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Stamm- tisch Ludwigshafen - 2011 Marta Fromme

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Ludwigshafen, Kneipen, Besitzer, Räumlichkeiten,

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Stamm-tischLudwigshafen - 2011Marta Fromme

Stammtisch

Ludwigshafen - 2011Marta Fromme

1 Editorial

2 Bierstube

3 Laterne

4 Bit-Stube

5 Zwettwohnung

6 Alt Lu

7 Bauernstube

8 City Treff

9 Treiber Stuben

10 Zur kleinen Eule

11 Impressum

1 Der Stammtisch

Ob morgens, mittags, abends oder mitten in tiefster

Nacht, irgendwo ist immer ein Jemand zielstrebig auf

dem Weg in seine Kneipe.

In den häufigsten Fällen sind es Stammgäste, die meist

aus Ein-Personen-Haushalten kommen. Sie suchen

in den Kneipen Zuflucht, Geselligkeit, Leben und ein

Offenes Ohr. Und so gibt es in vielen Lokalen eine eng

zusammengewachsene Gemeinschaft an einzelnen

Personen, die sich täglich in ihrer Stammkneipe zusam-

menfinden. Demnach kann man in kleinen Bars schon

fast sagen, dass die gesamte Kundschaft ein einziger

Stammtisch ist. Es ist zwar kein organisiertes regelmä-

ßiges Treffen mehr, sondern vielmehr für jeden Gast

selbstverständlich am nächsten, übernächsten und

überübernächsten Tag wieder hier zu sitzen und zu-

sammen ein Bierchen zu schlürfen. Jeder kennt Jeden

und die kleine Gemeinschaft wird zur kleinen Familie.

Der oder die BesitzerIn wird zum Familienoberhaupt.

Eigentlich kurios, weil die Gäste doch König sind.

Ohne die Gäste würde kein Geld reinkommen. Doch

in der Regel pendelt sich ein gutes Verhältnis zwischen

Barmann/ Barfrau und Gästen ein. Auf der einen Seite

sind die Gäste von Nöten um Geld zu verdienen und

andererseits ist die Bar, das Bier und die Zigaretten

für die Gäste unersetzbar. Das heißt, in gewisser Weise

sind auch die Gäste wieder abhängig von der/ dem

BesitzerIn. Resultat ist: Jeder braucht Jeden.

Auszüge aus Stefan Diestelmanns Lied :

Kneipenleben

Zwanzig Uhr in der Biergärtnerei,

man setzt sich zusammen und säuft sich frei.

Man redet von Elend und von Einsamkeit

und wie oft man das eine wie das andere bereut.

Man träumt sich voll Sehnsucht

in die Kindheit zurück

und sucht ein Mittel zum ewigen Glück.

Man rauft sich zusammen,

wühlt gemeinsam im Dreck,

so verbringt man den Abend in der Kneipe am Eck.

Wo die Fliegen den Schweiß aus den Wänden ziehn,

wo die Menschen das Hell statt das Dunkel fliehn,

wo alle Weisheit steckt im Portemonnaie.

Wo das Nikotin dir die Haut zerfrisst,

wo die Leber die weiße Fahne hisst,

wo du vergisst, tut der Alltag nicht weh.

Ein jeder redet um sich zu berfrei`n,

um für ein paar Stunden wichtig zu sein.

Zwischen Bierdunst und Smog man sich Witze erzählt

und so manches müde Lachen erquält.

So geht `s jeden Abend bis man nichts mehr spürt

und einer den andern nach draußen führt.

Man sucht nach dem Leben,

nach dem tieferen Zweck

und findet halt nur die Kneipe am Eck.

2 Bierstube

Erst mit der Bahn, dann mit dem Bus. Hohe Wohn-

blocks, kleinere Häuser, alles steht hier eng zusammen

und mittendrin ein langgezogenes Flachdachhaus.

Gleich neben der »Wort des Lebens - Freien Christen-

gemeinde Ludwigshafen« liegt die »Bierstube«.

»Die Kneipe gibts seit dem 1. Oktober 1977. Das heißt ich

bin hier jetzt schon seit 34 Jahren.«

Seit sich Gerhard und seine Frau 2005 getrennt haben

heißt »Tanja´s Bierstube« nur noch »Bierstube« und

wird von Gerhard alleine weitergeführt. Alles macht

er nun alleine, sogar die gesamte Kneipe hat er selbst

zusammengebaut.

