psychische beeinflussung des blutserum-kalkspiegels

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Acta Medica Scandinarica. Yol. LXXIT', fasc. IT, 1931. Psychische Beein flussung des Blutsernm- Kalkspiegels.1 Ton M. CH. EHRSTROM. Es ist schon lange bekannt gewesen, dass der Funktioiiszustand der Organe unter dem Einfluss von Ionenverschiebungen zwi- schen den Grenzflachen der Zellen und der umgebenden Gewebs- fliissigkeit steht und dass speziell die Kalium- und Kalziumionen dabei eine Rolle spielen. Diese beiden Ionen wirken entgegen- gesetzt und zwischen ihnen wird ein konstantes Verhaltnis auf- rechterhalten: Loebs Quote K' : Ca" erhalt sich in der Korm sehr zah im Blute aquilibriert. Kalzium vermindert und Kalium erhoht die Reizbarkeit oder den Sensibilitatszustand der peripheren Nerven. duf Organe, deren Funktion zum autonomen Nervensystem in Beziehung steht, iiben Kaliumionen die gleiche Wirkung )vie eine Vagus- reizung, Kalziumionen den gleichen Effekt n ie eine Sympaticus- reizung (Kraus und Zondek) aus. Die Wechselwirkung zw-ischen dem Reizzustand im autonomen Nervensysteni und dem Kalium- Kalziumionen ist eine sehr innige. Wenn z. B. ein Organ sich unter dem Einfluss einer Sympaticusreizung befindet, so steigt der Kalziumgehalt seiner Gewebsflussigkeit. Nach Billigheimer wird die erforderliche Kalziummenge dabei dem Blut entnommen. Eine Sympaticusreizung hat daher zur Polge, dass der Kalkgehalt des Blutes sinkt. Man hat also geglaubt, die Untersuchung der Schwankungen im Blutchemismus werde das Studium der Prozesse ermoglichen, die von Tonusveranderungen im Nervensystem nach dem Schema: Vagusreizung - gesenkter Kaliumspiegel, Sympaticusreizung - Bei der Redaktion eingegangen am 26. November 1930.

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Acta Medica Scandinarica. Yol. LXXIT', fasc. IT, 1931.

Psychische Beein flussung des Blutsernm- Kalkspiegels.1

Ton

M. CH. EHRSTROM.

Es ist schon lange bekannt gewesen, dass der Funktioiiszustand der Organe unter dem Einfluss von Ionenverschiebungen zwi- schen den Grenzflachen der Zellen und der umgebenden Gewebs- fliissigkeit steht und dass speziell die Kalium- und Kalziumionen dabei eine Rolle spielen. Diese beiden Ionen wirken entgegen- gesetzt und zwischen ihnen wird ein konstantes Verhaltnis auf- rechterhalten: Loebs Quote K' : Ca" erhalt sich in der Korm sehr zah im Blute aquilibriert.

Kalzium vermindert und Kalium erhoht die Reizbarkeit oder den Sensibilitatszustand der peripheren Nerven. duf Organe, deren Funktion zum autonomen Nervensystem in Beziehung steht, iiben Kaliumionen die gleiche Wirkung )vie eine Vagus- reizung, Kalziumionen den gleichen Effekt n ie eine Sympaticus- reizung (Kraus und Zondek) aus. Die Wechselwirkung zw-ischen dem Reizzustand im autonomen Nervensysteni und dem Kalium- Kalziumionen ist eine sehr innige. Wenn z. B. ein Organ sich unter dem Einfluss einer Sympaticusreizung befindet, so steigt der Kalziumgehalt seiner Gewebsflussigkeit. Nach Billigheimer wird die erforderliche Kalziummenge dabei dem Blut entnommen. Eine Sympaticusreizung hat daher zur Polge, dass der Kalkgehalt des Blutes sinkt.

Man hat also geglaubt, die Untersuchung der Schwankungen im Blutchemismus werde das Studium der Prozesse ermoglichen, die von Tonusveranderungen im Nervensystem nach dem Schema: Vagusreizung - gesenkter Kaliumspiegel, Sympaticusreizung -

Bei der Redaktion eingegangen am 26. November 1930.

PSYCHISCHE BEEINFLUSSUKO DES RLUTSERUM-KALKSPIEQELS. 379

gesenkter Kalziumspiegel begleitet sind. Spatere Untersuchungen haben indes gezeigt, dass dieses Schema sich keineswegs immer verwirklicht: Tonusveranderungen in den beiden Systemen greifen haufig ineinander ein. Praktisch kann es recht scliwierig sein, mit Leitung eines verandesten Blutchemismus zu entscheiden, was in der Tat vorgegangen ist. Die allgemeinen Richtlinien diiriten doch als gegeben zu betrachten sein. Die Rolle, die die endokrinen Driisen in diesem Zusammenhange spielen, ist un- beriicksichtigt geblieben, da sie fur die hier in Rede stehende Frage von keiner ausschlaggebenden Bedeutung ist.

Mit diesen Beobachtungen als Ausgangspunkt hat man sich die Moglichkeit gedacht, dass psychische Zustande durch eine veranderte chemische Zusammensetzung des Blutes zum Aus- druck kommen konnten. Wenn es sich so verhielte, ware eine Briicke geschlagen iiber die Kluft zwischen den somatischen Funktionen und der uns unbekannten Lebensausserung, die wir als psychisches Geschehen bezeichnen. Vielleicht ware uns da- mit ein Weg gewiesen, auf dem wir uns zu einer beginnenden Kenntnis von dem Problem des psychischen Geschehens hin- tasten konnten.

Von alters her sind gewisse Organempfindungen als charak- teristisch fur bestimmte Affekte betrachtet worden. Es ist mehr als eine Redensart, wenn es heisst, dass ))die Kehle einem vor Angst wie zusammengeschniirt isto, dass sdas Herz einem vor Freude klopftbk, dass man over Zorn erblassto usw. Bei weniger lebhaften Gemiitsbewcgungen und Stimmungen verleihen auch mehr oder minder bewusste Organempfindungen dem Ganzen die Farbe. Im Grunde sind wohl die Organsensationen, die die Gefiihle und Stimmungen begleiten, das Zentrale beim Erleben eines Gef iihls.

Da solche Organempfindungen - oder vielmehr die sie be- dingenden Organfunktionen - von Tonusveranderungen im ve- getativen Nervensystem begleitet sind, und auf diese wiederum Verschiebungen der Ionenkonzentration im Blute folgen, konnte man erwarten, dass ein Affekt, ein veranderter Gemiitszustand, von einer deraztigen Blutveranderungen begleitet ware. Dies hat die Vermutung nahe gelegt, dass man vielleicht aus dem Blutche- mismus die Instrumentierung gew-isser psychischer Erscheinungen ablesen konnte.

Untersuchungen, die diese Vermutung zu bestatigen scheinen, liegen in der Tat vor.

380 31. CII. EHRSTROXC.

