selektive retina-therapie (srt) - bmo.uni-luebeck.de · die granula¨re struktur der absorber...

17
Selektive Retina-Therapie (SRT) Ralf Brinkmann , Reginald Birngruber Institut fu ¨ r Biomedizinische Optik der Universita ¨t zu Lu ¨ beck und Medizinisches Laserzentrum Lu ¨ beck GmbH, Peter-Monnik-Weg 4, 23562 Lu ¨ beck Eingegangen am 22. Mai 2006; akzeptiert am 6. November 2006 Zusammenfassung Die am Medizinischen Laserzentrum Lu ¨beck entwickelte selektive Retina-Therapie (SRT) wird zur Zeit als neue, schonende Laser-Behandlungsmethode fu ¨r verschiedene Erkrankungen des Augenhintergrunds evaluiert, deren Ursachen einer Degradation des Retinalen Pigmentepi- thels (RPE) zugeschrieben werden. Mit der SRT la ¨sst sich selektiv das RPE behandeln, ohne die angrenzende neurosensorische Netzhaut mit den Photorezeptoren und die unter dem RPE liegende Aderhaut (Choroidea) zu beeintra ¨ chtigen. Die Therapie fu ¨ hrt idealerweise zu einer Regeneration des RPEs und einem gesteigerten Meta- bolismus am chorio-retinalen U ¨ bergang. Im Gegensatz zur etablierten Laserphotokoagulation der Netzhaut, bei der in und um die bestrahlten Areale die Netzhaut kom- plett vero¨det wird, bleibt bei der SRT die Sehfa ¨ higkeit der Patienten in den bestrahlten Arealen erhalten. Der Artikel gibt einen U ¨ berblick u ¨ber die Idee und die phy- sikalischen Mechanismen selektiver RPE-Behandlung, die online Dosimetrie der optisch nicht sichtbaren Effek- te und fasst die ersten klinischen Ergebnisse zusammen. Schlu¨ sselwo¨ rter: Selektive Zelleffekte, Optoakustik, Mikroblasen, Online-Dosimetrie, RPE, ms-Laserpulse, Makulao¨deme, RCS Selective Retina Therapy (SRT) Abstract Selective Retina Therapy (SRT) is a new and very gent- le laser method developed at the Medical Laser Center Lu ¨beck. It is currently investigated clinically in order to treat retinal disorders associated with a decreased fun- ction of the retinal pigment epithelium (RPE). SRT is designed to selectively effect the RPE while sparing the neural retina and the photoreceptors as well as the chorioidea. Aim of the therapy is the rejuvenation of the RPE in the treated areas, which should ideally lead to a long term metabolic increase at the chorio-retinal jun- ction. In contrast to conventional laser photocoagulat- ion, which is associated with a complete thermal necrosis of the treated site, SRT completely retains full vision. This paper reviews the methods and mechanisms behind selective RPE effects and reports the first clinical results. An online dosimetry technique to visualize the op- hthalmoscopically invisible effects is introduced. Keywords: Selective cellular effects, optoacoustics, online dosimetry, RPE, ms-laser pulses, macula oedema, RCS Motivation Die Photokoagulation der Netzhaut des Auges gilt als die erfolgreichste Anwendung des Lasers in der gesamten Me- dizin. Sie wird seit Anfang der 1970er Jahre nahezu unver- a¨ndert durchgefu¨hrt und ist als Standardtherapie fu¨r verschiedenste Erkrankungen am Augenhintergrund eta- bliert. Hierzu za¨hlen u.a. die proliferative diabetische so- wie andere proliferative Retinopathien, das Makulao¨ dem verschiedener Ursachen, Gefa¨ ßneubildungen bei altersbe- dingter Makuladegeneration (AMD), Netzhautablo¨ sun- gen und periphere Netzhautlo¨cher. Zur Photokoagulation werden hauptsa¨ chlich im gru¨ nen Spektralbereich emittierende Laser verwendet, da hier die Absorption des sta¨ rksten Chromophors des Augenhinter- grunds, des Melanins im retinalen Pigmentepithel (RPE) (Abb. 1, [1]), am ho¨chsten ist [1,2]. Die im vorigen Jahr- hundert meistens verwendeten Ar + -Laser mit der ARTICLE IN PRESS Tel.: 0451-500-6507. E-mail: [email protected] (R. Brinkmann). U ¨ BERSICHTSARBEIT Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]]]] doi: 10.1016/j.zemedi.2006.11.002 http://www.elsevier.de/zemedi

Upload: ngokhuong

Post on 16-Aug-2019

217 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

UBERSICHTSARBEIT

Selektive Retina-Therapie (SRT)

Ralf Brinkmann�, Reginald Birngruber

Institut fur Biomedizinische Optik der Universitat zu Lubeck und Medizinisches Laserzentrum Lubeck GmbH,

Peter-Monnik-Weg 4, 23562 Lubeck

Eingegangen am 22. Mai 2006; akzeptiert am 6. November 2006

Zdh

Zusammenfassung

Die am Medizinischen Laserzentrum Lubeck entwickelteselektive Retina-Therapie (SRT) wird zur Zeit als neue,schonende Laser-Behandlungsmethode fur verschiedeneErkrankungen des Augenhintergrunds evaluiert, derenUrsachen einer Degradation des Retinalen Pigmentepi-thels (RPE) zugeschrieben werden. Mit der SRT lasstsich selektiv das RPE behandeln, ohne die angrenzendeneurosensorische Netzhaut mit den Photorezeptoren unddie unter dem RPE liegende Aderhaut (Choroidea) zubeeintrachtigen. Die Therapie fuhrt idealerweise zu einerRegeneration des RPEs und einem gesteigerten Meta-bolismus am chorio-retinalen Ubergang. Im Gegensatzzur etablierten Laserphotokoagulation der Netzhaut, beider in und um die bestrahlten Areale die Netzhaut kom-plett verodet wird, bleibt bei der SRT die Sehfahigkeitder Patienten in den bestrahlten Arealen erhalten. DerArtikel gibt einen Uberblick uber die Idee und die phy-sikalischen Mechanismen selektiver RPE-Behandlung,die online Dosimetrie der optisch nicht sichtbaren Effek-te und fasst die ersten klinischen Ergebnisse zusammen.

Schlusselworter: Selektive Zelleffekte, Optoakustik,Mikroblasen, Online-Dosimetrie, RPE, ms-Laserpulse,Makulaodeme, RCS

�Tel.: 0451-500-6507.

E-mail: [email protected] (R. Brinkmann).

. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]oi: 10.1016/j.zemedi.2006.11.002ttp://www.elsevier.de/zemedi

Selective Retina Therapy (SRT)

Abstract

Selective Retina Therapy (SRT) is a new and very gent-le laser method developed at the Medical Laser CenterLubeck. It is currently investigated clinically in order totreat retinal disorders associated with a decreased fun-ction of the retinal pigment epithelium (RPE). SRT isdesigned to selectively effect the RPE while sparing theneural retina and the photoreceptors as well as thechorioidea. Aim of the therapy is the rejuvenation ofthe RPE in the treated areas, which should ideally lead toa long term metabolic increase at the chorio-retinal jun-ction. In contrast to conventional laser photocoagulat-ion, which is associated with a complete thermal necrosisof the treated site, SRT completely retains full vision.This paper reviews the methods and mechanisms behindselective RPE effects and reports the first clinical results.An online dosimetry technique to visualize the op-hthalmoscopically invisible effects is introduced.

Keywords: Selective cellular effects, optoacoustics,online dosimetry, RPE, ms-laser pulses, maculaoedema, RCS

Motivation

Die Photokoagulation der Netzhaut des Auges gilt als dieerfolgreichste Anwendung des Lasers in der gesamtenMe-dizin. Sie wird seit Anfang der 1970er Jahre nahezu unver-andert durchgefuhrt und ist als Standardtherapie furverschiedenste Erkrankungen am Augenhintergrund eta-

bliert. Hierzu zahlen u.a. die proliferative diabetische so-wie andere proliferative Retinopathien, das Makulaodemverschiedener Ursachen, Gefaßneubildungen bei altersbe-dingter Makuladegeneration (AMD), Netzhautablosun-gen und periphere Netzhautlocher.

Zur Photokoagulation werden hauptsachlich im grunenSpektralbereich emittierende Laser verwendet, da hier dieAbsorption des starksten Chromophors des Augenhinter-grunds, des Melanins im retinalen Pigmentepithel (RPE)(Abb. 1, [1]), am hochsten ist [1,2]. Die im vorigen Jahr-hundert meistens verwendeten Ar+-Laser mit der

Page 2: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 1. Querschnitt durch Auge und Augenhintergrund. Die eingerahmten Bereiche sind jeweils vergroßert dargestellt. Rechts

wird die RPE-Zelle eines jungen Menschen in Transmissionselektronenmikroskopie gezeigt.

Abbildung 2. Panretinale Photokoagulation. Die Laserherde

heben sich als helle Koagulationsareale vom Hintergrund ab.

2 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

Wellenlange 514 nm werden jedoch zunehmend durch fre-quenzverdoppelte, Neodym-dotierte Festkorperlaser mitWellenlangen um 532 nm ersetzt. Je nach Erkrankung er-streckt sich die Zahl der applizierten Laserherde von we-nigen einzelnen in der Makula bis hin zu mehrerentausend bei panretinaler Photokoagulation, wobei Herd-durchmesser typischerweise zwischen 50 mm (zentraleMakula) und 600 mm (Peripherie) gewahlt werden. DieLaserleistungen liegen je nach Herdgroße im Bereich von100 – 500mW. Die Bestrahlungsdauer wird dabei mit 50 –300ms gewahlt, da sich das Auge uber langere Bestrah-lungszeiten bewegt.

Die Laserleistung zur Photokoagulation wird individu-ell und intraindividuell, je nach Pigmentierung und Pa-thologie des zu bestrahlenden Areals, so dosiert, dassgrauliche bis weiße Lasionen entstehen. Diese resultierenaus der Denaturierung der Netzhaut mit einhergehender,deutlich verstarkter Lichtstreuung, die der behandelndeArzt im Weißlicht seiner Laserspaltlampe klar erkennenkann (Abb. 2). Bei dieser klassischen Photokoagulationhandelt sich um einen rein thermischen Effekt [3,4]. DurchWarmediffusion in die Umgebung, ausgehend vom RPEund von den Pigmenten in der Aderhaut, kommt es zurirreversiblen thermischen Zerstorung der außeren und jenach Leistung auch der inneren Netzhaut und der unterdem RPE liegenden Aderhaut. Die Folgen der Photore-zeptornekrose sind lokale Gesichtsfelddefekte bis hin zustarken Beeintrachtigungen der Seh- und Lesefahigkeitbei Koagulationen in der zentralen Makula. Bei zu weitausgedehnter Koagulation kann es sogar zur Zerstorunggroßerer Nervenbahnen kommen, die in der inneren Netz-haut verlaufen, resultierend in einem noch deutlichvergroßerten Visusdefekt des gesamten nervlich versorg-ten Areals.

