selektive erregung sympathischer ganglien durch cresoxycholine (coc)

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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 215, S. 525--546 (1952). Aus dem Department of Pharmacology, University of Utah College of Medicine. Selektive Erregung sympathischer Ganglien dureh Cresoxyeholine (COC) ~. Von S. LOEWE und SUSANNE L. PUTTUCKo Teilweise unter teehniseher Mitarbeit yon Po E. BARTSCHIW~ J. G. GELERNTER~t~ L. 0. KIMBALL~ R. SNYDER~ 9 und V. K. VANCE~#~o Mit 15 Textabbfldungen. (Eingegangen am 5. Februar 1952.) Eine Frage tier allgemeinen Pharmakologie, der WOLFOANG HEU•- NE~S" Denken ffir lange Jahre zugewandt war, war die naeh der Be- ziehung zwischen Erregung und Li~hmung dureh Pharmaka. War es doeh z.B. dieses Problem, das er vor genau 40 Jahren einem Novizen des G6ttinger Instituts als Arbeitsgegenstand vorschlug. Es ist in der Er- innerung an jene Zeit, dal3 tier damalige Novize heute dem Jubilar, der inzwisehen fiber jene Fragestellung, wie diese fiber sich selbst, hinaus- gereift ist, den Berieht fiber eine kleine Beobachtung widmet, die in ihrer Art als Beitrag zu dem revidierten Problem betrachtet werden mag. Die Beobachtung war ein Nebenergebnis des Studiums der Frage, in welcher Weise Quaternisierung der aliphatischen Aminogruppe der Histaminantagonisten verschiedener Klassen deren selektive Antihista- minwirkung ver~ndert 19. Es land sich dabei, dal3 die quatern~ren Ana- logen der kurz zuvor yon uns 17, is und unabh/~ngig anderw~rts 2° als Histaminantagonisten entdeekten Klasse der Benzylphenyl~ther des Di- methylaminoiithanols (C 5881 und Verwandte) zwar in wechselndem Aus- mal3e die Antihistaminwirkung der terti/iren Muttersubstanzen bei- behielten, aber in mehrere Gr6Benordnungen niedrigerer Dosierung starke blutdrucksteigernde Wirkung besa$en. Die Umwandlung dieser teri~ren Amine in Choline bringt also Substanzen mit einer neuen und viel st/~r- keren Wirkung zustande. ~dber einige Versuche, die Pharmakologie dieser KSrperklasse aufzuklaren, soil hier berichtet werden. * Herrn Prof. Dr. W. HEUBNERzum 75. Geburtstag gewidmet. ** Diese Untersuchungen wurden zum Teil mit einer Forschungsbeihilfe des Life Insurance Research Fund durchgefiihrt. *** Student der Medizin der University of Utah; in teilweiser Erfiillung der Kursaufgaben des Department of Pharmacology ausgef/ihrte Untersuchungen. 35*

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Page 1: Selektive Erregung sympathischer Ganglien durch Cresoxycholine (COC)

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 215, S. 525--546 (1952).

Aus dem Department of Pharmacology, University of Utah College of Medicine.

Selektive Erregung sympathischer Ganglien dureh Cresoxyeholine (COC) ~ .

Von S. LOEWE und SUSANNE L. PUTTUCKo

Teilweise unter teehniseher Mitarbeit yon Po E. BARTSCHIW~ J. G. GELERNTER~t~ L. 0. K I M B A L L ~ R. S N Y D E R ~ 9

und V. K. VANCE~#~o

Mit 15 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 5. Februar 1952.)

Eine Frage tier allgemeinen Pharmakologie, der WOLFOANG HEU•- NE~S" Denken ffir lange Jahre zugewandt war, war die naeh der Be- ziehung zwischen Erregung und Li~hmung dureh Pharmaka. War es doeh z .B. dieses Problem, das er vor genau 40 Jahren einem Novizen des G6ttinger Inst i tuts als Arbeitsgegenstand vorschlug. Es ist in der Er- innerung an jene Zeit, dal3 tier damalige Novize heute dem Jubilar, der inzwisehen fiber jene Fragestellung, wie diese fiber sich selbst, hinaus- gereift ist, den Berieht fiber eine kleine Beobachtung widmet, die in ihrer Art als Beitrag zu dem revidierten Problem betrachtet werden mag.

Die Beobachtung war ein Nebenergebnis des Studiums der Frage, in welcher Weise Quaternisierung der aliphatischen Aminogruppe der Histaminantagonisten verschiedener Klassen deren selektive Antihista- minwirkung ver~ndert 19. Es land sich dabei, dal3 die quatern~ren Ana- logen der kurz zuvor yon uns 17, is und unabh/~ngig anderw~rts 2° als Histaminantagonisten entdeekten Klasse der Benzylphenyl~ther des Di- methylaminoiithanols (C 5881 und Verwandte) zwar in wechselndem Aus- mal3e die Antihistaminwirkung der terti/iren Muttersubstanzen bei- behielten, aber in mehrere Gr6Benordnungen niedrigerer Dosierung starke blutdrucksteigernde Wirkung besa$en. Die Umwandlung dieser teri~ren Amine in Choline bringt also Substanzen mit einer neuen und viel st/~r- keren Wirkung zustande. ~dber einige Versuche, die Pharmakologie dieser KSrperklasse aufzuklaren, soil hier berichtet werden.

* Herrn Prof. Dr. W. HEUBNER zum 75. Geburtstag gewidmet. ** Diese Untersuchungen wurden zum Teil mit einer Forschungsbeihilfe des

Life Insurance Research Fund durchgefiihrt. *** Student der Medizin der University of Utah; in teilweiser Erfiillung der

Kursaufgaben des Department of Pharmacology ausgef/ihrte Untersuchungen. 35*

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526 S. LOEWE und S. L. PU~rVCK:

I. Chemie und Bezeichnungsweise.

Den hier zu behandelnden Stoffen* ist die allgemeine Struktur R-CH~- ÷

C6H4-O-CH~-CH~-N(CHa) 3 gemeinsam, und die Klasse mag daher als die der Cresoxycholine (COC) bezeichnet werden. In den drei Vertretern, in denen bisher die st~rkste Blutdruckwirkung gefunden wurde,ist R Phenyl, p-Fluorphenyl oder 2-Thenyl; die drei Spitzenvertreter sind also o-Benzylphenoxycholin (I), 0-(4-Fluorbenzyl)-phenoxycholin (III) und o-(2 -Thienyl)-phenoxycholin (II). Da alle drei praktisch ziemlich gleiche

Abb. 1. Hund, Urethannarkose. Blutdruek fiber Carotiskanfile, PrfifungslSsungen in eine Jugular- vene. A und D: Adrenalin. B, E und F : COC ( I I = ,,U 196"). Bei C: Hohe Cervicalmarkdurch-

schneidung.

Wirkungsst~rke und -qualit~t besitzen, werden sie im folgenden verein- fachend generell als ,,COC" oder die ,,COCe" bezeichnet werden. Die Mehrzahl der Versuche wurde mit I I I ausgefiihrt, in vielen entscheiden- den Versuchen wurden alle drei nebeneinander verwendet.

Alle drei Substanzen kamen als Hydrojodide zur Anwendung. Diese Salze sind farblose kristallinische Substanzen von begrenzter, aber fiir alle vorliegenden Zwecke ausreichender Wasserl6slichkeit. l%ige VorratslSsungen, in heiBem Wasser bereitet, kristallisieren in der K~lte langsam aus. Mgfliges Erw~rmen bringt die Kristalle schnell wieder in LSsung. Die LSsungen sind, im Kfihlschrank auf- bewahrt, mindestens fiir mehrere Wochen haltbar. Bei Verdiinnung mit gepufferten physiologischen SalzlSsungen tritt Opalescenz mit geringfiigiger Neigung zu Pr~- zipitatbildung auf. Die Substanzen liefern haltbare LSsungen yon viel hSherer Konzentration in Propylenglykol.

