schreibsituationen: ein modell · 2019-07-23 · ein interdisziplinärer blick perrin (1997) –...
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“Translating Europe“-Workshop, 11. Juli 2019
Sabine Dengscherz Zentrum für Translationswissenschaft
FWF-Projekt PROSIMS: http://prosims.univie.ac.at www.dengscherz.at
Schreibsituationen: Ein Modell
Aufbau des Vortrags 1. Points of departure
2. FWF-Projekt PROSIMS
3. Das HRAH-Konzept: Heurististische und rhetorische Anforderungen und Herausforderungen
4. Ein Schreibprozessmodell für anspruchsvolle, professionelle Textproduktion
5. Weiterführende Überlegungen
1. Points of Departure
Ein interdisziplinärer Blick
Perrin (1997) – journalistisches Schreiben als TextREproduktion; Abgrenzung vom wissenschaftlichen Schreiben
Resch (2006) – Translatorische Textproduktion als TextNEUproduktion betont kreative Leistung; Fokus auf Skopos; Abgrenzung von „Äquivalenz“-Ansprüchen, Positionierung im Diskurs:
„Aus dem Tod des Originals wächst nicht nur die Geburt des Lesers, sondern auch die Geburt des Translators.“ (Prunč 2012: 282)
Gemeinsamkeiten: Fokus auf Textgestaltung
Professionelle Ausrichtung: „Crafting“ ! Knowledge Telling / Knowledge Transforming
! Knowledge Crafting
(vgl. Bereiter/Scardamalia, 1987: 10ff)
(vgl. Kellogg, 2008: 4)
Textgestaltung Für professionelle TKK und Translation sehr wichtig
2. Das FWF-Projekt PROSIMS
Das FWF-Projekt PROSIMS Strategien und Routinen für
professionelles Schreiben in mehreren Sprachen
! Individueller Einsatz von Schreibstrategien und Routinen (vgl. Ortner 2000, Keseling 2004)
… und verschiedenen Sprachen (vgl. Lange 2012)
Real life writing (akademische Kontexte) explorativ erforschen
! – kurze Gebrauchstexte: Deutsch, Englisch, Französisch, Ungarisch
! – wissenschaftliches Schreiben: Deutsch, Englisch http://prosims.univie.ac.at/
Qualitative Fallstudienanalyse
17 Fallstudien: Proband*innen (4 Wiss, 13 Stud) Datenbasis: ! Screen-Capturing-Videos (Snagit) und (retrospektive) Interviews ! ca. 111h Schreibprozessvideos ! ca. 21h Interview
Erst Einzelfallstudien, dann systematische Cross-Case-Analyse (Dengscherz 2019, eingereicht)
Heuristische und rhetorische Anforderungen und Herausforderungen
3. Das HRAH-Konzept
Heuristische Ebene – inhaltlich-thematisch, (individuelle) Erkenntnis:
Inhalte generieren, Muster erkennen, Zusammenhänge verstehen etc. Knowledge transforming
Rhetorische Ebene – leser*innen-orientierte Darstellung:
Textgestaltung auf Makro- und Mikroebene:
! Adressat*innen-Orientierung ! Textsortenkonventionen ! Textwirkung Knowledge Crafting
(Vgl. Dengscherz 2017a: 164f und 2018)
! Anforderungen: ! Was verlangt die Schreibaufgabe? (Sachebene)
! Herausforderungen: ! Wie nehmen Schreiber*innen diese Anforderungen wahr?
(individuelle/persönliche/emotionale Ebene) (Vgl. Dengscherz 2017a: 164f )
⇒ Strategieeinsatz als Antwort auf Herausforderungen: ⇒ situationsabhängig (vgl. Bräuer/Brinkschulte/Halagan 2017: 52)
⇒ Individuell (vgl. Ortner 2000)
Schreibaufgabe ! Schreiber*in
Vgl. Dengscherz (in Vorb.)