I m Jahre 1924 bestimmte Glaser den Kalziumgehalt des Blut- serums in der Hypnose und fand, dass eine Hypnose, die eine Person in einen ruhigen Gemiitszustand versetzte, den Blutkal- ziumgehalt zum Sinken brachte. Wenn sich an die beruhigende Hypnose eine aufreizende anschloss,.so stieg der Kalziumgehalt, jedoch nicht uber die Norm. Seine Untersuchung bezog sich auf vier Personen, die er als ))ausgepragte Vagotonikern bezeichnet. Zu dem gleichen Resultat kamen im Jahre 1927 Kretschmer und Kruger bei der Hypnotisierung dreier ebenfalls als )?ausgepragte Vagotoniker)) charakterisierten Personen, doch mit dem Unter- schied, dass die Kalziumwerte bei L4ngsthypnose - also Erre- gungszustand - uber den Normalwert stiegen. Sie fiihrten aus- serdem eine entsprechende Untersuchung an fiinf normalen, nicht als Vagotoniker angesprochenen Personen abs, und fanden bei diesen keine Veranderung des Blutkalziumspiegels wahrend der Hypnose.

Dass aber auch bei normalen Individuen Verschiebungen im Kalziumgehalt des Blutes im Zusammenhang mit wechselnden Gemutsstimmungen stattfinden konnen, scheint eine Arbeit von Hisinger-Jagerskidd (1925) darzulegen. Man gab 15 gesunden Personen sowie einem Alkoholikei und einem ))Psychoneurotiker)> am Abend oder in der Nacht ein Schlafmittel und bestimmte den Blutkalziumgehalt sowohl vordem als am folgenden Morgen. Die Zeit zwischen der Einnahme des Schlafmittels und der zweiten Blutanalyse schwankte zwischen 12 und 13 Stunden. Als Resultat ergab sich, dass nach der Einnahme von Narkotika eine ruhige Nacht mit Wohlbefinden einen gesenkten, eine unruhige Nacht mit schlechtem Befinden einen erhohten Blutkalziumspiegel auf - n-ies. Ausnahmen von der Regel kamen aber auch vor.

Der Zusammenhang, der offenbar, nach diesen Untersuchungen zu urteilen, zwischen einer ruhigen und einer unruhigen Gemuts- stimmung einerseits und dem Kalkgehalt des Blutes anderer- seits bestehen kann, ohne deshalb konstant zu sein, tritt auch in gewissem Masse in den Ergebnissen der von Tomasson im Jahre 1924 an Geisteskranken ausgefiihrten Untersuchungen in die Er- scheinung. Bei manisch-depressiver Psychose war das Blut- kalzium wahrend der manischen Anfalle hoch, um beim Abklingen der Manie und im darauffolgenden Depressionsstadiunl zu sinken. Diese niedrigeren Ziffern waren indes hoher als die )?Normal- werte)), die man wahrend der ))gesunden)) Perioden erh:elt.

Da es nach dem Verhalten eines Tieres schwer ist. auf seinen

PSTCHISCIIE BEEIKFLUPSUNQ DEB BLUTPERUM-KALRSPIEQELS. 351

psychischen Zustand zu schliessen, sind Tierversuche weniger geeignet, das Verhaltnis zwischen dem Kalziumgehalt des Blutes und der Gemutsstimmung zu beleuchten. Obwohl man sich des- halb den Resultaten gegenuber reserviert verhalten muss, kann man ihnen aber doch nicht jede Bedeutung absprechen.

Versuche, die Frage durch Tierexperirnente klarzulegen, wur- den von Cloetta und Thomann im Jahre 1924 und von Brauchli und Schnider im Jahre 1926 ausgefiihrt. Sie riefen Reizzustande bei Tieren hervor durch Verabreichung von Acycl. tetrahydro-& Naphtylamin, von Koffein und Kampfer, und beobachteten eine Steigerung des Kalziumgehaltes im Blute. Aus dem Jahre 1926 liegt ferner eine Untersuchungsserie von Cloetta und Brauchli vor, die das Blutkalzium bei Hunden nach Morphiumeinsprit- zungen bestimmten. Von 11 Versuchen ist in 8 das Verhalten der Tiere als ruhig und in 3 als unruhig bezeichnet. Bei den ruhigen Tieren sank der Kalziunigehalt in 6 Fallen, bei den unruhigen ist er durchwegs gestiegen.

Bei den Tierversuchen ebensowie bei den Untersuchungen am Menschen ergibt sich mithin als Regel, dass eine ruhige Gemiits- stimmung von einem verhaltnismassig niedrigen, eine unruhige von einem verhaltnismassig hahen Kalziumgehalt des Blutes be- gleitet ist; diese Regel ist aber keineswegs ohne Ausnahmen. Es handelt sich hier um eine, freilich oft vorhandene aber nicht kon- stante Wechselwirkung. Es fragt sich, ob eine Gesetzmassigkeit vorliegt oder nicht.

Man ist auch zur Skepsis geneigt, wenn man die diesbezuglichen Zifferwerte in Betracht zieht. Bei Glasers Versuchen waren die Schwanbungen nach oben und nach unten im Verhaltnis zu den Ausgangswerten 15-20 %, bei Kretschmers und Krugers Ver- suchen 0.8-12.8 74, bei Hisinger-Jagerskiolds 0-35 %, bei Cloettas, Thdmanns, Brauchlis nnd Schniders 3-21 yo. Die kleinsten Schwankungen liegen innerhalb oder ganz in der Nahe der Fehlergrenze der Analysen, die auf 3-5 % angegeben wird.

Man konnte sich ja auch denken, dass eine Gesetzmassigkeit in der Tat vorlage, obwohl wir nicht imstande sind, einen Ge- mutszustand immer richtig als ruhig oder unruhig zu bewerten. Die Abweichungen von der Regel, dass Ruhe einen niedrigen, Unruhe einen hohen Kalziumspiegel bedeutet, waren moglicher- weise durch eine fehlerhafte Auffassung von der Art eines Ge- miitsznstandes in casu zu erklaren.

Nimmt man einen solchen Standpunkt ein, liegt nur eine Mog-

388 31. C B . EHRSTROM

lichkeit zur Losung des Problems vor, namlich dass man einen Gemutszustand sucht, iiber dessen Kennzeichnung als ruhig, bzw . unruhig kein Zweifel bestehen kann. Dieser Anforderung scheint der Schlaf zu geniigen: ohne Vorbehalt diirfte man wohl den Gemiitszustand im tiefen Schlaf als ruhig betrachten konnen.

Eine vergleichende Untersuchung uber den Kalziumgehalt des Blutes im wachen Zustande und im Schlaf ist im Jahre 1926 von Demole vorgenommen worden.

Sie bezieht sich nur auf drei Personen - zwei Krankenhaus- patienten und eine gesunde Person - und ist daher zu wenig umfassend, als dass man ihr eine grossere Bedeutung beimessen konnte. Bei allen dreien beobachtete man aber wahrend des Schlafes eine Senkiing des Kalziumgehalts, die sich auf bzw. 8.8 yk, 6.3 % und 5.9 :& belief.

