regelbasiertes testen an hil-prüfständen · regelbasiertes testen stellt eine fortschrittliche...

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36 AUTOMOBIL-ELEKTRONIK August 2009 Regelbasiertes Testen an HiL-Prüfständen Mit der zunehmenden Anzahl an verteilten Funktionen im Automobil steigt der Bedarf an neuen Qualitätsabsicherungsmaßnahmen. Regelbasiertes Testen stellt eine fortschrittliche Methode zur FRÜHZEITIGEN ERKENNUNG VON FEHLERN in Steuergeräten dar. Ihr Einsatz minimiert die Anzahl der auftretenden Fehlfunktionen sowie Mängel beim Endkunden und gewährleistet eine hohe Qualität bei geringen Garantie- und Kulanzkosten (GuK). Damit eröffnet regelbasiertes Testen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten neue Chancen, Ausgaben zu senken und die Kunden- zufriedenheit sicherzustellen. Erste Prototypen für entsprechende Werkzeuge verdeutlichen das beachtliche Potenzial. D as Ziel einer Funktionsprüfung ei- nes Steuergeräteverbundes an ei- nem Integrations-HiL-Prüfstand besteht darin, das fehlerfreie Zusammen- spiel aller Steuergeräte in einem System möglichst umfassend zu prüfen und ab- zusichern. Dieser Integrationsgedanke erfordert einen gleichzeitigen Test meh- rerer verteilter Funktionen, um ihre feh- lerfreie Vernetzung sicherzustellen. Trotz dieses offensichtlichen Nutzenpotenzials hat sich die Methode bisher kaum oder nur unzureichend durchgesetzt. Derzeit kommen in vielen Bereichen der Automobilindustrie für die Testfallimple- mentierung an HiL-Prüfständen Skript- sprachen zur Testablaufsteuerung zum Einsatz. Diese Testskripte laufen sequen- tiell ab und validieren immer nur eine zu testende Funktion. Alle anderen Funk- tionen bleiben in diesem Testschritt au- ßen vor. In einem konkreten Fall hat ein System- ingenieur beim Test des Warnblinklichts eines PKWs zufällig beobachtet, dass die Blinker nicht synchron aufleuchten. Bis- her wurde geprüft, ob das Warnblinklicht bei Betätigung des entsprechenden Schalters oder in einer definierten Situa- tion angeht. Aus dem festgestellten Fehl- verhalten leitete der Tester ab, dass zu- künftig auch die Synchronität der Blink- lichter überprüft werden muss. Um nicht bei allen bestehenden Tests mit Blinker- einsatz eine Synchronitätsprüfung ein- zeln hinzuzufügen, ermittelten die Test- ingenieure Alternativen zur Skripterwei- terung. Das Ziel bestand darin, bei jeder Nutzung mehrerer Blinker die Synchro- nität im Hintergrund durch einen eigen- ständigen Test zu prüfen. Hieraus entstand die Methode des regel- basierten Testens, die allgemeine Bedin- gungen definiert, die ein System zu kei- ner Zeit verletzen darf. Die Überwachung dieser Regeln erfolgt kontinuierlich auf dem Testsystem in Echtzeit. Ergänzend lassen sich die speziellen Funktionen der Steuergeräte durch automatisierte Test- skripte oder manuelle Bedienung wie bisher prüfen. Diese Vorgehensweise er- möglicht eine deutliche Steigerung der Testüberdeckung. Methodische Grundlage Die Umsetzung des Konzepts bedarf einer Sprache, die mächtig genug ist, alle not- Alle Grafiken: Berner & Mattner TEST & SIMULATION

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Page 1: Regelbasiertes Testen an HiL-Prüfständen · Regelbasiertes Testen stellt eine fortschrittliche Methode zur FRÜHZEITIGEN ERKENNUNG VON FEHLERN in Steuergeräten dar. Ihr Einsatz

36 AUTOMOBIL-ELEKTRONIK � August 2009

Regelbasiertes Testen an HiL-Prüfständen Mit der zunehmenden Anzahl an verteilten Funktionen im Automobil steigt der Bedarf an neuen Qualitätsabsicherungsmaßnahmen. Regelbasiertes Testen stellt eine fortschrittliche Methode zur FRÜHZEITIGEN ERKENNUNG VON FEHLERN in Steuergeräten dar. Ihr Einsatz minimiert die Anzahl der auftretenden Fehlfunktionen sowie Mängel beim Endkunden und gewährleistet eine hohe Qualität bei geringen Garantie- und Kulanzkosten (GuK). Damit eröffnet regelbasiertes Testen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten neue Chancen, Ausgaben zu senken und die Kunden-zufriedenheit sicherzustellen. Erste Prototypen für entsprechende Werkzeuge verdeutlichen das beachtliche Potenzial.