4. Das PROSIMS-Schreibprozessmodell
Fokus des Modells ! Professionelle Textproduktion ! Knowledge Crafting (Kellogg 2008) ! Metaebene (breite Palette anspruchsvoller Textproduktion)
! Schreibprozess als sich dynamisch veränderndes System ! Fokus auf Schreibsituationen und ihre Einflussfaktoren ! Offen für individuelle und situative Variation
=> Basismodell: Schreibprozess als eine Abfolge von Schreibsituationen
Teil 1: Situationen-Abfolge-Modell (SAM)
SitnHRAH
SchreibaufgabeAusgangssituation
ZielTextgestalt am Ende
SitzHRAH
Sit₁HRAH
SitnHRAH
SitnHRAH
SitnHRAH
SitnHRAH
SitnHRAH
SitnHRAH
HRAH : Heuristische und Rhetorische Anforderungen und eventuelle Herausforderungen
S R T : Strategien, Routinen, Teilaktivitäten
S R T
S R T
S R T
S R T
S R
T
S R T
S R
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S R TS R T
S R T
Teil 2: Situationen-Zoom-Modell (SZM)
(Dengscherz 2019, in Vorb.)
SchreibaufgabeAnforderungen
Schreib-situation
Anforderungs-niveau
HRAH
Rahmenbedingungen
HeuristischeDimension
RhetorischeDimension
Wahrnehmung
,Material‘, Vorarbeiten,Material‘, Gestaltungsroutinen
Persönliche Ressourcen: Kompetenzen, Erfahrungen, Schreibexpertise etc.
Einstellungen: Selbstwahrnehmung, Motivation, Writing Beliefs etc.
Wahrnehmung
bisher produzierter Text, Notizen … bisher produzierter
Text, Notizen …
Tages- und Momentverfassung Problembewusstsein
Beispiel Andrea (CS1) Codeshifting in MA-Arbeit bei Wechsel in heuristische Dimension
Beispiel Elisabeth (CS14): ! Qualitätsmanagement in rhetorischer Dimension, Textanalyse für
die Arbeit am Textaufbau
Teil 3: Situationen-Wechselwirkungen-Modell (SWM) (Dengscherz, in Vorb.)
SchreibstrategienEinsatz vonSprachenRoutinen
HRAH
Produktorientierte Zielsetzungen
Motivation
Persönliche Ziele
Individuelle Herangehensweisen
Institutionelle RahmenbedingungenHabitualverhalten
GewohnheitenStrategienrepertoireSprach(en)repertoire
Schreibsituation
Individuelle Bedürfnisse
Aktualverhalten
Weitere Rahmenbedingungen für das Schreiben: Schreiborte, Schreibzeiten etc.
Individuelle biographische RahmenbedingungenSchreibaufgabe
Anforderungen
Anforderungsniveaus
Schreibsituation
Schreiberfahrungen
Bisherige
Schreibdidaktische Empfehlungen
Beispiel Franziska (CS9): Wortschatzarbeit
Beispiel Elisabeth (CS14):
! L1 für Meta-Ebene
5. Weiterführende Überlegungen
Schreiben – Translation Synergien zwischen Schreibforschung und
Übersetzungswissenschaft (vgl. Risku 1998, Ehrensberger-Dow/Perrin 2015)
Dam-Jensen/Heine (2013): ! „Familienähnlichkeit“ (vgl. Wittgenstein 1984: 278) ! beides Design-Aktivitäten im Sinne von (Goel/Pirolli 1992:
395): ! Schaffensaspekt ! Kreatitivät ! Gestaltung
Analysepotential
! Identifikation von Herausforderungen in konkreten Schreibsituationen
! Grundlage für Reflexion ! Individuelle Professionalisierung …
… beim Schreiben im Kontext Transkultureller Kommunikation
Quellen I ! Bereiter / Scardamalia (1987): The Psychology of Written Composition. New York/London:
Routledge ! Bräuer, Christoph / Brinkschulte, Melanie / Halagan, Robert (2017): „Strategien im
akademischen Schreiben. Zum Potential von Schreibstrategien im Rahmen einer Unterrichtsreihe zu „Wissenschaftspropädeutik im Seminarfach“ an Gymnasien. In: Knorr, Dagmar / Lehnen, Katrin /Schindler, Kirsten (Hg.): Schreiben im Übergang von Bildungsinstitutionen. Frankfurt: Lang (= Textproduktion und Medium 15), 49–71
! Dengscherz, Sabine (in Vorb., erscheint 2019): Professionelles Schreiben in mehreren Sprachen. Strategien, Routinen und Sprachen im Schreibprozess. Frankfurt: Peter Lang (= Textproduktion und Medium 17).
