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Stefan Klöppel Frank Jessen (Hrsg.) Praxishandbuch Gerontopsychiatrie und -psychotherapie Diagnostik und Therapie im höheren Lebensalter

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Stefan Klöppel Frank Jessen (Hrsg.)

Praxishandbuch Gerontopsychiatrie und -psychotherapieDiagnostik und Therapie im höheren Lebensalter

Inhaltsverzeichnis

A Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1 Die Gerontopsychiatrie Steffi Riedel-Heller, Ananda Hahl, Tobias Luck und Bernhard Heimbach . . . . . . . . . . . . . 3

1.1 Die Häufi gkeit psychischer Störungen im AlterSteffi Riedel-Heller, Ananda Hahl und Tobias Luck  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.1.1 Zunahme der Langlebigkeit . . . . . . . 31.1.2 Wie lässt sich die Häufi gkeit psychischer

Störungen im Alter erfassen? . . . . . . 41.1.3 Demenzerkrankungen –

steiler Anstieg mit dem Alter . . . . . . 51.1.4 Leichte kognitive Störungen – im Fokus

des aktuellen Interesses . . . . . . . . . 51.1.5 Delir – in der Bevölkerung selten, in

der stationären Versorgung häufi g . . 61.1.6 Depression – bevölkerungs medizinische

Bedeutung im Alter bisher unterschätzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1.1.7 Suizide im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . 71.1.8 Angsterkrankungen – im Alter zu wenig

beachtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.1.9 Somatoforme Störungen in der

Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.1.10 Schizophrenie und psychotische

Syndrome im Alter . . . . . . . . . . . . . . 81.1.11 Zwangsstörungen im Alter . . . . . . . . 81.2 Der geriatrische Patient in der

GerontopsychiatrieBernhard Heimbach . . . . . . . . . . . . . 10

1.2.1 Geriatrischer Patient . . . . . . . . . . . . 101.2.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.2.3 Identifi kation geriatrischer Patient . . 111.2.4 Geriatrietypische Multimorbidität . . . 111.2.5 Anamnese (underreporting) . . . . . . . 121.2.6 Sarkopenie und Frailty . . . . . . . . . . . 131.2.7 Geriatrisches Assessment . . . . . . . . 15

2 End of Life Treatment und Palliativversorgung Klaus Maria Perrar und Heidrun Golla  . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.1 Palliativmedizin und Gerontopsychiatrie . . . . . . . . . . . . . 19

2.2 Gesundheitliche Versorgungsplanung . . . . . . . . . . . 20

2.3 Ethische Fragestellungen und Fallbesprechungen . . . . . . . . . . . . . 20

2.4 Sterbephase . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.4.1 Anzeichen des nahenden

Versterbens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.4.2 Therapie- und Pfl egeziel änderung . . 222.4.3 Verzicht auf Verlegung in ein

Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.4.4 Nahrungs- und

Flüssigkeitsaufnahme . . . . . . . . . . . 222.5 Bestmögliche Betreuung

Sterbender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.6 Medikamente zur Symptomlinderung

in der Sterbephase . . . . . . . . . . . . . 232.7 Versorgungsstrukturen der Hospiz-

und Palliativversorgung . . . . . . . . . 242.7.1 Allgemeine Palliativ versorgung . . . . 242.7.2 Spezialisierte Palliativ versorgung . . . 25

3 Sozialpsychiatrische Konzepte und Versorgungsstrukturen im AlterClaudia Lötscher, Armin von Gunten und Thomas Leyhe . . . . . . . . . . . . . . 27

3.1 Sozialpsychiatrie . . . . . . . . . . . . . . 273.1.1 Sozialpsychiatrisches Denken und

Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283.1.2 Sozialpsychiatrie im Alter . . . . . . . . . 283.2 Ambulante Versorgung . . . . . . . . . 293.2.1 Mobiles Team . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.2.2 Case Management . . . . . . . . . . . . . 293.2.3 Zugehende Beratung . . . . . . . . . . . . 303.2.4 Konsiliar- und Liaisontätigkeit . . . . . 31

24435_Kloeppel.indb XIII24435_Kloeppel.indb XIII 30.08.2017 08:17:4430.08.2017 08:17:44

XIV Inhaltsverzeichnis

3.2.5 Tagesstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313.2.6 Strukturelle Netzwerkarbeit . . . . . . . 32

B Therapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4 Psychotherapie im Alter Simon Forstmeier, Bernd Ibach, Bernadette Ruhwinkel  . . . . . . . . . . . 37

4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374.2 Grundlagen der Psycho therapie . . . 384.2.1 Gerontopsychologische Modelle . . . 384.2.2 Allgemeine altersbezogene

Modifi zierungen psychotherapeutischer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