* Alle Substanzen dieser Verwandtschaftsreihe wurden erstmalig in den Bristol Laboratories, Inc., Syracuse, N. ¥., synthetisiertL ,9, 32 und uns zur pharmako- logischen Untersuchung von deren Forschungsdirektor, Dr. A. MENOTTI, iiberlassen.

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Selektive Erregung sympathiseher Ganglien dutch Cresoxycholine. 527

II. Blutdruckwirkung. 1. AUgemeines Wirkungsbild ; Zu/i~hrungsbedingungen. Die Blutdruek-

steigerung, die durch intravenSse COC-Dosen yon weniger als 10 ~ auf- w~rts an Katzen und Hunden in Uretban- oder Nembutal (~)~thyl- methylbutyl-barbiturs~ure)-Narkose hervorgerufen wird, ~hnelt in man- eher Hinsicht der dureh wirkungsgleiehe Epinephrin*dosen erzeugten. Die Latenzzeit scheint manehmal, aber keineswegs regelm~Big, etwas l~nger,

Abb. 2. Hund , wie in Abb. 1. Bei C: Hohe Cervicalmarkdttrchsclmeidung. Bei F : Ri ickenmarkausbohrung. Bei I : Hebennierenausschaltung.

der Druckanstieg, gleichfalls nicht durchgehend, ein wenig langsamer zu sein. Der unsymmetrische Doppelgipfel, der in wechselnder Deutlichkeit beim Epinephrin zur Beobaehtung kommt, kann manehmal naeh COC ausgepr£gter sein; besonders wenn dies der Fall ist, ist die Gesamtdauer der Blutdrueksteigerung, manchmal ganz offensichtlich dank Verlgnge- rung der zweiten Druckphase, lgnger als die des Epinephrins (vgl. Abb. 1, 2 u. a.). Eine sekund£re hypotensive Phase kommt ebenfalls wie naeh Epinephrin zur Beobachtung, kann aber beim Vergleich am gleichen Tier oft weniger ausgeprggt sein oder ganz fehlen. M~issige Atropinisierung bat mKssigen Einflul~ auf den Wirkungsablauf; 0,3--0,5 mgm/kg kann, wie beim Epinephrin, den Wirkungsgipfel, zumal kleiner schwellennaher Dosen, erhShen und gleichm~Biger reproduzierbar maehen, ebenso wie Vagusdurchschneidung den zeitweilig ungeheuren Pulsdruck und andere

* E p i n e p h r i n ~ A d r e n a l i n ( m . K u r v e n b i l d e r n ) .

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528 S. Lo~.wv. und S. L. P~rTUCK:

compensatorische Vaguseffekte verringern und den sekund~ren Blut- druekabfall unter die Grundlinie dureh Ausschaltung etwaiger cholinergi- seher Komponenten vermindern (siehe Abb. 12).

Die mengenm~l~ige Beziehung zwischen Epinephrin und COC kann kaum durch eine einfache Verhiiltniszahl ausgedriiekt werden, weft aus weiter unten ersiehtliehen Griinden die Dosis-Wirkungsst~rke-Kurven der COCe,~von der' des Epinephrins verschieden sind. Diejenige der COCe steigt zwar gleichfalls anfiinglich steil an, flacht aber bei hSheren Dosen viel mehr als die des Epinephrins ab (vgl. Abb. 12 und 13) und sinkt in einem naeh Tierart und Individuum wechselnden Dosenbereieh um 1 mgm/kg herum unter immer sti~rkerem Hervortreten einer sekund~ren depressorisehen Phase, bis schlie$1ieh bei noch hi~heren Dosen aueh an- f~ngliehe Blutdrucksteigerung praktisch ausbleiben kann. In dem ganzen groi~en Anfangsbereieh der Dosis-Wirkungsstiirke-Kurve fehlt der COC- Wirkung jede Andeutung einer Taehyphylaxie; die Wirkungen ~on Dosen unterhalb yon etwa 0,5 mgm/kg sind quantitativ und qualitativ in Abstiinden yon 3--5 rain v611ig reproduzierbar.

Bei intraven6ser Dauerzufuhr lassen sich m~Bige Blutdrueksteige- rungen ungei'ahr proportional der Einitu~geschwindigkeit fiir eine ge- wisse Zeit aufrechterhalten. Bei intraarterieller Einspritztmg ist die Blut- drucksteigerung wesentlich, im Durchsehnitt etwa um die H~ffte, ge- ringer Ms bei Einspritzung in eine Hals- oder Beinvene. Intramuskul~r ist die Wirksamkeit noch sehr viel mehr abgeschwiicht.

Die Wirksamkeit der COCe ist am h6chsten an der Katze, gew6hnlich deutlieh geringer am Hund. Am Kaninchen war drucksteigernde Wirkung nur bei einem yon sechs Tieren beobachtbar. An ihrer SteUe ersehien eine Blutdrueksenkung yon ~hnlicher Dauer schon yon Dosen yon wenigen Gamma an; sie ist weder durch Atropin noch dutch Antihistamine be- einfluBbar und kann auch nicht als ganglion~re L~hmungswirkung er- kl~rt werden, denn im Gegensatz zu der Wirkung hSherer Dosen an der Katze bleibt auch am Tiefpunkt dieser hypotensiven Wirkung am Ka- ninchen die Antwort auf Carotisdruckentlastung unvermindert.

2. Mechanismus der Blutdrucksteigerung. Schrittweise Aussehaltung des Cerebrospinalapparats - - Decerebrierung, 5rtliche Novokainisierung der Medulla oblongata, Decapitierung, spinale Querschnittsunter- brechung auf der HShe yon CII oder CIII, totale Riickenmarkszer- stSrung - - l~l~t die blutdrucksteigernde Wirkung yon COC unvermindert, steigert sic sogar (Decerebrierung ausgenommen) gewShnlieh wie die des Epinephrins (siehe Abb. 1 und 2). Dementsprechend ist aueh keinerlei COC-Wirkung yon Angriffspunkten auf der afferenten SeRe des blut- druckregulierenden Apparats aus zu erhalten. Hirnw/irts gerichtete Ein- spritzung in die Carotis interna oder communis und Einspritzungen in die Lungenarterie und die HerzvorhSfe und -kammern sind ebenso wie

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Selektive Erregung sympathischer Ganglien durch Cresoxycholine. 529

die in Extremit~tenarterien stets wesentlieh schw~eher wirksam als intraven6se Zufuhr. Nach doppelseitiger Carotissinusdener~-ierung ist in- traven6se Zufuhr unver~ndert wirksam (vgl. Abb. 3), Einspritzung in

Abb. 3. Hund, Urethannarkose. Blutdruck fiber Femorallskaniile, PriifungslSsungen in Belnvene. Bei D: I)enervierung des Carotisslnus. Bei C und E: Doppelseitige Carotlssinusentlastung fiir je 1 rain.

eine Carotis eommunis mit denerviertem Sinus ist yon quantitativ glei- cher Wirkung wie die in die andere, intakte Carotis.