»Die Aufbauten, alles. Alles hier hab ich mit der Hand

selber gemacht. Alles! Die Tische bezogen, hab ich ge -

macht. Da hängt man dann doch schon dran. Auch

wenns manchen nicht so gefällt. Aber es hat sich halt

im Laufe der Jahre so ergeben, dass das Ding so aus-

sieht und solang es mir gefällt ändere ich auch nichts.«

Neben der Möglichkeit auch eine Kleinigkeit zu Essen

gemacht zu bekommen, gibt es teilweise zum Leidwesen

der Nachbarschaft jeden ersten Samstag im Monat

eine »Böse Onkelz - Party«. »Die Leute kommen hier

einfach her um zu feiern und zu trinken und deren ihre

Musik zu hören. Da ist niemand besonders links noch

rechts gerichtet.«

»Wir sind ja fast schon ein Familienbetrieb. Mit den

meisten Gästen verkehre ich auch privat. Wir gehn dann

mal Sonntags zusammen weg oder wenn sichs ergibt

auch mal Samstags ab und zu.«

10 Uhr morgens.

Ein älterer Herr kommt herein.

»Buon giorno!«

»Servus. Richard was kriegst du?«

»Ach mach mir nen Tee.«

3 Laterne

»Mein Vater hatte vor 34 Jahren ein Lokal an dieser

Stelle reingebaut. Er ist im Oktober 1994 verstorben. Und

ich habs dann im Januar 1995 übernommen, von seiner

damaligen Frau hab ichs abgekauft. Ich hab früher in

der Chemie gearbeitet. Ich hab Kollagen hergestellt. Und

der Markt für Rinderkollagen ist dann weggebrochen

und dann hab ich ne Abfindung gekriegt und davon hab

ich das Lokal hier dann gekauft. Ja und seither bin

ich da.«

Hierher kommen alle. Früher von Philharmoniker

über Doktor bis zum Handwerker oder Hartz IV Em-

pfänger. Querbeet ist alles dabei. Wie die meisten Knei-

pen lebt auch diese durch ihre Stammgäste, doch auch

diese wechseln stetig. Immer wieder kommen Neue

und bleiben, ebenso wie Alte gehen.

»Es ist ein ruhiges Lokal und da guck ich auch nach,

dass es nicht so, wie soll ich sagen. Gemütlichkeit ist

mir wichtig! Ja die Gemütlichkeit, die ich ausstrahle.

Manche Gäste sagen, es wird zuviel geredet, Privates

oderso. Aber das gehört eigentlich zu ner Kneipe dazu.

Wenn jemand Wert darauf legt, dass nicht so viel über

ihn gesprochen wird, oder über das, was passiert ist, soll

er in ein größeres Lokal gehen um dem aus dem Weg

zu gehen. Denn ich hab nen ziemlich großen Dresen, wo

man sich viel unterhält oder Neuigkeiten erfährt.«

»Einmal war ich verschollen. Irgendwann wird einem

alles zuviel. Auch als Wirt, gell. Man muss ja immer

präsent sein, egal was passiert. Ob jetzt die Scheidung

hinter einem liegt, oder dergleichen. Und irgendwann

bekommt man dann halt nen Rappel. Dann waren alle

Gläser hier auf dem Boden und ich war verschwunden.

Und ein bisschen Blut hat man auch noch gefunden. Drei

Tage war ich verschwunden. Ich hab Abstand gebraucht.

Bin dann irgendwohin gefahren, meine alte Heimat in

den Schwarzwald und hab mich verkrochen. Drei Tage

nichts mehr hören und nichts mehr sehen.«

4 Bit-Stube

Der Schatten einer großen Hochstraße in Ludwigshafen

erreicht die kleine Kneipe, eingenistet in ein Parkhaus.

Schon früh morgens tummeln sich kuriose Leute in

dieser Gegend. Kaum sind die Türen offen kommen die

ersten Gäste in den spärlich erhellten Kneipenraum.

Mindestens zwei Kneipen waren noch vor einem Jahr

im Besitz eines mittlerweile verstorbenen Mannes.

Diana hatte als Bedienung gearbeitet und nach dem

Tod ihres Chefs die Führung der »Bit-Stube« über-

nommen. Doch unter der Woche steht immer Urmel

hinter der Theke.

Neben recht extremer elektronischer Musik gibt es im-

mer wieder Dart-Tuniere. Und die Gewinner haben die

Ehre mit Edding an den Wänden verewigt zu werden.

