renaler lupus erythematodes; renal lupus nephritis;

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Nephrologe 2013 · 8:474–482 DOI 10.1007/s11560-012-0724-x Online publiziert: 5. November 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 E.F. Gröne · H.-J. Gröne Abteilung Zelluläre und Molekulare Pathologie, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg Renaler Lupus  erythematodes Histopathologische Diagnose  und Differenzialdiagnose Zur Lupusnephritis sind mehrere rezente Übersichtsartikel über pathophysiologi- sche und therapeutische Gesichtspunkte veröffentlicht worden. Die vorliegende Übersicht beschränkt sich auf die Histopa- thologie bei Lupusnephritis unter beson- derer Berücksichtigung der Differenzial- diagnose und der klinischen Implikation histopathologischer Merkmale der Lupus- nephritis. Die Nephritis bei Lupus erythe- matodes ist vornehmlich eine Erkrankung des Glomerulus, kann jedoch auch prä- glomeruläre und postglomeruläre Gefäße und das Tubulointerstitium betreffen. Morphologie der Lupusglomerulonephritis Die Lupusglomerulonephritis kann alle bekannten Formen der glomerulären Er- krankungen imitieren und im Verlauf der Erkrankung in wechselnden Formen der Glomerulonephritis auftreten. Die Grün- de für diese Änderung der Glomerulo- nephritisform sind unklar. Nur etwa ein Drittel der Patienten, bei denen in einer ersten Biopsie eine fokale oder generali- sierte schwere Lupusglomerulonephritis vorliegt, weist 6 Monate später in einer Zweitbiopsie die gleiche Glomerulone- phritis auf. Die Patienten können in eine mildere oder schwerere Glomerulone- phritisform wechseln. Dieses Phänomen erschwert eine klinisch relevante histo- pathologische Lupusklassifikation. Von der Renal Pathology Society (RPS) und der International Society of Nepohrology (ISN) ist 2003 eine autorisierte Lupusklas- sifikation erstellt worden [11]. Es werden 6 unterschiedliche Glomerulonephritisfor- men definiert: F In Klasse I finden sich minimale mes- angiale Lupusglomerulonephritiden, die lichtmikroskopisch durch norma- le Glomeruli und immunhistologisch durch geringe mesangiale Immun- deposite charakterisiert sind. In der Transmissionselektronenmikroskopie können fast ausschließlich mesangiale Immundepots beobachtet werden. F In Klasse II handelt es sich um eine mesangioproliferative Lupusglomerulo- nephritis, die durch eine mesangiale Hyperzellularität (>3 Zellen pro mes- angialem Feld) und/oder eine mes- angiale Matrixvermehrung gekenn- zeichnet ist, mit Immundepositen, die überwiegend mesangial, vereinzelt je- doch auch subepithelial oder/und su- bendothelial im Verlauf der glomeru- lären Basalmembran in der Immun- histologie und in der Elektronenmi- kroskpie zu finden sind. F In die Klasse III wird die fokale Lupus- glomerulonephritis eingeordnet, die in weniger als 50% der erfassten Glo- meruli segmental subendotheliale Im- mundeposite aufweist, mit oder ohne segmentale oder diffuse mesangiale Zell- und Matrixvermehrung. Es wer- den bei dieser Form der Lupusglome- rulonephritis aktive und chronische Läsionen unterschieden. Unter akti- ven Läsionen (abgekürzt als A) ver- steht man entweder eine endokapil- läre Hyperzellularität mit dem Endo- thel adhärenten Monozyten, eine Ka- ryorrhexis (apoptotischer Zellunter- gang), erkennbar an sog. Hämatoxy- linkörperchen, oder eine fibrinoide Nekrose mit Ruptur der glomerulä- ren Basalmembran und fibrinoid-ne- krotischem Material aus den zugrun- de gegangenen mesangialen und en- dothelialen Zellen. Diese Nekrosen können mit zellulären oder fibrozel- lulären extrakapillär gelegenen Proli- feraten einhergehen. Vielfach sind bei aktiven Läsionen auch die subendo- thelialen Immundeposite so stark ausgeprägt, dass sie lichtmikrosko- pisch als Drahtschlingen (sog. „wire loops“) imponieren. Zudem kann bei dieser Form der Glomerulone- phritis ein Verschluss der Kapillaren durch Immundeposite, die wie hya- line Thromben in Erscheinung tre- ten, gesehen werden. Chronische Lä- sionen (mit C abgekürzt) sind bei die- ser Form der Lupusglomerulonephri- tis entweder segmentale oder globale Vernarbungen der Glomeruli. F In der Klasse IV sind sog. diffuse seg- mentale oder globale Lupusglomerulo- nephritiden eingeordnet; die typi- schen histopathologischen Verände- rungen erfassen mehr als 50% der angeschnittenen Glomeruli in einer Biopsie. Wenn mehr als die Hälfte der Glomeruli segmentale Veränderun- gen aufweisen, liegt die Unterklasse IV-S vor, und wenn in mehr als 50% globale Veränderungen gesehen wer- den, wird dies als diffuse globale Glo- Redaktion G. Wolf, Jena K. Amann, Erlangen 474 | Der Nephrologe 6 · 2013 Leitthema

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Page 1: Renaler Lupus erythematodes; Renal lupus nephritis;

Nephrologe 2013 · 8:474–482DOI 10.1007/s11560-012-0724-xOnline publiziert: 5. November 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

E.F. Gröne · H.-J. GröneAbteilung Zelluläre und Molekulare Pathologie, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg

Renaler Lupus erythematodesHistopathologische Diagnose und Differenzialdiagnose

Zur Lupusnephritis sind mehrere rezente Übersichtsartikel über pathophysiologi­sche und therapeutische Gesichtspunkte veröffentlicht worden. Die vorliegende Übersicht beschränkt sich auf die Histopa­thologie bei Lupusnephritis unter beson­derer Berücksichtigung der Differenzial­diagnose und der klinischen Implikation histopathologischer Merkmale der Lupus­nephritis. Die Nephritis bei Lupus erythe­matodes ist vornehmlich eine Erkrankung des Glomerulus, kann jedoch auch prä­glomeruläre und postglomeruläre Gefäße und das Tubulointerstitium betreffen.