Auf der efferenten Seite des Gef/il3tonusapparats sind die COCe un- wirksam auf den neuro-effektorischen Endmechanismus; die durch- str6mten Gefal3e des ausgeschnittenen Kaninchenohrs erfahren durch keine Dosis eine wesentliche Querschnittsveriinderung (Abb. 4). 0rtliche

A B C D

Abb. 4. Ausgeschnitten durchstr6mtes Kaninchenohr. Priifungslfsungen nahe der Einflul3kantUe in den Zufiihrungsschlauch eingespritzt. Zeitabst~nde (Aufstrichh6he) zwischen je 2 AusfluBtropfen mit FLEISCHS Intervallschreiber verzeichnet. Intervall-Mal3stab der oberen und unteren Bildh~lfte verschieden eingestellt, um den Vergleich zwischen der Wirkung kleiner Adrenalindosen und der Unwirksamkeit yon COC zu erleichtern. Bei A COC I I , bei B COC I I I , bei (7 COC I, je 200 ?. Bei D 600 7 COC I I I , bei B ' C0C I und bei D' COC I I , ]e 20 ~'. Bei A' und (7' je 0,02 y Epinephrin.

Auch viel kleinere COC-Dosen, bis zu 1 r herunter, waren unwirksam.

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530 S. LoEwE und S. L. PUTTUCK:

Zufuhr resorptiv blutdrueksteigernder Konzentrationen am Orte der Wahl fiir die Erzeugung der Pseudohernie des Meerschweinchens 14 ist im Gegensatz zu Epinephrin g~nzlieh unwirksam. Auch der dureh Sym- patholytika (amerik. Terminologie : ,,adrenergische blockierende Agen- tien") isolierte vasoconstrictorische Endapparat sprieht nicht auf COC an; die Blutdrucksteigerung dureh COC ist nach Vorbehandlung des Tiers mit 2-Benzyl-2-imidazolin (Priscol; 10--20 mgm/kg; Abb. 5), frisch gelSstem 2-(N-p'-tolyl-N-[m'-hydroxyphenyl]-aminomethyl)-imi- dazolin (Regitin; 5 mgm/kg), Dibenzyl-fl-chlor~thylamin (Dibenamin)

Abb. 5. Katze, Urethannarkose. Blutdmck fiber Carotiskanfile. A und D: Adrenalin. COC I I bei B und E in gleicber, bei F in doppelter Dosis. C: Sympatholytikum (Priscol) intravenSs.

oder anderen sympatholytischen Haloalkylderivaten aufgehoben. Auch an der postganglion~ren vasomotorischen Nervenbahn hat COC keinen Angriffspunkt; Unterbrecher der ganglion~ren Impulsiibertragung, ob depolarisierend wie Nicotin (20 mgm/kg, aber auch sehon niedrigere Dosen) oder ohne I)epolarisation blockierend wie Tetra~thylammonium (TEA; 10--20 mgm/kg), Penta- und Hexamethonium (C 5 und C 6; 3--10 mgm/kg) 25 verringern oder verhindern die Blutdrucksteigerung der COCe (siehe Abb. 6). Aufbringung angemessener Konzentrationen auf den pr~ganglion~ren Halssympathicus ist weder yon erregender Wirkung auf den Dilatator pupillae oder den Retractor der NiekhaUt noch yon EinfluB auf den Erfolg elektrischer Reizung des Nerven.

Damit ist also die schon durch das allgemeine Wirkungsbild nahe- gelegte Lokalisation des Angriffspunktes an den sympathischen Ganglien recht wahrscheinlich gemacht und die Frage nach dem Anteil der GefaB- nervenganglien und des adrenomedull~ren ,,Ganglions,, an der Wirkung der COCe aufgetan.

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Selektive Erregung sympathischer Ganglien dureh Cresoxycholine. 531

3. Anteil des Nebennierenmarks an der COC-Wirkung. Bei aortenwi~rts geriehteter Einspritzung in die A. coeliaca steigt die Wirksamkeit yon COC mit dem Anteil der so zugeffihrten Dosis, der der Nebenniere zu- geleitet wird. Wenn die nebennierennahe Einspritzung a) ins intakte Tier, b) naeh Abklemmung der Aorta gleieh unterhalb der Abgangsstellen der Nierenarterien, e) in eine ffir die Zeit der Einspritzung zwerchfellnah verschliellbare Aortentasche, die mantelartig eine in die Aorta auf

A b b . 6. Hund, Urethannarkose. Blutdruck fiber Femoraliskanfile. A und G: Adrenalin. C0C I I bei B u n d F in gle icher, bei H in doppelter Dosis. Bei D Gangliolytikum (TEA). Bei C und E:

Doppelseitige Carotissinusentlastung fiir je 1 min.

NierenarterienhShe eingebundene und bis fiber den Austritt aus dem Zwerchfell hinaufragende Kaniile umgibt, und d) in ein vollst~ndiges FELDBERG-Mr~z-Pr/£parat 6 erfolgt, so steigt das Verh~ltnis V/A zwischen wirkungsgleichen, in eine entfernte KSrpervene (V) und in die Mesen- terialarterie (A) eingespritzten Dosen in der Reihenfolge der AufzKhlung. Das Dosenverh~ltnis schwankt im Falle a ungef~hr zwischen 3 und 7 (Abb. 7), kann aber in den F~llen c und d mehr als 50 betragen; 0,1 COC per kg war dann noch betr/~chtlich blutdrucksteigernd. Auch schon ohne Evisceration, Bauehganglienausschaltung und Aortenabklemmung trat die grSBere Beteiligung der Nebenniere an der hSheren Wirksamkeit der nebennierennah zugeffihrten Dosen oft in der grSSeren Auspr~gung der sekund/~ren Pressorphase und in langsamerem Druckanstieg in Er- scheinung (vgl. z. B. Abb. 7, B versus E).

Durch Nebennierenausschaltung 1/~$t sich selbst bei nur einigermaBen befriedigendem Allgemeinzustand des Versuchstiers die COC-Wirkung niemals vollst/~ndig verhindern. Der verbleibende Wirkungsantoil (siehe

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Abb. 2, 9 und 10) wechselt bedeutend je naeh dem Zustand des Tiers, abet auch bei voller Funktionstiiehtigkeit des Gef~Bapparats (unver- iindert hoher Blutdruck, unver~tndertes Anspreehen der sympathisehen Ganglien auf pr~ganglion~re elektrische Reizung von Splanehnicus oder Halssympathieus). Dieser Sehwankungsbereich ist nieht wesentlieh ver- sehieden, einerlei ob die Nebennierenausschaltung dureh allseitige zirku- liire Abklemmung, dureh Abbindung oder durch Abtragung erfolgte, und

tB t E t tc t o to t . L 2~ 3"i 47 47 :)07 257 107 107 207 I-A I-A I-A I-V I-V I-V l-V I-A I-V

Abb. 7. Katze, Nembutalnarkose, Blutdruck fiber Carotiskaniile. Einspritzung yon COC (I l I ) in verschiedenen Dosen, abwechselnd in die A. c0eliaca (,,i.-a.") bei A, B und H, und in eine Jugular- vene (,, | .-v.") bei F, C, D, G und K. E: Adrenalin i.v. Zwischen D und G: Ausschaltung beider

Nebennieren.

ein i~hnlich schwankender Bruchteil der Wirkung am intakten Tier wurde am adrenopriven Tier auch dann gefunden, wenn die Vollst~ndigkeit der Driisenausschaltung dureh Autopsie und/oder, im Falle der Abklemmung, durch eine auf die LSsung der Klemme folgende m~chtige Blutdruck- steigerung erwiesen war.

in den F~llen, in denen von vornherein die Kurve der Blutdruck- steigerung dutch sti~rker ausgepriigte Doppelgipfligkeit und dureh l~ngere Dauer des zweiten Gipfels von derjenigen alternierend gegebenen Epi- nephrins unterschieden ist (vgl. z. B. Abb. 1, 2, 7 und 9), kann man be- reits am intakten Tier einen Hinweis auf die Beteiligung beider Erfolgs- organe sympathischer Ganglienreizung sehen. DaB der sp~tere Teil der Drueksteigerung wohl der Hormonausschfittung des Nebennierenmarks zugeschrieben werden darf, wird wiederum am deutlichsten in den oben

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beschriebenen F~llen dadurch nahegelegt, dab dieser Tell der Blutdruek, wirkung naeh Nebennierenausschaltung fortf~llt (vgl. z. B. Abb. 9).