4.2.3 Verbreitung von Psychotherapie im Alter . . . . . . . . . . 39

4.3 Kognitiv-verhaltens therapeutische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

4.3.1 Behaviorale Verfahren . . . . . . . . . . . 394.3.2 Kognitive Verfahren . . . . . . . . . . . . . 404.3.3 Achtsamkeitsbasierte Verfahren . . . . 414.4 Psychodynamische Verfahren . . . . . 414.4.1 Altersspezifi sche Konfl ikte und

Aktualkonfl ikte . . . . . . . . . . . . . . . . 414.4.2 Psychodynamische Gruppen therapie 434.4.3 Spezielle

Übertragungs konstellationen . . . . . . 434.5 Systemische Verfahren . . . . . . . . . . 444.5.1 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . 444.5.2 Thematische Besonderheiten . . . . . . 454.5.3 Systemische Paartherapie . . . . . . . . 454.6 Wirksamkeitsnachweise . . . . . . . . . 46

5 Pharmakotherapie bei älteren Patienten Heinrich Burkhardt  . . . . . . . . . . . . . 49

5.1 Epidemiologie und grundlegende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

5.2 Altersassoziierte Veränderungen der Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . . 50

5.3 Altersassoziierte Veränderungen der Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . . 51

5.4 Nutzen-Risiko-Relation bei älteren und geriatrischen Patienten . . . . . . 53

5.5 Spezielle unerwünschte Wirkungen – allgemein und bei Älteren . . . . . . . 54

5.6 Polypharmazie und Multimorbidität . . . . . . . . . . . . . . . 56

5.7 Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 575.8 Selbstmanagement . . . . . . . . . . . . 585.9 Monitoring und Risiko minimierung 595.10 Maßnahmen und Hilfen zur

rationalen Pharmako therapie bei Älteren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

6 Adhärenz bei älteren PatientenHeinrich Burkhardt  . . . . . . . . . . . . . 63

6.1 Allgemeine Aspekte und epidemiologische Daten . . . . . . . . 63

6.2 Kategorisierungen und theoretische Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

6.3 Psychologische Aspekte und Patientenwissen . . . . . . . . . . . . . . . 66

6.4 Besonderheiten bei älteren Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

6.5 Beratung und Interventionen . . . . . 686.6 Arzt-Patient-Beziehung und

Adhärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

C Krankheitsspezifi sche Besonderheiten bei der Behandlung älterer Patienten . . 71

7 Kognitive Störungen Egemen Savaskan und Axel Wollmer  . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

7.1 Das Delir im Alter: Klinische Besonderheiten und TherapieEgemen Savaskan  . . . . . . . . . . . . . . 73

7.1.1 Defi nition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737.1.2 Prävalenz im Alter . . . . . . . . . . . . . . 747.1.3 Pathologische Veränderungen . . . . . 747.1.4 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 757.1.5 Vorhandene Leitlinien und

Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 757.1.6 Klinische Besonderheiten . . . . . . . . . 767.1.7 Diagnostik und Assessment . . . . . . . 767.1.8 Prävention des Delirs im Alter . . . . . 777.1.9 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

24435_Kloeppel.indb XIV24435_Kloeppel.indb XIV 30.08.2017 08:17:4430.08.2017 08:17:44

XVInhaltsverzeichnis

7.2 DemenzenAxel Wollmer  . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

7.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827.2.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837.2.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1017.2.4 Behavioral and Psychological

Symptoms of Dementia . . . . . . . . . . 1067.2.5 Versorgungsaspekte . . . . . . . . . . . . 115

8 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen/Sucht und Substanzstörungen im Alter Stephan Mühlig und Dirk K. Wolter  . 121

8.1 Defi nitionen und Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . 121

8.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 1238.2.1 Substanzbezogene Störungen . . . . . 1238.2.2 Alkoholbezogene Störungen . . . . . . 1258.2.3 Tabakbezogene Störungen . . . . . . . 1268.2.4 Medikamentenbezogene

Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1268.3 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1288.4 Therapiemöglichkeiten . . . . . . . . . . 1318.4.1 Alkoholbezogene Störungen . . . . . . 1328.4.2 Tabakbezogene Störungen . . . . . . . 1398.4.3 Medikamentenbezogene Störungen 141

9 Psychoseerkrankungen im höheren Lebensalter Tillmann Supprian  . . . . . . . . . . . . . . 153

9.1 Paranoid-halluzinatorische Psychosen mit Erstmanifestation im höheren Lebensalter und das Konzept der „Spätschizophrenie“ . . . . . . . . . . . 153