Morphologie der Lupusglomerulonephritis

Die Lupusglomerulonephritis kann alle bekannten Formen der glomerulären Er­krankungen imitieren und im Verlauf der Erkrankung in wechselnden Formen der Glomerulonephritis auftreten. Die Grün­de für diese Änderung der Glomerulo­nephritisform sind unklar. Nur etwa ein Drittel der Patienten, bei denen in einer ersten Biopsie eine fokale oder generali­sierte schwere Lupusglomerulone phritis vorliegt, weist 6 Monate später in einer Zweitbiopsie die gleiche Glomerulone­phritis auf. Die Patienten können in eine mildere oder schwerere Glomerulone­phritisform wechseln. Dieses Phänomen erschwert eine klinisch relevante histo­pathologische Lupusklassifikation. Von der Renal Pathology Society (RPS) und der International Society of Nepohrology (ISN) ist 2003 eine autorisierte Lupusklas­

sifikation erstellt worden [11]. Es werden 6 unterschiedliche Glomerulonephritisfor­men definiert:FIn Klasse I finden sich minimale mes­

angiale Lupusglomerulonephritiden, die lichtmikroskopisch durch norma­le Glomeruli und immunhistologisch durch geringe mesangiale Immun­deposite charakterisiert sind. In der Transmissionselektronenmikroskopie können fast ausschließlich mesangiale Immundepots beobachtet werden.

FIn Klasse II handelt es sich um eine mesangioproliferative Lupusglomerulo­nephritis, die durch eine mesangiale Hyperzellularität (>3 Zellen pro mes­angialem Feld) und/oder eine mes­angiale Matrixvermehrung gekenn­zeichnet ist, mit Immundepositen, die überwiegend mesangial, vereinzelt je­doch auch subepithelial oder/und su­bendothelial im Verlauf der glomeru­lären Basalmembran in der Immun­histologie und in der Elektronenmi­kroskpie zu finden sind.

FIn die Klasse III wird die fokale Lupus­glomerulonephritis eingeordnet, die in weniger als 50% der erfassten Glo­meruli segmental subendotheliale Im­mundeposite aufweist, mit oder ohne segmentale oder diffuse mesangiale Zell­ und Matrixvermehrung. Es wer­den bei dieser Form der Lupusglome­rulonephritis aktive und chronische Läsionen unterschieden. Unter akti­ven Läsionen (abgekürzt als A) ver­steht man entweder eine endokapil­läre Hyperzellularität mit dem Endo­

thel adhärenten Monozyten, eine Ka­ryorrhexis (apoptotischer Zellunter­gang), erkennbar an sog. Hämatoxy­linkörperchen, oder eine fibrinoide Nekrose mit Ruptur der glomerulä­ren Basalmembran und fibrinoid­ne­krotischem Material aus den zugrun­de gegangenen mesangialen und en­dothelialen Zellen. Diese Nekrosen können mit zellulären oder fibrozel­lulären extrakapillär gelegenen Proli­feraten einhergehen. Vielfach sind bei aktiven Läsionen auch die subendo­thelialen Immundeposite so stark ausgeprägt, dass sie lichtmikrosko­pisch als Drahtschlingen (sog. „ wire loops“) imponieren. Zudem kann bei dieser Form der Glomerulone­phritis ein Verschluss der Kapillaren durch Immundeposite, die wie hya­line Thromben in Erscheinung tre­ten, gesehen werden. Chronische Lä­sionen (mit C abgekürzt) sind bei die­ser Form der Lupusglomerulonephri­tis entweder segmentale oder globale Vernarbungen der Glomeruli.

FIn der Klasse IV sind sog. diffuse seg­mentale oder globale Lupusglomerulo­nephritiden eingeordnet; die typi­schen histopathologischen Verände­rungen erfassen mehr als 50% der angeschnittenen Glomeruli in einer Biopsie. Wenn mehr als die Hälfte der Glomeruli segmentale Veränderun­gen aufweisen, liegt die Unterklasse IV­S vor, und wenn in mehr als 50% globale Veränderungen gesehen wer­den, wird dies als diffuse globale Glo­

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merulonephritis (IV­G) eingeordnet. In den betroffenen glomerulären Strukturen finden sich bei aktiven und chronischen Läsionen Verände­rungen, wie sie bereits für die Klasse III beschrieben wurden.

FIn der Klasse V wird die membranöse Lupusglomerulonephritis beschrieben, die lichtmikroskopisch und immun­histologisch wie eine membranöse Glomerulonephritis imponiert und sich ultrastrukturell von anderen membranösen Glomerulonephriti­den dadurch unterscheidet, dass viel­fach einzelne kleine subendotheliale Depots beobachtet werden und En­dothelien in unbehandelten Patienten tubuloretikuläre Strukturen aufwei­

sen. Diese Klasse V der membranö­sen Lupusglomerulonephritis kann in Kombination mit der Klasse III oder der Klasse IV der Lupusglomerulo­nephritis auftreten.