Die Versuchsanordnung ist nicht angegeben, mag aber nicht ganz leicht gewesen sein, da es mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden sein diirfte, eine Venenpunktion zwecks Blutanalyse an einem Schlafenden vorzunehmen, ohne dass dieser aufwacht. Es ist begreiflich, dass die Untersuehungen nicht zahlreicher waren und auch nicht von anderen kontrolliert worden sind.

Man hat die Schwierigkeiten dadurch zu vermeiden gesucht, dass man mit Schlafzustanden, durch Schlafmittel hervorgerufen - oder, wenn man so will, von solchen unterstiitzt - gearbeitet hat. Dies bringt aber einen neuen Faktor mit sich, und es lasst sich auch nicht ohne weiteres wegerklaren, dass wir den Schlaf unter dem Einfluss von Schlafmitteln nicht mit Sicherheit als einem natiirlichen Schlaf physiologisch gleichwertig betrachten diirfen. Andererseits konnen wir auch nicht die Moglichkeit einer physiologischen Identitat bestreiten.

Von iier Vermutung ausgehend, dass es sich um eine Identitat handele, haben Cloetta und Thomann im Jahre 1924, Cloetta und Brauchli im Jahre 1926 und Brauchli sowie Schnider ebenfalls im Jahre 1926 einige Versuche am Tier ausgefuhrt. Hunde wurden mit wechselnden Dosen von Somnifen oder Amylenhydrat, mittels Alkohol und Ather in Schlaf gebracht und das Blutkalzium, wahrend die Tiere sich im wachen Zustande, in leichtem oder tie- fem Schlaf befanden, bestimmt. Die Dosen, in denen das Schlaf- mittel verabreicht wurde, \\Taren verhaltnismassig gross, die Somnifendosis beispielsweise 0.2-0.5 cm3 pro kg Korpergeuricht.

Cloetta und Thomann konnten eine Senkung des Kalziumge- haltes im Blute feststellen, deren Grosse der Tiefe des Schlafes (der

PSPCHISCHE BEEINFLUSYUXG DBS BLUTSERUX-KALESPIEGELS. 383

Narkose?) proportional war. Bei tiefer Narkose erreichte man Senkungen bis zu 15 yo, bei leichter Narkose geringere Werte, und wahrend des Excitationsstadiums in Athernarkose war der Kalkgehalt gesteigert. Zu ahnlichen Resultaten gelangten Cloetta und Brauchli. Brauchli und Schnider arbeiteten mit wechselnden Schlafmitteldosen und konnten nachweisen, dass der Blutserum- Kalkspiegel nur dann sank, wenn ein wirklicher Schlafzustand bei den Versuchstieren erzielt worden war. Die Kalaiumabnahme wahrend des Schlafes betrug 5-8 yo und war im grossen ganzen quantitativ von der Dauer des Schlafes unabhangig.

Analoge Versuche sind nicht an Menschen ausgef iihrt morden, wenn man nicht eine vereinzelte Untersuchung von Brauchlj und Schnider hierher rechnen ill. Sie bestimmten das Blutkalzium vor und wahrend einer Athernarkose f iir Appendicektomie und konnten feststellen, dass das Blutkalk wahrend der Narkose um 6.1 % sank.

Da die den Ausgangspunkt der 'Versuche Cloettas und seiner Schuler bildende Auffassung, dass der Schlaf nach Schlafmitteln einem natiirlichen Schlaf gleichzusetzen ist, sich verteidigen lasst, schien mir Anlass vorzuliegen, eine ihren Tierversuchen ent- sprechende Untersuchung an Menschen vorzunehmen.

In den obengenannten, von Cloetta und seinen Schiilern durch- gefiihrten Untersuchungen wurden neben den Kalziumbestim- mungen auch Kaliumbestimmungen vorgenommen. Dabei ging hervor, dass das Kalium sich im grossen ganzen wie der Anta- gonist des Kalziums verhalt: es steigt bei Ruhe unci sinkt bei Unruhe. Deshalb und vor allem in Anbetracht der praktischen Schwierigkeiten f iir eine Person, gleichzeitig und innerhalb einer begrenzt,en Zeit - zudern grosstenteils in der Nacht - sowohl Kalzium- als Kaliumanalysen auszufuhren, sah ich mich ge- zwungen, mich lediglich auf die Bestimmung des Blutkalziums zu beschranken.

Die Versuchsanordnung war folgende. Die Versuche fanden a m Abend ungefahr um 21 Uhr statt, als die Versuchsperson sich hingelegt hatte. Die Beleuchtung des Zimmers wurde soweit moglich in Ubereinstimmung mit den Gewohnheiten und Wiin- schen der Versuchsperson angeordnet und sie murde aufgefordert, in der bequemen Lage zu liegen, die sie vor dem Einschlafen ein- zunehmen pflegte. Um den einen Arm der Versuchsperson spannte man eine Blutdrucksmanschette, mit der die fur die Blutprobe erforderliche Stase jedesmal schmerzlos herbeigefiihrt werden

konnte. Bei aufgeblasener Manschette wurde eine Vene mit einer paraffinierten Kanyle punktiert, die mit einem ebenfalls paraffinierten, mittels einer Klemme schliessbaren Gummi- schlauch armiert war. Die Nadel wurde mit einem Heftpflaster- strGifen an die Haut fixiert. Sofort nach der ersten Blutprobe wurden zwischen 2 und 3 em3 variierende Dosen Somnifen ein- gespritzt. Indem weder die Manschette noch die Kaniile ent- fernt wurden, konnte man spaterhin im Laufe des Versuches je nach U'unsch eine neue Blutprobe entnehmen und event. eine neue Somnifendosis injizieren; es galt bloss Luft in die Man- schette zu pumpen und die Klemmen zu losen. Die Versuchs- dauer schwankte zwischen ' I2 und 3 Stunden und die Zahl der Blutproben (einschliesslich der ersten Probe) zwischen 4 und 9. Die Verschiedenheit in diesen Beziehungen war mesentlich da- durch bedingt, dass in einigen Fallen das Blut in der Kanule friiher als berechnet koagulierte. Die Bestimmung des Kalzium- gehaltes der Blutprobe erfolgte nach Tisdall und Kramer.

Insgesamt fanden 8 Versuche statt, samtliche rnit je einer Ver- suchsperson. Von diesen waren 7 (Vers-p. I-VII) junge Leute irn Alter von 22-27 Jahren, alle, ausser einem, Kandidaten der Medizin. Sie waren ))gesundn, einer war jedoch ein vasomotorischer Neurotiker (Vers-p. V: feuchte Hande, starke Dermographie). Die 8. Person (Vers-p. VIII) war eine in der medizinischen Ab- teilung der Diakonissenanstalt unter Diagnose Hysteria behan- delte 45-jahrige Frau.