Abb. 8. Katze, Nembutal. Blutdruck fiber Carotlskanfile. Intraven~is Adrenalin bei A, D und F, COC (II) bei B und E in gleicher, bei G in 8facher Dosis. Zwischen C und E Abtragung beider

Nebennieren. Zeitsignal: 10 sec und 1 rain.

A B C D E F G H Abb. 9. Katze, Nembutalnarkose. Blutdruck fiber Carotiskanfile, PrfifungslSsungen in eine Jugular- vene. COC-Gaben bei A (II) , B ( I I I ) und C (I) und bei F (I), G ( I I I ) und H (II), je 32 ~,/kg. Adrenalin bei D (6 7) und E (4 ~,). Zwischen D und F~: Doppelseitige Nebennierenabtragung.

Zeitsignal: 10 sec und 1 min.

Wird ein reversibles Sympatholytikum, z. B. Priscol, gegeben, so ist dessen Umkehrwirkung auf den COC-Effekt, wenn sie vorher nachweis- bar war, nach der Nebennierenausschaltung manchma] nicht mehr vor- handen, w£hrend die Epinephrinumkehr unver£ndert bleibt; wird das

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Sympatholytikum erst nach der Adrenalektomie gegeben, so wird gleich- falls manchmal nur die Epinephrin-, nieht aber die COC-Wirkung um- gekehrt. In der Mehrzahl der Versuchstiere eri'ahrt freilich die COC-Blut- drueksteigerung yon vornherein im Gegensatz zu derjenigen wirkungs- gleicher Epinephrindosen zwar Abschw~chung oder Aufhebung, aber keine Umkehr durch Sympatholytika (Abb. 10; siehe auch Abb. 5).

Abb. 10. ]~influB der Sympatholyse auf die Blu tdruckwlrkung zuvor wirkungsgleicher Dosen yon COC und Adrenalin. Katze, Nembutal , Blut<lruck fiber Carotiskanfile. 45 rain nach in~raven~ser Gabe yon 40 mg/kg Dibenamin. Bei A und D]e 50 r / kg COC (III), bei B und O Je 5 r ]kg Adrenalin intraven6s; Reihenfolge: A, B, O, D; Zei tabstand zwischen |e 2 aufeinanderfolgenden Dosen: 6 rain. Die Wtrkung yon COC 1st zwar viel niedrlger als vor der Sympatbolyse, erf~hrt abernicht

eine Umkehrung, wie die des Adrenalins.

Dieser Untersehied zeigt sich sowohl nach reversiblen {Priscol, Regitin) wie nach irreversiblen Sympatholytika (Haloalkylderivate). Die HShe der Sympatholytikum-Dosis spielt dabei im wesentlichen nur insoweit eine Rolte, als sie die HShe der Epinephrindosis bestimmt, welche die ,,adrenergische Blockade" zu durchbrechen und aufzuheben vermag 21, 22, 23). Es scheint, da~ geeignet hohe und/oder wiederholte COC-Gaben, die noch geniigend hohe Blutdrucksteigerung herbeifiihren, gleichfalls das Abklingen der Blockade beschleunigen, doeh bedarf dies noah ge- nauerer Untersuchung.

Solche Unterschiede der Umkehrbarkeit am intakten Tier deuten darauf bin, dal~ auch bereits vor der Entfernung der l~ebennieren die Zusammensetzung der Mischung der Vermittlerstoffe der COC-Wirkung yon der des Handelsepinephrins verschieden ist. Da yon den beiden

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Selektive Erregung sympathischer Ganglien durch Cresoxycholine. 535

GefaBhormonen Noradrenalin viel weniger zu Wirkungsumkehr neigt als Adrenalin und da die Misehung beider, welche die Gef/il]nervenimpulse iibertrggt, im allgemeinen viel grmer an Adrenalin ist als das Aus- sehiittungsprodukt des I~ebennierenmarks 2, s (ef. aueh v. EULV.Rs ~ber- siehtsartikelS), so sind alle hier aufgezghlten Beobachtungen fiber die Ge- f/~Bwirkung der COCe mit der Vorstellung vereinbar, dab deren vascul/~re Wirkung am intakten Tier einer weehselnden Kombination yon Neben- nierenmark- und GefaBganglienerregung zuzusehreiben ist.

III. Erregungswirkung auf andere sympathische Ganglien.

Eine Wirkung der COCe auf das obere Cervica]ganglion steht auBer Zweifel. Die Auswirkungen am Auge - - Protrusion, Pupillenerweiterung des Augapfels, Erweiterung tier Lidspalte und Eetraktion der Nick- haut - - sind bei intaktem Ganglion s~mtlich beobachtbar, erfordern freilich verhgltnism/iBig hohe Dosen, die wesentlich fiber denen ffir pres- sorische Schwellenwirkung liegen, lgach postgangliongrer l~ervendureh- trennung, Abtragung des Cervicalganglions oder Zufuhr ganglienl/ihmen- der Stoffe sind jedoch noch bedeutend hShere COC-Dosen erforderlieh und auch zur Wirkung auf die durch genfigend lange zuriickliegende De- nervierung sensibilisierten Erfolgsorgane sind verhgltnism/~l~ig grol]e COC-Dosen nStig. Ji.hnliches gilt auch yon anderen sympathischen Gan- glien, an denen die Analyse der nervSsen und humoralen Auswirkungs- komponenten noch aussteht. Positiv chrono- und inotrope Herzwir- kungen sind vorhanden, aber oft weniger ausgesprochen als nach Epi- nephrin; auch Peristaltikhemmung in situ wurde gelegentlich beobaelitet.

IV. Grenzen der Selectivit/it der sympathoganglion~irenErregungswirkung.

1. Sympathogangliondre La'hmungswirkung. Die bereits bei der Schil- derung des allgemeinen Wirkungsbildes erw~hnte blutdrueksenkende Wirkung h5herer COC-Dosen ist im wesentliehen Ausdruck einer L~h- mungswirkung auf sympathische Ganglien. Mit steigender Dosis nimmt der Erfolg pr~ganglion~rer elektrischer Reizung des Halssympathicus an Pupille und ~ickhaut melir und mehr ab und ist schliel~lich ganz auf- gehoben. In soleh hohen Dosen heben die COCe auch, wie andere Ganglio- lytika, die Wirkung sympathoganglion~rer Stimulantien auf, z. B. kleiner Nicotin-, Phenoxycholin-lO oder aueh COC-Dosen, wie auch dureh sym- pathische Ganglien vermittelte Gefai~reflexe, z. B. die Antwort auf Caro- tissinusentlastung. Abb. 11 bringt Beispiele daffir, wie sich diese L~h- mungsfolgen mit steigender COC-Dosis - - in Einklang mit den in der Dosis-Wirkungsst~rke-Kurve der pressorischen und depressorischen Wir- kung (Abb. 13) ausgedrtiekten quantitativen Beziehungen - - erst hinter, dann neben der ganglion~r bedingten Blutdrueksteigerung entwickeln. W~hrend sich, wie die Abb. 11 zeigt, die Anf~nge der gangliolytischen

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536 S. Lo~wE und S. L. Pm'T~CK:

Wirkung bereits bei Dosen unter 1 mg/kg und beim Hund anscheinend friiher als bei der Katze nachweisen lassen, bedarf es zur vollen Ganglien- blockade bedeutend hSherer Dosen. Ein Versuch zahlenm~Biger Dar- steUung der Dosenbeziehung zwischen der erregenden und der l~hmenden COC-Wirkung auf sympathische Ganglien - - wie iiberhaupt der Selek- tivit~tsgrade verschiedener gangliotroper Stoffe in den ,,vier Quadranten der Ganglienwirkung"* - - i s t an anderer Stelle TM unternommen.