FDie Klasse VI der Lupusglomerulone­phritis ist in der Biopsie eine sehr sel­tene Lupusglomerulonephritis, da sie definitionsgemäß ein „End­stage“­Resultat der Lupusglomerulonephri­tis charakterisiert, mit mehr als 90% der Glomeruli, die global vernarbt sind, ohne immunhistologische und ultrastrukturelle Aktivitätszeichen (.Abb. 1, 2, 3).

In .Tab. 1  ist diese Lupusglomerulo­nephritisklassifikation noch einmal zu­

sammengefasst. Es gibt Lupusnephritis­patienten, die durch diese Klassifika­tion nicht erfasst werden. Eine „mini­mal­change lupus glomerulopathy“ oder glomeruläre Minimalveränderungen bei Lupus nephritis liegen in etwa 7,5% aller Lupusnephritisfälle im Kindesalter und in etwa 3,5% aller adulten Lupusglomerulo­nephritiden vor. Sie können serologisch inaktiv sein und auch dem klinischen Bild einer Lupusnephritis vorausgehen. In ei­nigen Übersichtsarbeiten wird diese Er­krankung auch als Lupuspodozytopathie bezeichnet.

Es erscheint wichtig, darauf hinzuwei­sen, dass die geschilderte Klassifikation der Lupusnephritis zwar international ak­zeptiert wird, jedoch nicht auf einer un­voreingenommenen Evaluation morpho­logischer Läsionen in einer Kohorte von Lupuspatienten beruht, die für eine defi­nierte Periode unter Einschluss relevanter klinischer Daten beobachtet wurde [5, 9].

Allein durch eine retrospektive oder prospektive Studie ist es möglich, eindeu­tige histopathologische Parameter zu defi­nieren, die mit einem Ansprechen auf eine bestimmte Therapie und mit der Progno­se für die Niere und das Überleben der Patienten korreliert werden können. Die Praktikabilität eines solchen Ansatzes ist vor Kurzem bei der IgA­Nephritis durch die sog. Oxford­Klassifikation aus dem Jahr 2009 belegt worden. In der Oxford­Klassifikationsstudie wurden histopatho­logische Parameter erstellt, die mit einem zu erwartenden Verlust der renalen exkre­torischen Funktion und dem Überleben der Patienten korreliert werden können. Aufgrund dieser Überlegungen ist die An­gabe eines glomerulären Aktivitäts­ und eines tubulointerstititellen Chronizitäts­index zusätzlich zur Eingruppierung des renalen Befunds in eine Klasse hilfreich.

Der glomeruläre Aktivitätsindex schließt endokapilläre Hyperzellularität, Leukozyteninfiltration, subendotheliale Deposite, fibrinoide Nekrosen, extrazellu­läre Proliferation und die Ausbildung von hyalinthrombenähnlichen intrakapillären Immundepots ein. Jeder der aufgeführ­ten Parameter wird mit einem Wert von 0 bis 3 versehen, und fibrinoide Nekrosen und extrakapilläre Zellproliferate werden 2­fach gewertet. Der maximale Aktivitäts­index beträgt somit 24; es ergibt sich ein

Abb. 1 8 Lichtmikroskopische Befunde bei Lupusglomerulonephritis: a minimale mesangiale Lupus-glomerulonephritis (Klasse I); b mesangioproliferative Lupusglomerulonephritis (Klasse II); c  fokale  Lupusglomerulonephritis mit segmentaler Nekrose und extrakapillärer Proliferation (Klasse III-A);  d diffuse globale Lupusglomerulonephritis Klasse IV-G mit ausgeprägter intrakapillärer und mesan-gialer Zellvermehrung mit Drahtschlingen als Zeichen subendothelialer Deposite; e  membranöse  Lupusglomerulonephritis (Klasse V); f fast vollständig vernarbter Glomerulus mit extrakapillärer  fibrozellulärer Reaktion bei Lupusnephritis der Klasse VI

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gut reproduzierbarer Score über die Akti­vität der glomerulären Erkrankung zum Zeitpunkt der Biopsie.

In diesem Zusammenhang ist die Be­deutung glomerulärer Nekrosen hervor­zuheben. Sie sind nicht selten assoziiert mit dem Nachweis antineutrophiler zyto­plasmatischer Antikörper (ANCA; [8]); 40% aller Lupuspatienten haben Antikör­per, die meist als pANCA definiert wer­den, und etwa 0–6% aller Lupuspa tienten haben Antikörper, die als cANCA be­stimmt werden.

Die Antikörper können gegen ver­schiedene Leukozytenantigene (Myelo­peroxidase, Lactoferrin, bakterizides per­meabilitätserhöhendes Protein, Lysozym, Azurocidin, Elastase oder Cathepsin G) gerichtet sein [10]. In einer Studie zeigten 20 von 59 Patienten einen pANCA­Wert und 50% dieser Patienten eine Reaktivi­tät gegen Myeloperoxidase. Diese Akti­vität konnte mit extrakapillärer Prolife­ration korreliert werden. In 6 von 13 Stu­dien konnte eine Korrelation zwischen Erkrankungsaktivität und Wiederauftre­ten der Symptomatik und dem Nachweis dieser Antikörper belegt werden. In eini­gen Übersichtspublikationen wird diese Gruppe von Lupuspatienten als eine Pa­tientenkohorte mit 2 unabhängigen Er­krankungen (Lupus­Immunkomplex­Glomerulonephritis und nekrotisierende, sog. Pauci­Immunkomplex­Glomerulo­nephritis) geführt.