Es gibt immer wieder spannende Ereignisse, »doch ich

sag dazu lieber nichts weiter. Das kann ja alles gegen

uns gerichtet werden.«

5 Zwettwohnung

»Bis 1999 hab ich noch normal gearbeitet. Und da hab

ich gedacht wenn ich in den Ruhestand gehe muss ich

noch was haben, wo ich mich noch bewegen kann. Und

da war diese Kneipe, sie war noch kleiner und sie war

frei. Ich hab sie gekauft und bin in den Ruhestand gegan-

gen und hab jetzt was, was mir Spaß macht.«

Hans hatte erst überlegt seine Kneipe »Zum Zylinder«

zu nennen, oder vielleicht »Journal« und dann mit

Zeitungen zu dekorieren.

»Aber dann war ich jemanden besuchen, fahr durch Kiel

durch und da stand ›Zur Zweitwohnung‹. Da wusste ich

sofort, die pälzische ›Zwettwohnung‹, das wird der Name

meiner Kneipe. Sie soll ein zweites Zuhause sein.«

(von hinten: »Nur müssen wir hier keine Miete bezah-

len ne!« )

Neben Bingo und Karaoke gibt es auch Tanz abende.

An denen darf auch nicht jeder kommen wie er will.

Kommt jemand mit Turnschuhen rein, kann er gleich

wieder gehen. Da wird auf jedenfall drauf geachtet.

»Auch bei Frauen acht ich drauf, die sollen hier gemüt-

lich einen trinken können ohne blöd angemacht zu

werden!«

6 Alt Lu

Die Gaststätte, die versteckt in einem Hinterhof zu fin-

den ist gibt es schon seit über 100 Jahren, aber Seppl

(Giuseppe) führt sie erst seit knapp einem Jahr.

»Ich war lang in einer Spedition beschäftigt und hab

dann diesen Job verloren und dann hab ich eine Abfin-

dung bekommen und keine Lust gehabt mich arbeitslos

zu melden und da dachte ich, ich versuchs gleich anders,

ja und hab dann diese Kneipe gefunden.«

»Bei uns gibts keine Regeln, bei uns gibst du dich ein-

fach wie du bist.«

Meistens ist es alleine zu schaffen die Gäste zu bedie-

nen, weil es laut Seppl nur darauf ankommt wie man

seine Kunden erzieht. Wenn es jemandem zu lange

dauert, dann soll der am Besten zu Mc Donalds in den

McDrive gehn.

»Wenn jemand zu mir kommt und hätt gern nen Kur-

zen, dann bekommt er auch mehr eingeschenkt, wie

bei andern. Ich bin da nicht so genau. Als Beispiele: Ich

hatte mal vier neue Gäste, zwei Männlein und zwei

Weiblein. Ja gut, die haben dann bestellt, die haben dann

ihren Spaß gehabt unter sich. Und dann bin ich hin und

hab gesagt: ok, ich möcht mal eine Runde ausgeben. Bin

ich hin und hab gesagt: ›Wie siehts aus, ficke ma?‹ Und

da ist der eine bissel böse geworden. Aber das ist halt

das Getränk, das heißt halt ›Ficken‹, da kann ich nichts

dafür. Ich habs nicht erfunden. Dann sag ich natürlich

nicht: Möchte jemand ›Ficken‹ trinken? Sondern: ›Ficke

ma? alla hopp.‹ Mach dich locker, zack, des ist ein Ge-

tränk. Danach machen wir nen Orgasmus.«

7 Bauernstube

Kaum betritt man den Eingangsbereich zur »Bauern-

stube« fühlt man sich ein klein wenig wie im Museeum.

An allen möglichen Stellen stehen, liegen und hängen

alte Dinge. Ein Sammelsurium an »ganz viele alte

Sachen von meinem Opa, also von meinem Großvater

noch, die ich auch schon im anderen Lokal gehabt habe.

Viel haben Gäste mitgebracht was sie so zuhause noch

gehabt haben. Und auch grad die alte Uhr und so, noch

von der Uhrgroßmutter. Deshalb haben wir da auch hin-

geschrieben ›Omas gute Stube‹. Das ist dann der Nicht-

raucherbereich. «

Neben vielen Kleinigkeiten, die man hier entdecken

kann gibt es hauptsächlich deutsche Küche und manch-

mal auch ausländische Spezialitäten. Seit nunmehr

9 Jahren kehren vor allem Stammgäste immer wieder

hier ein. »Mein Mann der kocht ja sehr gern. Und wenns

den Gästen auch schmeckt, wenn sie begeistert sind,

dann machts noch mehr Spaß.«

8 City Treff

Der ehemalige Besitzer des ›City-Treffs‹ war der glei-

che, dem auch die ›Bit-Stube‹ gehörte. Nun steht diese

Kneipe unter Stefans Führung. Er hat alles übernom-

men, nachdem der Besitzer gestorben war, damit die

Leute weiter die Möglichkeit haben, gemeinsam hier

zu sein.