A I 2 5 4 / 5 / 6 7 8 9 / ' 10 II

/ A B C O E F 6 H K ' L

Abb. 11. Zunelunende :Komponente vorfibergehender Ganglienl~hmung mi t steigender Dosis yon COC. Hund, Nembutal, Blutdruck fiber Femoraliskanfile. Dosen yon COC ( I I I ) in F/kg : 20 (bei B), 50 (C, H und W), 100 (D), 400 (K), 800 (M), 1200 (Q), 1600 (S). Bei A, G und L: 5 ~,/kg Adrenalin. Bel E, N, P, R, S, U, V und X je 1 rain Carotissinusentlastung. Bei den Pfeilen 500 ~,/kg Atropin. Bei den hSheren COC-Dosen (K, M, Q, S) zunehmende Auspr~.gung der sekund~ren Blutdruck- senkung, Abschw~chung des Carotissinusreflexes (jedoeh jeweils nur vorfibergehend kurz nach einer COC-Dosis und bald darauf wieder in roller tt6he zurfickkehrend) und Verringeruug der

Gipfeldruckh6he.

2. Wirkung au[ parasympathische Ganglien. Die Wirkung auf para- sympathische Ganglien wurde genauer nur an einem der wenigen ge- t rennt zug~nglichen Testobjekte gepriift, dem intramuralen Ganglion des Meerschweinchen-Ileums; ErhShung bzw. Herabsetzung der Reizschwelle ffir den, durch dieses praktisch rein parasympathisehe Ganglion vermit- telten Peristaltikreflex wulde an TREND~LENBURGS ausgeschnittenem Darmrohrpr~parat 31 unter Berficksichtigung der Erfahrungen yon FELD- BERG und LI~ 7 studiert. Dabei lie~ sich in keinem Dosenbereich der COCe erregende oder erregbarkeitssteigernde Wirkung feststellen, und in

* Siehe FuBnote auf auf Seite 543.

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der Tat wurden bisher aueh an intakten Hunden und Katzen keine schliis- sigen Hinweise darauf gefunden, dab die COCe parasympathische Gang- lien erregen, wie dies Cholinester, Nicotin und Anticholinesterasen tun. Die COC-Wirkung am TR]~NDV.LE~BCRG-Pr/~parat setzt unmittelbar mit einer L/~hmung ein, und zwar erst bei wesentlieh h6heren Konzentrationen als die L~Lhmungswirkung von Phenoxyeholin oder gar die yon Nicotin, das an diesem Pr/~parat praktisch keinen Dosenunterschied zwischen Er- regung und L/~hmung kennt 16. Doch beginnt, soweit Schliisse aus Ver- gleichen zwischen Badkon- zentrationen an ausge- schnittenen Organen und Desert am ganzen Tier mSglich sind, die L~ihmung jenes parasympathischen Ganglions durch C0C bei niedrigerer Dosis als die sympathischer Ganglien. Daher mag denn auch die Erh6hung der pressorischen Wirkung yon Epinephrin, die gewShnlich mit der Ent- wicklung sympathoganglo- ni~rer L/~hmung durch COC einhergeht, ebenso wie die z. B. nach Tetra/~thyl- ammonium und Hexame. rhenium beschriebene e4, 25 als Ausdruek der L~ihmung parasympathischer Gegen- regulationen vermittelnder Ganglien erkl/~rt werden.

3. Extraffangliondre Wir- kungen. Viele extraganglio- n~ren Teile des Wirkungs-

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Abb. 12. Carotisbiutdruckkurven steigender Dosen yon COC (I I I ) vom gleichen Anfangspunkt iibereinander- projiziert. Dosis (r/kg) entweder durch auf den Gipfel der zugeh6rigen Kurve zeigende Pfeile oder dutch die Zahlen rechts unten am ]Ende der zugeh5rigen ~[urve vermerkt. Beim Pfeil , ,Epi" : Yergleiehskurve yon 7,5 ~,/kg Adre- nalin. Alle Kurven an ein und derselben Katze in l~embutalnarkose erhalten. Daher geben die Kurven kein getreues Bild der Antwort am unvorbehandelten Tier, an dem die Abnahme der GipfelhShe erst bei hSheren Dosen beginnt. Aus dem gleieheu Grund ist auch die tSdliche Wirkung naeh 3000 ~]kg nicht der Einzeldosis, dis in der l~egel ganz subletal ist, sondern haupt- s~ch/ich tier Vorgesehichte dieses Tiers zuzusehreiben.

spektrums anderer gangliotroper Wirkstoffe scheinen den COCea zu fehlen. Die geringffigigen, deutlich erst nach wirksamen Dosen curari- sierender Stoffe zum Ausdruck kommenden Einfliisse der COCe auf die neuromuskul~ire Reizfibertragung lassen sich als den ausgesch/itteten Nebennierenmarkhormonen zuzuschreibende Sekund~rwirkungen er- kl/~ren und scheinen aueh tats/~ehlieh, wie die des Epinephrins (vgl. PATO~ und ZAIMIs2V), bald die Blockade, bald die Erholung zu fSrdern, je naeh dem Wirkungsmechanismus des verwendeten neuromuskul/iren Agens und je nach dem untersuchten Muskel; ob sie denen des

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Epinephrins immer gleichsinnig sind, wird zur Zeit noch untersucht. Curarisierende Eigenwirkung war bisher mit COC nicht nachweisbar*.

Ebenso scheinen den COCen die m u s c a r i n a r t i g e n Wirkungen aliphati- scher Cholini~ther und vieler Cholinestcr zu fehlen. Am ausgeschnittenen Darmstreifen sind selbst wescntlich hShere als die gangliolytischen Kon- zentrationen ohne Wirkung auf Tonus und Automatien und auch ohne EinfluB auf die Epinephrinwirkung.

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Dosis (Iogorlgm. HoBs~oh)

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Abb. 13. Dosis-Wirkungsst~rke-Kurve der hypertensiven und hypotensiven Gipfelwirkungen der drei COC I, I I und I I I . Zusammengesetzt aus Werten, die an 3 Katzen in l~embutalnarkose ge- wonuen warcn. Die 8tellheit des Abfalls der Kurven ist nicht nur dem logarithmischen MaBstab der Abszisse, sondem, wie auch der Beginn des Abfalls bei ungewShnlich niedrigen Dosen, der Vorgeschichte des Tiers zuzuschreiben (vgl. Abb. 13). Die Abbildung kann daher nut ein ungeflthres

und entstell~s Bild der Dosis-Wirkungsst~irke-Kurve geben.

Eine, anderen Ganglieneriegern fchlende extraganglion~re Wirkung der COCe ist deren A n t a g o n i s m u s gegen H i s t a m i n , der sowohl am Meer- schweinchen-Ileum wie im Histaminasthmaversuch nachweisbar ist. Sie teilen diese Wirkung, wie einleitend erwi~hnt wurde, mit ihren tertigren (Dimethylamino-) Analogen, besitzen aber geringere Wirkungsst~rke als diese. Die Benadryl (Benzohydryl~ther des Dimethylamino~thanols ) - Indices von I, I I und I I I sind 0,67, 0,67 und 0,38 zg, tier Histaminantagonis- mus ist also nicht proportional dcr ganglion-stimulierenden Wirksamkeit und diese ,,Selektivit~t zweiter Ordnung ''16 ist rund zwei GrSBenord- nungen niedriger als die ganglion/~re. Von den beiden anderen Wirkungen, die hgufig, wenn auch weder regelm/~13ig noch in irgendwelcher Beziehung

* Anm. bei der Korrektur: Sie ist inzwischen fiir Dosen, die den ganglioly- tischen nahekommen, nachgewiesen und wird anderw~rts ausffihrlicher berichtet werden. D. Verff.

