robin wood magazin 1/2008
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Robin Wood Magazin 1/2008Hotspot AfrikaTRANSCRIPT
Leben heißt handeln
magazin
2.95 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 96/1.2008
Hotspot Afrika
SCHWERPUNKT Bahn frei – fürs Gemeinwohl
TATORTE Dresden: 35 Tage Baumbesetzung
PERSPEKTIVEN Indianercamp für Großstadtkinder
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inhalt
verkehr
tatorte
Seite 16
Seite 6
Seite 30
6 Hotspot Afrika
10 Energie in Afrika
12 Kampf um Rohstoffe
Geteilte Räume 14
Bahn frei - fürs Gemeinwohl 16
Flughafen Frankfurt 18
Berlin Brandenburg International 19
Flughafen München 20
Luftverkehr und Emissionshandel 21
Drachten: Magic Moments 22
Ghana: Auf Crash-Kurs 24
28 Bahn für alle
28 Autofixiertes Lüneburg
29 Atommüll und Störfälle
29 Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge
30 35 Tage auf der besetzten Buche in Dresden
Nr. 96/1.08
titel
Foto: Judith Schmidt
Foto: Marc Engelhardt
Foto: Thorsten Eckert
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inhalt
perspektiven
tropenwald
Seite 44
Seite 42
Seite 34
Trommeln und Feuermachen 42
34 Gewalt für Ölpalmen in Kolumbien
37 Indonesien: „Palmöl zerstört unser Leben“
38 Geld das auf Bäumen wächst
internes
44 Happy Birthday, ROBIN WOOD!
46 „Lerne mehr, verbrauche bewusst“
impressum46
bücher
Stadtnatur 39Klima-Countdown: Malaria boomt 40
Pendos CO2-Zähler 41
Klimawandel mal anders. Was tun? 41
Nr. 96/1.08
wald
32 Baumklettern wirkt!
33 Karibus: 5000 Protestbriefe
Foto: Comision Intereclesial de Justicia y Paz, Colombia
Foto: Annette Lübbers
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editorial
Nr. 96/1.08
Rund 10.000 Menschen demonstrierten am 8. Dezem-
ber bundesweit, um wirksame Maßnahmen gegen
den drohenden Klimawandel zu fordern. Zur gleichen
Zeit trafen sich die politisch Verantwortlichen dieser Welt
auf Bali zum UN-Weltklimagipfel. Wenn man sich am
politisch Erwartbaren orientierte, war Bali ein kleiner Erfolg,
denn alle teilnehmenden Staaten, auch die USA, unter-
zeichneten das Abschlussdokument. Allerdings war Bali ein
großer Misserfolg, wenn man sich daran orientiert, welche
Maßnahmen zur Rettung des Klimas notwendig wären.
2012 läuft das Kioto-Abkommen aus, bis dann muss eine
Neuregelung gefunden werden. Bei den Verhandlungen
auf Bali ist nicht viel mehr als eine Absichtserklärung und
eine Einigung darüber herausgekommen, wie weiterver-
handelt werden soll. Dabei müssen die Industrienationen,
als Hauptverursacher des Klimawandels, dringend handeln
und dazu gehören so unbequeme Maßnahmen wie den
Individual- und Flugverkehr verringern und das Sparen von
Energie. Die Hauptlast des Klimawandels werden die Länder
des Südens tragen müssen, die selbst am wenigsten zum
Klimawandel beitragen. Auf einer Reise durch Afrika hat
Marc Engelhardt erlebt, wie sehr Afrika schon heute unter
dem Klimawandel leidet. Mehr dazu erfahren Sie im titel
dieser Ausgabe.
Von Mitte Dezember bis Mitte Januar 08 hielten ROBIN
WOOD-AktivistInnen eine mehr als 200 Jahre alte Buche
besetzt. Die Buche sollte gefällt werden, um einer sieben-
spurigen Zufahrtstraße für die geplante Waldschlösschen-
brücke über der Elbe Platz zu machen. Wird die Bücke
gebaut, droht dem Elbtal bei Dresden die Aberkennung des
Status als Weltkulturerbe. Die Unterstützung der AktivistIn-
nen durch die Bevölkerung in Dresden war überwältigend.
Es wurde gekocht, Ständchen gesungen, Kinder malten
Bilder. Mehrere Tausend Menschen demonstrierten gegen
den Brückenbau und für den Erhalt der Buche. Allerdings
vergebens: Am 15. Januar wurden die BesetzterInnen von
der Polizei brutal aus der Buche geräumt und der Baum am
nächsten Morgen gefällt.
Den AktivistInnen und der Dresdener Bevölkerung ging es
nicht nur darum einen uralten Baum zu retten, sondern um
für ein zukunftsweisendes Verkehrskonzept einzutreten.
Eines, das nicht auf immer mehr Straßen für immer mehr
Verkehr setzt, sondern kluge Ideen entwickelt, z.B den
öffentlichen Verkehr zu fördern, um die Belastung durch
Feinstaub für die Menschen in einer Großstadt zu verringern.
Über den Verkehr der Zukunft geht es auch im schwer-
punkt dieser Ausgabe. Die AutorInnen berichten über Neues
von der Kampagne „Bahn für alle“, stellen die Ausbaupläne
für deutsche Flughäfen vor und zeigen warum Verkehr ganz
ohne Verkehrsschilder am besten fließt.
Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen für die Schwedt/
Berliner Redaktion
Foto: Romuald Buryn
Liebe Leserinnen und Leser!8. Dezember 2007, Berlin: Redaktion demonstriert für wirksamen Schutz des Klimas
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tatorte
Nr. 96/1.08
35 Tage besetzten ROBIN WOOD-AktivistIn-nen eine mehr als 200 Jahre alte Buche, um gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden zu protestierenFoto: Lutz Benke
titel
Nr. 96/1.086
Foto: Marc Engelhardt
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titel
In Bali kam es, wie es kommen
musste: Vor allem der Streit zwi-
schen EU und USA drohte, den Gipfel
scheitern zu lassen. Während jeder
Wortfetzen eines europäischen Mi-
nisters oder Unterhändlers höchsten
Newswert besaß, gingen die Stimmen
Afrikas unter – wenn es denn über-
haupt welche gab. Zwar behaupteten
beim Klimagipfel auf der indone-
sischen Ferieninsel gutmeinende
DiplomatInnen, Afrikas Regierungen
hätten sich so deutlich wie nie zu
Wort gemeldet. Doch da war viel
Höflichkeit dabei. Die wenigen Dele-
gierten, die die afrikanischen Staaten
– übrigens der größte Staatenblock
innerhalb der UN – sich zu schicken
leisten konnten, wurden am vor-
letzten Konferenztag beim Shoppen
gesichtet, ärgerten sich Vertrete-
rInnen der Umweltorganisationen. Zu
detailliert war oft der Streit, zu um-
fangreich das Konferenzprogramm,
als dass ein oder zwei VertreterInnen
eines der ärmsten Länder der Welt
glaubten, einen Unterschied ma-
chen zu können. Dabei, so betonten
KlimaforscherInnen immer wieder,
wird kein Kontinent mehr unter dem
Klimawandel zu leiden haben als
Afrika - und keiner ist so wenig auf
die Folgen vorbereitet.
Das merken in Afrika längst selbst
diejenigen, die die wissenschaftlichen
Hintergründe nicht kennen. Der Kli-
mawandel hat das alltägliche Leben
der Ärmsten verändert. Eine Reise
quer durch den Kontinent, die mich
im Sommer für einen Dokumentar-
film durch Afrika führte, sollte diese
Vermutung bestätigen.
Die Reise beginnt auf einem Feld im
äthiopischen Hochland. Ato Mulu-
alem Birhane und seine Frau hocken
zwischen dem Tef, dem wichtigsten
einheimischen Getreide, und rupfen
Unkraut aus. Maschinen gibt es hier
nicht auf den kleinen und unebenen
Feldern, alles geht von Hand. „Die
Ernte könnte gut werden in diesem
Jahr,“ sagt der 48-jährige Mulualem.
Wenn das Wetter mitspielt. „Früher
gab es einmal im Jahr eine feste
Regenzeit, aber seit ein paar Jahren
kommt sie, mal kommt sie nicht,
dann regnet es zu stark oder zur
falschen Zeit.“ Hinter den beiden
Eheleuten, die seit 1991 hier im Dorf
Dembecha gut 300 Kilometer nörd-
lich der Hauptstadt Addis Abeba ihre
Farm betreiben, türmen sich dunkle
Wolken auf. In der Ferne donnert es.
Extreme Wetterereignisse erleben die
Bauern hier inzwischen immer öfter.
2006 kamen bei den schlimmsten
Fluten seit Jahrzehnten 900 Men-
schen ums Leben, Hunderttausende
verloren ihren ganzen Besitz. „Sol-
che Fluten haben wir vorher noch
nie gesehen“, sagt der Vorsitzende
des Äthiopischen Umweltforums,
Negusu Aklilu. „Und nicht nur
Überschwemmungen, auch Dürren
werden in Äthiopien allmählich zu
einem fast alltäglichen Phänomen.“
Die Folgen sind katastrophal, denn
in Äthiopien, einem der ärmsten
Länder der Welt, sind praktisch alle
Bauern auf die Geschicke des Wet-
ters angewiesen, um eine lohnende
Ernte einfahren zu können. Ähnlich
ist es in anderen Teilen Afrikas. Der
Farmer Mulualem berichtet, dass das
Wetter selbst dann verrückt spielt,
wenn der Himmel blau ist. „Früher
hatten wir hier im Hochland mode-
rate Temperaturen, aber inzwischen
ist es heiß, zu heiß.“
Die gestiegenen Temperaturen
beklagt auch Peter Mireri von der
Kein Kontinent hat so sehr unter dem Klimawandel zu leiden wie Afrika. Die Auswirkungen beeinträchtigen längst das Leben vieler AfrikanerInnen.
Tenadi, Mauretanien: Um-weltschützer Sidi el Moctar steht auf einer der Dünen, die den Fortbestand der von ihm verwalteten Oase bedrohen
Hotspot Afrika
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titel
Umweltgruppe „Friends of Lake Victo-
ria“, nur die Auswirkungen sind andere.
Mit Sorge schaut er einen Steg hinab,
der gut 150 Meter vor ihm in den See
ragt. „Hier, zu meinen Füßen, haben
wir 2004 unsere Boote vertäut“, erklärt
Mireri. Er zeigt zum Ende des Stegs.
„Inzwischen mussten wir den Steg bis da
hinten verlängern, und das in nur zwei
Jahren!“ Nach drei Jahren Dürre hat es
in diesem Jahr am Viktoriasee erstmals
wieder geregnet, doch der Pegel hat sich
kaum erhöht. Die Trockenheit hat den
größten See Afrikas schwer getroffen:
Zu 70 Prozent speist sich das Wasser
aus Regenfällen, wichtige Zuflüsse gibt
es kaum, weiß Mireri. „Weil es wärmer
geworden ist, verdunstet das Wasser
zudem auch noch stärker.“
Mireri ist sich sicher, dass der sinkende
Pegel einer der Hauptgründe dafür ist,
dass es immer weniger Fische im See
gibt. Die Netze der wenigen, die noch
von Kisumu aus in See stechen, bleiben
immer öfter leer. Verlierer des Fisch-
Schwunds sind die BewohnerInnen Kisu-
mus, die sich ihren Fisch immer seltener
leisten können: Der Preis hat sich binnen
zwei Jahren vervierfacht. „Natürlich ist
der Klimawandel nur ein Faktor von
mehreren“, sagt Mireri. Überfischung,
Ablassen des Wassers in Kraftwerke
auf der ugandischen Seite und andere
Faktoren spielen auch eine Rolle. „Aber
der Klimawandel kommt obendrauf, ver-
schlimmert die ohnehin schlimme Lage
und gibt dem See den letzten Rest.“
Einige hundert Kilometer weiter westlich,
im Herzen Afrikas, steht das staatliche
Krankenhaus von Hoima. Jeden Tag
stirbt auf der Kinderstation mindestens
einer an einer Krankheit, gegen die es
keine Impfung gibt: Malaria. Die von
Moskitos übertragene Krankheit kann
in kurzer Zeit akute Formen annehmen.
Schätzungen der UN zufolge sterben
jährlich bis zu 2,7 Millionen Menschen
an der von Anophelesmücken übertra-
genen Krankheit. Drei Viertel der Opfer
sind Kinder.
Hoima, Uganda: Eine Mutter am Bett ihres an Malaria erkrankten Kindes
Kisumu, Kenia: Im einst geschäftigsten Fischereihafen der Stadt wird heute allenfalls noch Holzkohle ausgeladen - andere Boote verrotten
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Fotos: Marc Engelhardt
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Mehr als 5000 malariakranke
Kinder nehmen der Kinderarzt Tom
Ediamu und seine KollegInnen
jeden Monat auf. „Es gab hier
schon immer Malaria, aber seit ein
paar Jahren nimmt die Zahl der
Fälle ständig zu.“ Die Gründe für
den Ansturm sind Ediamu klar. „In
der langen Regenzeit zwischen
September und November regnet
es seit einigen Jahren viel mehr als
üblich.“ Wo in diesen warmen Mo-
naten das Wasser steht, entwickeln
sich die Larven des Überträgers,
der Anophelesmücke, besonders
schnell und in großer Zahl. Die
Beobachtung des Arztes deckt sich
mit der Analyse des Weltklimarats
IPCC. Ähnliche Entwicklungen do-
kumentiert er überall in Afrika, seit
sich die Regenzeiten in Folge des
Klimawandels verschoben haben.
Weil es insgesamt wärmer ist,
breitet sich die Malaria selbst dort
aus, wo der Erreger wegen kühler
Temperaturen früher nicht über-
leben konnte, etwa im Hochland.
„Ich komme aus dem Südwesten
Ugandas und hatte nie Malaria, bis
ich mit 18 nach Kampala gezo-
gen bin“, erinnert sich Achilles
Byaruhanga, Direktor von „Nature
Uganda“. An Malariafälle in seiner
Heimat am Fuß der Rwenzori-
berge kann Byaruhanga sich nicht
erinnern. „Heute wird die gleiche
Gegend als endemisches Gebiet für
Malaria geführt, die Zahl der Fälle
nimmt ständig zu.“
Letzte Etappe: der ferne Westen
Afrikas. Im leichten Zelt der Noma-
den gießt Aïcha den Tee in einer
Zeremonie auf, die Jahrhunderte
alt ist. Die Tradition in Mauretanien
gebietet es, dass jeder Besucher,
der die Sahara durchquert hat,
mindestens drei Tassen leeren
muss - so soll das Überleben der
Reisenden gesichert werden. Doch
entgegen aller Tradition sind in
Tenadi im Süden des Wüstenstaats
die Nomaden längst sesshaft ge-
worden. Seit der ersten schweren
Dürre in den 70er Jahren schützt
Sidi el Moctar die letzte Oase,
die hier noch Wasser führt und
den neu sesshaften Nomaden ein
bisschen Land- und Viehwirtschaft
ermöglicht. 5000 Bäume müssen el
Moctar und seine HelferInnen jedes
Jahr anpflanzen, um die Dünen
aufzuhalten, die wegen höherer
Temperaturen und der immer
größeren Trockenheit schneller
vormarschieren als je zuvor. Das
Vordringen der Wüste in den
Sahelgürtel, in Mauretanien das
fruchtbarste Land, können selbst
die lebenden Schutzwälle immer
schlechter aufhalten. „Wir haben
sehr viel Angst vor dem Klimawan-
del”, sagt el Moctar, „Wir drohen
unterzugehen, wenn wir nicht
unermüdlich gegen den Vormarsch
der Wüsten und den Klimawandel
kämpfen.”
Längst fordern die afrikanischen
UmweltschützerInnen, die ich auf
dieser Reise getroffen habe, von
den Industrieländern des Nordens
nicht mehr nur die Reduzierung
von Treibhausgasen. Sie wollen
von den unbestrittenen Verursa-
chern des Klimawandels vor allem
Hilfe, um die Folgen abzufedern.
Für die nötige Anpassung an die
veränderten Lebensbedingungen
werden Millionensummen benö-
tigt, schätzt Negusu Aklilu.
Er ist enttäuscht, wie wenig Hilfe
Afrika bislang bekommt. „Es
gibt ein Sprichwort, das lautet:
Das Gegenteil von Liebe ist nicht
Hass, sondern Gleichgültigkeit. Ich
glaube nicht, dass Politiker überall
auf der Welt den ärmsten Teil der
Erde hassen, aber wir sind ihnen
egal. Und indem sie so gleichgültig
sind, sorgen sie dafür, dass die
Ärmsten hier leiden.“
Marc Engelhardt arbeitet von
Nairobi aus als freier Afrika-Kor-
respondent und ist auf Umwelt-
und Klimathemen spezialisiert.
Für die Heinrich-Böll-Stiftung
hat er die Dokumentation “Hot-
spots – Afrikas Stimme gegen
den Klimawandel” gedreht.
Mehr Infos unter www.african-
climateappeal.org oder
www.oneplanetmedia.de
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Energie in Afrika
Möglicherweise darf man die Ver-
abredung nicht zu hoch hängen,
ist sie doch nur einer von 118 Punkten,
die in der EU-Afrika-Strategie stehen. Sie
zeigt jedoch eine neue Qualität im Dialog
zwischen der EU und Afrika, in dem
Afrika neben der Rolle als Rohstoffliefe-
rant auch als Partner und vor allem als
Markt (eben auch für Atomkraft) ernster
genommen wird. Immerhin war der EU-
Afrika-Gipfel der erste seit sieben Jahren.
Die Staats- und Regierungschefs der EU
und der Afrikanischen Union hatten sich
zuletzt im Jahr 2000 in Kairo getroffen.
Zwei Gründe führten vor allem zu diesem
weiteren Gipfel: Zum einen beschert
der weltweite Rohstoff-Hunger einigen
Ländern des Kontinents länger anhal-
tendes, bedeutendes wirtschaftliches
Wachstum. Zum anderen interessieren
sich für die reichen Rohstoffvorkom-
men nicht länger nur die Europäer und
Amerikaner, sondern auch die Chinesen.
Obwohl „nur“ 10 Prozent des Ölexports
Afrikas nach China fließt, im Verhältnis
zu je 35 Prozent nach Europa und in die
USA, wird China als ernste Bedrohung
europäischer Interessen wahrgenom-
men. Um also die eigenen Interessen
klar zu machen und zu wahren, fand im
Dezember der Gipfel statt.
Tatsächlich verfügt Afrika zum Beispiel
über bedeutende Öl-, Erdgas-, Eisen-
erz-, Kupfer-, Bauxit- und Uranreserven.
Gleichzeitig profitieren von diesen
Reichtümern nur wenige, was sich am
Beispiel Energie gut zeigen lässt. Afrika
produziert etwa 10 Prozent der kom-
merziellen Energie weltweit, während
es nur etwa 5 Prozent selbst ver-
braucht. Die Elektrifizierung, besonders
im ländlichen Raum, ist extrem niedrig,
77 Prozent der Haushalte in Subsahara-
Afrika haben keinen Strom. Das liegt
an der im ländlichen Raum zum Teil
sehr dünnen Besiedlung, die den Bau
von Stromnetzen zu einem sehr teuren
Unterfangen macht, das wegen der
geringen Kaufkraft schwer finanzierbar
ist. Im dichter besiedelten, städtischen
Raum ist die Elektrifizierung höher.
Aktuell lebt eine deutliche Mehrheit (65
Prozent) im ländlichen Raum, allerdings
wandern immer mehr Menschen in die
Städte ab.
Wegen der niedrigen Elektrifizie-
rungsrate spielen die Nicht-Strom-
Energiequellen für die Haushalte eine
bedeutende Rolle. Etwa 70 Prozent
der Bevölkerung in Subsahara-Afrika
sind von traditioneller Biomasse als
Energiequelle abhängig, vor allem Holz
und Holzkohle, mit den vorhersehbaren
Auswirkungen wie Entwaldung und
Versteppung. Nur Südafrika besitzt so
umfassende Kohlevorkommen, dass
diese einen bedeutenden Anteil in der
Stromproduktion einnimmt.
Südafrika nimmt zudem eine Sonder-
stellung auf dem Kontinent ein, da es
als einziges Land bereits Atomkraft
nutzt, die allerdings nur 4,4 Prozent zur
nationalen Stromversorgung beiträgt.
Seit Jahren verfolgt der staatliche
südafrikanische Energieversorger Eskom
Pläne, die Atomkraft auszubauen. Dies
soll mit einem neuartigen Kugelbett-
Reaktortyp geschehen. Investoren für
dieses Projekt kommen und gehen:
Ein amerikanischer Investor, Exelon,
der sich beteiligte und den Reaktor-
Die Katse-Talsperre, mit 185 Metern die höchste Afrikas, versorgt Südafrika mit Wasser. Für den Bau mussten mehrere Dörfer umgesiedelt werden
Der Handelsreisende in Sachen Atomenergie, Nicolas Sarkozy, kann zufrieden sein: In der EU-Afrika Strategie, die am 8. und 9. Dezember 2007 in Lissabon verabschiedet wurde, verabreden EU und Afrika einen Dialog über die Nutzung der Atomenergie.
Foto: Afrika aktuell/Schadhauser
11
titel
typ ebenfalls in den USA bauen wollte,
zog sich jedoch 2002 aus dem Pro-
jekt zurück. Verhandlungen mit dem
französischen Atomkonzern Areva über
gemeinsame Forschung und Entwick-
lung scheiterten an Arevas Bedenken,
dass die geringe Leistung des geplanten
Reaktortyps zwischen 125 und 165 MW
den Preis für die Kilowattstunde zu teuer
machen würde. Nun hofft Eskom auf die
Toshiba Tochter Westinghouse Electric,
die an dem Projekt beteiligt ist.