Langweilig wird es Stefan in Ludwigshafen Süd ganz

und gar nicht, das ist ein heißes Pflaster. Mal ist es

gemütlich, mal geht es drunter und drüber. Immer ist

was los, sei es beim »Fun-Dart-Turnier« oder auch

einfach im Alltag.

»Einmal wurde die gesamte Straße gesperrt und die

Tankstelle, LIDL usw geräumt, weil angeblich ein Mann

mit Bombe herumlief und sich in die Luft sprengen woll-

te. Dieser Mann saß zufällig bei uns im ›City-Treff‹. Es

hatten sich dann fünf in zivil gekleidete Polizisten da

unter die Gäste gemischt und haben sich dann auf ein-

mal alle auf den angeblichen Attentäter geschmissen.

Dieser konnte sich gar nicht währen, hatte aber nach

gründlicher Durchsuchung keinerlei Bombe bei sich.

Sein Nachbar(Freund) hatte ihn wohl bei der Polizei ge-

meldet. Für den Augenblick war er komplett unschul-

dig, aber hat trotzdem seinen Job und alles verlohren

weil irgendwas im Keller bei der Hausdurchsuchung

gefunden wurde.«

9 Treiber Stuben

Direkt an der recht viel befahrenen Rottstraße in

Ludwigshafen Süd ist das Lokal mit »Pfälzer-bürgerli-

cher-Küche« gelegen. Der Besitzer kommt schon seit

über 30 Jahren hier her. Seit 12 Jahren ist er jedoch

nicht mehr nur Stammgast, sondern hat von den in

Rente gegangenen Vorbesitzern die gesamte Kneipe

übernommen.

Auch Mutter und Mops »Hennessy« (nach einem Cog-

nac benannt) sitzen Tag ein Tag aus mit am Tisch.

»Na die Treiber Stuben. Aaaah Mudder läss mich doch

redde. Der Name der Kneipe kommt von der ehemali-

gen Brauerei ›Die Treiber‹. ›Treiber‹ gibts ja nimmer,

jetzt ists ›Pfungstädter‹, die sind übernommen worden,

aber des ›Treiber-Stuben‹ behalte ich. Wenn jetzt draußen

jemand spricht ich geh ins Pfungstädter, dann würd

jeder sagen, nee des kenn ich net. Wenn se aber sagen

›Die Treiberstuben‹, des weiß jeder.«

»Früher hats mehr Spaß gemacht, da war auch mehr

los. Manchmal hats mit Spaß auch gar nichts mehr zu

tun. Ja Spaß ist halt, sag ich mol, man ist halt fast

jeden Tag mit Freunden umgeben, so halt gell. Die kenn

ich hier jo alle miteinander. Des ist es halt wo halt Spaß

macht.«

wer-kennt-wen-Gruppe: Treiber Stuben LU-Süd

Hallo Ihr Leut, ob gross ob klein,schaut doch mal beim Atze rein.

Die Alltagssorgen vergessen,mal lustig seinna dann kommt herreiht Euch bei uns ein.

Für Essen und Trinkenist bestens gesorgt,beim Karoke singt Ihrwie Andy Borg.

Fussball könnt Ihr auf grosser Leinwand sehn,mit neuen Freunden um Tore flehn.

Im zwei-Wochentakt, do werd die Wutz geschlacht,un Hausmacher gemacht,Der Atze verkaaft auch über die Strossich kann Euch sage:Do is als was los.

10 Zur kleinen Eule

Bei dieser Kneipe muss die Betonung vor allem auf

»klein« liegen, da es nur 5 Sitzplätze an der Bar und

8 verteilt im Raum gibt. Hier ist Dominika, Donja ge-

nannt Barfrau und Besitzerin. Sie hat hier das Sagen.

Jeden Tag kommen auch hier die gleichen Stammgäste

und sitzen beisammen. Jeder kennt hier jeden sehr

gut. Meist sei es ruhig und gemütlich, doch auch »hier

kotzt sich jeder mal aus.«

Impressum

Herausgeber

Marta Fromme

Gemeinschaftsprojekt Foto und Typografie

Hochschule Mannheim

SS 2011

Betreuung

Prof. Frank Göldner (Fotografie)

Prof. Veruschka Götz (Typografie)

Papier

Circleoffset Premium White, 140 g/m2

Das verwendete Papier ist Exklusiv-Qualität der IGEPAgroup.

Danke

an alle KneipenbesitzerInnen aus Ludwigshafen, die mich bei

meinem Projekt unterstützt haben.