis zum Handwerker oder Hartz IV Em-
pfänger. Querbeet ist alles dabei. Wie die meisten Knei-
pen lebt auch diese durch ihre Stammgäste, doch auch
diese wechseln stetig. Immer wieder kommen Neue
und bleiben, ebenso wie Alte gehen.
»Es ist ein ruhiges Lokal und da guck ich auch nach,
dass es nicht so, wie soll ich sagen. Gemütlichkeit ist
mir wichtig! Ja die Gemütlichkeit, die ich ausstrahle.
Manche Gäste sagen, es wird zuviel geredet, Privates
oderso. Aber das gehört eigentlich zu ner Kneipe dazu.
Wenn jemand Wert darauf legt, dass nicht so viel über
ihn gesprochen wird, oder über das, was passiert ist, soll
er in ein größeres Lokal gehen um dem aus dem Weg
zu gehen. Denn ich hab nen ziemlich großen Dresen, wo
man sich viel unterhält oder Neuigkeiten erfährt.«
»Einmal war ich verschollen. Irgendwann wird einem
alles zuviel. Auch als Wirt, gell. Man muss ja immer
präsent sein, egal was passiert. Ob jetzt die Scheidung
hinter einem liegt, oder dergleichen. Und irgendwann
bekommt man dann halt nen Rappel. Dann waren alle
Gläser hier auf dem Boden und ich war verschwunden.
Und ein bisschen Blut hat man auch noch gefunden. Drei
Tage war ich verschwunden. Ich hab Abstand gebraucht.
Bin dann irgendwohin gefahren, meine alte Heimat in
den Schwarzwald und hab mich verkrochen. Drei Tage
nichts mehr hören und nichts mehr sehen.«
4 Bit-Stube
Der Schatten einer großen Hochstraße in Ludwigshafen
erreicht die kleine Kneipe, eingenistet in ein Parkhaus.
Schon früh morgens tummeln sich kuriose Leute in
dieser Gegend. Kaum sind die Türen offen kommen die
ersten Gäste in den spärlich erhellten Kneipenraum.
Mindestens zwei Kneipen waren noch vor einem Jahr
im Besitz eines mittlerweile verstorbenen Mannes.
Diana hatte als Bedienung gearbeitet und nach dem
Tod ihres Chefs die Führung der »Bit-Stube« über-
nommen. Doch unter der Woche steht immer Urmel
hinter der Theke.
Neben recht extremer elektronischer Musik gibt es im-
mer wieder Dart-Tuniere. Und die Gewinner haben die
Ehre mit Edding an den Wänden verewigt zu werden.
Es gibt immer wieder spannende Ereignisse, »doch ich
sag dazu lieber nichts weiter. Das kann ja alles gegen
uns gerichtet werden.«
5 Zwettwohnung
»Bis 1999 hab ich noch normal gearbeitet. Und da hab
ich gedacht wenn ich in den Ruhestand gehe muss ich
noch was haben, wo ich mich noch bewegen kann. Und
da war diese Kneipe, sie war noch kleiner und sie war
frei. Ich hab sie gekauft und bin in den Ruhestand gegan-
gen und hab jetzt was, was mir Spaß macht.«
Hans hatte erst überlegt seine Kneipe »Zum Zylinder«
zu nennen, oder vielleicht »Journal« und dann mit
Zeitungen zu dekorieren.
»Aber dann war ich jemanden besuchen, fahr durch Kiel
durch und da stand ›Zur Zweitwohnung‹. Da wusste ich
sofort, die pälzische ›Zwettwohnung‹, das wird der Name
meiner Kneipe. Sie soll ein zweites Zuhause sein.«
(von hinten: »Nur müssen wir hier keine Miete bezah-
len ne!« )
Neben Bingo und Karaoke gibt es auch Tanz abende.
An denen darf auch nicht jeder kommen wie er will.
Kommt jemand mit Turnschuhen rein, kann er gleich
wieder gehen. Da wird auf jedenfall drauf geachtet.