D as Ziel einer Funktionsprüfung ei-nes Steuergeräteverbundes an ei-nem Integrations-HiL-Prüfstand

besteht darin, das fehlerfreie Zusammen-spiel aller Steuergeräte in einem System möglichst umfassend zu prüfen und ab-zusichern. Dieser Integrationsgedanke erfordert einen gleichzeitigen Test meh-rerer verteilter Funktionen, um ihre feh-lerfreie Vernetzung sicherzustellen. Trotz dieses offensichtlichen Nutzenpotenzials hat sich die Methode bisher kaum oder nur unzureichend durchgesetzt. Derzeit kommen in vielen Bereichen der Automobilindustrie für die Testfallimple-mentierung an HiL-Prüfständen Skript-sprachen zur Testablaufsteuerung zum Einsatz. Diese Testskripte laufen sequen-tiell ab und validieren immer nur eine zu

testende Funktion. Alle anderen Funk-tionen bleiben in diesem Testschritt au-ßen vor. In einem konkreten Fall hat ein System-ingenieur beim Test des Warnblinklichts eines PKWs zufällig beobachtet, dass die Blinker nicht synchron aufleuchten. Bis-her wurde geprüft, ob das Warnblinklicht bei Betätigung des entsprechenden Schalters oder in einer definierten Situa-tion angeht. Aus dem festgestellten Fehl-verhalten leitete der Tester ab, dass zu-künftig auch die Synchronität der Blink-lichter überprüft werden muss. Um nicht bei allen bestehenden Tests mit Blinker-einsatz eine Synchronitätsprüfung ein-zeln hinzuzufügen, ermittelten die Test-ingenieure Alternativen zur Skripterwei-terung. Das Ziel bestand darin, bei jeder

Nutzung mehrerer Blinker die Synchro-nität im Hintergrund durch einen eigen-ständigen Test zu prüfen. Hieraus entstand die Methode des regel-basierten Testens, die allgemeine Bedin-gungen definiert, die ein System zu kei-ner Zeit verletzen darf. Die Überwachung dieser Regeln erfolgt kontinuierlich auf dem Testsystem in Echtzeit. Ergänzend lassen sich die speziellen Funktionen der Steuergeräte durch automatisierte Test-skripte oder manuelle Bedienung wie bisher prüfen. Diese Vorgehensweise er-möglicht eine deutliche Steigerung der Testüberdeckung.

Methodische Grundlage Die Umsetzung des Konzepts bedarf einer Sprache, die mächtig genug ist, alle not-

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Bild 1: Im Vordergrund das GUI des Genera-tors, über das die Parametereinspeisung in das System stattfindet. Im Hintergrund sind die Funktionsblöcke mit den generierten Re-geln abgebildet.

Bild 2: Das Ziel einer Funktionsprüfung eines Steuergeräteverbunds an einem Integrations-HiL-Prüfstand besteht darin, das fehlerfreie Zusammenspiel aller Steuergeräte in einem System möglichst umfassend zu prüfen und abzusichern.

wendigen Aussagen abzubilden. Trotz-dem sollen die Regeln einfach in das Lo-giksystem zu übersetzen und nachvoll-ziehbar sein. Dies setzt eine übersicht-liche und leicht zugängliche Darstel-lungsform voraus. Weiterhin kommt es darauf an, mit ihrer Hilfe einen zeitlichen Verlauf abzubilden. Daher stehen nur Lo-giken der verzweigenden temporalen Lo-gik zur Auswahl. Hierzu zählen beispiels-weise CTL (Computation Tree Logic) ASCR (Algebra of Communicating Sha-red Resources) oder TA (Timed Auto-mata). ASCR dient als Sprache zur Beschreibung prozessorientierter kommunizierender Systeme. Sie erlaubt etwa über zusätzli-che Operatoren eine Beschreibung der zeitlichen Dauer von Prozessen. CTL ist eine Erweiterung der booleschen Logik um Pfadquantoren und temporale Ope-ratoren und kann ebenfalls zeitliche Be-züge darstellen. TA basiert auf endlichen Automaten mit einer Ergänzung um zeit-liche Bedingungen für den Übergang von Zuständen. Durch ihre einfache grafische Notation ist diese Logik ebenso leicht ver-ständlich wie intuitiv zu bedienen, so dass Anwender mit geringen Schulungs-zeiten auskommen. Alle anderen Spra-chen bedienen sich bei der Darstellung eines Sachverhalts einer komplexeren Sprachstruktur. Ein weiterer Vorteil der Verwendung zu-standsautomatenbasierter Logik ergibt sich aus der Vielzahl zur Verfügung ste-hender Werkzeuge, die Zustandsautoma-ten als Kommunikationsmedium nutzen. Tools wie Simulink/Stateflow, Rhapsody, MODENA/UML, oder ASCET sind beim