Die Somnifendosis betrug in 2 Fallen 2 em3 (Vers-p. I und 111), in 1 Falle 2.5 em3, zu zwei verschiedenen Malen rnit einer Pause von 10 Minuten 1 .5 + 1 em3 injiziert (Vers-p. 11), in 4 Fallen 3 cm3, wobei man 2 Versuchspersonen die ganze Dosis in 1 Injek- tion (V und VI) und 2 Personen in 2 Injektionen gab (IV, 1.5 + 1.5 cm3 mit 7 Minuten Zwischenzeit und VII, 1 + 2 em3 mit 8 B h . Zwischenzeit). I n eine besondere Kategorie gehort die Pers~~chs- person VlII, die Frau rnit der Diagnose Hysterie, die 0.03 g Codein + 0 . 3 Pyramicion 'iZ Stunde vor dem mit der Injektion von 2.2 cm3 Somnifen eigentlich beginnenden Versuch erhielt. Dass diese verschiedene Dosierung ejnen wesentlichen Einfluss auf das Einschlafen gehabt hatte, geht nicht aus den Versuchs- protokollen hervor.

Die Untersuchung fand in der Diakonissenanstalt statt. Fur das mir hierbei ben-iesene freundliche Entgegenkommen bitte ich dem stellvertretenden Chef der medizinischen Abteilung der Die-

PBYCHISCHE BEEINFLUSSUXG DES BLU‘I’SERU~I-IiALI~S~IEGELP. 385

konissenanstalt Dr. A. Johnsson meinen verbindlichsten Dank aussprechen zu diirfen.

V e r s u c h s p e r s o n I . Normalwert. Ca = 9.7 mg 76. Vor dem Versuch ist die Vers-p. ein bischen nervos, nicht schlafrig. Um 21.50. Injektion von 2 cm3 Somnifen intravenos.

Nuch 5 Binuten. Fuhlt sich schlafrig: Ca = 9.7 mgyo (Differenz = 0).

Nuch 12 Minuten. Erscheint duselig, behauptet sehr schlafrig zu sein.

Nach 20 Minuten. 1st im Einschlafen begriffen, murmelt nur bei Anreden. Macht abwehrende Bewegungen, wenn man die Lage der Kanule andern muss.

Xuch 28 Xinuten. Schlaft, reagiert nieht gegenuber Anreden. Ca = 8.3 mayo (Differenz = -13.4 oh).

Xuch 1 Stunde 5 Minuten. Ca = 8.5 mg% (Differenz =

Erwacht eine Viertelstunde spater. Fiihlt sich durstig, etwas duse

Ca = 6.8 mg% (Differenz = -28.6 %).

Ca = 12.2 mg”/o (Differenz = + 16.4 76).

Schlaft. - 13 ?A). lig. Sehlaft nach einer Weile wieder ein und schlaft dann die ganze Nacht durch ruhig bis 7 Uhr.

V e r s u c h s p e r s o n II . Normalwert. Ca 10.8 nig%. Vor dem Versuch ist die Vers-p. ruhig, fuhlt sich nicht schlafrig. Um 21.40 Injektion von 1.5 cm3 Somnifen. Wird sofort nach der Injektion sehr matt, adas Zimmer verdunkelt sich)). Die Mattigkeit vergeht nach ein- paar Minuten.

Nuch 3 Minuten. Ca = 1 0 . ~ mg% (Differenz = 0). Nuch 10 Minuten. Ruhig, mh6n schlafrig)). Ca = 8.0 mg”/o (Dif-

ferenz -- - 25.9 7;). Schlafrig, ruhig, fuhlt sich schlafbereit. Da er aber nicht einschlaft,

wird noch 1 cm3 Somnifen gegeben. Hat sich vorher etwa 10 Minuten mit den Anwesenden unterhalten.

Nuch 55 Minuten. 1st sehr schlafrig, rkonnte sofort einschlafen, wenn man ihn allein liesse)). Ca = 8.u mg% (Differenz = -25.9 Yo).

Nuch 1 Stunde 5 Minicten. 1st asehr schlafrigr, macht den Eindruck eines Schlafenden.

Nach 1 Stunde 20 Minuten. Macht den Eindruck eines Schlafenden, behauptet im Einschlafen begriffen zu sein. Ca = 7.3 mg% (Diffe- renz = -32.4 yo).

Ca = 9.7 mg% (Differenz = -10.~ %).

Nuch 1 Sttmde 25 Minuten. Schlaft. Nuch 1 Stunde 30 Minuten. Schlaft tief. Ca = 7 .3 mg% (Differenz

Nach 1 Stunde 45 Minuten. Schlaft tief, wacht trotz recht starken Larmes nicht auf. Ca = 7.7 mg% (Differenz = -29.3 %).

’ Nach 2 Stunden. Schlaft, macht aber wahrend der Probeentnahme zuerst abwehrende Bewegungen und erwacht dann. Ca = 8.3 mg% (Differenz = -23.1 %). Schlaft dann ruhig von 24.00 bis 10.00 Uhr.

Ca = 10.0 mgy’. Die Versuchsperson hat eine Tracheo-Bronchitis mit recht starkem

- - -32.4 %).

V e r s u c h s p e r s o n I I I . Normalwert.

3SG 31. CH. EHRSTRaJI.

Hustenreiz. 1st vor dem Versuch ruhig, ein wenig miide, behauptet, sofort einschlafen zu konnen. Um 21.32 Injektion von 2 em3 Somnifen. Sofort nach der Einspritzung sein schones Mattigkeitsgefiihl)), brdas Zimmer erscheint dunkler, graugriins. Diese Enipfindung dauert einige Sekunden und darauf stellt sich Kaltegefiihl ein.

Naclc 6 Minutew Zittert am ganzen Korper, wie von Frostschauern. Behauptet doch schlafrig zu sein. Ca = 9.7 nig 0; (Differenz = -3.4 76). Danach sehr nervos und erregt. Beruhigt sich allmahlich. Hei der folgenden Probeentnahme ist der Schiittelfrost beinahe verschwunden.

Nach 13 Minuten. Ca = 8.0 mgO& (Differenz = -20.0 9 6 ) . IVach 25 Minutekz. Ruhig, sschon matts. Versucht einzuschlafen,

hat aber fortwahrend Hustenanfalle. Sagt., aer wiirde einschlafen konnen, wenn der Husten ihn nicht n-ach hieltea. Ca = 6.8 mg06 (Differenz = -31.7 9 ; ) .

Nach 35 Minute?!. 1st ruhig, aber nfiihlt sich nicht schlafrig gcnug, um trotz des Hustens und der durch den Versuch veranlassten psy- chischen Reizungen einschlafen zu kdnnen)). Ca = 9.0 mgoo (Diffe- renz = -10.0 :;).

Schlaft dann nach 15 Minuten ein (50 Minut)en nach d e n i h f a n g des Versuches) und schlaft tief die ganze Nacht durch bis 9 Uhr.

T’e r s u c h s 11 e r s o ?a ZT’. 1st vor dem Versuch ruhig, nicht schlafrig. Hat die vergangene Nacht schlecht geschlafen. Um 20.53 1 . 5 em3 Somnifen. Sofort nach der Injektion ,erscheint das Zimmer dunklcr, griinlichr. Diese Enipfind- ungen schwinden schnell, darauf folgt aber Ubelkeit, die ctwa 3 Minu- ten andauert,.

Nach 7 Minuten wird nochmals 1 . 5 em3 Somnifen gegeben. duf die Injektion folgen ahnliche Sehempfindungen aber keine obelkcit.

