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Auf dem Weg zur Stadt 2030 – Leitbilder, Szenarien und Konzepte Ergebnisse des Forschungsverbundes „Stadt 2030“

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Page 1: Stadt 2030 innenProf. Julian Wekel, Technische Universität Darmstadt Prof. Dr. Hartmut Häußermann, Humboldt Universität zu Berlin Kongress: „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ mit

Auf dem Weg zur Stadt 2030 –Leitbilder, Szenarien und KonzepteErgebnisse des Forschungsverbundes „Stadt 2030“

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Impressum

Herausgeber

Bundesministerium

für Bildung und Forschung (BMBF)

Referat Publikationen;

Internetredaktion

11055 Berlin

Bestellungen

schriftlich an den Herausgeber

Postfach 30 02 35

53182 Bonn

oder per

Tel.: 01805-262302

Fax: 01805-262303

(0,12 Euro/Min.)

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.bmbf.de

Autoren

Projektträger Bauen und Wohnen

Sandra Klatt

Bernd Meyer

Thilo Petri

(Kapitel: „Stadt 2030“ – Vom Ideenwettbewerb zum

Forschungsverbund)

Deutsches Institut für Urbanistik

Stephanie Bock

Albrecht Göschel

Jens Libbe

Bettina Reimann

(Übrige Kapitel)

Abbildungsnachweis

Fotos Stephanie Bock:

Seite 27 (rechts)

Fotos Hasso Brühl:

Seite 42 (oben links und oben rechts)

Fotos Franciska Frölich von Bodelschwingh:

Seite 13, Seite 15, Seite 54

Fotos Gregor Jekel:

Seite 11, Seite 12 (links), Seite 52

Fotos Thilo Petri:

Seite 14, Seite 17, Seite 27 (links), Seite 31, Seite 37 (oben),

Seite 43 (links)

Fotos Wolf-Christian Strauss:

Seite 5, Seite 16 (links), Seite 43 (rechts)

Fotos Jürgen Weidner:

Seite 12 (rechts), Seite 16 (rechts), Seite 22, Seite 25

Fotos Sybille Wenke-Thiem:

Seite 6

Die übrigen verwendeten Bilder stammen aus Veröffentlichungen

der beteiligten Projekte.

Gestaltung

Studio Prokopy – Werbeagentur und Studio für Fotografie Berlin,

www.prokopy.de

Druckerei

Mercedes Druck, Berlin

Bonn, Berlin, 2004

Gedruckt auf Recyclingpapier

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Auf dem Weg zur Stadt 2030 –Leitbilder, Szenarien und KonzepteErgebnisse des Forschungsverbundes „Stadt 2030“

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Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 1999 ausgeschriebene Ideenwettbewerb „Stadt2030“ hat sich zum größten Stadtforschungsprojekt der letzten Jahrzehnte entwickelt. In 21 Forschungsverbündenwaren bundesweit 33 Städte und Regionen sowie 54 Forschungsinstitutionen beteiligt. Die Forschungsverbünde, dasheißt die enge Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft, boten den Kommunen die Chance, jenseits der Alltags-routine, jenseits realer Handlungszwänge und politischer Machtbalance in enger Zusammenarbeit mit der Wissen-schaft Visionen und Leitbilder für die jeweilige Stadt/Region im Jahr 2030 zu entwickeln. Dafür stellte das BMBFinsgesamt Fördermittel in Höhe von rund 14 Millionen Euro bereit.

Wesentliche Ergebnisse der 21 Forschungsverbünde „Stadt 2030“ wurden bereits am 24./25. September 2003 auf demAbschlusskongress „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ in Braunschweig präsentiert. Die wissenschaftliche Gesamtauswer-tung des über dreijährigen Forschungsprozesses wird in Gestalt einer fünfbändigen wissenschaftlichen Publikation,herausgegeben vom Deutschen Institut für Urbanistik (difu), Anfang 2005 fertig gestellt sein. Damit steht denEntscheidungsträgern neues Ziel- und Orientierungswissen zur Verfügung.

Die vorliegende Broschüre richtet sich mit ihrer mehr praxisbezogenen Darstellung der Forschungsergebnisse an dieAkteure vor Ort und die interessierte Öffentlichkeit. Der gesamte Forschungsverbund „Stadt 2030“ war ein „Lern- undForschungslaboratorium“. Er kann anderen Kommunen Anregungen und Ideen für Erfolg versprechende Lösungs-wege geben, weil „auf Vorrat“ gedacht wurde.

Dr. Rainer Jansen (Referatsleiter Bauen und Wohnen)

Bonn, 20.09.2004

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

„Stadt 2030“ – Vom Ideenwettbewerb zum Forschungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

„Stadt 2030“ – Planung der Zukunft, Planung für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Die Erschließung der Zukunft – Prognosen, Szenarien und Leitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Identität und Image der „Stadt 2030“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Regionalisierung als Zukunftsperspektive der Stadt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Integration und gleichberechtigte Teilhabe in der Stadt der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Visionen einer zukünftigen Stadt: Nicht ohne (Bürger-)Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Gender-Perspektiven im Forschungsverbund „Stadt 2030“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Schlussbetrachtung zum Forschungsverbund „Stadt 2030“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Kontakte, Adressen, Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Inhalt

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Auf dem Weg zur Stadt 2030

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„Wer das Ziel nicht kennt, für den ist kein Weg der richtige.“Seneca, römischer Philosoph

Anlass und Idee des Ideenwettbewerbs „Stadt 2030“

Städte bilden einen wichtigen Lebensraum der Menschen. Sie sind gleichzeitig Wirtschaftseinheit undpolitische Institution, die auf Demokratie- und Sozial-staatsprinzipien basieren. Die im Grundgesetz garan-tierte kommunale Selbstverwaltung ist Ausdruck derbesonderen Bedeutung der Städte für das Leben inDeutschland. Erst durch das Zusammenwirken vongebautem Raum, Administration und Organisationsowie legitimierter Kommunalpolitik sind die Leistungender Stadt möglich: Integration in die Stadtgesellschaft,Lebens- und Wohnqualität, kulturelle Identität, Indivi-dualität, politische Teilhabe, Emanzipation sowie ökono-mische Wertschöpfung.

Ausgangspunkt des Ideenwettbewerbs „Stadt 2030“ wardie unausgesprochene Erkenntnis, dass die „Stadt“ inihrer heutigen Funktion, Ausrichtung und Organisationlangfristig betrachtet an grundsätzliche Grenzen stößt.Die Funktionsfähigkeit, also der Kern einer nachhaltigenStadtentwicklung, wird durch kontinuierliche Verände-rung der Rahmenbedingungen in Frage gestellt. Dienationale Aufgabe der Wiedervereinigung und diedadurch ausgelöste Sonderkonjunktur hatten den Blickauf diese Erkenntnis verstellt. Mittlerweile hat sichjedoch ein breiter gesellschaftlicher Konsens über dieNotwendigkeit umfassender Veränderungen gebildet,auch wenn genau diese Veränderungen gleichzeitigbekämpft und blockiert werden. Die aktuellen Diskus-sionen über die Zukunft des Sozialstaats, aber auch fachliche Förder- und Investitionsprogramme, wie z.B.Stadtumbau Ost und West, sind ein Beleg für den wach-senden Anpassungsdruck auf die Städte.

Als grundlegende Veränderungen, denen auch dieStädte als kleinste räumliche Einheiten heute ausgesetztsind, sind sich überlagernde Entwicklungen und Trendsanzusehen, von denen komplexe wie vielfältige Wir-kungen ausgehen. Dazu gehören vor allem

die Rationalisierung und Verlagerung von Industrie-arbeitsplätzen im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft und der Herausbildung einer Wissens- und Dienstleistungsökonomie

der strukturelle Wandel der Bevölkerung (Alterung, niedrige Geburtenrate und Migration)die Individualisierung und Pluralisierung von Lebens-formen und -stilen die finanziellen wie organisatorischen Grenzen und Überforderungen des Sozialstaats die Entleerung von Räumen bis hin zum Rückbau der Städte und der Infrastruktur (Stadtschrumpfung).

Zielwissen durch experimentelle Forschung

Vor diesem Hintergrund besteht für die Städte ein Zwangzu umfassenden Transformationsprozessen, derenGestaltung durch die Setzung von Qualitätszielen früh-zeitig eingeleitet werden muss. Eine solche Herausforde-rung ergibt sich z.B. durch den wahrscheinlichen Bevöl-kerungsrückgang – von 80 auf 60 Millionen Einwohnerin den nächsten 30 Jahren – oder durch die Neudefinitionvon Einkommen und Arbeit in einer deindustrialisiertenund globalisierten Gesellschaft. Insgesamt fehlen

„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 5

„Stadt 2030“ – Vom Ideenwettbewerb zum Forschungsverbund

Die Zukunft ist ungewiss – neue Wege brauchen Mut

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dennoch schlüssige Vorstellungen über die anzustre-benden langfristigen Ziele und Modelle. Es mangelt anZukunftsvorstellungen, die mit VereinfachungenPerspektiven für politische und gesellschaftlicheEntwicklungsprozesse aufzeigen und konkretisieren. Inder Vergangenheit wurden immer wieder mithilfe einfa-cher Zielformeln übergeordnete Aufgaben und politi-sche Ziele erfolgreich bewältigt. Erwähnt seien hier unteranderem „Wohlstand für alle“ oder „Demokratie wagen“.Auch komplexe technische Entwicklungen konnten überLeitbilder wie „Mann zum Mond bei sicherer Rückkehr“oder „Computer auf jedem Schreibtisch“ ausgelöst odergebündelt werden. In Stadtplanung und -entwicklunghaben ebenfalls vereinfachende Leitbilder zur Überwin-dung der jeweiligen gesellschaftlichen und ökonomi-schen Krisen beigetragen und Möglichkeiten für dieZukunft eröffnet. Hierfür stehen unter anderem „dieBürgerstadt“, „die Gartenstadt“ oder „die gegliederteund aufgelockerte Stadt“. Entscheidend hierbei warenein positives Zukunftsbild oder zumindest die Selbstver-pflichtung, an einer solchen Zukunft zu arbeiten.

Die Stadt im Jahr 2030 als Lebens-, Arbeits- und Wohnortist noch nicht zu Ende gedacht. Eine hohe Unsicherheitbesteht insbesondere für die kommunalen Handlungs-felder Identität, Integration, Regionalisierung und lokaleDemokratie. Dennoch müssen die Städte ihre jeweiligenEntwicklungs- und Zielvorstellungen sowie angemesseneund legitimierte Politik- und Verwaltungsstrukturenselbst finden. Dies ist notwendig, um einerseits Verbind-lichkeit herzustellen und andererseits lokalen und regio-nalen Akteuren aktivierende Impulse geben zu können.Der Forschungsverbund „Stadt 2030“ hat den teilneh-menden Städten dazu die Chance eröffnet, jenseits desAlltagsgeschäfts, realer Handlungszwänge und der poli-tischen Machtbalance in Zusammenarbeit mit wissen-schaftlichen Einrichtungen einen Lern- und Qualifizie-rungsprozess zu durchlaufen.

Für die richtigen Entscheidungen benötigen die StädteWeitblick sowie eine Vorstellung ihres Weges in dieZukunft. Auf dieser Erkenntnis basierend sollte innerhalbvon „Stadt 2030“ vorrangig Ziel- und Orientierungs-wissen erarbeitet werden, um für heutige Weichenstel-lungen die angemessenen Bewertungs- und Entschei-dungsmaßstäbe zu finden. Solche Zielvorstellungen sindnicht mehr als die Voraussetzung für eine Zukunftsge-staltung der Städte. Daher wurden die Bewerber mit derAusschreibung zum Ideenwettbewerb „Stadt 2030“ imMai 2000 aufgefordert, ganzheitliche Perspektiven,Zukunftskonzepte, Visionen oder Leitbilder ihrer Stadtoder Region zu entwickeln, um allzu detailorientierteAnsätze von vornherein auszuschließen. Bewerbenkonnte sich bei diesem offenen Wettbewerb jede Stadt inDeutschland mit mehr 20 000 Einwohnern.

Der Ideenwettbewerb „Stadt 2030“ entwickelte sich nachdem Auswahlverfahren zum gleichnamigen Forschungs-verbund. Von den 110 eingereichten Bewerbungsskizzenwurden 21 zur Förderung vorgeschlagen. Die Entschei-dung, diese 21 Forschungsverbünde auf kommunalerEbene direkt zu fördern und sie nicht weitere inhaltlicheQualifizierungs- und Auswahlschleifen durchlaufen zulassen, fiel zeit- und kontextabhängig. Dies erscheintauch rückblickend sinnvoll, da es verschiedene Wege inRichtung Zukunftsfähigkeit gibt – sie müssen jeweilsgefunden und erprobt werden. Außerdem liegt es in derNatur einer experimentellen und ergebnisoffenenForschung, dass nicht jeder Ansatz erfolgreich sein kann.Anders ausgedrückt: Das Risiko einer gewissen „Fehl-oder Überproduktion“ muss einkalkuliert werden, umanwendbares Orientierungswissen für die Städte zugenerieren.

„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 6

Preisträger des Ideenwettbewerbs „Stadt 2030“

Preisverleihung am 15. März 2001 in Berlin

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Rahmen, Beteiligte, Themen und Förderprinzipien des Forschungsverbundes

Der Forschungsverbund „Stadt 2030“ bildete das Initial-projekt im Forschungsprogramm „Bauen und Wohnenim 21. Jahrhundert“ des Bundesministeriums für Bildungund Forschung (BMBF). Mit der Förderung dieses sehraufwändigen Forschungsverbundes verfolgte das BMBFeine neue Zielsetzung. Die Besonderheit dieses Ansatzesliegt in der Entwicklung langfristig tragfähiger Konzeptesowie übergreifender Ziele für Städte und Regionen.Durch eine interdisziplinäre Kooperation von Wissen-schaft und Praxis einerseits und die Orientierung anLangfristigkeit andererseits nimmt der Forschungsver-bund eine Sonderstellung neben der Grundlagen- undder Ressortforschung ein.

Eine Schwierigkeit für das Management des gesamtenForschungsverbundes „Stadt 2030“ ergab sich unteranderem aus der – ursprünglich nicht geplanten – Größehinsichtlich Teilnehmerzahl und Fördervolumen (rund 15 Millionen Euro). Die Folge waren unter anderemunterschiedliche Laufzeiten der einzelnen Projekte undder Verlust des Wettbewerbscharakters mit gemein-samer Abschlusspräsentation oder einer Gesamtwürdi-gung der einzelnen Ergebnisse. Mit der Finanzierung,Organisation, Durchführung und Auswertung desForschungsverbundes waren die beteiligten Institu-

tionen vor besondere Herausforderungen und Aufgabengestellt. Am gesamten Prozess beteiligt waren

das BMBF als Zuwendungsgeber und politische Schnittstelleder „Projektträger Bauen und Wohnen“ (PT MVBW) im Zentralbereich Forschungsmanagement bei der TÜV-Akademie Rheinland zur fachlichen und administra-tiven Projektbegleitung das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) zur wissen-schaftlichen Begleitung und Auswertung sowie als Schnittstelle zur kommunalen Praxisdie ausgewählten 21 Modellverbünde mit insgesamt 33 Städten oder Regionen und den dazugehörigen 54 Partnern aus wissenschaftlichen Institutionen oder Planungs- und Beratungsunternehmen.

Überblick und Daten

In der folgenden Übersicht soll der Gesamtprozess „Stadt2030“ kurz vorgestellt werden. Eine ausführliche Doku-mentation und eine Auswertung der Ergebnisse wird es in den Publikationen geben, die derzeit in Vorberei-tung sind, und darüber hinaus im Internet unterwww.stadt2030.de.

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Die Projekte des Forschungsverbundes „Stadt 2030“

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Gesamtprozess „Stadt 2030“

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Aktivitäten, Ereignisse, Themen

Ausschreibung

Auswahlverfahren (nach den kommunalen Handlungsfeldern „Regionalisierung“, „Integration“, „Identität“ undnach den Dimensionen „Stadtgröße“ sowie „schrumpfend/wachsend“)

Offizielle Auszeichnung und Aufforderung zur Antragstellung

Erarbeitung der Vorhabenbeschreibungen der einzelnen Verbünde

Beginn des zuerst bewilligten Projekts

Ende des zuletzt bewilligten Projekts

Anzahl der Modellvorhaben

Anzahl der Zuwendungsempfänger

Infobrief über das Internet abrufbar http://www.newsletter.stadt2030.de/

Der Forschungsverbund „Stadt 2030“

Forschungsumfeld

Schwerpunkt: Integration der Stadtgesellschaft

Schwerpunkt: Zukunftsforschung

Schwerpunkt: Identität

Schwerpunkt: Schrumpfung

Schwerpunkt: Regionalisierung

Schwerpunkt: Bürgergesellschaft

Schwerpunkt: Landschaft

Schwerpunkt: Demographischer Wandel

Schwerpunkt: Grenzen

Schwerpunkt: Virtualität und Stadtentwicklung

Abschlusskongress „Auf dem Weg zur Stadt 2030“

Schwerpunkt: Gender Mainstreaming

Schwerpunkt: Praxisorientierung

Öffentliche Zukunftsforen: Hier wurden unterschiedliche Menschen und Perspektiven zusammengeführt, umim Dialog grundsätzliche Themen der Stadtentwicklung aufzugreifen und Erfolg versprechende Ansätze undHandlungsoptionen für die Stadt zu entwickeln:

Stadtschrumpfung als Chance

Perspektiven der Bürgergesellschaft

Stadtregionen auf neuen Wegen

Workshops zu den kommunalen Handlungsfeldern und zur gegenseitigen Vernetzung der teilnehmendenStädte

Beiratsitzungen zur kritischen Diskussion und Reflexion mit Experten Mitglieder des Beirats waren:

Prof. Dr. Karl GanserStadtbaurat Sigurd Trommer, Stadt BonnProf. Dr. Michael Krautzberger, BMVBW Prof. Dr. Rudolf Schäfer, Technische Universität BerlinProf. Julian Wekel, Technische Universität DarmstadtProf. Dr. Hartmut Häußermann, Humboldt Universität zu Berlin

Kongress: „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ mit Ausstellung aller Teilnehmer

Die Publikation „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ mit einer Beschreibung aller 21 Verbundvorhaben sowie eine CDmit allen auf dem Abschlusskongress präsentierten Ausstellungstafeln kann beim Projektträger bestellt werden.

Zeiträume und Daten

Mai 2000

Oktober 2000

März 2001

April 2001 – März 2002

01.05.2001

30.06.2004

21

55

Nr. 1/Juli 2001

Nr. 2/Oktober 2001

Nr. 3/Dezember 2001

Nr. 4/Februar 2002

Nr. 5/April 2002

Nr. 6/Juni 2002

Nr. 7/August 2002

Nr. 8/Oktober 2002

Nr. 9/Januar 2003

Nr. 10/April 2003

Nr. 11/Juni 2003

Nr. 12/November 2003

Nr. 13/Dezember 2003

Nr. 14/März 2004

Nr. 15/Juni 2004

13.06.2002 in Leipzig

14.11.2002 in Esslingen

06.03.2003 in Mülheim an der Ruhr

Mehrere über die gesamte Laufzeit

03.12.2001

14.11.2002

13.02.2003

17.09.2003

17.11.2003

24.–25.09.2003

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„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 9

Ablauf des gesamten Forschungsverbundes

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„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund10

Auswahl und inhaltliche Strukturierung

Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte nach der Qualitätder eingereichten Wettbewerbsbeiträge. Dabei wurdejedoch auch versucht, mit der Auswahl dieser 21 Projekteein Spektrum aller drängenden Zukunftsprobleme derdeutschen Städte herzustellen. Insgesamt bildete sichsomit ein Forschungsverbund, in dem die Einzelvor-haben auf lokaler Ebene typische Fragestellungen expe-rimentell bearbeiteten. Gesamtkoordination und -vernet-

zung bezogen sich vor allem auf Prozessorganisation,Workshops und Zukunftsforen, in denen gemeinsameLinien und Problemzusammenhänge der teilnehmendenStädte hergestellt wurden. Die Workshops dienten derinternen Qualifizierung der Teilnehmer, während dieZukunftsforen Beiträge für die (fach-)öffentlichen Diskus-sionen lieferten.

Drei inhaltliche Kategorien bilden das Grundgerüst desForschungsverbundes: Integration, Identität, Regionali-sierung. Sie sind angelehnt an die zentralen Staatsfunk-tionen, die entsprechend angepasst auch auf Kommunal-politik und Stadtentwicklung übertragen werdenkönnen: Sozialstaat, Kulturstaat, Rechtsstaat.

Um dem hoch aktuellen und besonders herausfor-dernden Entwicklungstyp städtischer Schrumpfung,

dem Rückgang von Einwohnern und Arbeitsplätzen, inzahlreichen deutschen Städten und Regionen gerecht zuwerden, wurde etwa die Hälfte der Einzelverbünde nachgenau dieser Problemstellung ausgewählt. Als drittesAuswahlkriterium diente die Stadtgröße (Groß-, Mittel-und Kleinstädte). Mit dieser Systematik der drei Ebenen –zentrale Thematik des Projekts, Unterscheidung vonWachstum oder Schrumpfung, Stadtgröße – repräsen-tiert der Forschungsverbund die zentralen Problemkon-stellationen der deutschen Städte.

Prinzipien und Bedingungen der Förderung

Die Teilnehmer waren verpflichtet, eine überzeugendeSkizze zukünftiger Herausforderungen zu zeichnen undWege vorzuschlagen, wie diese bewältigt werdenkönnten. Um dies zu erreichen, musste jede BewerbungKommunalpolitik, Verwaltung und externen Sachver-stand verbinden. Weder konnte eine Kommune ohneeine beratende wissenschaftliche Einrichtung noch einwissenschaftliches Institut ohne kommunalen Partnerallein am Wettbewerb teilnehmen. Auf diese Weisewurde eine Synthese von kommunaler Praxis- undwissenschaftlicher Grundlagenorientierung angestrebt.Die Förderphilosophie zum Forschungsverbund „Stadt2030“ bestand in der Übertragung der Grundsätze gene-reller Forschungsförderung des BMBF auf Stadtentwick-lung und -forschung. Diese Förderung basiert auf den

Integration Identität Regionalisierung

Großstädte StuttgartMünchen

Karlsruhe> 250.000 Einwohner

BremenLeipzig

MönchengladbachBraunschweig

Städteregion Ruhr

MittelstädteEsslingen Erlangen

50.000 bis 250.000 Einwohner

Saarbrücken KielGörlitz/Zgorzelec

Gießen-Wetzlar

KleinstädteDietzenbach Günzburg Schkeuditz

< 50.000 Einwohner

Guben/GubinEisenhüttenstadt

BeeskowSchwalm-Eder-West

Übersicht der Projekte im Forschungsverbund „Stadt 2030“

wachsend oder konsolidiert schrumpfend oder im Strukturwandel Deutsches Institut für Urbanistik

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„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 11

Prinzipien „Zuwendung“ und „Verbundorganisationgleichberechtigter Partner“.

Verbundphilosophie

Eine gleichberechtigte Zusammenarbeit von wissen-schaftlichen oder Beratungsinstitutionen mit Praxis- undAnwendungspartnern hat sich als sinnvoll für die Innova-tions- und Forschungsförderung erwiesen. Basis einersolchen Zusammenarbeit ist die gemeinsame Aufgaben-,Struktur- und Prozessplanung, die in Teilbereiche undVerantwortlichkeiten gegliedert wird und einenForschungsverbund begründet (Vorhabensbeschrei-bung). Entscheidend dabei sind allerdings eine getrennteAntragstellung und eine unterschiedliche (anteilige)Finanzierung je Verbundpartner. Erst diese formale Tren-nung ermöglicht es, dass sich die je unterschiedlichenund unabhängigen Perspektiven von „Wissenschaft“ und„Praxis“ergänzen und befruchten. Diese Konstruktionverhindert interessenorientierte weisungsabhängigeGutachten und Beratungsleistungen oder beliebigeUmsetzungsbezüge. Vielmehr werden über die Chanceund gleichzeitige Notwendigkeit, sich im Verbund überdie gemeinsame Arbeit und ihre Bewertung zu verstän-digen, anwendungsbezogenes Wissen generiert und„übertragbare Modelle“ entwickelt. Allerdings hat die Verbundkonstruktion den Nachteil,dass diese notwendige Verständigungsleistung nichtautomatisch erzielt wird. Sie kann vielmehr aufgrund derUnabhängigkeit der Verbundpartner auch zu Parallel-strukturen und -arbeit führen, wenn – aus welchenGründen auch immer – die Zusammenarbeit nichtgelingt oder im Laufe des Forschungsvorhabens gestörtwird. Zur Steuerung oder Verhinderung nicht funktionie-render Forschungsverbünde werden Meilensteine undregelmäßige Abstimmungsgespräche vereinbart. Auchim Forschungsverbund „Stadt 2030“ wurde mit diesenInstrumenten gearbeitet.