Die erzielbaren therapeutischen Wirkungen sind fur diemeisten Krankheitsbilder in zahlreichen klinischen multi-zentrischen Studien sehr gut untersucht und im Wesentli-

chen bekannt. Die exakten biologischen Wirkmecha-nismen der Laserbehandlung hingegen sind noch weitge-hend unklar und unterscheiden sich wahrscheinlich beiden einzelnen Erkrankungen. Gut bekannt ist lediglich dieals Folge der thermischen Denaturierung initiierte Nar-benbildung, derer man sich zur Behandlung von Netz-hautlochern und -ablosungen bedient. Die Wirkung derLaserbehandlung des diabetischen Makulaodems liegtvermutlich in der Verbesserung der Pumpfunktion dessich regenerierenden RPEs zur Verringerung derFlussigkeitsansammlung [5]. Odeme bedingt durch die

Page 3: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

3R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

Retinopathia Centralis Serosa (RCS) werden vermutlichdurch einen regenerativen Verschluss des pathologischenQuellpunkts der Leckage reduziert [6]. Der Wirkmecha-nismus zum Abbau der Ablagerungen an der BruchschenMembran, so genannter Drusen, als einer Vorstufe zurAMD wird im gesteigerten Gesamtmetabolismus als Fol-ge der RPE-Regeneration diskutiert [7].

Falls diese Hypothesen zur wesentlichen Beteiligungdes RPEs an zahlreichen Netzhauterkrankungen zutref-fend sind, ist die Zerstorung der Photorezeptoren und derneuronalen Netzhaut mit der damit einhergehenden Ent-stehung von Gesichtsfelddefekten ein ungewollter undunnotiger Nebeneffekt der Photokoagulation. Basierendauf diesen Uberlegungen wurde eine neue Methode vor-geschlagen, welche selektiv auf das retinale Pigmentepi-thel (RPE) zielt und dieses zur Regeneration anregt,jedoch alle angrenzenden Gewebe wie insbesondere diePhotorezeptoren ausspart: die selektive Retina-Therapie(SRT) [8,9].

Retinales Pigmentepithel (RPE) und SRT

Das RPE ist eine stark pigmentierte, monozellulareSchicht zwischen Aderhaut und Netzhaut am Hinter-grund des Auges (Abb. 1), es ist u.a. fur die Steuerungdes retinalen Metabolismus sowie die Regulierung desFlussigkeitsgehalts der Netzhaut verantwortlich. Fernerphagozytieren RPE-Zellen die durch den Sehvorgang inden Photorezeptoren anfallenden Membranscheibchen

Abbildung 3. RPE eines 75 jahrigen Menschen in Transmissions

granula, die grauen Areale Lipofuscin und andere intrazellulare Ein

(aus Schrarmeyer U, Heimann K. Current understanding on the ro

Cell. Res. 12:219-236, 1999, Blackwell-Verlag).

der Photorezeptor-Außensegmente. Hierbei akkumulie-ren Stoffwechselendprodukte im RPE, wie in Abbildung3, [10], im Vergleich zu jungem RPE in Abbildung 1 [1],deutlich auszumachen ist. Die Lipofuscin-Ablagerungensind Zeichen einer mit dem Alter zunehmenden metabo-lischen Storung des RPEs.

Ziel der SRT ist eine Anregung des Metablismus unddie Regeneration des RPEs in erkrankten Arealen, initi-iert durch die der Behandlung folgenden biologischen Re-aktion. In-vitro- und in-vivo Untersuchungen konntenzeigen, dass die durch die selektive Laserbehandlung ver-ursachten lokalen RPE-Effekte benachbarte Pigmentepi-thelzellen zur Proliferation und Migration anregen. Diesfuhrt zur Defektdeckung des behandelten Areals inner-halb von 1-2 Wochen nach Bestrahlung [8,9]. Es wirdpostuliert, dass diese Umbauvorgange zu einer Neustruk-turierung der Blut-Retina-Schranke sowie zu einerVerbesserung der metabolischen Funktion des retinalenPigmentepithels beitragen [11]. Die sich regenerierendenRPE-Zellen bilden danach wieder eine funktionale undgeschlossene Gewebestruktur aus (Abb. 4).

Selektive RPE–Erhitzung

Das Konzept der selektiven Schadigung von stark absor-bierendem Gewebe eingebettet in schwacher absorbieren-de Strukturen wurde als

’’selektive Photothermolyse‘‘erst-

mals von Anderson und Parrish vorgestellt [12]. Zurselektiven Schadigung des RPEs [9] kann hierfur die

elektronenmikroskopie. Die schwarzen Bereiche sind Melanin-

lagerungen. Am oberen Bildrand rechts ist der Zellkern zu sehen.

le of retinal pigment epithelium and its pigmentation. Pigment.

Page 4: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 4. Skizze zur therapeutsichen Wirkungsweise der

SRT: Nach Bestrahlung der Zellen unterhalb der abgelosten

Photorezeptoren (grun) werden diese abgebaut. Umliegende

RPE Zellen restaurieren das Areal innerhalb weniger Tage voll-

standig, derMetabolismus erhoht sich, die Photorezeptoren blei-

ben unbeeintrachtigt.

4 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

intrinsische, extrem hohe Absorption der intrazellularenMelanosomen von ca. 0,8 mm�1 [13] ausgenutzt werden.Insgesamt werden von den 100-200, ca. 1 mm im Durch-messer großen Melaningranula einer RPE-Zelle ca. 50%des einfallenden Lichts im grunen Spektralbereich absor-biert [2]. Bei Applikation von Laser-Impulsdauern (in derLaserphysik auch kurz

’’Pulsdauer‘‘genannt) im 100-ms-

Bereich wie bei der Photokoagulation, kommt es auf-grund der Warmediffusion vom RPE aus einer ausge-dehnten, sich uber die gesamte Netz-und Aderhauterstreckenden Temperaturerhohung [14]. Reduziert manjedoch die Pulsdauer in den Bereich der thermischenRelaxationszeit des Gewebes oder darunter, so erhohtsich der raumliche und zeitliche Temperaturgradient undes bilden sich deutliche Temperaturspitzen an den Absor-bern aus [9]. Die thermische Relaxationszeit t ist definiertals die Zeit, bis die zentrale Temperatur eines gleichmaßiginstantan erhitzen, spharischen Partikels des Radius rdurch Warmediffusion auf 1/e abgefallen ist: t ¼ r2/4kist, k bezeichnet die thermische Diffusivitat. Bei 1 mmgroßen Partikeln betragt sie ca. 420 ns (radiale Warmelei-tung). Fur die Abschatzungen wurde die thermische Dif-fusivitat von Wasser (k ¼ 1.5 � 10�5 mm2/s) zugrundegelegt. Betrachtet man das RPE als eine ca. 4 mm dicke,lateral ausgedehnte, homogene Absorberschicht, so ergibt

sich eine thermische Relaxationszeit von ca. 64 ms (axialeWarmeleitung).

Detaillierte Berechnungen zum Temperaturverlauf ander Netzhaut (Abb. 5) wurden mit einem granularen Mo-dell der pigmentierten Schicht des RPEs durchgefuhrt, dasauf einer analytischen Losung der Warmeleitungsglei-chung basiert [9,15]. Im Modell wurden drei Lagen ku-gelformiger Melaningranula mit einem Durchmesser von1 mm im Abstand von 1,5 mm ihrer Zentren auf einem reg-elmaßigen Gitter angeordnet. Bei einer Absorption von0,8 mm�1 absorbieren die einzelnen Granula dabei 53%,die gesamte Schicht 56% der auf sie einfallenden Laser-strahlung. Die Temperaturverlaufe wurden an verschiede-nen Stellen an der Oberflache, zwischen den Melanin-partikeln und außerhalb der RPE-Zelle fur verschiedeneauch experimentell verwendete Pulsdauern berechnet [16].

Die granulare Struktur der Absorber fuhrt fur Pulsdau-erno5 ms direkt an der Oberflache der Melanosomen zuausgepragten Temperaturerhohungen (Abb. 5 [16]), wieaus der thermischen Relaxationszeit der Mikroabsorberzu erwarten ist. Die Temperatur hangt jedoch stark vonder Pulsdauer ab: Bei gleicher Bestrahlung sinkt die Ma-ximaltemperatur bei Anderung der Pulsdauer von 10 ns(DTmaxE0,9K/(mJ/cm2)) auf 5 ms (DTmaxE0.35K/(mJ/cm2)) an der Oberflache eines inneren Melanosoms aufca. 40% ab. Bereits in der Mitte zwischen 8 Melanosomenist der Unterschied der Spitzentemperaturen jedoch kaumnoch auszumachen (DTmaxE0,29K/(mJ/cm2)), und in ei-nem 2-mm-Abstand zur Granulaschicht sind die Tempe-raturverlaufe fur beide Pulsdauern quasi identisch(DTmaxE0.08K/(mJ/cm2)).

Betrachtet man Pulsdauern450 ms, so zeigen sich auchim Abstand von einigen Mikrometern geringere Spitzen-temperaturen und die Temperatur zwischen den Melanos-omen sinkt (50 ms: DTmaxE0.2K/(mJ/cm2).

Aus den Abschatzungen lasst sich schlussfolgern: Ist esZiel, die gesamten RPE-Zellen gleichmaßig zu erhitzen,ohne die Umgebung nennenswert zu erwarmen, so bietensich Pulsdauern von ca. 5-30 ms an. Will man hingegenausgepragte Spitzentemperaturen an den Melanosomenerzeugen, sollten Pulsdauerno5 ms gewahlt werden. BeiPulsdauern450 ms geht die zellular begrenzte Tempera-turerhohung verloren.

Erste Experimente zu selektiven RPE-Effekten

Die ersten experimentellen Arbeiten zu selektiven RPE-Effekten wurden Anfang der 1990er Jahre von Roider etal. durchgefuhrt [8,9], wobei eine rein thermische Dena-turierung der Zellen postuliert wurde.