»Auch bei Frauen acht ich drauf, die sollen hier gemüt-
lich einen trinken können ohne blöd angemacht zu
werden!«
6 Alt Lu
Die Gaststätte, die versteckt in einem Hinterhof zu fin-
den ist gibt es schon seit über 100 Jahren, aber Seppl
(Giuseppe) führt sie erst seit knapp einem Jahr.
»Ich war lang in einer Spedition beschäftigt und hab
dann diesen Job verloren und dann hab ich eine Abfin-
dung bekommen und keine Lust gehabt mich arbeitslos
zu melden und da dachte ich, ich versuchs gleich anders,
ja und hab dann diese Kneipe gefunden.«
»Bei uns gibts keine Regeln, bei uns gibst du dich ein-
fach wie du bist.«
Meistens ist es alleine zu schaffen die Gäste zu bedie-
nen, weil es laut Seppl nur darauf ankommt wie man
seine Kunden erzieht. Wenn es jemandem zu lange
dauert, dann soll der am Besten zu Mc Donalds in den
McDrive gehn.
»Wenn jemand zu mir kommt und hätt gern nen Kur-
zen, dann bekommt er auch mehr eingeschenkt, wie
bei andern. Ich bin da nicht so genau. Als Beispiele: Ich
hatte mal vier neue Gäste, zwei Männlein und zwei
Weiblein. Ja gut, die haben dann bestellt, die haben dann
ihren Spaß gehabt unter sich. Und dann bin ich hin und
hab gesagt: ok, ich möcht mal eine Runde ausgeben. Bin
ich hin und hab gesagt: ›Wie siehts aus, ficke ma?‹ Und
da ist der eine bissel böse geworden. Aber das ist halt
das Getränk, das heißt halt ›Ficken‹, da kann ich nichts
dafür. Ich habs nicht erfunden. Dann sag ich natürlich
nicht: Möchte jemand ›Ficken‹ trinken? Sondern: ›Ficke
ma? alla hopp.‹ Mach dich locker, zack, des ist ein Ge-
tränk. Danach machen wir nen Orgasmus.«
7 Bauernstube
Kaum betritt man den Eingangsbereich zur »Bauern-
stube« fühlt man sich ein klein wenig wie im Museeum.
An allen möglichen Stellen stehen, liegen und hängen
alte Dinge. Ein Sammelsurium an »ganz viele alte
Sachen von meinem Opa, also von meinem Großvater
noch, die ich auch schon im anderen Lokal gehabt habe.
Viel haben Gäste mitgebracht was sie so zuhause noch
gehabt haben. Und auch grad die alte Uhr und so, noch
von der Uhrgroßmutter. Deshalb haben wir da auch hin-
geschrieben ›Omas gute Stube‹. Das ist dann der Nicht-
raucherbereich. «
Neben vielen Kleinigkeiten, die man hier entdecken
kann gibt es hauptsächlich deutsche Küche und manch-
mal auch ausländische Spezialitäten. Seit nunmehr
9 Jahren kehren vor allem Stammgäste immer wieder
hier ein. »Mein Mann der kocht ja sehr gern. Und wenns
den Gästen auch schmeckt, wenn sie begeistert sind,
dann machts noch mehr Spaß.«
8 City Treff
Der ehemalige Besitzer des ›City-Treffs‹ war der glei-
che, dem auch die ›Bit-Stube‹ gehörte. Nun steht diese
Kneipe unter Stefans Führung. Er hat alles übernom-
men, nachdem der Besitzer gestorben war, damit die
Leute weiter die Möglichkeit haben, gemeinsam hier
zu sein.
Langweilig wird es Stefan in Ludwigshafen Süd ganz
und gar nicht, das ist ein heißes Pflaster. Mal ist es
gemütlich, mal geht es drunter und drüber. Immer ist
was los, sei es beim »Fun-Dart-Turnier« oder auch
einfach im Alltag.