! Dengscherz, S. (2019): „Schreibprozesse – mehrsprachig – gestalten“. In: Huemer, Birgit / Lejot, Eve / Deroey, Katrien (Hg.): Academic writing across languages: multilingual and contrastive approaches in higher education. / L’écriture académique à travers les langues : approches multilingues et contrastives dans l’enseignement supérieur / Wissenschaftliches Schreiben sprachübergreifend: mehrsprachige und kontrastive Ansätze in der Hochschulbildung.Wien: Böhlau Verlag (= Schreibwissenschaft Bd. 1)
! Dengscherz, Sabine (2018): „Wie schreibt man anspruchsvolle Texte in einer L2? Strategien und Routinen von erfolgreichen Schreiber*innen“. ÖDaF-Mitteilungen 2018/2, 9–21.
Quellen II ! Dengscherz, S. (2017a): „Strategien und Routinen für wissenschaftliches Schreiben in der
L2 Deutsch. Zwischenergebnisse aus dem Projekt PROSIMS“. In: ÖDaF-Mitteilungen 2017/1, 157–173
! Dengscherz, S. (2017b): „Sprachenrepertoire als schreibstrategische Ressource? Zwischenergebnisse aus dem Projekt PROSIMS“. In: Dannerer, M.; Mauser, P. (Hg.): Formen der Mehrsprachigkeit in sekundären und tertiären Bildungskontexten. Verwendung, Rolle und Wahrnehmung von Sprachen und Varietäten. Tübingen: Stauffenburg. (angenommen, erscheint Ende 2017)
! Dengscherz, Sabine (2017c): „Heuristische und rhetorische Herausforderungen meistern – Strategien für wissenschaftliches Formulieren in der L2 Deutsch“. In: In: Martina Nied Curcio/ Diego Cortés Velásquez (Hrsg.): Strategien in der Mehrsprachigkeitsdidaktik. Berlin: Frank&Timme (Reihe: Sprache lehren – Sprache lernen); (angenommen)
! Ehlich, Konrad (1999): „Alltägliche Wissenschaftssprache.“ In: InfoDaF 26, 3–24 ! Feilke, Helmuth (2015): „Text und Lernen – Perspektivenwechseln in der
Schreibforschung“. In: Schmölzer-Eibinger, Sabine / Thürmann, Eike (Hg.): Schreiben als Medium des Lernens. Konzeptentwicklung durch Schreiben im Fachunterricht. München: Waxmann (= Schreibdidaktische Forschungen 8), 47–71
Quellen III ! Feilke, Helmuth (2012): „Was sind Textroutinen? – Zur Theorie und Methodik des
Forschungsfeldes“. In: Feilke, Helmuth; Lehnen, Katrin, Hg.: Schreib- und Textroutinen. Frankfurt: Lang (= FAL 52), 1–31
! Kellogg, Ronald T. (2008): „Training writing skills: A cognitive developmental perspective“. In: Journal of Writing Research 1, 1–26
! Lange, Urike (2012): „Strategien für das wissenschaftliche Schreiben in mehrsprachigen Umgebungen“. Eine didak-tische Analyse. In: Knorr/Verhein-Jarren (Hgg.): Schreiben unter Bedingungen von Mehrsprachigkeit. Frankfurt: Peter Lang Verlag (= Textproduktion und Medium 12), 139–155
! Ortner, Hanspeter (2000): Schreiben und Denken. Niemeyer, Tübingen (= Reihe Germanistische Linguistik 214)
! Pohl, Thorsten (2007). Studien zur Ontogenese wissenschaftlichen Schreibens. Tübingen: Niemeyer Verlag (= Studien zur Germanistischen Linguistik 271)
! Prunč, Erich (2012): Entwicklungslinien der Translationswissenschaft. Von den Asymmetrien der Sprachen zu den Asymmetrien der Macht. 3., überarb. Auflage, Berlin: Frank und Timme.
! Resch, Renate (2006): Translatorische Textkompetenz. Texte im Kulturtransfer. Frankfurt: Lang ! Steinhoff, Torsten (2007), Wissenschaftliche Textkompetenz. Sprachgebrauch und
Schreibentwicklung in wissenschaftlichen Texten von Studenten und Experten. Tübingen: Niemeyer.
Est-ce qu‘il y a des questions? What do you think about multilingual writing?
Die Diskussion ist eröffnet …
Köszönöm a figyelmet!