Die thermische Denaturierung von Proteinen und Ge-webe lasst sich unter gewissen Bedingungen mit demSchadigungsintegral nach Arrhenius annahern [3]. In dieDenaturierungsraten geht die Temperatur exponentiell,

Page 5: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 5. Berechnung der Temperaturverlaufe bei Bestrahlung einer Schicht aus regelmaßig angeordneten Melanosomen in 3

Lagen mit Pulsen von jeweils 10 ns bis 5ms, berechnet fur eine Bestrahlung von 1mJ/cm2. Die Orte, an denen die Temperaturen

berechnet wurden, sind durch die Pfeilspitzen gekennzeichnet.

5R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

die Zeit naherungsweise linear ein. Zur thermischen Scha-digung ist es demnach prinzipiell sinnvoll, hohe Spitzen-temperaturen zu erzeugen, da diese exponentiell dieDenaturierung beschleunigen. Um allerdings eine Maxi-maltemperatur (z.B. die Verdampfungsschwelle) nicht zuuberschreiten, ist es zur Denaturierung sinnvoll, die Expo-sitionsdauer bei erhohter Temperatur zu verlangern. Dadieses aufgrund der Anforderungen an die Selektivitat nureingeschrankt moglich ist (s.o.), kann man sich gemaß derTheorie von Arrhenius die Additivitat thermischer Dena-turierung zu nutze machen und Pulse repetitiv applizieren.Um die Selektivitat zu wahren, darf jedoch die mittlereTemperatur hierdurch nicht nennenswert ansteigen, wasdurch eine geeignet geringe Pulsfrequenz erreichbar ist,die eine ausreichende Abkuhlung zwischen den Pulsen ge-stattet.

Entsprechend der Hypothese der thermischen Denatu-rierung wurden die ersten Experimente ausgelegt und Mi-krosekundenpulse repetierend auf die Fundi von

Kaninchen in vivo appliziert. Aus Ermangelung geeignetgepulster Lasersysteme im ms-Zeitbereich wurden Pulsemit 5 ms Dauer mit einer Repetitionsrate von 500Hz ausdem kontinuierlichen Strahl eines leistungsstarken Ar+-Lasers ausgekoppelt [8,9]. Trotz der damit nur geringenPulsenergie im 10-mJ-Bereich konnte mit diesen Parame-tern auf kleinen Spotdurchmessern eine auf das RPE be-schrankte Zellschadigung histologisch nachgewiesenwerden. Ferner wurde eine komplette RPE-Restaurierungim Heilverlauf innerhalb von zwei Wochen nach Bestrah-lung beobachtet. Selektive RPE-Effekte wurden somitnachgewiesen, jedoch weitergehende Untersuchungen imHinblick auf eine klinische Anwendung nicht weiterver-folgt, da ein Bestrahlungs-Spotdurchmesser von 110 mmtherapeutisch als zu klein erachtet wurde. Die fur großereHerde notwendigen hoheren Pulsenergien waren jedochmit obiger Technik nicht erzielbar.

Um die Bestrahlungsschwellwerte (50%-ige Wahr-scheinlichkeit [Effective dose ED50]) fur das Auftreten

Page 6: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 6. Muster hexagonaler RPE-Zellen in vitro. Metabo-

lisch aktive Zellen erscheinen nach Zugabe des Vitalitatsmarkers

Calcein-AM in der Fluoreszenzmikroskopie grun, geschadigte Zel-

len im Areal der Laserapplikation (Kreis) dunkel.

Abbildung 7. Bestrahlungsschwellwerte zur Zellschadigung bei

unterschiedlichen Pulsdauern uber der Anzahl der pro Herd ge-

setzten Expositionen auf einem Herddurchmesser von 50 mmmit

einer Repetitionsrate von 500Hz.

6 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

von RPE-Schaden in Abhangigkeit von Pulsrepetitions-rate und -anzahl im Pulsdauerbereich einiger ms grundle-gend untersuchen zu konnen und die Moglichkeitklinischer Erprobung zu eroffnen, wurde ein entsprechendgeeignetes Lasersystem mit hoheren Pulsenergien entwi-ckelt [13]. Als Basis diente ein kontinuierlich bogenlam-pengepumpter, resonatorintern frequenzverdopplterNd:YLF-Laser (Wellenlange 527 nm). Durch Guteschal-tung des Nd:YLF-Lasers werden typischerweise Pulsdau-ern von 200 ns bei Pulsenergien weniger mJ erzielt. Um diePulsdauer und -form bei hoher Pulsenergie variieren zukonnen, wurde eine schnelle Elektronik zur Regelung derGute des Laserresonators wahrend der Pulsemission mit-tels einer Pockleszelle realisiert [17]. Uber die Pockelszellesind der Polarisationszustand und damit die Verluste derLasermoden beeinflussbar, wozu jedoch Spannungen bis1 kV mit Zeitkonstanten von ca. 10 ns geregelt werdenmussen. Mit dieser Technik kann eine Pulsdauer von200 ns (reine Guteschaltung) auf bis zu 5 ms bei gestrecktwerden [13,17,18]. Mit einer geeigneten Regelung konntennahezu beliebige Pulsformen erzeugt werden, fur die Un-tersuchungen wurden ms-Pulsdauern konstanter Pulsleis-tung gewahlt.

Als experimentelles Modell dienten Augen vonSchlachthofschweinen, die direkt post mortem enukleiertwurden. Aus dem Augenhintergrund wurden ca. 0.5 cm2

große RPE/Sklera-Proben extrahiert. RPE-Zellen uberle-ben bis ca. 5 Stunden ohne Perfundierung und sind daherinnerhalb dieser Zeitspanne ideale Proben. Die Zellprapa-rate wurden in einer Kuvette platziert und mit demNd:YLF-Lasers bestrahlt. Nach Bestrahlung wurde dasVitalitatsessay Calcein-AM (Molecular Probes Inc.) aufdie Proben gegeben. Calcein-AM ist durch die Zellmem-bran permeabel und wird innerhalb der Zellen von Este-rasen in Calcein umgewandelt, das im grunen Spek-tralbereich fluoresziert, wenn es im blauen angeregt wird.Metabolisch aktive Zellen fluoreszieren, wahrend denatu-rierte oder an der Zellmembran geschadigte Zellen keineFluoreszenz mehr zeigen, wie in Abbildung 6 exempla-risch gezeigt ist.

Nach Bestrahlung konnen die geschadigten im Fluores-zenzmikroskop dunkel erscheinenden Zellen quantitativausgewertet werden. Abbildung 7 [13] zeigt, dass dieED50-Schwellbestrahlungen im untersuchten Bereich beica. 100mJ/cm2 liegen und diese mit abnehmender Puls-dauer und zunehmender Pulsanzahl abnehmen. Ab einerPulszahl von 100 wird eine nur noch insignifikante Ab-nahme des ED50-Werts gefunden.

RPE-Schadensmechanismus

Zur Untersuchung des der Schadigung zugrunde liegen-den Mechanismus wurden zunachst Abschatzungen mitder Arrhenius-Theorie unter Verwendung der berechne-

ten Temperaturverlaufe mit den experimentell ermitteltenBestrahlungsschwellwerten vorgenommen. Fur das Scha-densintegral ergeben sich lediglich direkt an der Ober-flache der Melanosome [16] ausreichend hohe Werte zurDenaturierung. Die Berechnungen fur andere Loka-litaten, z.B. zwischen den Melanosomen, ergeben auf-grund der gesunkenen Spitzentemperatur deutlichgeringere Schadensintegrale. Die Abhangigkeit der expe-rimentell beobachteten Schadensschwelle von der

Page 7: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 8. ED50-Bestrahlungsschwellen fur detektierte Bla-

senbildung und Zellschadigung bei verschiedenen Bestrahlungs-

zeiten. Die Fehlerbalken geben die Breite der logarithmischen

Normalverteilung (ED15, ED85) an. Lediglich bei 5 ms Pulsdauerliegt die Blasenbildungsschwelle unterhalb der Schwelle fur Zell-

schaden. Hier muss primar ein thermomechanischer Ursprung

der Schadigung angenommen werden, wahrend fur Pulsdauern

450 ms eine rein thermische Denaturierung an der ED50-Schwel-

le wahrscheinlicher ist.

7R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

Pulsdauer (Abb. 7 [16]) wird lediglich an der Oberflacheder Melaningranula durch die Arrhenius-Berechnungenrecht gut wiedergegeben. Ferner widerspricht der nahezukonstante Schwellwert der Zellschadigung hin zu hoherenExpositionszahlen der Theorie thermischer Schadigung,die eine stetig fallende Schwellbestrahlung mit ansteigen-der Expositionszahl postuliert.

Motiviert durch diese Befunde wurden weitere Mogli-chkeiten der Zellschadigung in Betracht gezogen. So be-steht insbesondere an der Oberflache der Melanosomendie Moglichkeit, dass die hohen Temperaturspitzen Mi-kroverdampfungen an den Melaningranula auslosen. In-trazellulare Mikroblasen konnen die Zellen thermome-chanisch durch kurzzeitige Vergroßerung ihres Volumensdesintegrieren. Dieses konnte mit ns-Pulsdauern anmelaninhaltigen Zellen von Lin et al. [19] photographischdokumentiert werden.

Modellrechnungen zur notwendigen Bestrahlung derErzeugung einer bestimmten Nukleationstemperatur ander Oberflache eines Melanosoms postulieren eine fast li-neare Zunahme der Bestrahlung mit zunehmender Puls-dauer von ns bis zu ms [13]. Ein solcher Zusammenhangwurde auch experimentell in Untersuchungen zurBlasenbildungsschwelle an Melanosomen gezeigt. EineAuswertung der Ergebnisse ergibt dabei eine Verdamp-fungstemperatur von ca. 140 1C [13,20]. Hohe Nukleat-ionstemperaturen sind bei einem Teilchendurchmesservon 1 mm zu erwarten, da zum Aufschwingen von Mikro-dampfblasen neben der Verdampfungsenthalpie die Ober-flachenspannung uberwunden werden muss. EineZellschadigung durch intrazellulare Mikrovaporisationwurde demnach in gutem Einklang mit den experimentel-len Schwellwerten zur Blasenbildung stehen [13].

Um den Schadensmechanismus in Abhangigkeit derPulsdauer detaillierter untersuchen zu konnen, wurde dieNukleation bei RPE-Bestrahlung in vitro detektiert undanschließend mit Calcein-AM die Zellvitalitat geprobt.Die Blasenbildung lasst sich sowohl akustisch als auchoptisch detektieren. Beim ersten Verfahren werden die beider Nukleation entstehen Druckwellen nachgewiesen [21],das zweite basiert auf der erhohten Reflexion von Licht ander entstehenden Wasser-Wasserdampf-Grenzflache [22].Experimentell wurde mit Einzelpulsen verschiedener Puls-dauer sowohl reflektometrisch als auch optoakustischdeutlich Blasenbildung bei allen untersuchten Pulsdauerndetektiert. Aus den gemessenen Daten wurden mittelsProbit-Algorithmus [23] die ED50-, ED15- und ED85-Schwellenwerte fur Mikroblasenbildung und Zelltod be-stimmt (Abb. 8 [24]).