Zuwendung

Die Forschungsförderung auf Zuwendungsbasis hat denVorteil, dass sie bezüglich der Ergebnisse offener als dieVergabe von Aufträgen gestaltet werden kann. Siebegründet sich in einer stimmigen und kenntnisreichenSituations- und Problembeschreibung und leitet darauseinen Ziel- und Lösungsvorschlag ab, der oft experimen-teller Natur ist. Erst nach Erprobung und Durchführungbestimmter Verfahren und Methoden können „erfolg-

reiche“ und „nicht erfolgreiche“ Ansätze identifiziertund analysiert werden. Dabei spielen vor allem auch dieFehlversuche eine zentrale Rolle, weil sie Schlussfolge-rungen und Bewertungen ermöglichen. Dies führt imErgebnis zu einer präzisierten Problemerfassung undauch zu einem klareren Wissen über Ziel- und Lösungs-möglichkeiten.

Aus der Offenheit von Untersuchungs- und Lösungsan-sätzen folgt ein gewisses Risiko, das die „öffentliche“Forschungsförderung erst begründet. Ohne eine Zuwen-dung würden manche Vorhaben gar nicht in Angriffgenommen werden. Neues Ziel- und Orientierungs-wissen oder neue Anwendungen und Kombinationenentstehen erst mit dem „zu Ende denken“ oder der „expe-rimentellen Erprobung“. Eine Möglichkeit dazu bietenZuwendungen, die in der Regel im Forschungspro-gramm „Bauen und Wohnen im 21. Jahrhundert“ aufBasis einer anteiligen Finanzierung der Forschungsver-bünde vergeben werden. Dabei muss insbesondere derPraxis- und Umsetzungspartner seine Interessen,Nutzungserwartungen und Anwendungsmöglichkeitenan das Forschungsvorhaben deutlich machen. Gelingtein erfolgreicher Abschluss des Forschungsvorhabens,haben sowohl Zuwendungsgeber als auch -empfängeretwas davon. Zum einen entstehen für typische Frage-stellungen mit „öffentlichem Interesse“ neue Perspek-tiven, die in die Breite kommuniziert werden können.Zum anderen verbessert sich die „Praxis“ oder dieAnwendung vor Ort, so dass Vorbilder im Sinne guterBeispiele erfahrbar werden.

Die Forschungsförderung auf Zuwendungsbasis unter-scheidet sich grundsätzlich von der Auftragsforschung,da sie nicht durch einen realen Leistungsaustausch undvorher definierte Aufgaben- und Zielzustände geprägtist. Dementsprechend werden auch andere Bewilligungs-

Die zukünftige Identität der Stadt: Workshop in Erlangen, 2002

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„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 12

und Vergabekriterien sowie -verfahren angewandt. ImVordergrund stehen Plausibilität, Notwendigkeit undAngemessenheit einzelner Arbeitsschritte, die zur selbstgesetzten Zielerreichung notwendig sind. Erst nach Defi-nition und Entwicklung eines Forschungsvorhabensdurch die Antragsteller können die finanziellen Grenzenfestgelegt werden. In der Konsequenz führt dieses Prinzipzu aufwändigen Entscheidungs- und Verhandlungsver-fahren zwischen Zuwendungsgeber und -empfänger, hierBMBF/Projektträger bzw. teilnehmende Städte undwissenschaftliche Einrichtungen. Die selbst bestimmtenArbeitspläne und Methoden führen zu einer höherenMotivation und Identifikation mit dem Forschungsvor-haben als eine vom Auftraggeber inhaltlich bestimmteAuftragsforschung. Auf die Bedeutung dieses Punkteshaben die teilnehmenden Verbünde „Stadt 2030“ immerwieder hingewiesen.

Schaffung von Öffentlichkeit

Neben dem auf partnerschaftliche Kooperation undoffene Diskussion zielenden Aufbau der einzelnenVerbünde wurden alle Teilnehmer mit der Forderungkonfrontiert, „Öffentlichkeit“ während der Arbeitsprozesseherzustellen. In welcher Form dies geschehen konnte, warvollkommen den einzelnen Verbünden überlassen. Dassaber die Öffentlichkeit, die Bevölkerung zu beteiligenseien, wurde zur Bedingung gemacht und in der Auswahlund Begleitung der Projekte ausnahmslos durchgesetzt.

Denk- und Lernlaboratorium

Neben diese Forderungen zum internen Aufbau der 21 Einzelprojekte traten Kommunikations- und Kooperati-onsansprüche im gesamten Forschungsverbund. Dergesamte Ablauf war durch zahlreiche thematische Work-shops strukturiert, in denen jeweils ausgewählte Gruppenvon Projekten ihre Konzeptionen und Zwischenergeb-nisse zu präsentieren hatten. Obwohl diese Darstel-lungen jeweils mit erheblichem Arbeitsaufwandverbunden waren, wurden sie von allen Beteiligtenbegrüßt. Besonders für die Praktiker aus Planungs-verwaltungen, die selten die Chance zu einer persönli-chen Präsentation ihrer Arbeit erhalten, bot sich indiesen Workshops und bei diesen Arbeitstreffen dieerwünschte Sondersituation von „Stadt 2030“ jenseitsalltäglicher Pflichten und Routinen.

Der Forschungsverbund war eine Art Denk- und Lern-laboratorium für die teilnehmenden Städte, in dem siesich eigenständig auf die Zukunft vorbereiten konnten.Entscheidend hierfür war der Verzicht auf zentraleVorgaben und Leistungsbeschreibungen. Vielmehrkonnten die Städte mit Unterstützung der wissenschaftli-chen Partner die Start- und Zielpunkte ihrer Leitbild- undSzenarioprozesse selbst definieren. Selbstverpflich-tungen auf lokaler oder regionaler Ebene wurden inaufwändigen und umfangreichen Beteiligungs- undAbstimmungsprozessen mit der Wissenschaft, mit Bürge-rinnen und Bürgern und relevanten lokalen Akteureneingegangen. Die Umsetzung der entwickeltenMaßnahmen und Leitbilder vor Ort war dagegen nichtTeil des Forschungsverbundes.

Projekt Dietzenbach: Neue Ideen sind gefordert …

… und verlangen Engagement.

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„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 13

Ergebnisse und Grenzen zur „Stadt 2030“

„Der Weg ist das Ziel.“Chinesisches Sprichwort

Erkenntnisse und Grenzen aus Sicht des Projektträgers

Mittlerweile ist die Komplexität von räumlichen, ökono-mischen, sozialen und gesellschaftlichen Zusammen-hängen so groß, dass lokale und regionale Akteure oftüberfordert sind. Zum Teil werden gar nicht erst neueHandlungsansätze gesucht oder die entscheidenden„Stellschrauben“ für positive Wandlung und Gestaltungsind nicht einmal bekannt. Von daher sind die Erfah-rungen und Erkenntnisse und auch die Fortschritte derbeteiligten Akteure und Institutionen von „Stadt 2030“besonders zu würdigen, auch wenn sie in manchenAugen selbstverständlich oder auch dann und wanntrivial wirken mögen. Die Verbünde haben Wege einerlangfristigen Stadtentwicklung aufgezeigt und sie inwissenschaftlich gestützten Leitbildern, Szenarien undVisionen beschrieben. Sie haben entweder ein neuesProblem- und Chancenbewusstsein geschaffen odereine kooperative Zusammenarbeit in der „Stadt-Region“

erprobt. Lokales und regionales Vertrauen wurde aufgebaut.

Erst durch Bewährung im Alltag entscheidet sich einezukunftsfähige Stadtentwicklung, dies ist in der Phaseder Theoriebildung und der Modelle noch nicht möglich,denn sie sind im wissenschaftlichen Diskurs gereift und werden „von außen“ in die kommunale Praxis

getragen. Es bedarf der Rückkopplung und Verständi-gung von Wissenschaft und Praxis und der Vermittlungzwischen langfristigen Perspektiven und kurzfristigenHandlungsspielräumen.

Es zeigte sich bereits bei der Auswahl der teilnehmendenForschungsverbünde und im Verlauf der Projektförde-rung, dass zukunftsfähige Orientierungen und Leitbilderfür die Städte nur begrenzt und langsam entstehen. Das

Stadtfest anlässlich des polnischen EU-Beitritts am Görlitz-Zgorzelecer

Grenzübergang

Produkte und Ergebnisse

Neben den Erkenntnissen und der Fortschreibung der kommu-nalen Handlungsfelder Identität, Integration, Regionalisierungwurden unmittelbare „Produkte“ und Ergebnisse erarbeitet, dieauf andere Städte übertragbar sind.

Dafür stehen beispielsweise:ein von acht Bürgermeistern unterschriebener stadt-regionaler Kontrakt zur selbst organisierten regionalen Zusammenarbeit nach den Prinzipien „Eigensinn“ und „Kooperation“ jenseits einer neuen Gebietskörperschaft (Städteregion Ruhr);ein regionaler Maßnahmenplan und die Einrichtung einer gemeinsam finanzierten Geschäftsstelle für regionale Kooperation (Gießen-Wetzlar);politisch abgesicherte Vertrauensgemeinschaften und wissenschaftlich gestützte Szenarien für eine grenz-überschreitende Kooperation (Görlitz/Zgorzelec);Umdeutung der Stadtschrumpfung in eine positive, mit neuen Qualitäten verbundene Strategie einschließlich des administrativen und organisatorischen Stadtumbaus (Leipzig);ein dreidimensionales Stadtmodell für eine Neudefinition städtischer Identität unter extremen Schrumpfungs- und Anpassungsbedingungen (Guben/Gubin);die Aufnahme zukünftiger Bedürfnisse im Freizeit-, Gesundheits- oder Seniorenbereich zur Etablierung neuer ökonomischer Strukturen vor dem Hintergrund kriselnder „Altindustrien“ (Kiel, Eisenhüttenstadt, Schwalm-Eder-West);Nachweis der Sinnhaftigkeit und Funktionsfähigkeit neuer Beteiligungs- und Konsensverfahren wie Bürgergutachten auf regionaler Ebene (Braunschweig) oder der „ästhetischen Provokation“ (Stelenbau und Zwischennutzung von Brachflächen in Dietzenbach, Kunst auf der Lahn in Gießen/Wetzlar); Verhandlungsmodell für die individuelle und zeitgerechte Nutzung öffentlicher Angebote, wie z.B. ÖPNV oder Kinder-gärten (Bremen).

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Widerstands- und Einspruchspotenzial ist erheblich. DieFragen „Was bringt die Zukunft?“ und „Was istmöglich?“ sind schwieriger, als gemeinhin vermutetwird. In Deutschland sind die Vorstellungen von sozialerund ökonomischer Versorgungssicherheit, über dieLebensqualität sowie die bürgerschaftliche Identifikationmit der „Heimatstadt“ sehr ausgeprägt und im Prinzipein Erfolgs- und Exportmodell. Eine Fortschreibungdieser Erfolgsgeschichte prägt im Wesentlichen dieZukunftsvorstellungen und Zukunftswünsche. Dergrundlegende gesellschaftliche Wandel wird aus dieserPerspektive oftmals als Bedrohung, nicht als Chance zurEntwicklung wahrgenommen. Struktureller Wandeloder das Infragestellen von Gewohnheiten werden alsAngriff verstanden und dementsprechend abgewehrt. Indiesem Zusammenhang lässt sich aus der Geschichte dererfolgreichen Einzelverbünde von „Stadt 2030“ durchausdie These ableiten, dass erst Engagement, Experimentier-freudigkeit und Durchhaltewillen organisatorische undgesellschaftliche Innovationsprozesse in den Städtenermöglichen.

Mit dem Forschungsverbund „Stadt 2030“ wurden vorallem Verfahrens- und Methodeninnovationen in denStädten erprobt. Das Innovative besteht in der nachinnen und außen gerichteten Durchführung von

„Zukunftsdialogen“ zwischen Kommunalpolitik, lokalenExperten, Wissenschaft und in großen Teilen auch mitder Bevölkerung. Ohne Kooperation und Koordination istkeine Zukunft denkbar. Daher bedarf es einer Zusam-menführung dieser sehr unterschiedlichen Perspektiven.Die tatsächliche Verständigungsleistung zwischendiesen Ebenen ist aber nicht selbstverständlich und musshart erarbeitet werden. Diese „Verpflichtungs- undArbeitsanweisung“ ist notwendiger Bestandteil vonOrientierungen und Leitbildern, weil es nicht um abge-hobene Visionen einer besseren Welt geht, sondern umdie Suche nach Chancen und Möglichkeiten, die inZukunft zu Tatsachen werden sollen. Es ist im Grundeganz einfach. „Für ein Leitbild braucht man ein Problem.Den Mut, es zu erkennen. Den Willen, es zu lösen. DieVerpflichtung, es zu erfüllen. Das leitet zu einem Ziel,einer Vision, die so klar ist, dass man sie verstehen kann – bildhaft.“ (vgl. Wolf Lotter, Brandeins Juli/August 2004,Leitbilder)

Ein Scheitern oder kontraproduktive Wirkungen solcherZukunftsdialoge sind möglich. Die Schlüsselakteuremüssen zum richtigen Zeitpunkt zusammenkommenund Wissen mitbringen, Mut beweisen. MethodischeFehler und mangelhafte Lernbereitschaft, fehlende Tole-ranz für Verschiedenheit und egozentrische Deutungs-hoheit in Bezug auf „Zukunft“, nicht entschiedeneKompetenz- und Strukturierungsfragen sowie einMangel an Organisationsvermögen können solcheZukunftsdialoge und Forschungsverbünde zum Schei-tern bringen und haben es in einzelnen Projekten desForschungsverbundes „Stadt 2030“ auch getan.

Ein besonderes Problem besteht in der mituntergepflegten Selbstbezogenheit und Eitelkeit sowohl vonWissenschaft als auch der kommunalen Praxis. Nicht dieSachebene, sondern die Beziehungs- und Machtebenetreten dann in den Vordergrund. Eine Verständigungoder eine produktive Nutzung dieser Spannungen kann –wie einige Vorhaben gezeigt haben – mithilfe einerneutralen Moderation oder durch eine Gegenüberstel-lung gelingen, bei der Gleichberechtigung und Respekteingefordert werden. Ohne eine solche Verständigungbleibt es auch in Forschungsprojekten bei einer Selbstbe-schäftigung in den jeweiligen Zusammenhängen vonWissenschaft oder Kommunalpolitik. Von daher über-rascht es auch nicht, dass einige Vorhaben keineWirkungen im Sinne einer „veränderten Praxis“ erzielenkonnten. Der Grund dafür liegt vor allem in der Grund-einstellung und im Selbst- und Rollenverständnis derbeteiligten Akteure. Überwiegt die Zukunftsangst, wird

„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 14

„Stadt 2030“: Brücken schlagen

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die kommunale Praxis aus wissenschaftlicher Sicht alsunzulänglich oder sogar falsch bewertet. Dagegenwerden dann aus Sicht der Praxis die wissenschaftlichenTheorien und Modelle als unrealistisch und weltfremdeingestuft. Ein „Lernen“ der beteiligten Akteure ist dannnicht mehr möglich, die Fronten sind verhärtet. Insbe-sondere die Wissenschaft neigt dazu, ihre Begrün-dungen für eine ablehnende Haltung gegenübervermeintlichen und tatsächlichen Zukunftsmöglich-keiten und -notwendigkeiten der Kommunen „zubeweisen“. Deutlich wurde im Forschungsverbund „Stadt 2030“ dieErkenntnis, dass Leitbilder eine Zukunftsorientierung fürdie Stadtentwicklung liefern können, wenn sie klar,verständlich und konsensorientiert sind. Dies kanngenau dann gelingen, wenn die Leitbilder die tatsäch-liche Komplexität berücksichtigen und gleichzeitigdurch Vereinfachungen eben diese Komplexität redu-zieren. Eine sinnvolle und zielgerichtete Zukunftsgestal-tung in den Städten erfordert jedoch mehr als Zukunfts-wissen, -bilder und -szenarien. Sie braucht engagierthandelnde Menschen. Zum richtigen Handeln wiederumbedarf es der Orientierung und der Motivation. Dieerfolgreichen Forschungsverbünde bilden in diesemSinne eine Art „good practice“. Sie geben anderenStädten beispielhaft Orientierung und Antworten auf dieFragen:

Wo stehen wir?Wo wollen wir hin?Womit?Wodurch?Wer macht was? Bis wann?

Durch eine Verbreitung und Übertragung der erfolgrei-chen Ansätze „Stadt 2030“ können die Städte unterstütztwerden, Herausforderungen zu meistern und die obenbeschriebenen Leistungen auch in Zukunft zu sichern.

Ausblick

Der Forschungsverbund „Stadt 2030“ hat in den vergan-genen Monaten sehr positive Resonanzen aus Politik,Wissenschaft, Praxis, aber auch aus dem Kreis städtischerAkteure und Bürger erhalten. Der zurückliegendeProzess wird zum größten Teil als erfolgreicher Einstiegin die Diskussion über Zukunftsthemen der Stadt- undRegionalentwicklung gewertet. Insbesondere dasAufgreifen von neuen Themen, wie z.B. „Die lernendeStadt“ und die „Gleichzeitigkeit von Schrumpfung und

Wachstum“, sowie der Laboratoriumscharakter derProjektarbeit wurden als herausragend bewertet. Somuss den Ergebnissen von „Stadt 2030“ eine hohe Bedeu-tung für die Stadtentwicklung beigemessen werden. Ihre Tragweite ist noch nicht vollends abzuschätzen, daFortsetzungen und Umsetzungen in den beteiligtenStädten sowie die umfassende Verbreitung der Verbund-ergebnisse erst begonnen haben.

Bereits während der Laufzeit des Forschungsverbundeshat sich gezeigt, dass ein weiterführender praxisorien-tierter Wissensbedarf besteht, der zu einer Verstetigung des „Stadt 2030“-Prozesses führen muss.Nach Ansicht aller Beteiligten sollte er unabhängig von potenziellen Trägerschaften und Finanzierungs-wegen folgende thematische Schwerpunkte abdecken:

Entwicklung von dauerhaften Lernprozessen in den Städten und Regionen (Die lernende Stadt und Region),Aufbau kontinuierlicher und sich verstetigender Strukturen zur Vermittlung langfristiger Themen in den Kommunen,Organisation, Konzeptualisierung und Etablierung langfristig orientierter Dialoge und Verständigungs-prozesse in den kommunalpolitischen Meinungs-bildungsprozessen sowieEtablierung neuer Kommunikations- und Interak-tionsformen in den Städten zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben gemeinsam durch Politik, Verwal-tung, Bürger und Bürgerinnen sowie lokale Öffent-lichkeit und Wirtschaft.

Autoren:

Projektträger Bauen und Wohnen

Sandra Klatt, Bernd Meyer, Thilo Petri

„Stadt 2030“ – Vom Ideenwet tbewerb zum Forschungsverbund 15

Workshop-Eindrücke: Erfahrungen austauschen

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Der Forschungsverbund „Stadt 2030“ befasst sich mit derBeantwortung einer zentralen Frage, die von Anfang analle Arbeiten und alle Projekte bestimmt hat: Lässt sichStadtentwicklung mit langfristigen Zielen und Perspek-tiven betreiben? Wie müssten Stadtpolitik und Stadt-entwicklung angelegt sein, wenn sie dieser Forderungnach Langfristigkeit gerecht werden sollen?

Dass es sinnvoll, ja geradezu zwingend ist, Planung mitlangfristiger Perspektive zu betreiben, scheint kaumzweifelhaft zu sein. Die Lebensbedingungen inmodernen Industriegesellschaften sind unausweichlichmit langfristigen Folgen z.B. für die Umwelt oder für diedemographische Entwicklung verbunden; diese Folgenzu beherrschen, kann nur mit entsprechendem Zeit-horizont auch in Planung und Politik gelingen. Unddennoch wirken eben diese modernen Gesellschaften ineigenartiger Weise zukunftsblind. Es fällt ihnen schwer,planerisch in weitere Zukunftsräume vorzugreifen, unddies, wie sich bei näherem Hinsehen zeigt, aus durchausplausiblen Gründen, die sich insgesamt nachgerade zueinem Zukunftsdilemma verdichten.

Zuerst einmal besteht ein Wissensdilemma. ModerneGesellschaften erneuern das verfügbare und alle Lebens-bedingungen beeinflussende Wissen mit ständig wach-sender Geschwindigkeit. Und dieses zukünftige Wissenkennen wir heute noch nicht. In Gesellschaften, in denensich also Wissen mit wachsender Geschwindigkeiterneuert und gegenwärtiges Wissen unbrauchbar und

entwertet wird, dehnt sich Zukunft als überschaubareZeit nicht etwa aus, sondern verkürzt sich ständig. Wir werden zukunftsblind. Anders ausgedrückt: Gegenwart als die überschaubare Zeit verkürzt sichständig. Die 21 Projekte des Forschungsverbundes warenaufgefordert, prognostische Verfahren, Szenarien undÄhnliches zu entwickeln, die dieser Facette des Zukunfts-dilemmas Rechnung tragen und Schlaglichter auf diesenur vage geahnte Zukunft werfen.

Als zweites besteht für eine politische Planung mitweitem Zeithorizont offensichtlich ein Demokratie-dilemma. Einerseits muss sie den langfristigen Folgengegenwärtigen Handelns gerecht werden. Andererseitsaber ist Politik an den Grundsatz gebunden, ihr Handelnvor der Bevölkerung zu legitimieren, die von diesenHandlungen betroffen ist. Politische Entscheidungen mitweiter Zukunftsperspektive treffen aber eine Bevölke-rung, die entweder noch nicht wählt oder noch gar nichtgeboren ist, an den Entscheidungen also offensichtlichnicht partizipieren, sie nicht legitimieren kann. Und diegegenwärtig politisch aktive Bevölkerung einschließlichihrer politischen Repräsentanten handelt – völlig zuRecht – nach ihrem gegenwärtigem Interesse, das mitdem nachgeborener Generationen aber nicht unbedingtidentisch sein muss, es unter Umständen nur in Ausnah-mesituationen sein kann. Auch Antworten auf diesesDemokratiedilemma politischer Planung sollten von den21 Projekten des Forschungsverbundes wenn nichtgefunden, so doch zumindest angedeutet werden.

Zukunftsorientierte politische Planung ist mit einemdritten Dilemma konfrontiert, das man als Innovations-oder Akteursdilemma bezeichnen könnte. Planung poli-tischer Akteure ist an durchschaubare, geregelte undrechtlich abgesicherte Verfahren gebunden. Solche

„Stadt 2030“: Planung der Zukunft, Planung für die Zukunft

„Stadt 2030“: Planung der Zukunf t, Planung für die Zukunf t 16

Zukunftsfähige Tradition

Modelle für die Zukunft

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„Stadt 2030“: Planung der Zukunf t, Planung für die Zukunf t 17

Verregelungen und Verrechtlichungen, wie sie für Politikund Planung verpflichtend sind, basieren auf gegenwär-tigem Wissen und derzeit geltenden Werthaltungen undNormen. Sie sperren sich gegen Neues, gegen Innova-tion, sind also in hohem Maße innovationsfeindlich.Planung und Politik für die Zukunft erheben aber denAnspruch, Neues zu fördern und möglich zu machen,Innovationen zu stimulieren und hervorzubringen. Auchwenn Innovation nicht geplant werden kann, sollte dochein Umfeld, eine Atmosphäre der Erneuerung, ein krea-tives Klima oder kreatives Milieu geschaffen werden.Solches aber gedeiht nicht in verrechtlichten und verre-gelten Verfahren, wie sie die Basis jeder politischenPlanung bilden müssen. Dies ist die dritte Herausforde-rung an die 21 Projekte des Forschungsverbundes „Stadt2030“: Organisationsformen potenzieller Innovations-

fähigkeit zu entwickeln, aus denen neue Ideen, neueKonzepte, neue Lösungen zukunftsfähiger und in dieZukunft weisender Stadtentwicklungsplanung erwartetwerden können, Organisationsformen mithin, diedennoch dem Anspruch der Transparenz und Kontrollier-barkeit genügen.