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zur Antihistaminwirksamkeit bei Histaminantagonisten gefunden wer- den, war lokalangsthetische bis zur Grenze der WasserlSslichkeit bei kei- nem der drei COCe, atropinartige am ausgeschnittenen Meerschweinchen- darm am deutlichsten (mit etwa 1/1000 der ganglion~ren Wirkungs- st~rke) bei dem ganglion~r wirkungsschw~chsten (I), dagegen bei dem ganglion~r wirkungst~rksten (III) bis zur WasserlSslichkeitsgrenze gar nicht zu finden.

Nach den L.D. 50-Werten an der Maus* beurteilt, sind die COCe ,,toxi- scher" als ihre terti~ren Analogen, aber zwischen Erregungswirkung auf sympathische Ganglien (Katze) und Tod (Maus) liegt doch bei allen dreien immerhin ein I)osenbereich yon vier GrSBermrdnungen.

Obzwar die Atmungswirkungen der COCe wohl gewil3 mit der ganglio- genen Blutdruckwirkung zusammenh~ngen, m6gen sie an dieser Stelle kurze Erw£hnung finden. Anf~ngliche Apn6e ist nach COC gew6hnlich viel weniger ausgepr~gt als nach wirkungsgleichen Epinephrindosen; oft setzt die COC-Atmungswirkung unvermittelt mit dem hSchstcn Grad einer HyperpnSe ein, die unter Epinephrin in allm/ihlicherem Anstieg auf die ApnSeperiode folgt und sich meist fiber einen l~ngeren Zeitraum erstreckt.

4. Das Schicksal der COCe im K6rper ist noch kaum untersucht. Mit Leberbrei bei KSrpertemperatur digeriert verlieren sie nach 3 min mehr als 90~o, mit Muskelbrei nach 10 rain etwa 70~o ihrer Wirksamkeit. Ob dies auf Bindung ans Gewebe, auf Kuppelung oder auf Spaltung beruht und ob die mutmaBliche Spaltung bekannten Cholinesterasen zuzu- schreiben ist oder an anderer Stelle des Molekfils einsetzt, bleibt weiterem Studium zu entscheiden.

5. Synergismen und Antagonismen. Die beiden wichtigsten Kombi- nationserscheinungen, Antagonismus der Sympatho- und der Ganglio- lytika gegen die sympathoganglioniire Erregungswirkung der COCe, wur- den bereits oben behandelt, ebenso auch die Einflfisse der COCe auf die pharmakologische Unterbrechung neuromuskul~rer Impulsfibertragung. Hier seien noch drei Kombinationswirkungen auf den Blutdruck auf- geffihrt, denen einige vorl/iufige Versuche gewidmet waren.

Wurden Epinephrin und COC gleichzeitig intravenSs gegeben (Abb. 14, E und F), so war der Blutdruckeffekt vergleichsweise merklich geringer als wenn COC mit Nicotin gegeben wurde (Abb. 14, I, L und M), obwohl im zweiten Falle COC nicht gleichzeitig, sondern kurze Zeit nach der Nicotingabe eingespritzt wurde und die COC-Wirkung erst am abfallen- den Schenkel der Drucksteigerung durch Nicotin einsetzte. Wenn es zu- liissig wiire, aus den Druckwerten dieser Versuche allein, in denen Dosis und Dosenverhiiltnis nur ungeniigend variiert worden waren, Schliisse

* Auswertungen der Bristol Laboratories, Inc., Syracuse, N. Y. Arch. exper . Pa th . u. Pha rmako l . , Bd. 215. 36

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zu ziehen, so wiirde man den Effekt in den Epinephrinversuchen als infra-, den in den Nicotinversuchen als supraadditiv bezeichnen. Jeden- falls scheinen die Versuche anzudeuten, dal~ die Mischung adrenomi- metischer Wirkstoffe exogener, adrenaler und postganglion~r-nervSser Herkunft , die im ersten Beispiel zur schlieBlichen Wirkung gelangt, sich an ihrem vascul~ren Angriffspunkt zu einem weniger vorteilhaften Effekt koInbiniert als die beiden Wirkstoffe des zweiten Beispiels an deren ganglion~rem Angriffspunkt. Die Vermutung kommt auf, da~ im zweiten Beispiel das zuerst zur Einwirkung kommende Nicotin, obwohl seine

A 8 C D E F G H I K L M

Abb. 14. Synergismus yon COC mit Adrenalin und mit niedriger Nleotindosis am B]utdruck. Katze, Nembutal; Blutdruck tiber Carotiskaniile, Einspritzuugen in eine Jugularis. Durchgehend Adrenalin 5 r/kg und COC (III) 30 y/kg; Nicotin 10 ?/kg, nut bei H 5 ~,/kg. Zahlen bei den Pfeilen geben die Hypertensionsmaxima in m m Hg (-O uud, wo vorhanden, die Itypotensions-

minima (-~) an. Zeitsignal: 10 sec und 1 min. Filr Einzelheiten siehe Text.

Stimulierungswirkung bereits im Abklingen war, einen Zustand ge- steigerter Ansprechbarkeit des Ganglions f'dr ([as nachfolgende COC her- gestellt hat. In der dritten Kombinat ion (Abb. 15) vermag in dem unter- suchten Dosenverh~ltnis eine ftir sich allein betr~chtlich blutdruck- steigernde COC-Dosis die blutdrucksenkende Wirkung yon Veratridin* nur hSchst geringfiigig zu vermindern. Der haupts~chlich vasokonstrik- torische Ausfiihrungsmechanismus des COC scheint gegeniiber dem ,,be- sonders durchschlagskr~ftigen" (JA~tIscH n) Ausfiihrungsmechanismus der Veratridinwirkung, mag dieser nun vorwiegend oder etwa nur zum Tell der eines im JARISCIt-BEZOLD-E~ekt get~tigten Kreislaufsreflexes sein (vgl. z2, 30), verh~ltnism~Big machtlos zu sein.

6. Struktur und Wirkung. Ein gewisser Einblick in den Zusammen- hang zwischen chemischer Struktur und pharmakologischer Wirkung (SAR) 15 wurde durch die Untersuchung yon 25 verwandten Stoffen zu gewinnen versucht. Keineswegs fiihrt Quaternisierung eines ]eden hista- minantagonistischen terti~ren Amins zu ganglienerregender Wirksam- keit. Weder 4as quatern~re (Trimethylammoninm-) Analoge des 2-(Ben- zyl[2-dimethylamino~,thyl]amino)-pyridins (Pyribenzamins) noch auch

* Ffir die ~berlassung der Substanz sind wir Herrn Prof. Dr. O. KRAYER sehr zu Dank verpflich~et.

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dasjenige des Benadryls, das als Benzohydrylgther des Cholins den COCen reeht nahe steht, noch aueh ein, am einen seiner Phenolringe hexahyd- riertes ,,Benadrylinium" entfaltete bei irgendwelcher Dosis wesentliehe blutdrueksteigernde Wirkung. Man kSnnte hierin einen Hinweis darauf sehen, dab in der engeren Verwandtschaft yon Cholingthern mit zwei Rings enthaltenden aromatischen Alkoholen selektive sympathische Ganglienerregung nur mit Reihenschaltung, nicht aber mit Para]lel-

A B C D Abb. 15. Veratridin-COC-Antagonismus. Katze, Nembutal; Blutdruck fiber Carotiskanttle. A :Vera- t r |d in , 11 ~,/kg. B: I I I , 50 y/kg. C: Veratridin, 11 ~,/kg und I I I , 50 ~/kg, gleichzeitig injiziert. Bei D:

6 ~ in . nach C injizierte 30 7/kg I I I noch unwirksam.

schaltung der zwei Rings einhergeht, und o-Benzylphenoxycholin (COC I) als den GrundkSrper unserer Stoffklasse ansehen.