Es zeigt sich, dass bei 5 ms Pulsdauer ein Zellschaden beiallen RPE-Proben immer mit Bildung von Mikroblaseneinhergeht. Lediglich bei insgesamt 12 der 480 applizierten5 ms Laserpulse konnte Mikroblasenbildung ohne RPE-Schadigung nachgewiesen werden [24]. Die Schwelle furden Verlust der RPE-Vitalitat liegt um den Faktor 1,1

oberhalb der Schwelle fur Mikroblasenbildung. Es ist sehrwahrscheinlich, dass hier die Blasenbildung an den bis zu200 Melanosomen pro Zelle zu einer kurzzeitigen Volu-menvergroßerung fuhrt, in Folge derer die Zellmembranstark geschadigt wird, da diese lediglich kleine Uberdeh-nungen bis zu wenigen Prozent ausgleichen kann [25].Dieses erklart auch die selten beobachtete Blasenbildungohne Zelltod.

Bei 50 ms Pulsdauer wird bei der ED50-Bestrahlung in16% der Falle Mikroblasenbildung nachgewiesen. An derSchwelle kommt es bei dieser Pulslange somit vorherr-schend (84%) zu einer RPE-Schadigung ohne Mikrobla-senbildung. Bei 500 ms und 3ms liegt die Schwelle furBlasenbildung mit dem Faktor 1,8 (500 ms) und 2,8(3ms) deutlich oberhalb der RPE-Schadensschwelle [24].Hier ist damit primar von einem rein thermischen Schadenauszugehen, wie es fur ahnliche Bestrahlungsdauern auchanderweitig nachgewiesen wurde [4].

Zusammenfassend zeigen die experimentellen Ergebnis-se, dass fur Einzelpulse von 5 ms Pulsdauer immer intra-zellulare Mikroblasenbildung um die Melanosomenauftritt, wenn RPE-Zellen geschadigt werden. Da beikurzeren Pulsdauern noch weniger Warme wahrend derBestrahlung in das Zellplasma abgefuhrt wird, ist folglichauch bei Pulseno5 ms die Formation vonMikroblasen furden Zelltod verantwortlich.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass auch einezellulare Schadigung uber Schockwellen oder Zugwellenin Erwagung gezogen werden muss, insbesondere wenn

Page 8: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

8 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

die Pulsdauer in den Bereich der akustischen Einschluss-zeit kommt. Diese liegt bei den ca. 1 mm großen Melanos-omen allerdings unterhalb einer Nanosekunde und istdaher nur fur entsprechend kurze Pulsdauern von Bedeu-tung. Letztlich sind auch phototoxische Schaden der Zelledurch beschadigte Melanosomen denkbar [26]. Zell-schaden auf dieser Basis sind allerdings langfristigere Ef-fekte und bei den hier gefundenen, instantan auftretendenSchadigungen vermutlich auszuschließen.

Optimale Bestrahlung fur die SRT

Zur Beurteilung der optimalen Bestrahlungsparameter,insbesondere auch der Pulsdauer, muss jedoch ein weite-res Faktum berucksichtigt werden: Selektivitat und Si-cherheit der Bestrahlung mussen auch bei Pulsenergiendeutlich oberhalb des Bestrahlungsschwellwerts, der bis-her diskutiert wurde, gegeben sein. Hierzu ist zuberucksichtigen, dass zum einen die Pigmentierung unddamit Absorption der Strahlung intra- und interindividu-ell deutlich unterschiedlich ist. Zum anderen ist zwar diePulsenergie vor dem Auge messbar, die Bestrahlung aufder Netzhaut aber nur abschatzbar, da die Transmissi-onseigenschaften des Auges sich mit Alter, Pathologie undevtl. Linsentrubung (Katarakt) andern. Die SRT mussbezuglich der Bestrahlung in einem so genannten

’’thera-

peutisches Fenster’’ sicher sein, in dem garantiert keineanliegenden Gewebe beeintrachtigt werden.

Zunachst stellt sich die Frage welcher Schadensmecha-nismus fur selektiv auf das RPE zu beschrankende Effektegeeignet ist. Rein thermische Effekte sind in der Regelbezuglich der Variation der Bestrahlung nicht selektiv,d.h. das thermisch denaturierte Volumen nimmt mit stei-gendemWarmeeintrag graduell zu. Bei der thermomecha-nisch induzierten Zelldisruption auf der Basis intra-zellularer Mikroblasen stellt sich die Frage, ob dieintrazellulare Mikroblasenbildung anliegendes Gewebebeeintrachtigen kann. Prinzipiell sind zur primar mikro-blaseninduzierten Zelldisruption Pulsdauern p5 ms geeig-net (Abb. 8). Auf Grund der Warmeableitung steigt dieSchwellbestrahlung zur Nukleation aber mit der Pulsdau-er an. Bei einer Pulsdauer von 5 ms liegt sie bei 250mJ/cm2

und sinkt naherungsweise proportional zur Expositions-dauer auf 90mJ/cm2 aufgrund des wahrend der Bestrah-lung reduzierten Warmeabflusses (Daten fur Schweine-RPE) [13]. Die dissipierte Energie tragt zur Blasenbildungjedoch nicht bei. Von diesem Standpunkt aus gesehensollten Pulsdauern deutlich unterhalb der thermischenRelaxationszeit anzustreben sein, da hier die insgesamteingebrachte Energie zur Nukleation am geringsten ist.

Bei der Vaporisation darf die Dynamik der schnellen,explosiven Verdampfung nicht außer Acht gelassen wer-den, die angrenzendes Gewebe mechanisch schadigenkann. Eine mogliche Disruption der Photorezeptoren

oder der Aderchen der Choroidea mit resultierenden Blu-tungen an der Netzhaut sind unbedingt zu vermeiden.

Da Melanosomen von Schweinen Rotationsellipsoidenmit Durchmessern von etwa 1-2 mm gleichen [27], werdenBlasengroßen von wenigen Mikrometern erwartet. DieserBereich ist gerade noch mit mikroskopischen Verfahrenzuganglich, so dass die Verdampfungsblasen mit Hilfe derKurzzeitmikrophotographie sichtbar gemacht werdenkonnen. Um die entstehenden Blasen in ihrer Lebensdau-er und Maximalgroße fur verschiedene Pulsdauern zu erfas-sen, wurden Messungen mit Hilfe von Kurzzeitphoto-graphie sowie -und Interferenzmessungen durchgefuhrt[27]. Fur die Experimente wurde ein Modellsystem beste-hend aus einer wassrigen Melanosomensuspension gewahlt.

Zur Bestrahlung der Melanosomen wurde neben demgutegeregelten Nd:YLF-Laser mit einstellbarer Pulsdauer(200 ns-5 ms bei 527 nm) ein frequenzverdoppelterNd:YAG-Laser (12 ns bei 532 nm) benutzt. Zur Mikro-photographie der Blasen mittels einer CCD-Kamera fandein beliebig triggerbarer stickstofflaser-gepumpter Farb-stofflaser (3 ns bei 470 nm) zur Beleuchtung Verwendung.Zusatzlich wurde die Strahlung eines Helium-Neon-Lasers in den Strahlengang gekoppelt. Die durch die Pro-be in eine Messapertur transmittierte Strahlung verringertsich beim Aufschwingen einer Blase (Abb. 9 [27]) auf-grund von Lichtbrechung an ihrer Grenzflache. Auf dieseWeise kann sowohl die Gesamtlebensdauer der Blase ein-fach detektiert als auch mittels parallel aufgenommenerPhotos ihre Große zu beliebigen Zeitpunkten bestimmtwerden (Abb. 10 [27]).

Zunachst konnte mit Hilfe einer interferometrischenMessmethode gezeigt werden, dass Blasenexpansion und-kollaps um ein isoliertes Melanosomen symmetrisch ver-laufen, d.h. die Blase erreicht nach der halben Lebensdau-er ihre maximale Ausdehnung [27]. Mit Hilfe vonKurzzeitphotographien zum Zeitpunkt der halben Le-bensdauer kann nun die maximale Ausdehnung der Bla-se zu ihrer Lebensdauer in Beziehung gesetzt werden. Esergibt sich fur den maximalen Blasendurchmesser dmax (inmm) und die Blasenlebensdauer t die proportionale Bezie-hung: dmax ¼ a � t mit a ¼ 11 mm/ms.

Aus der Blasenlebensdauer, die mit Hilfe der Transmis-sionssignale gewonnen wird, kann so direkt auf die maxi-male Blasenausdehnung geschlossen werden. TypischeTransmissionssignale fur Bestrahlungen mit 12 ns undmit 1,8 ms sind in Abbildung 9 dargestellt [27]. Es wird er-sichtlich, dass sich die Blasendynamik fur diese beidenPulsdauern deutlich voneinander unterscheidet: Beins-Bestrahlung nimmt die Blasenlebensdauer (bzw. Blas-engroße) mit steigender Bestrahlung zu (Abb. 9, links).Werden Melanosomen mit Mikrosekundenpulsen be-strahlt, kommt es mit zunehmender Bestrahlung zu Bla-senoszillation (Abb. 9 rechts). Die Lebensdauer und damitauch die Große bleiben jedoch auf ca. 4 mm beschrankt(Abb. 10 [27]).

Page 9: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 10. Abhangigkeit der Große und -Lebensdauer von

Mikroblasen um einzelne Melanosomen in Suspension von der

Bestrahlung fur Pulsdauern von 12 ns und 1,8 ms oberhalb der

Nukleationsschwelle.

Abbildung 9. Messung zur Lebensdauer von Mikrodampfblasen um isolierte Melanosomen fur Pulsdauern von 12 ns (links) und

1,8ms (rechts), Laserphase jeweils grun dargestellt. Der Abfall desMesssignals indiziert die Existenz und demarkiert die Lebensdauer

einer Blase.