9.2 Wahnhafte Störungen und die Frage einer sog. „Altersparanoia“ . . . . . . 155

9.3 Organische psychische Störungen . 1569.4 Chronische schizophrene Psychosen

im höheren Alter . . . . . . . . . . . . . . 1589.5 Syndrome wahnhafter

Missidentifi kationen . . . . . . . . . . . 1599.5.1 Capgras-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . 1599.5.2 Fregoli-Syndom . . . . . . . . . . . . . . . . 1599.5.3 Derealisationen . . . . . . . . . . . . . . . . 1609.6 Hypochondrischer Wahn . . . . . . . . 1609.6.1 Eigengeruchswahn . . . . . . . . . . . . . 160

9.6.2 Dermatozoen-Wahn . . . . . . . . . . . . 1619.6.3 Wahnhafte Dysmorphophobie . . . . . 1619.7 Halluzinatorische Syndrome . . . . . . 1619.7.1 Charles-Bonnet-Syndrom . . . . . . . . . 1619.7.2 Musische Halluzinationen . . . . . . . . 1629.8 Therapie psychotischer Störungen

im höheren Lebensalter . . . . . . . . . 162

10 Affektive Störungen Stefan Klöppel, Peter Brieger und Hans-Jörg Assion . . . . . . . . . . . . . . . 167

10.1 Depression im AlterStefan Klöppel  . . . . . . . . . . . . . . . . 167

10.1.1 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 16710.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16810.1.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17010.1.4 Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . 17010.1.5 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 17810.1.6 Nicht-invasive Hirnstimulation . . . . . 17810.1.7 Schlafentzug, Licht- und

Bewegungstherapie . . . . . . . . . . . . . 17910.1.8 Mehrdimensionale Therapieansätze 17910.1.9 Antidepressive Therapien bei

somatischen Grundkrankheiten . . . . 17910.2 Bipolare Störung im Alter

Peter Brieger und Hans-Jörg Assion  18510.2.1 Formen bipolarer Störungen im

höheren Lebensalter . . . . . . . . . . . . 18610.2.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 18610.2.3 Verlauf und Ausgang . . . . . . . . . . . . 18710.2.4 Klinik/Psychopathologie . . . . . . . . . 18810.2.5 Diagnose und Differenzial diagnose

im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18910.2.6 Früh- und Spät manifestationen . . . . 19110.2.7 Behandlung der bipolaren Störung . 193

11 Angststörungen im Alter Borwin Bandelow, Klaus Pfeiffer, Sefi k Tagay, Marion Lindner und Tobias Freyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

11.1 Angst im AlterBorwin Bandelow  . . . . . . . . . . . . . . 199

11.1.1 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20011.1.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 20011.1.3 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20211.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

24435_Kloeppel.indb XV24435_Kloeppel.indb XV 30.08.2017 08:17:4430.08.2017 08:17:44

XVI Inhaltsverzeichnis

11.1.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20611.2 Sturzangst

Klaus Pfeiffer  . . . . . . . . . . . . . . . . . 20711.2.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20711.2.2 Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20911.2.3 Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21011.3 Delayed-Onset PTSD bei älteren

MenschenSefi k Tagay und Marion Lindner  . . . . 212

11.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21211.3.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 21311.3.3 Erklärungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . 21311.3.4 Behandlungsansätze . . . . . . . . . . . . 21511.4 Zwangsstörungen im Alter

Tobias Freyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

D Psychiatrische Ursachen häufi ger Symptome in der Altersmedizin . . . . . . . . . . . . . . . 219

12 Mangelernährung in der Gerontopsychiatrie Heinz Unger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

12.1 Defi nition Malnutrition . . . . . . . . . 22112.2 Prävalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22212.3 Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22212.3.1 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22212.4 Malnutrition und Polymedikation . 22312.5 Malnutrition und Hyponatriämie . . 22312.6 Malnutrition in der

Gerontopsychiatrie . . . . . . . . . . . . . 22412.7 Mikronährstoffe und

gerontopsychiatrische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . 225

12.8 Diagnostik einer Malnutrition . . . . 22612.9 Was tun bei geronto psychiatrischen

Patienten, die nicht gut essen? . . . 22612.10 Ethische Probleme bei der Ernährung

von Patienten mit fortgeschrittener Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

12.11 Demenzprävention durch Ernährung? . . . . . . . . . . . . . 227

13 Schlafstörungen im AlterLukas Frase, Dieter Riemann, Claudio L. A. Bassetti und Christoph Nissen  . . . . . 231

13.1 Defi nition und Epidemiologie . . . . . 23113.2 Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . 23213.2.1 Schlafbezogene Verhaltensweisen . . 23313.2.2 Zirkadiane Besonderheiten im Alter 23413.2.3 Schlaf und Wachheit

beeinträchtigende Substanzen . . . . . 23513.2.4 Symptomatische Schlafstörungen bei

anderweitigen Erkrankungen . . . . . . 23513.3 Spezifi sche Schlafstörungen . . . . . . 23613.3.1 Insomnien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23613.3.2 Restless-Legs-Syndrom . . . . . . . . . . 23813.3.3 Komplexe nächtliche