Ansatz und Konzeption des Forschungsverbundes „Stadt2030“ zielten nun nicht darauf, diese drei Facetten desZukunftsdilemmas direkt in wissenschaftlicher Reflexionzu betrachten, sondern gleichsam indirekt durch dieEntwicklung von Perspektiven, Visionen oder Konzeptenfür jeweils konkrete Städte oder Regionen zu erschließen.Der Blick auf die eher allgemeinen Zukunftsfragen oderFragen von Zukunftserschließung sollte jedoch dadurchnahe gelegt werden, dass es noch nicht um die Umset-zung von Zielvorstellungen auf dieser Stufe desForschungsverbundes geht. Die Projektgruppen warenzwar gehalten, sich auf die realen Bedingungen ihrerStadt oder Region einzulassen, sollten sich aber dennochfür die Dauer des Projektes von unmittelbaren Alltags-anforderungen lösen. So sind denn die einzelnen Zieleoder Konzepte, die für die jeweiligen Städte undRegionen gefunden wurden, auch nicht übertragungs-oder verallgemeinerungsfähig. Die impliziten Antwortenauf die drei Facetten des Zukunftsdilemmas aber solltendiesem Anspruch einer allgemeinen Bedeutung undÜbertragbarkeit durchaus genügen, und sie tun dies, wiedie folgenden Kapitel deutlich zeigen. Lebendigkeit undProduktivität des Forschungsverbundes „Stadt 2030“zeigen sich aber auch darin, dass häufig höchst kontro-verse Antworten gefunden wurden. Die Resultate desForschungsverbundes zeichnen sich also nicht durchStromlinienförmigkeit aus, nicht durch Konsens in Formeines kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern durchmarkante Gegensätze und Widersprüche in Auffassungund Konzeption, die jedoch in sich jeweils plausibel undüberzeugend vorgestellt werden.

Innovation durch Kooperation

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Die Zukunft ist nicht vorhersehbar, aber wir können unsauf sie vorbereiten. So ist denn auch für die Entschei-dungsträger in Rat und Verwaltung unserer Städte dieAuseinandersetzung mit Zukunftsfragen unverzichtbar.Denn die Analyse bestehender Rahmenbedingungenund jeweiliger Trends der Stadtentwicklung mit ihrenvielfältigen gegenseitigen Abhängigkeiten und Vernet-zungen ist – jenseits der tagespolitischen Sach- undEntscheidungszwänge – die Grundlage für eine fundierteMeinungsbildung und die darauf aufbauendenPlanungen und Entscheidungen. Die Projekte imForschungsverbund „Stadt 2030“ sollten hierzu einenBeitrag leisten und vorausschauende sowie wissenschaft-lich gesicherte Konzepte für die zukünftige Entwicklungvon Stadt und Region erarbeiten.

Drei methodische Zugänge der Zukunftserschließungstanden im Zentrum der Arbeiten des Forschungsver-bundes „Stadt 2030“: Prognosen, Szenarien und Leit-bilder. Allerdings hat kein Projekt den Versuch unter-nommen, sich allein auf einen Zugang zu beschränkenund so von vornherein Zukunftswissen eher zu begren-

zen als zu eröffnen. Auch war allen Beteiligten klar, dassüber Zukunft keine empirischen Aussagen möglich sind,dass aber sehr wohl über einige bereits erkennbareTrends gehaltvolle Aussagen getroffen werden können –Prognosen, die – wenn auch mit wachsender Unsicher-heit – in die Zukunft verlängert werden können. Vor allem für demographische und auch ökonomischeEntwicklungen wurden vereinzelt derartige datenge-stützte Voraussagen gemacht. Ein Beispiel hierfür ist dasProjekt Leipzig „Stadt 2030“, in welchem auf Basis vonPrognosen zur Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklungplanerisch-konzeptionelle Überlegungen undwohnungswirtschaftliche Politikszenarien entworfenwurden.

Komplexere Zusammenhänge lassen sich mit solchlinearen Voraussagen allerdings nicht darstellen. Daherwurden in den Projekten statt faktischer primär plausible Aussagen des Möglichen durch Entwicklungvon Szenarien gesucht. In der Regel wurde dabei nichtauf ein einzelnes Szenario zurückgegriffen, sondern eineReihe möglicher Zukünfte beschrieben. Im Mittelpunkt

Die Erschließung der Zukunf t18

Die Erschließung der Zukunft – Prognosen, Szenarien und Leitbilder

Görlitz/Zgorzelec: Zukunftserschließung in Görlitz/Zgorzelec

Zukünftige Entwicklung zwischen strukturbedingter Vorbestimmtheit und Unsicherheit

Quelle: Institut für ökologische Raumentwicklung e.V., Dresden.

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Die Erschließung der Zukunf t 19

Leipzig: Prognosen

Demographische Entwicklung

Demographische Entwicklung

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

Die Bevölkerungsentwicklung der StadtLeipzig wird in den nächsten dreißigJahren von zwei Einflussgrößenabhängen:

Wirtschaftsentwicklung

Die Entwicklung des Wirtschaftswachs-tums und damit der Anzahl der Arbeits-plätze in der Region Leipzig wird darüberentscheiden, wie sich die überregionaleZu- und Abwanderung in und aus derRegion Leipzig entwickelt. Denkbar istdabei, dass die Region Leipzig den Rück-stand auf Westdeutschland aufholt(Szenario Aufholen), was mit einer starkenNettozuwanderung verbunden wäre,oder dass der Rückstand zu Westdeutsch-land erhalten bleibt (SzenarioMitschwimmen), womit nur eine geringeZuwanderung verbunden wäre.

Wohnungsnachfrage

Leipzig hat in den letzten JahrenEinwohner an sein Umland verloren. DieseEntwicklung kann sich fortsetzen(Szenario Suburbanisierung), aber eskönnte Leipzig auch in Zukunft gelingen,den Wohnungsangeboten des Umlandesüberlegene Konkurrenzangeboteentgegen zu setzen (Szenario Urbanisie-rung). Die Prognosen zeigen, dass diezukünftige Verteilung der Wohnungs-nachfrage zwischen Umland und Leipzigweitaus bedeutender für die Bevölke-rungsentwicklung Leipzigs ist als die Wirt-schaftsentwicklung der Region.

Insgesamt wird die Einwohnerzahl inStadt und Region Leipzig im besten Fallstagnieren oder leicht steigen, imungünstigsten Fall weiter sinken, wennauch nicht mehr so extrem wie zu Beginnder 1990er Jahre. Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

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standen – anders als bei quantitativen Prognosen –weniger die Wahrscheinlichkeit ihres Eintreffens,sondern die Ermittlung und Beschreibung bestim-mender Faktoren und Wirkungszusammenhänge. Solassen sich auch plausibel erscheinende Trends undStrukturbrüche mitdenken. Die besten Szenarien warenalso nicht unbedingt diejenigen, die aller Voraussichtnach Realität werden, sondern diejenigen, die helfen,Risiken zu erkennen und strategische Entscheidungenvorzubereiten. Ihre Funktion im Forschungsprozess wareine mehrfache: Sie dienten als Einstiegsszenarien zurInitiierung des Prozesses der Zukunftserforschung, alsexplorative Szenarien der Erkundung von Alternativen(etwa die strategische Szenarienbildung in Görlitz/Zgorzelec) oder auch als zielsetzende Szenarien undErgebnisszenarien. In ihrer letzten, stark normativenVerwendung bildeten die Szenarien einen fließendenÜbergang zu Leitbildern; damit war die Frage auf-geworfen, was zu tun ist, um ein gewünschtes Ziel zuerreichen.

Ob Prognose, Szenario oder Leitbild, die formuliertenZukunftsaussagen wurden nicht einfach in traditionellePlanungsziele übersetzt, sondern als „Kommunikations-angebote“ formuliert. Daher fand in der Anwendungzumeist auch eine Verknüpfung mit Kreativtechnikenund Partizipationsmethoden (Brainstormings, Meta-pläne, Zukunftswerkstätten, Planungszellen usw.) statt.

In starkem Maße waren dabei – neben den wissen-schaftlichen Experten – auch lokale Interessengruppenund interessierte Bürgerinnen und Bürger als „Laien“ indie Prozesse involviert. Natürlich ist ein Diskurs überfaktisch vorhersehbare, plausible oder normativ gesetzteZukünfte jeweils nur begrenzt möglich. Harte Prognosenlassen sich allenfalls hinsichtlich ihrer empirischenGrundlagen überprüfen, nicht jedoch diskursiv verhan-deln. Die mittels Szenarien eröffneten Möglichkeitsräumeoder normativ gesetzten Leitbildideen ermöglichendagegen eher die Initiierung von Zukunftsdialogen.

In allen beteiligten Städten und Regionen ist es zunächstgelungen, Zukunftsdialoge anzustoßen. Damit konnteein wesentliches Ziel des Forschungsverbundes erreichtwerden. So konnte das bis vor wenigen Jahren in derStadtforschung noch gänzlich unbeachtete Thema derStadtschrumpfung in seinen Auswirkungen auf allekommunalpolitischen Handlungsfelder erstmals einerbreiten Öffentlichkeit bewusst gemacht werden. Zum Teil konnten auch für Probleme, die seit Jahren odergar Jahrzehnten als unlösbar galten, Lösungsperspek-tiven erarbeitet werden. Ein Beispiel hierfür ist dasProjekt der Stadt Mönchengladbach, durch das der längstüberfällige Einstieg in eine integrierte Stadtentwicklungfür die vor dreißig Jahren entstandene Doppelstadtgeschaffen und öffentlich diskutiert wurde.

Die Projekte „Städteregion Ruhr“ und „Gießen/Wetzlar“lieferten durch die Entwicklung von Kooperationsmo-dellen der Regionsbildung neue Impulse. Und die StädteGuben und Görlitz erarbeiteten mit Hilfe ihrer Projekteim Forschungsverbund „Stadt 2030“ Ideen für ihre

Die Erschließung der Zukunf t20

Leipzig: Leipzig „PlusMinus“

Quelle: Präsen-

tationsfolien

Leipzig.

„Stadt 2030“ in Mönchengladbach

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Zukunft als grenzübergreifende Doppelstädte mit denPartnern Gubin und Zgorzelec – sie wurden damit zuModellprojekten der EU-Osterweiterung.

Die zahlreich entstandenen Zukunftsforen werden vieler-orts über den Förderzeitraum hinaus Bestand haben. Diesist ein schöner Erfolg, war es doch ein wesentliches Ziel

des Forschungsverbundes, dauerhafte Anstöße zu geben.Auf Dauer droht jedoch jeder Diskurs inhaltsleer und fürdie beteiligten Akteure uninteressant zu werden, wenn esnicht gelingt, ihn mit konkreten Handlungsoptionen und-schritten zu verknüpfen. Hier besteht insbesondere fürdie beteiligten Kommunen Handlungsbedarf über dieLaufzeit des Forschungsverbundes hinaus.

Die Erschließung der Zukunf t 21

Görlitz/Zgorzelec: Zukunftserschließung in Görlitz/Zgorzelec

Quelle: Institut für ökologische Raumentwicklung e.V., Dresden.

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Als Mitte der 1980er-Jahre zum ersten Mal von städti-schen oder regionalen Schrumpfungsprozessen die Redewar, als die Möglichkeit ins Auge gefasst wurde, dassdeutsche Städte und Regionen dauerhaft Einwohner undArbeitsplätze verlieren könnten, erschien dies als uner-hörte Behauptung, die erheblichen Widerstand provo-zierte. Die deutsche Vereinigung brachte dann zwar inden alten Bundesländern die bereits einsetzendenSchrumpfungen zum Halten, ostdeutsche Städte ver-loren aber umso offenkundiger an Einwohnern. Heute, 15 Jahre nach der deutschen Vereinigung, hat dieses irri-tierende Phänomen der Stadtschrumpfung auch Städtein den alten Bundesländern eingeholt, während es inStädten der neuen Bundesländer nicht etwa zum Haltengekommen ist, sondern unvermindert anhält.

Diese inzwischen unabweisbare Tatsache städtischerSchrumpfung erscheint so schockierend, weil man sichStädte gar nicht anders als ständig wachsend vorstellenkann. Vor allem der Begriff der Schrumpfung stößt nochheute auf Ablehnung, signalisiert er doch im populärenVerständnis nicht nur Rückgang, sondern darüberhinaus „Krankheit“ oder Fehlentwicklung.

Drei Ursachen sind es, die zu Einwohnerrückgängen unddamit zu Stadtschrumpfung führen: Suburbanisierung,

regionale Wanderungen und – als langfristig gravie-rendste Ursache – ein demographisch bedingter Bevölke-rungsrückgang. Waren es anfangs eher die beiden erstenPhänomene, die als Auslöser gesehen wurden, deutetsich jetzt an, dass vor allem der Bevölkerungsrückgang,der durch niedrige Geburtenraten verursacht ist,Schrumpfung auslöst und in den kommenden Jahrenverstärkt auslösen wird. Während sowohl Suburbanisie-rung durch gezielte Förderung der Zentren in regionalerPlanung als auch regionale Wanderungen durch Wirt-schaftsförderung der schwächeren Regionen in gewissemMaße als beeinflussbar gelten, besteht weitgehend Über-einstimmung darüber, dass sich der Bevölkerungsrück-gang Steuerungsversuchen zumindest auf kommunalerEbene hartnäckig entzieht. Und dieser Bevölkerungsrück-gang könnte in Deutschland nach einhelliger Auffassungder Demographen Ausmaße annehmen, für die es einenAusgleich durch Zuwanderung kaum geben kann. Zwarerscheit es als relativ sicher, dass einige prosperierendeZentren vor allem im Süden und Südwesten Deutschlandsfür die kommenden ein bis zwei Jahrzehnte ihren demo-graphischen Bevölkerungsrückgang noch durch Zuwan-derung kompensieren können, danach aber wird selbst indiesen Regionen mit Einwohnerverlusten gerechnet.Unter dieser Perspektive setzt bereits gegenwärtig einemassive Konkurrenz der Städte und Regionen nicht mehrnur um Wirtschaftswachstum, sondern direkt um Zuwan-derung ein, vor allen um Zuwanderung gut qualifizierter,jüngerer Deutscher.

Um dieser neuen Herausforderung gerecht zu werden,wurde im Forschungsverbund „Stadt 2030“ bereits beider Auswahl der Projekte darauf geachtet, dass Schrump-fung thematisch angemessen repräsentiert ist: Mehr als

Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt22

Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt

Schrumpfende Städte im Forschungsverbund

Folgen der Schrumpfung ohne Steuerung

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Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt 23

Leipzig: Die perforierte Stadt…

…ist eine Realitätsbeschreibung für jene städtischen Bereiche, die nach Kriegszerstörungen, ausbleibender Sanierung und derAufgabe bisheriger Nutzungs- und Eigentumsverhältnisse ihren ursprünglichen baulich-räumlichen, funktionalen und infra-strukturellen Zusammenhang verloren haben.…beschreibt mit Blick in die Zukunft eine gewisse Latenz bzw. konkrete Gefährdung in einem Prozess der sukzessiven Entlee-rung und Aufgabe von mangelhaften Beständen in schwachen Lagen (siehe Leipziger Westen).…intendiert daher einen neuen Stadtraumtyp für die kleinteilige und interaktive Umgestaltung gründerzeitlicher Strukturen.…erfordert im Unterschied zum Stadtumbau in den großen Plattenbausiedlungen der ökonomisch handelnden, koalitionsfähigen Wohnungsunternehmen eine angemessene Reaktion auf die vorherrschende kleinteilige und heterogeneEigentümerschaft.…ist im Fall bewältigter Transformation ein entspannter Stadtraumtyp; durch die Auflockerung bietet sie Chancen zur Erhöhung der Wohn- und Wohnumfeldqualität (siehe Transformationsprozess im Leipziger Osten).…erfordert – anders als beim Neubau unter Bedingungen von Flächenknappheit und Wohnungsmangel – eine intensive politische und planerische Prozesssteuerung.

Räumliche Reaktionen auf die perforierte Stadt

Steuerung der künftigen Nachfrage

Schrumpfung

zentrifugal zentral Fragmentierung Konzentration

dichte Stadt Dispersion

Folgen die Menschenauch in Zukunft dem„Trampelpfad“ in dasEigenheim?

Wenn ja, stellt man sich derHerausforderung „nur“durch ein möglichst großesFlächenangebot auf Leip-ziger Territorium?

Oder bemüht man sichdarüber hinaus um mehrEinfamilienhäuser aufinnerstädtischen Stand-orten und Brachen?

Wird die Bindung derwachsenden Nachfragenach Einfamilienhäusernzum zentralen Politikzielder Stadt Leipzig?

Kontraktion Gliederung

Entleerung

Quelle: Ausstel-

lung „Auf dem

Weg zur Stadt

2030“ am

24./25. Septem-

ber 2003 in

Braunschweig.

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die Hälfte aller beteiligten Projekte befasst sich daher mitEinwohnerrückgängen und deren Folgen, wie sie in denjeweiligen Städten oder Regionen – allerdings unter-schiedlich stark ausgeprägt – festzustellen sind. Währendfür einige Projekte, z.B. Guben/Gubin oder Leipzig, derlaufende Einwohnerrückgang das zentrale Thema im

Forschungsverbund bildet, ist dieser bei anderenProjekten in andere Themenkontexte eingebettet, z.B.das einer nachhaltigen regionalen Siedlungsentwick-lung (Region Braunschweig) oder des Strukturwandelsim ländlichen Raum beim Projekt Schwalm-Eder-West,im urbanen Kontext beim Projekt Kiel.

Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt24

Braunschweig-Salzgitter-Wolfsburg: Die perforierte Region

Veränderungen in % gegenüber 2000

30,1 u.m.20,1 bis 3010,1 bis 200 bis 10-0,1 bis -10-10,1 bis -20-20,1 bis -30-30,1 u.m.

ZweckverbandGroßraum Braunschweig

Landkreis

Samt-/Einheitsgemeinde

gemeindefreies Gebiet

Bevölkerungsentwicklung in den Einheits- und Samtgemeindendes Großraums Braunschweig 2000 bis 2030

Für den Großraum Braunschweig wurde einekleinräumige Bevölkerungsprognose erarbeitet.Bei der Szenarioprognose wird angenommen,dass insbesondere die von Abwanderung beson-ders stark betroffenen Kernstädte Braunschweig,Wolfsburg und Salzgitter sowie die großenMittelzentren ihre derzeitigen Bemühungen umverstärkte Baulandausweisung fortsetzen underfolgreich ausgestalten können. Dies führt zueiner verhaltenen Entwicklung in den Kernen,verlangsamt die Wachstumstendenzen im subur-banen Raum und führt zu deutlichen Verlustenim peripheren ländlichen Raum bzw. in denbisherigen klassischen Überalterungsgebietender 90er Jahre (Nordharz). Bei einer zukünftigimmer stärker zunehmenden Verfügbarkeit von Wohnraum durch eine insgesamt rückläu-fige Bevölkerungszahl sind in den ländlich strukturierten peripheren Räumen der RegionWüstungserscheinungen nicht ausgeschlossen.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am

24./25. September 2003 in Braunschweig.

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Die Vielfalt der Projekte im Forschungsverbund deutetdarauf hin, dass sich Bevölkerungsverluste lokal undregional ganz unterschiedlich darstellen und auswirken.Leipzig beispielsweise stellt in seinen Ergebnissenheraus, dass die Stadt gleichzeitig schrumpft und wächst,dass sich die Schrumpfung also in der Stadt kleinräumigund je nach Wohnlage sehr unterschiedlich darstellt.Dies erfordert, so das Leipziger Projekt, nicht nur einebauliche Umgestaltung der Stadt, sondern auch einenUmbau der Verwaltung und der Leistungskapazitätender Stadt und anderer öffentlicher Anbieter. Dabei sinddie Veränderungen zum Teil aufeinander bezogen. So

werden beispielsweise der Rückgang der Zahl derEinwohner, der steigende Altersdurchschnitt und dieveränderte räumliche Verteilung der Haushalte zuVeränderungen im Verkehrsaufkommen führen undeine andere Auslastung des öffentlichen Personennah-verkehrs zur Folge haben. Hierauf müssen sich Stadtent-wicklung und Stadtpolitik zukünftig einstellen.

Eine ganz andere Herangehensweise an das „Schrump-fungsproblem“ wählten beispielsweise das Guben/Gubiner Projekt, das Beeskower und auch das Eisenhüt-tenstädter Projekt. Bei der Diskussion der Frage, welche

Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt 25

Guben/Gubin: Konsequenzen und Maßnahmen aus „Stadt 2030“

... für Politik und VerbändeGrundsatzbeschluss Guben/Gubin über die verstärkte ZusammenarbeitVoranbringen des Karlsruher Abkommens als frühzeitige/vorzeitige kommunale Handlungsgrundlage für grenzübergreifende Kooperationen oderGründung einer regionalen Entwicklungsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit als Handlungsarm auch für die EuroregionEtablierung einer Institution für cross-border-StudienAnschub der Qualifizierungsoffensive und ExistenzgründerkampagneBeschluss zur Erarbeitung eines Fusionskonzeptes relevanter VerwaltungsaufgabenStärkung von Identitätspunkten und räumlichen EntwicklungslinienBildung einer ständigen Guben/Gubiner Zukunftskommission o. Ä.Einsicht und Einstieg in einen Agenda-21-Prozess, Dialogprozess mit den Bürgern, Organisationen und der WirtschaftGemeinsame Strategie und Konzeption zum Umgang mit Handel, Dienstleistungen, Gewerbe und Gewerbeflächen

... für die VerwaltungGemeinsame Erarbeitung eines mehrstufigen Fusions- und Handlungskonzeptes ausgewählter Verwaltungsaufgaben und -bereicheräumliche EntwicklungsschwerpunkteSprachförderung und Bildungsinhalteschrittweise Fusion öffentlicher EinrichtungenPPP-KonzepteKulturerbe und Sanierungskonzept denkmalgeschützter GebäudesubstanzRegional- und Standortmanagement Guben/GubinFörderung von Handel- und DienstleistungUmwelt-, Brand- und KatastrophenschutzVerwaltungsrichtlinie zur zweisprachigen Kennzeichnung im AlltagUmsetzungskonzept für gemeinsamen grenzüberschreitenden öffentlichen Personen-Nahverkehr und VerladebahnhofErarbeitung eines gemeinsamen Veranstaltungskonzeptes und -kalenders

... für die BürgerVermittlung der Vorteile und Notwendigkeiten einer gemeinsamen Vorgehensweise an die EinwohnerDiskussionen zur Perspektive des „Lebenslangen Lernens“Aktive Mitarbeit im Prozess der Stadtentwicklung

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur

Stadt 2030“ am 24./25. September 2003 in

Braunschweig.

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Teile der Stadt angesichts massiver Schrumpfungsten-denzen langfristig zu erhalten sind, gingen dieseProjekte weit über die Vorstellungen von Umbaukon-zepten hinaus. Sie suchten z.B. in der Historie ihrer Städtedanach, was den Charakter der Stadt ausmacht. DieFrage nach dem zukünftigen Bild der Stadt wird im Rück-griff auf Geschichte und eine Verknüpfung vonGeschichte, Gegenwart und Zukunft zu einer Frage der Identität der Stadt. Die Ergebnisse der Projektezeigen, dass ein angemessener und nachhaltigerUmgang mit Stadtschrumpfung Zeit erfordert und dieLösung des Problems nicht (nur) in einem Umbau derStädte liegt.