Wenn man jedoch die Vielfalt der Anti­körper gegen nukleäre, zytoplasmatische und Membranantigene bei Lupuspatien­ten berücksichtigt, ist es wahrscheinlich, dass nicht 2 Erkrankungen, sondern eine schwere Verlaufsform der Lupusnephritis vorliegt. Diese Argumentation wird da­durch gestärkt, dass pANCA­positive Lu­puspatienten eine erhöhte Inzidenz einer Karditis und schweren Arthritis sowie eine Beteiligung des peripheren und zen­tralen Nervensystems zeigen. Ein weiteres – unabhängig von der Klassifikation der Lupusnephritis – zu beachtendes histopa­thologisches Zeichen, das über die Akti­vität der Erkrankung weitere Aufschlüsse gibt, sind die sog. tubuloretikulären Struk­turen oder Inklusionskörperchen in glo­merulären Endothelien bei unbehandelter Lupusglomerulonephritis. Tubuloretiku­läre Strukturen sind netzartig miteinan­

der verwobene tubuläre Strukturen, die wahrscheinlich aus einer Kondensation des gestressten endoplasmatischen Reti­kulums hervorgehen. Schon seit Länge­rem sind diese Strukturen in Lymphozy­ten von Patienten mit systemischer Im­mundysfunktion beschrieben worden; sie sind wahrscheinlich durch sehr hohe, zu endoplasmatischem Retikulumstress füh­rende Interferonkonzentrationen bedingt. Man nimmt zusätzlich an, dass bei Lupus erythematodes im glomerulären Endothel hohe Konzentrationen von Interferon und assoziierten Zytokinen zu einer Aktivie­rung des Endothels mit Expression von Adhäsionsmolekülen führen.

Tubuloretikuläre Strukturen sind je­doch nicht pathognomonisch für eine Lupusglomerulonephritis und können bei Patienten mit HIV­Infektion und mit primärer fokal­segmentaler Glomerulo­sklerose gesehen werden; trotzdem stel­len sie einen wichtigen Hinweis auf eine Lupusglomerulonephritis dar, insbeson­dere wenn serologische und klinische Zei­chen keine eindeutige Diagnose eines Lu­pus ery thematodes ergeben. Die Bedeu­tung der Ultrastruktur bei der Diagnose einer Lupusglomerulonephritis kann für ein weiteres diagnostisches Merkmal ge­zeigt werden: In der Elektronenmikro­skopie können eindeutig subepitheliale,

Zusammenfassung · Abstract

Nephrologe 2013 · 8:474–482   DOI 10.1007/s11560-012-0724-x© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

E.F. Gröne · H.-J. GröneRenaler Lupus erythematodes. Histopathologische Diagnose und Differenzialdiagnose

ZusammenfassungDieser Artikel beschreibt die histopathologi-schen Veränderungen bei Lupusglomerulo-nephritis unter Einschluss von Differenzialdia-gnosen. Die Lupusnephritis ist hauptsächlich eine Erkrankung des Glomerulus; prä- und postglomeruläre Gefäße und das Intersti-tium können betroffen sein. Gemeinsam mit einer intensiven klinischen und serologischen Untersuchung kann mit Hilfe der Kombina-tion aus lichtmikroskopischen, immunhisto-logischen und elektronenmikroskopischen Untersuchungen die Diagnose einer Lupus-nephritis gestellt werden. Die Angabe einer international anerkannten Klassifikation der Lupusnephritis sowie die Angabe des glome-rulären Aktivitätsindex und des tubulointer-

stitiellen Chronizitätsindex sind hilfreich bei der Abschätzung der Therapie und  Prognose. Ein semiquantitativer Score der interstitiel-len Fibrose und der tubulären Atrophie ist ein verlässlicher prognostischer Parameter. Die Differenzialdiagnose der Lupusglomerulo-nephritis schließt Patienten mit thromboti-scher Mikroangiopathie, HIV-Infektion, mem-branoproliferativer Glomerulonephritis und IgA-Nephritis ein.

SchlüsselwörterLupusnephritis · „Full-house pattern“ · Tubuloretikuläre Strukturen · Glomerulärer Aktivitätsindex · Tubulointerstitieller Chronizitätsindex

Renal lupus nephritis. Histopathological diagnosis and differential diagnosis

AbstractThis article describes important histopatho-logic findings in lupus nephritis including dif-ferential diagnosis. Lupus nephritis is main-ly a disease of the glomerulus; although pre-glomerular and postglomerular vasculature as well as the tubulointerstitium may be in-volved. Using light microscopy, immunohis-tology, and electron microscopy techniques in combination with intensive clinical exam-ination including serology will lead to the di-agnosis of lupus nephritis. An internationally accepted classification of lupus nephritis, the glomerular activity index, and the tubuloint-erstitial chronicity index are helpful in deter-

mining treatment strategies and prognosis. A semiquantitative score of interstitial fibro-sis and tubular atrophy are reliable prognos-tic parameters. Differential diagnosis of lupus glomerulonephritis includes patients with thrombotic microangiopathy, HIV infection, membranoproliferative glomerulonephritis, and IgA nephritis.

KeywordsLupus nephritis · Full-house pattern · Tubuloreticular structures · Glomerular activity index · Tubulointerstitial chronicity index

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intramembranöse und subendotheliale Immundepots voneinander unterschie­den werden. Eine retrospektive Studie der Yale­Universität hat an einem großen Pa­tientenkollektiv gezeigt, dass subendothe­liale Depots mit einer schlechten Progno­se der Erkrankung korreliert werden kön­nen [3].