Verhaltensstörungen . . . . . . . . . . . . 23913.3.4 Schlafbezogene

Atmungs störungen . . . . . . . . . . . . . 239

14 Störungen der Sexualfunktion im Alter Maximilian Bröse und Michael Berner  . . . . . . . . . . . . . . . . 243

14.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24314.2 Lust und Sexualität im Alter . . . . . . 24414.3 Altern und sexuelle Dysfunktion . . 24414.4 Wichtige medizinische

Komorbiditäten von sexuellen Funktionsstörungen im Alter . . . . . 245

14.4.1 Kardiovaskuläre Probleme . . . . . . . . 24514.4.2 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . 24514.4.3 Depressionen und andere

psychiatrische Erkrankungen sowie Psychopharmakotherapie . . . . . . . . 246

14.5 Sexuelle Störungen im Alter im Kontext hormoneller Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . 247

14.6 Sexualität unter Pfl egeheimbewohnern . . . . . . . . . . 248

14.7 Sexualität und unangemessenes sexuelles Verhalten bei Demenz und Morbus Parkinson . . . . . . . . . . . . . 248

14.8 Diagnostische und therapeutische Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

24435_Kloeppel.indb XVI24435_Kloeppel.indb XVI 30.08.2017 08:17:4430.08.2017 08:17:44

XVIIInhaltsverzeichnis

15 Somatoforme Störungen Christian Albus  . . . . . . . . . . . . . . . . 251

15.1 Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . 25115.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 25215.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25215.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25215.3.2 Klinische Diagnostik . . . . . . . . . . . . 25315.3.3 Wichtige Differenzial diagnosen . . . . 25515.3.4 Erkennen von schweren

Krankheitsverläufen . . . . . . . . . . . . 25515.3.5 Zusammenfassung Diagnostik . . . . . 25615.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25615.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25615.4.2 Psychosomatische

Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . 25815.4.3 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 25915.4.4 Medikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26015.4.5 Zusammenfassung Therapie . . . . . . . 260

16 Persönlichkeitsstörungen im Alter Robert Perneczky . . . . . . . . . . . . . . . 263

16.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26416.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 26416.2.1 Prävalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26416.3 Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . 26516.3.1 Alzheimer-Demenz . . . . . . . . . . . . . 26516.3.2 Andere Demenzerkrankungen . . . . . 26616.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26616.4.1 Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . 26616.4.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 26716.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

17 Aufmerksamkeitsdefi zit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Alter Swantje Matthies  . . . . . . . . . . . . . . 271

17.1 ADHS als Erkrankung der Lebensspanne . . . . . . . . . . . . . . . . 271

17.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27217.3 Prävalenz und Persistenz . . . . . . . . 27317.4 Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . 27317.5 Neuropsychologische

Auffälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 27317.6 Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . 27317.7 Psychosoziale Auswirkungen . . . . . 27417.8 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27417.8.1 Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . 27417.8.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 274

18 Autismus im hohen Alter Ludger Tebartz van Elst  . . . . . . . . . . 277

18.1 Autismus, Eigenschaftscluster, Störung und Erkrankung der gesamten Lebensspanne . . . . . . . . 277

18.1.1 Epidemiologie und Diagnostik . . . . . 27818.1.2 Autismus zwischen Normvariante und

neuropsychiatrischer Krankheit . . . . 27918.1.3 Komorbidität und

Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . . 27918.1.4 Autistische Besonderheiten im

hohen Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28018.2 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28018.2.1 Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . 28018.2.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

24435_Kloeppel.indb XVII24435_Kloeppel.indb XVII 30.08.2017 08:17:4530.08.2017 08:17:45

KAPITEL

10 Stefan Klöppel, Peter Brieger und Hans-Jörg Assion

Affektive Störungen

10.1 Depression im AlterStefan Klöppel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

10.1.1 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16710.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16810.1.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17010.1.4 Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17010.1.5 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17810.1.6 Nicht-invasive Hirnstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17810.1.7 Schlafentzug, Licht- und Bewegungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17910.1.8 Mehrdimensionale Therapieansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17910.1.9 Antidepressive Therapien bei somatischen Grundkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

10.2 Bipolare Störung im AlterPeter Brieger und Hans-Jörg Assion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

10.2.1 Formen bipolarer Störungen im höheren Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18610.2.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18610.2.3 Verlauf und Ausgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18710.2.4 Klinik/Psychopathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18810.2.5 Diagnose und Differenzial diagnose im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18910.2.6 Früh- und Spät manifestationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19110.2.7 Behandlung der bipolaren Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