Mehr Erfahrung als mit der Stromgewin-
nung durch Atomkraft gibt es in Afrika
mit der Bereitstellung des nötigen Brenn-
stoffs, denn 20 Prozent der Welturanvor-
räte befinden sich auf dem Kontinent.
Bedeutender Abbau findet in Namibia
und im Niger statt. Dabei ist der Uranab-
bau in trockenen Gegenden besonders
problematisch: Ein Gutachten zur neuen
Uranmine „Langer Heinrich“ in Namibia
hat ergeben, dass der Wasserverbrauch
der Mine zehn Prozent der gesamten
Wasserförderung Namibias benötigt.
Dies ist nötig, da die Abtrennung des
Urans aus dem gemahlenen Erz, seine
Reinigung und die Kontrolle des giftigen,
radioaktiven Staubs wegen des Wüsten-
klimas sehr viel Wasser verschlingen.
Im Niger ist Areva im Uranabbau aktiv
und hat für sein Engagement dieses Jahr
den „Public Eye Award“ gewonnen, den
die Schweizer Organisationen „Erklärung
von Bern“ und „pro natura“ an beson-
ders skrupellose Unternehmen vergeben.
In der Begründung für die Nominierung
heißt es: „Schon einmal davon gehört,
dass man von radioaktiver Strahlung
HIV/Aids bekommt? Nein? Ist ja auch
kein Wunder. Auch dem französischen
Atomkonzern Areva ist das klar – und
trotzdem lautet in den firmeneigenen
Krankenhäusern die Diagnose oft HIV-
positiv, statt den eigentlich krebskranken
Minenarbeitern die Wahrheit zu sagen.
Das geschieht aktuell im Norden Nigers,
wo Areva als Mehrheitsaktionärin zweier
Minengesellschaften (Somaïr und Comi-
nak) Uran abbauen lässt. Der Grund für
solche Falschdiagnosen: Das französische
Staatsunternehmen will die Behand-
lungskosten für ehemalige Mitarbeiter
nicht bezahlen. Die Minenarbeiter und
deren Familien werden nur mangelhaft
über die Gesundheitsrisiken des Uranab-
baus informiert. Analysen zeigen die
deutliche radioaktive Verseuchung von
Luft, Wasser und Boden. Verunreinigtes
Material wird einfach unter freiem Him-
mel gelagert.“ (http://www.publiceye.
ch/de/p63000003.html)
Wasserkraft wird als eines der großen
Energiepotenziale für Afrika angesehen.
Schätzungen von EU und UNDP sehen
17 Prozent des weltweiten Wasserkraft-
potenzials in Afrika. Allerdings sind die
Erfahrungen mit bereits gebauten, oder
im Bau befindlichen Staudämmen denk-
bar schlecht. Etwa in Lesotho, wo gleich
fünf Staudämme gebaut werden sollten,
um Wasser nach Südafrika zu verkaufen
und Strom zu produzieren. Die Kosten
explodierten und das Wasser aus den
beiden fertigen Dämmen ist für viele
SüdafrikanerInnen nicht erschwinglich.
Für die Kostenexplosion war vor allem
weit verbreitete Korruption verantwort-
lich. Lesotho hat in einem spektakulären
Prozess die im Land Verantwortlichen
und die beteiligten internationalen
Konzerne vor Gericht gebracht. Der
kanadische Baukonzern Acres Internati-
onal und die deutsche Firma Lahmeyer
International wurden verurteilt.
Lahmeyer International ist auch Gene-
ralunternehmer beim Bau des Merowe
Staudamms im Sudan, wo der Nil zu
einem Wasserkraftwerk mit 1250 MW
aufgestaut werden soll. Die sudanesische
Regierung ließ dafür 50.000 Kleinbauern
aus dem Niltal vertreiben, Proteste wur-
den brutal niedergeschlagen, im Februar
2006 sogar drei Menschen getötet.
Ebenfalls den Nil aufstauen und dabei
250 MW produzieren soll der Bujagali-
Staudamm in Uganda, auch hier ruft
das Projekt breite Proteste hervor. Neben
ökologischen Bedenken ist dabei die
Korruption eine große Sorge, die das
Projekt 2003 bereits einmal stoppte. Nun
wird weiter geplant. Frank Maramuzi
von der ugandischen Organisation Nati-
onal Association of Professional Environ-
mentalists fürchtet: „Der im Bujagali-
Staudamm produzierte Strom wird so
teuer werden, dass ihn sich die meisten
Menschen und besonders die, die am
meisten unter dem Damm zu leiden
haben, nicht werden leisten können.“
Nr. 96/1.08
Damit spricht er ein entscheidendes
Kriterium für nachhaltige Energiepro-
jekte an. Ibrahim Togola, malischer Ener-
gieexperte, formuliert dies so: „Natürlich
sind Energie und Strom extrem wichtig
für die Entwicklung eines Landes. Aber
einen Grundsatz muss man dabei unbe-
dingt beachten: Was die meisten Men-
schen in Afrika von Energieprojekten
erwarten und brauchen, sind Möglich-
keiten, zusätzliches Einkommen zu er-
wirtschaften. Nur dann können sie auch
für den Strom bezahlen.“ Er hat selbst in
Südmali an einem solchen Projekt mitge-
arbeitet. Dort hat die Gemeinde Garalo
ein 300 MW Kraftwerk errichtet, das
mit Jatropha (Purgiernuss)-Öl betrieben
werden soll. Die für das Öl notwendigen
Jatrophapflanzen bauen die Bauern und
Bäuerinnen der Gemeinde dezentral auf
ihren Äckern an, neben ihren übrigen
Agrarprodukten. Durch den Verkauf
der Purgiernuss können sie zusätzliches
Einkommen erwirtschaften und damit
unter anderem den erzeugten Strom
bezahlen. Für Togola liegt die Ener-
giezukunft Afrikas in solchen kleinen,
dezentralen Projekten, die von kleinen
und mittleren afrikanischen Unterneh-
men realisiert werden und nicht von den
großen Multis, seien sie aus Europa, den
USA oder China.
Regine Richter arbeitet in Berlin für die Umwelt- und Menschenrechts-
organisation urgewald [email protected]
Energie und Gewinne der nahen Ölpipeline nützt diesen Pygmäen im Tschad nichts. Im Gegenteil, sie beeinträchtigt ihren Lebensraum
Foto: Korinna Horta, Environmental Defense
titel
Nr. 96/1.0812
Kampf um Rohstoffe Nicht immer sind die Beziehungen zwischen Konflikt und dem Abbau eines Roh-stoffes so eindeutig wie im Film „Blood Diamonts“ und der Reichtum an Rohstoffen in einem Land führt nicht zwangsläufig zu gewaltsamen Konflikten. Allerdings scheinen rohstoffreiche Länder anfälliger für Konflikte zu sein als rohstoffarme.
Mögliche Ursachen für Konflikte
liegen darin, wie Ressourcen
abgebaut werden, wie die Einnahmen
aus diesem Sektor verteilt werden und
wie die lokale Bevölkerung in Entschei-
dungen über die Entwicklung der be-
troffenen Region einbezogen wird. Häu-
fig vergrößern sich bestehende soziale
und ethnische Spannungen, wenn die
Industrie ihre Vorhaben ohne Rücksicht
auf die Menschen vor Ort umsetzt.
Natürliche Ressourcen waren in der Ver-
gangenheit Ziele oder Hilfsmittel von
Kriegsführung und werden dies auch
in Zukunft bleiben. Kriegsführende Par-
teien brauchen Geld und sie nehmen
es sich, wo sie es bekommen können.
Häufiger als andere Industriezweige ist
die Erdöl- und Bergbauindustrie in Kon-
flikte verstrickt. Rohstoffe lagern meist
in entlegenen Regionen und bilden oft
eine „Insel des Reichtums“ inmitten
bitterer Armut. Unternehmen tragen zu
Konflikten bei, in dem sie existierende
soziale Ungleichheiten vergrößern,
wenn sie versuchen Steuern zu vermei-
den und wenn sie durch Bestechung
und Intransparenz zur Erhaltung kor-
rupter Machtstrukturen beitragen. Oder
indem sie zur Sicherung ihrer Interessen
autoritäre Regime unterstützen. Operie-
ren Bergbau- und Erdölunternehmen in
(Bürger-)Kriegsregionen, lassen sie ihre
Anlagen durch bewaffnete Sicherheits-
kräfte schützen und sehen sich häufig
gezwungen, Schutzgelder an bewaff-
nete Konfliktparteien zu entrichten.
Auch dies trägt zur Verschärfung
bestehender Konflikte bei.
Um Konflikten vorbeugen zu können,
ist es wichtig, mit dem Gewinn aus
dem Geschäft mit den Rohstoffen die
Lebenssituation der Menschen in der
betroffenen Region zu verbessern.
Dazu gehört, eine transparente und
gerechte Verteilung der Einnahmen
aus dem Rohstoffsektor, eine so-
zial und ökologisch verantwortliche
Unternehmenspolitik, eine transpa-
rente Steuerpolitik und eine staatliche
Politik, die nicht nur die Interessen der
Unternehmen sondern auch die der
lokalen Bevölkerung schützt. Dafür
müssen demokratische Institutionen
und eine vielfältigere Wirtschaft entwi-
ckelt werden.
Aus Anlass der deutschen G8-Präsidentschaft in
diesem Jahr hat die Heinrich-Böll-Stiftung einen
Dialog ins Leben gerufen, bei dem sich zivilgesell-
schaftliche RepräsentantInnen und Wissenschaft-
lerInnen aus Nigeria, Kenia, Angola, Kamerun,
Tschad, Südafrika, Liberia, China, Indien, Brasilien,
Russland, Mexiko, Nordamerika und Europa auf
einen gemeinsamen Reformvorschlag verständigt
haben. Das wichtigste Ergebnis dieses Dialogs
ist das Memorandum „Haben und Nichthaben
– verantwortungsvolle Ressourcenpolitik im 21.
Jahrhundert“. Es analysiert bestehende Initiati-
ven, Standards und Mechanismen der globalen
Ressourcenpolitik und formuliert politische Forde-
rungen und Empfehlungen an die G8-Staaten für
einen verantwortungsvollen Umgang mit natür-
lichen Ressourcen. Politisch unterstützt wird das
Memorandum von der liberianischen Präsidentin
Ellen Johnson-Sirleaf, dem US-amerikanischen
Investmentbanker und Gründer des Open Society
Instituts George Soros, Ed Zwick, dem Regisseur
des Films „Blood Diamond“, von Peter Eigen,
Gründer von Transparency International und
Vorsitzender der Extractive Industries Transparency
Initiative (EITI) sowie von der Fatal Transactions
Campaign.
Das Memorandum steht unter www.boell.de/re-
source_governance zum Download bereit. Außer-
dem bietet das Webdossier unter dieser Adresse
weitere Hintergrundtexte und Materialien zum
Thema Governance und nachhaltige Rohstoffpoli-
tik. Kontakt: Lili Fuhr, Referentin für Internationale
Politik, [email protected], 030/28534304
Haben und Nichthaben – Verantwortungs-
volle Ressourcenpolitik im 21. Jahrundert
13
titel
Mit dem Kimberley Prozess (Kimberley Process Certification Scheme)
hat die internationale Gemeinschaft eine erste Antwort auf das Pro-
blem des Handels mit Konfliktrohstoffen gegeben. Es ist ein internati-
onales Zertifizierungsverfahren auf Regierungsebene, das den Handel
mit Blutdiamanten unterbinden will. Der seit dem Januar 2003
installierte und von der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicher-
heitsrat unterstützte Kimberley-Prozess fordert Regierungen auf, die
Herkunft von Rohdiamanten zu bestätigen, um zu garantieren, dass
sie nicht aus Konfliktgebieten stammen. Die beteiligten Länder sind
verpflichtet ein Kontrollsystem für den Import und Export von Rohdi-
amanten aufzubauen. Der Kimberley-Prozess war die Lösung, um zu
verhindern, dass Rebellengruppen ihre Kriegsführung aus den Erlösen
des Diamantenhandels finanzieren. Man wird aber schwer für jede
natürliche Ressource, die gehandelt wird, um damit einen Konflikt zu
finanzieren, einen Kimberley-Prozess in Gang setzen können.
Ein möglicher erster Schritt in diese Richtung könnte die Definition
von „Konfliktrohstoffen“ sein. Denn bisher gibt es kein klares Ver-
ständnis darüber, unter welchen Umständen ein Rohstoff zu einem
Konfliktrohstoff wird. Global Witness hat dazu einen Vorschlag entwi-
ckelt: Konfliktressourcen sind natürliche Ressourcen, deren systemati-
sche Ausbeutung und Handel in Verbindung mit einem Konflikt dazu
beiträgt, daran profitieren lässt oder dazu führt, dass es zur Beteili-
gung an gravierenden Menschenrechtsverletzungen, Verletzungen
des internationalen Völkerrechts oder zu Verletzungen kommt, die
nach internationalem Recht auf Verbrechen hinauslaufen.
Eine Definition an sich ist keine Lösung des Problems. Aber sie kann
einen Mosaikstein in einem umfassenden Konzept zur Konfliktlösung
im internationalen Rahmen darstellen, in dem gezielte Sanktionen,
wie das Einfrieren von Konten und Reiseverbote, und die Überwa-
chung ihrer Einhaltung und Maßnahmen zum Wiederaufbau ineinan-
der greifen. Maßnahmen
auf UN-Ebene, um den
Handel mit Konfliktrohstof-
fen zu stoppen, müssen je-
doch durch Aktivitäten auf
anderen Ebenen ergänzt
werden: zum Beispiel durch
eine bessere Koordination
von Strafverfolgung auf
EU-Ebene und eine besser
abgestimmte Außen- und
Sicherheits-, Entwicklungs-
und Handelspolitik auf
nationaler Ebene.
Heidi Feldt, freie Gutach-
terin in Essen und
Lili Fuhr, Berlin
Nr. 96/1.08
Der Hollywood-Streifen Blood Diamonts mit Leonardo DiCap-
rio in der Hauptrolle hat es eindringlich illustriert: Wie in
einem übertriebenen Wildwest-Kinofilm der 1950er Jahre wirken
die brutalen Szenen im Drama von Charles Leavitt und Gabi
Mitchell. Doch sie sind bitterer Alltag in afrikanischen Ländern
wie Sierra Leone, Angola oder Liberia. Der erbitterte Kampf um
Rohstoffe hat verheerende Folgen für die Bevölkerung. Allein
der Konflikt um die fünf begehrtesten Bodenschätze im Kongo
- Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold - hat bis heute
mehr als drei Millionen Tote gefordert. Die Perversion ist perfekt,
wenn klar wird, dass immer wieder Anteile der blutigen Ge-
winne aus dem Rohstoffhandel in die Finanzierung von Kriegen
fließen. So kann am Diamantenring doppelt Blut und Elend
kleben, ebenso wie an jedem Handy, für das Coltan verarbeitet
wird.
Die Gier nach Diamanten hat verheerende Auswirkungen auf die
Natur: Wilde, nicht sorgsam geplante Minen hinterlassen eine
zerklüftete Wüstenlandschaft, in der kein Kraut mehr wächst.
Mindestens genauso schlimm: Vor allem im Kongo beschaffen
die Diamantensucher sich ihre tägliche Fleischration durch die
illegale Jagd auf geschützte Arten. So sind die Menschenaffen
wie Schimpansen und Gorillas durch die Jagd der Diamanten-
schürfer in vielen Regenwaldregionen Afrikas erst in den letzten
zwei Jahrzehnten an den Rand der Ausrottung gebracht worden.
Riesigen sozialen und ökologischen Sprengstoff birgt die Förde-
rung von Erdöl. Beispiel Nigeria: Dort hat der Ölmulti Shell fast
den gesamten Regenwald vernichtet und das Land verseucht.
Achtzig Prozent der Einnahmen des brutalen Militärregimes,
das bis Ende der 90er Jahre an der Macht war, stammten aus
den Tantiemen von Shell. Die politischen Greuel mündeten
1995 in der Ermordung von acht Menschenrechtlern und ihres
berühmten Anführers, Ken Saro-Wiwa vom Volk der Ogoni.
Sie hatten ein Ende der Regenwaldzerstörung und der Unter-
drückung ihrer Stammesangehörigen gefordert. Heute, im Jahr
2008, sind die Nachrichten aus Nigeria nicht besser. Anfang Ja-
nuar melden die Agenturticker, dass die größte Rebellengruppe
Nigerias, die „Bewegung für die Emanzipation des Niger-Deltas“
(MEND), einen blutigen Kampf ankündigt. Ihr Ziel: sämtliche
Ölexporte des zerrissenen Landes zum Erliegen zu bringen. Sie
mahnen die Bevölkerung, sich von Militärstützpunkten und
Truppentransportern fernzuhalten, da diese Ziel von Sprengsät-
zen seien.
Beispiel Angola, 40 Jahre Krieg als Erbe der Kolonialzeit brachten
einen der reichsten Männer der Welt hervor: Präsident Eduardo
dos Santos. Reich haben ihn die Ölquellen des Landes gemacht,
die er sich von Exxon, BP und anderen Großkonzernen versilbern
ließ. 40 Prozent der Öleinnahmen werden gar nicht im Staatsetat
ausgewiesen. Um seine Macht zu sichern, unterhält dos Santos
einen brutalen Militär- und Polizeiapparat, der gegen jeden Re-
gimegegner hart durchgreift. Eine perfekt organisierte Vettern-
wirtschaft hält das System am Laufen. Aber diese empfindliche
Balance kann schnell durch soziale Unruhen aus dem Gleichge-
wicht geraten und zu einem Bürgerkrieg führen.
Quellen: medico international u.a.
Robert Wald, Berlin
Diamantmine bei Mouji-Mayi in der Demokratischen Republik Kongo, Foto: Global Witness, 2003
Nr. 96/1.0814
Foto: Reiner Rohloff
verkehr
15
Geteilte Räume
verkehr
Mit geschlossenen Augen
passiert Hans Monderman
eine Kreuzung, über die täglich
zwanzigtausend Autos brettern. Er
erreicht wohlbehalten die andere
Straßenseite – ohne Ampel, ohne
Bodyguard, ohne Blaulicht. Dies
geschieht in einer niederländischen
Kleinstadt, die eine Verkehrs-
kultur der Kommunikation und
gegenseitigen Rücksichtnahme
verwirklicht. Werner Steinke lässt
uns an seinem Besuch bei Hans
Monderman in Drachten teilhaben.
„Shared Spaces“ - geteilte Räume
- heißt dessen Zauberwort, das
europäische Stadt-, Verkehrs- und
FreiraumplanerInnen fasziniert.
Hans Monderman ist am 7. Januar
2008 gestorben.
„Männer, Frauen und Kinder laufen
mit großer Selbstverständlichkeit
auf der Straße.“ Was wie eine
Vision von der europäischen Stadt
der Zukunft klingt, berichtet Ute
Bertrand aus dem ghanaischen
Accra von heute: „Das Leben spielt
sich auf der Straße ab.“ Obwohl
nur sehr wenige Menschen selbst
ein Fahrzeug besitzen, sterben in
Afrika relativ zur Bevölkerungszahl
die meisten Menschen bei Ver-
kehrsunfällen: Europäische Schrot-
timporte auf Crash-Kurs. Mehr
darüber berichtet Ute Bertrand, die
im November 2007 eine Rundreise
durch Ghana machte.
Außerdem geben wir Ihnen in die-
sem Heft einen Überblick über die
Ausbaupläne an den drei größten
deutschen Flughafenstandorten
Frankfurt, München und Berlin. Al-
lein an diesen drei Standorten sollen
die Kapazitäten in den nächsten
zehn Jahren um siebzig Prozent
steigen. Für den Klimaschutz wäre
das eine Katastrophe, denn schon
jetzt drohen die Wachstumsraten
der Luftfahrtgesellschaften die
Bemühungen um Treibhausgas-Re-
duktionen in anderen Bereichen zu-
nichte zu machen. Die Europäische
Union antwortet darauf mit dem
Versuch, den Flugverkehr ins eu-
ropäische Emissionshandelssystem
einzubeziehen. Vor gut einem Jahr
ist der Gesetzentwurf aus dem Haus
des Umweltkommissars gestartet,
nun hat der Rat der europäischen
Umweltminister ihn unsanft landen
lassen.
Gute Nachrichten gibt es von
unserer Kampagne für eine bessere
Bahn in öffentlicher Hand. Der im
letzten Jahr vorgelegte Gesetz-
entwurf aus dem Hause Tiefensee
sah vor, die Hälfte des gesamten
Unternehmens an die Börse zu
bringen. Harte Überzeugungsarbeit
Nr. 96/1.08
und vielfältige Aktionen ließen das
größte Privatisierungsvorhaben in
der Geschichte der Bundesrepublik
schließlich Ende Oktober an der
sozialdemokratischen Parteibasis
scheitern. Doch nach den Landtags-
wahlen steht die Bahnprivatisierung
im März wieder auf der politischen
Agenda. Am dritten März berichtet
Verkehrsminister Tiefensee vor dem
Parteirat der SPD, Ende März will
der Aufsichtsrat der Bahn die Wei-
chen stellen. Wir werden da sein
– und bringen Sie in diesem Heft
auf den aktuellen Stand.