9R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

Die Blasendynamik infolge von Mikrosekundenpulsenlasst sich qualitativ wie folgt erklaren: Wahrend der Er-hitzung der Melanosomen durch die absorbierte Laser-strahlung findet nennenswerte Warmeleitung in dieUmgebung statt. Die Blasennukleationstemperatur hangtvon der Oberflachenbeschaffenheit des Melanosoms abund ubersteigt im Allgemeinen die Gleichgewichtssiede-temperatur von 100 1C (s.o.), so dass das Melanosom vonWasser im metastabilen Zustand umgeben ist [20]. Ist dasMelanosom durch die Laserstrahlung soweit erhitzt, dass

die Nukleationstemperatur von ca. 140 1C erreicht wird[13,20], so findet ausgehend von der Melanosome-noberflache ein Phasenubergang statt, d.h. es bildet sicheine Dampfblase. Wachst die Blase aus dem Bereich desuberhitzten Wassers heraus, kondensiert der in der Blaseenthaltene Wasserdampf an ihrer Grenzflache, wahrenddas Melanosom kurzzeitig thermisch isoliert ist. DerDampfdruck im Blaseninneren nimmt ab, was letztlichzum Blasenkollaps fuhrt. Mit zunehmender Bestrahlungverlagert sich der Nukleationszeitpunkt zum Beginn desLaserpulses, da bei hoherem Energieeintrag die Nuklea-tionstemperatur schneller erreicht wird. Ist der Laserpulsdeutlich langer als die Blasenlebensdauer, kann der Nuk-leationsprozess erneut stattfinden, so dass es zu Blasenos-zillationen kommt (Abb. 9, rechts). Mit Verschiebung desNukleationszeitpunktes hin zum Pulsbeginn verringertsich die Dicke der erhitzten Wasserschicht um das Me-lanosom, was nach dem Modell zur Folge hat, dass dieLebensdauer der jeweils ersten Blase mit zunehmenderPulsenergie abnimmt. Dieser Effekt lasst sich auch amExperiment verifizieren und ist andeutungsweise in Abbil-dung 9 zu sehen.

Da fur Nanosekundenbestrahlung wahrend des Pulsesjedoch kaum Warme in die wassrige Umgebung abfließt,aber trotzdem Nukleation auch wahrend des Pulses be-obachtet wird [20], die deutlich großere Blasen als bei Mi-krosekundenbestrahlung entstehenden lasst, muss einanderer Prozess fur die Blasendynamik bestimmend sein:Die Erhitzung von Melanosomen (und des umliegendenWassers) in kurzen Zeitraumen fuhrt zu einer schnellen

Page 10: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

10 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

thermischen Ausdehnung, die das Entstehen einer ther-moelastischen Druckwelle zur Folge hat. Die maximaleDruckamplitude steigt hierbei mit kurzerer Pulsdauer. Sieist, wie Abschatzungen zeigen, bei ms-Pulsen im Vergleichzu ns-Pulsen vernachlassigbar klein. Durch diesen zusatz-lichen Druck uberhitzt sich das Wasser starker als bei ms-Strahlung, die Nukleationstemperatur steigt dadurchstark bis zum spinodalen Punkt an. Entsprechend explo-siver ist die einsetzende Vaporisation. Die Blasenwandge-schwindigkeit steigt nahezu linear mit der Bestrahlung an,4-fach oberhalb der Nukleationsschwelle wurden Ge-schwindigkeiten440m/s bestimmt [28]. Dieses fuhrt letzt-lich zu den großen, beobachteten Blasen. Zusatzlich sinddie entstehenden Druckwellen immer bipolar, d. h. sie be-sitzen einen Zugwellenanteil, der die plotzliche Nuklea-tion unterstutzt. Abschatzungen zeigen jedoch, dass dieserBeitrag gegenuber der starken Uberhitzung wohl nur einekleinere Rolle spielt [28].

Im Hinblick auf die SRT und ein adaquates therapeu-tisches Fenster scheinen die hier vorgestellten ErgebnisseMikrosekundenpulse gegenuber Nanosekundenpulsen zufavorisieren: Bei Mikrosekundenpulsen ist die maximaleBlasengroße um ein Melanosom und damit der Schadens-radius weitgehend unabhangig von der deponierten Ener-gie, so dass die Wahrscheinlichkeit fur ungewollteSchadigung der an das RPE angrenzenden Photorezepto-ren auch bei hoher Dosierung der Laserstrahlung eherklein ist. Allerdings wird in diesen Experimenten das Zu-sammenwachsen von eng benachbarten Blasen, wie es inden dicht pigmentierten RPE- Zellen vorkommt (Abb. 1),nicht berucksichtigt. Dieses fuhrt jedoch grundsatzlich beiallen Pulsdauern eher zu großeren Blasen. Weiterfuhrendeinterferometrische Messungen an RPE-Praparaten zeigendas Zusammenwachsen solcher Blasen bei Pulsdauernvon 1,7 ms ab etwas einem Faktor 4 oberhalb der Zell-schadigungsschwellwertbestrahlung [29], gleiche Messun-gen fur ns-Pulse stehen zur Zeit noch aus. Bezuglich derauf das bestrahlte Areal beschrankten Zellschadigungkonnte gezeigt werden, dass erst ab einem Faktor43(300 und 1700 ns) auch nicht bestrahlte RPE-Zellen ge-schadigt werden. Es ist somit davon auszugehen, dass dieMikroblasenbildung eine ausreichende Zellselektiviaterzielt [29].

Tabelle 1

Vergleich der Schwellbestrahlungen fur verschiedene Bestrah-

lungen [30].

Parameter ED50opht

(mJ/cm2)

ED50ang

(mJ/cm2)

ED50opht/

ED50ang

ED14opht/

ED86ang

200 ns 1 Puls 355 127 2,8 1,1

200 ns 10 Puls 335 93 3,6 1,6

200 ns 100 Puls 250 44 5,7 2,8

1,7ms 1 Puls 461 292 1,6 0,6

1,7ms 10 Puls 312 127 2,5 1,0

1,7ms 100 Puls 356 135 2,6 1,6

In-vivo-Untersuchungen

Zur Untersuchung der Beeintrachtigung der angrenzen-den Netzhaut und der Photorezeptoren sind in-vitro-RPE-Praparate ungeeignet, da sich die neuronale Netz-haut bereits innerhalb einer Stunde post mortem vomRPE ablost. Daher wurden einige Experimente am Ka-ninchenmodell durchgefuhrt. In vivo lassen sich RPE-Schaden durch Fluoreszenzangiographie (FLA) demar-kieren, ein Standardverfahren zur Darstellung von Patho-

logien an der Netzhaut. Hierzu werden Farbstoffe wie z.B.Fluoreszein verwendet, das mit blauem Licht zu grunerFluoreszenz angeregt werden kann. Zur Gefaßdarstellung(Angiographie) wird Fluoreszenzfarbstoff in die Blutbahninjiziert. Da das RPE mit seinen interzellularen Verbin-dungen (tight junctions) die Blut-Retina-Schranke dar-stellt und zudem stark pigmentiert ist, sind an gesundenAugen lediglich die Gefaße der Netzhaut, nicht jedoch dieder Aderhaut in Fluoreszenz zu erkennen. Bei geschadig-tem RPE oder tight junctions kann jedoch Fluoreszeindurch diese Areale in die Netzhaut diffundieren. Kurznach Injektion eines Fluoreszein-Bolus lassen sich dannamGefaßsystem veranderte Areale am Augenhintergrundebenso sichtbar machen wie die als hyperfluoreszierendeSpots erscheinenden laserinduzierten Schaden am RPE.

Fur verschiedene Bestrahlungsparameter wurden so dieED50-Bestrahlungen fur angiographisch sichtbare RPE-Leckage bestimmt. Ferner wurde die ED50, bei der imWeißlicht erste sichtbare Veranderungen auftreten, alsophthalmoskopische Schwelle bestimmt, die, belegt durchvielfache histologische Untersuchungen, mit einer Koagu-lation der Photorezeptoren assoziiert werden kann. DerQuotient aus der 14%-igen Wahrscheinlichkeit der Erzeu-gung einer angiographisch sichtbaren zu der 86%-igenWahrscheinlichkeit einer optisch sichtbaren Veranderungwurde als

’’therapeutisches Fenster’’ definiert.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse fur die Pulsdau-er von 1.7 ms, im Vergleich zu experimentell ebenfalls er-probten 200 ns zeigt Tabelle 1 [30]. Bei allen sechsuntersuchten Parametern ergibt sich ein deutlicher Unter-schied zwischen angiographischer und ophthalmoskopi-scher Schwelle. Im Bereich des

’’therapeutisches Fensters’’

sind die gesetzten RPE-Defekte damit optisch im Weiß-licht nicht sichtbar. Generell wurde eine Abnahme beiderED50-Werte mit geringerer Pulsdauer sowie mit einerErhohung der Pulsanzahl gefunden, abgesehen von dennicht signifikant hoheren Werten bei 1,7 ms mit 100 Pul-sen. Wie zuvor in vitro (Abb. 7) zeigt sich der positive ad-ditive Effekt repetitiv applizierter Pulse.

Page 11: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 11. Berechneter Temperaturverlauf an der Oberflache eines Melanosoms und in 10 mm Abstand bei repetierender Be-

strahlung mit 100Hz, einer Einzelpulsenergie von 200mJ, Pulsdauer 1.7ms, 200 mm Spotdurchmesser, wie es zur Zeit fur die SRT

verwendet wird. Bestrahlung: 637mJ/cm2.

11R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

Blutungen oder Rupturen an der Netzhaut wurden imgesamten untersuchten Bereich dabei nicht gefunden. Dasgroßte therapeutische Fenster zeigt sich bei 200 ns mit ap-plizierten 100 Pulsen. Ausreichend hohe Werte werden je-doch auch noch bei 10 Pulsen mit 200 ns und 100 Pulsenmit 1,7 ms erzielt (Tabelle 1). Weitere Untersuchungen ha-ben gezeigt, dass das therapeutische Fenster bei 5-ms-Pul-sen bereits deutlich kleiner ist [31]. Diese Ergebnissezeigen damit einen fur die SRT prinzipiell geeigneten Pa-rameterbereich auf unter Voraussetzung der Ubertragbar-keit dieser Werte auf den Menschen. Je kleiner dastherapeutische Fenster ist, je naher muss dicht oberhalbder angiographischen Schwelle bestrahlt werden und um-so wichtiger ist eine empfindliche Dosimetriekontrolle.

Die hier vorgestellten Ergebnisse lassen allerdings keineSchlusse uber mogliche mechanisch induzierte Schaden anden Photorezeptoren oder der neuralen Netzhaut zu, wiesie moglicherweise durch die Mikrovaporisation oberhalbder angiograpischen Schwelle erzeugt werden konnen.Hierzu stehen detaillierte Untersuchungen noch aus. Fer-ner konnen die an jungen, gesunden Kaninchenaugen er-zielten Ergebnisse wohl nur begrenzt auf pathologische,alterveranderte humane Augen ubertragen werden. Furdie ersten klinischen SRT-Studien wurde daher aus Si-cherheitsaspekten die Pulsdauer von 1.7 ms gewahlt. Wei-tere, bereits begonnene Studien werden zeigen ob kurzerePulsdauern und andere Applikationsparameter jedochmoglicherweise besser fur die SRT geeignet sind.