Die Vorüberlegungen zur Bewältigung des Schrump-fungsproblems waren in den ausgewählten Projekten vorBeginn des Forschungsverbundes ohne Zweifel unter-schiedlich weit gediehen. So konnte die Stadt Leipzig inden Forschungsverbund bereits mit einem relativ weitentwickelten Konzept der „perforierten Stadt“ ein-steigen, während etwa die Doppelstadt Guben/Gubindurch den Forschungsverbund „Stadt 2030“ zum erstenMal die Chance erhielt, sich vertieft und „über den Taghinaus“, jenseits von Einzelmaßnahmen mit Schrump-fung zu befassen. Gerade in diesen Projekten aber wurdeerkennbar, wie viel Mut und politischer Wille auchgegenwärtig noch erforderlich sind, diese sehr neue und

Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt26

Schwalm-Eder-West: Demographischer Wandel im ländlichen Raum

Bevölkerungsentwicklung in Schwalm-Eder-West

In Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung wird bundesweit miteinem Sinken der Bevölkerungszahl und einer drastischenVerschiebung der Altersstruktur gerechnet. Ländliche Räumewerden von dieser Entwicklung besonders betroffen sein. Dies giltauch für Schwalm-Eder-West. Die Gemeinden müssen sich dieserEntwicklung stellen. Der Leerstand von Einzelgebäuden ist schonjetzt im Raum Schwalm-Eder sichtbar und könnte sich rasch bishin zur Entleerung ganzer Dörfer und mancher Ortskerneausweiten. Wie soll die Nahversorgung in Zukunft gesichertwerden? Welche Kindergärten, welche Schulen müssengeschlossen werden, weil es zu wenig Kinder und Jugendlichegeben wird? Einzelreaktionen sind nicht mehr ausreichend, nurabgestimmtes Handeln führt zu zukunftsgerechten Lösungen!

Zahlen für Schwalm-Eder-West hochgerechnet

(Variante 1 „niedrigste Bevölkerungszahl“)

nach: Statistisches Bundesamt 2003; Ergebnisse der

10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg

zur Stadt 2030“am 24./25. Septem-

ber 2003 in Braunschweig.

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bisher unbekannte Herausforderung der Kommunal-politik angemessen zu formulieren, anzuerkennen undanzunehmen. Möglicherweise waren die beteiligtenWissenschaftler auf der Basis relativ stabiler Bevölke-rungsprognosen – die von allen „Schrumpfungspro-jekten“ als Grundlage zu erstellen waren – eher bereit,ein zukünftiges Bild einer Stadt zu zeichnen, dieschrumpfen wird. In der Kooperation mit den kommu-nalpolitischen Partnern zeigten sich jedoch die Wider-stände, die Akzeptanzprobleme, denen Schrumpfungauch gegenwärtig noch begegnet, so dass sich die Pla-nung der Schrumpfung mehr als andere Themen nichtnur als wissenschaftlich-analytische, sondern auch alsAufgabe der Vermittlung an die Politik und Verwaltungs-spitzen, aber auch an die Bevölkerung herausstellte.

Insbesondere die Bevölkerung erwartet häufig von derPolitik die Lösung von Tagesproblemen nach bewährtenMustern und weniger die Konfrontation mit langfristigen,notwendigerweise bedrückend erscheinenden Perspek-tiven. Doch zeigten gerade die Diskussionen mit derBevölkerung – beispielsweise in den Zukunftswerkstättendes Eisenhüttenstädter Projektes –, dass diese durchausbereit ist, Klartext zu reden, die Probleme radikal zubenennen und die Politik anzuhalten, die Zukunft nichtschönzureden. Mit Blick auf den gesamten Forschungs-verbund sind es vor allem die Projekte aus Städten undRegionen mit gravierenden Schrumpfungsproblemen, indenen sich das Forschungskonzept einer Beteiligung vonWissenschaft, Politik und Bevölkerung – bei allen Kon-flikten, die daraus resultieren mögen – als angemessenund unverzichtbar erwies.

Demographischer Wandel und schrumpfende Stadt 27

Schrumpfung bietet Chancen: Neue Naturräume …

… neue Nutzungsräume

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Identität und Image der „Stadt 2030“28

Identität und Image der „Stadt 2030“

Kernthemen der Identitätsprojekte

Eisenhüttenstadt: Von der Stadt am Stahlwerk zur Stadt miteinem Stahlwerk

Wirtschaftliche Perspektiven durch „parallele Standbeine“: Vermittlung von „Stahlstadt“ und „Dienstleistungsstadt“Modellstadt exemplarischen sozialistischen Städte- und Wohnungsbaus: Gebrauchs- und Symbolwert einer „lebendigen Geschichtsstadt“Chancen und Risiken der demographischen Entwicklung: Von der ehemals jüngsten Stadt der DDR zur „Stadt für alle Generationen“

Günzburg: Identität in der Spannung von ländlicher Barockstadtund überregionaler Freizeitkultur

Legoland-Freizeitpark als StandortfaktorLegoland-Freizeitpark als Impuls für Pädagogik in der WissensregionTradition und Moderne als Ungleichzeitigkeit des Gleich-zeitigenRegionale Kulturlandschaft gegen normierte Unterhaltungs- und Eventkultur

Kiel: Von der Werften-, Hafen- und Industriestadt zur Dienstleistungs- und Freizeitstadt am Wasser

Wasser als „Arbeitsplatz“ oder Wasser als Natur- und Freizeit-elementKieler Woche als ImagefaktorFrachthafen oder Marina-CityTourismus und die Brücke zum NordenKultur der Industriearbeit gegen neue Lebensstile der Dienst-leistungsgesellschaft

Mönchengladbach: Lokale Identität in der Spannung zwischenQuartier und Gesamtstadt

Quartier und Stadtteil als Lebenswelt oder VerwaltungseinheitIdentitätsstiftung durch GebietsreformPlanungsrationalität und Ortsbindung im Konflikt Quartier oder Gesamtstadt als Basis bürgerschaftlichen Engagements

Erlangen: Von der Universitätsstadt zur deutschen Gesundheits-hauptstadt

Medizinforschung und Medizinindustrie als ImagefaktorHauptstadt der gesunden LebensführungLeitbild einer gesundheitsorientierten kommunalen InfrastrukturHeterogenität von Stadtöffentlichkeit – Homogenität des Leitbilds „Gesundheitsstadt“Gesundheit als privates und als öffentliches Thema

Guben/Gubin: Suche nach einer Identitätder Grenzstadtder grenzüberschreitenden Kooperation in der Stadt der zwei Nationendes Stadtbildes in einer durch Krieg und späte Industrialisierung zerstörten Stadtder schrumpfenden Stadt ohne Industrieder Peripherie in der Mitte Europas

Beeskow: Eine liebenswerte, ländliche Kleinstadt aufdem Weg zur Modernisierung

Die Wiederentdeckung von Tradition und Geschichte als Weg in die ZukunftFreizeit und Tourismus als Ressourcen zur Überwin-dung wirtschaftlicher StagnationEndogene Potenziale von Landschaft, Fluss und alter Kleinstadt als Chance im ländlichen RaumVisionen mit Bodenhaftung: Leitbilder der Beeskower Bürger im Spannungsfeld zwischen heute und morgenIdentitätsbildung zwischen partizipativer Willens-bildung und Prozess des Lernens

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am

24./25. September 2003 in Braunschweig, Tafel Difu „Identität“.

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Längst Geschichte sind die 1950er- und 1960er-Jahre, indenen sich deutsche Städte mit Bildern rauchenderFabrikschlote oder gigantischer Verkehrsbauwerke desIndividualverkehrs – man denke an die berühmten Post-karten vom riesigen Parkplatz der Hannover-Messe – alsmodern, erfolgreich und produktiv darzustellen suchten.Spätestens seit den 1970er-Jahren werden diese Bilder, dieimmer auch ein spezielles Selbstverständnis ausdrücken,abgelöst vom „blauen Himmel über der Ruhr“, vomGelsenkirchener „Parkstadion“ statt „Auf Schalke“. An dieStelle von Selbstbildern, von Identität aus der Phase derfordistischen, der Produktions- und Industriestadt tretenImages eines urbanen Flairs, einer harmonischen Verbin-dung von kultureller Tradition und modernem Stadter-lebnis als Erlebnis und Ereignis, von Freizeit und Lebens-qualität. Und wo klassische Industrieanlagen in diesen

Bildern auftauchen, zeigen sie sich in eben dieser kultu-rellen Überformung, als illuminierte Stahlwerke undZechen, umfunktioniert zu Freizeitparks, Gasometer alsKultureinrichtungen und Aussichtsplattform. Man denkean die Objekte der IBA Emscherpark und an Oberhausen.Nicht „Industriehauptstadt“, sondern „Kulturhaupt-stadt“, Weltzentrum des Segelsports (Kiel) oder Gesund-heitshauptstadt (Erlangen) zu sein, ist der Ehrgeiz vonKommunalpolitik.

Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ manifestieren sichdieser Wandel und die Suche nach einer postindus-triellen Identität, nach einer Stadt des „guten Gefühls“und der „Wellness“ in einer ganzen Gruppe vonProjekten. Landschaft um die Stadt und in der Stadt, vorallem aber Wasser, und dieses buchstäblich in der Stadt,

Identität und Image der „Stadt 2030“ 29

Kiel: Wandel von der Werften- zur Dienstleistungsstadt

Das bestimmende räumliche Merkmal für die Identität und das Imageder Stadt Kiel in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist die Lageum die Kieler Förde. Kiel ist mit etwa 20 Kilometern Uferlinie dieWasserstadt schlechthin – so könnte man meinen. „Kiel ist gar nicht dieStadt am Wasser“, ist dagegen der Eindruck vieler Besucher und Besu-cherinnen. Die Ursache ist klar: Das Ufer der Kieler Förde ist zu großenTeilen nicht öffentlich zugänglich und die Bewohner können dasWasser kaum erleben, weil diese Flächen durch Marine, Werften undHafenwirtschaft dominiert werden. Dabei haben die ehemalstragenden Säulen der Kieler Wirtschaftsstruktur (Marine und Werften)an Bedeutung verloren.

Kiel befindet sich in einem tief greifenden Strukturwandel, der unmit-telbare Auswirkungen auf die gewachsene Identität der Stadt hat:sowohl hinsichtlich der inneren Identifikation der Bürger und Bürge-rinnen mit der Funktion „ihrer“ Stadt als auch hinsichtlich des nachaußen vermittelten Image.

Ziel des Projekts „Zukunft Kiel 2030“ ist es, die Potenziale der Stadtunter den wirtschaftlichen und städtebaulichen Gegebenheiten, diesich durch Schrumpfung und Strukturwandel verändern, in einzukunftsfähiges Stadtleitbild zu überführen. Das heißt, Kiel muss seinAlleinstellungsmerkmal nicht erfinden, sondern einfach die Augenöffnen:

Kiel ist die Großstadt und Universitätsstadt an der FördeKiel ist eine moderne Stadt des 19. und 20. JahrhundertsKiel ist eine HafenstadtKiel ist „Kiel Sailing City“ – Segelstadt Nr. 1

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003 in

Braunschweig.

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Identität und Image der „Stadt 2030“ 30

Eisenhüttenstadt: Identität und demographischer Wandel

Schon der Name Eisenhüttenstadt dokumentiert die engeVerbindung der Stadt und ihrer Entstehungsgeschichtemit dem heutigen Stahlwerk. Bereits heute jedoch ist dieRolle des EKO-Stahlwerks in der Stadt nicht mehr so domi-nierend wie noch zu DDR-Zeiten. Bis zum Jahr 2030werden sicherlich starke, auch globale Veränderungen imStahlsektor insgesamt stattfinden. Doch lässt sich dasImage als Industriestadt ohne Identitätsverlust verän-dern? Und welche Rolle können dabei die Stadt, die Wirt-schaft sowie die sozialen und kulturellen Organisationenspielen? Dies ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dassdie für den Aufbau der Stadt prägende und identitätsstif-tende Generation dann nicht mehr vorhanden sein wird.

Darüber hinaus hat Eisenhüttenstadt seit der Wiederver-einigung fast ein Viertel seiner Bevölkerung verloren.Aufgrund der niedrigen Geburtenrate und der anhal-tenden Abwanderung insbesondere jüngerer Eisenhüt-tenstädter wird sich der Altersaufbau der städtischenBevölkerung stark verändern. …. Dies wird vielfältigeAuswirkungen auf die Stadtstruktur, Wirtschaftskraft unddie städtischen Angebote Eisenhüttenstadts haben.

Vor dem Hintergrund des derzeitigen Strukturwandelsund der vielfältigen städtischen Schrumpfungsprozesseist es erforderlich, ein konsensfähiges Bild für die Zukunftder Stadt zu entwerfen. Folgende Fragen stehen dabei imMittelpunkt:

Wie muss die Stadt im Jahr 2030 aussehen, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Bewohner einge-stellt zu sein?Welche wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven gibt es für Eisenhüttenstadt? Wie kann die Stadt die Chancen der EU-Erweiterung nutzen?Wie kann die Stadt auf die starken Einwohnerverluste und auf die Alterung der Bevölkerung reagieren?Was macht die Identität der Stadt heute und in der Zukunft aus? Braucht Eisenhüttenstadt einen Identitätswandel?

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg

zur Stadt 2030“ am 24./25. Septem-

ber 2003 in Braunschweig.

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historische Bausubstanz als Markenzeichen, als Traditi-onsvergewisserung, als Ausweis von Beständigkeit imWandel werden zu den entscheidenden Merkmalendieser neuen kommunalen Image- und Identitätspolitik.Das Projekt Kiel entdeckt die Förde in der Mitte der Stadtals in die Zukunft gerichteten starken Motor der Stadt-entwicklung. In Beeskow erfolgt ein Rückbezug auf dievorindustrielle und vorsozialistische Vergangenheit der Kleinstadt. Die Funktion dieser Elemente, z.B. desWassers der Kieler Förde als Basis industrieller Produk-tion, gleichsam ihr „Werkzeugcharakter“, tritt zurückhinter Leistungen und Funktionen, die der Schaffungeines Lebensgefühls dienen, eines gleichermaßen geho-benen wie herausgehobenen Seins als städtischer Lebens-weise. Dieses wird als Lebensweise einer urbanen Zukunft,als Ziel von Stadtentwicklung in den Identitätsprojektengesucht und visionär entfaltet. Kurz: Die Städte des The-menfeldes „Identität“ (und sie stehen beispielhaft füreine ganze Bewegung der Kommunalpolitik) wollen sichvon industriegesellschaftlichen Prägungen lösen, um ineiner Kultur der Wissens- und Dienstleistungsgesell-schaft einen neuen Platz, eine neue Identität zu findenund ein neues Selbstverständnis zu entwickeln, das nachaußen wie nach innen wirken soll.

Dieser Wandel aber vollzieht sich nicht so konfliktfrei, soharmonisch, wie es die neuen Stadtbilder suggerieren.Noch bildet industrielle Produktion die Basis der deut-schen Volkswirtschaft. Vor allem aber wird die neueWissens- und Dienstleistungsgesellschaft von tiefensozialen Brüchen und Spaltungen begleitet sein. Nichtalle Dienstleistungsberufe werden ihren Inhabern denWohlstand, die Freizeit und den Zugang zu Gesundheitals neuer „Volksreligion“ bescheren, wie es neue Stadt-bilder glauben machen wollen. Benachteiligung, ja

Armut wird in deutschen Städten nicht nur weiterhinbestehen, sie wird vermutlich sogar zunehmen. In denpostindustriellen Bildern von Stadt und Gesellschaftkommen diese Schattenseiten des sozialen und ökonomi-schen Wandels aber nicht vor, sie werden unsichtbar, ausdem Bewusstsein verdrängt. Das hatte Friederich Engelsmit Bestürzung bereits im frühindustriellen Manchestererleben müssen: Nur wenige Schritte hinter der glän-zenden „High-Street“ lagen die Elendsviertel des –damals modernen – Industrieproletariats, aber keinFlaneur oder Gast im Festsaal des urbanen Zentrumswusste davon.

Identität und Image der „Stadt 2030“ 31

Guben/Gubin: Identität in der schrumpfenden Stadt

Im Frühjahr 2004 wird Polen der Europäischen Union beitreten.Guben und Gubin sind ein Städtepaar an der deutsch-polnischenGrenze, das Akteur bei der Verflechtung einer neuen Brücken-region Europas sein wird. Die Perspektive, eine räumliche Situation als Brücke – als Chance – zu nutzen, ist vielen bewusst,aber gelebter Alltag wird sie auf längere Sicht nicht von selber.

Die geteilten Grenzstädte Guben und Gubin stehen in einemtiefgreifenden Veränderungsprozess und müssen massiveEinwohnerverluste und Umstrukturierungen bewältigen. Bereitsheute zeichnen sich aus dem Schrumpfungsprozess gravierendeProbleme ab – Wohnungsleerstand, Facharbeitermangel, Über-alterung, Schließung öffentlicher Einrichtungen, fehlende Ange-bote im kulturellen Bereich.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

Einstellung der Bevölkerung zur eigenen Stadt

35 % der Gubener und 25 % der Gubiner finden keine positiven Qualitäten in ihrer eigenen Stadt.44 % der Gubener und 49 % der Gubiner nennen arbeitsplatz-bedingte Gründe und eine ungünstige Zukunftsperspektive als Umstände, die sie so stören, dass sie sich vorstellen können, deshalb die Stadt zu verlassen.20 % der Gubener und 24 % der Gubiner sehen ihre Stadt als „schrumpfende Stadt“.21 % der Gubener und 33 % der Gubiner sehen ihre Stadt als wirtschaftlich schwache Stadt.31 % der Gubener und Gubiner sehen ihre Stadt nach außen als Grenzstadt.

Quelle: TOPOS Stadtforschung, Sozialstruktur und städtische Identität in der

Doppelstadt Guben/Gubin, September 2002.

„Nicht-Orte“ ohne Identität: Die Zukunft der Stadt?

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Identität und Image der „Stadt 2030“ 32

Die Identitätsprojekte des Forschungsverbundes „Stadt2030“ sind sich über diese Ambivalenz einer postindus-triellen Imagepolitik weitgehend im Klaren. Im KielerProjektbericht wird nachdrücklich auf den jetzt bereitsgespaltenen Wohnungsmarkt verwiesen, der zu Polari-sierung tendieren kann, wenn sich die Stadt unreflektiertund überstürzt nur der Vision der Dienstleistungs- undWellness-Stadt ausliefert. Und im Projekt Eisenhütten-stadt musste während des Projektverlaufs das Zukunfts-konzept einer Gesundheitsstadt revidiert und relativiertwerden zugunsten eines Bildes der Kontinuität als Indus-triestadt, die sich ohne Aufgabe des Alten eher behutsameinem Neuen annähert. Gesucht werden also ein Bild derStadt, eine Identität und ein nach außen wirksamesImage, die so gegensätzliche Facetten wie Industrie- undDienstleistungsstadt versöhnen und den mentalen Schockeiner abrupten Abkehr und Abwertung von gewach-senen Traditionen vermeiden.

Das Projekt Guben/Gubin greift den Zusammenhangzwischen Schrumpfungsprozessen und Identitätswandelauf, der auch zu umfassenden Veränderungen der Stadt-gestalt führen wird. Es gibt keine Möglichkeit, sich imZuge der Schrumpfung, die im Wesentlichen eine De-Industrialisierung und eventuell sogar eine De-Ökonomi-sierung darstellt, vom industriell bedingten Stadt-wachstum sowohl der Gründerzeit als auch derDDR-Wirtschaftsplanung zu trennen und auf die alteKleinstadtstruktur zurückzuziehen, da das alte Zentrumim Zweiten Weltkrieg komplett zerstört wurde. Daherwurden zum einen die noch bestehenden baulich-räumlichen Ansatzpunkte gesucht, zum anderen aberauch die Neu- oder Wiedererrichtung von baulichenMerkzeichen vorgesehen, die eine Identität, jetzt alsZwei-Nationen-Grenzstadt, begründen könnten, wie z.B.das Theater auf der Neißeinsel, das in alter oder neuerForm rekonstruiert werden soll.

Beeskow: Beständigkeit als Ziel

Die Stadt Beeskow liegt im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg, etwa80 Kilometer südöstlich von Berlin, nur 30 Kilometer von der Grenze zur Republik Polenentfernt. Sie liegt mit ihrem historischen Stadtkern und der Burg direkt am Flusslauf derSpree, umgeben von Wiesen, Wäldern und Seen inmitten eines der reizvollsten Naherho-lungsgebiete im Osten Brandenburgs. Während Beeskow in den ersten Jahren nach derWende noch eine relativ stabile Bevölkerungsentwicklung aufwies, zeigen sich nun inder Stadt und ihrem Umland deutliche Schrumpfungstendenzen. Gesamtziel des Vorha-bens war die Entwicklung langfristiger Zukunftsperspektiven für Beeskow und seinUmland, dies unter breiter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Stadt undUmland. Aufgabenschwerpunkt des Vorhabens waren Zielformulierungen und Weichen-stellungen zur Erhaltung der städtischen Identität: Beeskow als liebenswerte Kleinstadtim lebenswerten ländlichen Raum. Quelle: Projektdarstellung Beeskow.

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Beide Aspekte, den der industriellen Produktions- undArbeitsstadt und den der postindustriellen Dienstleis-tungs-, Kultur- und Erlebnisstadt in einem Image, in einerIdentität zu verbinden und beide zum Ausdruck zubringen, bleibt aber, so das Ergebnis aus diesem Themen-komplex des Forschungsverbundes, eine kaum lösbareAufgabe. Images strahlen nur dann Überzeugungskraftaus, wenn sie eindeutig sind und Realität in hohem Maßevereinfachen. Identitäten lassen sich zudem nicht beliebigkonstruieren. Zu stabil sind Selbst- und Fremdbilder. Auchdann, wenn sie immer nur Ausschnitte einer Realität

betonen, lassen sie sich nicht jeder Realität überstülpenwie ein neues Kleid. Dies macht letztlich das Projekt Günz-burg – hier als Beispiel stabiler Identität – deutlich. Selbstdie Ansiedlung eines gigantischen Freizeitparks unmit-telbar vor den Toren der Stadt war nicht in der Lage, dieseKleinstadt an der schwäbischen Barockstraße aus ihrerländlichen Ruhe zu bringen. Fraglich bleibt, ob der alswirtschaftlicher Impuls gedachte Freizeitpark diese Funk-tion wirklich erreicht. Mit Sicherheit aber hat er am Imageund an der Identität Günzburg kaum etwas verändert, sowenigstens das – vorläufige – Ergebnis dieses Projekts.

Identität und Image der „Stadt 2030“ 33

Günzburg: Imagewandel durch Großprojekte?

Am 17. Mai 2002 öffnete Legoland Deutschland erstmals seinePforten. Die Ansiedlung in Günzburg hat die Stadt quasi über Nachtmit der Kommerzialisierung von Freizeit konfrontiert. Bis dahin warder Stadtregion „Freizeit als Marktwert“ fremd. Der exponentielleAnstieg des Bekanntheitsgrades von Günzburg durch die Standort-entscheidung des „Bauklötzchenherstellers“ förderte den Mythosvon der Erosion der Wurzeln, vom Aufbruch zu neuen Ufern, vom radi-kalen Wandel der ökonomischen, ökologischen, räumlichen undsozialen Bedingungen dieser Stadt. Knapp drei Viertel der durch dasProjekt befragten Bürgerinnen und Bürger der Stadt befürchtetennegative Auswirkungen durch den Themenpark. Der Blick auf statis-tisch belegbare Effekte lässt jedoch weder signifikante Auflösungs-tendenzen erkennen, noch wurden Entwicklungsoptionen nicht-touristischen Ursprungs eingeengt. Die direkten Impulse aufWirtschaft und Arbeitsmarkt der Stadtregion lagen im erstenBetriebsjahr des Themenparks im Bereich unter der Ein-Prozent-Schwelle. Die nunmehr gewonnenen Erkenntnisse aus der Debatteüber die Ansiedlung und deren Wirkungen auf das Selbstverständnisund die Zukunftssicherheit des Günzburger Raums sind die eigentli-chen Chancen, die das Freizeit-Großprojekt Legoland eröffnet.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

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Fortschreitende Globalisierung, neue Technologien undder Verlust an nationaler Autonomie und Steuerungsfä-higkeit haben weit reichende Folgen für das Nachdenkenüber die Zukunft der Städte und Regionen. Nicht mehr dieStädte, sondern die Regionen werden als Zentren techni-

scher, ökonomischer und kultureller Innovationen wahr-genommen. Regionen werden zu ökonomischen„Akteuren“ einer globalen Ökonomie und gleichzeitig zuneuen politischen Handlungs- und Gestaltungsräumen.Neben dem daraus erwachsenen Wettbewerb der

Regionalisierung als Zukunf t sperspektive der Stadt?34

Kernthemen der Regionalisierungsprojekte

Region Braunschweig: Regionale Zukunft zwischen Nachhaltig-keit und demographischem Wandel

Schrumpfung als Chance für nachhaltige EntwicklungIntegrierte Entwicklung von Siedlung, Landschaft, Mobilität, Wohnen und VersorgungBürgerengagement in der Region

Gießen-Wetzlar: Von Konkurrenz durch Kooperation zu KonsensZukunftsfähige Kooperationsstrategie stadtregionaler Planung

Aufarbeitung des gescheiterten Vorhabens Regionalstadt LahnGründung einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft beider Städte„Stadtinitiative 2010“: Entwicklung eines stadtregionalen Landschaftsparks

Görlitz/Zgorzelec: Ein gemeinsames Leitbild für die deutsch-polnische EuropastadtGemeinsame Zukunft einer geteilten Grenzstadt

EU-Osterweiterung als Standortfaktor im Umgang mit Schrumpfung und StrukturwandelAufbau von Vertrauensgemeinschaften zwischen deutschen und polnischen PartnernBrückenpark und Bildungseinrichtungen als grenzüber-schreitende Projekte

Karlsruhe: Grenzen überwinden Nachhaltigkeit, Grenzüberwin-dung und Umwertung von Raum

Planen und Steuern über Landes- und Staatsgrenzen„Umdeutung“ des Rheins von der Grenze zum zentralen regionalen BandRegionale Netzstadt oder Boomtown in der europäischen Kompetenzregion

Schkeuditz: Stärkung des suburbanen MittelzentrumsStadtregion Halle – Leipzig als GesamtregionInterkommunale Kooperation über BundeslandesgrenzenUrbane Kulturlandschaft als Standortpotenzial der Zwischenstadt

Schwalm-Eder-West: Zukunft einer uneinheitlichenländlichen Region

Bevölkerungsrückgang und Alternde Gesellschaft als HerausforderungenRegion zwischen „Wohnen im Grünen“ und „Gewerbe-park“Flexible Kooperation ohne Verwaltungsreform und neue Grenzen

Städteregion Ruhr: Kooperation und Eigensinn Stadtregion zwischen interkommunaler Kooperation undkommunalem Eigensinn

Grenzen als Trennung und VerbindungNeue Symbole für die vernetzte Region – den Möglich-keitsraumEntwicklung gemeinsamer „Spielregeln“

Regionalisierung als Zukunftsperspektive der Stadt?