Lesevergnügen wünscht Ihnen
Monika Lege ist ROBIN WOOD-
Verkehrsreferentin in Hamburg
Tel.: 040/38089212
Die Fotos auf dieser Seite gehören beim ROBIN WOOD-Fotowettbewerb „Train-Spotting“ zu den 10 Besten. Herzlichen Glückwunsch den Preis-trägerInnen!
Foto: Benjamin Renter
Nr. 96/1.0816
Bahn frei – fürs Gemeinwohl
Wörtlich fordern die Delegierten, die
Bahn als „integrierten Konzern“
zu erhalten und die „Gewährleistung
von Mobilität als Aufgabe der Da-
seinsvorsorge des Bundes mittels der
Deutschen Bahn AG“. Das ist ein herber
Rückschlag für Bahnchef Mehdorn und
ein riesiger Erfolg unserer Kampagne
„Bahn für alle“.
Nach einigen halbherzigen Versuchen
seitens des Finanz- und Verkehrsmi-
nisteriums, vor Weihnachten mit dem
Holding-Modell einen koalitions- und
parteitagskompatiblen Kompromiss
vorzulegen und damit die Niederlage
zu schmälern, setzen im neuen Jahr die
Landtagswahlen in Niedersachsen, Hes-
sen und Hamburg die Chancen für un-
populäre Beschlüsse der Berliner Großen
Koalition auf Null. Nichtsdestotrotz wird
im Hintergrund am Ausverkauf weiter
gestrickt.
Zwei Modelle kristallisieren sich heraus,
die für die BefürworterInnen einer Bahn-
privatisierung den Vorteil haben, dass
sie keiner demokratischen Legitimation
durch Bundestag und –rat bedürfen. Im
Kern sehen sie die Trennung von Netz
und Betrieb vor. Die Infrastruktur soll
in Bundeseigentum bleiben, damit ist
Artikel 87e des Grundgesetzes Genüge
getan. Der Schienenverkehr soll jedoch
über eine so genannte Zwischenholding
privatisiert werden. Über das Ausmaß
gibt es unterschiedliche Vorstellungen.
Am weitesten geht das Vorhaben, Per-
sonen- und Güterbereich zu privatisieren,
besonders moderat ist der Vorschlag,
nur den nicht schienengebundenen Teil
des Gütergeschäfts aus der öffentlichen
Verantwortung zu nehmen.
Wir sind in der Karenzzeit, nur ein paar Tage noch, bis März. Nach dem für Verkehrsminister Tie-fensee, Bahnchef Mehdorn und andere ProtagonistInnen der Bahnprivatisierung verheerendem SPD-Parteitag liegt das Gesetz auf Eis. Die sozialdemokratische Parteibasis hatte in einer teilweise turbulenten Abstimmung beschlossen, eine Privatisierung der Bahn nur auf Basis von „Volksak-tien“ zuzulassen. Der Gesetzentwurf ihres Parteigenossen Tiefensee war damit hinfällig.
Foto: Danny B. Ibovnik
verkehr
Platz 1 Herzlichen Glückwunsch!
17
verkehr
Ein Pferdefuß aller derzeit diskutierten Holdingmodelle liegt darin,
dass die Vorstände der Zwischenholding und der Deutschen Bahn
AG personalidentisch besetzt werden sollen. Damit haben bei einem
privatisierten Betrieb die neuen AktionärInnen direkt Einfluss auf das
gesamte Unternehmen – oder, wie sozialdemokratische KritikerInnen
Tiefensees sagen, das Holdingmodell wird zur „Rutschbahn in Rich-
tung einer Vollprivatisierung der Verkehrs- und Logistikbereiche“.
Das aber ist für eine umwelt- und klimaschonende Verkehrspolitik
nicht sinnvoll. Eine echte Konkurrenz zur Straße ist die Bahn nur,
wenn sie neben den profitablen Fernverkehrs-Korridoren auch den
Personenverkehr in der Fläche bedient. Ebenso müssen im Güterver-
kehr Ganzzugsverkehre von Punkt zu Punkt kleinteilige Angebote
mitfinanzieren, um das LKW-Aufkommen zu vermindern. Dass dies
wirtschaftlich zu betreiben ist, zeigt das Beispiel Schweiz. Ist der
Betrieb jedoch ausschließlich auf möglichst hohe Gewinne orientiert,
werden diese fein ausdifferenzierten Netzmodule abgebaut - ganz
im Stil der Unternehmensführung von Bahnchef Mehdorn, der
die Bahn attraktiv für die Börse macht und dafür im Kerngeschäft
Leistungen zusammen streicht und bahnfremde Unternehmen dazu
kauft.
Im März werden die Führungsgremien der Bahn die Weichen für den
zukünftigen Kurs stellen. Da die Bahn noch vollständig dem Bund
gehört, sind sie formal dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine Trennung
von Netz und Betrieb unter Umgehung des Parlaments widerspricht
dem Parteitagsbeschluss der SPD und der Mehrheitsmeinung der Be-
völkerung, die laut Umfragen eine bessere Bahn in öffentlicher Hand
will. Unsere Kampagne Bahn für alle wird wachsam sein, um eine
„Privatisierung durch die Hintertür“ zu verhindern und sich für kun-
dInnen-, umwelt- und klimafreundliche Alternativen stark machen.
Monika Lege ist Verkehrsreferentin bei ROBIN WOOD
und schrieb diesen Beitrag in einem Zug
Tel.: 040/38089212, [email protected]
Nr. 96/1.08
Die Bahn soll privatisiert werden. Gutachter kommen zu dem Schluss, dass der Verkauf der Hälfte der Bahnanteile geschätzte 6,5 Milli-arden einbringen wird. Die andere Hälfte soll in der Hand des Bundes bleiben. Die Bahn ist aber viel mehr wert: Rund 183 Milliarden Euro weist die Statistik des Bundesver-kehrsministeriums für das Brutto-anlagevermögen aus. Beim ROBIN WOOD-Fotowettbewerb „Train Spotting“ sollten Preisschilder mit dem wahren Wert von 183 Milliar-den Euro und dem Billigpreis von 13 Mrd. Euro auf allem, was für die TeilnehmerInnen zur Bahn gehört, fotografiert werden.
Platz 3 bis 10
Platz 2
Foto: Katharina Maron
Foto: Judith Schmidt
Foto: Klaus Pollmächer
verkehr
18 Nr. 96/1.08
Foto: ROBIN WOOD
Flughafen Frankfurt
„Kein Baum wird mehr fallen“ - nach der nächsten Rodung
Der Frankfurter Flughafen im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet war schon immer umstritten. Angefangen mit den Rodungen und dem Bau im Frankfurter Stadtwald durch die Nationalsozialisten 1933, fraß sich der Flughafen über die Jahrzehnte weiter in den Wald. Dass die Aussage des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner von 1981 „Kein Baum wird mehr fallen“ nicht in alle Ewigkeit Bestand haben würde, war schon damals zu befürchten.
Die Ankündigung der „Notwendig-
keit“ einer weiteren Landebahn
noch Ende der Neunziger ließ jedoch er-
neut Widerstand in der Region aufkom-
men. Bürgerinitiativen gründeten sich
neu, und auch ROBIN WOOD mischte
sich ein. Als am 18. Dezember 2007 das
hessische Ministerium für Wirtschaft und
Verkehr den Ausbau des Flughafens und
somit eine neue Landebahn genehmigte,
musste Roland Koch als amtierender
Ministerpräsident eingestehen, dass das
lange versprochene Nachtflugverbot
nicht einzuhalten sei. Alle Verspre-
chungen mit Mediationsverfahren und
„Keine neue Landebahn ohne Nachtflug-
verbot, kein Nachtflugverbot ohne neue
Landebahn“ waren als Lügen entlarvt.
So drehte sich der hessische Wahlkampf
nicht um ein Ja oder Nein zum Ausbau,
sondern um die Frage, wie ein Nacht-
flugverbot auszugelegen sei. Mag die
unbedarfte BürgerIn bei Nachtflugverbot
denken, dass kein Flugzeug in der Nacht
fliegen darf, sieht die Realität anders aus:
Wenn die Nacht wie bisher üblich auf 23
bis 5 Uhr gekürzt wird, ist bei den jetzt
genehmigten 17 Nachtflügen mit einem
Wecken alle 30 Minuten zu rechnen.
Frühstückszeit ist für die BewohnerInnen
dann ab 5 Uhr, wenn wieder im Minu-
tentakt gestartet und gelandet wird. 150
Flugbewegungen stehen von 22 bis 6 Uhr
an. Kinder früh ins Bett zu schicken ist
mancherorts sinnlos, sofern das Bett nicht
hinter 3-fach verglasten Schallschutz-
fenstern steht. Die Lärmbelastung bei den
direkten Anrainern hat jetzt schon ein
erträgliches Maß überschritten.
Die hessische Landtagswahl ist vorbei,
doch für den Wald bei Kelsterbach,
in den die neue Landebahn geschla-
gen werden soll, war die Wahl nur ein
Aufschub. Die CDU forciert den Ausbau,
die SPD lehnt ihn keineswegs ab. Der
Beschluss zum Bau einer neuen Lande-
bahn ist gefallen, und die Rodung des
so genannten Bannwalds, der einst als
besonders schützenswert ausgewiesen
wurde, ist beschlossen. Da ist es egal, ob
Ypsilanti oder Koch als Ministerpräsiden-
tIn vereidigt wird. Doch mit erfolgreichen
Aktionen und Klettercamps, zuletzt im
Herbst 2007, haben die örtlichen Initia-
tiven und ROBIN WOOD den bedrohten
Wald wieder ins Bewusstsein gerückt.
Hunderte waren da, haben Solidarität
bekundet und vor Ort für den Erhalt des
Waldes demonstriert. Wenn der Wald
wirklich im Frühjahr gerodet werden
sollte, werden viele Menschen dort sein
und Widerstand leisten, ob am Boden
oder in den Bäumen. Die Baumbeset-
zungen zum Bau der A380 Halle oder
auch in Dresden wegen der geplanten
Elbbrücke haben gezeigt, wie klamm-
heimliches Roden fernab der Öffentlich-
keit verhindert werden kann.
Auf dem Frankfurter Flughafen wurden
im letzten Jahr über 54 Millionen Passa-
giere abgefertigt, die zusammen mit den
Frachtflügen gut 490.000 so genannte
Flugbewegungen, also Starts oder Lan-
dungen erforderten. Sollte der Bau nicht
verhindert werden, drohen den 5,5 Mil-
lionen BewohnerInnen des Rhein-Main
Gebiets 700 000 Flugbewegungen im
Jahr. Dann aber wirklich „gute Nacht“.
Andreas Kleinhans, Mainz
verkehr
19Nr. 96/1.08
Foto: Wicker/Berliner Flughafen
Dreimal eins macht sechs
Noch im Rausch der Wiedervereinigung Anfang der 90er wollte man die Weichen stellen für ein international bedeutendes Luft-fahrtkreuz in Berlin. Man träumte sogar von Dimensionen des Flughafens Chicago mit 60 Millionen Fluggästen pro Jahr. Doch nach jahrelangem juristischen Tauziehen ist die Kritik an diesem Mammutprojekt so groß wie nie zuvor.
Reichlich Streit gab es zwischen den
Ländern Berlin und Brandenburg
über den Standort. Ein von Brandenburg
durchgeführtes Raumordnungsverfahren
ergab als idealen Standort den rund 30
Kilometer südlich vor Berlin gelegenen
Militärflughafen Sperenberg.
Doch dem damaligen Regierenden
Bürgermeister von Berlin, Eberhard
Diepgen (CDU), war das viel zu weit
weg. So wurde kurzerhand der Aus- und
Umbau des am südöstlichen Stadtrand
von Berlin gelegenen ehemaligen DDR-
Flughafens Schönefeld beschlossen. Das
widersprach zwar dem Raumordnungs-
verfahren, hatte aber die Zustimmung
von Brandenburgs damaligen Minis-
terpräsidenten Manfred Stolpe (SPD)
und des damals amtierenden Bundes-
verkehrsministers Matthias Wissmann
(CDU, heute Präsident des Verbandes
der Automobilindustrie). Zwei zusätz-
liche Start- und Landebahnen sollen auf
einer Fläche von 1470 Hektar gebaut
werden. Aber mit welchem Geld? Berlin
und Brandenburg hatten beide keins,
also sollte der zukünftige Großflughafen
Berlin Bandenburg International (BBI) in
privater Regie entstehen.
Vom Flughafen zum Fluchhafen
Das im September 1996 eingeleitete
Privatisierungsverfahren scheiterte sieben
chaotische Jahre später mit Korruption
und Betrug. Zu Beginn versuchte sich ein
Konsortium unter Führung der Hochtief
AG an dem Projekt, doch das Oberlan-
desgericht Brandenburg entzog ihm das
Vorhaben. Begründung: „Doppelman-
date von Aufsichtsräten auf der Bieter-
und der Auftraggeberseite sowie Verlet-
zung des Neutralitätsgebotes“. Wegen
eines „gestörten Vertrauensverhält-
nisses“ wurde das Hochtief-Konsortium
vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.
Nun wurde der Immobilienkonzern IVG
mit dem Bau beauftragt. Doch so schnell
gab Hochtief nicht auf. Trotz Bedenken
des Bundeskartellamts stimmte die Euro-
päische Kommission 2001 einer Fusion
der ehemals konkurrierenden Bieter IVG
und Hochtief zu, der geschasste Konzern
spielte wieder mit.
2003 musste Manfred Stolpe, inzwi-
schen zum Bundesverkehrsminister
aufgestiegen, verkünden, sein Privati-
sierungsprojekt sei „an einem Punkt an-
gekommen, an dem es aktuell nicht zu
verwirklichen sei.“ Denn das Konsortium
aus Hochtief und IVG schätzte einen
Großflughafen Schönefeld als unwirt-
schaftlich ein und verlangte daher, alle
Risiken den SteuerzahlerInnen aufzubür-
den. Die tragen sie nun auch: Seit Ende
2004 steht ein Finanzierungskonzept aus
öffentlichen Geldern für das Milliarden-
projekt.
Dreimal eins macht sechs
„Aus 3 mach 1“ – so wirbt die Berliner
Flughafengesellschaft für ihr Großpro-
jekt. Denn der Flughafen Berlin-Bran-
denburg International in Schönefeld soll
künftig Berlins einziger Flughafen sein.
Der Flughafen Tempelhof soll im Oktober
2008 seinen Betrieb einstellen, Tegel zur
geplanten Inbetriebnahme des BBI 2011.
Durch die Konzentration auf einen
Flughafen werden die Umweltbelastun-
gen für Luft und Boden zwar gemindert,
dennoch stimmt die Formel „aus 3
mach 1“ nicht. Erfolgten 2006 auf den
drei Berliner Flughäfen „nur“ 200.000
Flugbewegungen, wird mit der Erweite-
rung von Schönefeld die Kapazität auf
400.000 Starts und Landungen verdop-
pelt (siehe Tabelle S. 20) und damit auch
die Umweltbelastungen.
Daniel Bornmann hat im Herbst 2007
ein Praktikum bei ROBIN WOOD ge-
macht und studiert Geografie.
Flughafen Berlin-Schönefeld
verkehr
Nr. 96/1.0820
Am 13. Oktober versammelten sich in
Dachau rund viertausend Menschen,
um gegen den Ausbau des Münchner
Flughafens zu demonstrieren und ihren
Unmut über die bayrische Politik, den
Münchner Flughafenbetreiber FMG und
die Lufthansa lautstark Luft zu machen.
Die große Teilnehmerzahl verwundert
nicht, denn allein in Dachau und den
angrenzenden Landkreisen Erding
und Freising wären bei einem Ausbau
250.000 BewohnerInnen unmittelbar
von den Auswirkungen der geplanten
dritten Startbahn wie Lärm, Abgasen
und Flächenraub betroffen, insgesamt
über 500.000 Menschen. Sogar Zwangs-
umsiedlungen der BewohnerInnen an-
grenzender Grundstücke soll es geben.
Das ruft auch Amtsträger auf den Plan,
die sich mit „wirtschaftsfeindlichen“
Äußerungen normalerweise zurückhal-
ten. So machte der Dachauer Landrat
Hansjörg Christmann (CSU) eine 180°-
Wende. Wenn sich die Mehrheit des
Kreistages gegen den Ausbau ausspricht,
will auch er sich mit allen Mitteln gegen
die Startbahn wehren.
Die BefürworterInnen des Ausbaus argu-
mentieren mit Kapazitätsengpässen und
neuen Arbeitsplätzen. Doch das Wachs-
tum am Münchner Flughafen verursa-
chen zum großen Teil Billigflieger. Deren
Zukunft steht durch die explodierenden
Ölpreise und begrenzten Ressourcen auf
wackligen Beinen. Dazu kommen viele
Zubringerflüge zu Interkontinentalflügen
der Lufthansa. Diese können ohne nen-
nenswerten Zeit- und Komfortverlust für
die Reisenden, aber mit großem Gewinn
fürs Klima auf die Bahn verlagert wer-
den. Neue Arbeitsplätze entstehen vor
allem in schlecht bezahlten und an Sub-
unternehmen ausgelagerten Bereichen.
Am Startpunkt der Demonstration in
Dachau bot sich den Münchner ROBIN
WOODlern ein sympathisches Bild von
vielen Menschen in bunten Verklei-
dungen. Auf den zahlreichen Trans-
parenten stand zum Beispiel „Wie die
Lufthansa spielt, so tanzen die Pfeifen“
oder – in Anspielung auf den Lufthansa-
Slogan „There´s no better way to fly“
- „There‘s no better way to lie“. Es
wurden sogar eigens Umzugsanhän-
ger in Faschingsmanier gebastelt, die
plastisch den Papierberg der Planfeststel-
lungsakten und die äußerst knappe Zeit
für die Einsichtnahme darstellen: Für
47.000 Ordner mit 10.000 Seiten haben
die BürgerInnen 44 Tage Zeit.
In ihren Redebeiträgen trugen Kommu-
nalpolitikerInnen und Bündnisvertrete-
rInnen zu Beginn und zum Ende der Ver-
anstaltung ihre Argumente lautstark vor.
Mitunter mutete ihr Selbstverständnis
„Wir sind das Volk!“ etwas befremdlich
an. Ein Duo mit Tuba und Gitarre gab im
breitesten Bayrisch und mit bösen Texten
seinen Senf dazu.
Die Demonstration hat die Ausbaugeg-
nerInnen bestärkt und ermutigt. Am
Weltklimatag am 8. Dezember 2007
demonstrierten in München erneut
viertausend Menschen gegen den
Ausbau des Flughafens. Über 14.000
Einwendungen wurden allein per Inter-
net erhoben. Der Widerstand wächst
– und wird stark sein, glaubt man einem
Aufkleber, der mir in Dachau zugesteckt
wurde:„FLAK Ampertal – Nein zur 3.
Startbahn“ stand drauf. Ampertal würde
nach dem Ausbau so verlärmt, dass die
Flughafengesellschaft den BürgerInnen
die Wahl zwischen Schalldämmung ihrer
Häuser oder Umsiedlung lässt.
Frederik Vath ist Biologe und in der
Regionalgruppe München aktiv
„There´s no better way to lie“
In Bayern entwickelt sich eine neue Demonstrationskultur. 18.000 Menschen demonstrierten im Mai 2007 gegen den Ausbau des Münchner Flughafens. Von einer der vielen Demonstrationen be-richtet die Münchner Regionalgruppe von ROBIN WOOD.
Flughafen München
Fluggäste 2006 *
Flug-bewegungen 2006*
jährliche Flugbewegungen nach Ausbau**
alle Flughäfen 180.000.000 3.000.000 keine Angaben
Frankfurt/Main 50.000.000 500.000 700.000
München 30.000.000 300.000 610.000
Berlin (Tegel, Tempel-hof, Schönefeld)
20.000.000 200.000 400.000
* Verkehr in Zahlen 2007/08 (gerundet), Hg. BMVBS; ** www.fraport.de, www.muc-ausbau.de, www.berliner-flughaefen.de
Die größten deutschen Flughäfen in Zahlen
Foto: obs/Flughafen München GmbH
verkehr
21Nr. 96/1.08
Foto: Joujou/PIXELIO
Als Tiger gestartet, als Bettvorleger
gelandet – die Klimapolitik der Euro-
päischen Union hat das Tigerstadium leider
ausgelassen. Der Flugverkehr soll im nächs-
ten Jahrzehnt in das Europäische Emissions-
handelssystem (ETS) einbezogen werden. Es
ist das politisch am ehesten durchsetzbare,
gleichzeitig aber schwächste Mittel, um den
Flugverkehr für die von ihm verursachten
Klimaschäden zur Verantwortung zu zie-
hen. Emissionshandel ersetzt keine Kero-
sinsteuer, denn die ist allein schon für die
steuerliche Gleichbehandlung der verschie-
denen Verkehrsträger notwendig.
Im November hat das Europäische Par-
lament über den Kommissionsentwurf
abgestimmt und sich weitgehend der
Stellungnahme seines Umweltausschusses
angeschlossen. Insbesondere stimmten die
ParlamentarierInnen mit großer Mehrheit
dafür, die Kohlendioxid-Emissionen von
Flugzeugen mit dem Faktor 2 zu multi-
plizieren, um so der besonders großen
Klimaschädlichkeit dieser Abgase Rechnung
zu tragen. Tatsächlich wirken Kohlendioxid,
Stickoxide und Wasserstoff klimaerwär-
mend. Ihr Einfluss auf die Atmosphäre
bewegt sich in unterschiedlichen Zeitho-
rizonten, außerdem muss die Flughöhe
berücksichtigt werden. Die beste wissen-
schaftliche Annäherung empfiehlt, die Koh-
lendioxid-Emissionen mit dem Faktor 2,7 zu
multiplizieren, um die Erwärmungswirkung
abzubilden.
