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Ausgabe Nr. 04 / November 2015
Meisterhaftes Handwerk
SONDERPUBLIKATION
Liebe Leserinnen und Leser,
wer einen Meisterbetrieb beauftragt, erwar-
tet eine Qualitätsarbeit. Und dies zu Recht:
Der Begriff Meister beinhaltet ein Qualitäts-
versprechen an den Kunden, das von meis-
terhaft arbeitenden Handwerkern mit Leben
gefüllt wird. Der Meister im Handwerk ist also gelebter Verbraucherschutz. Er ist
aber noch mehr als das.
Der Meisterbrief ist Ausdruck eines funktionierenden Generationenvertrags im
Handwerk. Damit meine ich die konkrete Verantwortung des Einzelnen der Bran-
che gegenüber, die der Dreh- und Angelpunkt einer handwerklichen Karriere ist.
Aus Handwerks-Lehrlingen werden Gesellen, und diese sitzen in ihren Prüfungen
Unternehmern gegenüber, die sich ehrenamtlich für den Fachkräftenachwuchs
einsetzen. Aus Gesellen wiederum werden häufig Meister, die dann selbst junge
Menschen ausbilden, ihr handwerkliches Wissen weitergeben und dieses in Prü-
fungsausschüssen einbringen.
Auch ich setze mich seit über 26 Jahren aktiv für den Fortbestand meines Gewerks
ein. Nicht nur als Innungsobermeister, sondern auch als Mitglied im Meisterprü-
fungsausschuss der Stuckateure. Ich sehe dies als meine Verpflichtung an gegen-
über dem Nachwuchs, den unsere Branche so dringend benötigt. Daher weiß ich:
Es ist viel Arbeit, neben der unternehmerischen Tätigkeit abends noch als Dozent
für Meisterprüfungsanwärter zur Verfügung zu stehen oder in Kommissionen über
die nächsten Prüfungen zu beraten. Ich möchte an dieser Stelle allen Unternehme-
rinnen und Unternehmern danken, die ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung auf
diese oder ähnliche Weise nachkommen und sich für den Fortbestand des Hand-
werks engagieren!
Auf den folgenden Seiten haben wir viele Geschichten zusammengetragen, die
eines gemeinsam haben: Sie handeln von besonderen Menschen, die besondere
Leistungen erbringen. Sie erzählen von jungen Leuten, die mit dem Meisterbrief in
der Tasche Großes vorhaben. Sie porträtieren Unternehmer, die ihre Angestellten
auf vielfältige Weise fördern. Und sie erzählen vom Meistertitel selbst – von seiner
Erfolgsgeschichte und dem Qualitätsversprechen, das er seit Jahrzehnten den
Handwerkskunden gibt.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme und anregende Lektüre.
Ihr
Klaus-Dieter Müller
Innungsobermeister
04 Grußwort
Der Meister macht den
Unterschied
05 Der Meister im Spiegel der Zeit
Der Meister als „Großer Befähigungs-
nachweis“ wurde 1935 eingeführt,
allerdings galt seit 1908 bereits
der „Kleine Befähigungsnachweis“,
demzufolge die Meisterprüfung Vor-
aussetzung der Ausbildung von Lehr-
lingen war. Heute steht der Meister
im Handwerk in der Diskussion:
Während er den einen als Ausweis
höchster fachlicher Qualifikation gilt,
wollen andere die als Zwang emp-
fundene Meisterpflicht im Handwerk
abschaffen.
06 Schlaglichter
07 Geschichte des Handwerks
08 Der Meister in der Diskussion
09 Konkret gefragt:
Der Meister im europäischen Diskurs
Interview mit ZDH-Präsident
Hans-Peter Wollseifer
10 Das Ehrenamt als tragende Säule
des Handwerks:
Wie sich zwei Berliner Unternehmer
für den Meisternachwuchs einsetzen
9
12 Nachwuchsförderung:
Den Meisterkurs komplett bezahlt
13 Nahaufnahme: Meisterprüfungen 2015
In insgesamt vier Gewerken haben
junge Fachkräfte in diesem Jahr
ihre Meisterprüfungen im Bauhand-
werk abgelegt. Während sich die
Teilnehmeranzahl in den Bereichen
Stuck, Maurer- und Betonbau und
Straßenbau auf dem Niveau der
Vorjahre bewegte, ist die Anzahl der
Nachwuchsfliesenlegermeisterinnen
und –meister in 2015 ungewöhnlich
hoch.
14 Berufswunsch:
Meister im Fliesenlegerhandwerk
16 Als Stuckateur das Stadtbild
Berlins mitprägen
18 „Wer rastet, der rostet“:
Junger Maurer- und Straßenbau-
meister auf der Überholspur
20 Viel mehr als Stein auf Stein:
Maurer- und Betonbauer
21 3 Fragen an…
Michael Mahlo
22 Überblick: Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen
Was genau ist der Meister im Hand-
werk eigentlich, wer kann eine Prü-
fung absolvieren, was kostet das
und wo erhält man eine Förderung?
Dieses und weiteres Faktenwissen
ist in unserem Überblick zusammen-
gestellt – wer mehr wissen möchte,
findet unter „Wer hilft weiter?“ hilf-
reiche Tipps.
23 Wissenswertes rund um den
Meistertitel in Deutschland
25 Wer hilft weiter
26 Meister im Handwerk:
Getragen vom ehrenamtlichen
Engagement vieler Unternehmer
27 Impressionen
ImpressumFachgemeinschaft Bau
Berlin und Brandenburg e.V.
Nassauische Str. 15
10717 Berlin
Tel.: 030 / 86 00 04-0
Fax: 030 / 86 00 04-12
E-Mail: [email protected]
Internet: www.fg-bau.de
Redaktion
Christiane Witek / W (V.i.S.d.P.)
Tel.: 030 / 86 00 04-19
E-Mail: [email protected]
Gestaltung
explonauten.net GmbH
Agentur für Design
& Kommunikation
www.explonauten.net
Bildnachweise
Titelbild: Carolin Weber, Stuckateur-Meisterin, S. 2: Zentralverband des Deut-schen Handwerks (ZDH); S. 3, Mitte: Holzschnitt von Jost Amman, Der Steinmetz, in: Von St. Nikolai zum Reichstag. 500 Jahre Bauen in Berlin. Bauverlag GmbH Berlin, 1987; S. 4:
Handwerkskammer Berlin; S. 5, oben: siehe S. 3; S. 9: ZDH; S. 22, oben rechts: Fotolia, Eisenhans; S. 22, unten links: Fotolia, liveostockimages, Fotos der Meisterstücke Stuck und Fliese: Andreas KämperAlle übrigen Bilder: Fachgemeinschaft Bau
14
07
4 Der Meister macht den Unterschied
Der Meister macht den Unterschied
Grußwort von Stephan Schwarz, Präsident der Handwerkskammer Berlin
Im Berliner Handwerk nehmen die Bau- und Ausbaugewerke eine herausragende Rolle
ein: Mehr als die Hälfte der etwa 30.000 Berliner Handwerksunternehmen gehören zu
dieser Branche. Damit ist das Bauhandwerk eine der tragenden Säulen des Handwerks
in unserer Stadt.
Dabei profitiert das Bau- und Ausbauhandwerk von der guten Berliner Konjunktur. Die
deutsche Hauptstadt wächst – und in einer wachsenden Stadt wird gebaut. Erst vor
kurzem zogen die Berliner Bau- und Ausbauhandwerker eine überaus positive Bilanz
der vergangenen Monate. Die Unternehmen freuen sich über prall gefüllte Auftragsbü-
cher und stellen Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung. Vor allem die Ausbau-
handwerke verfügen seit Anfang 2010 über sehr gute Konjunkturdaten und prägen so
auch die sehr gute Stimmung im Berliner Gesamthandwerk.
Wesentlich zum Gelingen des Erfolges trägt der hohe Qualifikationsstand der Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter bei. Mehr als 1.400 junge Menschen wurden im vergangenen
Jahr in einem Bau- oder Ausbauberuf ausgebildet.
Aus ausgelernten Azubis werden die Meister von morgen. In diesem Jahr haben in
vier Bereichen junge Menschen ihre Meisterprüfungen absolviert. Während sich die
Anzahl der Prüfungsteilnehmer in den drei Gewerken Stuck, Maurer- und Betonbau so-
wie Straßenbau auf dem hohen Niveau der Vorjahre bewegte, hat sich die Anzahl der
Meisterprüflinge im Fliesenlegerhandwerk nahezu verdreifacht: In diesem Jahr legten
13 Teilnehmer die praktische Prüfung ab – darunter auch eine Frau.
Der Meisterbrief ist auch weiterhin im Berliner Handwerk die zentrale Qualifikation. Er
leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung und trägt ganz wesentlich dazu
bei, dass die Betriebe am Markt erfolgreich sind und bleiben. Mit Recht beneidet uns
ganz Europa um diese Qualifikation. Der qualifikationsgebundene Berufszugang ist
Voraussetzung für ein nachhaltiges, qualitätssicherndes Unternehmertum im Hand-
werk und darüber hinaus die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.
Viele Berliner Handwerksbetriebe unterstützen die Meisterbestrebungen ihrer Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter in vielfältiger Art und Weise: Sie machen sich auf die
Möglichkeit einer Aufstiegsfortbildung aufmerksam, unterstützen sie bei der Suche
nach dem passenden Meisterkurs, stehen ihnen für fachliche Fragen zur Verfügung
und stellen die jungen Leuten für die Teilnahme an Prüfungen frei.
Besonders hervorzuheben ist, dass sich viele Handwerksbetriebe bzw. deren Meis-
terinnen und Meister ehrenamtlich in den Meisterprüfungsausschüssen engagieren.
Sie übernehmen damit gesellschaftliche Verantwortung. Als Präsident der Handwerks-
kammer Berlin möchte ich mich auf diesem Wege sehr herzlich bei allen Menschen
bedanken, die in der Aus- und Weiterbildung Verantwortung übernehmen. Ohne das
vorbildliche Engagement der zahlreichen Ehrenamtlichen wäre unser Handwerk nicht
das, was es ist: Die Wirtschaftsmacht von nebenan.