Nach 12 Minuten. Fiihlt. sich blangenehm duselig)), rgleichgiiltip, hat Parestesien in den Extremiteten. oSicht schlafrigo. Ca = 1 0 . 7 mgob (Differenz = + 6 . 6 oh).

Nach I7 Jlinuten. Nicht schlafrig, gleichgiiltig, matt owie von der Aussenwelt abgekuppelta.

Nach 27 Miizuten. Keine Veranderung. Ca = 9.8 mgyh (Differenz - - 1 . 7 Yo).

Nach 37 Minuten. Der Jagdhund der Vers-p., der wahrend des Ver- suches im Zinimer schlaft, bekomnit kranipfartige Zuckungen, was die Vers-p. etwas beunruhigt abw nicht erheblich.

Nach 42 Minuten. 1st ganz wach, fiihlt sich aber oberauschto, oteil- nahmloss und oschon matto. Ca = 10.8 mgq; (Differenz = + 8.3 oh).

Versucht dann einzuschlafen. Nach 1 Stunde 2 Minuleii. Fiihlt akeine Schlafbereitschaft~~, ohat

nur ein angenehnies Gefuhl von Erschlaffung~. Ca = 9.3 nigg; (Diffe- renz = - - 6 . 7 O b ) .

Steht um 22.00 Uhr (1 Stunde, 7 Ninuten nach dem Anfang des Ver- suches) auf. Fiihlt sich sschlaff im ganzen Korper, etwas unsicher auf den Beinen, sicht leicht Doppelloilder, ist aber n-eder eigentlich schlafrig noch miide. Eher konnte der Zustand gewissermassen mit einem Alkoholrausch verglichen werdenr.

Xormalwcrt. Ca. = 10.0 my?,.

Ca = 9.7 mgo6 (Differenz = -3.4 %).

-

PSYCHISCHE BEEINFLUSSUNG DES BLUTEERUM-KALKSPIEGELS 387

Nuch I Stunde 17 Miwuten. Ca = 9.0 mgyo (Differenz = -10.0 7;). Nuch 1 Stunde 27 Minuten. Vielleicht ein wenig munterer als bei

der vorigen Probe. Ca = 9.3 m g x (Differenz = -6.7 yo). Liegt dann recht lange wach, schlaft erst ungefahr urn 24.00 Uhr

ein und wacht um 8 Uhr auf.

V e r s u c h s p e r s o n V . Ca = 1 1 . 5 mg%. Vor dem Versuch ist die Vers-p. scheinbar ruhig und sehr interessiert. Gar nicht schlafrig. Um 22.30, 3 cm3 Somnifen. Sofort nach der Einspritz- ung sieht die Umgebung grunlich, verdunkelt aus. Diew Empfin- dungen dauern einige Sekunden.

Nuch 10 Minuten. 1st nicht schlafrig, aha.t aber ein schones Gefiihl, als ob er bald einschla,fen wiirde)). Ca = 1 1 . 5 mg% (Differenz = 0).

Nuch 20 Minuten. Hat eine Zigarette geraucht, hat ein Gefiihl von &chlaffheita, ist nicht schlafrig. Ca = 10.6 mg:/, (Differenz = -7.7 %).

Urn 2 2 . 5 2 (nach 22 Minuten) behauptet Vers-p. ein wenig schlafri- ger zu sein ))hat eine gewisse Neigung, die Augen zu schliessen,. Um 22.55 noch 0 . 5 cm3 Somnifen.

Erklart teilnahmlos zu sein, wiirde einschlafen, wenn man ihn allein liesse. Spricht etwas undeutlich, liegt mit ge- schlossenen Augen.

Nuch 45 Minuten. Behauptet nicht schlafrig zu sein, sdie Gedankzn fliegen, wenn auch eine gewisse Schlafbereitschaft vorha.nden isto. Ca = 1 0 . 3 mg% (Differenz = -10.1 %).

Unterhalt sich dann mit den Anwesenden bis 23.30 Uhr ( 1 Stunde nach dem Anfang des Versuches), findet, dass er jetzt vie1 munterer ist.

Nuch 1 Stunde. Ca = 10.0 mg% (Differenz = -13.0 74). Plaudert und lacht bis 2 3 . 4 5 Uhr.

&-uch 1 Stunde 15 Minuten. Ca = 10.8 m g x (Differenz = -5.8 74). Nuch 1 Sturde 30 Minuten. Noch irnmer wach: Ca = 11.3 mgob

(Differenz = -1 .4 %). Steht dann auf und ist bis 0 .25 Uhr (1 Stunde 55 Minuten nach

dem Beginn des Versuches) auf, trinkt ca. 30 g Branntwein. Nuch 2 Stunden 05 Minuten. Schlafrig. Ca = 11 .16 mg”;o (Diffe-

renz = -2.9 %). Versucht danach einzuschlafen. ” a h 2 Stunden 55 Minuten. Macht den Eindruck eines Schlafenden.

Sagt, ssein Zustand sei ganz dem Schlaf ahnlich,. Ca = 9 . 5 mg76 (Differenz = -17.4 %).

Normalm-ert.

Nuch 30 iMinuten.

Schlaft um 2 Uhr ein und wacht um 10 Uhr auf.

V e r s u c h s p e r s o n 71. Normalwert. Ca = 9 . 2 2 mg”,. Vor dem Versuch ist die Vers-p. ganz ruhig, fiihlt sich schlafrig und be- hauptet bald einzuschlafen.

Urn 22.12 3 cm3 Somnifen. I n unmittelharem Anschluss an die Injektion ein Gefiihl grosser Mattigkeit, ssein Korper kommt ihm schwer vom.

Nach 3 Minuten. 1st wie berauscht, spricht undeutlich, behauptet sehr schlafrig zu sein. Ca = 9 . 2 mg;& (Differenz = 0 ) .

Nuch 18 Minuten. Macht einen schlaftrunkenen Eindruck, be- hanpt,et gleich einzuschlafen. Ca = 8.7 mgq/, (Differenz = -5.5 %).

3ss ill. CH. EHRSTROM.

Nach 23 Minuten schlaft die Vers-p. ein. Liegt bei den folgenden Probeentnahmen in tiefem Schlaf und reagiert auch nicht gegeniiber recht starken Reizen. Erwacht nicht bei der letzteii Probeent- nahme, die durch Punktierung einer neuen Vene stattfindet.

Nach 33 Minuten. Nach 48 Minuten. Nacht einige abwehrende Bewegungen. Ca =

11.7 mgy/o (Differenz = + 27.0 “ 6 ) . Nach 1 Stuide 3 Minuten. Ca = 8 . 7 mg”/o (Differenz = -5.5 O 0 ) .

Schlaft die ganze Nacht durch ruhig und erwacht urn 10 Chr. V e r s zc c h s p e r s o n VI I . Normalwert. Ca. = 1 0 . 0 mggb.