10.1 Depression im AlterStefan Klöppel

10.1.1 Epidemiologie

Die Defi nition der Depression im Alter ist uneinheit-lich. Häufi g werden depressive Episoden oberhalb von 60 Jahren subsumiert (late-life depression, LLD ). Nur teilweise erfolgt eine Unterscheidung zwischen depressiven Episoden, die sich erstmals im höheren Alter manifestieren (late-onset depression, LOD ) und rezidivierenden Verläufen, die bereits in jün-geren Jahren begannen. Die Mehrzahl der Depressio-nen manifestiert sich erstmals vor dem 30. Lebens-

Tab. 10.1 Depression – Übersicht zum Krankheitsbild

Punktprävalenz Bei Patienten über 75 Jahren beträgt die Wahrscheinlichkeit an einer Major Depression zu erkranken 4–7 % und 17–40 % für eine depressive Sympto-matik. Innerhalb von Pfl egeheimen be-steht eine deutlich höhere Rate.

Erkrankungs-gipfel

Die Mehrzahl der Depressionen mani-festiert sich vor dem 30. Lebensjahr. Im höheren Alter dominieren subsyndroma-le Manifestationen.

Besonderhei-ten bei älteren Menschen

Die Erstmanifestation im höheren Alter ist häufi g mit hirnstrukturellen Verände-rungen verbunden.

Relevante Leit-linien

S3-Leitlinien/Nationale Versorgungsleit-linie Unipolare Depression 2015.

24435_Kloeppel.indb 16724435_Kloeppel.indb 167 30.08.2017 08:18:0430.08.2017 08:18:04

168 10 Affektive Störungen

10

jahr und zeigt einen rezidivierenden Verlauf. Eine Reihe von Studien zeigt einen Rückgang schwerer depressiver Episoden mit dem höheren Lebensalter, während sich depressive Symptome, die nicht die Di-agnosekriterien einer schweren Episode erfüllen, eher vermehren. Dies könnte jedoch dadurch erklärt werden, dass die Depression sich anders manifestiert und deshalb nicht in das diagnostische Schema von ICD und DSM passt. Tatsächlich zeigen entsprechen-de Erhebungen eine Betonung somatischer Sympto-me bei älteren depressiven Patienten. Entsprechend hängt die Frage der Häufi gkeit von depressiven Epi-soden im Alter stark von den verwendeten Kriterien ab. 4–7 % der älteren Menschen leiden an einer schweren depressiven Episode (Luppa et al. 2012). (› Kap. 1.1.2). Klinisch relevante depressive Symp-tome, die aber nicht die Diagnosekriterien einer schweren Depression erfüllen, sind jedoch 2–3-mal häufi ger. In Pfl egeheimen ist fast die Hälft e der Be-wohner von relevanten depressiven Symptomen be-troff en (Diniz und Reynolds 2014). Innerhalb der Gruppe der Älteren tritt eine Häufung um den Zeit-punkt der Berentung auf. Dies dürft e durch den da-mit verbundenen Rollenwechsel, den Rückgang von Sozialprestige und die dadurch resultierenden Ver-änderungen in der Partnerschaft erklärbar sein. Jen-seits des 70. Lebensjahres kommt es eher zu einer Abnahme schwerer Depressionen (Byers et al. 2010). Unbehandelte Depressionen sind mit einer insge-samt schlechteren körperlichen Verfassung assozi-iert. Durch die erhöhte Inanspruchnahme des Ge-sundheitssystems entstehen rund 40 % höhere Kos-ten bei Depressiven im Vergleich zu Nicht-Depressi-ven (Luppa et al. 2008). Diese Fakten zeigen die Relevanz depressiver Erkrankungen im Alter.

Während bei jüngeren Patienten im Falle einer leichten Depression ein Watchful Waiting sinnvoll sein kann, verschlechtert sich eine leichte depressive Episode bei Älteren häufi ger: bis zu 25 % im Verlauf (Lyness et al. 2006), bzw. 8–10 % pro Jahr (Meeks et al. 2011) und auch beim Beginn im höheren Alter be-steht eine starke Tendenz zum Rezidiv: bis zu 60 % (Flint und Rifat 1999). Zudem ist die Dauer depressi-ver Episoden länger (nach einigen Studien bis zu 18 Monate und damit etwa 3-mal länger als bei Jünge-ren). Auf der anderen Seite ist die antidepressive Th erapie bei Älteren häufi ger mit Komplikationen (z. B. Stürzen, vaskulären Ereignissen) verbunden.