Zum Faktor 2,7 ließen sich Umweltaus-
schuss und Parlament von den Umwelt-
verbänden nicht bewegen. Trotzdem
wäre es ein Novum und Erfolg, wenn bei
der Integration des Luftverkehrs in den
Emissionshandel überhaupt ein Multi-
plikator für die Kohlendioxidemissionen
eingeführt wird. Ohne diesen werden
die Klimaschäden nicht gemindert und
Luftfahrtgesellschaften können Zerti-
fikate weniger schädlicher Emittenten
dazu kaufen.
Doch der europäische Ministerrat
stimmte in seiner Dezember-Sitzung
den Änderungsvorschlägen des Parla-
ments nicht zu. Damit wurde die Chance
vertan, das einzige klimapolitische
Gesetzesvorhaben der EU im „Klimajahr
2007“ unter Dach und Fach zu bringen,
denn nun geht die klimapolitisch nahezu
wirkungslose Position der europäischen
Umweltminister zurück in das Parlament
und seine Ausschüsse.
Der deutsche Vertreter im Minister-
rat, Umweltminister Sigmar Gabriel,
sieht zwar wie die Umweltverbände
die Gefahr, dass die stark steigenden
Emissionen des Flugverkehrs und ihre be-
sondere Klimaschädlichkeit die Anstren-
gungen in anderen Bereichen zunichte
machen. Doch Gabriels und Brüssels
neue Zauberformel ist eine eigene
Gesetzgebung für Stickoxid-Emissionen
statt eines Multiplikators für Kohlendio-
xid im Emissionshandel. Das wiederum
verschiebt für die Fluggesellschaften die
Anlastung ihrer Klimaschäden auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag.
Monika Lege ist Verkehrsreferentin
in der ROBIN WOOD-Pressestelle
Tel.: 040/38089212
Luftverkehr und Emissionshandel
Als Bettvorleger gestartet
verkehr
Nr. 96/1.0822
Magic Moments Er ist ein großer, älterer Herr. Mit lichtem Haar. Aber ohne Bauchansatz. Dafür ist er Verkehrsplaner und verlangt normalerweise den anderen Planungsdisziplinen den vollen Respekt ab. Johannes I. Monderman verzückt zur Zeit halb Europa. Vielleicht Gesamteuropa. Er treibt sich irgendwo zwischen Glasgow, Lissabon, Moskau und Cata-nia herum. Hans Monderman, wie er sich selber nennt, war bei Günter Jauch im Stern TV. Hans Monderman war im Spiegel TV.
Hans Mondermann arbeitet in Drach-
ten. In der Nähe von Groningen in den
Niederlanden. Zwanzigtausend Ein-
wohner. Dort trafen wir ihn zusammen
mit Student/innen der Universitäten
Wuppertal und Köln. Vor dem Rat-
haus. Mitten im Zentrum von Drach-
ten. Zunächst nichts Ungewöhnliches.
Ein Kreisverkehr, eine Fußgängerfurt
ohne die üblichen Zebra-Streifen, zwei
in die Pflasterung flächig eingelassene
Springbrunnen mit fünfzig Fontänen,
parkende Autos, Radler/innen und
jede Menge Menschen zu Fuß.
Vor fünfundzwanzig Jahren bekam
Monderman den Auftrag sämtliche
Unfälle in Westfriesland zu untersu-
chen. Warum passieren welche Unfälle
an welcher Stelle und welche Schäden
gab es dabei. Das Ergebnis der Studie
verdichtete sich umso mehr, je mehr
sich sein Berufsleben dem Ende zu
neigte: Je mehr Ampeln, Zebrastrei-
fen, Verkehrsgebots- und -verbots-
schilder an Kreuzungen aufgebaut
waren, umso mehr Unfälle passierten.
„Verkehrszeichen suggerieren den Ver-
kehrsteilnehmern zunächst Sicherheit.
Wie sich herausstellt, eine trügerische
Sicherheit. Die Verantwortung für sein
eigenes Verhalten im Verkehr wird
dem Schilderwald überlassen“, so
Monderman.
Johannes Monderman stellte genauso
fest, dass an den Kreuzungen im
Irgendwo der friesischen Weite Unfall-
häufigkeiten im unteren Bereich seiner
Statistik landeten, wenn fast keine
Verkehrsrestriktionen, also Ampeln,
Ver- und Gebotsschilder aufgestellt
waren. Für Systematiker/innen, für
Wissenschaftler/innen eine Herausfor-
derung. Die erste wissenschaftliche
Ableitung aus diesen Erkenntnissen
Foto: Hawkeye06/Pixelio
Neue Ansätze in der Verkehrs- und Stadtplanung
In Drachten wurde der Schilder-wald abgebaut
23
verkehr
war die Geburtsstunde des von ihm so
genannten Shared Spaces. Das gemein-
same, das partnerschaftliche Teilen eines
einheitlichen Stadtraumes.
Im Rahmen eines EU-Projektes wurden
neben Drachten (NL) und Bohmte (D)
auch noch Haren (NL), Emmen (NL),
Oostende (B) und Suffolk County
Council (GB) in dieses Projekt integriert.
In Drachten ist das Projekt am weitesten
entwickelt. Im Frühjahr 2007 wurde in
Drachten der erste Zwischenbericht des
EU Projektes vorgelegt. Und seitdem
brechen in Drachten sämtliche Dämme
und Besucherrekorde. Shared Spaces gilt
nicht nur unter Stadt-, Verkehrs- und
Freiraumplaner/innen als „das Ding“
schlechthin. Es ist eine Idee der neuen
europäischen Stadt. Hans Mondermans
Idee vereint Grüne und Schwarze, Punks
und Lehrer/innen, Alleinerziehende und
gut situierte Schwule auf Hamburgs
Langer Reihe.
In Drachtens Kerngebiet wurden Ampeln
abgebaut. Nahezu der gesamte Schilder-
wald auf die Halde gebracht. Bordsteine
abgesenkt, Straßenkreuzungen mit
einem Pflasterstein, der auch im Bürger-
steigbereich verwendet wurde, durchge-
pflastert. Zugegeben, es sieht unspek-
takulär aus, weil man den Schilderwald
zunächst gar nicht vermisst. Deutlich
wird der Wandel und die neue Qualität
erst, wenn man genauer hinschaut.
Wenn man bemerkt, dass winzige Hand-
zeichen genügen und das Auto hält und
lässt der Rollstuhlfahrerin die Vorfahrt,
die Radler/innen bremsen und lassen den
Fußgänger/innen auf dieser Gemein-
schaftsstraße den Weg queren.
„Die Menschen sollen kommunizieren,
nicht funktionieren, weil ein Schilder-
wald ihnen vorgibt, wie hier zu denken
und zu handeln ist“, verlangt Monder-
man. Und in der Tat. Streit auf Deutsch-
lands Straßen fängt immer dann an,
unangenehm zu werden, wenn man
sich in Situationen befindet, für die kein
Schild die Regel vorgibt, obwohl bis zu
fünfzig Schilder an großen deutschen
Straßenkreuzungen stehen. Und noch
unangenehmer wird es für die Verkehrs-
teilnehmer/innen, wenn man sich blind
auf diese Regeln verlässt. Wenn dann
auch nur einer einen schlechten Tag hat.
„Wenn der Schlüssel zu diesem Konzept
der Mensch ist. Und wenn den Men-
schen insbesondere die Kommunikation
mit anderen Menschen ausmacht, dann
müssen sie zwangsläufig weit im Voraus
auch mit Politiker/innen, mit Verwal-
tungsangestellten, mit Berufskollegen,
mit alten Menschen, ja mit den zunächst
immer ängstlich wirkenden Bürger/innen
ausreichend kommunizieren. Das ist
in Holland nicht anders als in Deutsch-
land“, erklärt der Friese uns.
So sind seit Einführung des Modells vor
mehr als drei Jahren die Unfallzahlen mit
Personenschäden um sechzig Prozent zu-
rück gegangen. Die Unfälle mit leichten
Blechschäden haben um zwanzig Pro-
zent zugelegt. „Das ist die Ankurbelung
des Bruttosozialproduktes“, kommen-
tiert Monderman trocken. Der Verkehr
wurde infolge des konsequenten Abbaus
jeglicher Verkehrsschilder und jeglicher
Ampeln beschleunigt. Fuhr der motori-
sierte Individualverkehr in der vermeint-
lich sichereren Zeit mit zehn Stunden-
kilometern, so sind es heute zwanzig
Stundenkilometer. Zum Vergleich: In
Hamburg, eine der schnellsten Städte
Nordeuropas, fahren die Fahrzeuge im
Schnitt mit achtzehn Stundenkilometern.
„Aber wie überzeugt man Politiker
diesem Modell zuzustimmen, wenn doch
trotz EU-Zuschüssen Drachten immer
noch ein Viertel der Gesamtkosten selber
finanzieren musste?“ fragt Monderman
in die Runde. „Ampeln kosten zwischen
zehn- und fünfzehntausend Euro pro
Jahr Unterhaltungs- und Wartungskos-
ten. Damit konnten wir sie überzeugen“.
Und dann nimmt er sich noch zwei
Stunden Zeit für uns Deutsche. Geht mit
uns zu einer stark befahrenen Kreuzung
mit rund zwanzigtausend Fahrzeugen
am Tag und meint: „Ich geh da jetzt mit
geschlossenen Augen rüber und mir
wird nichts passieren“. Die spinnen die
Friesen, fällt einem dazu nur ein. Und
dann geht er. Bei leichtem Nieselregen.
Mitten durch die Fahrzeuge. Die Augen
geschlossen. Nicht mal der Hauch eines
Blinzlers ist in seinen Augen zu erken-
nen. Da ist einer eins mit sich und seiner
Idee. Kommt auf der anderen Seite der
Straße an, strahlt übers ganze Gesicht
und ruft uns zu: „Und jetzt Ihr!“ Hat
Nr. 96/1.08
der nen Knall? Andererseits, es hat kein
Auto gehupt. Niemand hat die Scheibe
heruntergedreht und ihn angepöbelt.
Kein Reifenquietschen.
Mit Mut und ganz leicht geöffneten
Augenlidern stolpern wir zu dritt auf
Monderman zu. Der Herzschlag erhöht
sich. Aber es geht alles gut. „Aber das
Schönste an all dem ist, dass das Ganze
nur funktioniert, weil die Verkehrsteil-
nehmer wieder miteinander kommu-
nizieren müssen“, meint Monderman.
Und in der Tat, die gerade querenden
Schulkinder nehmen per Arm und Augen
Kontakt zum anrollenden Volvo auf. Die
zweieinhalb Tonnen Stahl könnten die
Kleinen sonst wo hinbefördern. Aber al-
les ist auf eine merkwürdige Art friedlich,
ruhig, irgendwie magisch. Es kehrt eine
Sanftheit trotz der nicht unerheblichen
Verkehrsmassen ein, die für Deutsche
ungewöhnlich ist, für Südeuropäer/innen
nicht vorstellbar erscheint.
Holland und Drachten liegen dreihun-
dertfünfzig Kilometer von Hamburg
entfernt. Das sind bummelige vier
Stunden Autofahrt (weil man Drachten
per Bahn nicht erreichen kann), in denen
sicherlich genügend Gründe erarbeitet
werden können, warum die Idee in Ham-
burg ausgerecht nicht umgesetzt werden
kann. Wenn bloß nicht diese blöde
Phalanx aus grünen, schwarzen, roten, ja
sogar gelb-blauen Politikern wäre – die
jetzt den Himmel auf Erden ausgerech-
net in dieser schönen Stadt an der Elbe
haben will. Oder in Bohmte? Oder in
München? Oder in Elmshorn!
Werner Steinke, 52, Elmshorn. Grün-
dungsmitglied und erster Angestell-
ter von ROBIN WOOD. Freiraum-,
Stadt- und Landschaftsplaner. Lehr-
beauftragung an der TU Darmstadt
zum Thema ‚Nachhaltige Stadtent-
wicklung‘. Bis 31. Dezember 2007 Lei-
ter des Amtes für Stadtentwicklung
in Elmshorn. Seitdem Mitarbeiter
der Behörde für Stadtentwicklung
und Umwelt in Hamburg. Kontakt:
Wir trauern um Hans Monderman, der
im Alter von 62 Jahren am 7. Januar
2008 ganz unerwartet verstorben ist.
verkehr
24
Auf Crash-Kurs Weltweit nimmt der Verkehr rasant zu. Eine Kehrseite der neu gewonnenen Mobilität sind dramatisch wachsende Unfallzahlen. Am gefährlichsten ist die Si-tuation nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO auf dem afrika-nischen Kontinent. Ute Bertrand schildert Eindrücke von einer Rundreise durch Ghana, einem Land an der Westküste Afrikas.
Nr. 96/1.08
Die geteerte Straße zieht sich
durch die hügelige Landschaft bei
Nsawam, etwa 40 Kilometer von Gha-
nas Hauptstadt Accra entfernt, vorbei
an Bananenbäumen und kleinen
Dörfern. Plötzlich stockt der Verkehr.
Wer kann, weicht auf die Gegenfahr-
bahn aus. Bald sind beide Fahrbahnen
blockiert. Nichts geht mehr. Auf dem
Hügel gab es einen Unfall - so heftig,
dass die Straße auf unbestimmte Zeit
in beide Richtungen komplett gesperrt
wird. Warten hat keinen Sinn. Mühse-
lig versuchen nun Kleinbusse, Autos
und große Lkw mitten in dem Chaos
auf der engen Straße zu wenden. Ein
Truck landet beim Rangieren um ein
Haar im Graben. Der Fahrer flucht.
Der Umweg wird dauern, es dämmert
bereits, viele werden ihr Ziel heute
nicht mehr erreichen.
Verkehrsunfälle gehören in Ghana
zum Alltag. 2006 starben dabei
1.856 Menschen. Besonders häufig
trifft es FußgängerInnen. Die Zahl ist
hoch, wenn man bedenkt, dass sich
bislang nur sehr wenige der rund 22,5
Millionen EinwohnerInnen Ghanas
ein Auto leisten können. Das Land
zählt weltweit zu den ärmsten auf der
Welt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-
Einkommen liegt bei jährlich 650
US-Dollar, das sind weniger als zwei
Dollar pro Tag.
Weit verbreitet sind Tro-Tros, Klein-
busse. An Aufschriften wie „Heiß-
mangel Walter - preiswert und
schnell“ oder „Klempnerei Jansen“
kann man noch unschwer erkennen,
dass es sich um ausrangierte Wagen
aus Deutschland handelt. Front- und
Foto: Udo Bertrand
Foto: Margrit Stalder/Pixelio
Auf dieser Straße mit 100 km/h brettern? Salaga in der Northern Region, Ghana
Unfallursachen: Busse überladen, Fahrer übermüdet
verkehr
25Nr. 96/1.08
Heckscheibe der Ford- und Mercedes-
Busse zieren Bibel-Zitate: „Be faithfull“,
„In the Name of Jesus“ oder schlicht
„The Blood“. Zwanzig Fahrgäste und
mehr quetschen sich bei tropischer Hitze
in die Kleinbusse, die in der Regel erst
losfahren, wenn sie so voll sind, dass
man gerade noch Luft kriegt. Oft sind
die Türen hinten nur notdürftig mit
einem Seil zugebunden, Gepäck quillt
heraus.
Tro-Tros sind häufig in Unfälle verwickelt.
Nachdem auf der Straße zwischen Accra
und Takoradi innerhalb von drei Wochen
21 Menschen bei Zusammenstößen von
Kleinbussen gestorben waren, griff auch
die ghanaische Zeitung „Daily Graphic“
das Thema auf. Überhöhte Geschwin-
digkeit, Übermüdung der FahrerInen,
gefährliche Überholmanöver und
Alkohol führt der Leiter der Verkehrs-
abteilung im Westen Ghanas, Adusa-
Poku, als Hauptursachen der dramatisch
hohen Unfallzahlen an. „Häufig drängen
Fahrgäste die Fahrer, auch auf langen
Strecken keine Pause zu machen, son-
dern möglichst schnell durchzuheizen“,
erklärt Francis K. Kwaku von der Trans-
port-Gewerkschaft (Ghana Private Road
Transport Union). „Die Fahrer machen
das, weil sie dann mehr Touren schaffen
und mehr verdienen.“
Sind die Straßen asphaltiert, ist die Ver-
führung groß schnell zu fahren. Manche
Fahrer - so Adusa-Poku - würden auch in
Ortschaften 100 Stundenkilometer und
schneller fahren. Zugleich sind aber weit
mehr Menschen als etwa in Deutschland
zu Fuß unterwegs. Männer, Frauen und
Kinder laufen mit großer Selbstverständ-
lichkeit auf der Straße - egal ob es sich
um eine rote, staubige kleine Dorfstraße
oder die asphaltierte Maut-Autobahn
handelt, auf der die großen Trucks von
der Küste im Transit-Verkehr ins nörd-
Foto: Udo Bertrand
lich von Ghana gelegene Burkina Faso
brettern. Das Leben spielt sich an und
auf der Straße ab.
Kilometer lang ziehen sich in den rasant
wachsenden Städten im Süden des
Landes kleine Läden, aus Brettern zu-
sammengezimmerte Buden, unmittelbar
am Straßenrand entlang. Dort lassen sich
Frauen die Haare flechten, werden Sofas
Foto: Ultram/Pixelio
Markttag: Das Leben spielt sich an und auf der Straße ab
Wieder hat es einen erwischt. Auf den hügeligen Straßen im Süden Ghanas passieren besonders viele Unfälle
verkehr
Nr. 96/1.0826
geschreinert oder frittierte Kochbana-
nen verkauft. Wer kann, kommt an die
Straße, um ein paar Cedis zu verdienen.
Vor Ampeln schlängeln sich Straßen-
händlerInnen zwischen den Autoreihen
hindurch, um Stadtpläne, geräucherten
Fisch oder Nüsse zu verkaufen. Kinder
spielen auf der Straße, Hühner, Schafe
und Ziegen laufen frei herum. Früchte
und Gewürze werden am Fahrbahnrand
ausgebreitet und getrocknet. Schüle-
rInnen in Uniform gehen die weiten
Schulwege in der ganzjährig andau-
ernden Gluthitze die geteerten Straßen
entlang. Marktfrauen, die Schüsseln
auf dem Kopf und ihre Babys in Trage-
tüchern auf dem Rücken, eilen quer über
die Straße. An Samstagen, in Ghana tra-
ditionell der Tag für Beerdigungsfeiern,
sieht man zahlreiche, große Trauergesell-
schaften in schwarzen Gewändern über
die Straßen ziehen oder zu lauter Musik
am Straßenrand feiern. Auch manche
Grabstätten liegen direkt neben der
Fahrbahn.
Fuß- oder Radwege sind eine Seltenheit.
In Städten zieht sich ein offener Abwas-
serkanal direkt an der Straße entlang,
manchmal mit Betonplatten abgedeckt.
An vielen Stellen tun sich riesige Löcher
auf, so dass der Fußweg ein Hindernis-
laufen ist, bei dem ältere oder gar geh-
behinderte Menschen überhaupt keine
Chance haben. Zwar gibt es gelegentlich
Zebrastreifen, doch die werden von den
meisten AutofahrerInnen missachtet. Vor
Schulen in der Hauptstadt Accra stehen
Holzkisten mit roten Fahnen. Kinder, die
über die Straße wollen, schwenken die
rote Fahne, um auf sich aufmerksam zu
machen. Das Überqueren der Stadtau-
tobahn in Accra wird zum Russischen
Roulette.
In vielen Dörfern gibt es mittlerweile
Schwellen am Ortsein- und -ausgang,
die die Fahrer zum Abbremsen zwingen
sollen. Manche sind aus Steinen, etwas
Lehm und Zement selbst gebaut. Doch
wessen Auto es mitmacht, der geht
möglichst nicht vom Gaspedal.
Noch leben rund 90 Prozent der
Bevölkerung im ländlichen Afrika fünf
Kilometer und mehr von einer ganzjährig
befahrbaren Straße entfernt. Die Zahl
der Straßenkilometer und Pkws aber
steigt schnell - und mit ihnen auch die
Unfallzahlen. Die Weltgesundheitsor-
ganisation WHO sagt voraus, dass im
Jahr 2020 Verkehrsunfälle weltweit zu
den sechs häufigsten Todesursachen
zählen werden. Schon heute sterben
laut WHO weltweit jährlich 1,2 Millionen
Menschen bei Autounfällen, bis zu 50
Millionen jährlich werden bei Autounfäl-
len verletzt.
Das Risiko bei einem Verkehrsunfall zu
sterben, ist dabei sehr ungleich verteilt.
In armen Ländern liegt es - trotz der
relativ geringeren Verkehrsdichte - um
ein Vielfaches höher als in den reichen
Industriestaaten. Am schlimmsten sieht
es - mit durchschnittlich 28 Unfalltoten
auf 100.000 EinwohnerInnen - schon
jetzt auf dem afrikanischen Kontinent
aus.