DaB der ~romatische Charakter des Alkohols allein nicht zur Heraus- arbeitung der selektiven Wirkung ausreicht, geht am besten daraus her- vor, dab bereits dem isomeren p-BerLzylphenoxycholin jede blutdruck- steigernde Wirkung fehlt. Auch jede Ver~nderung im Cholinradikal yon I - - Ersatz eines, beider oder aller drei I~-Methyle durch ~thyl, e~nes N- Methyls durch Benzohydryl, oder des ~thanolrests durch Propanol - - setzt die Wirkung wesentlich herab. Die gleiche Folge haben alle bisher studierten Vergnderungen an dem proximalen Ring des aromatischen Alkohols yon I; Chlor-, Brom-, Fluor-, Methyl- oder ~thoxy-Substitution in para-Stellung dieses Rings bedingten wesentlichen Wirkungsverlus~. Bei p'-Chlor-Substitution am distalen Ring bleibt eine mehr als dreifaeh abgeschwgchte blutdrucksteigernde Wirkung erhalten, und nur Fluor- Substitution in p'-Stellung (COC III) erhSht die Wirkung um etwa 33~o bis manchmal nahe an 100~o. Ebenso ffihrt auch Ersatz des Benzyls durch Phenyl (COC II), wie in den vorausgehenden Abschnitten gezeigt,

36*

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zu einer ghnlichen, meist der in III nicht ganz gleichkommenden Wir- kungssteigerung.

Angesichts der Empfindlichkeit der sympathogangliongren Erregungs- wirksamkeit gegen scheinbar geringfiigige Ver~nderungen am aromati- schen Zwei-Ring-Alkoholrest ist es bemerkenswert, dal~ die gleiche Wir- kungsqualit~t bei so vielen Stoffen yon wesentlich anderer Struktur ge- funden werden kann, und, z. B. beim Nicotin, sogar in ganz ghnlicher Wirkungsstgrke. Besonders bemerkenswert ist, dal~, w~hrer~d beides auch fiir das soviel ngherstehende Phenoxycholin, die eigentliche Muttersub- stanz der COCe, gilt, das Zwischenglied zwischen Phenoxycholin und Benzophenoxycholin (I), das o-Phenylphenoxycholin, sieh wiederum um zwei Drittel schwgcher erweist. Die Methylenbriicke zwischen den beiden Ringen (oder, yon einer etwas anderen SeRe betrachtet, der Cresol- charakter des proximalen Alkoholrests) scheint also yon gro~er Bedeu- tung fiir die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der sympatho- gangliongren Erregungswirksamkeit und, mehr als das, fiir die besondere Selektivitgt der ~anglienwirkung der COCe zu sein, die sich ja ebenso- wohl wie in der hohen stimulierenden Wirksamkeit an sympathischen auch in deren anscheinendem Fehlen an parasympathischen Ganglien ausdriickt. Andere Modifikationen am Phenolring des Phenoxycholins, z. B. dessen Hex~hydrierung, oder Dodekakydrierung der beiden Ringe des o-Phenylphenoxycholins ergeben nur blutdruckunwirksame Verbin- dungen; wie das denn auch schon HU~T und Rs.~sHAw 1° fiir Alkyl- und Alkoxyphenoxycholine und fiir BenzoylphenoXycholin festgestellt haben.

Besprechung der Ergebnisse. Als Erregungsmittel sympathischer Ganglien sind die hier unter-

suchten Cresoxycholinderivate, die COCe, Gruppengenossen einer grol~en Reihe bekannter Wirkstoffe, ja, auch ihre Wirkungsst~rke ist der des Nicotins nur wenig, der des Phenoxycholins wohl iiberhaupt nicht iiber- legen und scheint der des 1-Dimethyl-4-phenylpiperaziniums (DMPP) 3 nach den bisher vorliegenden Angaben sogar deutlich nachzustehen.

Eine Sonderstellung der COCe tritt erst in Erscheinung, wenn man die Gesamtheit ihrer Gang]ienwirkungen und cleren Selektivit~tsgrad be- trachtet. Sie unterscheiden sich dann im Wirkungstypus nicht nur scharf von den reinen Gangliolytika vom Typus yon TEA, Penta- und Hexa- methonium, deren Wirkung rait Ganglienl~hmung beginnt, sondern auch yon allen bisher bekannten primer ganglienerregenden Mitteln dadurch, dab ihnen nach dem bisher Ermittelten Erregungswirkung auf para- sympathische Ganglien zu fehlen scheint. Die Selektivit~t ihrer Er- regungswirkung an sympathischen Ganglien hat ihre Grenze also nur bei ihrer L~hmungswirkung an parasympathischen Ganglion, welche die Selektivit~t zweiten Grades der COCe bildet. Die zweith6chste Selektivitgt

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der anderen Ganglienerreger ist die Erregung parasympathischer Ganglien. Sie kommt beim Nicotin, und anscheinend auch beim DMPP, der sympathoganglion~ren Erregungsselektivit~t sehr nahe, beim Phe- noxycholin ist sie 10fach geringer als diese. Da bei den COCen ein Ein- sehlag parasympathoganglion~rer L~hmung erst beim 20--40fachen der Schwellendosis sympathoganglionKrer Erregung beginnt, ist der Spiel- raum, in dem sich diese selektiv, d. h. ohne Hineinspielen anderer Wir- kungen entfalten kann, bei den COCen unvergleichlich gr6Ber als bei anderen Tr/~gern dieser Wirkung*. Vor zu weitherziger Verallgemeine- rung innerhalb irgendeiner der vier Gruppen ganglioniirer Wirkung war- nen freilich die sich mehrenden Erfahrungen, dab die Ganglienindividuen innerhalb einer Abteilung des autonomen Systems keineswegs im Gleich- schritt marschieren; die schematische Vierzahl der Ganglienselektivitiit scheint sich in eine viel gr61~ere Zahl yon Selektivit~ten aufzulSsen, die Selektivit/~t scheint zwischen verschiedenen Ganglien der beiden Ab- teilungen in yon Wirkstoff zu Wirkst0ff wechselnder Weise hin- und her- zuspringen (vgl. hierzu PATO~25).

Es ist erkl/~rlich, dab die erste Besch~ftigung mit einer in gewissem Mal]e neuen Wirkstoffgruppe mehr Fragen auf tut als sie beantwortet . DaB in den bereits erSrterten Fragen der Systemselektivit/it un4 der Wirkungsst/~rke an verschiedenen Ganglien des gleichen autonomen Systems das meiste noch zu tun fibrig bleibt, trifft fiir al tbekannte Gruppengenossen der COCe in kaum geringerem MaB zu als fiir die neuen Stoffe. Das groBe MaB von Arbeit, das yon und seit LANGL]~Y auf die qualitative Sicherstellung der Beziehungen zwisehen Nicotin und auto- nomen Ganglien aufgewandt worden ist, muB um ein hohes Vielfaches vermehr t werden, soll die quanti tat ive Beziehung der inzwischen so sehr gewachsenen Zahl gangliotroper Wirkstoffe zu der Vielzahl versehiedener Ganglien fiir Vergleiehszwecke ausreichend klargestellt werden. Die Irtdi- vidua]it£tsunterschiede der einzelnen Ganglien werden am sch~rfsten dutch die Eigenart des adrenomedulliiren Ganglions beleuchtet. Der Grad der, wie hier gezeigt wurde, betrachtlichen Beteiligung dieses Organs am COC-Effekt und die Bedingungen ihrer Schwankungen verdienen sicherlich ~eitere Bearbeitung.