Abbildung 11 [32] zeigt hierzu exemplarisch den mitdem vorgestellten Modell berechneten Temperaturverlauffur die zur Zeit fur die SRT verwendeten Parameter miteiner Pulsfolgerate von 100Hz fur einen Bestrahlungs-spotdurchmesser von 200 mm. Es wird deutlich, dass dieTemperaturspitzen z.B. auf der Hohe der Außensegmenteder Photorezeptoren in 10 mm Abstand zu den Absorberndeutlich abgenommen haben (Abb. 5) und es insbesonderezu keinem wesentlich erhohten Basistemperaturanstiegkommt. Gegenuber der Photokoagulation, bei der ein

Areal von 200 mm im Durchmesser typischerweise mit ca.200mW bestrahlt, betragt bei der SRT die appliziertemittlere Leistung lediglich 20mW, entsprechend niedrigerist die mittlere Temperaturerhohung. Der Anstieg um ca.10 Grad fur 300ms reicht fur eine Koagulation nicht aus.

Pilotstudie

Fur eine erste klinische Pilotstudie wurden drei unter-schiedliche Krankheitsbilder ausgewahlt, bei denen eineRPE-Degradation wahrscheinlich ist (s. Motivation): diediabetische Makulopathie, die persistierende Retinopa-thia Centralis Serosa (RCS) sowie die Drusenmakulopa-thie als Vorstufe der altersbedingten Makuladegeneration(AMD).

Bis Ende 2002 wurden insgesamt ca. 130 Patienten mitdem oben beschriebenen Nd:YLF-Laser in Lubeck be-handelt. Hierzu wurde fur den Experimentallaser eineAusnahmegenehmigung nach der damals geltenden Me-dizingerateverordnung (MedGV) erteilt. Pro Bestrah-lungsareal wurden 30-100 Laserpulse einer Pulsdauervon 1.7 ms bei konstanter Pulsleistung mit einer Pulsfolge-rate von 100 oder 500Hz appliziert. Die retinale Spot-große betrug 160 mm [33,34].

Auf Grund der bereits am Kaninchen beobachtetenUnsichtbarkeit der Laserherde im therapeutischen Fens-ter wurde folgende Dosierungsstrategie festgelegt: Zu-nachst werden Testpulse mit aufsteigender Pulsenergieam Gefaßbogen, der sich um die Makula zieht, appliziert.Hierauf erfolgt eine FLA um festzustellen, bei welcherPulsenergie erstmals eine Leckage eintritt. Mit dieser Puls-energie wird anschließend die eigentliche SRT-Behand-lung im pathologischen Areal durchgefuhrt. Eine Stundenach SRT erfolgt eine zweite FLA, um den selektivenRPE-Effekt im Behandlungsareal zu dokumentieren.Wird mittels SRT eine RPE-Lasion erzeugt, ist dies an ei-ner punktformigen Hyperfluoreszenz in der FLA zu

Page 12: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 12. Fundusphotographie (A) und Fluoreszenzangiographie (B) eine Stunde nach SRT. Die hellen Punkte in B markieren

die SRT-Laserherde in der Angiographie. Die Testlasionen zwischen den Gefaßen, die zur Dosimetrie vor der Behandlung gesetzt

werden, zeigen bei hochster Pulsenergie (blaue Pfeile) erste Graufarbungen als Indiz einer Photokoagulation. Die Behandlungsherde

(gelbe Pfeile) sind im Fundusbild nicht erkennbar.

12 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

erkennen. Werden keine Leckagen oder deutlich wenigerals per Laser appliziert gefunden, so wird mit hohererPulsenergie nachbehandelt.

Bereits die ersten Bestrahlungen am Patienten be-statigten die Ergebnisse am Kaninchen: Bei richtiger Do-sierung sind optisch keine Koagulationen auszumachen,in der Fluoreszenzangiographie aber deutlich Leckagenzu erkennen, wie in Abbildung 12 (nach [35]) exemplarischgezeigt ist. Die Spanne der beobachteten Schwellwertbe-strahlungen zur RPE-Leckage liegen bei 350–650mJ/cm2

pro Puls (30 Pulse, 100Hz) und damit deutlich uber denam Kaninchen in vivo und an Schweine-RPE ex-vivo ge-messenen [13]. Ursachlich hierfur sind vermutlich die ge-ringere humane RPE-Absorption und die Strah-lungstransmission durch das Auge, die mit dem Alterdeutlich abnimmt. Mikroperimetrische Untersuchungenam Patienten zu verschiedenen Zeiten post SRT zeigten,dass es in den behandelten Arealen bei Pulsfolgeraten von100Hz zu keinerlei Sehausfallen (Skotomen) kommt [11].Temperaturmessungen wahrend der Bestrahlung undRechnungen ergaben ferner eine auf lediglich 42 1C an-steigende Basistemperatur [36].

Therapeutisch konnte bei den Patienten mit diabeti-scher Makulopathie in ca. 50-60% der Behandlungen eineReduktion des Makulaodems im Anschluss an die SRTerzielt werden, wobei geringeMakulaodeme besser auf dieSRT ansprachen als Befunde mit ausgepragten Arealen.Bei Drusenmakulopathie zeigte sich ein Ruckgang derDrusen bei ca. 30% der Patienten. Eine sekundare Ein-sprossung von Gefaßneubildungen, wie sie oft nach kon-ventioneller Laserbehandlung gefunden wird, ist nachSRT nicht beobachtet worden. Die Patienten mit einerRCS reagierten am positivsten auf die SRT. Von insge-samt 11 behandelten Patienten zeigten 8 eine eindrucks-volle Reduktion der Odeme bereits nach 3 Monaten.

3 Patienten wiesen nach drei Monaten noch eine Leckageam Quellpunkt auf, der durch Nachbehandlung jedochebenfalls inaktiv wurde. Parallel wurde ein Wiederanstiegdes Visus beobachtet [33,34].

On-line-Dosimetrie

Eine wesentliche Einschrankung der SRT ist die Unsicht-barkeit der bestrahlten Areale fur den behandelnden Arzt,was eine sichere Dosierung der Pulsenergie und exaktePlatzierung der Herde zueinander deutlich erschwert [11].Es besteht daher dringender Bedarf an einem nicht in-vasiven On-line-Detektionsverfahren zumMonitoring derselektiven RPE-Effekte. Idealerweise sollte ein solchesdem Ophthalmologen direkt wahrend der Behandlungals Kontrolle dienen, da zum einen die RPE-Schadigungsschwellwerte sowohl intra- als auch interin-dividuell deutlich schwanken und zudem das therapeuti-sche Fenster zwischen Unter- (kein Effekt) undUberdosierung (Koagulation und evtl. Disruption vonNetz- und Aderhaut) begrenzt ist. Vergleichbar zur Tier-studie konnte in der klinischen Pilotstudie an denTestlasionen beobachtet werden, dass bei Pulsenergienvon etwa 2-fach oberhalb der angiographischen Schwelledie ersten Graufarbungen auftreten, die auf Koagulationder Photorezeptoren hinweisen. Daher ist ein zuverlassi-ges Dosimetrieverfahren fur die Sicherheit und Reprodu-zierbarkeit der Behandlung und die klinische Verbreitungder SRT unerlasslich.

Nachdem zahlreiche Untersuchungen zeigten, dass dieselektiven RPE-Schaden bei ms-Pulsdauern hochstwahr-scheinlich auf mikroblaseninduzierter Zelldisruption ba-sieren [13,21,35], ist es nahe liegend, die Formation vonMikroblasen als Erfolgskriterium zu untersuchen. Zur

Page 13: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 14. Kontaktglas mit integriertem Ultraschallaufneh-

mer.

Abbildung 13. Links: Skizze zur Druckentstehung am RPE rechts: am Patienten gemessene Drucktransiente. Hier sind jeweils die

Ultraschallwellen aller 30 Pulse pro Herd zeitrichtig uberlagert dargestellt. A, B: Bestrahlung unterhalb der Nukleationsschwelle.

Nur eine bipolare, thermoelastische Druckwelle ist messbar. C, D: Bestrahlung oberhalb der Nukleationsschwelle. Die erste Spitze

der Transienten zeigt wiederum die thermoelastische Ausdehnung. Nach Uberschreitung der Nukleationstemperatur kommt es zur

Blasenbildung an den Melanosomen, die bei jedem Puls statistisch anders ausfallt.

13R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

Blasendetektion bieten sich, wie oben diskutiert, prinzi-piell optische [22,27] und akustische Verfahren [21,35] an.Erste Abschatzungen zum Signal/Untergrund favorisier-ten ein akustisches Verfahren. Abbildung 13 (a, c) skiz-ziert die Entstehung akustischer Transienten bei der SRT.Zunachst kommt es durch die Absorption der Strahlungzur Erhitzung der Melanosomen und in geringerem Maßauch der Umgebung. Dieses bewirkt eine thermoelastischeGewebeausdehnung mit der Emission eine Druckwelle[21]. Bei Uberschreitung der Vaporisationstemperaturkommt es zur Mikroblasenbildung an den einzelnen Me-lanosomen mit der jeweiligen Emission individuellerDruckwellen durch die Blasendynamik. Die Ultraschall-wellen mit Frequenzen im Megahertzbereich durchquerenden Augapfel und konnen nichtinvasiv an der Hornhautdes Auges gemessen werden. Hierzu wurde in ein zur Be-handlung ohnehin benotigtes Kontaktglas ein Ultra-schallwandler integriert (Abb. 14 [37]). Die verstarktenSignale konnen dann mit einem Transientenrecorder odereiner entsprechenden Datenaufnahmekarte gemessen undper PC verrechnet werden.