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003 in Braunschweig, Tafel Difu „Regionalisierung“.

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Regionen zwingen weitere Veränderungen die Städte mitBlick in die Zukunft zu intensiverer Kooperation. Sorichten immer mehr Menschen ihren Alltag nicht mehr anden Grenzen ihres Wohnortes aus, sondern stellen ganzselbstverständlich die für sie beste Mischung aus denjeweils vorhandenen, regional verfügbaren Angebotenzusammen. Auch können aufgrund funktionaler Verflech-tungen und Abhängigkeiten der Städte untereinanderviele Probleme nicht mehr von einer Stadt alleine gelöstwerden. Trotz dieser bekannten Problemlagen endenVerwaltungszuständigkeiten und demokratische Mitwir-kungsmöglichkeiten abrupt und anscheinend zunehmendwillkürlich an kommunalen Grenzen. Die dadurch entste-henden Reibungspunkte zeugen von Schwierigkeiten, diebis heute nicht überzeugend gelöst werden konnten unddeshalb aus städtischer Sicht ein brisantes Zukunftsthemadarstellen. Hier setzen die Regionalisierungsprojekte inder Konkretisierung ihrer Ideenskizzen an. Sie legen denSchwerpunkt ihrer Zukunftsbetrachtungen, Leitbilder undVisionen auf eine – wenn auch unterschiedlich ausgebil-dete – interkommunale Dimension.

Die Auflösung der Stadt in der Region: Suburbane Einfamilienhausteppiche, Dienstleistungshallen aufgrünen Wiesen und Möbelhäuser neben Autobahn-anschlüssen repräsentieren das neue Bild von Stadt-regionen. Man befürchtet, dass sich Kernstädte alsErgebnis von Suburbanisierungsprozessen zunehmendauflösen. Die beteiligten Projekte fragen deshalb, ob indiesen Stadtregionen neue Formen des Städtischen, die„Zwischenstadt“, entsteht oder ob nicht gar Begriffe wieZentrum und Peripherie, Mitte und Rand grundsätzlichin Frage gestellt werden müssen. Was bleibt von derStadt in Zukunft oder wie ist diese neu zu interpretierenin ihren baulich-räumlichen und politischen Dimen-sionen, wenn man die wachsende Auflösung der Städteund die Verlagerung von Entwicklungsprozessen in diePeripherie berücksichtigt? Diesen Fragen konnten sichdie „Stadt 2030“-Projekte nicht verschließen, wollten siedie Zukunft ihrer Städte vor dem Hintergrund zuneh-mender interkommunaler Verflechtungen und Koopera-tionen entwickeln. Mit dem Infragestellen der rechtli-chen und politischen Grenzen der Städte wurde ein

Regionalisierung als Zukunf t sperspektive der Stadt? 35

Schkeuditz: Zielsetzungen und Projektaufbau von „Schkeuditz 2030“

Bei dem Projekt „Schkeuditz – Stadt 2030“ standen im Wesentlichen drei Forschungsschwerpunkte im Mittelpunkt, die inmehreren Teilprojekten bearbeitet wurden:

Strategien und Konzepte für die zukünftige Stadtstruktur sowie für den politischen Prozess und die künftige Rolle von Schkeuditz in der RegionDynamik des Wachstumsprozesses von Schkeuditz und UmlandKulturlandschaftliche Perspektiven der Stadtregion Leipzig-Halle.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“

am 24./25. September 2003 in Braunschweig.

Projektaufbau des Projekts Schkeuditz 2030

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schwieriges Terrain beschritten. Gleichzeitig eröffnetesich aber auch ein spannendes und nicht konfliktfreiesHandlungsfeld, das vor allem hinsichtlich der kommu-nalen Selbstverwaltung einige Brisanz in sich birgt.

Regionalisierung als Zukunftsstrategie der Städte: Regio-nalisierung wird von den beteiligten Projekten als einevon den Kommunen ausgehende Strategie interkommu-naler Kooperation verstanden, Regionalisierung bedeutetthemenbezogene Zusammenarbeit von Städten in neuenregionalen Organisationsmodellen und bei verändertenräumlichen Zuschnitten. Regionale Selbstorganisation

führt zur Ausweitung von kommunalen Handlungsmög-lichkeiten. Nicht die Idee einer Auflösung der Stadt in derRegion, sondern die Intention, kommunalen Eigensinnmit regionalem Denken und Handeln zu verbinden, stehtim Mittelpunkt. Die zukünftigen Wechselbeziehungenzwischen Region und Kommune und deren Gestaltungwerden, nicht weiter verwunderlich, unterschiedlicheingeschätzt: Ob sich die neuen Regionen in Konkurrenzzu oder in Arbeitsteilung mit den Städten entwickelnwerden und welche Konsequenzen sich aus einer zukünf-tigen Regionalisierung für lokale und regionale Demo-kratie ergeben, bleibt strittig.

Regionalisierung als Zukunf t sperspektive der Stadt? 36

Schwalm-Eder-West: Heterogene Regionen – Zwischenregionen

Schwalm-Eder-West ist keine homogene Region mit gewach-sener Identität. Anders als bei der Rhön oder dem Vogelsberghandelt es sich bei Schwalm-Eder-West nicht um einen einheitli-chen Naturraum: Geologie und Bodengüter, Wasserhaushaltund klimatische Aspekte weisen große Unterschiede auf.Dementsprechend unterschiedlich sind die Formen der Land-nutzung und das Erscheinungsbild der Kulturlandschaft. Auchwirtschaftlich sind die Gemeinden unterschiedlich ausgerichtet:Mal liegt der Schwerpunkt im Bereich Rohstoffabbau/Verarbei-tung, mal in der Landwirtschaft, dann aber auch in Fremdenver-kehr und Kurbetrieb. Noch gibt es überall ein ausgeprägtesmittelständisches Handwerk. Dennoch sind Arbeitsplätze rar,viele Bewohner fahren als Pendler zur Arbeit in die verschie-densten Richtungen.

Die Zusammenarbeit in der heterogenen Region ist Neuland –eher arbeitet man bisher in homogenen Verbünden zusammen(z.B. Kellerwald). Über diese Zusammenarbeit hinaus: Mit„artfremden“ Partnern ergeben sich völlig neue und überra-schende Kooperationsmöglichkeiten mit neuen Themen, Zielenund Chancen. In kreativer Zusammenarbeit mit den Nachbarnlassen sich besondere Projekte des Raumes realisieren, wie z.B.interkommunale Gewerbegebiete an der A 49. Die Nähe ermög-licht eine Senkung der Kosten, z.B. bei gemeinsam erledigtenVerwaltungsaufgaben. Die Vorteile sind klar, aber auch Lastenlassen sich besser schultern. Der Beitrag jedes Partners wirddabei anders aussehen. Vor- und Nachteile werden im Rahmeneines gemeinsamen Konzepts ausgeglichen. Die heterogeneRegion setzt besondere Kooperationspotenziale frei.

Quelle: Ulf Hahne, Lorenz Blume, Kerstin Jaensch, Zwischen den Rändern –

Regionsbildung heterogener Regionen: Der Raum Schwalm-Eder-West, in:

Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.) 2005: Regionalisierung, Der

Forschungsverbund „Stadt 2030“, Band II, Opladen (in Vorbereitung).

Lage der Region Schwalm-Eder-West

Von Entzugseffekten zu Kooperationseffekten: Der Minivulkan

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Identitätsregionen oder Regionen ohne Eigenschaften:Muss sich eine zukunftsfähige Region als zusammen-gehörig begreifen und als eine Region handeln? DieAntworten der Projekte auf diese Frage unterscheidensich deutlich voneinander. Dem Konzept einer Identitäts-region, die sich durch kulturelle Eindeutigkeit, klareplanerische Strukturen und definierte stabile Qualitäts-merkmale auszeichnet, steht eine „Region ohne Eigen-schaften“ gegenüber, die als offener und sich immer wie-der neu konstituierender Raum über viele Eigenschaftenverfügen muss. Für einen Teil der Projekte bedeutetZukunftsfähigkeit, gemeinsam und mit ganzheitlichemBewusstsein für die gesamte Region zu handeln, dasheißt, Regionalisierung zielt auf die Herstellung undKonstruktion einer Region. Dies kann entweder, wie ineinem Teilprojekt aus München, als Ausdehnung vonStadt und urbaner Kultur in das Umland geschehen, alsZusammenfügen von Stadt, Umland und Land, wie imProjekt Region Braunschweig bearbeitet, oder wie in den

Regionalisierung als Zukunf t sperspektive der Stadt? 37

Karlsruhe: Stadtregion und Landschaftsraum

Umwertung von Raumelementen und Raumbildern:Bindeglied Rheinlandschaft – räumliche Verknüpfungen inder Stadtregion Karlsruhe

Untersuchungsbereich war der so genannte „FUTURE-Bereich derStadt Karlsruhe“, der sich ausgehend von der Innenstadt Karlsruheüber den Rhein bis hin nach Wörth und die angrenzendenGemeinden der südpfälzischen und nordelsässischen Gebieteerstreckt.

Ziel des Teilprojekts „Bindeglied Rheinlandschaft“ am Institut fürLandschaft und Garten der Universität Karlsruhe ist die Umwer-tung der heterogenen Gebiete entlang des Rheins zu einer kohä-renten Rheinlandschaft im Zentrum der Region Karlsruhe.Zentrale Aufgabe dabei ist die Entwicklung von Handlungsstrate-gien für einen landschaftsbezogenen räumlichen Ansatz derStadt- und Regionalentwicklung. Bei diesem Ansatz ist die land-schaftliche Situation mit dem Potenzial der vorhandenen histori-schen und ökologischen Qualitäten Ausgangspunkt für einezukunftsfähige Entwicklung.

Für die zukünftige Weiterentwicklung der Region Karlsruhe sindsowohl eine gemeinsame regionale Vision als auch im Sinne dieserVision zielgerichtete Handlungen notwendig. Mit der Idee derLandschaft als Sinnbild einer zusammenhängenden Einheitkönnen unterschiedliche Elemente und Ansätze zu einem regio-nalen Konzept verschmolzen werden. Das Konzept „Rheinar-chipel“ soll als übergreifendes Leitbild dienen.

Quelle: Bava, Henri, u.a.: Stadtregion und Landschaftsraum.

Perspektiven und strukturelle Umwertung der Region Karlsruhe, in:

Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.) 2005: Regionalisierung, Der

Forschungsverbund „Stadt 2030“, Band II, Opladen (in Vorbereitung).

„Bindeglied

Rheinlandschaft“

(grüne Linie)

Das Rheinarchipel

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg

zur Stadt 2030“ am 24./25. Sep-

tember 2003 in Braunschweig.

Grenzenloser Landschaftsraum?

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Szenarien einer einheitlichen Region Halle-Leipzig undStadtregion Karlsruhe.

Andere Projekte verfolgen radikalere Vorstellungen. DieProjekte aus Schwalm-Eder-West, der Städteregion Ruhrund auch aus Gießen-Wetzlar beziehen sich auf Zwischen-regionen, Möglichkeitsräume oder „fuzzy sets“ undentwerfen neue Bilder fragmentierter Räume. Nicht dieMitte, sondern der Rand, nicht das Zentrum, sondern diePeripherie stehen im Mittelpunkt. So denkt die Städte-region Ruhr über die „Neunte Stadt“ nach. Hierbei han-

delt es sich um die Möglichkeiten vorhandener „Restflä-chen“, industrieller und agrarischer Brachen, regionalerVerkehrswege und Wasserwege. Schwalm-Eder-Westlotet die Vorteile einer Kooperation in Randzonen, dasheißt Zwischenregionen, aus. Innovationen werden mitBlick auf die Zukunft gerade in diesen Zwischenräumenmöglich, indem spezifische Kooperationschancen zwi-schen Regionen entwickelt werden. Noch offen sind dieFolgen, die sich aus funktional vernetzten Regionen füreine politische Repräsentanz und für die Beteiligung derBevölkerung ergeben.

Stadtlandschaften: Viele Stadtregionen verfügen bishernicht über eindeutig wahrnehmbare und definierteGrenzen. Grenzen werden deshalb mit Bezug auf Stadt-landschaften als Übergangszonen zwischen bebautemund landschaftlichem Raum betrachtet und als möglicheIdentifikationspotenziale einer Stadtregion der Zukunftdiskutiert. Eine besondere Bedeutung kommt dabeiregionalen Flussläufen zu. Landschaft als regionaleVerbindung zu deuten, führt im Städteprojekt Karlsruhezu Konzepten für eine grenzüberschreitende Rheinland-schaft. Die Region Braunschweig entwirft mit der Regio-nalen Gartenstadt eine neue „Architektur der Region“.Das Projekt Gießen-Wetzlar konkretisiert Ansätze einesRegionalparks an der Lahn.

Gemeinsame Wege in die Zukunft: In den Regionalisie-rungsprojekten eröffnen sich für die politische InstitutionKommune Entwicklungsperspektiven mit der Wahlzwischen ihrem Übergang in eine Regionalstadt einer-seits und einer auf konkrete Politikfelder zielendenKooperation in Netzwerken andererseits. Ob dieseModelle nacheinander oder nebeneinander realisiertwerden können, ob vernetzte Strukturen nach einer Phaseder Vertrauensbildung in eine Institutionalisierungs-phase übergehen und welche (entscheidende) Rolle denjeweiligen Rahmenbedingungen zukommt, ist abschlie-ßend noch nicht zu beantworten. Organisierte Konsens-bildung, regionale Entwicklungsagenturen und Arbeits-gemeinschaften sind nur einige der erprobten Modellezukünftiger Regionalisierung. Verträge, die denAusgleich von Lasten und Vorteilen regeln, liefernkonkrete Anhaltspunkte für eine zukunftweisende,dauerhafte Kooperation. Regionale Flächennutzungs-pläne, interkommunale Stadtumbau-Konzepte oderRegionalparke sind nur einige der weiter verfolgtenAnsätze. Deutlich wird, dass die Möglichkeiten und Spiel-räume der Kooperation von Städten auf dem Weg ins Jahr2030 vielfältiger werden (müssen), damit die notwendigeDiskussion nicht an Impulsen und Inhalt verliert.

Regionalisierung als Zukunf t sperspektive der Stadt?38

Städteregion Ruhr: Der stadtregionale Kontrakt

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

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Zukunftskonzepte und Leitbilder als Antwort auf künftigwachsende Integrationsprobleme der modernen Stadtund Stadtgesellschaft waren Ziel einer ganzen Reihe derStädteprojekte. Angesichts zunehmender sozialerUngleichheiten der Stadtgesellschaft zeichnen einigeProjekte das Bild einer segregierten, zuweilen unsozialenund ungerechten Stadt. Nicht allein wachsende sozialeSpannungen werden vorhergesagt, auch die Ungleich-heiten zwischen Stadtteilen wachsen. Sowohl das

Auseinanderfallen einer bisher eher solidarischen Stadt-gesellschaft als auch Brüche im Stadtbild werden alsBedrohung einer sozial gerechten, integrierten Stadtwahrgenommen. Polarisierung zwischen Armen undReichen, Migranten und Deutschen wird prognostiziertebenso wie Polarisierung zwischen guten und schlech-ten, prosperierenden und niedergehenden Stadtteilenund -lagen. Herausforderungen und Chancen im Zusam-menhang mit anhaltender und wachsender Zuwande-

Integration und gleichberechtigte Teilhabe in der Stadt der Zukunf t 39

Kernthemen der Integrationsprojekte

Bremen: Integration durch ZeitgerechtigkeitZeitgerechtigkeit als BürgerrechtZeitgerechtigkeit als Gender-PolitikZeitgerechte Quartiersplanung und StadtorganisationZeitgerechtigkeit in der Spannung von Arbeit, Freizeit und Familie

Dietzenbach: Die symbolische Integration der ZwischenstadtNeue Beteiligungsformen gegen soziale ExklusionVom technokratischen Planungsparadigma zur erlebbaren GemeindeDie Leere als Potenzial der IntegrationÄsthetische Setzung als symbolische Integration

Esslingen: Von der segregierten zur solidarischen StadtPolitische Teilnahme und Chancengleichheit als BürgerrechteRepräsentative oder direkte politische PartizipationBürgergesellschaft und solidarische Stadt im Quartier

Leipzig: Die Zukunft der „perforierten Stadt“Stadtschrumpfung als ChanceNeue Wohnformen in der „perforierten Stadt“Das Einfamilienhaus am StadtzentrumHeterogenität im Städtebau als Chance der Mischung von Bevölkerung

München: Der gefährdete Traum vom immerwährenden Wohlstand

Wohlstandswachstum als sich selbst stabilisierender oder sich selbst gefährdender ProzessKreativität und Wissen als Potenzial der WohlstandsmehrungDie Entwicklung einer neuen Mobilitätskultur in der RegionSolidarische Bürgergesellschaft in der individualisierten Stadtbevölkerung

Saarbrücken: Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheitdurch Verwaltungsreform und Dezentralisierung

Effiziente Daseinsvorsorge durch Dezentralisierung

Kooperation von Verwaltung und Bürgerschaft im StadtteilGrenzüberschreitende Kooperation gegen Stadt-schrumpfung

Stuttgart: Integration in der heterogenen und segre-gierten Stadt und Region

Integration durch SegregationInformelle Ökonomie im segregierten QuartierBürgergesellschaft im demographischen WandelUngleichheit in der „Europäischen Stadt“

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. Septem-

ber 2003 in Braunschweig, Tafel Difu „Integration“.

Integration und gleichberechtigte Teilhabe in der Stadt der Zukunft

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rung aus dem Ausland sind insbesondere für süddeut-sche Städte, z.B. Stuttgart, ein wichtiges Forschungs- undHandlungsfeld.

Integration, das lässt sich aus den Problembeschrei-bungen schließen, ist gefährdet. Integration stellt einezentrale Leistung der Kommunen dar, die nicht ange-sichts der Schwere der Problemlagen aufgegebenwerden kann. Die Frage stellt sich, welche Ziele die

Projekte verfolgen, wenn sie Integration zum Ausgangs-punkt ihrer Zukunftsüberlegungen nehmen. Die Antworthierauf ist nicht einfach, denn der Integrationsbegriffleidet mitunter an seiner verwirrenden Bedeutungsviel-falt, nicht zuletzt deshalb, weil sich verschiedene Ebenenund Dimensionen von Integration unterscheiden lassen:

strukturelle oder systemische Integration (primär über die Bereiche Arbeitsmarkt und Bildung), politisch-rechtliche Integration (primär über Wahl und Partizipation), kulturelle oder identifikatorische Integration (primär über Sprache, Werte, Einstellungen, Lebensstile) und soziale Integration (primär über Netzwerke, Bezie-hungen, Beteiligung am gesellschaftlichen Leben).

Diese Vielfalt der Integrationsdimensionen wird in denStädteprojekten thematisch aufgegriffen, vor allem mitder Frage, auf welcher Ebene Kommunen ansetzen kön-nen, um ihre Integrationsleistung und -kraft zu entfalten.

Die Herausforderungen der Integration werden von denStädteprojekten des Forschungsverbundes primär inzweierlei Hinsicht gesehen. Zum einen diskutieren sie,was Gesellschaften eigentlich zusammenhält oder stabilhält, was „der Kitt“ einer pluralistischen und von wider-sprüchlichen Interessen geprägten Gesellschaft ist,wodurch solidarisches Handeln und Zusammenhalt ineiner von Einzelinteressen geprägten Stadtgesellschaftbefördert werden können. Die andere zentrale Fragerichtet sich auf soziale Aspekte der Integration, und zwardarauf, wie bestimmte, insbesondere sozial und ökono-misch benachteiligte oder gesellschaftlich ausgegrenzteGruppen (z.B. Arme, Migranten) in die Gesellschaft inte-griert werden können.

Bei der Suche nach Lösungsstrategien und Zukunftskon-zepten besteht weitgehend Konsens darüber, dass sozial-staatliche Leistungen und Maßnahmen der Systemintegra-tion (insbesondere die Integration über den Arbeitsmarkt)allein nicht mehr ausreichen, nicht zuletzt deshalb, weildie diesen Gruppen angebotenen Beschäftigungsverhält-nisse fast grundsätzlich prekärer Natur sind. Zur Gewähr-leistung von Integration, darin sind sich die Projekteweitgehend einig, bedarf es darüber hinaus kommunika-tiver und diskursiver Formen der Beteiligung dieserBürger und Bürgerinnen sowie einer stärkeren Mobilisie-rung zivilgesellschaftlicher Ressourcen. Integration sollsowohl durch gezielte Stärkung der Teilhabe an bestimm-ten staatlichen und städtischen Leistungen erreichtwerden als auch durch die Verbesserung der sozialen

Integration und gleichberechtigte Teilhabe in der Stadt der Zukunft40

Stuttgart: Zukunftsperspektive Zuwanderung

Da das Ausmaß der Zuwanderung und die Zusammensetzungder Zuwanderer von zahlreichen schwer vorhersehbareninternen und externen politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und demographischen Rahmenbedingungenabhängen, sind Voraussagen insbesondere auf der lokalenEbene sehr schwierig. Alle Vorausschätzungen zur Zuwande-rung nach Deutschland folgen der Annahme, dass Deutschlandauch in Zukunft Zuwanderungsland bleiben wird und weiterhinpositive Wanderungssalden mit dem Ausland zu verzeichnensein werden. Ein prognostizierter bundesweiter Anteil Nichtdeutscher von 17 Prozent im Jahr 2030 dürfte daher einenAnstieg des Ausländeranteils in einigen Städten auf über 30 Prozent bedeuten. Zu erwarten ist dies z.B. für Frankfurt,München, Offenbach und Stuttgart. Gleichzeitig wird es zueiner weiteren kulturellen und sozialen Heterogenisierung, also wachsenden Unterschieden, sowie zu einem Bedeu-tungsverlust der ethnischen Zugehörigkeit durch Einbürge-rungen kommen. Daraus resultiert auch für Stuttgart einekomplexere Ausgangssituation hinsichtlich Integration undSegregation.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

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Teilhabe, z.B. am städtischen Gemeinwesen oder an Netz-werken im Stadtquartier.