Es ist vergleichsweise einfach, Straßen zu
teeren und bezahlbare Autos zu impor-
tieren. Die Sicherheitsprobleme in den
Griff zu bekommen, ist hingegen viel
komplexer und wirft weit mehr Fragen
auf. Wer kontrolliert die Wagen und
Foto: Major John/Pixelio
Wer kann, versucht als StraßenhändlerIn ein paar Cedis zu verdienen
verkehr
27Nr. 96/1.08
„Das Fahrerhaus des Busses hatte man aus Großbritannien eingeführt. Es
stammte aus der Bedford-Serie. Das Chassis kam von überzähligen japa-
nischen Armeelastern, die nach dem zweiten Weltkrieg zur Verschrottung
standen. Die Karosserie hatte man aus Unfallwagen und ausrangiertem
Dachblech hergestellt; aus allem, was sich in Form hämmern oder ander-
weitig zurichten ließ. Das fertige Produkt sah - mit den beiden schwar-
zen Streifen, die über den kanariengelben Rumpf liefen - wie eine grob
gehämmerte, gelbe Sardinenbüchse aus. (...)
Die Busse schlängelten sich mit einer derartigen Geschwindigkeit durch
den Verkehr, dass die Fahrgäste von einer Seite zur anderen geschleudert
wurden, und diejenigen, die sich draußen festklammerten, schwankten
gefährlich hin und her.
Ein alter Mann hatte ihm während seiner ersten Fahrt erklärt, dass die
Geister der Straße um die Busse her-
umtanzten und versuchten, fette Beute
zu machen. Sie wollten Vergeltung für
die Schändung der Straße üben, die
sich, als sie einst gebaut worden war,
von ihren Wurzeln getrennt und dem
städtischen Chaos ausgeliefert hatte, das
sie mit Schrecken erfüllte und verwirrte.
Elvis war nie dahintergekommen, ob
diese Geister nur eine bestimmte Straße
bevölkerten oder alle. Noch konnte er
sich vorstellen, wie sie aussahen. Doch
hatte die Geschichte des alten Mannes
so glaubwürdig geklungen, dass sie ihm
in Erinnerung geblieben war.“
Auszug aus : Chris Abani: GraceLand.
S.21, dtv 2007, einem Nigeria-Roman
Foto: Udo Bertrand
zieht gefährliche aus dem Verkehr? Wer
hält die Straßen instand? Wie können
Unfallopfer schnell medizinische Hilfe
bekommen? Wer schleppt die Unfallwa-
gen ab? Wie lernen Menschen Autofah-
ren? Wie organisiert man Verkehrser-
ziehung? Wer beaufsichtigt die Kinder?
Wer baut Zäune für die Tiere? Straßen-
beleuchtung, Fahrbahnmarkierungen,
Verkehrsschilder, Sicherheitsgurte - das
erscheint als Luxus. Es gilt als Fortschritt,
wenn eine Straße gebaut wird, vielleicht
sogar eine geteerte. Der Rest kommt
später - vielleicht auch nie. Derweil
beten die Menschen vor längeren Reisen
darum, heil anzukommen - und auf den
wenigen Hundert Kilometern Zugstrecke
durch Ghana wuchert das Gras.
Appelle an die so genannten Entwick-
lungsländer zu richten, nicht so sehr
auf den gefährlichen und obendrein kli-
maschädlichen Individualverkehr zu set-
zen, sind verlogen, solange nicht daran
gearbeitet wird, in den reichen Indus-
trieländern die Situation zu verbessern.
Denn hier liegt die Motorisierungsquote
um ein Vielfaches höher - und steigt
noch immer weiter an. In Deutschland
fahren inzwischen rund 55 Millionen
Fahrzeuge bei einer Bevölkerung von 82
Millionen Menschen. Darüber hinaus hat
aber auch das Verkehrsverhalten hier
Einfluss auf ärmere Länder. Der westliche
Lebensstil gilt vielen als Vorbild. Schrott-
autos aus Europa werden mit Gewinn
nach Afrika verkauft. Und jeder Lkw, der
hier zu Spottpreisen Waren über Tau-
sende Kilometer durch die Gegend karrt,
erhöht den Druck auf Entwicklungslän-
der, ihre Güter mindestens ebenso billig
durchs Land zu transportieren, um sie zu
konkurrenzfähigen Preisen anbieten zu
können.
Ute Bertrand machte im November
2007 eine Rundreise durch Ghana
- von Accra nach Bolgatanga und
retour - und besuchte verschiedene
Projekte der Entwicklungszusammen-
arbeit. Sie arbeitet als Pressespreche-
rin bei ROBIN WOOD. Tel. 040/380
89222, [email protected]
Hauptstraße in Tamale: Haustiere laufen auch in Großstädten frei umher
tatorte
Nr. 96/1.0828
Bahn für alle Kassel, 01.11.07: Es war nicht der Beginn einer
wunderbaren Freundschaft, aber der Auftakt
für interessante Debatten: Am 1. November
organisierte die ROBIN WOOD-Regionalgruppe
Kassel eine Diskussionsveranstaltung zur umstrit-
tenen Bahnprivatisierung. Über 40 interessierte
Menschen kamen, hörten die Vorträge von Prof.
Wolfgang Hesse (Bahn für Alle, Bürgerbahn statt
Börsenbahn) und Stefan Diefenbach-Trommer
(Pressesprecher Bahn für Alle) sowie die Beiträge
der PolitikerInnen Nicole Maisch (MdB B 90/ Die
Grünen), Werner Dreibus (MdB Die Linke) und
Dr. Bernd Hoppe (SPD-Vorsitzender Kassel).
Im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion stand
die Frage, welche Bahn aus Umwelt- und
Kundensicht zu wünschen sei. Insbesondere
in Kassel als „Eisenbahnerstadt“ ist diese Frage
auch von wirtschaftlicher Bedeutung. Schließlich
herrschte Einigkeit auf dem Podium jetzt ein
Moratorium zur Bahnprivatisierung zu beschlie-
ßen. Prämisse: Die Schieneninfrastruktur soll in
öffentlicher Hand bleiben und die gewonnene
Zeit zum Nachdenken darüber genutzt werden,
welche Ziele mit der Bahn in Deutschland bei Be-
trachtung der gesamten Verkehrspolitik erreicht
werden sollen. Erst dann sei zu entscheiden, wel-
che Form die Bahn dafür braucht.
Bayreuth, 22.12.07: Die Klänge
eines Trauermarsches, von
acht BläserInnen vorgetragen,
unterbrachen kurz vor dem
Fest in der Innenstadt das
aus vielen Lautsprechern
rieselnde Weihnachtslieder-
Dauerkonzert: ROBIN WOOD
trug – symbolisch – die
Deutsche Bahn zu Grabe. Vom
Sensenmann begleitet trugen
die ca. 20 TeilnehmerInnen
in einem selbstgebauten,
offenen Sarg ,,die Leich’’, eine
Eisenbahn aus Pappmaché, auf
ihren Schultern. Ergreifende
Trauerreden wurden gehalten.
Medienwirksam sollte so darauf
aufmerksam gemacht werden,
dass schon jetzt Bahnhöfe
in der Region verkauft sind
und dass eine gerechte und
sichere Mobilität mit der
Bahn-Privatisierung nicht mehr
möglich sein wird.
Köln, 20.10.07: Der Bahnhofsumarmung
von attac und ROBIN WOOD schlossen sich
spontan PassantInnen an und skandierten
gemeinsam: „Die Bahn gehört uns!“ und
„Stoppt die Bahnhofsprivatisierung!“ Unter
dem Beifall der 50 Aktiven stieg in der
Bahnhofshalle ein Banner von Heliumballons
gezogen unter die Decke: „Wem gehört die
Bahn? Verkauf stoppen!!!“
28.11.07: Im Januar 2007 besetzten AktivistInnen in Lüneburg aus
Protest gegen die autofixierte Verkehrspolitik der Stadt Bäume,
die einem Brückenbau weichen sollten. Nach 11 Tagen Besetzung
wurden sie von vermummten SEK-Beamten aus den Bäumen geholt.
Ende November wurde die neue Brücke in Anwesenheit von
Oberbürgermeister Mädge eingeweiht. Dies sollte aber nicht ohne
Protest von ROBIN WOOD geschehen. Zwei AktivistInnen ließen sich
in Bäumen rechts und links der Fahrbahn mit Transparenten nieder:
„AUTO-ritäre Verkehrspolitik – Kein Grund zum Feiern.“ Noch hängt
die Botschaft im Baum...
Autofixiertes Lüneburg
Foto: Irmgard Kahl
29
tatorte
„Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge“
Mannheim, 08.12.07: Das Mannheimer Bündnis Ikema - Initiative Klima und
Energie Mannheim – zeigte gemeinsam mit AktivistInnen von ROBIN WOOD
mit einem bunten Straßentheater vor dem regionalen MVV Energie Kunden-
zentrum was sie vom geplanten Ausbau des Kohle-Großkraftwerk Mannheim
(GKM) halten. Dieses soll um einen neuen Kraftwerksblock mit einer Leistung
von 900 Megawatt erweitert werden, was nicht nur einen immensen CO2-Aus-
stoß zur Folge hat. Das GKM verbrennt
auch Kohle aus Kolumbien, die dort un-
ter menschenunwürdigen Bedingungen
abgebaut wird. Anschließend wurde das
Kundenzentrum gestürmt und Forde-
rungen verlesen, zu denen beispiels-
weise ein zukunftsweisendes Investiti-
onsprogramm für erneuerbare Energien
gehört. Dabei machte die Sambaband
Stimmung und der Wartebereich wurde
zur Tanzfläche umfunktioniert.
Wolfenbüttel 05.11.07: AktivistInnen von ROBIN WOOD und dem Anti-Atom-Plenum
Braunschweig erklommen auf dem Gelände des Atommülllagers ASSE II den Förderturm und
befestigten dort ein 45 m² großes Transparent mit der Aufschrift „Auslaufmodell ASSE“. Damit
machten die AktivistInnen darauf aufmerksam, dass sich in der Asse der größte anzunehmende
Unfall (GAU) bei der Endlagerung von Atommüll anbahnt: Das Absaufen des ehemaligen Salz-
bergwerks mit anschließender Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Biosphäre.
Von 1967 bis 1978 ist in der Asse II bei Wolfenbüttel, knapp 20 Kilometer südöstlich von
Braunschweig, nahezu der gesamte bis dahin angefallene schwach- und mittelradioaktive
Atommüll Deutschlands „zu Forschungszwecken“ vergraben worden. Heute befinden sich über
120.000 Gebinde Atommüll, darunter 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium und 11,6 Kilo Plu-
tonium in der Asse - Stoffe, die zu den giftigsten auf der ganzen Welt gehören und die zum Teil
eine Halbwertszeit von einer Million Jahre haben.
Seit 1988 strömen täglich ca. 12.000 Liter Wasser in den Salzstock. Weil laut einem bis vor
kurzem geheim gehaltenen Gutachten die Sicherheit des Atommülllagers nur noch bis 2014 ga-
rantiert werden könne, will der Betreiber der Asse, das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und
Gesundheit, das endgültige Absaufen des Atommülls ausgerechnet durch die Flutung mit einer
wässrigen Salzlösung „kontrollieren“. So soll der Salzstock stabilisiert und die Freisetzung der Radioaktivität verzögert werden. In
diesem Konzept geht auch der Betreiber davon aus, dass es zu einer Freisetzung von radioaktiven Stoffe kommen wird.
Die Besetzung war auch Auftakt für eine mehrtätige Mahnwache von Umweltschutz- und Anti-Atom-Initiativen während der
internationalen Tagung „Reposafe“ in der Stadthalle Braunschweig. Schon allein der trügerische Name der Tagung „Reposafe“
(reposit = lagern, safe = sicher) gab Anlass zur Kritik: Sugge-
riert er doch, dass eine sichere Endlagerung von Atommüll
möglich wäre. Das ist jedoch bis heute weltweit nicht der Fall!
Nr. 96/1.08
15.09.07: ROBIN WOOD-AktivistInnen demonstrierten am
AKW Krümmel für die sofortige Stilllegung der Atomanlage.
Aus der neuen Studie über die Häufung von Krebserkran-
kungen bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken
wohnen, müssten politische Konsequenzen gezogen werden.
Vor dem Tor des AKWs spannten sie Transparente mit einem
großen Totenschädel und dem Slogan „Für unser Recht auf
Leben. Abschalten statt Atome spalten.“
Atommüll und Störfälle
Hamburg, 15.11.07: Mit einem riesigen Banner
protestierten AktivistInnen vor dem Rathaus
gegen die Entscheidung des Hamburger Senats,
den Bau des Klimakiller-Kraftwerks Moorburg
- trotz massiver BürgerInnen-Proteste und einer
laufenden Volkspetition - bereits im November
vorab zu genehmigen.
tatorte
Nr. 96/1.0830
„Mein Freund, der Baum“
Das Klimpern des Klettergeschirrs auf
der Angelikastraße ist leise. Sekunden
später sind schwarz vermummte Kletterer
eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei
da. Sie rennen auf das Gelände neben der
besetzten Buche und riegeln es ab. Es ist
der 15. Januar gegen 0:45 Uhr. Die Räu-
mung der Baumbesetzung in Dresden hat
begonnen. 13 ROBIN WOOD-AktivistInnen
sitzen in der Baumkrone einer jahrhunder-
tealten Buche und der daneben stehenden
Linde. Heute wird die Fällung der Bäume mit
ROBIN WOOD-Baumbesetzung gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden
Polizeigewalt durchgesetzt, denn sie stehen dem Bau der
Waldschlösschenbrücke über die Elbe im Weg.
Mehr als 400 Beamte sind im Einsatz, das ganze Stadt-
viertel wird abgeriegelt. Trotzdem haben es rund 100
Menschen bis zur Buche geschafft. Durch die Polizeiket-
ten hindurch gelingt es ihnen, auf die Straße zu laufen
und eine Sitzblockade zu machen. Die Beamten setzen
ohne jede Vorwarnung Pfefferspray ein und räumen.
Auch die ROBIN WOOD-KletterInnen werden nach und
nach aus dem Baum geholt. SEK-Beamte entfernen zwei
von ihnen, die sich im Baum angekettet haben, unter
Missachtung aller Sicherheitsvorkehrungen aus ihrer Ver-
ankerung. 39 Menschen werden in Gewahrsam genom-
men. Bei einer wenige Tage später angesetzten Anhörung
im Landtag berichten DemonstrantInnen, wie sie von der
Polizei behandelt wurden: schmerzhafte Griffe an die
Nase, Verdrehen von Armen und Beinen, Draufstellen auf
Fußknöchel, Handkantenschläge in den Nacken, Tritte in
die Seite, Schleifen über den Boden und Liegenlassen auf
der eiskalten Straße.
Seit dem 12. Dezember 2007 hatten ROBIN WOOD-
AktivistInnen die jahrhundertealte Rotbuche in Dresden
besetzt gehalten. Auch über Weihnachten und Sylves-
ter wichen sie nicht von ihrem Baum. Es war damit die
längste Baumbesetzung in der 25jährigen Geschichte
von ROBIN WOOD. Rentnerinnen, Berufstätige, Kinder
kamen am besetzten Baum an der Ecke Angelikastraße,
Bautznerstraße vorbei und brachten mit, was die Aktivis-
tInnen brauchen konnten: vom Risotto im Kochtopf bis zu
Wärmflaschen. Auch rote Rosen waren dabei. Nächte-
lang saßen AnwohnerInnen mit am Feuer und erzählten,
was ihnen dieser Baum bedeutet und wie unsinnig das
Brückenprojekt ist.
Dort wo die jahrhundertealte Buche stand, soll künftig
der Verkehr über eine siebenspurige Straße rollen. Das
rund 160 Millionen Euro teure Projekt „Waldschlösschen-
brücke“ hat gigantische Ausmaße. Zu ihm gehören neben
700 Metern Brücke und Hochstraßen durch die Elbauen
auch ein 1,2 Kilometer langes Tunnelsystem im Elb-
hang auf der Neustädter Elbseite sowie der Ausbau von
Zufahrtsstraßen. Dieses Projekt wühlt die DresdnerInnen
auf und spaltet die Stadt, anstatt sie zu verbinden. Die
Auseinandersetzungen ziehen sich schon über Jahre. Im
Februar 2005 ging ein Bürgerbegehren pro Brücke aus.
Allerdings war damals nicht bekannt, dass die UNESCO
der Dresdner Elbaue dafür den Welterbetitel aberken-
nen würde. Auch alternative Planungen standen nicht
zur Abstimmung. Die Bindefrist des alten Entscheids
läuft im März 2008 aus. Die BrückengegnerInnen haben
Suse Kühn, ROBIN WOOD-Baumbesetzerin: Kurz vor vier in
der Nacht ist die Stimmung gekippt. Wir stecken zu zweit mit
beiden Armen in zwei Rohren, die einen dicken Ast der besetzten
Buche in etwa zehn Metern Höhe umschließen. Die bis eben noch
recht entspannt wirkenden SEKler fangen an zu mutmaßen, wir
seien im Rohr nicht wirklich fest gekettet. Sie beginnen an meinen
Armen zu zerren und zu ziehen. Auch als ich schreie, weil es weh
tut, lassen sie nicht locker. In der Zwischenzeit fordert ein Beamter
eine Flex an. Wir versuchen, die Beamten noch umzustimmen, die
Rohre nicht aufzuflexen. Denn die Gefahr, dass sie hier oben in
der Baumkrone unsere Arme „aus Versehen“ erwischen, ist hoch.
Und dieser Fall wäre lebensbedrohlich, doch die SEKler wollen da-
von nichts wissen. Das Flexen ist sehr schmerzhaft, Funken sprü-
hen in mein Gesicht, treffen meinen Hals und das Klettermaterial,
mit dem wir gesichert sind. Im Rohr ist es brennend heiß. Erst
wenn ich wegen der Schmerzen laut schreie, setzen die Polizisten
kurz ab. Wasserkühlung und eine Schutzschiene für meine Arme
werden mir verweigert. Als das eine Rohr endlich durchtrennt ist,
beschließen die SEKler, dass es einfacher wäre, uns beide getrennt
zu Boden abzulassen. Deshalb riskieren die Beamten erneut un-
sere Leben und flexen auch das andere Rohr auseinander, wieder
unter Schmerzen.
Als ich zu Boden gelassen werde, gibt es Missverständnisse unter
den SEKlern. Während mein Körper am Seil immer tiefer sinkt,
verhakt sich mein Fuß in einer Seilschlinge. Obwohl der Beamte,
der mich begleitet, mehrmals durch Rufe auf meine Lage auf-
merksam macht, werde
ich weiter abgelassen,
so dass ich plötzlich
kopfüber hänge. Es
dauert, bis mein Fuß
aus der Schlinge befreit
werden kann. Unten
warten zwei ROBIN
WOODler auf mich. Sie
dürfen mich „auffan-
gen“ und in Sicherheit
bringen. Foto: brennpunktfoto/Fuhrmann
Schnupper-klettern am 6. Januar in
der Buche
tatorte
Einen Monat besetzten ROBIN WOOD-AktivistInnen eine über 200 Jahre alte Buche, die dem Bau der Waldschlösschenbrü-cke weichen sollte
In einer Nacht- und Nebel-aktion beenden über 400 PolizistInnen brutal die Baumbesetzung
Am Morgen nach der Räumung wird die ur-alte Buche gefällt...
... gegen den Protest Tausender Menschen
ROBIN WOOD erreichten so zahl-
reiche Zuschriften wie bei kaum
einer anderen Aktion zuvor. Herz-
lichen Dank fürs Mutmachen und
die tatkräftige Unterstützung!!
„Auch wenn die Buche und andere
Bäume nun leider grenzenloser Dumm-
heit, Arroganz und Willkür weichen
mussten – Euer Einsatz war nicht
umsonst! Die Welt hat zugeschaut,
wie sie es ohne Euch nicht getan hätte,
und der ganze Irrsinn wird den Verant-
wortlichen früher oder später auf die
Füße fallen. Für uns gilt es nun, nicht
zu resignieren: Dafür habt ihr Kraft in
diese schöne, jetzt so gebeutelte Stadt
gebracht! Für all das: Danke, danke,
danke!“ (per SMS)
„Weiter so – mögen Buche und Elbtal
weiterhin dank aufgeklärter Aktivisten
gegen bürokratisch-orientierten Wirt-
schaftswahn obsiegen.“ (Jo)
„Ich bin traurig, entsetzt und empört,
mir stehen Tränen im Gesicht, was ich
heute früh in den Nachrichten sehen
musste. Der Kampf um die Buche ist
verloren. Noch am Samstag, 12.1., war
ich mit meinem Mann am frühen Mor-
gen dort. An diesem Tag hatte ich Ge-
burtstag und die Buche war seit einem
Monat besetzt, also Grund genug zwei
Torten zu backen und zu feiern. Die
Leute von Robin Wood haben unseren
vollen Respekt. Das, was in Dresden
gerade abgeht, ist für mich unfassbar.
Als ich dann heute die Bilder sah, mit
welcher Brutalität gegen friedliche
Menschen vorgegangen wird, erinnert
mich an `89 - war zwar erst 19, aber
auch die Bilder gehen nicht aus dem
Kopf. Mir fehlen einfach die Worte.“
(Solveig)
„Die Räumung und Zerstörung der
Buche sollte jedenfalls nichts das letzte
Wort sein. Ihr habt es verdient. Ihr habt
uns verändert. Auch mich.“ (Thomas)
Unterschriften gesammelt, um
einen neuen Bürgerentscheid
durchzusetzen, der sich für
einen Volltunnel anstelle des
Brücke-Tunnel-Projekts aus-
spricht. Obwohl die Meinungs-
bildung noch läuft, die Proteste
quer durch alle Bevölkerungs-
schichten massiv sind und die
internationale Öffentlichkeit
die drohende Zerstörung des
Welterbes in Dresden kritisiert,
werden bereits Fakten ge-
schaffen. Seit November 2007
wühlen sich die Bagger durch die Elbauen.