»Einmal wurde die gesamte Straße gesperrt und die
Tankstelle, LIDL usw geräumt, weil angeblich ein Mann
mit Bombe herumlief und sich in die Luft sprengen woll-
te. Dieser Mann saß zufällig bei uns im ›City-Treff‹. Es
hatten sich dann fünf in zivil gekleidete Polizisten da
unter die Gäste gemischt und haben sich dann auf ein-
mal alle auf den angeblichen Attentäter geschmissen.
Dieser konnte sich gar nicht währen, hatte aber nach
gründlicher Durchsuchung keinerlei Bombe bei sich.
Sein Nachbar(Freund) hatte ihn wohl bei der Polizei ge-
meldet. Für den Augenblick war er komplett unschul-
dig, aber hat trotzdem seinen Job und alles verlohren
weil irgendwas im Keller bei der Hausdurchsuchung
gefunden wurde.«
9 Treiber Stuben
Direkt an der recht viel befahrenen Rottstraße in
Ludwigshafen Süd ist das Lokal mit »Pfälzer-bürgerli-
cher-Küche« gelegen. Der Besitzer kommt schon seit
über 30 Jahren hier her. Seit 12 Jahren ist er jedoch
nicht mehr nur Stammgast, sondern hat von den in
Rente gegangenen Vorbesitzern die gesamte Kneipe
übernommen.
Auch Mutter und Mops »Hennessy« (nach einem Cog-
nac benannt) sitzen Tag ein Tag aus mit am Tisch.
»Na die Treiber Stuben. Aaaah Mudder läss mich doch
redde. Der Name der Kneipe kommt von der ehemali-
gen Brauerei ›Die Treiber‹. ›Treiber‹ gibts ja nimmer,
jetzt ists ›Pfungstädter‹, die sind übernommen worden,
aber des ›Treiber-Stuben‹ behalte ich. Wenn jetzt draußen
jemand spricht ich geh ins Pfungstädter, dann würd
jeder sagen, nee des kenn ich net. Wenn se aber sagen
›Die Treiberstuben‹, des weiß jeder.«
»Früher hats mehr Spaß gemacht, da war auch mehr
los. Manchmal hats mit Spaß auch gar nichts mehr zu
tun. Ja Spaß ist halt, sag ich mol, man ist halt fast
jeden Tag mit Freunden umgeben, so halt gell. Die kenn
ich hier jo alle miteinander. Des ist es halt wo halt Spaß
macht.«
wer-kennt-wen-Gruppe: Treiber Stuben LU-Süd
Hallo Ihr Leut, ob gross ob klein,schaut doch mal beim Atze rein.
Die Alltagssorgen vergessen,mal lustig seinna dann kommt herreiht Euch bei uns ein.
Für Essen und Trinkenist bestens gesorgt,beim Karoke singt Ihrwie Andy Borg.
Fussball könnt Ihr auf grosser Leinwand sehn,mit neuen Freunden um Tore flehn.
Im zwei-Wochentakt, do werd die Wutz geschlacht,un Hausmacher gemacht,Der Atze verkaaft auch über die Strossich kann Euch sage:Do is als was los.
10 Zur kleinen Eule
Bei dieser Kneipe muss die Betonung vor allem auf
»klein« liegen, da es nur 5 Sitzplätze an der Bar und
8 verteilt im Raum gibt. Hier ist Dominika, Donja ge-
nannt Barfrau und Besitzerin. Sie hat hier das Sagen.
Jeden Tag kommen auch hier die gleichen Stammgäste
und sitzen beisammen. Jeder kennt hier jeden sehr
gut. Meist sei es ruhig und gemütlich, doch auch »hier
kotzt sich jeder mal aus.«
Impressum
Herausgeber
Marta Fromme
Gemeinschaftsprojekt Foto und Typografie
Hochschule Mannheim
SS 2011
Betreuung
Prof. Frank Göldner (Fotografie)
Prof. Veruschka Götz (Typografie)
Papier
Circleoffset Premium White, 140 g/m2
Das verwendete Papier ist Exklusiv-Qualität der IGEPAgroup.
Danke
an alle KneipenbesitzerInnen aus Ludwigshafen, die mich bei
meinem Projekt unterstützt haben.