»  Tubuloretikuläre Strukturen sind nicht pathognomonisch für eine Lupusglomerulonephritis

Unabhängig von möglichen Wechseln in der Klassifikation und den hier zusätzlich zur Abschätzung der Erkrankungsaktivi­tät herangezogenen Parametern ist eine Eingruppierung von Patienten in die Klas­se III und die Klasse IV­G mit gleichzei­tig vorhandenen glomerulären Nekrosen stets ein schlechtes prognostisches Zei­chen für den Verlauf der exkretorischen Nierenfunktion sowie die Chance einer dauerhaften Remission und des Verhin­derns einer „end­stage renal disease“ [7].

In der Literatur ist mehrfach berichtet worden, dass ein Algorithmus aus klini­schen und serologischen Parametern ver­lässlich Therapieoptionen, Therapiean­sprechbarkeit und die renale Prognose der Patienten ohne histopathologische Diag­nose angeben kann [4]. Die Histopatho­logie der Lupusnephritis stellt jedoch – im Unterschied zu serologischen Markern – ein Integral verschiedener humoraler und zellulärer immunologischer Einwirkun­gen auf die Niere dar; eine umfassende Biopsiediagnostik ist somit wahrschein­lich weiterhin ein wertvoller informati­ver Beitrag zur sicheren Diagnose und zur Aktivitätsbestimmung der Lupusglo­merulonephritis. Diese kontroverse Dis­kussion kann jedoch erst nach Durchfüh­rung einer unvoreingenommenen retro­spektiven oder prospektiven histopatho­logischen Analyse in Korrelation zu klini­schen Daten gelöst werden.

Der tubulointerstitielle Chronizitäts­index ist ein unumstrittener Indikator für das Therapieansprechen und die Progno­se einer renalen Lupuserkrankung. Der tubulointerstitielle Chronizitätsindex gibt einen semiquantitativen Wert der tubulä­ren Atrophie und der interstitiellen Fibro­se mit einem maximalen Wert von 6, wo­

Abb. 2 8 Immunhistologische Befunde bei Lupusglomerulonephritis: a geringgradige  mesangiale Immunglobulin-G-Positivität bei mesangioproliferativer Glomerulonephritis; b  mesangioproliferative Lupusglomerulonephritis mit Positivität des Mesangiums für Komplementfaktor C3, Positivität für C3 entlang tubulärer Basalmembranen als Zeichen der Beteiligung des Tubulointerstitiums bei der  Immunkomplexerkrankung der Lupusnephritis; c,d ausgeprägte Komplementfaktor-C3-Positivität bei diffuser globaler Lupusglomerulonephritis; e Fibrinpositivität bei segmentaler Nekrose,  kappenförmig im Bowman-Kapselraum; f granuläre Positivität für Komplementfaktor C1q entlang glomerulärer  Basalmembranen bei membranöser Lupusglomerulonephritis

Abb. 3 8 Transmissionselektronenmikroskopie bei Lupusglomerulonephritis: a typische tubuloreti-kuläre Struktur des glomerulären Endothels als wichtiges Merkmal einer aktiven, nichtbehandelten  Lupusglomerulonephritis; b subepitheliale, intramembranöse und subendotheliale Immundepots bei diffuser Lupusglomerulonephritis

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bei die tubuläre Atrophie und die inter­stitielle Fibrose jeweils von 0–3 eingestuft werden. Der Index spiegelt die Assozia­tion wider zwischen dem Ausmaß der tu­bulären Atrophie und der interstitiellen Fibrose auf der einen Seite und dem Ab­fall der glomerulären Filtrationsrate auf der anderen Seite. A. Bohle hat bereits vor mehr als 3 Jahrzehnten diese enge Korre­lation zwischen chronischen tubulointer­stitiellen Läsionen und exkretorischer

Nierenfunktion gesehen [1]. Es ist unge­klärt, ob eine morphometrische Quan­tifizierung der tubulären Atrophie und der interstitiellen Fibrose den prädiktiven Wert dieses tubulointerstitiellen Chroni­zitätsindex noch erhöhen kann.

Die interstitiellen entzündlichen Fil­trate, die häufig bei Lupusnephritis be­schrieben werden, sind bisher weder in eine Klassifikation noch in einen Index integriert worden.

Die Anzahl glomerulärer und tubulo­interstitieller Monozyten/Makrophagen konnte positiv mit dem Abfall des Serum­kreatinins korreliert werden. Diese Studie bedarf jedoch einer Überprüfung.

Eine granuläre Ablagerung des Kom­plementfaktors C3 entlang der tubulären Basalmembranen kann manchmal beob­achtet werden, gepaart mit einer Positivi­tät der intertubulären Kapillarmembra­nen. Diese immunhistologischen Befun­de zeigen, dass die Lupusnephritis nicht allein eine Erkrankung des Glomerulus, sondern auch primär des Tubulointer­stitiums ist. In sehr seltenen Fällen ist eine tubulointerstitielle immunkomplex­mediierte Entzündung die alleinige renale Manifestation eines Lupus erythemato­des.

Vaskuläre Erkrankungen bei Lupus erythematodes

Es sind verschiedene Formen vaskulärer Erkrankungen bei Lupusnephritis be­schrieben worden. Eine Form ist die Ab­lagerung von Immunglobulinen und akti­vierten Komplementfaktoren in Arterio­len, Arterien und Venen, die mit einer re­lativ guten Prognose assoziiert ist. Eine zweite Form ist eine azelluläre fibrinoide nekrotisierende Vaskulopathie mit einer ausgeprägten Ablagerung von Immunde­positen einschließlich aktivierter Komple­mentfaktoren in Arterien und Arteriolen mit einer schlechten renalen Prognose.