Abbildung 13(b,d) [37] zeigt typische akustische Transi-enten einer Patientenbehandlung. Es wurden hier alle 30Transienten eines Pulszugs zeitrichtig uberlagert. In Ab-bildung 13(b) bei Bestrahlung unterhalb des Schwellwertszur Blasenbildung sind typische thermoelastische bipolareTransienten detektierbar. Bei Bestrahlungen oberhalb derNukleationsschwelle, Abbildung 13d, unterscheiden sichdie Transienten nach dem ersten Peak des Signals, der beiallen Kurven gleich bleibt und wiederum auf die thermo-elastische Expansion nach anfanglicher Erhitzung zuruck-zufuhren ist. Die transienten Abweichungen basieren auf

der statistisch bei jedem Einzelpuls unterschiedlichen Mi-kroblasenbildung. Aus den Abweichungen wurde mit ei-nem mathematischen Algorithmus ein sogenannter

’’optoakustischer’’ Wert (OA-Wert) extrahiert [21,35],

der ein Maß fur die maximale Abweichung des Signalsvom Mittelwert des Transienten darstellt. In in-vitro Un-tersuchungen konnte gezeigt werden, dass dieses Verfah-ren außerst empfindlich ist und bereits die Schadigungeinzelner Zellen eines großen Areals bei sehr schwellenna-her Bestrahlung detektierbar macht [35].

Um die Korrelation des akustischen Werts zur bisherals Kriterium verwendeten Fluoreszein-Leckage am RPE

Page 14: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 15. Vergleich zwischen angiographisch sichtbarer Fluoreszein-Leckage und optoakustischem Wert nach SRT am Bei-

spiel eines RLS-Patienten. Legt man die Schwelle auf OA ¼ 0.2, so ergibt sich in 22 von 23 Bestrahlungsorten eine richtige Kor-

relation. Grun: angiographisch sichtbar, rot: angiographisch nicht sichtbar. Der einzige falsch-positive Wert dicht oberhalb des

Grenzwerts ist gelb bezeichnet.

14 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

zu zeigen, wurden an mehreren Patienten Herd fur HerdOA-Werte und fluoreszenzangiographische Leckage ver-glichen, wie exemplarisch fur einen Patienten gezeigt(Abb. 15 [35]). Legt man hier z.B. amWert OA ¼ 0.2 eineGrenze, so ergeben sich bei diesem RCS-Patienten einerichtige Detektion von 22 Herden (inkl. der Testlasionenam oberen Gefaßbogen) sowie eine falsch-positive Zuord-nung. Aufgrund der erzielten hohen Korrelation beiderMessverfahren wird in der zur Zeit laufendenMulticenter-Studie der OA-Wert dem Arzt on-line angezeigt, um ihmso ein Kriterium zur effektiven schwellnahen Dosimetriewahrend der Behandlung an die Hand zu geben.

In weiterfuhrenden Untersuchungen wird zur Zeit eineoptisch-interferometrische Detektion der Blasennuklea-tion untersucht [22]. Hierzu wird die erhohte Reflexionvon Strahlung durch den Brechungsindexsprung an derBlasengrenzflache genutzt, um deren relative Bewegungnachzuweisen. Die interferometrische Detektion der Bla-senbewegung hat gegenuber der reinen Reflektometrieden Vorteil, die vielfach auftretenden Ruckstreuungenim Auge und an der Netzhaut auszublenden. Ferner ge-stattet sie zeitaufgeloste Messungen zur Blasenwandge-schwindigkeit und Blasenlebensdauer sowie die Bla-sendetektion unabhangig fur jeden einzelnen Puls, wassamtlich mittels Optoakustik bisher nicht moglich ist. Ex-perimentell konnte die Mikrovaporisation in vitro anRPE-Proben bereits mit einem Freistrahl-Interferometernachgewiesen werden [22]. Ziel eines zur Zeit laufendenBMBF-Projekts ist die Realisierung eines kompakten,hochsensiblen, aber storunempfindlichen Faserinterfero-meters, das direkt an eine optische Behandlungsspaltlam-pe integriert werden kann. Eine funktionelle, storsichereund nicht-invasive On-line-Bestrahlungskontrolle ist zurReproduzierbarkeit und Verbreitung der SRT außerhalbgroßer Universitatskliniken unabdingbar.

Multicenter-Studie

Um das Potenzial der SRT naher zu evaluieren, wird der-zeit eine multizentrische Studie mit Zentren in London(St. Thomas Hospital), Lubeck (Universitatsaugenklinik)und Kiel als Studienzentrum (Universitatsaugenklinik)durchgefuhrt. Folgende Krankheitsbilder sind indiziert:die diabetische Makulopathie (DMP) als besonders rele-vant, da sie neben der AMD die haufigste Erblindungsur-sache darstellt. Hier wird ein Anstieg der Diabeteserkran-kungen von geschatzten 110 Millionen im Jahr 1994 auf220 Millionen im Jahr 2010 erwartet. Ferner wird dasMakulaodem nach retinalem Venenastverschluss thera-piert. Wenige Patienten mit altersabhangiger Makulade-generation (AMD) in den Subformen der geographischenAtrophie und okkulter choroidale Neovaskularisation(CNV) werden bei passender Indikation exemplarisch the-rapiert. Weiterhin werden, außerhalb der Studie, RCS-Patienten behandelt, da sich bei ihnen ein besonders hoherTherapieerfolg herauskristallisiert.

Fur die Studie wurden mit Unterstutzung des Studien-sponsors Lumenis drei SRT-Laser am Medizinischen La-serzentrum Lubeck hergestellt (SRT-Laser, MLLGmbH). Konzeptionell wurde dazu ein kontinuierlich di-odengepumpter, gutegeschalteter Nd:YLF-Laser mit re-sonatorinterner Frequenzverdopplung entwickelt [38].Zur zeitlichen Streckung der Laserpulse von 200 ns auf1,7 ms wird der Effekt der Uberkopplung der Konversi-onseffizienz bei der resonatorinternen Frequenzverdopp-lung ausgenutzt [38]. In der Studie werden proBestrahlungsareal auf einen retinalen Spotdurchmesservon 200 mm 30 Laserpulse mit einer Pulsfolgerate von100Hz als Burst appliziert.

Der Behandlungseffekt wird funktionell durch Vis-usprufung, angiographisch und morphologisch (Netz-

Page 15: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

Abbildung 16. Visusauswertung anhand der ETDRS-Tafeln fur

60 Patienten mit diabetischem Makulaodem 6 Monate nach

SRT.

15R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

hautdickenmessung mittels optischer Koharenztomo-graphie [OCT]) bewertet. Verlaufskontrollen sind fur diePatienten nach 3 und 6 Monaten vorgesehen. Das vorge-stellte optoakustische Dosimetrieverfahren zur Bestim-mung der Blasenbildungsschwelle wurde zur Erprobungin das System integriert. Dem behandelnden Arzt wirddirekt nach jedem Burst der erzielte OA-Wert angezeigt[21]. Eine Stunde im Anschluss an die SRT-Behandlungerfolgen eine FLA und eine Indocyanin-Grun-Angio-graphie (ICGA), um den durch die SRT-Behandlung ver-ursachten RPE Effekte nachzuweisen.

Die 60 DMP-Patienten wurden zur Bewertung der Vis-usentwicklung in drei Gruppen aufgeteilt, der Visus mitHilfe der standardisierten ETDRS-Tafeln gewertet. DieseTafeln bestehen aus jeweils 5 Buchstaben pro Zeile, wobeivon Zeile zu Zeile die Große der Buchstaben definiert ab-nimmt. Als Visusstabilisierung wurde die Sehstarke defi-niert, wenn der Visus innerhalb von+/�1 Zeile blieb, eineVisusverbesserung/�verschlechterung als Gewinn/Verlustder Sehkraft von 41 Zeile.

Die Ergebnisse zeigen fur die 60 behandelten Patienteneinen Visusgewinn nach 6 Monaten in 38.7% der Falle,eine Stabilisierung in 50.8% und einen Visusverlust in10.5% der Patienten (Abb. 16) [39]. Mit der optischenKoharenztomographie zeigt sich im Verlauf eine imDurchschnitt geringfugig abnehmende foveale Netzhaut-dicke von 350 mm auf 330 mm 6 Monate nach der Behand-lung. Ferner konnte nach 6 Monaten konnte eineReduktion der angiographisch sichtbaren Leckage-aktivitat in 24% der Patienten, eine Stabilisierung der Le-ckageaktivitat in 38% und eine Zunahme derLeckageaktivitat bei 38% der Patienten testiert werden[39].

Sowohl die funktionellen als auch morphologischen Er-gebnisse bei den Patienten mit diabetischer Makulopathie

sind vielversprechend. Insbesondere scheinen Patientenmit fruher foveanaher diabetischer Pathologie eine guteIndikation fur die SRT zu sein, hier existieren auch keineanderen lasertherapeutischen Optionen.

Fur Patienten mit persistierender RCS zeichnet sich be-reits ab, dass diese von der SRT deutlich profitieren. Beider jungsten Behandlung von 27Patienten mit mindestens6 monatiger Visusreduktion wurde, bei 23 Patienten diesubretinale Flussigkeit komplett resorbiert, bei 4 Patien-ten wurde sie deutlich weniger [40]. Der Quellpunkt derFlussigkeitsleckage im RPE war fluoreszenzangiogra-phisch nachweislich innerhalb von 4 Wochen bei 26 Pati-enten geschlossen. Auch nach 3 Monaten war bei allen 16weiterverfolgten Patienten keine subretinalen Odememehr nachweisbar, der Visus stieg im Mittel innerhalbvon 3 Monaten deutlich an [40]. Die Behandlung ist damitfur RCS-Patienten außerordentlich erfolgreich und ne-benwirkungsfrei. Gerade bei jungeren Patienten kann sodie einhergehende, außerst storende Visusminderung si-cher und ohne Gefahr von Gesichtsfeldeinbußen behan-delt werden.

Ausblick

Das Potenzial der SRT wird sicher erst nach weiteren kli-nischen Studien besser determinierbar sein. Zurzeit sindweder die optimalen Bestrahlungsparameter noch die Be-handlungsstrategie bezuglich der Applikationsgeometrieder Laserherde bekannt, die sich bisher nur an die kon-ventionelle Behandlung anlehnen. Mit Blick auf die Ap-plikationsmuster konnte eine scannend applizierte SRTeine Alternative zur gepulsten SRT darstellen. Hier wirdein kontinuierlicher Laserstrahl mit so hoher Geschwin-digkeit uber die Retina gescannt, dass jeder Punkt derRetina ebenfalls lediglich fur Mikrosekunden bestrahltwird. In vitro Ergebnisse zu einer scannenden zeigten dieMachbarkeit der Technik [41] und eine selektive RPE-Le-ckage an Kaninchen fur verschiedene Scanparameter istdemonstriert [42]. Die antizipierten und Vor- und Nach-teile einer scannenden gegenuber einer gepulsten SRT sindausfuhrlich dargelegt [41].