Die ROBIN WOOD-Baumbesetzung hat vielen
Menschen wieder Hoffnung gegeben, in dem
verfahrenen Streit trotzdem noch gewinnen zu
können. Am Tag der Räumung ziehen spontan
rund 30 Menschen zum Rathaus. Die Polizei
registriert, der Zug sei unterwegs auf über 100
Personen angeschwollen. Die Menschen wollen
mit dem Oberbürgermeister der Stadt spre-
chen, ihm Zweige der gefällten Buche bringen,
sich beschweren. Doch der Eintritt wird ihnen
verwehrt. „Wir fühlen uns wie `89“, sagt eine
empörte ältere Dame. „Wir dachten, nach der
Wende würde alles demokratischer, aber jetzt
verschanzen sie sich wieder.“ In Montagsde-
monstrationen und Fackelzügen ziehen die
DresdnerInnen regelmäßig auf die Straße und in
die Elbauen, um die Brücke noch zu verhindern.
Am Montag nach der Räumung kommen nach
Polizeiangaben 4.000 DemonstrantInnen auf
den Platz vor der Frauenkirche, „Mein Freund,
der Baum“, dröhnt aus dem Lautsprecher über
den Platz. Die Menschen jubeln den ROBIN
WOOD-AktivistInnen zu.
Es herrscht eine brisante, gefühlsgeladene
Stimmung in Dresden. Es geht um einen alten
Baum, der gefällt wurde, um eine Brücke, aber
auch um die Machtverhältnisse in der Stadt.
Wer soll bestimmen: Die Betonköpfe, die eine
Autobrücke durch das wunderschöne Elbtal
klotzen wollen? Oder die BürgerInnen, die für
ein naturnahes Elbtal und ein lebenswertes,
demokratisches Dresden streiten?
Ute Bertrand, Hamburg
Foto: Burkhard Schade
Foto: brennpunktfoto/Fuhrmann
Foto: Burkhard Schade
www.weltkulturerbe-erhalten.de
32
Nicht immer haben sie damit auch
gleich das fatale Projekt kippen kön-
nen. Aber auf jeden Fall haben Baumbe-
setzungen die öffentliche Aufmerksamkeit
für das jeweils drohende Umweltdesaster
ungewöhnlich stark vergrößert. Auf die
Bäume steigen wirkt. Und auf den Bäu-
men bleiben, wochenlang - in Dresden
sogar länger als einen Monat - das wirkt
noch stärker.
Der Protest in den Baumkronen ist längst
zu einem der Markenzeichen von ROBIN
WOOD geworden. Kletterkurse werden
gut besucht. Selbst aus dem nordrus-
sischen Archangelsk reisen Interessen-
Waldschlösschenbrücke in Dresden, Braunkohlegruben bei Cottbus, Flughafenlandebahn bei Frankfurt oder Rüdnitzer Allee nordöstlich von Berlin - bei all diesen Brennpunkten der Land-schaftszerstörung sind ROBIN WOOD-Mitglieder im vergangenen Jahr in die Bäume gestiegen.
tInnen an. Und KletterspezialistInnen
von ROBIN WOOD werden von aus-
ländischen Umweltorganisationen für
Baumkletterkurse angeheuert. Beispiels-
weise in Schweden, wo nach drei ROBIN
WOOD-Kursen nun auch von dortigen
UmweltschützerInnen Kletterkurse
angeboten werden und so diese Pro-
testform nach und nach wohl überall in
Schweden bei Waldnutzungskonflikten
zum Einsatz kommen wird.
John Green aus dem nordschwedischen
Gävle gehört zu jenen, die das auf die
Bäume klettern durch ROBIN WOOD
kennen gelernt haben und nun selbst
wald
Baumklettern wirkt!
Klettercamps durchführen. Er ist Redak-
teur bei der Zeitschrift der Umweltor-
ganisation Fältbiologerna und hat im
vergangenen Herbst zusammen mit sei-
ner Kollegin Jennie Wadmann zahlreiche
Bäume in einem Waldstück bei Lübeck
erklommen - nicht aus Protest, sondern
für wissenschaftliche Erkenntnisse aus
diesem Wald, dem ersten in Deutsch-
land, der für sein ökologisches Waldnut-
zungskonzept ein Zertifikat bekommen
hatte. Hier sein Bericht:
Klettern für eine ökologische Waldnutzung
Einen Monat lang, in den schon recht
frostigen Oktobertagen 2007, haben
wir Rotbuchen in dem zum Lübecker
Stadtwald gehörenden Hevenbruch
vermessen - von der Stammbasis bis
hinauf zum Kronenbeginn. Trotz Kälte
eine wunderbare Arbeit: Freiwillig, ganz
ohne Bezahlung, aber mit viel Spaß und
dem starken Gefühl, etwas Gutes für die
Umwelt zu tun.
Der Hevenbruch ist ein typisch nord-
deutscher Buchenmischwald. Jegliche
Holznutzung wurde hier vor dreizehn
Jahren eingestellt. Das Waldgebiet
wurde damals zu einer sogenannten
Referenzfläche erklärt und dient seitdem
als repräsentativer Bestand, an dem im
Laufe der Jahre die Unterschiede zu den
weiterhin bewirtschafteten Buchen-
mischwäldern der Umgebung immer
deutlicher zu erkennen und mit Mess-
werten zu belegen sein werden.
Klettern auf Bäume ist für sich genom-
men schon spannend und eindrucksvoll.
Das Klettern für die Forschung nimmt
nichts von diesem Reiz. Im Gegenteil.
Denn während wir uns langsam - alle
drei Meter Höhe und Dicke des Buchen-
stammes messend - bis in die Baum-
krone hinaufarbeiteten, schärfte sich
unser Blick für die unterschiedlichsten
Stammausprägungen. Und mit der Zeit
bekamen wir eine recht konkrete Vor-
stellung davon, wie alle diese zwischen
50 und 130 Jahre alten Bäume über die
Jahrzehnte zu ihrer heutigen Gestalt
herangewachsen sind.
2008 sollen auch die Buchen im Schat-
tiner Zuschlag, einer weiteren Referenz-
Foto: Jennie Wadmann & John Green
Nr. 96/1.08
Fünftausend Protestbriefezur Rettung des Regenwalds und der Bergkaribus
Erfreulich hoch war die Beteiligung an der ROBIN WOOD-Protestbriefaktion an
Gordon Campbell, den Regierungschef der westkanadischen Provinz British
Columbia. 4884 Unterschriften waren es bis Ende Januar. Die Bedrohung des
kanadischen Regenwaldes und des nur in dieser Region im Südosten der Provinz
vorkommenden Bergkaribus hat zahlreiche LeserInnen des ROBIN WOOD-Maga-
zins und des ROBIN WOOD-Kampagnenbriefes derart empört, dass sie auch noch
viele Freunde, Nachbarn und Kollegen zu einer Unterschrift bewegen konnten.
Der im Oktober von der Provinzregierung angekündigte Plan zum Schutz der
Bergkaribus sieht zwar eine auf den ersten Blick beeindruckende Fläche von
über zwei Millionen Hektar an Waldschutzgebieten vor. Doch der allergrößte Teil
davon – rund 80 % - ist längst geschützt und soll lediglich in seinem Schutzsta-
tus etwas erweitert werden. Weitere fünfzehn Prozent sind schwer zugängliche
Waldgebiete, beispielsweise an Steilhängen oder in den Hochlagen, die eh nicht
auf der Wunschliste der Forstindustrie stehen. Und nur etwa fünf Prozent an
neuen Schutzgebieten sollen in wirtschaftlich genutzten Waldgebieten liegen.
Doch auch dort wird es keine Beschränkungen für die Forstunternehmen geben.
John Allan, Präsident des Forstindustrieverbandes, hat sich schon kurz nach der
Ankündigung des Planes in mehreren Zeitungen sehr zufrieden geäußert, da
- wenn überhaupt - nur mit geringen Einschränkungen beim Holzeinschlag zu
rechnen sei. Recht hat er, denn in den mittlerweile einsehbaren Regierungsunter-
lagen zu diesem Plan steht schwarz auf weiß, dass es in den kommenden Jahren
keine Beschneidung der jährlichen Einschlagmengen geben wird.
Die Bergkaribus sind vom Artentod bedroht. Und die Hauptursache dafür – das
wird von keiner Seite bestritten – ist die Abholzung der dortigen Wälder. Ein Plan,
der vorgibt, die Bergkaribus retten zu wollen, aber dem dortigen Holzeinschlag
keinen Riegel vorschiebt – ein solcher Plan ist eine Farce!
Über die Übergabe der Protestbriefe an den kanadischen Botschafter werden wir
in der nächsten Ausgabe berichten.
Rudolf Fenner, Hamburg
wald
Nr. 96/1.08 33
fläche des Lübecker Waldes, vermessen
werden. Hier wird es besonders interes-
sant, denn dieses Waldstück liegt genau
im ehemaligen Grenzgebiet zwischen
West- und Ostdeutschland und war daher
für jegliche Nutzung gesperrt. Tatsächlich
wurden aber auch weite Bereiche dieses
Waldes schon vor der Errichtung des
Eisernen Vorhangs nicht bewirtschaftet,
so dass sich die Bäume hier seit etwa 110
Jahren ungestört entwickeln konnten.
Hier hat also nie ein pflegender Förster
Mühe und Arbeit in Waldentwicklung und
Baumauslese investiert. Und trotzdem
finden sich überall recht gut gewachsene,
wertvolle Buchen. Darum geht es auch
bei unseren Stammvermessungen. Wenn
dabei herauskommen sollte, dass sogar
ohne regulierende Eingriffe ausreichend
wertvolle Bäume heranwachsen können,
dann bringt das eine ganz neue Dimension
in die Diskussion um die beste und ökolo-
gischste Form der Waldbewirtschaftung.
Für dieses Ziel sind wir gerne geklettert.
Und wenn es sich irgendwie einrichten
lässt, dann kommen wir gerne wieder in
den Süden, um auch die Buchenstämme
im Schattiner Zuschlag zu vermessen.
John Green, Gävle
Lübecks Stadtwald - die Nummer 1
Der Lübecker Stadtwald war der erste
Forstbetrieb in Deutschland, der für
seine naturnahe Waldnutzung das Natur-
land - später dann auch das internationale
FSC-Zertifikat bekam. Das wirtschaftliche
Konzept dieses Betriebes unter der Leitung
von Dr. Lutz Fähser spielte eine ganz
wesentliche Rolle bei der Diskussion um
ökologische Mindeststandards in Deutsch-
land. Weitmöglichste Annäherung an die
natürliche Waldgesellschaft, Minimierung
von regulierenden Eingriffen und die Aus-
weisung von Referenzflächen ohne jegliche
Eingriffe sind wesentliche Bestandteile
dieses Konzeptes, die dann auch Eingang
in die Waldnutzungsstandards von Natur-
land und des FSC gefunden haben. Das
„Lübecker Modell“ der Waldnutzung ist
international sehr bekannt geworden und
daher Ziel zahlreicher Fachexkursionen aus
dem In- und Ausland. Auch John Green hat
diesen Wald ein Jahr vor seinen Baumbe-
steigungen auf einer Exkursion kennen
gelernt.
Foto: Gene Parker
Foto: Valhalla Wilderness Society
tropenwald
34
Gewalt für Ölpalmen in Kolumbien Der illegale Ölpalmen-Anbau in der kolum-bianischen Region Chocó schreitet voran. Die Menschen in den betroffenen Gemeinden berichten von den gravierenden Folgen: Um-weltschäden und schwere Menschenrechts-verletzungen wie Verschleppungen, Folter, gewaltsame Umsiedlungen, Urkundenfäl-schung und sogar Mord.
Die Gier nach Palmöl hat ein ökolo-gisches Desaster in der Region Chocó
angerichtet. In den Flusstälern des Cur-varadó und des Jiguamiando sind bereits 50 Tier- und Pflanzenarten ausgestorben und 100 weitere Arten stehen kurz vor dem Verschwinden. Damit wird eines der artenreichsten Waldgebiete der Welt der globalen Nachfrage nach Agrokraftstoffen geopfert. Dabei steht die gesamte Region nach kolumbianischem Recht unter Schutz. Aber Umweltschutz und Menschenrechte
Um Ölpalmplantagen anzulegen ist den Konzernen in Kolumbien jedes Mittel recht: auch gewaltsame Umsiedlung, Brandstiftung und Mord
Nr. 96/1.08
Fotos: Comision Intereclesial de Justicia y Paz, Colombia
tropenwald
bleiben unbeachtet, wenn die Palmöl-konzerne ihre Interessen verfolgen.
Die afrikanisch-stämmigen Kolumbia-nerInnen sind Teil der benachteiligten und unterdrückten Bevölkerung der Region Chocó. Sie gehören zu den über 11 Millionen KolumbianerInnen mit einer eigenen soziokulturellen Identi-tät. Ihre Landrechte in den Tälern des Jiguamiando und Curvaradó wurden vom kolumbianischen Staat durch das INCORA, das kolumbianische Institut für die Agrarreform, anerkannt und in der Nationalen Verfassung von 1993 und 1995 festgeschrieben. Trotz der natio-nalen und internationalen Schutzvor-schriften sind diese Menschen weiterhin Opfer systematischer Diskriminierung.
So wurde die Chocó-Region 1996 und 1997 zum Schauplatz massiver Zwangs-umsiedlungen. Die so genannte Ope-ration Genesis unter dem Befehl des Generals Rito Alejo Del Río war ein mi-litärischer Gewaltexzess in Kooperation mit den Paramilitärs Bäuerliche Selbstver-teidigungskräfte (AUC), die gemeinsam mit der Armee gegen die Bevölkerung vorgingen. Mehr als 20.000 Menschen wurden brutal von ihrem Land vertrie-ben. Die verbliebenen Familien leiden seitdem unter zahlreichen Repressionen durch die neuen ‚Besitzer’.
Seitdem weiten die Ölpalmenkonzerne in der Region Chocó ihre Anbaufläche mit illegalen Methoden und juristischen
Tricks aus. Es wurden Scheinverträge über den Verkauf von Land abgeschlos-sen, die nicht einmal juristischen Grund-anforderungen standhalten. Die Firmen haben sich vor allem Land angeeignet, das bislang von den Dörfern gemein-schaftlich genutzt wurde. Strohmänner verhandeln mit der Dorfgemeinschaft, um anschließend mit Hilfe von Pseudo-dorfverträgen den angeblichen Land-verkauf zu besiegeln. Am 24. Mai 2004 wechselten im Dörfchen Curvaradó auf diese Weise 46.000 Hektar die Besitzer.
Eine weitere Taktik, um die lokale Bevölkerung um ihr Eigentum zu brin-gen, ist der Ankauf von sogenannten Mejoras, einem kleinen Stück Land mit einer Hütte. Und das, obwohl gesetzlich festgelegt ist, dass einzelne Grundstücke
35Nr. 96/1.08
ohne Genehmigung der Gemeinschaft nicht verkauft werden dürfen. Die Firma Palmas de Curvaradó hat sich durch 50 Verträge ungefähr 4.752 Hektar Land angeeignet und der Ölpalmenmulti Ura-palma S.A. durch 55 Verträge ca. 5.653 Hektar. Die Liste ließe sich fortsetzen, denn laut Incoder, der in Kolumbien zuständigen Behörde für die Landreform, befindet sich 95 Prozent der Palmanbau-fläche auf illegal angeeignetem Gemein-deland.
In den Flusstälern der Region Chocó wird eines der artenreichs-ten Waldgebiete der Welt dem illegalen Anbau von Ölpalmen geopfert
Die vertriebenen Menschen sind in ihre Heimatorte zurückgekehrt und roden dort die illegal ange-legten Plantagen
tropenwald
Nr. 96/1.0836
Unter welch dubiosen Umständen Palmölkonzerne wie Urapalma S.A. an ihr Land kommen, zeigt der Fall von Lino Antonio Diaz in der Gemeinde Curva-radó. Urapalma hat seinen Besitzurkun-den zufolge im Jahre 2000 von Herrn Diaz 9000 Hektar Land erworben. Leider mit dem Schönheitsfehler, dass Herr Diaz im Jahr des angeblichen Verkaufs schon fünf Jahre tot war und er auch keine 9000 sondern lediglich 34 Hektar besaß.
Die Menschen haben sich aus Angst vor erneuten Übergriffen in so genannte humanitäre Zonen zurückgezogen. In diesen Gebieten, die etwa fünf Hektar groß sind, kommen externe Personen, egal ob ZivilistInnen oder Militärs, nur mit Erlaubnis der dort lebenden Men-schen hinein. Der Eintritt mit Waffen ist verboten.
Seit einiger Zeit versuchen die ver-triebenen Menschen mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen in ihre Heimatorte zurückzukehren. Ihr ehe-maliges Land ist jedoch mit tausenden Hektar Ölpalmen besetzt worden. Die enteigneten Menschen versuchen nun ihren Besitz zurück zu bekommen: einer-seits mit juristischen Mitteln, andererseits nehmen sie ihre Rechte in die eigene Hand, indem sie z. B. die Ölpalmen von ihrem Land entfernen. Diese Arbeit ist gefährlich und mühselig. Etwa 20 Per-sonen schaffen es am Tag Ölpalmen auf etwa zwei Hektar Land zu beseitigen. Die zurückgekehrten Menschen möchten die zerstörte Natur aufforsten und sich durch den traditionellen Anbau von Mais
oder Bohnen wieder selbst versorgen. Sie richten spezielle Biodiversitäts-Zonen (zona de biodiversidad) ein, in denen die Natur vor Eingriffen geschützt bleibt.Das Leben für die RückkehrerInnen ist nicht einfach. Die ehemaligen Parami-litärs, die offiziell entwaffnet wurden, haben mittlerweile eine neue Gruppe, die Àguilas Negras (schwarze Adler), gegründet. Sie sind bereits bis zu den humanitären Zonen vorgedrungen und versetzen die Menschen dort in Angst und Schrecken.
Die Ölpalmenkonzerne versuchen Kon-flikte zwischen den ArbeiterInnen, die auf den Plantagen eine Arbeit gefunden haben, und den Menschen, die ihr Land zurückverlangen zu provozieren. Auch das Militär spielt weiter eine unrühmliche Rolle. Die Anwesenheit der Soldaten erzeugt Furcht bei den Zurückgekehrten. Zusätzlich heizt die kolumbianische Re-gierung den Konflikt an. Unter dem Vor-wand der Forstpflege werden Menschen aus anderen Regionen Kolumbiens, wie Campesinas und Exparamiliärs, in die Gebiete der zurückkehrenden Gemein-den gebracht.
Trotz der Widrigkeiten und der Repres-sionen setzen die zurückgekehrten Gemeinden ihren Wiederaufbau und die Besetzung ihrer zerstörten Gebiete fort. Sie wollen ein selbstbestimmtes Leben führen und zwar ohne die für sie nutz-losen Ölpalmen-Monokulturen.
Cristian Garcia aus Chile ist Agrarin-genieur und hat mehrere Jahre als Projektkoordinator in Mexiko und
Chile mit indigenen Menschen in Sozial-, Umwelt- und Agrarprojekten
gearbeitet. Kontakt: [email protected]
Aus Angst vor Übergriffen ha-ben die Menschen so genannte humanitäre Zonen gegründet. Sie möchten in Zukunft selbst-bestimmt leben und traditionelle Landwirtschaft betreiben
In Biodiversitäts-Zonen soll die Natur in Zukunft vor Eingriffen geschützt werden
Fotos: Comision Intereclesial de Justicia y Paz, Colombia
tropenwald
37Nr. 96/1.08
„Palmöl zerstört unser Leben“Die großen Urwälder Sumatras sind längst abgeholzt. Aber in den Nationalparks und in den Bergen der indonesischen Insel gibt es noch immer schützenswerte Wälder mit einer überbordenden Tier- und Pflanzenwelt. Doch das Plündern geht weiter. Den Menschen auf Sumatra macht vor allem der wachsende Hunger der Indus-triestaaten nach billigem Palmöl zu schaffen. Peter Gerhardt und Christian Offer von ROBIN WOOD und Marianne Klute von Watch Indonesia! sprachen in Berlin mit Feri Irawan von der Umweltorga-nisation WALHI, dem indonesischen Zweig von Friends of the Earth.
? Palmöl aus Indonesien hat sich zu
einem wichtigen Rohstoff für die Kraft-
stoff- und Lebensmittelindustrie entwi-
ckelt. Was bedeutet der Palmölboom für
die Menschen in Indonesien?
! Die Folge ist, dass die lokale Bevölke-rung ihre Lebensgrundlagen verliert. Al-lein in Jambi auf Sumatra haben 20.000 Familien Land an Plantagenunternehmen abgeben müssen. Nun ist das ehema-lige Waldland mit Monokulturen wie Gummibäumen und Ölpalmen für den Weltmarkt bepflanzt. Die Einheimischen haben ihre Einnahmequellen verloren.
? Führende westliche PolitikerInnen
sehen in dem Palmöl-Boom eine luk-
rative Verdienstmöglichkeit für Klein-
bauern in Indonesien. Kannst Du das
bestätigen?