Vor dem Versuch ruhig, nicht besonders schlafrig. Urn 21.22 ca. 1 cnl3 Somnifen. Wird ssehr matt, aber gar nicht

schlafrigs. Nach 3 Minuten. Ca = 9.0 mg?;

(Differenz = -10.0 76). Um 21.30 (8 Minuten nach dem Anfang des Versuches) fiihlt er sich

munterer als vor der Injektion. C m 21.40 (18 Minut.en) noch 2 cm3 Somnifen. Wird ganz berauscht, sieht einige Augenblicke Doppelbilder. Dann schlafrig.

Nach 33 MinzcteJz. Liegt mit geschlossenen Augen, behaupt,et sehr schlafrig zu sein. Macht einen schlaftrunkenen Eindruck. Ca = 9.7 mgyh (Differenz = -3.4 7;).

Sieht aus, als ware er im Einschlafen begriffen. Behauptet duselig zu sein rverfolgt aber den Verlauf mit Interessen. Ca = 1 0 . 2 mgyb (Differenz = + 1 .7 76).

Pan@ an zii plaudern, raucht, behauptet vollig wach zu sein. Steht um 22.18 (56 Minuten) auf, fiihlt sich berauscht, oguter Launeo, ist ein wenig ataktisch.

Nach 1 Stunde 3 Minuten. Macht einen sehr stimulierten Eindruck. Sagt per sei angenehm herauscht)). Ca = 8.8 mg?; (Differenz =

Ca = 8.8 mgyi (Differenz = -3.6 oj).

Mude, ruhig, nicht schlafrig.

Nach 48 Minuten.

Nach 51 Minuten.

- 1 1 . 7 76). Liegt und liest bis nahe an Mitternacht. Schlaft dann bjs 10 ‘CThr. V e T s u c h s TJ e r s o n VIZI. (Klinische Diagnose: Hysteria.) Vor

dem Versuch ist die Versuchsperson eine langere Zeit schlaflos und sehr erregt gewesen. Hat sich gegenuber verschiedenen Hypnotica sehr resistent verhalten. Bekam eine halbe Stunde vor dem Versuch 0 . 0 3 Codein + 0.3 Amidopyrin. Kormalwert. Ca = 12.1 ng“/O. Vor dem Versuch verhalt,nismassig ruhig, nicht schlafrig.

Um 20.30 2.2 cm3 Somnifen. Nach 5 Minuten. Somnolent, liegt init geschlossenen Augen, wirft

unruhig mit den Armen. Antwortet auf Anfrage, dass sie schlafrig sei.

Nach 10 Minuten. Schlaft. Bisweilen Zuckungen in den drmen oder dem Korper. Murmelt hin nnd wieder unzusanimenhangende Wort’er. Ca = 7.9 m g x (Differenz = - 36.2 7;).

Nach 30 Minuten,. Schlaft. Macht bei der Probeentnahme heftige abwehrende Bea-egungen, wacht aber nicht auf. Ca = 11.9 mgob (Differenz = - 3.2 0’;):

Schlaft dann ruhig die ganze Nach durch, wird um 7 Uhr geweckt.

Ca = 7.9 mgy; (Differenz = -36.2 ?A).

PSYCHLSCHE BEEINBLUSSUNG DES BLUTSERUM-KALKSPIEQELS. 389 Tabelle I.

I I I

I . . . . I 12 I . . . . 1 20

11. . . 10 ' 55 ' ' I

I1 . 11. . . . I 65 11. . . . / 80

I

111. . . . . 6 111. . . . 1 13 111. . . . 1 25 111. . . . ' 35

V . . : 115

V I . . . . j 18

VII. . . . 33

I Minnten nach I Versnchsperson der Injek- I tion i I I I

! I 1 . . . . . . . . . . 28 ' I . . . . . . . . . . 70

11. . . . . . . . . . 90 I1 . . . . . . . . . . 105

1 1 1 . . . . . . . . . . 120

~ V I . . . . . . . . . . . 33 VI . . . . . . . . . . 48 VI . . . . . . . . . . . 63

1

. - 28.6 I DSehr schlafrigr + 16.4 1 Im Einschlafea begriffen

1 - 25.9 I BSehijn schlafrigr - 25.9 1 rSehr schlafrig. - 10.8 oSehr schlafrigR - 32.4 ~ Im Einschlafen begriffen

i - 3.4 ~ 9Schlafrigo

i - 20.0 aRuhig, schlafrig2 - 31.7 aitnhig, schFu matt, ~

I - 10.0 I rRuhig, aber nicht schlafrig genug, nm ~

! trotz des Hnstens einschlafen zu k8nnenB ' I

- 17.4 ~ ZSchlafahnlicher Zustanda

- 5 5

I

I j Behauptet >bald einznschlafenP ~ I

- 3.4 I rSehr schlafrig>

I Blutkalzium in %

des Ansgangs- I wertes '

~

i 1

I - 13.4 ' 1 - 13.0

- 38.4 - 29.3

~ - 23.1

I

I I - I + 27.0 1

I - 5.5

. . . . . . . - 36.2 V I I I . 1 10 I 'VI I I . . . . . . . . . I . 30 1 -. 3.2

Tabelle TI.

Minnten 1 Blutlialzinm

wertes j Bemerknngen

390 51. CH. EHRSTROM.

Tabelle 111.

Dnrchschnittszahl ' I I 1 Versnchsperson ~ 1 der Kalziumwerte I I I Analysen in % des Ausgangs- ,

-__ ~ _ _ ~ ~ - ~ ~ -~ ____

I I wertes j I I I I

1 I I . . . . . . . . . . 1 1 1 . . . . . . . . . .

1 1 1 7 . . . . . . . . . . ! V . . . . . . . . . .

I 111. . . . . . . . .

, V I . . . . . . . . . . I

i V I I . . . . . . . . . . ,VITI . . . . . . . . . .

- 9.7 - P2.5 - 16.8 - 1.!4 - 8.3 , + 12.4 - 8.0

- %5.2

I

I

,

I

Nur 4 der Versuchspersonen (I, 11, VI und VIII) schliefen wahrend der Versuchsdauer ein, so dass Blutproben wahrend des Schlafes entnommen werden konnten (Tab. I). Bei weitcren 3, also bei allen ausser bei einer (IV) rief das Somnifen ein Gefiihl hochgradiger Schlafrigkeit hervor, ein Gefiihl, das von den Ver- suchspersonen als das Gefiihl vor dem Einschlafen charakterisiert wird. Die Resultate der Kalziumanalysen der wahrend dieser Phase entnommenen Blutproben sind in der Tabelle I1 zusam- mengestellt. Aus den Resultaten der Kalziumanalysen, in Pro- zenten des Ausgangswertes ausgedriickt, sind die Durchschnitts- zahlen fur jede Person ausgerechnet.. Diese Durchschnittszahlen gibt die Tabelle 111 wieder.

Ein Bliek auf die Tabelle gibt sofort an die Hand, dass die nega- tiven Ziffern durchwegs dominieren; unter dem Einfluss des Som- nifens ist der Kalziumgehalt in der Mehrzahl der Falle gesunken.