* Zahlenm/~l~iges zu diesem wichtigen Problem der Selektivit/~tsstufen, Selek- tivit/~tsgrade und Selektivit~tsquotienten gangliotroper Wirkstoffe ist an anderer Stelle TM zu finden. ])ort ist auch eine einfache Buchstabenbezeichnung der Wir- kungsbef~higung in den ,,vier Quadranten autonom-ganglion/~rer Wirkung" (,,a" und ,,b": sympathisch, ,,c" und ,,e": parasympathisch, Vokale: Erregung, Kon- sonanten: L/~hmung) versucht worden, mit der sich, wenn man diese Symbole jeweils in der Reihenfolge absteigenden Selektivit~tsgrades anordnet, in knappster Form der Wirkungstypus des betreffenden Agens charakterisieren 1/~l~t. TEA, C 5 und C 6 haben dann den Typus ,,b,c", Nicotin und Phenoxycholin ,,a,b,e,c", w/~hrend die COCe den Typus ,,a, b, c" vertreten.

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Die Frage nach der Beziehung zwischen der ehemischen Konstitution und der Wirkung der COCe ist, wie berichtet, in Angriff genommen. Es ist bemerkenswert, daB ganz bestimmte Aralkyl- oder Heterozycloalkyl- Substitutionen am Ring des Phenoxycholins erforderlich sind, um den Selektivit/£tsunterschied herbeizufiihren. DaB diese Substitutionen in Ortho-Stellung sein mfissen, trifft auch ffir die Antihistamin-Wirkung der tertiaren Analogen zu und 1/~Bt u. a. auch an die besondere r~umliche Anordnung des Doppetring-,,Schirms" und partielle Rotationshemmung seiner Bestandteile denken. DaB die drei Spitzenvertreter der Gruppo so ziemlieh die gleiche hohe Wirkungsst/~rke besitzen, ist wohl nur ein Hin- weis darauf, dab der engere und weitere Verwandtsehaftskreis der COCe erst noch eingehend qualitativ und quantitativ untersueht werden muB, ehe sich Richtlinien ffir eine tiefergehende SAR-Analyse finden werden.

In der wohl grundlegendsten Frage, der nach dem Wirkungsmeehanis- mus der neuen Stoffe, bleibt noch alles zu tun fibrig. Die GrSBe dieser Aufgabe ist besonders klar zu ermessen, seit wir, nieht zuletzt dureh PATOIS und seiner Mitarbeiter Werk, wissen, auf wie vielen versehiedenen Wegen /~uBerlieh seheinbar gleiche Wirkungen an autonomen Sehalt- stellen zustande gebracht werden kSnnen. Es w~re daher aueh voreilig, aus dem Umstand, dab in hSherem Dosenbereich sehlieBlich die erregende Wirkung der COCe in li~hmende umschl~gt, auf Gleichheit ihres Wir- kungsmechanismus mit dem des Nicotins zu sehlieBen, yon dem an- genommen wird, dab es auf eine ganz oberfl~ehlich als cholinomimetisch bezeiehnete Weise die Wirkung endogenen Acetylcholins begiinstigt. Schon die offenbar bedeutenden Unterschiede zwischen Nicotin- und COC-Wirkung, auf die die gegenw/~rtigen Versuche hinweisen, sollten da zu Zurfickhaltung mahnen, bis zum mindesten AufschluB fiber die Anticholinesterase-Eigenschaften der COCe, ihre Bef~higung zur Be- freiung yon Acetyleholin, die elektrischen Begleiterscheinungen und ionalen Bedingungen ihrer Ganglienwirkung erhalten ist.

Solehe im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gegenstand auf- tauchende Fragen zeigen so recht, wie sich die Stellung zu dem im Ein- gangssatz dieser Mitteilung gestreiften Problem versehoben hat. Die Pharmakologie der autonomen Schaltstellen hat gelehrt, dab derselbe Meehanismus je nach seinen zeithchen Charakteristika ,,Erregung" oder ,,L~hmung" zur Folge haben, dab ,,L~hmung" eines Ferments ,,Er- regung" in Erseheinung bringen oder verst~Lrken kann. GewiB, die beiden Ausdrficke erseheinen noch gar haufig im vorangehenden Text - - das Wort L~Lhmung sogar unter Bevorzugung vor dem heute von manchen schon wahllos ffir jede depressive Erscheinung start seiner gebrauchten, nieht unverf~nglichen Wort ,,Blockierung". Sie dienen aueh heute noch einer oberflKchlichen Verst~ndigung. Aber bei den Bemfihungen um die LSsung des groBen, vieldimensionalen und dynamisehen Kreuzwort-

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Selektive Erregung sympathischer Ganglien dutch Cresoxycholine. 545

r~tsels der biologischen Organisation sind Begriffe wie L~hmung und Erregung, standpunktbedingt und ephemer wie so viele biologisehe Termini, yon um so beschr~nkterer Dienlichkeit, je mehr die Auf- merksamkeit feineren ,,Buehstabenverschiebungen" - - innerhalb der Grenzbereiche des Korrelationsspielraums und des Rahmens pharmako- logischer Selektivit~t - - zugewandt ist.

Die Aussichten auf therapeutische Brauchbarkeit der hier be- schriebenen Wirkstoffklasse mSgen recht dfirftig erscheinen, schon allein wegen der Fliichtigkeit ihrer Wirkungen. Mit einer Suche nach wirkungsverwandten Stoffen yon noeh ausgepr~gterem Selektivit~ts- typus, etwa noch st~rkerer Bevorzugung der Gef~Bganglien vor dem Nebennierenmark, kSnnte man schon eher klinische Erwartungen ver- kniipfen. Als wissenschaftliches Werkzeug dagegen sind diese Cresoxy- choline entschieden reizvoll und brauchbar.

Zusammenfassung. 1. Drei Cresoxycholinderivate (COCe) erwiesen sich als starke und

selektive Erregungsmittel sympathiseher Ganglien. 2. Sie sind in dieser Eigenschaft den st~rkstwirksamen bisher be-

kannten Tr~gern dieser Wirkung vergleichbar, unterseheiden sich aber yon ihnen vor allem dadurch, da$ ihnen Erregungswirkung auf para- sympathisehe Ganglien zu fehlen seheint.

3. Ihre erregende Wirkung t ra t am augenfKlligsten an den Sehalt- ganglien der Vasomotoreninnervation und am l~ebennierenmark hervor. Die so zustande kommende Blutdrucksteigerung wurde zwar dureh Sympatholytika verringert oder aufgehoben, neigte aber viel weniger als die des Epinephrins zur Umkehr.

4. Erst in viel hSherem Dosenbereich l~hmten die COCe beide Arten autonomer Ganglien.

5. Die eigenartigste extraganglion~re Wirkung der COCe ist ihre Antihistaminwirkung; sie kommt derjenigen gebr~uehhcher Antihista- minika nahe, erfbrdert aber nahezu das Tausendfache der Schwellen- dosis der ganglion~r bedingten Blutdrucksteigerung. Die muskarinartige Wirkung vieler verwandten Cholin~ther und -ester fehlt den COCen.

6. Es wird fiber einige Synergismen und Antagonismen der COCe und, auf Grund des Vergleichs mit 25 verwandten Substanzen, fiber einige chemisch-strukturelle Bedingungen ihrer pharmakologischen Wirkung beriehtet.

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Prof. S. LOEWE, ])ep. of Pharmacology, Univers i ty of U tah College of Medicine, Salt Lake City 1, Utah , USA.