! Nein, Palmöl bietet keinerlei Chancen für Kleinbauern. Schon heute gibt es sehr viele Probleme und Konflikte mit den Plantagen und ihren Betreibern. Und die Regierung tut nichts, um diese Probleme zu lösen. Sie ignoriert die tradi-tionellen Rechte der einheimischen bzw. der indigenen Bevölkerung und spricht ihr die überlieferten Gemeinschaftsland-rechte selten zu. Dabei hat die Regierung sogar das Gesetz auf ihrer Seite, da der Staat in Verfassung und Forstrecht Sou-verän über das Land ist. Die Plantagen werden von der Hauptstadt Jakarta aus am Reißbrett geplant.
Die großen Konzerne hinterlassen öko-logische Wüsten und eine unumkehrbar zerstörte Umwelt. Auf den Plantagen werden Pflanzengifte wie Paraquat eingesetzt, die in Europa längst verboten sind! Die Tagelöhner leiden unter Haut-
erkrankungen, Lungen- und Atem-problemen, die das Gift bei ihnen auslöst.
? Viele Unternehmen in Deutschland set-
zen auf Palmöl, das vom Runden Tisch für
nachhaltiges Palmöl, dem „Round Table on
Sustainable Palm Oil“ (RSPO), zertifiziert
wurde. Was hältst Du von dieser Initiative?
! Die Unternehmen im RSPO sehen nur ihre wirtschaftliche Interessen, so ist z.B. das beteiligte Unternehmen Syngenta der Produzent von Paraquat. Ein anderes Pro-blem ist, dass die Kleinbauern im RSPO direkt von den Großunternehmen ab-hängig sind. Ihre Mitgliedschaft dient nur dem „Greenwashing“ der verheerenden Auswirkungen der indonesischen En-ergie-, Agrar- und Bevölkerungspolitik. Wir lehnen die Initiative des RSPO daher ab. Nach unserer Erfahrungen sind die Kriterien des RSPO nicht nachhaltig, nicht ausgewogen und nicht praktikabel.
Ein Beispiel macht die Probleme vielleicht deutlich: Laut Gesetz müssen Plantagen in Indonesien Transmigranten beschäf-tigen. Das sind Menschen, die von der
indonesischen Regierung zum Teil zwangsweise aus anderen Gegenden umgesiedelt wurden und nun unter teils unmenschlichen Bedingungen auf dem vergifteten Land schuften. Die Kleinbau-ern vor Ort haben von den Plantagen am allerwenigsten und werden gleich mehrfach betrogen! Sie müssen sieben bis acht Hektar ihres Landes abgeben und bekommen dafür zwei Hektar mit Ölpalmen bepflanztes Land. In den ersten vier bis fünf Jahren bringen die Plantagen ihnen aber kein Einkommen. Die Bauern sind in dieser Zeit komplett von dem Konzern abhängig, da sie alle Wirtschaftsgüter teuer bezahlen müssen und von der Infrastruktur des Konzerns abhängen. Die Folgen dieser Praxis sind die Verarmung der Bevölkerung und ein zerrüttetes Sozialgefüge mit vielen gesellschaftlichen Konflikten.
? Was können Unternehmen und Ver-
braucherInnen in Deutschland tun?
! Die Abhängigkeit von Palmöl muss drastisch reduziert werden. Die Indus-trieländer sollten Energie sparen und die Energie-Effizienz verbessern! Jedes nicht effizient genutzte Quantum an Energie in Deutschland bürdet Indone-sien zusätzliche ökologische und soziale Lasten auf.
Tipp: „Die Biosprit-Falle. Indonesiens
Wald in Gefahr“, Film von Inge Alte-
meier, zu beziehen über:
Feri Irawan, 33, lebt mit seiner Frau und Tochter in der indonesischen Provinz Jambi auf der Insel Sumatra. Seit seiner Jugend engangiert er sich für Menschenrechte und Natur in Indonesien, vor allem in seiner Heimat Jambi. Er ist seit 2002 Direktor der indonesischen Umweltschutzorganisation WALHI Jambi. Feri kämpft vor allem gegen den illegalen Holzeinschlag. In Zusammenarbeit mit anderen NGOs vor Ort
ist es Feri gelungen, mehrere Mafiaringe auffliegen zu lassen, die Nationalparke auf Sumatra durch Raubbau zerstören. Feri kämpft mit friedlichen Aktionen und Demonstrationen für die Landrechte der Bauern und der indigenen Waldnoma-den. Manchmal hat er damit Erfolg: Erst kürzlich musste einer der größten und korruptesten indonesischen Konzerne, Sinar Mas, Bauern aus Jambi einige Hektar ihres vor sechs Jahren gestohlenen Landes zurückgeben. Kontakt: WALHI Jambi, [email protected]
38
Seit dem 19. Oktober 2007 hat auch
die DWS, Europas größte Fonds-
gesellschaft für PrivatkundInnen, die
zu Deutschen Bankgruppe gehört, ein
solches Produkt im Angebot. Mit dem
Global Forest and Timber TR Index Zer-
tifikat können sich die DWS-KundInnen
an „Unternehmen, die Wald besitzen
und diesen bewirtschaften“ beteiligen.
Die Argumente der Banker für Investiti-
onen in die Forstbranche folgen stets der
gleichen Logik. Durch Globalisierung und
steigende weltweite Nachfrage schnelle
der Preis für den Rohstoff Holz in die
Höhe. Davon profitierten dann die Forst-
und Holzfonds. Im Verkaufsprospekt
der DWS für ihr Wald-Zertifikat heißt es:
„Die Nachfrage nach Holz steigt stetig.
Dies ist zum einen auf den drastischen
Anstieg der Weltbevölkerung zurückzu-
führen (...). Häufig sind Lieferengpässe
und Preisanstiege die Folge“. Auch
ökologischen Gesichtspunkten schien die
DWS Rechnung zu tragen. Im ursprüng-
lichen Verkaufstext des Zertifikates hieß
es: „Der Großteil der ausgewählten Un-
ternehmen wurde durch die internatio-
nal gültigen Gütezeichen für nachhaltige
Forstwirtschaft FSC (Forest Stewardship
Council) oder SFI (Sustainable Forestry
Initiative) zertifiziert. Diese Zertifikate
werden an Unternehmen verliehen, die
sozial, ökologisch und ökonomisch nach-
haltige Forstwirtschaft betreiben. Vor
dem Hintergrund der globalen Erwär-
mung ist die Bedeutung einer effektiven
und nachhaltigen Wald- und Forstwirt-
schaft wichtiger denn je.“
Ein erster Blick von ROBIN WOOD auf
die im Index gelisteten Unternehmen
offenbarte aber schnell, dass zwischen
Anspruch und Wirklichkeit eine große
Lücke klafft. Dies betraf besonders
Aracruz Celulose aus Brasilien, das in
zahlreiche Landrechts-Konflikte verwi-
ckelt ist, wie auch den australischen
Konzern Gunns, der in Tasmanien
großflächig Urwald platt macht und
dort ganze Landstriche für ein neues
Zellstoffwerk zu vernichten droht. Auch
weitere im Zertifikat enthaltene Forst-
giganten, wie West Fraser Timber oder
Ence sind schon von NGOs als Umwelt-
frevler angeprangert worden.
Daraufhin wurde ROBIN WOOD aktiv:
Nach einem Brief verbunden mit der
Aufforderung, Aracruz und weitere
Raubbaufirmen sofort aus dem Zertifi-
kat zu entfernen, meldete sich ein Ver-
treter der DWS-Geschäftsführung samt
Ein sicheres Investment in eine grüne Zukunft sind Beteiligungen an Waldbesitz und Forstplantagen, so der Tenor unzähliger Websites und Hochglanzprospekte, mit denen Banken bei potenziellen Anle-gern werben. Doch Vorsicht ist geboten, damit das wohl verdiente Geld nicht Waldzerstörern oder dubiosen Beteiligungsgesellschaften in den Rachen geworfen wird.
Mitarbeiterstab am Telefon. Die Herren
zeigten sich einsichtig und handelten
unverzüglich: Aracruz, Gunns, Ence und
Co. wurden aus dem Index des Zertifi-
kats gestrichen und DWS verzichtete ab
sofort auf die vollmundigen „Öko“-Ver-
sprechen in seinen Verkaufsprospekten.
Aus dem Global Forest and Timber TR
Index Zertifikat ist zwar kein Geheim-
tipp für Ökoinvestoren geworden, dafür
setzt das DWS-Zertifikat weiterhin viel
zu sehr auf konventionelle Forstwirt-
schaft, aber die schlimmsten Umwelt-
frevler sind rausgeflogen. Ein schöner
Erfolg für die Umwelt und auch ein
Signal an Raubbaufirmen wie Aracruz
und Gunns, dass auch die Finanzwelt
dem zerstörerischen Treiben der Wald-
vernichter nicht immer tatenlos zusieht.
Vor einem finanziellen Desaster stehen
jene Anleger, die ihr Geld der Prime
Forestry Group anvertraut haben. Mit
sagenhaften Renditeversprechen von bis
zu 14 Prozent sammelte die Schweizer
Gesellschaft viele Millionen Euro für
Teakplantagen in Panama ein. Noch
2005 wurden die Forstinvestoren mit
der Pressemitteilung „Prime Forestry
verzeichnet kräftiges Wachstum“ ruhig
gestellt. Schon zwei Jahre später waren
die eidgenössischen Baumpflanzer ein
Fall für den Insolvenzrichter.
Drum prüfe sorgsam, wer sein Geld
in Bäume, Wald oder Forstplantagen
anlegen möchte. Das ist besser für die
Umwelt und unter Umständen auch
besser für den eigenen Geldbeutel.
Peter Gerhardt ist Tropenwaldrefe-
rent von ROBIN WOOD in Hamburg,
Tel.: 040/38089218, tropenwald@
robinwood.de
Wer sein Geld in Bäume, Wald oder Forstplantagen anle-gen möchte, muss genau den Anbieter prüfen. Hier vernich-tet der australische Konzern Gunns großflächig Urwald in Tasmanien. Gunns war bis zum Protest von ROBIN WOOD im Waldzertifikat der Fondsge-sellschaft der Deutschen Bank enthalten
tropenwald
Geld, das auf Bäumen wächst Wilderness Society Australia
Nr. 96/1.08
39
bücher
Nr. 96/1.08
Josef H. Reichholf
S t a d t n a t u rEine neue Heimat für Tiere und Pflanzen
Josef H. Reichholf
Stadtnatur – Eine neue
Heimat für Tiere und
Pflanzen
Oekom-Verlag, 2007
320 Seiten, 24,90 Euro
ISBN 978-3-86581-042-7
Christian Offer, Frankfurt
Plädoyer für eine neue Stadt-Sicht
Füchse, Dachse, Wildschweine und Marder sind vielen Stadtmenschen bereits als „Mitbe-
wohner“ bekannt. Weniger bewusst ist vielen, dass sie schon seit Jahren auch von Wasch-
bär, Wanderfalke, Halsbandsittich, Eisvogel, Fischadler, Kolbenente, Habicht und Nachtigall
umgeben sind. Und wer das erste Mal von der Blauflügeligen Ödlandschrecke, der Rotpelzigen
Sandbiene oder dem Teichlinsenzünsler hört, traut seinen Ohren kaum. Diese Geschöpfe sollen
gewissermaßen vor der Haustür zu finden sein? Aber auch die Pflanzenwelt unserer Städte hat
so einige Besonderheiten auf Lager. Oder wussten Sie, dass ein einziger Cornelkirschen-Strauch
in guten Jahren bis zu drei Kilogramm Kirschen produziert? Eine wunderbare Speisekammer für
überwinternde Vögel – und sogar für uns Menschen: Aus den Früchten, die extrem viel Vitamin
C enthalten, lässt sich eine leckere Marmelade machen.
Reichholf räumt mit gängigen Vorurteilen gegenüber der „Steinwüste Stadt“ auf, z.B. dass
in Mitteleuropa die Artenvielfalt auf dem Land größer sei als in der Stadt. Besonders ge-
wachsene Großstädte wie München, Hamburg oder Berlin besitzen eine große Vielfalt an
potenziellen Lebensräumen für Tier- und Pflanzenarten mit verschiedenen Ansprüchen an
ihre Umgebung. Und die Intensivlandwirtschaft als Europas größter Naturvernichter hat schon
längst die meisten Refugien für wilde Tier- und Pflanzenarten auf dem Land beseitigt. Auch
viele heimischen Forste können den Städten als Lebensraum wenig entgegensetzen, weil sie
immer noch weit entfernt sind vom Zustand ihrer natürlichen Wald-Vorläufer. Aber Reichholfs
Buch macht auch vor bitteren Erkenntnissen nicht halt: Eine besondere Bedrohung für die hei-
mische Artenvielfalt geht von einigen der Tier- und Pflanzenarten aus, die während der letzten
Jahrzehnte aus anderen Regionen der Welt hier einwanderten bzw. eingeschleppt oder ange-
pflanzt wurden. Arten wie die spanische Wegschnecke oder der Ostasiatische Riesenknöterich
breiten sich invasionsmäßig aus und verdrängen ursprüngliche Arten.
Ein Artenregister und eine Literaturübersicht schließen das ansprechend aufgemachte Buch
aus dem Oekom-Verlag ab. Enttäuscht von ihm werden nur diejenigen Ökologen und Na-
turschützer sein, die biologische Vielfalt differenzierter betrachten: So ist ein Ökosystem mit
wenigen Arten nicht zwangsläufig weniger wert als eines mit vielen. So haben beispielsweise
unsere schönen, aber vergleichsweise artenarmen, naturnahen Wälder einen unschätzbaren
ökologischen Wert für Mensch und Natur. Keine Stadt der Welt kann die Auswirkungen des
Klimawandels mildern oder die Luft von Schadstoffen und Staub befreien. Diese Aspekte feh-
len dem Buch von Josef Reichholf: Es erhebt Artenvielfalt zum Wert der Natur schlechthin.
anze
ige
40 Nr. 96/1.08
Malaria boomt„Mann erkrankt an Malaria“ oder
sogar „Düsseldorfer an Malaria
gestorben“ lauten immer mal wieder
Schlagzeilen der Lokalpresse. Meistens
handeln solche Artikel von Einzelfällen,
bei denen die Infektionen zumeist von
einer Reise mitgebracht wurden. Doch
es ist noch nicht lange her, da erlagen
auch in Deutschland zahlreiche Men-
schen der Malaria. Im 19. Jahrhundert
war die Krankheit wohlbekannt, und
noch nach dem Zweiten Weltkrieg
wurden in den Rheinwiesen Infekti-
onen nachgewiesen. Seitdem gilt die
Malaria in Europa zwar offiziell als
ausgerottet, doch in den letzten Jah-
ren melden sich immer wieder Kranke,
die nicht im Ausland gewesen sind,
sondern sich offensichtlich hier vor Ort
infiziert haben. Noch sind es wenige,
doch ein wärmeres und feuchteres
Klima könnte die Malaria in Mitteleur-
opa wieder heimisch machen.
In anderen Gegenden der Welt lässt
sich der Vormarsch der Malaria längst
nicht mehr ignorieren. Jährlich infizie-
ren sich weltweit 500 Millionen Men-
schen, etwa 2,7 Millionen sterben an
den Folgen der Krankheit. Damit gilt
Malaria als die zweithäufigste Todes-
ursache. Die meisten Toten fordert die
Krankheit in Afrika. Über 90 Prozent
der Opfer sind jünger als fünf Jahre.
Der Klimawandel verschlimmert diese
Situation. Im 20. Jahrhundert ist die
durchschnittliche Temperatur in Afrika
bereits um etwa ein Grad Celsius
gestiegen, gleichzeitig sind die Nieder-
schläge in einigen Regionen zurückge-
gangen. Soweit sind sich die Experten
einig. Wie die künftige klimatische
Entwicklung aussehen wird, ist aller-
dings schwer zu sagen – schon weil
das Netz an Forschungsstationen in
Afrika sehr grob ist. Die Wissenschaft-
ler des Weltklimarates (IPCC) gehen
davon aus, dass die durchschnittliche
Temperatur in Afrika im 21. Jahrhun-
dert um drei bis fünf Grad ansteigen
wird. Dabei wird es große regionale
Unterschiede geben. Besonders heiß
wird es voraussichtlich in der Sahel-
zone und dem südlichen Afrika.
Anopheles-Mücke auf dem Vormarsch
Für die Anopheles-Mücke, die Über-
trägerin der Malaria, sind das beste
Lebensbedingungen. Schon gering-
fügig höhere Temperaturen und
entsprechende Brutstätten wie Tümpel
und Wasserlachen für die Larven kön-
nen für explosionsartige Vermehrung
sorgen. Wie so etwas aussehen kann,
zeigte sich etwa in Ruanda und Mo-
sambik, wo 1987 ein warmer Sommer
mit wenigen kräftigen Regengüssen
die Zahl der Malaria-Infizierten inner-
halb eines Jahres um über 300 Prozent
ansteigen ließ.
Dabei drang die Mücke erstmals in
große Höhen vor. Bisher galt, dass sie
nur in flacheren Regionen mit vorwie-
gend tropischem Klima überleben.
Doch mittlerweile tritt die Krankheit
auch in den Bergen auf, die bisher
malariafrei waren. Besonders gut
erforscht ist die Situation in Südafrika.
Wissenschaftler schätzen, dass die
Klimaveränderung die Ausbreitung der
Malaria so stark unterstützt, dass sich
allein am Kap der Guten Hoffnung der
Lebensraum der Mücke verdoppeln
wird. Die Zahl der potenziell betrof-
fenen Menschen würde dann von zwei
auf mehr als sieben Millionen steigen.
Malaria zweithäufigste Todesursache
Längst gibt es wirkungsvolle Medika-
mente gegen Malaria. Doch vor allem
in den ländlichen Gebieten Afrikas ist
die medizinische Versorgung schlecht.
Die Malaria tötet dort so viele Men-
schen, dass die Sozialstruktur ganzer
Dorfgemeinschaften zerstört wird.
Familien verlieren ihre Ernährer, Kinder
werden zu Waisen, im Dorf fehlen
Lehrer, Arbeitskräfte und Stammes-
führer.
Die Vereinten Nationen gehen davon
aus, dass die Folgen der Malaria
das Wirtschaftswachstum in Afrika
bereits heute um 1,3 Prozent pro Jahr
verringern. Dieser Entwicklung stehen
die meisten afrikanischen Länder
hilflos gegenüber. Die Bekämpfung
der Malaria würde große Summen für
Medikamente, Krankenhäuser und die
Vernichtung der Mücken-Brutstätten
erfordern. Geld dafür ist in den meis-
ten afrikanischen Staaten jedoch kaum
vorhanden.
So weit wird es in Europa vorerst nicht
kommen. Selbst wenn die Malaria
wieder heimisch wird, dürfte das
flächendeckende Gesundheitssystem
derart drastische Folgen wie sie in
Afrika heute schon zu beobachten
sind, verhindern. Doch auf die leichte
Schulter sollten auch die Europäer das
Problem nicht nehmen. Denn sogar im
21. Jahrhundert sind bereits Men-
schen in Deutschland an der Malaria
gestorben.
Aus dem Buch „Klima-Countdown“
von Marc Engelhardt und Markus
Steigenberger
Neun von zehn Malariaopfern sind unter fünf Jahre alt
bücher
Foto: Margrit Stalder/Pixelio
41
bücher
Pendos CO2-Zähler
Die CO2-Tabelle für ein klima-
freundliches Leben
Herausgeber: co2online ge-
meinnützige GmbH, Berlin
Pendo Verlag
München und Zürich 2007
156 Seiten, 6,90 Euro
ISBN 978-3-86612-141-6
Nr. 96/1.08
CO2-Pfunde abspecken
Bücher zum drohenden Klimawandel gibt es
mittlerweile viele. Doch der Pendos CO2-Zähler ist
anders: Zum einen passt er im praktischen Klein-
format in jede Tasche. Zum anderen regt er seine
LeserInnen mit einer Fülle von Zahlen und Fakten,
die übersichtlich in Tabellen verpackt sind, dazu an,
ihre ganz persönliche Klimabilanz zu berechnen.
JedE kann nachvollziehen, ob die Lust auf Bananen
oder das Steak aus Süddeutschland mehr CO2 auf
die Klimawaage bringen. Die AutorInnen wollen
helfen, die private Klimabilanz zu verschlanken,
schlagen aber vor, sich realistische Ziele zu setzen:
„Wenn Sie nur wenig tun wollen, finden Sie hier
schnell heraus, was dennoch viel bringt. Wollen Sie
mehr tun, umso besser.“
Allerdings wird das interessante Nachschlagebüch-
lein in einem Punkt seinen eigenen Ansprüchen
nicht gerecht: Statt auf Recyclingpapier gedruckt,
ist es auf weißem Papier aus Frischfasern erschie-
nen. Dabei geben die AutorInnen im Abschnitt
„Konsum“ den Tipp noch heute das Papier im ei-
genen Drucker durch Recyclingpapier zu ersetzen,
da es in allen Umweltschutzaspekten gegenüber
Frischfaserpapier im Vorteil ist. Die 2. Auflage des
CO2-Zählers ist in Arbeit und soll jetzt klimafreund-
lich auf Recyclingpapier gedruckt werden.