Perspektiven einer modernen Bürgergesellschaft: VieleProjekte ebnen den Weg für Stadtvisionen, bei denen es um eine verstärkte Mobilisierung zivilgesellschaftli-cher Ressourcen geht. Zentrale Ziele sind die Stärkungder lokalen Demokratie sowie die Förderung von Bür-gerorientierung und Partizipation. Kreativität undsoziale Kompetenzen von Bürgerinnen und Bürgernwerden als wichtige Ressourcen für die Diskussion überdie Zukunft der Städte gewertet. Dabei werden z.B. imEsslinger Projekt gezielt auch jene Bürgerinnen undBürger in den Zukunftsdiskurs einbezogen, die aufgrund

ihrer finanziellen und sozialen Benachteiligungengemeinhin als „weniger artikulationsstark“ gelten.

Auch das Münchner Projekt stellt für eine positive Gestal-tung der städtischen Zukunft die Ressource „Bürger-gesellschaft“ in den Mittelpunkt. München ist eine prosperierende Großstadtregion, deren wirtschaftlicheDynamik zur Verschärfung sozialer Disparitäten führt.Die Dynamik der Wirtschaftsentwicklung bildet aucheine Gefahr für das Fortbestehen der Stadtgesellschaft alssolidarische Gemeinschaft. Soziale Desintegration undSegregation sowie ein Verlust sozialen Zusammenhaltssind die Folge. Will München diesem Trend entgegen-wirken, muss, so die Argumentation des Projekts, die

Integration und gleichberechtigte Teilhabe in der Stadt der Zukunf t 41

Esslingen: Wege zu den Leitbildern

Das Projekt unterscheidet sich methodisch von anderenVerfahren der Zukunftsbeschreibung, etwa über Prog-nosen, Szenarien oder Expertenbefragungen, undkonzentriert sich auf die Zukunftserwartungen der betei-ligten und betroffenen Einwohnerschaft des Stadtteilsund deren subjektive Wertvorstellungen, mit denen dieVertreter der „politischen Landschaften“ konfrontiertwerden.

Der Diskurs erforderte deshalb an den jeweiligenInhalten und an den Teilnehmerkreisen orientierte spezi-fische Formen. Die Diskussion mit tendenziell wenig arti-kulationsstarken und -trainierten Bürgern machte einegeringe Formalisierung der Gespräche und die Wahl nied-rigschwelliger Orte zwingend. Hier hat sich die Gruppen-diskussion, die unter der Bezeichnung Café in ihren Merk-malen der TV-Talkshow entlehnt ist, ausdrücklichbewährt.

Der äußerst intensive Beteiligungsprozess, der vondiesem Ansatz ausgelöst und getragen wurde, hat imErgebnis über die Erwartungen des Antrags hinaus positivüberrascht. Er hat eine in dieser Breite bislang nichterreichte Auseinandersetzung mit der Situation, denKonflikten, aber auch den Chancen des Stadtteils in Ganggesetzt, die sich nach Beendigung des Forschungspro-jekts für eine bürgerschaftliche Partizipationskulturförderlich auswirken wird, wenn es gelingt, diesenProzess dynamisch zu halten.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. Sep-

tember 2003 in Braunschweig.

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Bürgergesellschaft dazu einen beachtlichen Beitragleisten. Betroffene werden dabei zu Mit-Akteuren undMit-Produzenten bei der Schaffung sozialer Güter undDienste. Hierfür muss die Kommune Gelegenheiten zumbürgerschaftlichen Engagement eröffnen und fördern.

Umverteilung und sozialer Ausgleich durch kommunaleLeistungen – die Suche nach einer neuen Sozialpolitik:Auf zunehmende Polarisierung zwischen einzelnenStadtteilen und Stadtlagen reagieren einige Projekte, z.B.Saarbrücken und Esslingen, mit gezielten Stadtteilan-sätzen. Das zentrale Integrationsproblem, das in Saarbrü-cken herausgestellt wird, liegt demnach bei Stadtteilen,die vom städtischen Entwicklungsprozess – auch von

Investitionen von außen – seit längerer Zeit abgekoppeltsind. Dies erfordert, so die Argumentation, eine neueSozialpolitik. Das Integrationsproblem kann nur gelöstwerden, wenn personelle Kräfte sowie finanzielle Mittelgezielt in diesen Gebieten eingesetzt werden. Das Ziel derstädtischen Sozialpolitik richtet sich demnach auf dieHerstellung gleichwertiger Lebensbedingungen und aufsozialen Ausgleich – Ziele, die durch gezielte, räumlichdifferenzierte und besondere Förderungen, Interven-tionen und Maßnahmen sicherzustellen sind. Die Heraus-forderung liegt allerdings darin, Grenzen des tolerier-baren Ausmaßes an Ungleichheit im Stadtgebiet zudefinieren, um eine „Ungleichverteilung“ der ohnehinknappen Ressourcen zu rechtfertigen.

Integration und gleichberechtigte Teilhabe in der Stadt der Zukunft42

München: Soziale Integration durch eine kinderfreundliche Stadtpolitik

Der gesellschaftliche Wandel kulminiert im Bedeutungs-wandel von Familie, die ihre sozial integrative Funktioneingebüßt hat. In der gezielten Besserstellung von jed-weden Lebensgemeinschaften mit Kindern und in einerkonsequent integrierten kinderfreundlichen Stadtpolitikwird die Schlüsselgröße für die sozial nachhaltige Repro-duktions- und Integrationsfähigkeit einer Stadtgesell-schaft der Zukunft gesehen.

Die sozial integrative Stadtgesellschaft der Zukunft istohne den Erhalt sozialstaatlicher Strukturen nicht denkbar.Solidarität, bürgerschaftliches Engagement, lokale Demo-kratie und weitere Bausteine der Bürgergesellschaft sindzusätzliche Strategieelemente, damit die sozialen Integra-tionsleistungen erbracht werden können, die von derStadtgesellschaft der Zukunft verlangt werden.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003 in Braunschweig.

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Wie die Verteilung von Ressourcen auch bei engen finan-ziellen Spielräumen der Kommunen gelingen kann,versucht Bremen aufzuzeigen. Das Projekt erschließtneue kommunalpolitische Handlungsfelder, indem esauf die Förderung von Gerechtigkeit und die Steigerungvon Lebensqualität durch eine gerechtere Verteilung vonZeit zielt. Ausgangspunkt des Bremer Projekts ist dieThese, dass Lebensqualität nicht nur eine Frage desGeldes, sondern auch der Zeit ist. Zeitressourcen sindjedoch gegenwärtig ungleich verteilt. Die Möglichkeitenzur individuellen Zeitgestaltung werden zunehmend zueinem Merkmal sozialer Privilegierung oder Benachteili-gung. Abläufe des täglichen Lebens werden insbeson-dere von Frauen kritisch kommentiert, da die Vereinbar-keit verschiedener Lebenswelten – Beruf, Familie undFreizeit – zunehmend schwierig wird. Verbesserung derLebensqualität soll durch eine Zeitgestaltung erreichtwerden, die sozial und ökologisch verträglicher ist undsich am Alltag der Bewohner oder Nutzer städtischerDienstleistungen orientiert. Diese Neuorientierung erfor-dert eine verbesserte Abstimmung von städtischen Zeit-strukturen (z.B. Öffnungszeiten, Fahrpläne) mit der indi-viduellen oder familiären Alltagsorganisation.

Sensibilisierung der politischen Akteure: Alle Lösungenund Diskussionen über das Integrationsproblem sindwenig wert, wenn dieses nicht in seinen Auswirkungenauf die Zukunft der Städte erkannt wird. Ohne eine Sensi-bilisierung der politischen Akteure kann die Lösung vonProblemen, die die Zukunft der Städte maßgeblichbestimmen, nicht gelingen.

So diskutiert das Stuttgarter Projekt die Herausforderungkommunaler Integrationspolitik in der wirtschaftlichdynamischen Stadtregion Stuttgart. Kommunale Integra-tionspolitik, so ein zentrales Ergebnis des Projekts, mussKonzepte entwickeln, Zuwanderung akzeptieren und

unterstützen und partizipativen Ansätzen Geltungverschaffen. Dies wird als beträchtliche Herausforderungdargestellt, da die Bereitschaft der kommunalen Ebene,sich auf verstärkte Zuwanderung einzulassen, kritischeingeschätzt wird. Doch erscheint dies als unerlässlich,denn nur so kann sich nach Auffassung des Projekts dieStadtregion bei schärfer werdendem interregionalemWettbewerb auch in Zukunft behaupten. Dieses Beispielzeigt, dass es nicht ausreicht, Wissen über die Zukunft zuerarbeiten und es z.B. politischen Akteuren zugänglichzu machen. Darüber hinaus sind Lernprozesse in denStädten und Regionen anzustoßen, Strukturen für dieVermittlung langfristiger Themen in den Kommunenmüssen aufgebaut und vielfältige Formen der Kommuni-kation zwischen Politik, Verwaltung, lokaler Öffentlich-keit sowie Bürgern und Bürgerinnen erprobt werden.Andernfalls besteht die Gefahr, dass extreme und zukünf-tig wachsende Probleme nicht erkannt und begriffenund somit auch nicht diskutiert, bearbeitet und bewältigtwerden.

Integration und gleichberechtigte Teilhabe in der Stadt der Zukunf t 43

Bremen: Die zeitbewusste Stadt

Ziel: Flexibilisierung der Betreuung in den Kindertagesheimendurch

erhöhte Flexibilität der regelmäßigen Betreuungsangebote über den Tagesverlauf;höhere Betreuungs- und Planungssicherheit für die Familien über größere Zeitabschnitte (auch Ferien, unkalkulierbare Vorkommnisse wie Krankheiten etc.);verbesserte Spielräume für pädagogische Angebote und Profilbildung einzelner Einrichtungen

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

Kulturelle Vielfalt in der Stadt

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Die zukünftige Gestaltung der Städte und Regionen wirddurch politisches Handeln entschieden, das eine Verstän-digung über Visionen, Konzepte und Leitbilder voraus-setzt. Diese Bilder und Konzepte müssen wachsen, sichentwickeln. Sie erfordern Engagement, nicht nur vonPolitik und Stadtverwaltung, nicht ausschließlich vonWissenschaft und Planungsinstitutionen, sondern auchseitens der Bevölkerung. Die Beteiligung von Bürge-rinnen und Bürgern an der Diskussion über die Zukunftder Städte, an der Entwicklung der Leitbilder, stellte einezentrale Herausforderung der Ausschreibung desForschungsverbundes „Stadt 2030“ dar. Infolgedessenhaben nahezu alle Projekte Partizipationsverfahrenvorgesehen, Dialoge mit der Bevölkerung geführt und

dafür unterschiedliche Kommunikationsverfahren angeboten. Die in den einzelnen Projekten entwickeltenpartizipativen Verfahren umfassten darüber hinaus dieMitwirkung ausgewählter lokaler und regionalerAkteursgruppen sowie von Expertinnen und Experten.

Unterschiedliche Intentionen der Bürgerbeteiligung:Beteiligung und Partizipation sind nicht selbstverständ-lich, sie werden initiiert und sie verfolgen bestimmteZiele und Zwecke; in der Regel befassen sie sich miteinem Thema oder einem Anlass. In den Projekten desForschungsverbundes Stadt 2030 werden unterschied-liche Intentionen der Beteiligung sichtbar.

So zielte die Partizipation der Bürger an den Leitbild-entwicklungsprozessen z.B. darauf, soziale Integrations-prozesse zu initiieren. Ein Beispiel hierfür ist dasEsslinger Projekt, das Methoden entwickelt, um benach-teiligte und beteiligungsferne Bevölkerungsgruppensozial und politisch einzubinden. Beteiligung kann auchdarauf zielen, Wissen zu vermitteln und damit zu einerSensibilisierung selbst für schwierige Themen beizu-tragen. Das Eisenhüttenstädter Projekt versuchte bei-spielsweise in Themen- und Zukunftswerkstätten lokaleAkteure und Bevölkerung für die Themen Schrumpfungund Alterung der Gesellschaft zu sensibilisieren. DasStädteprojekt Erlangen bediente sich so genannter Multi-plikatoren, um gesundheitliche Aufklärung in der Bevöl-kerung zu betreiben. Projekte dieser Art begründen ihreVerfahrensorientierung zumeist in der Vorstellung, dassdurch Partizipation, hier im Rahmen von Workshops undthemenorientierten Arbeitsgruppen für die Bevölkerung,jene Probleme, die es in Zukunft zu bearbeiten und zulösen gilt, erst erkannt werden müssen. Im Zuge diesesProzesses sollen weitgehend vorgegebene Handlungsbe-darfe oder Zukunftsprobleme von der Bevölkerung vordem Hintergrund ihrer persönlichen Lebensumständereflektiert und diskutiert werden. Damit zielt diese Formder Beteiligung auf das Gewinnen relevanter Informa-tionen über die Bedürfnisse der Bevölkerung, so dass imIdealfall Planende und Beteiligte voneinander lernen.Der Bedarf an nutzbaren Freiräumen etwa in Dietzen-bach, die Unzulänglichkeit vorhandener Spielräume inSchwalm-Eder-West oder der Wunsch nach einer ande-ren Qualität der Freizeiteinrichtungen in Stuttgart sindnur einige dieser Ergebnisse, die allerdings nur kurz-fristig zu behebende Defizite betreffen und weniger aufzukünftige Probleme der Stadt abstellen. Beteiligungkann auch darauf zielen, bereits getroffene politischeEntscheidungen und Zielrichtungen zu legitimieren.Diese Intention unterscheidet sich deutlich von dem

Visionen einer zukünf tigen Stadt: Nicht ohne (Bürger-)Beteiligung44

Visionen einer zukünftigen Stadt: Nicht ohne (Bürger-)Beteiligung

Esslingen: Impressionen aus den Bürgercafés

Quelle: Projektpräsentation beim Workshop „Integration“ am 14./15. Feb-

ruar 2002 in Stuttgart.

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Anspruch der politischen Einflussnahme durch Partizipa-tion: Insbesondere Esslingen, Dietzenbach und Stuttgartrichteten ihre Beteiligungsansätze gezielt auf jeneGruppen, z.B. Kinder und Jugendliche, Migranten undökonomisch und sozial benachteiligte Bewohner be-stimmter Stadtquartiere, die sich in der Regel nicht(öffentlich) artikulieren und in Entscheidungen über diezukünftige Gestaltung der Stadt oder des Stadtteils bis-lang nur wenig einbezogen werden. Durch diese Ansätzesollten mittelbar Kommunikation und Interaktion beför-dert und damit soziale Integrationsprozesse unterstütztwerden, außerdem sollten den genannten Bevölkerungs-gruppen Möglichkeiten der politischen Artikulation undEinflussnahme erschlossen werden.

Ungeachtet der Vielfalt der Intentionen, die in denProjekten mit der Beteiligung der Bevölkerung verfolgtwurden, stellte sich bei allen Ansätzen ein gemeinsamesProblem: die Zukunftsperspektive 2030. Denn Bürgerund Bürgerinnen, die sich engagieren, verfolgen meistdas Ziel einer Lösung kurzfristiger, zeitnaher, sehrkonkreter Probleme, von denen sie als Personen unmit-telbar betroffen sind. Langfristige Perspektiven, seiendiese aus Sicht von Experten und Expertinnen noch sogravierend und bedrohlich, sind in Beteiligungspro-zessen nur schwer zu vermitteln. Die folgenden ausge-wählten Beispiele illustrieren die Breite der gewählten,zum Teil experimentellen Ansätze und Versuche, dienicht zuletzt darauf zielen, das für „Stadt 2030“ notwen-dige Denken in die Zukunft zu erleichtern.

Beteiligungsansätze: Einen ungewöhnlichen Weg derAnsprache der Bevölkerung wählte das Projekt „Dietzen-bach 2030 – definitiv unvollendet“, das sich im Rahmendes Forschungsverbunds „Stadt 2030“ nicht nur gegendie Erarbeitung eines Leitbilds aussprach, sondern dievorhandenen Fragmentierungen der baulichen Strukturder Stadt und die soziale Vielfalt der Bevölkerung alsbesondere Potenziale der Stadt sichtbar machen wollte.Mittels eines Experiments im öffentlichen Raum wurdeversucht, einen Diskurs über die Zukunft der Stadt inGang zu setzen und neue Formen der Beteiligung zuinitiieren und zu erproben. Als Anreiz bekamen dieEinwohner/innen von Dietzenbach die Gelegenheit, eineinnerstädtische Fläche von maximal 100 qm zu besetzenund einen Nutzungswunsch zu äußern.

In die Projektarbeit Kinder und Jugendliche einzu-binden, die die Folgen der Entwicklungen im Jahr 2030spüren werden, war die Idee von vier Projekten mitjeweils sehr unterschiedlichen Ansätzen. Während in

Visionen einer zukünf tigen Stadt: Nicht ohne (Bürger-)Beteiligung 45

Dietzenbach: Die Befragung der Bürgerinnen undBürger

Befragungen im Bauwagen

Die Bürgerinnen und Bürger Dietzenbachs konnten im Projekt-büro an der Rakovnikpassage von August bis Dezember 2002 ansechs Tagen in der Woche einen Nutzungswunsch für ihreParzelle äußern.

Der niedrigschwellige Beteiligungsansatz, die Befragung ineinem Bauwagen, setzte ein hohes Maß an Eigeninitiative derBürgerinnen und Bürger voraus, denn die Menschen wurden vonuns gerade nicht aufgesucht, sondern wurden selbst initiativ.Unter diesen Bedingungen ist es als bemerkenswert anzusehen,dass sich so viele Bürgerinnen und Bürger interessiert und betei-ligt haben.

Überraschend ist die Beteiligungsstruktur. Es gelang die Mobili-sierung gesellschaftlich bislang wenig eingebundener Gruppeninnerhalb der Stadtbevölkerung. Zu einem Großteil nutztenDietzenbacher Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshinter-grund das Vor-Ort-Büro. Von diesen besitzt fast die Hälfte diedeutsche Staatsbürgerschaft.

Der größte Teil der Nutzungsanfragen für eine Parzelle – über 80Prozent – bezog sich auf eine Kleingartennutzung sowie aufSpielmöglichkeiten für die Kinder. Nur ein geringer Teil war anNachbarschaft, Kunst oder Sonstigem interessiert.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

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Kiel und Schwalm-Eder-West Wettbewerbe für Schülerund Schülerinnen ausgeschrieben wurden, bezog dasStädteprojekt Dietzenbach die jüngere Bevölkerung indie Vorbereitung ihrer provokativ ausgerichteten Kunst-aktion mit ein. Das Stuttgarter Projekt wiederum erarbei-tete internetgestützte Szenarien mit Jugendlichen, umdie Chancen des Einsatzes neuer Medien für die Qualifi-zierung partizipativer Prozesse zu untersuchen; außer-dem ging es darum, die Möglichkeiten zu erweitern, sichaus gegenwärtig erlebten Zwängen zu lösen und spiele-risch Zukunft zu entwickeln.

Auch die Projekte Erlangen sowie Guben/Gubin erprob-ten internetgestützte Beteiligungsformen, die sichjedoch an alle Altersgruppen der Bevölkerung richteten.Kernanliegen aller Ansätze war es, möglichst niedrig-schwellige und den Zielgruppen entsprechende Partizi-pationsmöglichkeiten über den virtuellen Kommuni-kationsweg anzubieten.

Einen im Kontext des Forschungsverbundes „Stadt 2030“einzigartigen Beteiligungsansatz entwickelte das Städte-projekt „STADT+UM+LAND 2030 Region Braunschweig“.Mit dem bis dahin nur im städtischen Kontext prakti-zierten Bürgergutachten wurde ein neuartiges Partizi-pationsmodell auf regionaler Ebene erprobt. Angesichtsder vermeintlichen Alltagsferne regionaler Fragestel-lungen einerseits und der bis auf zwei Ausnahmen(Region Stuttgart und Region Hannover) nicht vorhan-denen direkten Einflussmöglichkeiten auf regionaleEntscheidungsprozesse wurde hier ein Experimentgewagt. Das Auswahlverfahren mit dem Anspruch derRepräsentativität sicherte eine Beteiligung aller Bevölke-rungsgruppen, so dass Vorstellungen und Bedürfnisseunterschiedlicher Gruppen in das Bürgergutachteneinfließen konnten.

Perspektiven der Bürgerbeteiligung: Das Erlanger Projektevaluierte im Rahmen der Forschungstätigkeit den

Visionen einer zukünf tigen Stadt: Nicht ohne (Bürger-)Beteiligung46

Kiel: Visionen der Jugend

Im Rahmen des Projektes „Zukunft Kiel 2030“ wurde ein beispielhafter Jugendwettbewerb durchgeführt, in dem Jugendlichevon 15 bis 20 Jahren ihre eigenen Ideen und Visionen von ihrer Stadt der Zukunft entwickeln konnten. Die Besonderheit Kiels –die Lage am Meer – sollte bei der Ideenentwicklung im Mittelpunkt stehen, egal, ob über Wohnen, Jobs, Freizeit, Mobilität,Kommunikation oder worüber auch immer nachgedacht wurde. Die Ergebnisse des Wettbewerbs sind eindrucksvoll: Viele derBeiträge sind technisch aufwändig und hochwertig präsentiert. Aus der Sicht der Kieler Jugend setzen sie sich überlegt undsehr konkret mit Zukunftsfragen der Stadt und ihrer Menschen auseinander.

Die Jugendlichen sagen Ja zu ihrer Stadt, engagieren sich für deren Attraktivität. Viele Beiträge befassen sich mit dem Verkehrder Zukunft und seiner Entwicklung. Wichtig erscheint den Jugendlichen die Schaffung neuer, aktiver und anspruchsvoller Erleb-nisinseln in Kiel. Immer wurde versucht, Zukunftsfähigkeit ökologisch verträglich zu gestalten.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“

am 24./25. September 2003 in Braunschweig.

Page 49: Stadt 2030 innenProf. Julian Wekel, Technische Universität Darmstadt Prof. Dr. Hartmut Häußermann, Humboldt Universität zu Berlin Kongress: „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ mit

eigenen Partizipationsansatz und kam zu Schlüssen, dieverallgemeinerungsfähig sind. Demnach setzt Beteili-gung ein konkretes Thema oder einen konkreten Anlassvoraus, es sollte um die Interessen der Beteiligten gehen.Das allgemeine Thema „Zukunft der Stadt“ ist dafür nicht geeignet – dies war allerdings eine Hoffnung, dieeinige Projekte im Forschungsverbund gehegt hatten.Vielmehr sollte Öffentlichkeitsbeteiligung an Themenansetzen, die unmittelbar berühren, gleichzeitig poli-tisch relevant als auch in der Alltagswelt von Bedeutungsind. Ziel und Inhalt der Beteiligung müssen darüberhinaus klar „gerahmt“ sein. Diese Ansprüche sind in ihrerGesamtheit nur schwer einzulösen, auch im Forschungs-verbund „Stadt 2030“ ist dies nicht allen Projektengelungen.

Soll eine Beteiligung erfolgreich sein, gilt es einige Fragenvor dem eigentlichen Anstoß zur Beteiligung zu klären:

Die Intentionen der Beteiligung sollten allen voll-kommen klar sein.Es sollten für das jeweilige Beteiligungsziel angemes-sene Beteiligungsformen gefunden werden.Die Ergebnisse von Beteiligungsverfahren sollten dann Verbindlichkeit erlangen (z.B. Eingang in die Politik finden, wenn dies eine Intention derBeteiligung war). Darauf sollten die erforderlichen Rahmenbedingungen, z.B. die politischen und verwaltungsinternen Entscheidungsstrukturen und Umsetzungsstrategien, abgestimmt werden.Es sollte allen klar sein, warum, an welcher Stelle und in welcher Phase des Projekts Beteiligung von welchen Gruppen sinnvoll ist.

Visionen einer zukünf tigen Stadt: Nicht ohne (Bürger-)Beteiligung 47

Erlangen: Virtuelles Haus für Zukunft

Zentrale Aufgabe des virtuellen Hauses für Zukunft istdie Förderung von Teilhabe der Bürgerinnen und BürgerErlangens an der Zukunftsgestaltung der Stadt. Es bietetdie Möglichkeit zur Diskussion und Mitgestaltung an derkommunalen Entwicklung der Stadt Erlangen.

Ausgangspunkt sind Themen und Anliegen der Bürge-rinnen und Bürgern selbst sowie von Initiativgruppender Erlanger Bevölkerung. Dabei setzt das Projekt auf dietraditionell hohe Bereitschaft der Erlanger Bürgerschaftzu freiwilligem Engagement. Das Haus für Zukunft bear-beitet also nicht selbst Themen, sondern unterstützt dieBürger Erlangens in ihrem Engagement.