Stephan Schwarz, Präsident der Handwerkskammer Berlin
» Geb: 1965 in Berlin
» Studium der Geschichts-
wissenschaften und Philosophie in
Berlin und Paris
» Seit 1990 im Familienunternehmen,
der Großberliner Reinigungsgesellschaft
(GRG), tätig, seit 1996 Geschäftsführen-
der Gesellschafter der GRG
» Seit 2003: Präsident der Handwerks-
kammer Berlin
Der Meister im Spiegel der Zeit 5
Der Meister im Spiegel der Zeit
Konkret Sonderpublikation6 Unternehmensnachfolge – Wandel als Chance begreifen
Schlaglichter
1810
1869
1881
1897
19001908
1927
1935
1953 1961
1965
1993 1998
2004
» Grundsatz der allgemeinen Gewerbefreiheit in PreußenDamit erfolgte erstmals eine staatliche Regelung der Verhältnisse der Handwerker und Gewerbetreibenden
» Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund Trat für ganz Deutschland in Kraft
» Neuregelung des InnungswesenNovelle der 1869 erlassenen Gewerbeordnung, die auf Bestrebungen der Handwerker zurückging, die besonderen Verhältnisse des Handwerks, die Ausbildung des Nachwuchses und den Zusammenschluss von Handwerkern der gleichen Berufe zu novellieren
» HandwerkerschutzgesetzGesetz „betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung“: Überwachung des Lehrlings- und Gesellenwesens durch die Handwerkskammern Einführung der Meisterprüfung als eine künftig bei den Handwerkskammern abzulegende Prüfung » Gründung von 71 Handwerkskammern
» Einführung des kleinen Befähigungsnachweises, demzufolge die Meisterprüfung die Voraussetzung ist, um Lehrlinge ausbilden zu können
» HandwerksnovelleVerpflichtet die Handwerkskammern, eine Handwerksrolle als Verzeichnis aller selbstständigen Handwerker zu führen
» Einführung des Großen BefähigungsnachweisesDer Meisterbrief wird Voraussetzung für die selbstständige Betätigung im Handwerk und die Ausbildung von Lehrlingen
» Deutsche Handwerksordnung tritt in Kraft
» Bundesverfassungsgericht bestätigt Verfassungsmäßigkeit der deutschen Handwerksordnung
» „Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung“Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz ermöglicht eine dynamische Anpassung des Handwerks an den technisch-wirtschaftlichen Fortschritt
» Bundestag novelliert Handwerksordnung
» Novellierung der HandwerksordnungAus 127 werden 94 Handwerksberufe, die Zahl der handwerksähnlichen Gewerbe wächst von 50 auf 57
» Novellierung der HandwerksordnungIn diesem Zusammenhang entfällt die Meisterpflicht im Fliesenlegergewerk
Quellen: ZDH, Handwerkskammer Berlin, Wikipedia, FG Bau
Konkret Sonderpublikation Der Meister im Spiegel der Zeit 7
Geschichte des Handwerks
Die Geschichte des Handwerks ist so alt wie die Geschich-
te der Menschheit selbst. Zu den ersten Handwerkern
gehörten Schmiede, Zimmerleute, Tischler, Gerber, Töp-
fer und Weber. In der Zeit des Römischen Reiches hatten
Maurerhandwerk sowie Gold- und Kupferschmiede ihre
Blütezeit - das Handwerk wurde zum Kulturträger. In den
Klöstern des frühen Mittelalters versammelte sich eine
große Zahl von Bauern mit handwerklichem Geschick, die
freilich ausschließlich für den Klerus zu arbeiten hatten.
Während dieser Zeit gründeten sich die ersten Gilden,
aus denen später die Zünfte entstehen sollten. In der Zeit
des Mittelalters spezialisierten sich die Handwerksberufe
zunehmend - nicht zuletzt eine Folge der steigenden Ver-
städterung und der Hochzeit des Handels. Aus dieser Zeit
stammen auch die ersten Zunftordnungen. Die Erfindung
von Dampfmaschine, mechanischem Webstuhl oder auch
der ersten Spinnmaschine (alle Mitte des 18. Jahrhun-
derts) kündigte das industrielle Zeitalter und zugleich grö-
ßere Umgestaltungen im Handwerk an. Handwerksberufe
verschwanden und immer neue kamen hinzu.
Die Wurzeln des Handwerks, wie wir es heute kennen,
reichen fast zwei Jahrhunderte in die Vergangenheit zu-
rück. In den Jahren 1810/1811 war in Preußen durch die
erstmalige Erstellung des Grundsatzes der allgemeinen
Gewerbefreiheit eine staatliche Regelung der Verhältnisse
der Handwerker und Gewerbetreibenden erfolgt. Im Jahre
1869 folgte die Gewerbeordnung für den Norddeutschen
Bund, die schließlich in ganz Deutschland in Kraft trat.
Die Bestrebungen der Handwerker, die Gewerbeordnung
im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse des Hand-
werks, auf die Ausbildung des handwerklichen Nach-
wuchses und den Zusammenschluss von Handwerkern
des gleichen Berufes zu novellieren, waren vielfältig und
wurden in einer Gesetzesnovelle von 1881 ("Neuregelung
des Innungswesens") festgelegt. Im Jahr 1897 wurde
durch das Handwerkerschutzgesetz die Überwachung
des Lehrlings- und Gesellenwesens durch die Handwerks-
kammern gesetzlich geregelt - dies war der Beginn einer
organisierten und vereinheitlichten Handwerksstruktur.
Das Handwerkerschutzgesetz veranlasste jedoch nicht
nur eine einheitliche Ordnung des Handwerks, sondern re-
gelte darüber hinaus auch das Prüfungswesen. So wurde
die Meisterprüfung als eine künftig bei den Handwerks-
kammern abzulegende Prüfung eingeführt. 71 dieser
Kammern entstanden im Jahr 1900 im Deutschen Reich.
1908 brachte eine Novelle zur Gewerbeordnung den Klei-
nen Befähigungsnachweis, nach dem niemand Lehrlinge
ausbilden darf, wenn er die Meisterprüfung nicht abgelegt
hat. Der Große Befähigungsnachweis, nach dem der Meis-
tertitel für die Führung eines Handwerksbetriebes obliga-
torisch ist, wurde mit der Handwerksordnung im Jahr 1935
eingeführt.
Im Jahr 1953 wurde durch das neu geschaffene – Gesetz
zur Ordnung des Handwerks – (Handwerksordnung/HWO)
der Grundstein für die Neuentstehung eines leistungsfähi-
gen Handwerks gelegt. Die Handwerksordnung ist nach wie
vor gültig und wurde zuletzt zum 1. Januar 2004 novelliert.
Handwerkskammer Berlin
u Meisterbrief von Heinrich Schmidt, zur Verfügung gestellt von der Fa. Schmidt-Dunkel, Straßen- und Tiefbau GmbH & Co. KG
Konkret Sonderpublikation8 Der Meister im Spiegel der Zeit
Der Meister in der Diskussion
Der Meister in Deutschland ist nicht unumstritten: Für die
einen Ausdruck höchster Qualität und fachlichen Könnens,
stellt er für die anderen eine unnötige Marktabschottung
dar, welche Einzelnen den Zugang zum freien Dienst-
leistungswettbewerb erschwert. Sie sprechen von Meis-
terzwang und wollen die Pflicht, einen Titel erwerben zu
müssen, um sich selbstständig zu machen, lieber heute als
morgen abschaffen. Warum eigentlich?
Mit einer Mitteilung im Oktober 2013 sorgte die Euro-
päische Kommission für Aufsehen: Sie rief die Mitglied-
staaten dazu auf, ihre „Zugangsschranken für regulierte
Berufe zu begründen und zu hinterfragen“. Dies bezog
sich explizit auch auf die Meisterpflicht in den derzeit
41 zulassungspflichten Gewerken des deutschen Hand-
werks. Die Branche reagierte irritiert, und in der Öffent-
lichkeit entspann sich eine heiß geführte Diskussion
um die Sinnhaftigkeit der Meisterpflicht in Deutschland.
Kritiker klagten, die Meisterpflicht sei in Wirklichkeit ein
Meisterzwang und stelle eine unnötige Zugangshürde zur
freien Berufsausübung dar. Damit würden nicht zuletzt
wesentliche Grundrechte eingeschränkt. Auch das Qua-
litätsversprechen, das ein Meisterbrief den Verbrauchern
gibt, wurde hinterfragt: Liefert wirklich jeder Meisterbe-
trieb die herausragende Qualität, die ein Meisterbrief
verspricht? Und geht es dem Handwerk nicht auch neben
dem Schutz dieser besonderen Qualität um eine Markt-
abschottung?
Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Beispiel Fliese:
2004 wurde im Zuge der Novellierung der Handwerks-
ordnung die Meisterpflicht im Fliesenlegerhandwerk
abgeschafft. Ein Meistertitel kann hier zwar nach wie vor
erworben werden, er ist allerdings freiwillig und nicht
mehr zwingende Voraussetzung einer Selbstständigkeit
und der Ausbildung von Gesellinnen und Gesellen. Elf Jah-
re nach Abschaffung der Meisterpflicht offenbaren sich
strukturelle Änderungen im Traditionsgewerk: Allein in
Berlin hat sich die Anzahl der bei der Handwerkskammer
geführten Betriebe verzehnfacht, von 239 Betrieben im
Jahr 2003 auf 2.388 im Jahr 2014, viele davon Ein-Mann-
Betriebe. Die Anzahl der Lehrlinge ist zwischen 2003 und
2011 massiv zurückgegangen: von 106 Auszubildenden
im Jahr 2003 auf nur noch 46 im Jahr 2011. Der Trend hält
bis heute an. Bundesweit stieg die Anzahl der Fliesenle-
gerbetriebe von rund 12.000 Betrieben nach 2004 auf
mittlerweile über 50.000 Betriebe.
Die Abschaffung des Meisters hat also tatsächlich zu-
nächst zu einer Betriebszunahme und damit zu einem grö-
ßeren Wettbewerb geführt, allerdings mit unerwünschten
Folgen: So hat sie weder Vorteile für Verbraucher, noch
für die Betriebe gebracht, vielmehr sind für Handwerk
und Verbraucher strukturelle Defizite entstanden, unter
denen die Branche heute leidet. Die Zahlen zeigen: Wo
Meisterbetriebe fehlen, fehlen Ausbildungsplätze – und
wo kein Nachwuchs ist, kann keine qualifizierte Dienst-
leistung mehr erbracht werden. Auch die Qualität der von
den neuen, ohne Meisterbrief arbeitenden selbststän-
digen Betrieben erbrachten Leistungen lässt offenbar
zu wünschen übrig. 2011 ermittelte eine Umfrage unter
Sachverständigen die durchschnittliche Schadenshöhe,
die durch wenig qualifizierte Fliesenleger verursacht
wurden: Auf durchschnittlich 9.000 Euro sei der Schaden
zu beziffern, der dem jeweils betroffenen Bauherren und
Endkunden durch mangelnde Qualifikation entstanden
sei, berichtete das Branchenblatt „Deutsche Handwerks-
Zeitung“ in seiner Ausgabe 13/2011. Hinzu kommt das
Thema Schwarzarbeit: So sehen Branchenvertreter im
Wegfall der Meisterpflicht ein Einfallstor für Illegalität am
Bau und die Gefahr von Scheinselbstständigkeit.