Die dritte Form der Lupusvaskulopa­thie ist die thrombotische Mikroangiopa­thie von kleinen muskelstarken Arteriolen und Arterien, zu deren Prognose kei­ne verlässlichen Studien existieren. Die thrombotische Mikroangiopathie ist cha­rakteristiert durch die lumenverschlie­ßende Ausbildung sog. hyaliner Throm­ben, die im Unterschied zu anderen Thromben ausschließlich aus Fibrin und Thrombozyten mit fragmentierten Ery­throzyten im Randbereich der Thrombo­sen bestehen. Bei diesen Patienten können Antikörper entweder allein gegen anioni­sche Phospholipide oder gegen Komplexe von Phospholipiden und phospholipid­bindenden Proteinen gerichtet sein. Diese Antikörper sind reaktiv mit Beta­2­Gly­koprotein [β(2)­GPI], ein 50­kD­Glyko­protein, das im Plasma mit C3­bindender

Tab. 1  Klassifikation der Lupusglomerulonephritis

Klasse I Minimale mesangiale Lupusglomerulonephritisnormale Glomeruli in der Lichtmikroskopie; Immundeposite in der  Immunfluoreszenz und/oder in der Elektronenmikroskopie

Klasse II Mesangioproliferative Lupusglomerulonephritismesangiale Hyperzellularität wechselnden Ausmaßes mit  Immundepositen überwiegend mesangial, vereinzelt subepithelial oder subendothelial in der Immunhistologie oder Transmissionselektronenmikroskopie

Klasse III Fokale Lupusglomerulonephritis<50% der erfassten Glomeruli betroffen durch eine endo- oder extra kapilläre Proliferation mit segmentalen subendothelialen  Immundepositen; mesangiale Proliferation nicht zwingend notwendig

III (A) Ausschließlich aktive Läsionen

III (A/C) Aktive und chronische Läsionen

III (C) Chronische Läsionen

Klasse IV Diffuse segmentale (IV-S) oder globale (IV-G) Lupusglomerulonephritis>50% erfasster Glomeruli betroffen; segmental (S), wenn >50% der Glo-meruli nur segmentale Läsionen haben, und global (G), wenn >50% der betroffenen Glomeruli eine globale Beteiligung aufweisen; im Übrigen entsprechen der lichtmikroskopische und der transmissionselektronen-mikroskopische Befund der Klasse III

IV (A) Aktive Läsionen

IV (A/C) Aktive und chronische Läsionen

IV (C) Chronische Läsionen

Klasse V Membranöse Lupusglomerulonephritiszahlreiche subepitheliale Immundeposite in der Immunhistologie und in der Transmissionselektronenmikroskopie; diese Läsion kann gemeinsam mit Klasse III und Klasse IV auftreten

Klasse VI Fortgeschrittene sklerotische Lupusglomerulonephritis>90% der erfassten Glomeruli sind global vernarbt, ohne immunhisto-logische und transmissionselektronenmikroskopische Aktivitätszeichen

Aktive Läsionen 1. endokapilläre Hyperzellularität; 2. Apoptosen, Hämatoxylinkörperchen; 3. fibrinoide Nekrose mit Ruptur glomerulärer Basalmembranen; 4. extrakapilläre Zellproliferate mit oder ohne Matrixbildung; 5. subendotheliale Deposite in der Lichtmikroskopie in Form sog. Drahtschlingen („wire loops“); 6. intraluminale Immunaggregate hyalinthrombenähnlich; chronische Läsionen glomeruläre Sklerose (segmental oder glo-bal). Glomerulärer Aktivitätsindex (0–24): endokapilläre Hyperzellularität 0–3, Leukozyteninfiltration 0–3, subendotheliale hyaline Deposite 0–3, fibrinoide Nekrosen/Karyorrhexis 0–3×2, zelluläre Halbmondbildung 0–3×2, hyaline Thromben 0–3. Tubulointerstitieller Chronizitätsindex (0–6): Tubulusatrophie 0–3, inter-stitielle Fibrose 0–3.

Tab. 2  Differenzialdiagnose der Lupusnephritis

1. Thrombotische Mikroangiopathie

2. Lupoide Immunkomplexglomerulonephritis bei HIV-Infektion

3. Membranoproliferative Glomerulonephritis

4. IgA-Nephritis

5. Fibrilläre Glomerulonephritis

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Leitthema

Page 8: Renaler Lupus erythematodes; Renal lupus nephritis;