Quelle: http://www.haus-fuer-zukunft.de, 9. August 2004.

Guben/Gubin: Der Stadtbaukasten

Die Vermittlung von Leitbildinhalten – Themen zukünftigerVeränderungen also – war das primäre Ziel eines Internet-Stadt-spiels, welches das Forschungsteam „Stadt 2030“ entwickelteund während der Leitbildgenerierung in der Doppelstadt Guben/Gubin als Experiment zum Einsatz brachte.

Zielgruppe für die Kommunikation waren die Bürger der Doppel-stadt Guben/Gubin an der deutsch-polnischen Grenze. Übereinen Zeitraum von fünf Wochen, vom 9. Mai bis 16. Juni 2003,konnten diese auf den Stadtbaukasten unter dem Motto „SindSie reif für die Insel???“ zugreifen. Dabei wurden die Teilnehmerauf spielerische Art und Weise mit den Leitbildthemen in Berüh-rung gebracht.

Quelle:

Infobrief

„Stadt 2030“,

Ausgabe 12

(November

2003).

Page 50: Stadt 2030 innenProf. Julian Wekel, Technische Universität Darmstadt Prof. Dr. Hartmut Häußermann, Humboldt Universität zu Berlin Kongress: „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ mit

Die Bevölkerung in den Städten wird von einer immergrößeren Vielfalt unterschiedlicher Lebensstile undwachsender Ungleichheit geprägt sein, ihr Durch-schnittsalter wird steigen, sie wird sich aus vielen Natio-nalitäten zusammensetzen, wird ärmer und reicherzugleich sein – hinsichtlich der Einschätzung diesesTrends herrscht im Forschungsverbund „Stadt 2030“Übereinstimmung. Auch die Zusammensetzung derErwerbstätigen wird sich zwangsläufig weiter differen-zieren und zu einer verglichen mit heute bunteren undweiblicheren Arbeitsgesellschaft führen. Diese abseh-baren Veränderungen stehen in einem offensichtlichenZusammenhang mit den Auswirkungen des soziodemo-graphischen Wandels und den aktuellen Veränderungendes Geschlechterverhältnisses selbst. Mit der Zielperspek-tive 2030 rücken deshalb auch Veränderungen zwischenden Geschlechtern in den Mittelpunkt. Diese Perspektivewurde von einigen der beteiligten Städteprojektegewählt und entweder in der Konzeption und Auswer-tung einzelner Prozesse aufgegriffen oder in das inhalt-liche Konzept des Projekts integriert.

Beteiligung von Frauen und Männern: Der Wettbewerb„Stadt 2030“ enthielt die Aufforderung, Partizipations-verfahren und dialogische Prozesse unter Beteiligungder Bevölkerung zu entwickeln. Die Projekte beriefenbegleitende Beiräte, organisierten Arbeitsgruppen,Foren, Workshops und sonstige Veranstaltungen underprobten kreative Formen der Kommunikation undKooperation. Zur Teilnahme von Frauen und Männern

liegen zwar keine gesonderten Daten vor, jedochwerteten einzelne Projekte ihre Beteiligungsprozessedahingehend gezielt aus.

Kleingruppen oder Kunstaktion: Das Projekt „Esslingen2030: Bürger sein heute – Bürger sein 2030“ organisierteDiskussionen in Kleingruppen. Dazu wurden gezieltjüngere Frauen, auch muslimische Frauen und Mütter,angesprochen. Einen vollkommen anderen Weg wähltedas Projekt „Dietzenbach 2030 – definitiv unvollendet“.Mit einer „ästhetischen Setzung“, das heißt einer auf deninnerstädtischen Brachflächen installierten Stelenreihe,wurde eine neue Form der Kommunikation gewählt. Diedamit verbundene Aktion einer temporären Flächeninbe-sitznahme von 100 qm sollte die sonst eher beteiligungs-fernen Bevölkerungsgruppen zur Mitwirkung einladen.Durch diese ungewöhnliche Aktion konnte ein Beteili-gungsprozess initiiert werden, mit dem vor allem auchMigrantinnen und Migranten sowie ältere Frauen mobili-siert werden konnten.

Offener Zugang und Alltagsthemen: Sowohl Esslingen alsauch Dietzenbach weisen im Hinblick auf die erfolgteBeteiligung nach, dass es mit einem vollkommen offenenAngebot, das Eigeninitiative voraussetzt, und mit derOrganisation gruppenspezifischer Diskussionen gelingenkann, bisher nur schwer anzusprechende Teile der Bevöl-kerung in städtische Diskurse einzubeziehen. Themati-sche Alltagsnähe sowie niedrige Zugangsschwellen derAngebote dürften zu diesem Erfolg beigetragen haben.

Gender-Perspektiven im Forschungsverbund „Stadt 2030“48

Gender Mainstreaming

Genderkommt aus dem Englischen und bezeichnet die gesellschaftlich,sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Frauen undMännern. Diese sind – anders als das biologische Geschlecht –erlernt und damit auch veränderbar.

Mainstreaming(englisch für „Hauptstrom“) bedeutet, dass eine bestimmte inhalt-liche Vorgabe, die bisher nicht das Handeln bestimmt hat, nunzum zentralen Bestandteil bei allen Entscheidungen undProzessen gemacht wird.

Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichenVorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessenvon Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zuberücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeitgibt.

Mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages (EG-Vertrag)am 1. Mai 2004 wird der Gender-Mainstreaming-Ansatzzum ersten Mal in rechtlich verbindlicher Form festge-schrieben. Art. 2 und 3, Abs. 2 EG-Vertrag verpflichten dieMitgliedstaaten zu einer aktiven Gleichstellungspolitik imSinne des Gender Mainstreaming.

Die Gemeinsame Geschäftsordnung (GGO) der Bundes-ministerien wurde am 26.7.2000 novelliert. Der neue § 2 GGO lautet: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist durch-gängiges Leitprinzip und soll bei allen politischen, norm-gebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesre-gierung in ihren Bereichen gefördert werden (GenderMainstreaming).“

Quelle: gender-mainstreaming.net

Gender-Perspektiven im Forschungsverbund „Stadt 2030“

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Gender-Perspektiven im Forschungsverbund „Stadt 2030“ 49

Dietzenbach: Partizipation einmal ganz anders

Adressaten des Aufrufs zur temporären Nutzung von 100 qm freier Fläche in Dietzenbach waren Bürgerinnenund Bürger – unabhängig von ihrer finanziellen Lage undsozialen Schicht und unabhängig von der Dauer ihrerZugehörigkeit zur Stadt und der Einbindung in derengesellschaftliche Strukturen. Die Bereitschaft zur Inte-ressenartikulation, zu Engagement und somit zur Eigen-initiative war wesentliche Voraussetzung für die Teil-nahme. Unter Berücksichtigung der noch immergeltenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung undder daraus resultierenden räumlichen Segregationergab sich … ein spezieller Umgang mit Öffentlichkeit.

Bemerkenswert ist …, dass sich vom Projekt viele Frauen,insbesondere Migrantinnen, angesprochen fühlten, dieals besonders schwer erreichbare Gruppe gelten. Auchden vermehrt präsenten älteren deutschen Frauen mitihren eher privaten Netzwerken wurden ein neuerZugang zur Öffentlichkeit und eine Anlaufstelle geboten,in der sie ihre Interessen artikulieren konnten. In derAnfangsphase des Projekts erfolgte die Kontaktaufnahmezum Bauwagenteam überwiegend durch Frauen, Kinderund Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie durchältere deutsche Frauen. Diese nutzten das Projektbürozum Einholen von Projekt-Informationen und über-nahmen somit Multiplikator-Funktionen. Hier wurde dieErfahrung gemacht, dass über die Frauen oftmals dieFamilien als Ganze zu erreichen waren.

Quelle: Böhm-Ott, Stefan, u.a.: Bürgerschaftliche Interessen als

zentrale Ressource kommunaler Selbstverwaltung, in: Deutsches

Institut für Urbanistik (Hrsg.) 2005: Lokale Demokratie, Der

Forschungsverbund „Stadt 2030“, Band IV, Opladen (in Vorbereitung).

Luftbild Stelenreihe/Bauwagenstandort, Quelle: Infobrief „Stadt 2030“, Ausgabe 15 (Juni 2004)

Mit der Möglichkeittemporärer Flächennut-zungen könnte folglicheine der wesentlichenZielsetzungen vonGender Mainstreaming inder Stadtentwicklungspo-litik erfüllt und ein wich-tiger Beitrag dazugeleistet werden, Frauenwie Männern die gleich-berechtigte Nutzung desöffentlichen und halböf-fentlichen Raumes zuermöglichen und somitDietzenbach für die dortlebenden Menschenlebenswerter zugestalten.

Quelle: Infobrief „Stadt 2030“, Ausgabe 14 (Februar 2004).

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Lokale Zeitpolitik: Gezielt mit Aspekten des Geschlechter-verhältnisses befasste sich das Projekt Bremen. Zwarwurde es nicht unter dem GM-Aspekt konzipiert undumgesetzt, aber durch die Suche nach der zeitbewusstenStadt der Zukunft und deren Erprobung in Experimentenstand von Anfang ein geschlechterpolitisches Thema imVordergrund, da die vorgegebenen Zeitraster im Alltag –z.B. durch Ladenöffnungszeiten und Betriebszeiten – vorallem häufig Frauen in ihrem Wunsch behindern,verschiedene Lebenswelten, z.B. die von Erwerbs- undFamilienarbeit, miteinander zu verbinden.

Aufbauend auf dem Leitbild „Bremen 2030 – eine zeitbe-wusste Stadt“ wurden in ausgewählten StadtteilenBremens stadtteilbezogene Vereinbarungen zwischenBürgerinnen und Bürgern, privaten und öffentlichenBetrieben, Verkehrsträgern, Gewerbetreibenden usw.angestrebt. Mobilitätspakte, Kinderbetreuungszeitpakteund Stadtrevitalisierungspakte stehen für eine Verknüp-

fung des Ansatzes der Zeitgerechtigkeit mit der Erpro-bung bisher unbekannter Modelle einer Umsetzung.

Der Blick in die Zukunft: Die Auseinandersetzung mitPerspektiven des Geschlechterverhältnisses führten dieProjekte trotz nahe liegender Themen wie Bevölkerungs-rückgang, Alterung der Gesellschaft und Abwanderungnur sehr zurückhaltend. Angesichts des dramatischenGeburtenrückgangs und dessen weit reichenden Folgensowie des noch ungelösten zukünftigen Verhältnissesvon privater und öffentlicher Versorgung von Kindernund pflegebedürftigen alten Menschen ist mit solchenUnterlassungen die Gefahr verbunden, dass real beste-hender, starker Handlungsdruck schlicht ignoriert wird.Die beteiligten Projekte entwickeln nur zaghaft Alter-nativen zu möglichen Szenarien, die Skizzen einerZukunft etwa für einzelne Stadtteile am Stadtrandliefern, in denen überwiegend hochbetagte und alleinlebende Frauen in tendenziell entsiedelten oder noch

Gender-Perspektiven im Forschungsverbund „Stadt 2030“ 50

Städteregion Ruhr: Implementierung von Gender Mainstreaming durch Akteure von außen

Der Prozess zur Implementierung von Gender Mainstreaming imProjekt der Städteregion Ruhr 2030 wurde von außen und von„unten“ (bottom up) durch das Frauennetzwerk Ruhrgebiet ange-stoßen und weiterverfolgt. Denn parallel zum Leitbildprozess derRuhrgebietsstädte hatten sich die Akteurinnen der Region (Plane-rinnen, Gleichstellungsbeauftragte und Wissenschaftlerinnen)zum informellen „Frauennetzwerk Ruhrgebiet“ zusammenge-schlossen und sich damit auch zur Kooperation am Leitbildprozessder Städteregion Ruhr neu aufgestellt.

Dem Frauennetzwerk Ruhrgebiet gelang es über die Gleich-stellungsbeauftragten in den Ruhrgebietsstädten, GenderMainstreaming als Handlungsleitlinie zusammen mit dem Ziel derNachhaltigkeit im „Kontrakt der Städte“ zu verankern, der dieZusammenarbeit über das Forschungsvorhaben hinaus regelt.

Quelle: Infobrief „Stadt 2030“, Ausgabe 14 (Februar 2004), gekürzte Darstellung.

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immer unzureichend erschlossenen Einfamilienhaus-siedlungen leben. Beunruhigend sind auch Bilderzukünftig menschenleerer Regionen – hervorgerufendurch den mittlerweile deutlichen Trend einer zunehmenden Abwanderung ausgebildeter jungerFrauen aus den schrumpfenden Regionen Ostdeutsch-lands. Die politisch Verantwortlichen scheinen solchenAussichten bisher eher hilflos gegenüber zu stehen.Gerade für schrumpfende Regionen könnte jedoch dieThematisierung der Situation erwerbstätiger underwerbssuchender Frauen in unterschiedlichen Szenarien erste Hinweise auf zukünftig wichtige Stell-

schrauben und Weichenstellungen in den Kommunenliefern.

Die Suche nach strategischen Ansätzen für den demogra-phischen Wandel, die Entwicklung von geeignetenFormen der Bewältigung sowie unterschiedlicherMöglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familiefür Mütter und Väter – all dies kann und soll nur unterEinbeziehen einer Gender-Perspektive geschehen. Wenndie Kommunen hierfür zukunftsfähige Lösungen entwi-ckeln wollen, müssen sie immer mehr auch an dieZukunft des Geschlechterverhältnisses denken.

Gender-Perspektiven im Forschungsverbund „Stadt 2030“ 51

Bremen: Eine zeitbewusste Stadt

Das Bremer Forum „Zeiten der Stadt“ist zu mehr als der Hälfte mit Frauenbesetzt. Desgleichen arbeiten im ressortübergreifenden Arbeitsstab von„Bremen 2030“ viele Frauen und natürlich eine Vertreterin der Zentralstelle fürdie Gleichstellung mit. Der Geschlechterblick zieht sich durch den gesamten zeit-politischen Ansatz hindurch – damit auch durch das Projekt Bremen 2030.

Quelle: Auszug aus dem Beitrag für den Infobrief „Stadt 2030“ Nr. 14/2004.

Eine zeitgerechte Stadt gestaltet ihre unterschiedlichen Handlungs- und Entscheidungsfelder sowie Ressourcen in einerWeise, dass sie achtsam mit der Lebenszeit – als Ressource wie als kulturelles Medium – der in ihr wohnenden und sich zeit-weilig aufhaltenden Menschen umgeht und deren Zeitwohlstand zu steigern trachtet.

Ausgewählte Ergebnisse des Projektteams Bremen 2030:

Leitvision Bremen 2030 – eine zeitgerechte Stadt (in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsstab Bremen 2030) Pakte und Dialoge I – zeitpolitische Zugänge zu städtischen Mobilitätsproblemen im Bremer OstenPakte und Dialoge II – Mobilitätspakt als Beitrag zur Revitalisierung des Mittelzentrums VegesackBürgerServiceCenter im Vergleich: Öffnungszeiten und ServicequalitätBedingungen und Möglichkeiten einer familienfreundlichen Flexibilisierung von Betreuungszeiten der Kindertagesheime in Bremen

Projektbeispiel: Kinderbetreuung in Obervieland

In einem Stadtteil wurden die Öffnungszeiten der Kitas zum Gegenstand eines Aushandlungsprozesses zwischen Trägern,Eltern und Erzieherinnen gemacht. Es ging darum, modellhaft einen „Zeitpakt“ zu schließen, der – ohne die Zeitkonflikte zuleugnen – mögliche Kompromisslinien ausschöpfte, die den Zeitinteressen aller Beteiligten gerecht wurden. An den Aushand-lungsprozessen nahmen viele Frauen, aber auch einzelne Väter, teil.

Ziel: Flexibilisierung der Betreuung in den Kindertagesheimen durcherhöhte Flexibilität der regelmäßigen Betreuungsangebote über den Tagesverlaufvergrößerte Betreuungs- und Planungssicherheit für die Familien über größere Zeitabschnitte (auch Ferien, unkalkulierbare Vorkommnisse wie Krankheiten usw.)verbesserte Spielräume für pädagogische Angebote und Profilbildung einzelner Einrichtungen

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003 in Braunschweig.

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Wie zu Beginn ausgeführt, war eine Umsetzung derForschungsergebnisse nicht verlangt. Sie war sogar expli-zit ausgeschlossen, um den Projekten frei vom Alltags-druck, der mit Umsetzungsanforderungen zwangsläufigeinsetzt, Freiräume des Denkens zu eröffnen. Dasgewünschte Ergebnis waren Visionen der Stadt- undRegionalentwicklung. Zeitgemäße Zielformulierungenfür Städte und Regionen stellen nicht Entwürfe dar, dieerst einmal fertig sein müssen, ehe man an ihre Umset-zung und Verwirklichung gehen kann. Und je weiter einProjekt von einem Entwurfskonzept entfernt ist, wie esdie Planung der 1960er-Jahre bestimmt hat, desto weni-ger lassen sich Konzeptionsentwicklung und „Anwen-dung“ oder „Verwirklichung“ trennen. Um dafür einBeispiel zu nennen: Das Vertragskonzept des Projekts„Städteregion Ruhr“ kann sich als Programm sinnvoller-weise nur in direkten Anwendungsversuchen bewähren,wie es in diesem Projekt dann auch praktiziert wurde.

In raumplanerischen oder städtebaulichen Konzeptentendiert man heute zu einer engen Verbindung von Zielentwicklung und Implementation, und zwar ausmindestens zwei Gründen: Erstens soll eine einfacheExtrapolation vermieden werden, also die reine Fort-schreibung gegenwärtiger Bedingungen in eineZukunft, die ganz anderen Anforderungen unterliegenkönnte. Und zweitens muss jede Prognose in die Zukunftals potenziell fehlerhaft gelten können, so dass niemalseine Langfristplanung mit Sicherheit auf solchen Prog-nosen aufbauen darf. Sowohl die Prognosen oder Trend-aussagen als auch die daraus resultierenden Lösungenmüssen gerade in langfristiger Planung ständig korri-gierbar bleiben. Moderne Planung zielt also darauf, dieForderung langfristiger Perspektivenentwicklung mitStrategien zur Vermeidung von Irrtümern zu verbinden.

Gegenwärtige Planungstheorie bemüht sich nun darum,rationale, analytische Verfahren zu entwickeln, diediesen Anforderungen der Fehlervermeidung, derIrrtumsminimierung und Revidierbarkeit genügen. Siezielt also, so könnte man vereinfachend sagen, aufVerfahren, die ein immer begrenztes Wissen von Zukunftkompensieren, die verhindern, dass es zu intellektuellenFehlern durch Fehleinschätzung von Zukunftswissenkommt. Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ aber zeigtesich, dass dies nur eine Seite von Zukunftswissenschaft,von zukunftsbezogenem Denken und Handeln ist.Vermutlich gravierender als diese Begrenzungen vonWissen ist die Tatsache, dass Aussagen über die Zukunftund Handlungsentwürfe für die Zukunft ein normativesProblem darstellen. Zukunftsaussagen und Zukunfts-

fixierungen, wie sie mit Planung unvermeidlich erfolgen,stellen normative Festlegungen und Entscheidungen dar,die auf gegenwärtigen Werten, Einstellungen und Orientierungen basieren. Aussagen über die Zukunftsind demnach nicht nur bedingt haltbare, sichereAussagen zu dem, was sein wird, sondern viel mehr undvor allem Setzungen zu dem, was sein soll. Und diesesSollen unterliegt gerade dann, wenn es auf Zukunftgerichtet ist, gegenwärtigen Normen und Werten, vondenen man entweder nicht weiß, ob sie in ZukunftBestand haben können, für die man aber wünschen odergerade nicht wünschen kann, dass sie Bestand habensollen oder nicht.

Der normative Rahmen, der Stadtentwicklung in denletzten Jahren und auch noch zurzeit bestimmt, lässt sichnun aber einigermaßen klar beschreiben und benennen,und zwar als „sozialstaatlicher“ Konsens. Dieser Konsensist von drei entscheidenden Normen getragen: zuersteinmal vom Wert hoher, zumindest relativer Gleichheit inder Bevölkerung. Soziale Ungleichheit sollte also nachMöglichkeit begrenzt sein, wie es im Verfassungsgebotvon der „Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen“ zumAusdruck kommt. Den zweiten Grundsatz bildet dieVorstellung eines starken, handlungsfähigen Staates,eines Staates mithin, der in der Lage ist, in seinen und ihmnachgeordneten Institutionen – z.B. den Kommunen – die

Schlussbetrachtung zum Forschungsverbund „Stadt 2030“52

Schlussbetrachtung zum Forschungsverbund „Stadt 2030“

Umsetzung einer Stadtkonzeption der 1960er Jahre

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Schlussbetrachtung zum Forschungsverbund „Stadt 2030“ 53

Dietzenbach: Ästhetische Setzung

Die ästhetische Setzung in Dietzenbach konfrontierte die Bevölkerung mit einer Reihung von 2500Holzstelen, die in der Mitte des unbebaut gebliebenen Zentrums aufgestellt worden waren. DieAchse der Stelenreihe nimmt Bezug auf die Verkehrsadern bis hin zur Einflugschneise des FrankfurterFlughafens als Ausdruck des Unterwegsseins, also des Nicht-verwurzelt-Seins der mehrheitlich neuhinzugezogenen Bewohnerschaft.

Auf den leeren Flächen der Stadtmitte stellt die Stelenreihe sinnbildlich den Umgang mit Brachflä-chen zur Diskussion. Jede einzelne Stele verweist auf die Möglichkeit eines jeden Bürgers und einerjeden Bürgerin, einen „Claim“ von 100 qm einer Brachfläche abzustecken und temporär zu nutzen.Mit der Versetzung der Stele von der Reihe auf die Parzelle wird die Inbesitznahme ritualisiert und derClaim anschließend sichtbar gemacht.

Potenzial der Ästhetischen Setzung

Medium: Die ästhetische Setzung dient als Medium, Themen der Stadtentwicklung im öffentlichenRaum wahrnehmbar zu machen

Handlungsorientierung: Ein Aufruf zum Handeln ist durch die Möglichkeit der konkreten Umset-zung gegeben.

Zugangsgerechtigkeit: Es handelt sich um ein niedrigschwelliges Partizipationsangebot, das nichtüber die Sprache vermittelt wird, sondern auf einer allen verständlichen sinnlichen Wahrnehmungbasiert.

Ansprechen des Individuums: Jedem Bürger und jeder Bürgerin wird ein Teil der Installation symbo-lisch zugeordnet, dessen mehrfache, aber nie ganz gleiche Wiederholung die Ganzheit der Setzungergibt.

Symbol: Die vor Ort gesetzte Installation führt eine Handlung vor, die symbolisch die eigenen Hand-lungen der Bürger und Bürgerinnen vorwegnimmt.

Anlass: Die Eigeninteressen des Einzelnen werden zu Handlungsoptionen, für die die Stadt den Spiel-raum zur Verfügung stellt.

Transformation: Eine Installation in der neuen Mitte der Stadt verteilt sich durch die Aktivitäten derBürger und Bürgerinnen punktuell über die gesamte Stadt.

Kultivierung des Prozesses; Die unterschiedlichen Projektphasen werden durch den eigenenWandel der Setzung dokumentiert.

Inszenierung: Die ästhetische Setzung bietet an den Übergängen in die nächste Phase Gelegenheitzur Inszenierung des Projekts durch ein Event.

Spielerisches Moment: Durch die gemeinschaftliche Setzung und die Veränderungsmöglichkeitenwird ein spielerischer und kreativer Umgang mit Themen der Stadtentwicklung nahe gelegt.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003 in Braunschweig.