Mittlerweile ist man auf europäischer Ebene zurückgeru-
dert: Im Februar 2014 stellte die Kommission per Pres-
semitteilung klar: „EU-Kommission will Meisterbrief nicht
abschaffen“. Und auch die für den Binnenmarkt zuständi-
ge EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska sagte im März
2015 dem Deutschen Handwerksblatt, der Meisterbrief
werde nicht abgeschafft. Inwieweit darauf Verlass ist,
wird sich zeigen.
Wussten Sie schon?
Seit November 2015 fördert das Land Brandenburg
junge Unternehmensgründer im Handwerk mit der
Meistergründungsprämie. Informationen dazu
unter www.ilb.de
Konkret Sonderpublikation Der Meister im Spiegel der Zeit 9
Konkret gefragt: Der Meister im europäischen Diskurs
Die Diskussion auf europäischer Ebene zum Abbau von
Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Berufen hat die
Meisterpflicht im Handwerk in Deutschland in Frage gestellt.
Mit seiner Kampagne „Ja zum Meister“ setzt der Zentralver-
band des deutschen Handwerks ein starkes Zeichen für
den Meisterbrief: Dieser ist, so die Kampagnenmacher, ein
„Instrument für mehr Ausbildung, weniger Jugendarbeitslo-
sigkeit und höhere Wettbewerbsfähigkeit“, kurz: ein Vorbild
für Europa. Hans Peter Wollseifer, ZDH-Präsident, erklärt im
Interview die Hintergründe.
FG Bau Konkret: Herr Wollseifer, immer wieder geis-
tern Meldungen durch die Medien, der Meisterbrief in
Deutschland stehe absehbar zur Disposition, offiziell, um
den Zugang zu reglementierten Berufen zu erleichtern.
Rüttelt Brüssel am Meisterbrief?
Hans Peter Wollseifer: Die Europäische Kommission hat
durch eine Mitteilung im Oktober 2013 einen Prozess
eingeleitet, der im Wesentlichen darauf abzielt, die Regle-
mentierung von Berufen in Europa kritisch zu hinterfragen.
Hierzu gehören neben vielen freien Berufen wie beispiels-
weise Ärzten, Apothekern oder Rechtsanwälten auch die
zulassungspflichtigen Handwerksberufe. In Deutschland
sind derzeit 141 Berufe reglementiert. Diese Zahl liegt un-
ter dem europäischen Durchschnitt - in Großbritannien sind
beispielsweise 210 Berufe reglementiert, in Polen 354.
Was will die Kommission damit erreichen?
Die Europäische Kommission behauptet, dass Berufsre-
glementierungen die Mobilität von Selbständigen und
abhängig Beschäftigten im Binnenmarkt negativ beein-
trächtigen. Allerdings gelten im Binnenmarkt seit über
fünf Jahrzehnten besondere Regelungen zur Anerkennung
von Berufsqualifikationen. Diese haben sich insgesamt
bewährt. Die Argumentation der Kommission ist daher
letztlich nicht überzeugend.
Wie hat der ZDH darauf reagiert?
Wir haben frühzeitig diesen Kommissionsansatz kritisiert.
Die zulassungspflichtigen Handwerke unterliegen aus
guten Gründen einer Reglementierung. Hier geht es nicht
nur um die Gefahrengeneigtheit bestimmter Tätigkeiten
und darum, den Verbraucherschutz sicherzustellen. Wir
wollen auch die Ausbildungsleistung im Interesse der
Gesamtwirtschaft sichern. Wir werben aktiv für das Sys-
tem der zulassungspflichtigen Handwerksberufe, unter
anderem im Rahmen der Kampagne „Ja zum Meister“. Mit
Erfolg: Bundesrat und Bundestag haben die klare Position
des Handwerks aufgegriffen und der Deregulierungspo-
litik der Europäischen Kommission eine Absage erteilt.
Und wir setzen uns für Transparenz zwischen den Mit-
gliedstaaten ein. Das Offenlegen und Bekanntmachen der
unterschiedlichen Regelungen ist ein sinnvoller Schritt zu
mehr grenzüberschreitenden Geschäften.
Gefahr also gebannt?
Vorsicht! Die Europäische Kommission lobt zwar die
berufliche Bildung in Deutschland ausdrücklich und er-
kennt an, dass dieses System einen wichtigen Beitrag
dazu leistet, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutsch-
land die niedrigste in ganz Europa ist. Dabei wird aber
nicht anerkannt, dass unser duales Ausbildungssystem
im Handwerk von Meisterbetrieben getragen wird. Im
Rahmen ihrer Binnenmarkstrategie für 2016/17 will die
Europäische Kommission die Mitgliedstaaten nach wie
vor zur Anwendung von Kriterien verpflichten, die den
Mitgliedstaaten „helfen“ sollen, die Verhältnismäßigkeit
bestehender Berufsreglementierungen zu überprüfen.
Auch sollen den Mitgliedstaaten in den so genannten
länderspezifischen Empfehlungen Vorgaben hinsichtlich
bestehender Berufsreglementierungen gemacht werden.
Wir werden also weiter engagiert für ein "Ja zum Meister"
auch auf europäischer Ebene kämpfen.
Herr Wollseifer, wir danken Ihnen für Ihre Antworten.
Konkret Sonderpublikation10 Der Meister im Spiegel der Zeit
u Meisterprüfungsobjekt 2015, Ausschnitt
Das Ehrenamt als tragende Säule des Handwerks: Wie sich zwei Berliner Unternehmer für den Meisternachwuchs einsetzen
Ohne das ehrenamtliche Engagement vieler Bauun-
ternehmer wäre das Handwerk nicht das, was es ist.
Ob in Gesellen- oder Meisterprüfungsausschüssen,
in Verbandsgremien oder in der Handwerkskammer,
überall bringen sich Unternehmer ein und sorgen
mit ihrem unentgeltlichen Einsatz dafür, dass das
Handwerk eine starke Interessensvertretung hat
und die Wissensvermittlung an die Fachkräfte von
morgen funktioniert. Auch die Brüder Thomas und
Wolf-Dieter Nagel sind ehrenamtlich im Dienste des
Handwerks ativ, neben ihrer hauptamtlichen Arbeit
im eigenen Unternehmen, der mittelständischen
Baufirma Stuck Nagel GmbH. FG Bau Konkret hat
sich mit ihnen über ihr Engagement unterhalten.
FG Bau Konkret: Sie sind beide seit Jahren im Ge-
sellenprüfungsausschuss und im Meisterprüfungs-
ausschuss im Bereich Stuck aktiv. Warum?
Wolf-Dieter Nagel: Mit dem Engagement verhält es
sich letztendlich so wie mit dem Fachkräftemangel:
Wenn keiner ausbildet, kommt auch keiner nach.
Wir fördern den Nachwuchs, weil wir ein Interesse
daran haben, dass es viele gute Leute im Stucka-
teur-Handwerk gibt. Das tut uns allen gut, denn es
stärkt unsere Branche.
Thomas Nagel: Das Engagement macht uns Spaß:
Man reflektiert ja durch so ein Engagement auch
seine eigenen Kenntnisse und überprüft automa-
tisch seinen Wissensstand. Außerdem sind wir
traditionsbewusst: Bereits unser Vater, der auch
schon einen Stuckbetrieb über vierzig Jahre geführt
hat, war Mitglied im Meisterprüfungsausschuss
und hat seinen Teil zur Wissensvermittlung beige-
tragen. Ich selbst war in diesem Jahr erstmals auch
als Dozent tätig und habe an 20 Unterrichtsaben-
den den theoretischen Lernstoff für die anschlie-
ßende Prüfung vermittelt. Dass ich einmal in einem
Unterricht als Dozent vorne stehen würde, hätte ich
mir in meiner eigenen Schulzeit zwar nie vorstellen
können: Es hat aber funktioniert und wird mit Si-
cherheit wiederholt werden.
Die Meisterprüflinge stecken viel Zeit, Geld und
Energie in ihre Aufstiegsfortbildung. Das schreckt
viele erst einmal ab. Unterstützen Sie Ihre eigenen
Leute auf dem Weg zum Meister?
Thomas Nagel: Wir gehen aktiv auf unsere Mit-
arbeiter zu und sprechen sie an, wenn wir der
Meinung sind, dass der Meister etwas für sie sein
könnte. Und dann unterstützen wir je nach Bedarf
individuell, indem wir auf die zeitlichen Anforderun-
gen einzugehen versuchen, Werkzeug oder Material
bei Bedarf stellen oder die Anwärter auch mal an
der einen oder anderen Stelle von der Arbeit frei-
stellen, damit sie Zeit für die Prüfung haben.
Wolf-Dieter Nagel: Uns ist es wichtig, dass wir un-
sere eigenen Fachkräfte ausbilden. Das gilt nicht
nur für die Ausbildung, sondern auch für die Auf-
stiegsfortbildung.
Wird der Meistertitel vom Kunden als Qualitätsver-
sprechen gesehen?
Thomas Nagel: Die Kunden finden es gut, wenn sie
bei einem Betrieb auf eine kompetente Beratung
und auf eine qualitativ hochwertige Umsetzung
vertrauen können. Dass dies aber unmittelbar mit
Konkret Sonderpublikation Der Meister im Spiegel der Zeit 11
s Thomas Nagel, Wolf-Dieter Nagel (v.l.n.r.)
dem Meistertitel zusammenhängt, können sich
vermutlich die wenigsten vorstellen. Am Markt
herrscht leider nach wie vor die „Geiz-ist-geil-
Mentalität“: Die Kunden wollen eine meisterliche
Arbeit, dafür aber nur einen Hilfsarbeiterlohn be-
zahlen. Ich denke, dass der Meister vor allem auch
eine Innenwirkung entfaltet: Für den Handwerker
und Betriebsinhaber ist es wichtig, insbesondere
im kaufmännischen Bereich fit zu sein. Der Meister
ist aus meiner Sicht daher auch ein Mittel, seine
eigenen Fähigkeiten im Sinne eines kritischen Qua-
litätsmanagements noch einmal zu hinterfragen.