Aktivität gefunden wird; in seiner langen Form katalysiert es die Verbindung von Faktor H zu einem β(2)­GPI/C3­Kom­plex und inhibiert die Aggregation von Thrombozyten. In vitro allerdings bindet β(2)­GPI anionisches Phospholipid und verhindert dadurch eine intrinsische Ko­agulationskaskade; dies stellt die Grundla­ge des Lupusantikoagulants dar. Der Me­chanismus der venösen und arteriellen Thromben, die durch Antiphospholipi­dantikörper induziert werden, hängt we­sentlich von einer schweren Funktionsstö­rung des mikrovaskulären Endothels ab. Durch die endotheliale Expression des Gewebefaktors („tissue factor“) wird die Thrombogenizität dieser Antikörper sig­nifikant gesteigert. In den Glomeruli wer­den die hyalinen Thromben nach dem akuten Ereignis der Gerinnung organi­siert; das Reparationsstadium einer glo­merulären thrombotischen Mikroangio­pathie führt zu einem glomerulären Bild, das von einer vernarbenden membrano­proliferativen Glomerulonephritis nur schwer getrennt werden kann. In den Ar­teriolen und kleinen Arterien wird das hya line Thrombenmaterial durch ein fi­brosierendes Granulationsgewebe ersetzt, das sich in Form von konzentrisch ange­ordneten subendothelial gelegenen Myo­fibroblasten, eingebettet in fester kollage­ner Matrix, darstellt. Kleine Arterien und Arteriolen werden massiv eingeengt. Die­se sog. primäre maligne Nephrosklerose führt zu einer ausgeprägten Aktivierung des Renin­Angiotensin­Systems mit kon­sekutiver maligner Hypertonie. Aus die­sem Grund ist die thrombotische Mikro­angiopathie bei Lupus erythematodes mit einem hohen Risiko schwerer arterieller Hypertonie und einem unaufhaltsamen Verlust der exkretorischen Nierenfunk­tion, assoziiert mit ausgeprägter tubulo­interstitieller Fibrose, verbunden.Die vierte Form der vaskulären Erkran­kung bei Lupus erythematodes ist die transmurale nekrotisierende hyperzellu­läre Vaskulitits kleiner Arterien und Ar­teriolen mit Infiltration der nekrotischen Gefäßwand durch Monzyten, Lymphozy­ten und neutrophile Granulozyten.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass ANCA und antiendotheliale Antikörper eine ent­scheidende pathophysiologische Rolle spielen; zudem können Anti­Doppel­

strang­DNA­Antikörper auch eine anti­endotheliale Aktivität besitzen. Bei Lu­pusglomerulonephritis wird häufig eine nichtentzündliche degenerative Gefäß­veränderung, die Nephrosklerose, gese­hen. Selbst bei jungen weiblichen Lupus­erythematodes­Patienten mit Lupusne­phritis kann eine lumeneinengende Ne­phrosklerose vorliegen. Es wird ange­nommen, dass dieser chronisch degene­rative fibrosierende Gefäßprozess durch einen chronischen humoralen immuno­logischen Prozess mit antiendothelialen und Anti­Lipoprotein­Antikörpern ver­ursacht wird; eventuell spielt jedoch auch eine lang dauernde Steroidgabe im Sinne einer Steroidvaskulopathie eine Rolle.

Differenzialdiagnose der Lupusglomerulonephritis

Die Differenzialdiagnose der Lupusglo­merulonephritis umfasst neben einer von der Lupusnephritis unabhängig verlau­fenden thrombotischen Mikroangiopa­thie HIV­assoziierte lupoide Glomerulo­nephritiden, die interferoninduzierte lupusähnliche Glomerulonephritis, die idio pathische membranoproliferative Glomerulonephritis, die IgA­Nephritis und die fibrilläre Glomerulopathie (sie­he .Tab. 2).

Die HIV­induzierte lupoide Glomeru­lonephritis kann bei Patienten mit nicht ausreichend behandelter HIV­Infektion beobachtet werden [2]. Es handelt sich meist um membranoproliferative Glo­merulonephritiden, die wie die Lupusne­phritis immunhistologisch ein sog. „full house pattern“ zeigen. Das „full house pattern“ kennzeichnet ein immunhisto­logisches Phänomen, in dem alle getes­teten Immunglobuline, Komplementfak­toren und Fibrin glomerulär positiv sind. Zudem können sich elektronenmikrosko­pisch tubuloretikuläre Strukturen im En­dothel darstellen lassen. Serologisch fin­den sich keine typischen Lupusserologie­marker, jedoch ist auch eine Koinzidenz von HIV­Infektion und Lupusglomeru­lonephritis beschrieben worden [6]. Der Nachweis von tubuloretikulären Struktu­ren in Podozyten und tubulärem Epithel kann helfen, diese Erkrankung von einer Lupusglomerulonephritis zu trennen.

Unter Therapie der HIV­Infektion kann eine Regression der Glomerulone­phritis beobachtet werden.

Sowohl akute als auch chronische Interferongabe (α­ oder β­Interferone) kann zu einer Glomerulonephritis füh­ren, die lichtmikroskopisch, immunhis­tologisch („full house pattern“) und elek­tronenmikroskopisch einer Lupusglome­rulonephritis vom Typ der fokalen oder diffusen Lupusglomerulonephritis täu­schend ähnlich sieht. Serologische Para­meter für einen Lupus erythematodes feh­len, und der Bezug zur Therapie hilft, die Differenzialdiagnose rasch zu klären.

Bei Patienten mit IgA­Nephritis, die kein „full house pattern“ aufweisen und eine akzentuierte Positivität der Immun­deposite für IgA und C3 sowie eine nur geringe Aktivität für IgG zeigen, kann sich die Erkrankung im Verlauf in Einzelfällen als Lupusglomerulonephritis entpuppen. Häufig findet man in diesen Fällen jedoch schon in der Erstbiopsie ultrastrukturelle Charakteristika der Lupusnephritis (z. B. tubuloretikuläre Strukturen) und kleine subendotheliale Depots in einzelnen glo­merulären Segmenten. Ausgeprägt ent­zündlich verlaufende floride membrano­proliferative Glomerulonephritiden mit Positivität der Glomeruli für IgA, IgG, IgM, Komplementfaktor C1q, Komple­mentfaktor C3 und Fibrin mit variablen Depositen, die subepithelial, segmental intramembranös und subendothelial ge­legen sein können, sind manchmal schwer von einer Lupusnephritis zu trennen, ins­besondere wenn „rudimentäre“ tubulo­retikuläre Strukturen gefunden werden. Hier kann nur die enge Korrelation von Morphologie und klinisch serologischen Befunden eine Klärung herbeiführen.