10.1.2 Diagnostik

Klinische Diagnostik

Die Diagnose einer Depression erfolgt alleine an-hand klinischer Kriterien (aktuell noch nach ICD-10) (› Tab. 10.2). Eine Unterscheidung in eine für das Alter typische Form existiert nicht mehr, weder im DSM-5-System noch in der Beta-Version des ICD-11. Trotzdem zeigen Studien, dass sich Depres-sionen bei Älteren häufi ger mit körperlichen (insb. gastrointestinalen) Symptomen , Hypochondrie und Agitiertheit manifestieren. Schuldgefühle und sexu-elle Beeinträchtigungen werden dagegen eher selte-ner berichtet (Hegeman et al. 2012).

In der Diagnostik erfolgt die Einteilung der uni-polaren Depressionsarten nach ICD-10 wie folgt:• Leichte Depression: zwei Hauptsymptome und

zwei Zusatzsymptome• Mittelschwere Depression: zwei Hauptsymptome

und drei bis vier Zusatzsymptome• Schwere Depression: alle drei Hauptsymptome

und mindestens vier Zusatzsymptome.Für alle Schweregrade gilt, dass die Symptome für mindestens 2 Wochen vorhanden sein müssen.

M E R K EEine Unterscheidung zwischen einer ersten depressiven Episode und einer wiederkehrenden Depression ist im Hinblick auf Erhaltungstherapie und ggf. Sekundärpro-phylaxe wichtig. Kürzlich zurückliegende Episoden sind dabei jedoch bedeutsamer als solche die schon Jahrzehn-te vergangen sind, wobei dies auch die Anamneseerhe-bung erleichtert. (› Kap. 10.2.5) für die Abgrenzung einer gemischten Episode einer bipolaren Störung.

Testdiagnostik bei älteren Patienten

In Forschung und Praxis haben sich eine Reihe von Fragebögen etabliert, mit denen der Schweregrad depressiver Symptome (entspricht nicht der forma-len Diagnose einer Depression nach o. g. Haupt- und Zusatzsymptomen) dokumentiert werden kann. Mit der bei jüngeren Patienten gut etablierten Depressi-onsskala II nach Beck (BDI II; Beck et al. 1996) sind ältere Patienten teilweise überfordert. Für Ältere entwickelte Fragebögen sollen auch die Abgrenzung zwischen depressiven Symptomen und Beeinträchti-

24435_Kloeppel.indb 16824435_Kloeppel.indb 168 30.08.2017 08:18:0430.08.2017 08:18:04

16910.1 Depression im Alter

10

gungen aufgrund körperlicher Erkrankungen er-leichtern. Verfügbar ist u. a. die geriatrische Depres-sionsskala (GDS) (› Abb. 10.1). Diese ist für die meisten Patienten leicht durchführbar. Angstsymp-tome werden jedoch nicht erfasst und auch hier kön-nen körperliche Erkrankungen die Werte fälschlich erhöhen. Die Antworten auf die Items 3, 11, 12 er-lauben jedoch eine Einschätzung der Suizidalität. Validiert zur Abgrenzung zwischen Depression und Alzheimer-Demenz liegt auch ein spezieller Frage-bogen vor (Ihl et al. 2000).

M E R K ESich erstmals im Alter manifestierende Depressionen ge-hen oft mit hirnorganischen Veränderungen (insb. Mikroangiopathie, Hippokampusatrophie) einher. Kogni-tive Verlangsamung und Apathie sowie ein insgesamt schlechteres Ansprechen auf Therapieversuche sind die Folge. Da die gleichen Hirnveränderungen auch das De-menzrisiko erhöhen, tritt klinisch eine erste depressive Episode im Alter gehäuft im Vorfeld einer beginnenden Demenz auf (Diniz et al. 2013).

B O X 1 0 . 1Im DSM-5 wurden die von Älteren oft erfüllten diagnosti-schen Kategorien subthreshold depression und minor de-pression gestrichen. Organisch bedingte depressive Stö-rungen fallen im DSM-5 in die gleiche Kategorie wie ande-re depressive Störungen. Depressive Episoden können mit dem Zusatz „mit Angst“, „mit psychotischen Sympto-men“, „mit gemischten Merkmalen“ etc. qualifi ziert wer-den. Die zwischenzeitlich erwartete engere Verknüpfung der Diagnosen mit biologischen Markern ist nicht erfolgt.Die aktuelle ICD-11 Beta -Version unterscheidet weiter-hin zwischen leichter, mittlerer und schwerer depressiver

Episode. Auch wenn Symptome aus nur wenigen Kate-gorien vorliegen, kann zum Beispiel bei drängenden Sui-zidgedanken oder der Unfähigkeit, aufgrund einer De-pression arbeiten zu gehen, die Diagnose einer schweren Episode vergeben werden.