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ihm übertragene Macht auch auszuüben. Und drittens gilt wachsender Wohlstand durch eine politischgleichermaßen geförderte wie sozial in die Pflicht genom-mene Ökonomie als fester Bestandteil dieses Konsenses.Es ist nun leicht zu erkennen, dass keine dieser dreiSäulen des „sozialstaatlichen Konsenses“ unverrückbarund ungebrochen Bestand haben wird. Globalisierungmag staatliche Machtausübung im Staatsgebiet nichtaufheben, mit Sicherheit aber schränkt sie sie ein, so dassdie mittlere der drei Bedingungen brüchig wird. Damitreduziert sich aber auch die Möglichkeit, durch staat-liche Macht eine nationale Ökonomie in die Pflicht zunehmen. Und dies hat unmittelbar zur Folge, dass sichdie oberste Norm, die der Gleichheit, gleichfalls nicht inbekannter und gewohnter Weise aufrechterhalten unddurchsetzen lassen wird. Der Übergang zur Wissens- und

Dienstleistungsgesellschaft, aber auch der demographi-sche Wandel, der Geburten- und Bevölkerungsrückgang,scheinen diese aus der Globalisierung resultierendenZwänge zu verschärfen.Für die Konzepte und Zielvisionen der Projekte imForschungsverbund „Stadt 2030“ stellte sich damit dieFrage, ob sie sich auf wünschenswerte Sollvorstellungeneines „sozialstaatlichen Konsenses“ gründen lassen, ob also Stadtentwicklung zu einer „Abwehrschlacht“wird, in der man an den Normen des Konsenses nichtrüttelt, auch wenn seine Bedingungen immer wenigergegeben zu sein scheinen. Anders formuliert: VerlangtStadtentwicklung in Zukunft normative Umorientie-rungen oder kann in der gleichen Normativität weitergearbeitet werden, auch wenn die Bedingungendafür schwieriger werden? Können wir also z.B. wach-sender Ungleichheit auch positive Aspekte abgewinnen,ohne uns einem hemmungslosen Neoliberalismus auszu-

liefern? Oder erscheint uns das Festhalten am Gebotgroßer sozialer Gleichheit unumstößlich und wie würdenwir diese Gleichheit dann definieren: als Gleichheit aufder materiellen Seite des Lebens oder als Gleichwertig-keit materiell sehr unterschiedlicher, aber jeweils mitbesonderen, eigenen Qualitäten versehener Lebens-lagen?

Die Antworten, die in den einzelnen Projekten zu diesemzweifellos fundamentalen Problem gefunden wurden,sind erwartungsgemäß höchst unterschiedlich undhäufig auch eher verhalten. Nur eines ist sicher und wirdvon allen Projekten mehr oder weniger deutlich gesehen:Technische Planungsverfahren sind nicht geeignet,solche Fragen zu klären oder gar zu lösen. Es bedarfoffensichtlich einer ganz anderen „Kreativität“ und„Innovation“, als wenn es um die Lösung technischerPlanungsprobleme ginge. Normative Innovationen, wiesie möglicherweise für die Zukunft erforderlich werden,sind kein Gegenstand technischer Intelligenz, vielleichtnicht einmal der Politik, sondern der Zivilgesellschaft,zivilgesellschaftlicher Akteure. Wertewandel entsteht –wenn er demokratisch entsteht – „von unten“, aus derGesellschaft, nicht „von oben“, durch Machtausübungvon Politik. Politik kann nur Zivilgesellschaft in den Standsetzen, ihr Möglichkeiten und Freiräume zur normativenArtikulation und Aktion geben.

Folgt man den Klassikern einer Theorie des Wertewan-dels und der gesellschaftlichen Innovation, so scheint esnur zwei Wege zu geben, die diese normative Innovationund Kreativität freisetzen: die charismatische Persönlich-keit einerseits und die soziale Bewegung andererseits.Der Staat jedoch hat wegen seiner Bindung an verregelteund verrechtlichte Verfahren in Hinsicht auf Innovationdieses normativen Typs als ausgesprochen „unbegabterAkteur“ zu gelten. Gegen beide Wege aber bestehenmassive Einwände. Die charismatische Persönlichkeitwirkt wie ein deus ex machina: sie kann nicht bewussthervorgebracht werden, und selbst wenn sie auftritt,fehlt ihr die demokratische Legitimation. Ein von ihrinitiierter Wertewandel entspräche einem Wandel „vonoben“. Die soziale Bewegung wäre im Gegenteil dazuzwar die Alternative „von unten“, aber sie lässt sich nochviel weniger bewusst herstellen oder gar planen.

Und dennoch scheinen Möglichkeiten zu bestehen, sichden Leistungen beider Wege „planvoll“ anzunähern,zum einen durch die Entwicklung „charismatisch“wirkender Bedingungen, die von der einzelnen „charis-matischen Persönlichkeit“ unabhängig sind. Die heraus-

Schlussbetrachtung zum Forschungsverbund „Stadt 2030“ 54

Difu-Team „Stadt 2030“: Charismatischer Augenblick in Gießen

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Schlussbetrachtung zum Forschungsverbund „Stadt 2030“ 55

Gießen-Wetzlar: „Auf der Suche nach der versunkenen Stadt Lahn“

Das Scheitern der Stadt Lahn an den Wider-ständen aus der Bevölkerung hat gelehrt, dassder Gedanke einer angestrebten zukünftigenZusammenarbeit zwischen Gießen und Wetzlarbesonderer Vermittlung in die Bevölkerungbedarf. Deshalb war die „StadtrauminszenierungLahn“ ein elementarer Bestandteil desForschungsprojekts Stadt 2030 der StädteGießen und Wetzlar.

Der Lauf der Lahn als das natürlich verbindendeElement zwischen Gießen und Wetzlar warkonzeptioneller Ausgangspunkt der Stadtraum-inszenierung Lahn. Der Fluss und seine direkteUmgebung sollten zum Ort für verschiedenekünstlerische Produktionen werden: eine künst-lerische Reise mit dem Boot von Gießen nachWetzlar mit Haltepunkten an Schleusen undBrücken als Orten für künstlerische Aktionen,Inszenierungen sowie Klang- und Videoinstalla-tionen. Bewohnerinnen und Bewohner, kultu-relle Initiativen und Träger sowie Vereine derbeteiligten Städte und Gemeinden wareneingeladen, sich an der Inszenierung zu betei-ligen.

Die Inszenierung „Auf der Suche nach derversunkenen Stadt Lahn“ wurde in Kooperationmit dem Institut für Angewandte Theaterwis-senschaft der Justus-Liebig-Universität Gießenim Sommersemester 2002 erarbeitet undgestaltet.

Das Projekt hat gezeigt, dass Kunst und Kultur – insbesondere miteinem orts- und kontextspezifischen Bezug – geeignet seinkönnen, um Kommunikationsprozesse zu initiieren, indem sie diebekannte Umgebung durch eine ungewohnte Perspektive sinnlich erfahrbar machen. Damit ist es auch gelungen, diewissenschaftlich-planerische Thematik des ForschungsprojektsStadt 2030 in die Bevölkerung zu vermitteln.

In diesem Zusammenhang ist der inszenierte Ausflug nicht nur alskünstlerischer Rückblick in die gemeinsame Vergangenheit derbeiden Städte, sondern auch als Versuchsfeld für zukünftigeKooperationsvorhaben zu sehen.

Quelle: Ausstellung „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ am 24./25. September 2003

in Braunschweig.

Gießen und Wetzlar sitzen in einem Boot – Wetzlars Oberbürgermeister Dette und Gießens

Baustadtrat Rausch

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gehobene Sondersituation des Festes, des einmaligenProjekts, bei dem besondere, dem Alltag enthobeneAugenblicke Kräfte und innovative Energien freisetzen,gelten als derartige Bedingungen für Innovationen, dievon der Routine der Normalität eher zugedeckt werden.Und auch die „soziale Bewegung“ lässt sich in kleinemMaßstab, gleichsam künstlich, erzeugen: durch verdich-tende Vernetzungen in kreativen Milieus, in denen latentvorhandene Gedanken, Vorstellungen und Wünschedurch wechselseitige Bestätigung und Kritik Formannehmen und zum Ausdruck gebracht werden können.Die Aufgabe staatlicher Innovationsförderung wäredamit, eben diese Bedingungen herzustellen. Sie bietenzwar keine Garantie, aber doch die Chance, zu neuenUfern aufzubrechen.

Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ wurde nun sowohlauf der Ebene der Einzelprojekte als auch des Verbundesgenau dies gesucht, die herausgehobene Ausnahme-situation mit ihrem Stimulanz, aber auch mit ihrenbesonderen Anforderungen, z.B. sich zu präsentieren,eine Bühne vorzufinden, diese aber auch betreten zumüssen. Und es wurde mit Nachdruck eine Vernetzunghergestellt in einem kreativen Milieu von Planung undPlanungswissenschaft. Mehrere Projekte haben in ihrenArbeitsablauf Feste oder ästhetische Aktionen einbe-zogen, z. B. das Projekt Gießen/Wetzlar mit seinem Lahnfest, mit dem an die untergegangene Stadt „Lahn“der hessischen Gebietsreform der 1970er-Jahre erinnertwurde, oder die Projekte Erlangen, Esslingen undBeeskow, die Projektpräsentationen in große Stadtfesteeinbetteten. Besonders anregend auf alle Beteiligten undexternen Beobachter wirkte das Projekt „Definitiv unvoll-endet“ der Stadt Dietzenbach, das von einer Stelenreiheals ästhetische Setzung ausging und damit das besondereCharisma von Kunst und Ästhetik zum Dreh- und Angel-punkt des gesamten Projekts erklärte. Aber auch diegroßen Workshops mit prominenter Beteiligung, wie siez.B. vom Projekt „Städteregion Ruhr“ durchgeführtwurden, strahlten ohne jeden Zweifel einen besonderen,„charismatischen Augenblick“ aus, wurden als Sondersi-tuation erlebt, wie sie in der Innovationsforschung alsBedingung und Möglichkeit dafür, dass das Neue in dieWelt kommt, behandelt wird.

Immer wurden diese Ausnahmesituationen aber auchdirekt für Vernetzung genutzt: von Planerinnen undPlanern, von Wissenschaftlern und Wissenschaftle-rinnen, von verschiedenen Projekten untereinander, vonProjekten mit Öffentlichkeit. Vernetzung mit den Bürge-rinnen und Bürgern einer Stadt oder Region, die auf

diese Weise in die stimulierende Ausnahmesituationeinbezogen wurden, und dies manchmal nur durch dieTatsache und Chance, an einem nicht alltäglichen,schwierigen Zukunftsprozess teilzunehmen, wie z.B. inBraunschweig, München oder Kiel.

Beide Elemente, das des besonderen, charismatischenAugenblicks und das der Vernetzung, die häufigverbunden und direkt aufeinander bezogen waren,mögen im Rahmen des Forschungsverbundes noch sounvollkommen und begrenzt gewesen sein, sie warendennoch allen Beteiligten bewusst. Aber nur weil sie eswaren, konnten die Innovations- und Normenproblemezumindest erkannt und artikuliert werden, um die es beider Zukunft der deutschen Stadt gehen wird und gehenmuss. Es mag nur ein Anfang gewesen sein, aber dass erdiese Potenziale besaß, spürten alle Beteiligten, und siehaben diese Potenziale genutzt, das macht die Vielfaltder Ergebnisse deutlich.

Eine solche Sicht auf den „Forschungsverbund Stadt2030“, verlangt aber auch Konsequenzen. Sondersitua-tionen können nicht beliebig verlängert oder reprodu-ziert werden. Sie sind nicht in unveränderter Form aufDauer zu stellen. Und auch eine kräftezehrende Vernet-zung ist nicht unbegrenzt durchzuhalten. Daher ist essinnvoll, den Forschungsverbund zum gegenwärtigenZeitpunkt abzuschließen und ein Resümee zu ziehen, soller nicht als Dauereinrichtung zur Routine werden.

Zu einer solchen Routine wird ein Unternehmen wie„Stadt 2030“ aber nur, wenn es unbegrenzt immer vonden gleichen Personen betrieben wird, exakt gleichenZielvorgaben folgt und gleichen Rahmenbedingungenunterliegt. Die Notwendigkeit, Innovation und Kreati-vität zu fördern und freizusetzen, besteht aber im Gegen-satz zur Einzelsituation permanent. Und sie besteht überalle Maßen dringend für Fragen städtischer Zukunft. EineVerstetigung des Prozesses „Stadt 2030“ erscheint damitin jeder Hinsicht geboten, aber in anderer personellerund Projektzusammensetzung, mit neuen, zumindestdeutlich modifizierten Zielen und Rahmenbedingungen.Und hier bietet sich nun ein Konzept an, das die bishervorgenommene Trennung von Konzeption und Realisie-rung überwindet durch die Errichtung von experimen-tellen „Laborsituationen“ in den einzelnen Städten – dieanders sein können und müssen als bisher. Die program-matische Integration von Zukunftskonzeption und Reali-sierung wäre demnach der Gegenstand, dem sich einneuer Forschungsverbund „Stadt 2030“ vorrangig zuwidmen hätte.

Schlussbetrachtung zum Forschungsverbund „Stadt 2030“56

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Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)Referat 426 – Bauen und WohnenHeinemannstraße 253175 Bonnwww.bmbf.de

Dr. Rainer Jansen(Referatsleiter Bauen und Wohnen)Tel.: 01888/57 31 90E-Mail: [email protected]

Begleitforschung und Koordination desForschungsverbundes

Deutsches Institut für UrbanistikProjektgruppe „Stadt 2030“Straße des 17. Juni 11210623 BerlinE-Mail: [email protected]

Begleitforschungsteam Difu

Dr. Albrecht Göschel (Projektleitung)Tel.: 030/3 90 01-235E-Mail: [email protected]

Dr. Stephanie BockTel.: 030/3 90 01-189E-Mail: [email protected]

Franciska Frölich von BodelschwinghTel.: 030/3 90 01-245E-Mail: [email protected]

Gregor JekelTel.: 030/3 90 01-190E-Mail: [email protected]

Jens LibbeTel.: 030/3 90 01-115E-Mail: [email protected]

Dr. Bettina ReimannTel.: 030/3 90 01-191E-Mail: [email protected]

Forschungs- und Prozessmanagement

Projektträger Mobilität und Verkehr,Bauen und Wohnen des BMBFTÜV-Akademie Rheinland GmbHAm Grauen Stein51101 KölnE-Mail: [email protected]

Bernd MeyerTel.: 0221/6 50 35-120E-Mail: [email protected]

Thilo PetriTel.: 0221/6 50 35-226E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner der Städte-Projekte

Modellstadt Beeskow 2030

BürgermeisterFritz Taschenberger E-Mail: [email protected]

Braunschweig – Stadt+Um+Land 2030

Zweckverband Großraum BraunschweigUlrich KegelE-Mail: [email protected]

Bremen 2030 – eine zeitbewusste Stadt

Der Senator für Bau und UmweltDr. Ulrike BaumheierE-Mail: [email protected]

Stadt 2030 – Dietzenbach unvollendet

Stadtplanungs- und BauamtAngela BernhardtE-Mail: [email protected]

Kontakte, Adressen, Publikationen 57

Kontakte, Adressen, Publikationen

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Projekt EisenhüttenStadt 2030

StadtplanungsamtJörg IhlowE-Mail: [email protected]

Erlangen 2030 – Haus für Zukunft

KulturreferatDr. Dieter RossmeisslE-Mail: [email protected]

Esslingen: Bürger sein heute – Bürger 2030

Stadtplanungs- und StadtmessungsamtFrank Eberhard ScholzE-Mail: [email protected] www.esslingen2030.de

Stadt 2030 Gießen/Wetzlar: Von Konkurrenz durchKooperation zu Konsens

Magistrat der Stadt GießenDezernat IV Anita SchneiderE-Mail: [email protected]

Magistrat der Stadt WetzlarBüro des BaudezernatsManfred Schieche E-Mail: [email protected]/giessen/stadt2030

Görlitz/Zgorzelec – Ein gemeinsames Leitbild für diedeutsch-polnische Europastadt

Stadtplanungsamt Lutz PenskeE-Mail: [email protected]

Guben/Gubin – Stadt 2030

Stadtverwaltung GubenFred Mahro, Leiter Dezernat IE-Mail: [email protected] KositzE-Mail: [email protected]

Günzburg oder Legoburg – Chancen und Risikeneines Identitätsprozesses

Stadtbauamt Carl-Heinz WoppererE-Mail: [email protected]

Karlsruhe 2030 – Grenzen überwinden

Amt für StadtentwicklungDr. Edith Wiegelmann-UhligE-Mail: [email protected]

Zukunft Kiel 2030

Stadtplanungsamt Hans-Jürgen BehnkeE-Mail: [email protected] www.kiel2030.de

Leipzig 2030

Stadtplanungsamt Reinhard WölpertE-Mail: [email protected]

Mönchengladbach 2030 – auf dem Weg zur aktivie-renden Stadt

Amt für Stadtentwicklung und StatistikTorsten StammE-Mail: stadtentwicklungsplanung@moenchengladbach.dewww.moenchengladbach.de

Kontakte, Adressen, Publikationen58

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München 2030 – Visionen und Strategien für Stadtund Region

Referat für Stadtplanung und BauordnungKlaus IlligmannE-Mail: [email protected]

Saarbrücken 2030 – Stadt im FlussStabsstelle für nachhaltige und gesunde StadtentwicklungAngelika KrausE-Mail: sb2030@saarbrücken.dewww.saarbrücken.de

Schkeuditz 2030

Planungsamt SchkeuditzFrank WenzelE-Mail: [email protected]

Schwalm-Eder-West – Vision 2030

Magistrat der Stadt BorkenFachbereich StadtplanungChristoph BachmannE-Mail: [email protected]

Städteregion Ruhr 2030 – Eigensinn als Fundgrube

Universität DortmundFakultät RaumplanungProf. Dr. Benjamin DavyE-Mail: [email protected] PetzingerE-Mail: [email protected]

Modell Stadtregion Stuttgart: Dynamik – Integration – Ausgleich

Stadtplanungsamt StuttgartJoachim WeilerE-Mail: [email protected]

Publikationen der Verbund-Projekte

Abrufbar von der jeweiligen Homepage der Städte

Publikationen der Begleitforschung – eineAuswahl

Themenschwerpunkte:Themenschwerpunkt „,Stadt 2030‘: Mut zum Weitblick in deutschen Städten“ in: Der Städtetag, Heft 4/2003. Themenschwerpunkt „Neue Stadtbilder. Stadt 2030“ in: DEMO, Heft 2/2003.

Weitere Veröffentlichungen:Bock, Stephanie: Kommunale Zukunft zwischen Stadt und Region: Perspektiven der Regionalisierung, in: vhw Forum Wohneigentum, Heft 5, Oktober/ November 2003, S. 238–242. Bock, Stephanie/Göschel, Albrecht/Libbe, Jens/ Reimann, Bettina: Mit Zukunft vertraut werden – Positionen und Erkenntnisse aus dem Forschungsver-bund „Stadt 2030“. Zwischenbericht und zugleich Begleitbroschüre zum Abschlusskongress des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ in Braunschweig, 24./25. September 2003. Berlin 2003.Bock, Stephanie/Libbe, Jens: Szenarioplanung von Städten und Regionen: Erfahrungen mit der Szenario-planung im Forschungsverbund „Stadt 2030“, in: Neumann, Ingo (Hrsg.): Szenarioplanung als Instrument strategischer Stadt- und Regionalentwick-lung, Dresden (in Vorbereitung).Bock, Stephanie/Reimann, Bettina: Die Erschließung der Zukunft. Kommunale Krisenlösungen durch den Forschungsverbund „Stadt 2030“, in: Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 43. Jg., 2004/1, S. 79–88.Bock, Stephanie/Reimann, Bettina: Visionen einer familienfreundlichen Stadt? – Ausgewählte Ergebnisse des Forschungsverbundes „Stadt 2030“. Expertise zum 7. Familienbericht der Bundesregierung, April 2004 (in Vorbereitung).Göschel, Albrecht: Auf der Suche nach Visionen: Der Forschungsverbund „Stadt 2030“, in: Das Parla-ment, 53. Jg., 8. 9.2003/37, S. 16.Göschel, Albrecht: Erstes Resümee des Forschungs-verbundes „Stadt 2030“, in: Der Städtetag, Heft 11/2003, S. 40–41.Göschel, Albrecht: Der Forschungsverbund „Stadt 2030“, in: Kommunalpolitische Blätter, Heft 9/2003, S. 21–23.

Kontakte, Adressen, Publikationen 59

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Göschel, Albrecht: Der Forschungsverbund „Stadt 2030“. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/2003, S. 9–15.Göschel, Albrecht: Forschungsverbund „Stadt 2030“: Zurück in die Zukunft, in: AKP. Fachzeitschrift für Alternative Kommunal Politik, Heft 5/2003, S. 30–33.Göschel, Albrecht: Schrumpfende Städte. Antworten auf die Entvölkerung, in: Immobilienmanager, 2003/5, S. 17 f.Göschel, Albrecht: Schrumpfende Städte. Planerische Reaktionen auf den Leerstand, in: Planerin, Fachzeit-schrift für Stadt-, Regional- und Landesplanung, Heft 2/2003, S. 9 f.Göschel, Albrecht: Stadtumbau – Zur Zukunft schrump-fender Städte vor allem in den neuen Bundesländern, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11,2003, S. 605–616.Göschel, Albrecht: Stadt 2030: Zukunft – Planung – Politik. Zwischen aktueller Politik und langfristiger Planung, in: Der Städtetag, Heft 4/2003, S. 10–13.Göschel, Albrecht/Bock, Stephanie: Städte im Jahr 2030. Erstes Resümee des Forschungsverbundes Stadt 2030, in: Stadt und Gemeinde, 12/2003, S. 540 f.Göschel, Albrecht/Bock, Stephanie/Jekel, Gregor (2003): Auf dem Weg zur Stadt 2030. Abschlusskongress des Forschungsverbundes „Stadt 2030“, in Difu-Berichte, Heft 4/2003.Göschel, Albrecht: Megatrends: Wohin entwickeln sich die Städte? In: Evangelische Akademie Loccum (Hrsg.): Religionen in der Stadt. Chancen für das urbane Zusammenleben, Loccumer Protokolle (in Vorbereitung).Göschel, Albrecht: Neue Utopien braucht die Stadt. Zukunft Bürgerregion? In: SRL Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung, Stadtregion 2030+ Visionen und der Traum vom Miteinander, Heft 52/2004, Berlin, S. 78–93.Göschel, Albrecht: Städtebau und demographischer Wandel – Status quo und Perspektiven, in: BauWohnberatung Karlsruhe (BWK), Schader-Stiftung Darmstadt (Hrsg.): Neues Wohnen fürs Alter. Was geht und wie es geht, Frankfurt/M., S. 18–37.Meyer, Bernd: Auf dem Weg zu Stadt 2030? Bericht vom Abschlusskongress, in: PlanerIn, Heft 1/04, S. 34–35.Meyer, Bernd: Szenarioorganisation braucht Geduld und Intuition, in: Neumann, Ingo (Hrsg.): Szenario-planung als Instrument strategischer Stadt- und Regionalentwicklung, Dresden (in Vorbereitung).

Die Publikation „Auf dem Weg zur Stadt 2030“ mit einerBeschreibung aller 21 Verbundvorhaben sowie eine CD mitallen auf dem Abschlusskongress präsentierten Ausstel-lungstafeln können beim Projektträger bestellt werden.

In Vorbereitung: Veröffentlichungsreihe „Der Forschungsverbund ,Stadt2030‘“, Band I bis V, Opladen.

„Stadt 2030“ im Internet: www.stadt2030.de

Infobriefe: www.newsletter.stadt2030.de

Nr. 1/Juli 2001 Der Forschungsverbund „Stadt 2030“

Nr. 2/Oktober 2001 Forschungsumfeld

Nr. 3/Dezember 2001 Schwerpunkt: Integration der Stadtgesellschaft

Nr. 4/Februar 2002 Schwerpunkt: Zukunfts-forschung

Nr. 5/April 2002 Schwerpunkt: Identität

Nr. 6/Juni 2002 Schwerpunkt: Schrumpfung

Nr. 7/August 2002 Schwerpunkt: Regionalisierung

Nr. 8/Oktober 2002 Schwerpunkt: Bürgergesell-schaft

Nr. 9/Januar 2003 Schwerpunkt: Landschaft

Nr. 10/April 2003 Schwerpunkt: Demographi-scher Wandel

Nr. 11/Juni 2003 Schwerpunkt: Grenzen

Nr. 12/November 2003 Schwerpunkt: Virtualität und Stadtentwicklung

Nr. 13/Dezember 2003 Abschlusskongress „Auf dem Weg zur Stadt 2030“

Nr. 14/März 2004 Schwerpunkt: Gender Mainstreaming

Nr. 15/Juni 2004 Schwerpunkt: Praxisorien-tierung

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tionen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe

an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung.

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Anzahl diese Schrift der Empfängerin/dem Empfänger zugegangen

ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden

Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme

der Bundesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen

verstanden werden könnte.

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