Die grosste Senkung ist in den Blutproben wahrzunehmen, die mahrend des Schlafes entnommen sind. Die hochste Ziffer ist - 39.4 %. Die einzelnen Palle wiesen indes sehr ungleich grosse Ziffern auf und unter allen negativen Ziffern begegnet uns such cine positive Zahl, die sogar verbliiffend hoch ist: + 27.0 yo.

Wahrend die von Cloetta und seinen Schiilern ausgefiihrten Tierversuche eine Abnahme des Blutkalziums als einen konstan- ten Befund wahrend des Schlafes ergaben, geht aus meinen Ver- suchen hervor, dass wahrend des bei Menschen durch Somnifen hervorgerufenen Schlafes eine mehr oder minder hochgradige Senkung des Kalziumgehaltes unter den Norma.lwert die Regel ist, doch nicht absolut konstant.

PSYCHISCHE BEEINFLUSSUNQ DES BLTJTSERUM-KALKSPIEGELS. 391

I n der Mehrzahl der Falle, wo dem Einschlafen ein Zustand von Ruhe, Friede und Schlafrigkeit vorausging, zeigt das Blut- kalzium eine sinkende Kurve, deren niedrigster Punkt wahrend des Schlafes erreicht wurde. Sind wahrend der Versuche Zustande von Unruhe und Reiz mit grosserer Munterkeit und Vitalitat oder dergl. hinzugekommen, so hat sich dies in Form einer Steige- rung des Blutkalziums abgespiegelt. Eine derartige so gut wie ideale Kurve zeigt die Versuchsperson 11. Aber auch in diesem Palle, wie in beinahe allen iibrigen, findet man Kalziumwerte, die sich nicht in dieses Schema einfiigen lassen. So zeigen die Versuchspersonen VI und I mitten im Schlaf plotzlich eine Kal- ziumsteigerung von bzw. 2'7.0 % und 16.4 %, und bei der Versuchs- person V wird der niedrigste Kalziumwert zu einem Zeitpunkt er- reicht, wo sie sich besonders munter fiihlt.

Im Versuch IV gibt die Durchschnittszahl der Blutanalysen einen negativen Blutkalziumprozent an, obwohl die Versuchs- person sich wahrend der ganzen Dauer des Versuches nicht schlaf- rig fiihlte und auch erst 1 ' I 2 Stunden nach der Unterbrechung des Versuches einschlief. Sie wurde aber in einen Zustand ver- setzt, dessen Art sie mit dem Ausdruck m h o n matt)) und als ))ein angenehmes Gefuhl der Erschlaffungo charakterisierte. Zu die- sem Zeitpunkt war der Kalziumspiegel des Blutes niedrig, als sich aber zufalligerweise ein storender Zwjschenfall in den Versuch mischte, wurde die Kalziumdifferenz positiv. Der Zweck des Ver- suches, den Einfluss des Einschlafens und des Schlafens zu be- obachten, wurde nicht erreicht, wohl aber erhielt dieser Versuch einen den von Gleser, Hisinger-Jagerskiold, Kretschmer und Kriiger geschilderten Versuchen analogen Verlauf .

Im grossen ganzen durfte dies von der gesamten vorliegenden Untersuchungsserie gelten konnen. Sie scheint an die Hand zu geben, dass der Schlaf, wenigstens der unter dem Einfluss von Schlafmitteln entstehende, keine Sonderstellung einnimmt, wie Cloetta und seine Schiiler annahmen, sondern dass sein Terhaltnis zum Blutkalk dasselbe ist, wie das bei einer ruhigen Gemiitsstim- mung iiberhaupt.

Es scheint mir also BUS den fruher angefuhrten Untersuchungen und der vorliegenden hervorzugehen, dass psychische Punktionen sich in der chemischen Zusammensetzung des Blutes derart wieder- spiegeln konnen, dass psychische Zustlinde, die a h Ruhezustande zu charakterisieren sind, meistens mit einer Abnalime des Blutkal- ziumgehalts, Unruhezustande wiederum zumeist nait einer Steigerung

392 M. CH. EHRSTROM.

des Blutkalziunbs einsetzen. Zur Verdeutlichung muss selbstver- standlich betont werden, dass die bisher ausgefiihrten Unter- suchungen lediglich grobere, leicht wahrnehmbare Affektverschie- bungen betra.fen.

Wenn auch die Zahl der Ausnahmen von der Regel verhaltnis- massig gering kt, so ist deren Vorkommen doch geeignet, die Be- wertung der gemachten Beobachtungen zu erschweren. 1st das Ganze ein Zufall, gibt es andere, uns unbekannte Faktoren, die den Blutkalk beeinflussen und die im Grunde mit der Gemiitsstimmung nichts zu tun haben, sich aber zufalligerweise gleichzeitig mit dem Wechsel des Gemutszustandes geltend machen? Eine sichere Ant- wort auf die Frage kann selbstverstandlich noch nicht gegeben werden. Nichtsdestoweniger scheint es, als ob eine solche ver- neinende Erklarung weniger wahrscheinlich ware. Obwohl die Beobachtungen, die das hier geschilderte Verhaltnis zwischen der Gemiitsstimmung und den Ionen des Blutes angeben, bei recht verschiedenen Versuchsanordnungen gemacht worden sind, so ist das Untersuchungsresultat doch so ubereinstimmend, dass man sich einen fremden Faktor schwerlich als Ursache denken kann, der immer und immer wieder gleichzeitig mit dem fur alle Ver- suche gemeinsamen - dem Gemutszustand - wirken wiirde, ohne von diesem abhangig zii sein.

1st dies zutreffend, so fragt man sich, auf welchem Wege die psychischen Funktionen den Blutchemismus beeinflussen konnen. Verschiedene Erklarungsgriinde sind aufgestellt worden.

Wie einleitungsweise hervorgehoben wurde, haben die meisten Autoren, wie Glaser, Kretschmer und Kruger sowie Hisinger- Jagerskiold die Erklarung der Blutveranderungen in einer neben dem psychischen Zustand einhergehenden Tonusveranderung des vegetativen Nervensystems gesucht. Cloetta und seine Schiiler versuchten die Frage weiter zu fiihren mit Anwendung der Er- fahrungen, die sie auf Kraus), Zondeks und Billigheimers fruher angefiihrten Beobachtungen stutzten. Sie dachten sich den Her- gang so, dass die wahrend des Schlafes im Blut gefundene Kalzium- abnahme anf einem Kalziumtransport nach dem Gehirn beruhe. Um dies zu ermitteln, machten Cloetta und Thomann vergleichende quantitative Kalziumbestimmungen an Gehirnen von Hunden, die unter Narkose und von Hunden, die im wachen Zustande getotet worden waren. Der Kalkgehalt in den Gehirnen verschiedener

PSYCHISCHE BEEINFLUSSUNG DIGS BLUTSERUM-KALKSPIEOELS. 393

Hunde zeigte sich indes in so hohem Grade schwankend, dass keine sicheren Schlusse aus den Versuchen zu ziehen waren.