Einschätzung und Umgang mit Suizidalität

M E R K EDie Suizidgefahr steigt mit dem Alter. Ihre Einschätzung ist deshalb ein wichtiger diagnostischer Aspekt. Beson-ders gefährdet sind alleinstehende ältere Männer und insbesondere dann, wenn Mobilitätseinschränkungen oder chronische Schmerzen bestehen. Frühere Suizidver-suche und wahnhafte Symptome erhöhen die Suizidge-fahr weiter.Bei Vorliegen von akuter Suizidalität ist ein Ge-sprächs- und Therapieangebot wichtig, welches mög-lichst konkret gemacht werden sollte (Wer?, Wann?, Wie erreichbar?, etc.). Suizidale Patienten bedürfen einer In-tensivierung des zeitlichen Engagements und der thera-peutischen Bindung (Empfehlungsgrad KKP). Oft ist eine stationäre Behandlung erforderlich, die ggf. auch gegen den Wunsch des Patienten zu erfolgen hat.

Somatische Untersuchungsverfahren

Gerade bei Älteren kann die Depression Folge einer somatischen Erkrankung oder deren medikamentö-ser Behandlung sein (z. B. Aff ektverfl achung, An-triebslosigkeit durch sedierende Substanzen). Eine sorgfältige Erhebung des körperlichen Befunds sollte deshalb erfolgen (Empfehlungsgrad B). Eine zerebrale Bildgebung kann hirnorganische Begleit-erkrankungen (Hippocampusatrophie, Mikroangio-pathie) darstellen. Dies kann einerseits bei der Ab-grenzung einer zusätzlichen neurodegenerativen Erkrankung helfen, andererseits können ausgepräg-te mikroangiopathische Veränderungen die Grund-lage für eine ausführliche Abklärung internistischer Risikofaktoren darstellen. Zerebrale Veränderungen prädizieren auch eine verzögerte Th erapieansprache und einen insgesamt ungünstigeren Verlauf.

P R A X I S T I P PKofaktoren einer Rückzugstendenz

Neben depressionsbedingter Antriebsstörung und Inter-essenlosigkeit können bei älteren Patienten auch somati-sche Faktoren einer sozialen Reintegration und Teilhabe

Tab. 10.2 Nicht auf das Lebensalter bezogene Depressi-onsdiagnostik nach ICD-10 (DGPPN; Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin 2015) (Quelle: S3-Leitlinien)

Hauptsymptome Zusatzsymptome• Gedrückte, de-

pressive Stim-mung

• Interessenverlust, Freudlosigkeit

• Antriebsmangel, erhöhte Ermüd-barkeit

• Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit

• Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen

• Gefühle von Schuld und Wertlo-sigkeit

• Negative und pessimistische Zu-kunftsperspektiven

• Suizidgedanken/-handlungen• Schlafstörungen• Verminderter Appetit

24435_Kloeppel.indb 16924435_Kloeppel.indb 169 30.08.2017 08:18:0430.08.2017 08:18:04

170 10 Affektive Störungen

10

im Wege stehen. Diese Faktoren sollten deshalb aktiv erfragt und ggf. behandelt werden. Besonders häufi g sind:• Inkontinenz mit der damit verbundenen Angst, die si-

chere Nähe der Toilette zu verlassen. Eine überaktive Blase ist oft eine wichtige Teilkomponente und ein Blasentraining kann sinnvoll sein. Bei Stress-/Belas-tungsinkontinenz sind eine Vielzahl von Einlagen und Windelvarianten erhältlich. Eine spezialisierte Bera-tung sollte angeboten werden.

• Sturzangst steht einer Teilhabe oft im Wege. Physio-therapeutisch geführtes Gleichgewichtstraining redu-ziert Sturzangst und Sturzfrequenz effektiv. Die Rolle der Angehörigen sollte explizit exploriert werden, da diese in gut gemeinter Sorge um den Patienten Sturz-angst und Rückzugstendenz ungewollt verstärken können.

• Die Bedeutung schwerer körperlicher Erkrankungen und die Abhängigkeit von Hilfsmitteln (z. B. Rollator) führt zu offensichtlichen und oft schwer beeinfl ussba-ren Hindernissen. In Teilbereichen sind jedoch wirksa-me Unterstützungsmöglichkeiten verfügbar (z. B. Rol-latortraining, um mit diesem öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu können; Verbesserung von Ernährung, etc.).