Klimawandel noch mal anders
Marc Engelhardt, Markus Stei-
genberger
Klima-Countdown
Reportagen vom Klimawandel
Schmetterling Verlag, Stuttgart
128 Seiten, 12,80 Euro
ISBN 3.89657-566-X
Wer das Klimabuch von Harald Vieth liest, merkt, dass
es von einem Lehrer geschrieben wurde. Nicht weil es
oberlehrerhaft daherkommt, sondern weil das Buch
mit 60 Karikaturen, vielen Farbfotos und Grafiken
besonders anschaulich ist und den SchülerInnen ab
Klasse 6 den Zugang zum Thema Klimaschutz leicht
macht und zum Mitmachen anregt. So ist auf einer
Seite Platz für die Zeichenkunst der LeserInnen gelas-
sen: Sie werden ermuntert, den CO2-Fußabdruck eines
Deutschen und eines Chinesen im Vergleich zu zeich-
nen. Damit das auch gelingt, gibt der Autor eine Reihe
von Internetadressen an, mit deren Hilfe auch der
eigene Klimafußabdruck fix berechnet werden kann.
Harald Vieth beschreibt die globalen Folgen des Kli-
mawandels, wie er sich auf die Pflanzen- und Tierwelt
in Deutschland auswirken wird und dass bis zu einem
Drittel seiner Heimatstadt Hamburg in einhundert
Jahren unter Wasser stehen könnte. Wer an dieser
Stelle wissen möchte, was dagegen zu tun ist, muss
das Buch erst mal auf den Kopf stellen. Am Ende des
Buches gibt Harald Vieth VerbraucherInnen und Politik
konkrete Handlungsoptionen gegen den drohenden
Klimawandel mit an die Hand.
Klima-Countdown
In 26 Reportagen führen die Auto-
ren von der Frankfurter Rundschau
und dem BUND die LeserInnen zu
Schauplätzen des Klima-Countdowns
in der ganzen Welt. Sie zeigen die
Schlammwüsten statt weißer Pracht
auf dem Mount Everest, erklären,
warum die Venezianer um ihre Häuser
bangen müssen und stellen die „Streu-
sandbüchse“ Brandenburg vor. Farbige
Fotos illustrieren die Reise.
Das Buch soll den Einstieg in das
Thema – etwa im Schulunterricht der
Sekundarstufe II – erleichtern und die
Folgen der Klimaveränderungen in ver-
schiedenen Regionen der Erde erlebbar
machen. Die Autoren wollen mit ihren
packenden Berichten die LeserInnen
aufrütteln, aber nicht entmutigen – der
Klima-Countdown läuft zwar, aber
noch ist es nicht zu spät. Am Ende des
Buches machen sie mit ersten prak-
tischen Schritten in Richtung Klima-
schutz Mut, selbst aktiv zu werden.
Harald Vieth
Klimawandel mal anders.
Was tun?
Vieth Verlag, 2007
www.viethverlag.de
162 Seiten, 16,80 Euro
ISBN 978-3-00-021535-3
perspektiven
Nr. 96/1.0842
Trommeln und FeuermachenGanz in seine Arbeit versunken sitzt der 7-jährige Kyran auf einem Baumstamm und schnitzt an einem Speer. Mit fließenden Bewegungen – die Messerklinge immer brav vom Körper wegziehend – schabt er die Rinde fort und glättet den langen, gerade gewachsenen Ast. Später wird Marleen Item ihm zeigen, wie man eine Speerspitze aus Stein oder Knochen an dem Schaft befestigt.
„Sich über einen längeren Zeitraum
ganz auf eine Aufgabe konzentrieren,
dass können viele Kinder heute kaum
noch“, sagt Marleen Item. „Und
manche stehen verloren inmitten des
Reichtums an natürlichem Spielzeug
– und wissen nicht das Geringste mit
sich anzufangen. Ohne Computer,
ohne Gameboy und Handy ist spielen
für diese Kinder fast schon unmöglich
geworden“, erklärt die 38-Jährige.
Die gelernte Entspannungstrainerin
leitet in der Nähe von Ratingen ein
Indianercamp für Kinder und Erwach-
sene. Feuer machen, Kakao auf dem
Lagerfeuer kochen, Speere schnitzen,
mit Pfeil und Bogen schießen, Holz
sammeln, im Wald nach Halbedelstei-
nen suchen, Indianerschmuck basteln
und im Tipi schlafen: „Paradiesische“
Zustände, an die sich viele Groß-
stadtkinder erst gewöhnen müssen:
„Manche Kinder kommen hierher und
müssen erst einmal lernen, dass man
sich auch schmutzig machen darf und
das Dreck, Sand, Wasser, Holz und
Erde natürliche Elemente sind, mit
denen man herrlich spielen kann“,
erklärt sie.
Marleen Item ist selbst in den Bergen
aufgewachsen. Die Sommer hat sie
auf den Almen ihrer Schweizer Heimat
verbracht. „Ich habe damals Suppe
aus Beeren auf dem Feuer gekocht
und Schneckenrennen veranstal-
tet. Die Tiere waren meine besten
Freunde“, erzählt Marleen Item und
entfacht die Glut ihrer Feuerstelle mit
einem hölzernen Blasrohr. Als Erwach-
sene lebte sie neun Monate unter Marleen Item
Fotos: Annette Lübbers
43
perspektiven
Indianern in Peru. In Südamerika hat sie
viel gelernt über das Leben von und mit
der Natur. „Unsere natürliche Umge-
bung erdet den Menschen. Die Indianer
sagen: Menschen können die Natur nicht
retten, aber die Natur kann Menschen
retten, wenn man sie lässt.“
Marleen Item, Mutter von drei Kin-
dern und Ehefrau eines Komponisten
und Musikers, lebt einen großen Teil
des Jahres selbst in ihrem Camp. Sie
schläft in einem Tipi und kocht auf dem
Lagerfeuer. In derben Schuhen, brauner
Outdoorhose und bunter, wollener Jacke
blickt sie nachdenklich ins Feuer. „Viele
Kinder haben kein Verhältnis mehr zur
Natur. Hier im Camp können sie vieles
lernen, etwa wie man einen Kessel mit
Sand sauber macht oder dass ein Farn
Fliegen vertreibt. Hier im Wald sammeln
sie Halbedelsteine, schnitzen, basteln
oder veranstalten Wettkämpfe. Bei die-
sen Beschäftigungen lernen Kinder ganz
andere Dinge, als zu Hause vor dem
Computer.“
Am Nachmittag kommt eine Kinder-
geburtstagsgruppe zu Besuch. Schnell
füllt sich der Platz um das Lagerfeuer
mit rennenden, lachenden, fröhlichen
Kindern. Calvin trägt eine Indianerfeder
im Haar, einige Mädchen haben sich als
Indianerinnen verkleidet. Ein paar Kinder
schlagen eine Trommel, gebaut aus
einem Blumentopf und einigen Lagen
Butterbrotpapier. Marleen Item lächelt:
„Diese Materialien benutzen wir, damit
die Kosten für die Teilnehmer möglichst
gering bleiben. Wie man Trommeln mit
echtem Leder bespannt, kann man in
unseren Workshops lernen.“
Marleen Item ist sich sicher, dass die
Welt, in der Großstadtkinder heute
aufwachsen, viele naturgegebenen
Fähigkeiten der Kleinen verkümmern
lässt. „Kinder müssen lernen, sie selbst
zu sein. Heutzutage gibt es zu viele
Vorgaben und Zwänge, die nicht mehr
hinterfragt werden. Kinder – aber
auch Erwachsene – werden getrieben
von dem, was angeblich nötig ist, und
selten fragen sie, ob sie all das wirklich
brauchen. Hier können die Großen und
die Kleinen lernen, wie man zur Ruhe
kommt, sich Ziele setzt und wie man
dafür kämpft. Und gleichzeitig lernen
sie, dass sie ein Teil der Natur sind, die
sie respektieren und achten müssen. Die
Tiere, die Pflanzen und – natürlich – die
Menschen.“
Viele Kinder hat Marleen Item in den
vergangenen Jahren in ihrem Camp
begrüßt – und einige von ihnen hat
sie unglücklich erlebt. „Heutzutage
vermissen viele Kinder Menschen, die
ihnen wirklich zuhören und die ihnen
auch etwas zutrauen. Wenn hier ein
Kind die Aufgabe bekommt, Holz fürs
Feuer zu holen, dann muss das Holz am
Abend auch da sein. Oft vergessen die
Kinder beim Spielen ihre Aufgabe. Aber
das tun sie nicht aus Gedankenlosigkeit,
sondern weil sie nicht gelernt haben,
Verantwortung zu tragen. Hier erfahren
sie: Ihr habt kein Holz gesammelt, also
können wir kein Feuer machen und
heißen Kakao trinken. Dann gibt es halt
kalten Kakao.“
Zwei größere Jungen zersägen derweil
große Holzstücke. „Das ist auch so ein
Problem“, sagt Marleen Item. „Manche
Kinder haben echte Probleme mit der
Feinmotorik. Auf Bäume klettern, über
einen Baumstamm balancieren, über
Steine im Bach springen. Diese Bewe-
gungsabläufe lernen Kinder nicht, wenn
sie einen großen Teil ihrer Zeit sitzend
verbringen. Die Folge: Die Kinder haben
kein Vertrauen und trauen sich und
ihrem Körper immer weniger zu.“
Nr. 96/1.08
Auch wenn Marleen Item viel gelernt
hat über das Leben der amerikanischen
Ureinwohner, den Fehler, die Lebensart
der Indianer kopieren zu wollen, begeht
sie nicht. „Ich bin keine Indianerin und
ich kann keine werden. Aber ich kann
viel von ihnen lernen. Wer draußen lebt,
sieht sich und die Natur mit anderen Au-
gen. So hat schließlich die menschliche
Zivilisation einmal angefangen – mit
Menschen, die von ihrer natürlichen
Umwelt gelernt haben“, sagt sie und
verschwindet mit einigen Kindern im
Wald: Holz sammeln fürs Abendessen.
Mehr Infos unter: 06552/991498 oder
www.citiescape.de
Annette Lübbers ist freie Journalistin
Kontakt: [email protected] grü
ne b
eru
feGroßstadtkinder erleben Abenteuer und Natur im Indianercamp
44 Nr. 96/1.08
internes
Happy Birthday, ROBIN WOOD!
ROBIN WOOD ist im November 2007 25 Jahre alt gewor-den. Dieses Jubiläum haben viele FörderInnen, AktivistIn-nen und MitarbeiterInnen von ROBIN WOOD gemeinsam bei einer Schifffahrt auf der Weser in Bremen gefeiert. Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gratu-lierten ROBIN WOOD zu diesem Jubiläum.
Engagierte Umweltschütze-
rInnen aus Bremen und Ham-
burg beschlossen im November
1982, eine gewaltfreie Aktionsge-
meinschaft für Natur und Umwelt
zu gründen. Seitdem hat sich RO-
BIN WOOD zu einer bundesweit
arbeitenden Umweltorganisation
entwickelt, die gleichermaßen
Wert auf Basisdemokratie und
Professionalität legt und noch
immer für spontane Aktionen und
Überraschungen gut ist.
Groß geworden ist ROBIN WOOD
mit dem Thema Waldsterben. Die
„RächerInnen der Entlaubten“
stiegen in den achtziger Jahren
den Schwefelschleudern unter
den Kraftwerken auf die Schorn-
steine. Schnell kamen weitere
Themen hinzu: Aktionen gegen
Atomkraft, für ein Tempolimit
und gegen den Raubbau in den
Tropenwäldern.
ROBIN WOOD schreckte dabei nie
davor zurück, als David gegen die
Goliaths dieser Welt anzutreten
und sich mit den stärksten Lobbys
im Energie- und Verkehrssektor
sowie der Holzindustrie anzule-
gen. Dabei gelang es wenigen,
aber entschieden auftretenden
ROBIN WOOD-AktivistInnen immer
wieder, die öffentliche Aufmerk-
samkeit auf Umweltsauereien zu
lenken und Verbesserungen zu
erreichen: Zahlreiche Baumarkt-
ketten listeten Möbel aus Raub-
bau-Tropenholz aus. Indigene in
Brasilien bekamen ihr von der
Zellstoff-Industrie geraubtes Land
zurück. Und Mehdorns Zug zur
Börse wurde vorerst gestoppt.
Manche Aktionen wie die Blo-
ckade eines Castor-Transports nach
Gorleben im März 2001 waren so
spektakulär, dass die Bilder davon
um die Welt gingen. Andere laufen
eher im Hintergrund, wie das
beharrliche Arbeiten für mehr Re-
cyclingpapier an Schulen oder den
Wechsel zu Ökostrom-Anbietern.
Eine Jubiläumsaktion, das Treffen von Gründungsmit-gliedern, tolle Musik und gutes Essen machten die 25-Jubiläumsfahrt auf der Weser zu einem unvergess-lichen Erlebnis
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internes
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25 25-Jahre-Sonderausgabe
magazin
Leben heißt handeln
Sonderausgabe zum 25-Jahre-Jubiläum auf der Weser
Herzlichen Dank, dass wir mit euch gemeinsam am 17. November 2007 auf der Weser den 25. Geburtstag von ROBIN WOOD feiern konnten!
Liebe Ulrike, lieber Martin, lieber Frieder,
nun sind schon 25 Jahre vergangen, seit sich im Jahr
1982 ein Dutzend Umweltschützerinnen und Umwelt-
schützer zusammenschlossen, weil sie dem Sterben
der Wälder nicht länger tatenlos zusehen wollten. Vom
spontanen Aktionsverein hat sich ROBIN WOOD zur
professionellen, bundesweit agierenden Umweltorgani-
sation entwickelt. Kampagnen-Schwerpunkte sind die
Themen Wald, Tropenwald, Energie und Verkehr. Die
Zusammenarbeit der ehrenamtlichen AktivistInnen mit
den hauptamtlichen Kräften hat sich dabei sehr bewährt.
Unser besonderer Dank geht an die vielen Förderinnen
und Förderer, die es ROBIN WOOD erst ermöglicht haben,
bis heute ohne staatliche Zuschüsse und Sponsoren aus-
zukommen und damit immer völlig unabhängig agieren
zu können.
Herzlichen Dank, dass ihr durch euer Engagement die
erfolgreiche Umweltarbeit von ROBIN WOOD in den ver-
gangenen 25 Jahren tatkräftig mitgestaltet habt!
ROBIN WOOD e.V., [email protected], Tel.: 0421/598288, www.robinwood.de
Spendenkonto: Sozialbank Hannover, BLZ: 251 205 10, Konto: 84 555 00
„Ich glaube, es war ein österrei-
chischer Zyniker, der einmal bemerkte,
dass sich mittlerweile eine viel zu
große Zahl von Katastrophen aller Art
um die begrenzte Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit bemühen müsse“, stellt
Peter-Matthias Gaede, Chefredak-
teur von GEO fest. „Umso wichtiger ist
es, dass die älteren und die Dauerthe-
men des Umweltschutzes ihre Fürspre-
cher behalten. Und in diesem Sinne
gratuliere ich Ihnen zu Ihren ersten 25
Jahren. Sie verstehen mich sicher rich-
tig, wenn ich sage: Es wäre schöner,
es müsste ROBIN WOOD nicht geben.
Aber da die Welt nun mal so ist, wie
sie ist, ist es gut, dass ROBIN WOOD
durch die Wälder streift. Auf dass es
keine Restwälder werden.“
„Die vielen engagierten ROBIN
WOODler machen uns seit einem Vier-
teljahrhundert unermüdlich bewusst,
wie reich unsere Erde ist. Und dass wir
diesen Reichtum bewahren sollten“,
sagt der Präsident des Umweltbundes-
amtes, Andreas Troge. „Kreativ und
mit bisweilen außergewöhnlichen Ak-
tionen streitet ROBIN WOOD für den
Erhalt unserer Wälder, der tropischen
Regenwälder, den Ausbau erneuer-
barer Energien und einen umweltver-
träglichen Verkehr. Danke dafür!“
„Der Jubilar hat sich in der ganzen Zeit
als aufrechter Kämpfer für die Belange
des Natur- und Umweltschutzes erwie-
sen, und das hat ihn so vital gehalten,
dass er heute kein bisschen müde und
verbraucht daherkommt. Im Gegenteil:
Mit ROBIN WOOD muss man mehr
denn je rechnen -- und das ist gut so“,
sagt Herrmann Scheer, Präsident von
Eurosolar.
Ursula Sladek vom Ökostromanbieter
EWS Schönau betont: „ROBIN WOOD
macht nicht nur öffentlichkeitswirksam
auf Probleme aufmerksam, sondern
arbeitet auch professionell an Lösungs-
möglichkeiten.“
„Mit ROBIN WOOD verbindet mich
die Liebe zum Wald, die Erkenntnis,
wie überlebenswichtig sein Erhalt ist
und die Verpflichtung, die Genialität
und Unantastbarkeit der ‚Schöpfung
Wald‘ zu verdeutlichen, um die Welle
der Hilfsbereitschaft zu einem Orkan
anschwellen zu lassen. Dass dies ge-
linge“, so Menschenrechtsaktivist und
Abenteurer Rüdiger Nehberg, „ist
mein Wunsch für ROBIN WOOD.“
Die Passagiere erlebten eine gelungene Dia-Show, bei der ehemalige Aktive spontan zum Mikro griffen und mit fesselnden Aktionsberichten durch 25 Jahre führten
Fotos: M. Niepel, A. Krumm
Die 25-Jahre-Sonderausgabe des Magazins wurde direkt an Bord produziert
internes
Nr. 96/1.0846
„Lerne mehr, verbrauche bewusst“
Jedes Jahr wird weltweit mehr Papier hergestellt. Doch die Verteilung ist
extrem unterschiedlich. Verschwenden die Industrieländer 70 Prozent der
Gesamtproduktion so haben Menschen in anderen Ländern weniger als 10 kg
im Jahr zur Verfügung. Und selbst in Europa gehen Menschen mit Papier sehr
unterschiedlich um. Zahlen geben zwar eine eindeutige Antwort zu den ver-
brauchten Mengen, sagen aber wenig darüber aus, wie die Menschen ihren
Verbrauch auch im Vergleich zu anderen Ländern einschätzen, wie bewusst
sie mit dem Alltagsprodukt umgehen und wie genau sie über Zusammen-
hänge von Papierverbrauch und Waldzerstörung Bescheid wissen.
Um mehr über den unterschiedlichen Umgang mit Papier in anderen Ländern
zu erfahren engagiert sich ROBIN WOOD in einem EU Lernpartnerschaftspro-
jekt „Lerne mehr, verbrauche bewusst – für einen nachhaltigen Papierkon-
sum“. Die Partner wollen von einander lernen, eigene Bildungserfahrungen
austauschen und gemeinsam neue Methoden finden. Ziel der fünf Umweltorganisationen und Bildungseinrichtungen aus
Deutschland, Polen und Tschechien ist es, das Umweltbewusstsein und -wissen bei Erwachsenen zu stärken. Dabei interessiert
uns die Meinung der Menschen in den einzelnen Ländern zu einem nachhaltigen Papierkonsum. Bitte nehmen Sie an unserer
Befragung teil. Wir lernen durch den Vergleich der Antworten unsere europäischen Nachbarn besser kennen und werden die
Ergebnisse für unsere weitere Arbeit im Projekt nutzen können.
Den Fragebogen finden Sie im Internet unter www.robinwood.de/
papier oder können ihn anfordern bei der Projektkoordinatorin
Angelika Krumm, ROBIN WOOD e.V., Lindenallee 32, 16303 Schwedt,
Tel.: 03332/25 20- 10, Fax: - 11, E-Mail: [email protected]
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!
anzeige
impressum
Nummer 96/1.08
Magazin
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Erscheinungsweise vierteljährlich
Redaktion: Sabine Genz, Angelika Krumm, Annette
Littmeier, Christian Offer, Regine Richter,
Dr. Christiane Weitzel (V.i.S.d.P.)
Verantwortlich für Layout, Satz, Fotos und Anzeigen
ist die Redaktion
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
Lindenallee 32, 16303 Schwedt
Postfach 10 04 03, 16294 Schwedt
Tel.: 03332/2520-10, Fax: -11
Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand
zu beziehen über: ROBIN WOOD e.V.,
Geschäftsstelle, Postfach 10 21 22, 28021 Bremen,
Tel.: 0421/59828-8, Fax: -72
[email protected], www.robinwood.de
Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins ist
im Mitgliedsbeitrag enthalten
Gesamtherstellung: Druckhaus Bayreuth,
www.druckhaus-bayreuth.de
Rollenoffsetdruck, Auflage: 11000
Das ROBIN WOOD-Magazin erscheint auf 100% Altpa-
pier augezeichnet mit dem Blauen Engel
Titelbild: Gideon Mendels/Corbis
Spendenkonto: ROBIN WOOD e.V., Postbank Hamburg,
BLZ: 20010020, Konto: 1573-208
Erstes Treffen der Projektpartner aus Polen, Tschechien und Deutschland im Dezember 2007 in Schwedt
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internes
ROBIN WOOD e.V.GeschäftsstellePostfach 10 21 22
28021 Bremen Datum, Unterschrift
Wissen macht was!Der geplante Bahnraub konnte bis-lang nur verhindert werden, weil es schon zu viele Leute gibt, die „zu“ viel wissen. So wird es auch in Zukunft sein. Mit der Bahn, mit den Wäldern, mit Energie und im Klimaschutz.
Name
Straße
PLZ , Ort
Telefon E-Mail
Konto-Nr.:
BLZ, Bank:
Ja, ich will mehr wissen!
Ich will das ROBIN WOOD-Magazin viermal im Jahr frei Haus für nur 12 Euro.
Auch, weil ich weiß, dass ich dieses Abo jederzeit kündigen kann. Ein Anruf genügt.
Nr. 96/1.08
www.robinwood.de
Billige
für Bahnräuber?
Beute
Wir können das verhindern! Blättern Sie eine Seite zurück!