Wolf-Dieter Nagel: Einen Hausmeisterservice kann
erst einmal jeder aufmachen. Das heißt aber noch
nicht, dass derjenige auch kalkulieren kann. Man
braucht als Unternehmer heute ein bestimmtes
Know-how, um sich am Markt halten zu können.
Und das bekommt man durch die Aufstiegsfortbil-
dung zum Meister.
Umso erstaunlicher ist es doch, dass der Meister in
der öffentlichen Debatte immer wieder zur Disposi-
tion steht. Was halten Sie von der Debatte?
Thomas Nagel: Als die Handwerksordnung 2004
novelliert wurde, ist nicht nur die Meisterpflicht im
Fliesenlegerhandwerk abgeschafft worden. Auch
die Stuckateure sollten künftig ohne den Meister-
brief auskommen. Erst aufgrund einer gewissen
Risikobewertung hat man sich dann doch anders
entschieden: Wenn eine Fliese von einer Wand fällt,
erschlägt sie in aller Regel keinen. Wenn sich aber
irgendwo eine Stuckkonsole löst oder etwas von
einer Fassade abbricht, ist der damit zusammen-
hängende Personenschaden vermutlich wesentlich
größer. Das war ein wesentliches Sicherheitsargu-
ment und ausschlaggebend für die Beibehaltung
der Meisterpflicht im Stuckateur-Handwerk.
Ist der Meisterbrief also eine Qualitätsgarantie?
Wolf-Dieter Nagel: Gewissermaßen ja, der Meister-
brief ist eine Qualitätsgarantie und ein Leistungs-
versprechen an den Kunden. Gerade deshalb ist es
wichtig, dass sich etwas an der Billigmentalität der
Kunden ändert. Wer meisterhafte Arbeiten abliefert,
verdient auch eine entsprechende Bezahlung. Durch
unser Engagement wollen wir nicht zuletzt auch zu
einem Mentalitätswandel beitragen.
Konkret Sonderpublikation12 Der Meister im Spiegel der Zeit
Fa. Friedrich P. Schuster, Stukkateur
GmbH & Co. KG
» Stukkateurmeister in Berlin und Brandenburg
» Deutschlandweit tätig, rund 30 Beschäftigte
sowie Auszubildende
» Bundespreis für das Handwerk in der Denk-
malpflege 2010 in Berlin
» Leistungen: Arbeiten im Bereich Stuck, Putz,
Rabitz, Stuckmarmor und Sgraffito
www.stuckgewerbe.de
Nachwuchsförderung: Den Meisterkurs komplett bezahlt
Wer seinen Meister machen will, muss hohe Kosten in Kauf nehmen. Derzeit liegt eine berufsbegleitende
Meisterausbildung im Stuck-Handwerk bei rund 7.000 Euro. Für viele Weiterbildungswillige stellt diese
Summe zumindest eine Schwierigkeit dar, auch wenn sie größtenteils über das sogenannte Meister-BAföG
finanziert werden kann. Der Stuckateurmeister und Restaurator Friedrich P. Schuster will diese Zugangshür-
de abbauen – und bezahlt seinen Angestellten die Meisterausbildung komplett.
Zwei Beschäftigte der Firma Friedrich P. Schuster
aus Wandlitz haben 2015 die praktische Meister-
prüfung im Bereich Stuck auf dem Lehrbauhof der
Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg
absolviert. Finanziert wurden sie dabei komplett
vom Chef, dem Firmeninhaber Friedrich P. Schuster.
Warum macht er das? „Ich sehe die Finanzierung
der Meistergebühren meiner Beschäftigten als
Investition in das Unternehmen“, erklärt der Unter-
nehmer. „Das ist nicht ganz uneigennützig: Zu Be-
ginn der Meisterprüfungen setzen wir einen Vertrag
auf, der die Prüflinge verpflichtet, nach Abschluss
ihres Meisters mindestens zweieinhalb Jahre in
meinem Unternehmen weiterzuarbeiten und sich
nicht woanders zu bewerben.“ Mit seinem Engage-
ment sorgt Schuster dafür, dass sein Unternehmen
über gut qualifizierte Kräfte verfügt, die auf dem
neuesten Wissensstand sind, sein Betrieb profitiert
davon. „Auch unsere Kunden wissen zu schätzen,
dass sie bei uns die höchste Qualität bekommen.
Wer einen solchen Standard halten will, der muss
eben auch investieren“, erklärt Schuster.
Der Stuckateurmeister und Restaurator verkörpert
einen Unternehmertypus, der leider längst keine
Selbstverständlichkeit mehr ist: „Unternehmer im
Handwerk zu sein heißt, eine Aufgabe zu erfüllen,
etwas weiterzugeben und dafür Sorge zu tragen,
dass das Handwerk auch in Zukunft weiter exis-
tieren kann. Wer stellt die Weichen für die weitere
Entwicklung unserer Branche, wenn nicht wir? Wir
haben als Unternehmer einen gesellschaftlichen
Auftrag, den wir erfüllen müssen.“ Schuster erfüllt
den Auftrag mit Leib und Seele: Neben seiner Tä-
tigkeit als Unternehmer engagiert er sich bereits
seit über 15 Jahren ehrenamtlich im Meisterprü-
fungsausschuss des Stuckateurhandwerks sowie
im Gesellenprüfungsausschuss. Hier arbeitet
er mit seinen Kollegen daran, dass Qualität und
fachliches Know-how der Nachwuchsfach- und
Führungskräfte erhalten bleibt und weitergegeben
wird. In einer guten Aus- und Weiterbildung liegt
für Schuster das A und O jeglicher qualitativer
Handwerksleistung: „Wir sind stark in der Ausbil-
dung, wir Stuckateure. Im Schnitt bilden wir rund
25 bis 30 Lehrlinge pro Jahr aus.“ Der immer wieder
aufkeimenden Debatte um die Abschaffung des
Meistertitels steht er verständnislos gegenüber:
„Wenn bei uns Stuckateuren die Meisterpflicht
abgeschafft werden sollte, gibt es bald auch keine
Lehrlinge mehr – und damit fehlen dem Kunden
dann die Fachkräfte, die seine Aufträge fachgerecht
ausführen könnten. Der Meister ist was wert – nicht
nur für uns, sondern vor allem für unsere Kunden.“
Nahaufnahme – Meister 2015 13
Nahaufnahme Meisterprüfungen 2015
Konkret Sonderpublikation14 Nahaufnahme – Meister 2015
Berufswunsch: Meister im Fliesenlegerhandwerk
Obwohl die Zulassungspflicht per Meisterbrief im Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk seit 2004
weggefallen ist, haben in Berlin in diesem Jahr doppelt so viele junge Menschen wie sonst ihre Meister-
prüfungen absolviert. Dafür nehmen sie Kosten von derzeit gut 6.000 Euro und einen Arbeitsaufwand
von rund 900 Stunden auf sich.
Als einzige Frau hat Elena Nawrocki im Frühjahr
2015 Teil I und II ihrer Meisterausbildung im Be-
reich Fliese absolviert. Obwohl sie aus einem
traditionellen Fliesenlegerbetrieb stammt,
kehrte sie dem Handwerk zunächst den Rücken
und ging nach ihrem Abitur zum Studium ins
niederländische Maastricht. Doch irgendwie
fehlte hier immer etwas, so Elena Nawrocki:
„Ich konnte mir nicht vorstellen, den Rest mei-
nes Lebens an einem Computer zu sitzen und
Statistiken auszuarbeiten“, erzählt sie heute.
Sie sattelte kurzerhand um und entschied sich
für eine Lehre im Familienbetrieb zur Fliesen-,
Platten- und Mosaiklegergesellin. „Fliesen ist
etwas mit Hand und Fuß. Bei so einem Hand-
werk weiß man am Abend immer, was man
tagsüber getan hat“, resümiert sie und fügt hin-
zu: „Vom Kunden bekommt man ein promptes
Feedback zur eigenen Arbeit.“
Bei der Ausbildung kam ihr die schulische Vor-
bildung zugute: Aufgrund des Abiturs sowie
ihrer guten Leistungen konnte sie die Ausbil-
dung von den vorgesehenen drei Jahren auf
zwei Jahre verkürzen. Von der Ausbildungszeit
ist ihr vor allem das erste, fachübergreifende
Jahr auf dem Lehrbauhof der Fachgemein-
schaft Bau in guter Erinnerung geblieben:
„Für mich war es ungemein hilfreich, einmal
alle Gewerke zu durchlaufen. So versteht man
nachher besser, wer eigentlich was macht und
wie die unterschiedlichen Gewerke auf einer
Baustelle ineinander greifen“, erinnert sie
sich.
Meistertitel gilt nach wie vor als Qualitätsnachweis für Kunden
Warum nimmt man als junger Mensch rund
6.000 Euro an Kosten und ca. 900 Stunden
Arbeit – hauptsächlich in den Abendstunden
und am Wochenende – in Kauf, um einen Titel
zu erwerben, der seit über 10 Jahren für eine
Selbstständigkeit keine Rolle mehr spielt? „Mit
einem Meistertitel kann man sich auch im Flie-
senlegergewerk immer noch abheben von der
großen Masse! Beim Kunden gilt zu Recht: Wer
sein Handwerk beherrscht, der ist ein Meister
seines Faches. Mit dem Meistertitel verschaffe
ich mir also einen Vorteil vor der Konkurrenz
am Markt. Er ist Ausweis meines fachlichen
Könnens“, erklärt Elena Nawrocki.
Erst Imker, jetzt Fliesenlegermeister
Auch Sergey Nay verspricht sich von seinem
Meistertitel vor allem eines: einen Vorteil beim
Endverbraucher. Der 33-jährige Spätaussiedler
kam erst 2007 mit seiner Familie aus Russland
nach Deutschland – und sprach damals kaum
Deutsch. Daher suchte er sich als erstes einen
Intensiv-Sprachkurs, der es ihm binnen kür-
zester Zeit ermöglichte, nicht nur einfachen
Konversationen zu folgen, sondern sich auch
in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Über
meine Jobs habe ich mir weitere Sprachkennt-
nisse angeeignet“, erzählt Sergey Nay. Dass er
irgendwann einen Meistertitel als Fliesen-, Plat-
ten- und Mosaikleger vorweisen können wird,
u Sergey Nay
u Elena Nawrocki
Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 15
» 2004 wurde die Zulassungspflicht im Fliesenlegerhand-
werk von der damaligen Bundesregierung abgeschafft,
um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Die Folge: ein
sprunghafter Anstieg der eingetragenen Betriebe zu Las-
ten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und
Ausbildung sowie der Qualität der Arbeit.