Spaterhin sind indes Untersuchungen ausgefuhrt worden, die der genannten Theorie eine gewisse Stutze zu bieten scheinen. Demole machte im Jahre 1926 Versuche mit intrazerebralen Kal- ziumchlorid- und Kaliumchlorid-Injektionen an Katzen. Wenn das Kalziumchlorid in den Tuber cinererum oder in dessen nachste Umgebung eingespritzt wurde, fuhrte es bei den Katzen einen Schlaf herbei, dessen Tiefe und Dauer in direktem Verhaltnis zur Grosse der Kalziumchloriddosis standen. Kaliumchlorid, an der- selben Stelle eingespritzt,_versetzte die Tiere in starke Eriegung, die in einigen Fallen sich bis zu eRaptus epilepticuss-ahnlichen Anfallen steigerte. Diese Erregung konnte unterdruckt werden, wenn auf die Kaliumchloridinjektion eine Kalziumchloridein- spritzung an derselben Stelle erfolgte.

Die Versuche sind im Jahre 1929 von Berggren und Moberg kontrolliert worden. Kalziumchlorid, in den Tuber cinereum oder in dessen nachste Umgebung eingespritzt, bewirkte bei den Ver- suchstieren Schlaf oder Somnolenz. Ringerlosung in gleichen Mengen war wirkungslos. Lediglich Einstiche in den genannten Gehirnteil machten die Tiere fur eine Weile somnolent. Xhnlich verhielt es sich mit kleinen Dosen Kaliumchlorid, wahrend gros- sere Dosen die Tiere in Erregung versetzten. - Die Versuche sind mithin nicht eindeutig, da man bei ihrem Verlauf die Rolle des Einstichs nicht ausschalten kann.

Weitere Stutzen fur die Theorie von der Rolle des Gehirns bei der Kalziumverschiebung gab Fischer im J . 1928. Er exstirpierte sukzessive das Gehirn von Hunden und untersuchte den Kalzium- gehalt des Blutes wahrend eines durch Somnifen herbeigefuhrten Schlafes. Hirnrindenlose Hunde reagierten mit der ublichen Ionen- verschiebung. Hunde, die lediglich die Medulla oblongata iibrig hatten, zeigten nach der Somnifeninjektion Zeichen, die der Autor als Schlaf deutet, hatten aber keine Blutveranderungen.

Nach den vorgelegten Erklarungen nahmen also die Ionenver- schiebungen wahrend des Schlafes eine Sonderstellung ein, indem das Gehirn dabei eine entscheidende Rolle spielte. Bedenkt man aber, dass der Tuber cinereum mit seiner nachsten Umgebung - also der Teil des Gehirns, den Demole fur das Schlafzentrum hielt, und wo Demole, Berggren, und Moberg das Kalziumchlorid appli- zierten - innerhalb des von v. Economo postulierten Schlafregu- lierungszentrums liegt, bietet sich doch eine einheitliche Erklarung.

394 ;II. CH. EHRSTROM

v. Economo zahlt das Schlafregulierungszentrum zum vegeta- tiven System. Die Annahme liegt mithin nahe bei der Hand, dass der Korper sich bei der Instrumentierung der Funktion des Schlafregulierungszentrums der Kalzium- und Kaliumionen be- dienen wiirde. Man kann sich also denken, dass eine Reizung des Schlafregulierungszentrums mit einer Kalziumionenkonzentration in diesem Teil des Gehirns einsetzt. Wenn diese Kalziumionen dem Blut entzogen werden, dessen Kalziumgehalt folglich sinkt, sieht es aus, als ob der Schlaf mit einer Abnahme des Blutkalziumge- halts eingesetzt hatte. Das Einschlafen und der Schlaf sind indes sicherlich sehr komplizierte Vorgange. Sie sind von einer Menge Schwankungen des Gemutszustandes und der Gemiitsstimmungen begleitet und es erscheint wahrscheinlich, dass nicht der Sclilaf als solcher sondern diese Wechsel des Gemutszustandes die Haupt- ursache der in meinen Versuchen gefundenen Blutkalkveranderun- gen gewesen sind.

Gegen diese Deutung kann aber die allgemeine Bemerkung ge- macht werden, dass unsere Kenntnis von den Gesetzen, die den Kalziumgehalt des Blutes regeln, nicht so umfassend ist, dass wir die Moglichkeit eines Einflusses anderer, uns noch unbekannter Faktoren kathegorisch verneinen konnten. Es waren mit anderen Worten diese etwaigen Paktoren, nicht die Gemutsstimmung, die die von mir und anderen beobachteten Veranderungen des Blut- serum-Kalkspiegels bedingt hatten. Wenn man sich fur verpflichtet halt, eine solche Auffassung zu vertreten, folgt daraus, dass weder ich noch andere vorlaufig irgendwelche bindenden Beweise f iir den Einfluss psychischer Zustande auf den Kalkspiegel des Blutes ha- ben liefern konnen. Wie ich oben ausseinandergesetzt habe (S. 392), ist eine solche Buffassung doch vielleicht allzu skeptisch.

Literatur.

Berggren und Moberg, Experimentelle Untersuchungen zum Prob- lem des Schlafes. Acta psychiat. et neurol. 4, 1. 1929. - Billigheimer, Der Calciumspiegel im Elute und seine Beeinflussung durch verschie- dene Gifte. Klin. Wochenschr. 1922, 256. - Brauchli und Schnider, Ober die Ionenverschiebungen im Blut bei Narkose- und Erregungs- zustanden. Arch. f . experim. Pathol. u. Pharmak. 119, 249, 1926. - Cloetta und Brauchli, Der Einfluss des Morphins auf den Ionen- gehalt des Blutplasmas. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmak. 111, 254, 1926. - Cloetta und Thomann, Chemisch-physikalische Unter- suchungen zur Teori der Narkose. Arch. f. experim. Pathol. u. Phar-

PSYCHISCHE BEEINFLUSSUNG DES BLUTSERUM-KALKSPIEGELS. 395

mak. 103, 260. 1924. - Demole, Pharmalogisch-anatomkche Unter- suchungen zum Problem des Schlafes. Arch. f. experim. Pathol. und Pharmak. 120, 229, 1927. - v. Economo, Encephalitis lethargica. Berlin 1929. - Fischer, Die Rolle des Calciums beim Zustandekom- men von Narkose und Erregungszustanden am rindenlosen und am vollig dezerebrierten Tier. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmak. 138, 169. 1928. - Glaser, Psychische Beeinflussung des Blutserum- Kalkspiegels. Klin. Wocbenschr. 1924, 1492. - Hisinger-Jagerskiold, Narkotiskn amnens inverkan p& kalcium och fosfor i blodserum. Finska lakaresallsk. handl. 67, 880. 1925. - Kraus, Vegetatives System und Individualitet. Med. Klinik. 1922, 1515. - Kretschmer und Kriiger, Serumkalkgehalt in der Hypnose. Klin. Wochenschr. 1927, 695. - Tomasson, Psychische Beeinflussung des Serumcalciumspiegels. Klin. Wochenschr. 1924, 2055. - Zondek, Die Bedeutung des Antagonismus von Kalium und Calcium fur die Physiologie und Pathologie. Klin. Wochenschr 1923, 382.