Tester oder in seinem Umfeld oft-mals bereits vorhanden und kön-nen als Basis zur Erstellung regel-basierter Tests dienen. Damit ent-fallen weitgehend Kosten für zu-sätzliche Tools. Ebenso bieten diese Werkzeuge bereits Generatoren, um aus den Automaten lauffähigen Code zu er-zeugen. Im Entwicklungsprozess werden die Re-geln auf der Basis von TA umgesetzt und dabei zunächst in Prosa formuliert. Ent-scheidend ist, sie so einfach wie möglich, so detailliert wie nötig und – bezüglich des Prüfstandsystems – allgemein zu hal-ten. Diese Forderungen erleichtern die Umsetzung im weiteren Verlauf erheb-lich. Anschließend werden die Regeln in die Sprache der Logik übersetzt und in ei-nem beliebigen hierfür geeigneten Pro-gramm geschrieben. Durch geeignete Schnittstellen können die Regeln mit dem Testprogramm und der Modellier-Software Daten austauschen. Ein Gene-rator schließlich bindet die Regeln mit ih-ren Schnittstellen in den Maschinencode ein, wodurch sie auf dem Echtzeitrech-ner des HiL-Prüfstands lauffähig sind. Dort überwachen sie ununterbro-chen die aus-gewählten Funk-tionen und geben dem Testpro-gramm Rückmel-dung über ihren Zustand.

Erfolgreicher Prototyp Berner & Mattner hat mit den skiz-zierten Schritten erfolgreich einen Prototyp für Gate-way-Tests imple-mentiert. Dieser überwacht das Routing von Sig-nalen über ein Gateway hinweg, prüft etwa auf Einhaltung von Sendearten, Sig-nalinhalten oder Zykluszeiten und lässt sich zur Kon-trolle moderner Bustechnologien wie FlexRay oder CAN-FlexRay-Schnittstellen ein-setzen. Gerade bei neuen

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Busprotokollen wie FlexRay stellt die Überprüfung des korrekten Routings von Signalen und Botschaften ein wesentli-ches Untersuchungsgebiet dar. Heraus-ragende Bedeutung entsteht bei einer Verwendung in sicherheitskritischen Be-reichen wie dem Antriebsstrang oder der Fahrdynamik als wichtiges Kriterium für die sichere und zuverlässige Arbeitsweise von Funktionen. Der implementierte Prototyp wird zu-sätzlich zu den Verhaltensmodellen in das auf dem Prüfstand laufende Modell hinzugefügt und liefert in jedem System-

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schritt den aktuellen Zustand der Regeln. Dabei kann genau ein Zustandswechsel pro Systemschritt erfolgen, der jedoch nicht zwingend notwendig ist. Parallel weist die Vorgehensweise in jedem Sys-temschritt den Zustand der Regel – „ver-letzt“ oder „eingehalten“ – aus. Weiter-hin erlaubt es der beschriebene Prototyp, über einen Generator mit graphischer Oberfläche neue Regeln zu erstellen. Da-ten wie Zykluszeiten, Sendearten oder Signalinhalte werden an den Generator übergeben, der aus den Daten eine zu-standsbasierte Regel erzeugt. In die Regelblöcke gehen verschiedene Signale der Bussysteme. Dort erfolgt die Verarbeitung der übergebenen Parame-ter und als Ergebnis wird in jedem Pro-zessschritt der Zustand des TA ausgege-ben. Eine definierte Schnittstelle erlaubt dabei einen Zugriff aus dem Testpro-gramm sowie eine Auswertung, auch zu-sammen mit den skriptbasierten Tests. Durch die permanent im Hintergrund mitlaufenden regelbasierten Tests lässt sich die Überprüfung des Routing-Ver-haltens stark vereinfachen. Damit kann sich der Tester weiterhin auf einzelne Funktionen und das Zusammenspiel mehrerer Steuergeräte sowie Sensoren und Aktuatoren konzentrieren, während