» Bis 2004 absolvierten bundesweit rund 550 junge Fachkräfte
pro Jahr ihre Meisterprüfung. Der Wegfall der Meisterpflicht
führte zu einem Rückgang von rund 80 Prozent: Seither ab-
solvieren rund 100 Fachkräfte ihre Meisterprüfung.
» Im Jahr 2002 konnte das Fliesenlegergewerk noch rund
4.500 Auszubildende zählen, 10 Jahre später war deren An-
zahl um über 50 Prozent auf rund 2.000 Azubis gesunken.
» In Berlin absolvierten trotz Wegfalls der Zulassungspflicht
13 Nachwuchsführungskräfte ihre Meisterprüfung im Jahr
2015. Die Anzahl der Meisterprüflinge war damit unge-
wöhnlich hoch. Prüfungsaufgabe des praktischen Teils war
das Fliesen einer freistehenden Körperform-Badewanne
mit Armablage, was als fachlich höchst anspruchsvoll gilt.
Im Vorfeld mussten eine Entwurfsplanung und eine Kalku-
lationsdokumentation erstellt werden.
t Prüfaufgabe war das Fertigen einer
Körperform-Badewanne
war eher Zufall, so der junge Familienvater: „Eigentlich
bin ich Imker. In Berlin gab es Jobs als Fliesenleger - also
habe ich mich für eine entsprechende Umschulung ent-
schieden.“ Die Umschulung schloss er mit einer Eins ab.
„Das war für mich auch eine große Motivation“, erzählt er.
„Außerdem kommt man mit so einer Qualifikation in der
Tasche beim Kunden einfach besser an“.
Meistertitel ist beim Endverbraucher viel wert
Auch deshalb entschied sich Sergey Nay, weiterzumachen
und die Meisterausbildung zu beginnen. „Ich spreche zwar
gut Deutsch, man hört mir meinen Akzent aber immer noch
an“, erklärt er. „Das ist ein Wettbewerbsnachteil, den ich
durch meinen Meistertitel ausgleichen will. Denn ein Meis-
ter ist beim Endverbraucher nach wie vor viel wert.“ Der
Begriff des Meisters ist in Deutschland geschützt; seit dem
Wegfall der Meisterpflicht im Jahr 2004 kann sich jedoch
jeder „Fliesenlegerbetrieb“ oder „Fachfirma“ nennen. Das
ist für viele Betriebe ein Problem, denn so kann der Kunde
nicht mehr unterscheiden, bei welchem Betrieb er noch auf
qualitativ hochwertige Leistung setzen kann. „Da macht
der Meistertitel einfach den entscheidenden Unterschied“,
ist sich Sergey Nay sicher.
Motivation ist wichtig
Dass man den Titel nicht geschenkt bekommt, ver-
schweigt er nicht: „Natürlich muss man hochmotiviert
sein, um alle vier Teile erfolgreich zu absolvieren. Es ist
schon anstrengend, sich nach getaner Arbeit abends oder
am Wochenende noch einmal hinzusetzen und für die
theoretische Prüfung zu lernen. Auch die Fertigung des
Meisterstücks kostet viel Zeit und Kraft.“ Aber Sergey Nay
ist sich sicher, dass sich die Extra-Anstrengungen und die
hohen Kosten lohnen. „Die Kunden wissen, dass Meister
nicht vom Himmel fallen, sondern dass hinter dem Meis-
terbrief viel Arbeit steckt. Sie wissen aber auch: Wenn ich
einen Meister beauftrage, dann kann ich davon ausge-
hen, dass die Arbeit in hoher Qualität ausgeführt wird.
Bei aufwändigen Arbeiten entscheiden sich viele Kunden
zudem eher für ein teureres anstatt für das billigste An-
gebot, einfach, weil sie hoffen, dass sie damit dann auch
die höchste Qualität bekommen.“
Konkret Sonderpublikation16 Nahaufnahme – Meister 2015
Als Stuckateur das Stadtbild Berlins mitprägen
„Berlin ist dazu verdammt, immerfort zu werden
und niemals zu sein“: Die Zustandsbeschrei-
bung von Karl Scheffler aus dem Jahre 1910 ist
heute aktueller denn je. Als Verdammung würde
Carolin Weber, 31-jährige angehende Stucka-
teurmeisterin aus Nuthetal, dieses Schicksal
jedoch nicht sehen, im Gegenteil: „Es ist immer
wieder aufs Neue faszinierend, mit seiner eige-
nen Hände Arbeit dazu beizutragen, dass sich
das Bild der Stadt ändert. Dabei zuzuschauen,
wie nach und nach, Schicht für Schicht, auf
rohem Beton etwas Neues entsteht, ist unbe-
schreiblich. Wenn ich dann mit Freunden durch
die Stadt laufe, kann ich zeigen, woran ich mit-
gearbeitet habe.“
Carolin Weber ist die einzige Frau unter den
neun Teilnehmern des Meisterkurses Stuck auf
dem Gelände des Lehrbauhofs der Fachgemein-
schaft Bau, die im Juli 2015 ihre Fachtheorie
absolviert haben. Die 31-jährige Stuckateur-
fachkraft hat bereits im Frühjahr 2011 ihr prak-
tisches Meisterstück gefertigt, ein gotisches
Fenster. Mit ihrer Prüfung im Frühsommer 2015
hat sie nun auch den dazugehörigen Theorieteil
abgeschlossen und könnte sich als Jungmeis-
terin selbstständig machen. „Momentan habe
ich aber nicht vor, in die Selbstständigkeit zu
gehen. Stattdessen freue ich mich, meine neu-
en Kenntnisse in meinen Arbeitsalltag zu inte-
grieren. Qualifizierung ist wichtig, wenn man
weiterkommen will“, erzählt die junge Mutter,
die neben Baby und Vollzeitarbeitsstelle ihre
Meisterprüfung absolviert hat. Angestellt ist sie
bei der K. Rogge Spezialbau GmbH: Das Unter-
nehmen sieht Ausbildung als Teil seiner unter-
nehmerischen Verantwortung und Tradition, es
fördert seine Fachkräfte mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln. Von den zehn Teilnehmern
des aktuellen Meisterkurses Stuck am Lehrbau-
hof der Fachgemeinschaft Bau kamen allein
drei von der K. Rogge Spezialbau GmbH.
Hinter den Kulissen: Arbeiten in Babelsberg
Auch Marc Kagermann war einer der Kursteil-
nehmer. Sein Meisterprüfungsstück stach un-
ter allen anderen hervor: Dort, wo eigentlich
die Feuerstelle sein sollte, leuchtete sein Ka-
min knallgrün. „Beim Film benutzt man häufig
die Greenscreen-Technik“, erläutert Kager-
mann die auffallende Färbung seines Meister-
stückes. „Vor einem grünen Hintergrund wird
eine Szene gedreht. Am Bildschirm wird die
Farbe dann durch eine andere Szene ersetzt.
Bei meinem Prüfobjekt kann ich so also am
Bildschirm ein Feuer brennen lassen.“ Wäh-
rend die meisten der Teilnehmer aus klassi-
schen Handwerksbetrieben kommen, arbeitet
der 38-jährige Stuckateur bei den Filmstudios
in Potsdam-Babelsberg. Und das seit seiner
Ausbildung, seit 17 Jahren.
Die Studio Babelsberg AG beschäftigt alleine
im Bereich des Dekorationsbaus unterschied-
lichste Gewerke – von Tischlern und Schlos-
sern über Bildhauer und Stuckateure bis hin
zu Malern, Kunstmalern und Dekorateuren.
Auch hier machen sich, analog zur Situation
auf dem Handwerksarbeitsmarkt, langsam
der Rückgang an Schulabsolventen und der
damit zusammenhängende Fachkräftemangel
bemerkbar. Die Anzahl der Auszubildenden
im Bereich Stuck liegt seit einigen Jahren bun-
desweit bei rund 2.000 Lehrlingen – das ist
zu wenig, um die irgendwann in Rente gehen-
den Fachkräfte zu ersetzen. Marc Kagermann
erklärt: „Ich würde gerne mit jungen Leuten
zusammenarbeiten und ihnen unsere Arbeit
nahebringen. Mit der Ausbildereignung, Teil
IV der Meisterprüfung, kann ich bei uns aus-
bilden. Das ist mein Ziel und meine Hauptmo-
tivation, den Meistertitel im Bereich Stuck zu
erwerben.“
v Carolin Weber
Übrigens:
Kristijan Bacak, Meisterprüfungsabsolvent der
Fa. K. Rogge Spezialbau GmbH, wurde bei der
Meisterfeier der Handwerkskammer Berlin 2015
als Bester im Bereich Stuck geehrt.
Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 17
Das Stuckateur-Handwerk ist eines von 41 zulassungs-
pflichtigen Gewerben und wird dem Bereich Ausbau-
gewerbe zugeordnet. Zum 31.12.2014 waren bei der
Handwerkskammer Berlin 57 Betriebe eingetragen,
ein Rückgang von fünf Prozent im Vergleich zum Vor-
jahr. Ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt,
dass der Betriebsbestand im Bereich Stuck trotz des
jüngst zu verzeichnenden Rückgangs relativ konstant
geblieben ist.
Im Stuckateur-Handwerk Berlin absolvieren pro Durch-
gang, ca. alle drei Jahre, im Schnitt zwischen sieben
und zehn jungen Nachwuchsführungskräften die
Meisterprüfungen. 2015 fertigten sieben Prüflinge ihr
Meisterstück, neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer
absolvierten Teil II (Fachtheorie).
Praktische Prüfungsaufgabe war das Erstellen einer
Rabitzwand sowie das Fertigen eines Berliner Fensters
bzw. einer Kaminumrandung. Die Konzepterstellung
und Nachkalkulation waren ebenfalls Bestandteil der
Prüfung. Außerdem musste eine vom eigentlichen
Prüfobjekt unabhängige Bauschadenanalyse erstellt
werden.