Die fibrilläre Glomerulopathie kann lichtmikroskopisch und immunhistolo­gisch einer Lupusglomerulonephritis vom Typ der fokalen oder diffusen Lupusglo­merulonephritis täuschend ähnlich sehen. Allein durch die ultrastrukturelle Unter­suchung mit dem Nachweis von Fibrillen mit einem Durchmesser über 10 nm ge­lingt die korrekte Zuordnung dieser glo­merulären Entität.

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Fazit für die Praxis

FDie histopathologische Diagnose einer Lupusnephritis erfordert eine kombinierte Durchführung von Licht-mikroskopie, Immunhistologie und Transmissionselektronenmikroskopie.

FNeben einer international akzeptier-ten Klassifikation der  Lupusnephritis ist die Angabe eines glomerulären Ak-tivitätsindex und eines tubulointer-stitiellen Chronizitätsindex zur Ab-schätzung des Therapieansprechens und der Prognose äußerst hilfreich.

FEin semiquantitativer Score der inter-stitiellen Fibrose und der tubulären Atrophie stellt einen verlässlichen Prognoseparameter dar.

FDie Differenzialdiagnose der Lupus-glomerulonephritis schließt Patien-ten mit thrombotischer Mikroangio-pathie, HIV-Infektion und membrano-proliferativer Glomerulonephritis und IgA-Nephritis ein.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. H.-J. GröneAbteilung Zelluläre und Molekulare Pathologie, Deutsches Krebsforschungs-zentrum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 280, 69120 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  H.-J. Gröne und E.F. Gröne geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Bohle A, Gärtner HV, Krück F, Laberke HG (1984) Die Niere. Struktur und Funktion. Schattauer, Stutt-gart NewYork

  2.  Chang BG, Markowitz GS, Seshan SV et al (1999) Renal manifestations of concurrent systemic lupus erythematosus and HIV infection. Am J Kidney Dis 33:441–449

  3.  Esdaile JM, Levinton C, Federgreen W et al (1989) The clinical and renal biopsy predictors of long-term outcome in lupus nephritis: a study of 87 patients and review of the literature. Q J Med 72:779–833

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  6.  Haas M, Kaul S, Eustace JA (2005) HIV-associated immune complex glomerulonephritis with „lupus-like“ features: a clinicopathologic study of 14 ca-ses. Kidney Int 67:1381–1390

  7.  Hill GS, Delahousse M, Nochy D, Bariety J (2005) Class IV-S versus class IV-G lupus nephritis: clinical and morphologic differences suggesting different pathogenesis. Kidney Int 68:2288–2297

  8.  Nasr SH, D’Agati VD, Park HR et al (2008) Necroti-zing and crescentic lupus nephritis with antineu-trophil cytoplasmic antibody seropositivity. Clin J Am Soc Nephrol 3:682–690

  9.  Schwartz MM, Lan SP, Bernstein J et al (1993) Irre-producibility of the activity and chronicity indices limits their utility in the management of lupus ne-phritis. Lupus Nephritis Collaborative Study Group. Am J Kidney Dis 21:374–377

10.  Sen D, Isenberg DA (2003) Antineutrophil cyto-plasmic autoantibodies in systemic lupus erythe-matosus. Lupus 12:651–658

11.  Weening JJ, D’Agati VD, Schwartz MM et al (2004) The classification of glomerulonephritis in sys-temic lupus erythematosus revisited. Kidney Int 65:521–530

Neues Verfahren zur Nieren-steinentfernung

Ärzte des Universitätsklinikums Freiburg 

haben ein neues Verfahren zur Nierenstein-

entfernung durchgeführt. Dieses wurde 

speziell zur schonenden Therapie größerer 

Nierensteine entwickelt. 

Große Nierensteine werden üblicherweise 

mit der Perkutanen Nephrolithotomie 

(PCNL) entfernt. Das neue Verfahren 

kommt mit deutlich verkleinerten Instru-

menten aus. Bei gleichem Grundprinzip 

konnte die Kreisfläche des Hautdurchtritts 

für den notwendigen Kanal zur Niere auf 

ein Zehntel reduziert werden. Die Opera-

tion kann jetzt wesentlich schonender für 

den Patienten durchgeführt werden. „Das 

sehr dünne Laser-Nephroskop-System 

ermöglicht nicht nur eine einfache und 

präzise Punktion der Niere, auch der Blut-

verlust und die Verletzung des umliegen-

den Gewebes sind deutlich niedriger als 

bei anderen Systemen“, erklärt Dr. Martin 

Schönthaler, Oberarzt in der Abteilung Uro-

logie des Universitätsklinikums Freiburg. 

„Eine massive Aufdehnung des Gewebes 

wie bei den bisherigen Verfahren ist nicht 

notwendig. In der Folge kann am Ende der 

Operation auf die Einlage einer Drainage 

verzichtet werden.“ Trotz des kleinen 

Durchmessers der Instrumente können 

auch größere Nierensteine (bis zu 2 cm) 

vollständig entfernt werden. 

„Für den Patienten hat die „Ultra-Mini-

PCNL“ den Vorteil, dass er sich schneller 

von der Operation erholt und wegen der 

hohen Entfernungsrate meist keine zweite 

Behandlung notwendig ist“, so Schönthaler. 

Der Krankenhausaufenthalt wird kürzer 

und nach dem Eingriff ist eine Narbe kaum 

mehr sichtbar.

Quelle: Universitätsklinikum Freiburg,

www.uniklinik-freiburg.de

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