die Regeln das Routing-Verhalten zu je-der Zeit im Hintergrund überwachen. Dieser Einsatz der regelbasierten Metho-dik testet das Routing-Verhalten umfas-sender und gründlicher als bei einer skriptbasierten Vorgehensweise. Der sonst übliche Zeitaufwand für Testspezifi-kation, -implementierung und -durch-führung entfällt, und trotzdem wird eine Vielfalt von Kommunikationsszenarien durchlaufen. Der kombinierte Einsatz skript- und regelbasierter Tests reduziert damit den Testaufwand deutlich und er-höht zugleich die Absicherungstiefe.

Fazit Durch Ergänzung sequentieller Skripte um regelbasierte Tests erhält der System-ingenieur ein einfaches und wirkungs-volles Instrument, um die Testabdeckung ohne Zunahme der Testzeit zu erhöhen sowie einen gleich bleibenden Test-umfang in geringerer Zeit abzuarbeiten. Der regelbasierte Ansatz zielt auf eine deutliche Steigerung der Testüber-deckung. Da eine Abbildung kleiner Teile des Systems ausreicht, fällt der Modellier-aufwand relativ gering aus und erzeugt keine nennenswerten zusätzlichen Kos-ten. Das Konzept eignet sich darüber hi-naus zum permanenten Überwachen des

Routings sicherheitsrelevanter Signale wie der Zündungsfreigabe oder der Bremsanforderung über unterschiedli-che Bussysteme hinweg. Kunden pro-fitieren in Form einer höheren Produkt-zuverlässigkeit und Hersteller durch eine verbesserte Software-Qualität.

Dipl.-Ing. Tobias Wehling ist Systemingenieur für Tester von Motoren- und Fahrdynamik-funktionen an Integrations-prüfständen bei Berner & Matt-ner Systemtechnik. Dipl.-Ing. Francisco Claudios ist Systemingenieur für Tester von Innenraumfunktionen an Inte-grationsprüfständen bei Berner & Mattner Systemtechnik. Dipl.-Ing. Edgar Müller ist Ab-teilungsleiter Automotive bei Berner & Mattner Systemtech-nik.

InfoDIRECT www.all-electronics.de Link zu Berner & Mattner 331AEL0409

Umwelt-Prüfsysteme für Li-Ionen-Batterien

Weiss Umwelttechnik hat wirklichkeits-nahe Temperatur- und Klima-Testsysteme für Batterien in Hybridautos entwickelt. Das Programm umfasst Systeme für Tempera-tur-, Bewitterungs-, Temperaturschock- und Korrosionsprüfungen. Zur Erhöhung der Si-cherheit bei der Prüfung dieses Batterietyps bietet Weiss Umwelttechnik diverse Zusatz-komponenten für die Standard-Klima-Prüf-schränke an. Das Sicherheitskonzept wird dabei individuell zusammengestellt. infoDIRECT www.all-electronics.de

Link zu Weiss: 373AEL0409

Datenlogger Der Uni-MMC-Datenlogger I von Ahlers EDV dient der Aufzeichnung und Auswertung von seriellen RS232-Datenströmen im mo-bilen Kfz-Einsatz. Als Speichermedium fun-giert eine austauschare handelsübliche MMC-Flash-Karte. Neben den empfange-nen Daten können auch relative Zeitstem-pel sowie mit Hilfe des RTC-Moduls auch ab-solute Zeitstempel zeitsynchron abgespei-chert werden. Ein externer Taster (Option) dient zum Speichern von Markern. Die Kon-figuration des Datenloggers erfolgt per MS-Windows. infoDIRECT www.all-electronics.de

Link zu Ahlers EDV: 365AEL0409

Schneller Datenlogger

AFT Atlas Fahrzeugtechnik entwickelte den Hochgeschwindigkeitsdatenlogger Pike-sPeak für hochdynamische Systeme. Das Gerät erfasst transiente Signale mit einer Abtastrate von 500 kHz und einer zeitlichen Auflösung der Drehzahlimpulse von 100 ps. Die über Ethernet verbundenen Module sind speziell für den Einsatz am Prüfstand und im Fahrzeug konzipiert. infoDIRECT www.all-electronics.de

Link zu AFT Werdohl: 368AEL0409