Informationen zu Meisterkursen, Anmeldungen etc.
unter www.lehrbauhof-berlin.de
Meisteranwärter investieren viel Zeit und Geld in ihre Ausbildung
Ein Meisterkurs ist nicht nur arbeits-, sondern auch sehr
zeitintensiv. Rund 1.100 Stunden investieren Meisteran-
wärter in ihre häufig berufsbegleitende Ausbildung. Die
Stunden fallen meist am Abend oder an den Wochen-
enden an, werden also neben der regulären Arbeitszeit
geleistet. Die Kosten von insgesamt ca. 7.000 Euro müs-
sen die Fachkräfte ebenfalls selbst tragen. Viele nehmen
die Möglichkeit des Meister-BAföG wahr, das bestimmte
staatliche Zuschüsse vorsieht. Trotz der hohen Kosten
und des großen zeitlichen Aufwands sind die Zahlen der
absolvierten Meisterprüfungen im Bereich Stuck in den
letzten Jahren weitestgehend konstant geblieben. Darauf
weist die Baugewerks-Innung Berlin hin. Acht bis zehn
Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich in der Ver-
gangenheit pro Meisterkurs gefunden.
Den hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand, ist sich
Carolin Weber sicher, sieht man auch an der erbrachten
Arbeit. „Auf der Baustelle erkennt man am Arbeitsergeb-
nis, wer Fachkraft ist – und wer eben nicht. Ich würde mir
wünschen, dass sich das Bewusstsein für qualitativ hoch-
wertige Arbeit noch stärker als bisher bei den Kunden
durchsetzt.“ Hier herrsche jedoch oft noch eine nahezu
absurde Billigmentalität, findet Carolin Weber: „Gerade
im privaten Bereich sind die Ansprüche unserer Kunden
gestiegen. Gleichzeitig sehen aber viele nicht, wieviel
Arbeit und welche fachliche Leistung eigentlich hinter ei-
nem erbrachten Auftrag stecken. Dabei ist unsere Arbeit
wirklich zeitaufwändig. Dieser Aufwand muss sich auch
in dem Preis wiederspiegeln, den der Kunde bereit ist, zu
zahlen. Gute Arbeit gibt es nicht umsonst, aber sie lohnt
sich allemal.“
t Gotisches Fenster von Carolin Weber
v Prüfungsaufgabe: Fertigen einer Kaminumrandung
18 Nahaufnahme – Meister 2015 Konkret Sonderpublikation
„Wer rastet, der rostet“: Junger Maurer- und Straßenbaumeister auf der Überholspur
Mit 26 Jahren zwei Meisterbriefe in der Tasche zu haben, können nicht viele von sich behaupten. David
Poersch schon: Der 26-jährige gelernte Maurer leitet gemeinsam mit seinem Bruder ein mittelständi-
sches Unternehmen in Blankenfelde-Mahlow und hat in diesem Jahr seine Meisterprüfung im Bereich
Straßenbau auf dem Lehrbauhof der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg absolviert.
Bereits vor der Entscheidung zu einer Ausbil-
dung wusste David Poersch, dass er später
einmal in leitender Position arbeiten möchte.
Dafür wollte er sich das nötige Rüstzeug aneig-
nen: „Ich habe mich schon bei der Ausbildungs-
platzsuche mit der Frage beschäftigt: Wie geht
es weiter?“, erklärt der heute 26-Jährige. Dass
er diesen Gedanken bei seinen Bewerbungsge-
sprächen auch in Worte fasste, stieß allerdings
auf wenig Gegenliebe: „Es war schwer, eine
Ausbildungsstelle zu finden“, erinnert sich
Poersch. „Viele Unternehmen waren offenbar
darauf eingestellt, schlechte Schulabgänger mit
mäßigen Noten einzustellen, die sie dann über
entsprechende Programme fördern konnten.
Meine Zielstrebigkeit und der Wunsch, meine
Ausbildungszeit aufgrund meines Fachabiturs
zu verkürzen, sorgten für Unverständnis, ebenso
die Frage nach dem beruflichen Weiterkommen.“
Ausgiebig wurde dieses Thema auch in der Fa-
milie diskutiert – dabei kam die Idee auf, dass
Poersch seine Ausbildung bei seinem älteren
Bruder beginnen könne.
Dann ging alles sehr schnell: „1 Jahr drei Mo-
nate brauchte ich für die Ausbildung. Das erste
Jahr konnte ich wegen meines Fachabiturs kom-
plett überspringen, und auch das letzte Jahr
habe ich aufgrund guter Leistungen verkürzt.
Nachdem ich dann zwei Monate als Geselle
gearbeitet habe, erzählten mir Kollegen vom
Meisterkurs im Bereich Maurer- und Betonbau
auf dem Lehrbauhof. Der Kurs lief zwar schon,
dennoch bin ich als Späteinsteiger dazu gesto-
ßen.“ So hatte Poersch mit 24 Jahren seinen
ersten Meisterbrief in der Tasche.
In seinem Meisterkurs war er der Jüngste:
Macht sich die fehlende Berufserfahrung
bemerkbar? „Es ist natürlich so, dass ich an
manche Fragestellungen aufgrund meiner
fehlenden Praxis anders herangehe als Kolle-
gen, die zehn Jahre älter sind als ich“, räumt
Poersch ein. „Aber durch Fragen, Zuhören und
Nachmachen lernt man so einiges“. Auch half
ihm das Wissen, das er sich zwischenzeitlich in
seinem Betrieb aneignen konnte: „Es ist nicht
mein Ding, Sachen einfach abzuarbeiten. Mich
interessiert das Warum: Wie funktioniert et-
was? Und wie kann man Aufgaben schnell und
effizient umsetzen?“
Mittlerweile leitet Poersch gemeinsam mit
seinem Bruder das Bau-Unternehmen 3 BI-
Gruppe, das Leistungen im Bereich Hoch- und
Tiefbau anbietet. Außerdem hat er in diesem
Jahr einen weiteren Meisterbrief erworben: den
im Bereich Straßenbau. Eine pragmatische Ent-
scheidung: „Dass unser ehemaliger Betriebs-
führer, ein Straßenbauingenieur, irgendwann
in Rente gehen wird, war absehbar. Somit stan-
den wir vor der Wahl: Wollen wir Leistungen im
Bereich Straßenbau weiter anbieten, müssen
wir entweder einen qualifizierten Kollegen
einstellen, der dann auch die entsprechende
Konzession trägt – oder wir machen es selbst.
Also habe ich mich dafür entschieden, auch
den Meister im Bereich Straßenbau zu absol-
vieren. Das Gute daran: Die Meisterprüfungs-
teile III und IV hatte ich ja bereits im Bereich
Maurer- und Betonbau erfolgreich absolviert
und musste nun nur noch den fachlichen Be-
reich leisten.“
v David Poersch
u Praktische Prüfungsaufgabe:
Vermessen und Pflastern einer
vorgegebenen Fläche
Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 19
3BI-Gruppe
Seit 2008 am Markt
Gruppe besteht aus:
3BI Berlin-Brandenburgische Bau GmbH
3BI Berlin-Brandenburgische Maler UG
3BI Hoch-, Tief- und GaLa Bau GmbH
Arbeitsgebiete:
Hochbau: Rohbau bis erweiterter
Schlüsselfertigbau
Straßen-/Tiefbau: v.a. Rohrleitungsbauarbeiten
Sanierung: Altbauten, Rekonstruktionen
Kunden:
hpts. private Kunden,
Wohnungsbaugesellschaften
Tätig in Berlin und Brandenburg
www.3bi-gruppe.de
Meisterprüfung
Das Straßenbauer-Handwerk ist eines von 41 zulassungspflichtigen
Gewerben und wird dem Bereich Bauhauptgewerbe zugeordnet. Zum
31.12.2014 waren bei der Handwerkskammer Berlin 146 Betriebe ein-
getragen, ein Rückgang von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein
Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass der Betriebsbestand im
Bereich Straßenbau relativ konstant geblieben ist.
Im Straßenbauer-Handwerk Berlin absolvieren pro Durchgang, ca. alle
zwei Jahre, im Schnitt 15 junge Nachwuchsführungskräfte die Meister-
prüfungen. Dies entsprach auch der Anzahl der Prüflinge in 2015.
Die Prüfung bestand aus einem Meisterprüfungsprojekt, einer planeri-
schen Entwurfs- und Angebotsaufgabe sowie einem praktischen Teil,
der Situationsaufgabe: Innerhalb von einem Arbeitstag musste eine de-
finierte Fläche vermessen und bepflastert werden. Prüfungsbestandteil
waren neben der fachlich korrekten praktischen Ausführung auch die
richtigen Körperhaltungen, um beispielsweise Rücken- oder Knieschä-
den vorzubeugen (Teil I). Hinzu kamen theoretische Prüfungen (Teil II).
Wie die Baugewerks-Innung Berlin mitteilte,
haben im Jahr 2015 insgesamt 15 Fachkräfte
den praktischen Teil der Meisterprüfung im Be-
reich Straßenbau durchlaufen. Das entspricht
dem Durchschnitt der letzten Jahre und zeigt
die nach wie vor große Bedeutung, die dem
Titel beigemessen wird. Was bringt der Meis-
terbrief konkret? „Der Meistertitel vermittelt
den Kunden und Auftraggebern: Hier kommt
Qualitätsarbeit“, ist sich Poersch sicher. „Aber
auch für den einzelnen Arbeitnehmer ist eine
Meisterausbildung sinnvoll: Man ist in unter-
nehmerische Entscheidungen involviert, erhält
Kontakt zu anderen Unternehmern und über-
nimmt Verantwortung für andere. Schließlich
reift man auch persönlich.“ Außerdem habe
jeder Handwerker eine gesellschaftliche Ver-
antwortung, so Poersch weiter: „Wir tragen
mit unserer Qualifikation dazu bei, dass das
Handwerk nicht ausstirbt. Ich gebe Kenntnisse
weiter, nicht zuletzt als Ausbildungsbetrieb.
Das ist für unsere Branche wichtig! Gerade bei
uns gilt: Wer rastet, der rostet.“
David Poersch rastet nicht: Gerade erst hat
er sich für den „Betriebswirt nach der Hand-
werksordnung“ angemeldet, „das ist die letzte
Karrierestufe, die mir noch fehlt“. Der von der
Handwerkskammer Berlin angebotene Kurs ver-
mittelt vor allem vertiefende BWL-Kenntnisse.