Die zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Ergebnisse beiPatienten mit verschiedenen Makulopathien zeigt, dassdie SRT ein sicheres Laserverfahren fur eine selektiveRPE-Behandlung darstellt. Insbesondere aufgrund derscheinbar nebenwirkungsfreien Applikation ist die SRTauch im Fruhstadium verschiedener Pathologien und inder zentralen Makula applizierbar, wo zurzeit keine an-dere konventionelle Behandlung indizierbar ist. Durchden Einsatz einer Online-Dosimetrie sollte die SRT auchfur den klinischen Routinebetrieb praktikabel sein, da sieaufwandige Angiographien zur Demarkierung des Laser-effekts obsolet macht.

Page 16: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

16 R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

Danksagung

Die Autoren danken Herrn Prof. Roider fur die erstenexperimentellen und klinischen Arbeiten zur SRT, Dr.Framme und Dr. Elsner fur zahlreiche vorklinische undklinische Untersuchungen und Behandlungen sowie Dr.Kracht, Dr. Schule und Dr. Neumann fur grundlegendeexperimentelle Arbeiten zu Lasertechnik und Dosimetrie.Besonderer Dank gilt ferner dem Bundesministerium furBildung und Forschung (BMBF) fur die Unterstutzungdes Vorhabens (13N7309 und 01EZ0408) sowie dem Stu-diensponsor Lumenis.

Literatur

[1] Gabel VP. Die Lichtabsorption am Augenhintergrund. Habilitati-on. Ludwig Maximilians-Universitat Munchen, 1974.

[2] Gabel VP, Birngruber R, Hillenkamp F. Visible and near infraredlight absorption in pigment epithelium and choroids. CongressSeries: XXIII Concilium Ophthalmologicum 1978;450:658–62.

[3] Birngruber R, Hillenkamp F, Gabel VP. Theoretical investigationsof laser thermal retinal injury. Health Phys 1985;48(6):781–96.

[4] Birngruber R, Hillenkamp F, Gabel VP. Experimental studies oflaser thermal retinal injury. Health Phys 1983;44(5):519–31.

[5] Bresnick G. Diabetic maculopathy: A critical review highlightingdiffuse macular edema. Ophthalmology 1983;90:1301–17.

[6] Greite JH, Birngruber R. Low intensity argon laser coagulation incentral serous retinopathy (csr). Ophthalmologica 1975;171(3):214–43.

[7] Figueroa M, Regueras A, Bertrand J, Aparicio M, Manrique M.Laser photocoagulation for macular soft drusen. Retina 1997;17(5):378–84.

[8] Roider J, Michaud NA, Flotte TJ, Birngruber R. Response of theRetinal Pigment Epithelium to Selective Photocoagulation. ArchOphthalmol 1992;110:1786–92.

[9] Roider J, Hillenkamp F, Flotte TJ, Birngruber R.Microphotocoagulation: Selective effects of repetitive short laserpulses. Proc Nat Acad Sci USA 1993;90:8463–647.

[10] Schrarmeyer U, Heimann K. Current understanding on the role ofretinal pigment epithelium and its pigmentation. Pigment Cell Res1999;12:219–36.

[11] Roider J, Brinkmann R, Birngruber R. Selective retinal pigmentepithelium laser treatment—Theoretical and clinical aspects. In: La-sers in Ophthalmology—Basic, Diagnostic and surgical Aspects(Eds. Fankhauser, Kwasniewska), 119-129. Kugler Publications,The Hague, 2003.

[12] Anderson RR, Parrish JA. Selective Photothermolysis: PreciseMicrosurgery by Selective Absorption of Pulsed Laser Radiation.Science 1983;220:524–7.

[13] Brinkmann R, Huttmann G, Rogener J, Roider J, Birngruber R,Lin CP. Origin of retinal pigment epithelium cell damage by pulsedlaser irradiance in the nanosecond to microsecond time regimen.Lasers Surg Med 2000;27(5):451–64.

[14] Lorenz B, Birngruber R, Vogel A. [Quantification of the wavelengthdependence of laser-induced choroid coagulation]. Fortschr Op-hthalmol 1989;86(6):644–54.

[15] CarslawH S, Jaeger J C. Conduction of heat in solids. Oxford at theClarendon Press, second edition, 1959.

[16] Huttmann G. Mechanismen der selektiven Schadigung desRPE: Modellrechnungen. Forschungs- und Entwicklungsbericht,Medizinisches Laserzentrum Lubeck GmbH, http://www.bmo.uni-luebeck.de/fbericht02.htm, 2002.

[17] Graemer H. Entwicklung einer Hochspannungsregelung im 10 nsBereich zur Formung von Laserpulsen mittels elektrooptischer Mo-

dulation der Resonatorgute. Diplomarbeit am Medizinischen La-

serzentrum Lubeck, Fachbereich Elektrotechnik. Fachhochschule

Lubeck, 2002.

[18] Brinkmann R, Meyer W, Engelhardt R, Walling JC. Laser inducedshockwave lithotripsy by use of an 1 ms Alexandrite laser. Proc SPIE

1990;1200:67–74.

[19] Lin CP, Kelly MW, Sibayan SAB, Latina MA, Anderson RR.

Selective Cell Killing by Microparticle Absorption of Pulsed Laser

Radiation. IEEE J select Topics Quantum Electron 1999;5(4):

963–8.[20] Neumann J, Brinkmann R. Boiling nucleation on melanosomes and

microbeads transiently heated by nanosecond and microsecond

laser pulses. J Biomed Optics 2005;10(2):024001.

[21] Schule G, Elsner H, Framme C, Roider J, Birngruber R, Brinkmann

R. Optoacoustic real-time dosimetry for selective retina treatment.J Biomed Opt 10(6):064022,1–11, 2005.

[22] Neumann J, Brinkmann R. Cell disintegration by laser induced

transient microbubbles and its simultaneous monitoring by inter-

ferometry. J Biomed Opt 11(4):041112, 1–11, 2006.

[23] Finney D. Probit Analysis. 3. Edition. Cambridge University Press,1971.

[24] Schule G, Rumohr M, Huttmann G, Brinkmann R. RPE damage

thresholds and mechanisms for laser exposure in the ms to ms time

regimen. Inv Ophthalmol & Vis Sci 2005;46(2):714–9.

[25] Needham D, Nunn RS. Elastic deformation and failure of liquidbilayer membranes containing cholesterol. Biophysical Journal

1990;58:997–1009.

[26] Glickman RD. Phototoxicity to the retina: mechanisms of damage.

Int J Toxicol 2002;21(6):473–90.

[27] Neumann J. Mikroskopische Untersuchungen zur laser-induzierten

Blasenbildung und -dynamik an absorbierenden Mikropartikeln.Dissertation, Universitat zu Lubeck, 2005.

[28] Neumann J, Brinkmann R. Nucleation and bubble expansion velo-

city around ns laser heated microabsorbers in water. subm. to J

Appl Phys, 2006.

[29] Neumann J, Brinkmann R. Cell disintegration by laser-inducedtransient microbubbles and its simultaneous monitoring by inter-

ferometry. J Biomed Opt 11(4):041112, 1–11, 2006.

[30] Framme C, Schule G, Roider J, Birngruber R, Brinkmann R. In-

fluence of pulse duration and pulse number in selective RPE laser

treatment. Las Surg Med 2004;34(3):206–15.[31] Framme C, Schule G, Roider J, Kracht D, Birngruber R, Brink-

mann R. Threshold determinations for selective RPE damage with

repetitive pulsed microsecond laser systems in rabbits. Ophthalmic

surg las 2002;33(5):400–9.

[32] Brinkmann R, Schule G, Neumann J, Framme C, Porksen E, ElsnerH, Theisen-Kunde D, Roider J, Birngruber R. Selektive Retina-

Therapie: Methodik, Technik und Online-Dosimetrie. Ophthalmo-

loge 2006;103(10):839–49.

[33] Roider J, Wirbelauer C, Brinkmann R, Laqua H, Birngruber R.

Variability of RPE reaction in two cases after selective RPE laser

effects in prophylactic treatment of drusen. Graefe’s Arch Clin ExpOphthalmol 1999;237:45–50.

[34] Roider J, Brinkmann R, Wirbelauer C, Laqua H, Birngruber R.

Subthreshold (retinal pigment epithelium) photocoagulation in

macular diseases: a pilot study. Br J Ophthalmol 2000;84(1):

40–7.[35] Schule G. Mechanismen und On-line Dosimetrie bei selektiver RPE

Therapie. Dissertation, Medizinisches Laserzentrum Lubeck

GmbH, Universitat zu Lubeck, 2002.

[36] Schule G, Huttmann G, Framme C, Roider J, Brinkmann R. Non-

invasive optoacoustic temperature determination at the fundus ofthe eye during laser irradiation. J Biomedical Optics 2004;9(1):

173–9.

Page 17: Selektive Retina-Therapie (SRT) - bmo.uni-luebeck.de · Die granula¨re Struktur der Absorber fu¨hrt fu¨r Pulsdau- erno5ms direkt an der Oberfla¨che der Melanosomen zu ausgepra¨gten

ARTICLE IN PRESS

17R. Brinkmann, R. Birngruber / Z. Med. Phys. ] (]]]]) ]]]–]]]

[37] Schule G, Huttmann G, Brinkmann R. Noninvasive temperaturemeasurements during laser irradiation of the retina with op-toacoustic techniques 2002;4611:64–71.

[38] Kracht D, Brinkmann R. Green Q-switched microsecond laser pul-ses by overcoupled intracavity second harmonic generation. Opticscommunication 2004;231:319–24.

[39] Elsner H, Klatt C, Liew SH, Porksen E, Bunse A, Rudolf M,Brinkmann R, Hamilton RP, Birngruber R, Laqua H,Roider J. Selektive Retina Therapiey (SRT) bei Patientenmit diabetischer Makulopathie. Ophthalmologe 2006;103(10):856–60.

[40] Elsner H, Porksen E, Klatt C, Bunse A, Theisen-Kunde D, Brink-mann R, et al. Selective Retina Therapy (SRT) in patients withcentral serous chorioretinopathy (CSC). Graefes Arch Ophthalmol,in print. on-line: DOI:10.1007/s00417-006-0368-5, 2006.

[41] Brinkmann R, Koop N, Ozdemir M, Alt C, Schule G, Lin CP, et al.Targeting the Retinal Pigment Epithelium (RPE) by Means of aRapidly Scanned Continuous Wave (CW) Laser Beam. Las SurgMed 2003;32(4):252–64.

[42] Alt C, FrammeC, Schnell S, Lee H, BrinkmannR, Lin CP. Selectivetargeting of the retinal pigment epithelium using an acousto-opticlaser scanner. J Biomed Opt 2005;10(6):64014.