David Poersch ist sich sicher: „Praktisch ändert
sich durch den Betriebswirt für mich nichts. Al-
lerdings hilft mir das so erworbene Wissen in
der Praxis – ich will das, was ich mache, noch
besser machen.“
v David Poersch bei der Arbeit am praktischen Teil seiner Prüfung
Konkret Sonderpublikation20 Nahaufnahme – Meister 2015
Das Maurer- und Betonbauer-Handwerk ist eines von 41
zulassungspflichtigen Gewerben und wird dem Bereich Bau-
hauptgewerbe zugeordnet. Zum 31.12.2014 waren bei der
Handwerkskammer Berlin 1.266 Betriebe eingetragen, ein
Rückgang von knapp drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein
Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass der Betriebs-
bestand im Bereich Maurer- und Betonbauer in den vergange-
nen Jahren konstant bis leicht rückläufig war.
Im Maurer- und Betonbauer-Handwerk Berlin absolvieren pro
Durchgang, ca. alle anderthalb Jahre, im Schnitt 18 junge Nach-
wuchsführungskräfte die Meisterprüfungen. 2015 absolvierten
ebenfalls 18 Prüflinge den praktischen Teil der Meisterprüfung.
Die Prüfung bestand aus einem praktischen Teil, der soge-
nannten Meisterprüfungsarbeit, die aus einer planerischen
Entwurfs- und Angebotsaufgabe besteht. Weiterhin gehörte
die Situationsaufgabe dazu, die die Bereiche Mauern, Beton
einschließlich Schalung aus Holz und der Bewehrung – die
konstruktive Komponente von Beton durch Baustahlgeflecht
– umfasste. Außerdem mussten die Prüflinge unterschiedliche
Bauschäden auf einer bildlichen Darstellung erkennen sowie
fachlich richtig beschreiben und bewerten (Teil I). Hinzu kamen
noch vier theoretische Prüfungen (Teil II).
Zur Erreichung ihres Meistertitels nahmen die Prüflinge Kosten
in Höhe von rund 6.200 Euro sowie einen zeitlichen Aufwand
von in etwa 1.300 Stunden, meistens am Abend und an den
Wochenenden, in Kauf.
Viel mehr als Stein auf Stein: Maurer- und Betonbauer
Der Wohnungsbau in der Hauptstadt boomt, und
mit ihm die Nachfrage nach Fachkräften. Mau-
rer und Betonbauer sind besonders gefragt. 18
Nachwuchskräfte haben 2015 den praktischen
Teil ihrer Meisterprüfung auf dem Gelände des
Lehrbauhofs der Fachgemeinschaft Bau absol-
viert und damit einen großen Schritt in Richtung
Meistertitel getan.
Reinhold Dellmann, Geschäftsführer der Bau-
gewerks-Innung Berlin, verwies auf die hervor-
ragenden Jobchancen der jungen Meisterinnen
und Meister: „Die gute Auslastung der Firmen im
Hochbau, speziell im Wohnungsbau, führt zu ei-
ner steigenden Nachfrage nach Fachkräften wie
Maurer und Betonbauer. Ihre Jobaussichten sind
so gut wie lange nicht. Mit einem Meisterbrief
in der Tasche können sich die Nachwuchskräfte
zudem mit einem eigenen Betrieb selbstständig
machen.“
Auch im Bereich Maurer- und Betonbau ist der
Meisterbrief Ausweis höchster fachlicher Kom-
petenz. Der gerechtfertigte Anspruch von Kun-
den an qualitativ hochwertige Bauausführung
spiegelt sich in der Meisterausbildung wider, die
sehr anspruchsvoll ist. Maurer und Betonbauer
arbeiten heute unter anderem mit bei der Errich-
tung von Bauwerken und Bauwerksteilen vor al-
lem im Wohnungs-, Industrie- und Brückenbau,
wo sie mit unterschiedlichen Materialien und
Bauteilen arbeiten sowie hochtechnisierte Bau-
maschinen bedienen. Bautechnik und moderne
Baustoffe spielen daher auch in der etwa zwei-
einhalb Jahre dauernden, berufsbegleitenden
Meisterausbildung eine große Rolle.
Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 21
3 Fragen an…
Michael Mahlo, FA. K. Peter Mahlo & Sohn Baugesellschaft
mbH, Meisterprüfer Maurer-, Beton- und Stahlbetonbau
Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich für das
Handwerk?
Mit meinem Engagement möchte ein Zeichen setzen ge-
gen Sparzwänge, die die Qualität der Arbeitsausführung
beeinträchtigen. Ich halte es für notwendig, dass wir Ver-
bandsmitglieder unser Fachwissen und unsere Erfahrung in
die Ausbildung des Nachwuchses einbringen. Ohne diesen
ehrenamtlichen Einsatz können wir die Vielfältigkeit unse-
rer Weiterbildungen und Qualifikationen nicht erhalten.
Was konkret hat Sie dazu bewogen, Mitglied im MPA
Maurer-, Beton- und Stahlbetonbauer zu werden?
Ich bin seit Jahren im Gesellenprüfungsausschuss und
fand es spannend, mich auch in den weiteren Verlauf bis
zur Meisterprüfung einzubringen. So bleibe ich am Puls der
Zeit, und auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus
Wirtschaft und Wissenschaft ist äußerst interessant.
Wofür steht Ihrer Ansicht nach der Meistertitel
im Handwerk?
Der Meistertitel steht für Qualität, Kompetenz in Theorie
und Praxis sowie eine korrekte Arbeitsausführung und in
gleicher Gewichtung auch für den betriebswirtschaftlichen
Erfolg. Gerade in der heutige Zeit ist es wichtig, sich durch
dieses Gesamtpaket von der Konkurrenz abzuheben und
nicht nur durch ein geringes Preisniveau.
v Meisterprüfungsarbeit: Schalung aus Holz und Bewehrung
22 Überblick – Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen
Überblick Fakten, Hintergrundwissen,
hilfreiche Adressen
Konkret Sonderpublikation Überblick – Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen 23
Juni 2015
Zentralverband des Deutschen Handwerks
Quelle: DHKT
Der „Meister“ ist der Nachweis über die vorhandenen the-
oretischen und fachlichen Kenntnisse und Befähigungen,
die ein Handwerker braucht, um selbstständig einen Hand-
werksbetrieb führen zu können sowie Lehrlinge in seinem
Gewerk ordnungsgemäß ausbilden zu können. Darüber
hinaus ist der Meistertitel Beleg für das Vorhandensein
von betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen, rechtlichen
und berufserzieherischen Kenntnissen.
Anzahl der bestandenen Meister-prüfungen
Im Jahr 2014 wurden deutschlandweit rund 22.400 Meis-
terprüfungen erfolgreich absolviert. Diese Zahl ist seit
knapp zehn Jahren in etwa konstant, nachdem sie von
1990 an rückläufig war.
Ausbildung und Prüfung
Die sogenannte Aufstiegsfortbildung zum Handwerksmeis-
ter ist in vier Teile gegliedert: die fachpraktische Prüfung, die
fachtheoretische Prüfung, die wirtschaftliche und rechtliche
Prüfung sowie die arbeitspädagogische Prüfung nach der
Ausbilder-Eignungsverordnung. Während die letzten beiden
Teile für alle Handwerksberufe gleich sind, unterscheiden
sich Teil I und II, die fachspezifischen Prüfungsteile, je nach
Beruf voneinander.
Die Inhalte der Vorbereitungskurse für die Teile I und II der
Meisterprüfung orientieren sich an den Anforderungen
der jeweiligen gewerbespezifischen Meisterprüfungsteile.
Diese sind in den Meisterprüfungsverordnungen für die
einzelnen Handwerke festgelegt. Auch die Prüfungsanfor-
derungen für die Teile III und IV sind in einer Rechtsverord-
nung festgelegt.
Voraussetzung zur Prüfung
Wer zur Meisterprüfung in einem der 41 zulassungspflich-
tigen Gewerbe zugelassen werden möchte, muss zuvor
seine Gesellenprüfung, in aller Regel in dem Handwerk, in
welchem er den Meister machen möchte, erfolgreich ab-
gelegt haben. Bis 2004 mussten zudem mindestens drei
Jahre Berufspraxis zwischen Gesellen- und Meisterprüfung
liegen, allerdings ist diese Frist nach der letzten Novellie-
rung der Handwerksordnung entfallen. Wer besonders
Wissenswertes rund um den Meister im Handwerk in Deutschland
0
100.000
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
200.000
300.000
370.995Anzahl
137.376
103.793
22.428
400.000
500.000
600.000
700.000
Ausbildungs- und Weiterbildungsstatistik 1990 bis 2014
Konkret Sonderpublikation24 Überblick – Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen
ambitioniert ist, kann nun also direkt nach bestandener
Gesellenprüfung seine Aufstiegsfortbildung zum Meister
anschließen.
Meisterprüfung
Die Meisterprüfung gilt allgemein als bestanden, wenn in
keinem der Prüfteile eine schlechtere Note als ausreichend
erzielt wurde. In vielen Handwerksberufen besteht die
praktische Prüfung neben dem Erstellen einer Situations-
aufgabe in dem Ablegen einer Meisterprüfungsarbeit bzw.
dem Anfertigen eines Meisterprüfungsprojekts. Das ist
beispielsweise in den Gewerken Stuck oder Fliese der Fall.
Meisterprüfungskommission
Die Meisterprüfung übernimmt eine staatliche Prüfungs-
behörde, der Meisterprüfungsausschuss, der am Sitz der
zuständigen Handwerkskammer errichtet wird. Gesetzliche
Grundlage ist die Handwerksordnung, §§ 45 – 51. Die Zu-
sammensetzung der Ausschüsse ist in § 48 geregelt.
In Berlin erfolgt die Berufung der Mitglieder der Meister-
prüfungskommission durch die Senatsverwaltung bzw.
die Handwerkskammer. Vorbereitet wird diese Berufung
allerdings in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Innun-
gen, am Bau mit der Baugewerks-Innung Berlin.
Weiterführende Karriereoptionen
Nach der bestandenen Meisterprüfung kann die Fortbil-
dungsprüfung zum „Geprüften Betriebswirt nach der Hand-
werksordnung“ angestrebt werden, kurz: Betriebswirt/-in
(HWO). Bei dieser Prüfung sollen betriebswirtschaftliche
Kenntnisse insbesondere für Betriebe mit mehreren Mitar-
beitern vertieft werden.
Einstufung in den DQR/EQR
Mit der Einstufung des Meisters in den Deutschen Qualifi-
kationsrahmen (DQR) auf Niveau sechs ist der Meistertitel
formal dem Universitätsabschluss Bachelor gleichgestellt
und berechtigt damit zu einem Hochschulstudium. Aller-
dings kann mit dem Meistertitel nicht gleich in ein wei-
terführendes Studium, sprich: den Master, eingestiegen
werden, da es sich bei Bachelor und Meister zwar um
„gleichwertige“, nicht aber „gleichartige“ Abschlüsse
handelt. Gleichwohl ist mit der Einstufung in den DQR ein
wichtiger Schritt hin zur Gleichwertigkeit von akademi-
schen und beruflichen Abschlüssen getan. Darüber hinaus
wird der Meisterbrief innerhalb der EU anerkannt, wie aus
der EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifi-
kationen hervorgeht.
Meister-BAföG
Wer einen Vollzeitlehrgang besucht, hat grundsätzlich
Anspruch auf Meister-BAföG zur Förderung des Lebens-
unterhalts und der Lehrgangs- und Prüfungskosten. Die
Mehrheit der Meisterprüflinge absolviert die Prüfungen
berufsbegleitend, also in Teilzeit. Auch die Teilzeitkurse
sind förderfähig. Das Meister-BAföG ist geregelt nach
dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG).
Es regelt für Fachkräfte, die sich zum Meister und ge-
prüften Polier qualifizieren, die Gewährung attraktiver
Fördermittel.
Erst im Oktober 2015 hat Bundesbildungsministerin
Johanna Wanka angekündigt, das Meister-BAföG auszu-
bauen. So soll der Zuschussanteil beim Unterhaltsbei-
trag auf 47 Prozent steigen, auch soll ein größerer Teil
des Darlehens als bisher bei erfolgreichem Abschluss
der Prüfung erlassen werden. Zudem sollen die Zuschlä-
ge für Kinderbetreuung erhöht und die Lehrgangs- und
Prüfungskosten in größerem Umfang als bisher geför-
dert werden. Ebenso sollen die regulären Fördersätze
steigen.
Mit dem Meister-BAföG fördert der Bund seit 1996 die
Weiterbildung von Handwerkern und Fachkräften. Ein
Teil der Förderung wird als Zuschuss gewährt, der ande-
re Teil als Darlehen, das nach Abschluss der Ausbildung
getilgt werden muss.
Image des Meisters
Der Meisterbrief ist ein wichtiges Qualitätssiegel und damit
auch ein Marketinginstrument für jeden Betrieb. Deutsche
Handwerksmeisterinnen und –meister sind weltweit ge-
fragte Experten. Innerhalb der EU hat die Meisterqualifika-
tion im Rahmen der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie eine
angemessene Berücksichtigung erfahren, sodass deutsche
Handwerksmeister in der Regel problemlos in der gesam-
ten EU tätig werden können. Darüber hinaus hat Deutsch-
land mit einigen Ländern (Frankreich, Österreich) spezielle
Gleichstellungsabkommen abgeschlossen, wodurch die
Meisterprüfungen in beiden Ländern wechselseitig aner-
kannt werden.
Konkret Sonderpublikation Überblick – Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen 25
t Kontakt: Baugewerks-Innung BerlinNassauische Str. 1510717 Berlin
Tel.: 030 / 86 00 04 - 15Fax: 030 / 86 00 04 - 12E-Mail: [email protected]: www.baugewerks-innung.de
t Kontakt: Berufsförderungswerk der Fachgemeinschaft Bau Belßstraße 1212277 Berlin
Tel. 030 / 723 89-6E-Mail: [email protected]: www.lehrbauhof-berlin.de
Wer hilft weiter?Baugewerks-Innung Berlin
Die Baugewerks-Innung Berlin vertritt als Anstalt öffentli-
chen Rechts Berliner Bauhandwerksbetriebe der Gewerke
Abbruch und Recycling, Abdichtung und Bauwerkstrocken-
legung, Brunnen- und Spezialtiefbau, Estrich und Fußbo-
dentechnik, Fliesen, Hochbau, Holzbau, Leitungstiefbau,
Straßenbau sowie Stuck und Trockenbau. Zentrales The-
ma der Baugewerks-Innung Berlin ist die berufliche Aus-,
Weiter- und Aufstiegsfortbildung der am Bau Beschäftig-
ten. Dazu arbeitet sie eng mit dem Berufsförderungswerk
der Fachgemeinschaft Bau zusammen und ist, ebenso
wie das Berufsförderungswerk Bau, Ansprechpartner für
Fragen und Belange, die mit der Aus-, der Weiter- und der
Aufstiegsfortbildung von Arbeitskräften am Bau in Berlin
zusammenhängen.
Berufsförderungswerk (BFW) der Fachgemein-schaft Bau Berlin und Brandenburg gGmbH
Das Berufsförderungswerk (BFW) der Fachgemeinschaft
Bau ist das überbetriebliche Ausbildungs- und Kompetenz-
zentrum der Bauwirtschaft in Berlin. Es bildet erfolgreich
Jugendliche in insgesamt 14 Bauberufen aus und führt
im Auftrag der Kammern die Zwischen-, Gesellen- und
Abschlussprüfungen durch. Als anerkannte Ausbildungs-
stätte finden am Lehrbauhof des Berufsförderungswerks
zudem fachliche Weiterbildungen mit Zertifikatsabschluss
sowie Vorbereitungslehrgänge, bspw. für den „geprüften
Polier“ in verschiedenen Berufen sowie für die Meisterprü-
fungen statt. Auch die Meisterprüfungen selbst werden
hier durchgeführt. Seit 2012 bietet das BFW die nach der
bundeseinheitlichen Neuregelung gestaltete Aufstiegsfort-
bildung in Teilzeit an.
Quelle: BFW
Weitere Adressen
Handwerkskammer BerlinGeschäftsstelle der Meisterprüfungsausschüsse bei der
Handwerkskammer Berlin
Blücherstr. 68
10961 Berlin
Tel.: 030 / 25 903 – 370/371
Email: [email protected]
Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH)Mohrenstraße 20/21
10117 Berlin
Tel.: +49 30-206190
Fax: +49 30-20619460
(Quellen: Wikipedia, ZDH, Handwerkskammer Berlin)
Aufstiegsfortbildung
Facharbeiter/Gesellen
Vorarbeiter
Werkpolier
Meister- HWK/ Geprüfter Polier
Hochschule
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Konkret Sonderpublikation26
Meister im Handwerk: Getragen vom ehrenamtlichen Engagement vieler Unternehmer
„Die Ausbildung junger Menschen macht mir Spaß. Über die Liebe zur Ausbildung bin ich zu der
Arbeit in den Prüfungsausschüssen – sowohl dem Gesellen- als auch dem Meisterprüfungsaus-
schuss – gekommen. Hier habe ich frischen Wind reingebracht und dazu beigetragen, dass die
Prüfungsaufgaben überarbeitet wurden. Sich in dieser Art einzubringen und durch seine Arbeit ein
Stück weit auch mit definieren zu können, wie die Gesellen- und Meisterprüfungen im Bereich Fliese
aussehen, motiviert mich.“
Karsten Kofeld, Kofeld Fliesen Bau und Handel GmbH, Gesellen- und Meisterprüfer im Bereich Fliese
„Sich ehrenamtlich zu engagieren ist eine Pflicht, die sich aus der Tradition heraus ergibt. Ich bin
Leiter der Fachgruppe Fliese der Fachgemeinschaft Bau und sehe es daher nur als konsequent an,
mich auch in die Aus- und Weiterbildung unserer Fachkräfte einzubringen. Es war ein Fehler, dass
2004 mit der Novelle der HWO die Meisterpflicht im Fliesenlegergewerk abgeschafft wurde. Daraus
ist unserem Handwerk ein immenser wirtschaftlicher Schaden entstanden. Ich engagiere mich nicht
zuletzt auch deshalb ehrenamtlich, um dazu beizutragen, das Fliesenlegerhandwerk aufrecht zu er-
halten. In diesem Jahr hatten wir ungewöhnlich viele junge Leute, die die praktische Meisterprüfung
im Fliesenlegerhandwerk absolviert haben. Ich bin froh, dass es so vielen Menschen noch wichtig
ist, ihren Meister zu machen, obwohl sie das rein rechtlich nicht müssten. Da zeigt sich, dass der
Meister nach wie vor einen hohen Stellenwert hat.“
Peter Zille, Peter Zille Fliesenverlegung und Verkauf, Meisterprüfer und Fachgruppenleiter im Bereich Fliese
„Ob Geselle oder Meister: Wir brauchen dringend Nachwuchs! Daher ist es unsere Aufgabe, aus-
und weiterzubilden. Wir müssen aber auch für eine entsprechende Qualität in der Aus- und Weiter-
bildung sorgen. Deshalb engagiere ich mich im Meisterprüfungsausschuss. Jeden Prüfling nehmen
wir unter die Lupe und stellen uns letztendlich die Frage: Würdest du dir von dem Prüfling dein Haus
bauen lassen? Lautet die Antwort ja, dann hat er seine Sache gut gemacht. Das Schöne an meinem
Engagement ist, dass man sich und seine eigenen Qualitätsvorstellungen auch einbringen kann.
Der zeitliche Aufwand dafür ist überschaubar. Und wer, wenn nicht wir Unternehmer und Handwer-
ker, kann eine solche Arbeit leisten?“
Andreas Kmieciak, Baugeschäft Kmieciak & Sohn GmbH; Meisterprüfer im Bereich Maurer- und Betonbau
„Ich engagiere mich im Meisterprüfungsausschuss des Straßenbau-Handwerks, weil ich es wichtig
finde, zum Qualitätserhalt der Prüfungen beizutragen. Als erfahrene Straßenbauer können meine
Kollegen und ich unser Wissen und unsere Erfahrungen einbringen. Wir als Unternehmer tragen die
Verantwortung dafür, dass unser Handwerk weiterbesteht. Die unabdingbare Voraussetzung dafür
sind Nachwuchsfachkräfte, die gute, hochwertige Arbeit abliefern. Der Meistertitel ist ein Qualitäts-
versprechen an unsere Kunden, zu dessen Einhaltung ich durch mein Engagement beitrage.“
Günther Blaese, Meisterprüfer im Straßenbau-Handwerk
Konkret Sonderpublikation
ImpressionenMeisterprüfungen 2015
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Fachgemeinschaft BauBerlin und Brandenburg e. V.
Nassauische Straße 1510717 Berlin
www.fg-bau.de