10.1.3 Therapie

Vor dem Beginn jeder Th erapie sollte ein Aufk lä-rungsgespräch über die gestellte Diagnose und die Behandlungsoptionen geführt werden. Vielen älte-ren Patienten fällt es schwer, die Diagnose einer De-pression anzunehmen. Es existieren oft falsche Vor-stellungen bezüglich der Art der Erkrankung (ein-schließlich Verwechslungen mit einer Demenz), de-ren Prognose und den Th erapiemöglichkeiten. Insbesondere stehen Antidepressiva fälschlich im Ruf, abhängig zu machen. Da die Elektrokonvulsi-onstherapie (EKT) nur zur 2. Wahl bei den Th era-pieoptionen zählt, erscheint die unmittelbare Auf-klärung über diese Th erapieoption nicht sinnvoll. Gerade bei schon länger andauernden und bislang erfolglosen Th erapieversuchen sollte die individuelle Krankengeschichte des Patienten (einschließlich be-lastender UAWs) mitberücksichtigt werden. Ein Hinweis darauf, dass depressive Episoden typischer-weise länger andauern (18 Monate in einigen Studi-en), kann dann sinnvoll sein, wenn der Patient das Gefühl bekommt, nur ihm könne nicht geholfen werden. Kognitive Symptome sollten gezielt ange-

sprochen werden. Diese sind häufi g und bestehen oft auch lange nach der Rückbildung sonstiger Sympto-me der Depression weiter (Hasselbalch et al. 2011) und erhöhen zudem die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs. Sie werden von den Patienten meist selbst wahrgenommen und als Hinweis auf eine beginnen-de Demenz fehlgedeutet.

Beim Aufk lärungsgespräch sind die kognitiven Ressourcen des Patienten zu bedenken. Oft sind kür-zere Gespräche und die Kombination mit einer Bro-schüre effi zient. Diese Broschüren bieten zum Teil auch eine Entscheidungshilfe im Hinblick auf die Th erapie.

H I L F R E I C H E L I N K SEntscheidungshilfe Depressionen: http://entscheidungs-hilfen.psychenet.de/depression/was-ist-eine-depression.htmlFaktencheck Depression. Nutzen und Risiken der Thera-pien: https://faktencheck-gesundheit.de/de/publikatio-nen/publikation/did/themenblatt-depressionen/Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesund-heitswesen, Gesundheitsinformation: https://www.ge-sundheitsinformation.de/depression.2125.de.html

Angestrebt wird eine partizipative Entscheidungs-fi ndung (Shared Decision-Making ). Entschieden werden muss, ob überhaupt eine Th erapie erfolgen soll. Bei einer leichten Depression kann ein Watchful Waiting (› Kap. 10.1.1) vereinbart werden. Eine sinnvolle und oft praktikable Lösung besteht in der Stärkung der sozialen Netze und in der Verbesse-rung der sozialen Teilhabe (z. B. Begegnungsstätten, [Senioren-]Sport).

10.1.4 Medikamentöse Therapie

Antidepressiva sind auch bei älteren Depressiven wirksam, wobei sich im Hinblick auf die Wirksam-keit keine klaren Unterschiede zwischen den ver-schiedenen Substanzklassen zeigen. Es gibt Hinwei-se darauf, dass pauschal die Wirksamkeit der Anti-depressiva im Alter reduziert ist. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Studien bei Älteren häufi -ger niedrigere Dosierungen einsetzen und abhängig vom Studiendesign die Zeit für eine mögliche Res-ponse zu kurz ist. So steigt mit der Beobachtungs-

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17110.1 Depression im Alter

10

Total Punkte: ………

Geriatrische Depressionsskala (GDS) Kreuzen Sie die entsprechende Antwort an. 1. Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden?

Ja [0] Nein [1]

2. Haben Sie viele von Ihren Tätigkeiten und Interessenaufgegeben?

Ja [1] Nein [0]

3. Haben Sie das Gefühl, Ihr Leben sei leer?

Ja [1] Nein [0]

4. Ist Ihnen oft langweilig?

Ja [1] Nein [0]

5. Sind Sie die meiste Zeit guter Laune?

Ja [0] Nein [1]

6. Befürchten Sie, dass Ihnen etwas Schlechteszustossen wird?

Ja [1] Nein [0]

7. Fühlen Sie sich die meiste Zeit glücklich?

Ja [0] Nein [1]

8. Fühlen Sie sich oft hilflos?

Ja [1] Nein [0]

9.

Ja [1] Nein [0]

10. Glauben Sie, dass Sie mit dem Gedächtnis mehrSchwierigkeitenhaben als andere Leute?

Ja [1] Nein [0]

11. Finden Sie, es sei schön, jetzt zu leben?

Ja [0] Nein [1]

12. Kommen Sie sich in Ihrem jetzigen Zustand ziemlichwertlos vor?

Ja [1] Nein [0]

13. Fühlen Sie sich voller Energie?

Ja [0] Nein [1]

14. Finden Sie, dass Ihre Situation hoffnungslos ist?

Ja [1] Nein [0]

15. Glauben Sie, die meisten anderen Leute haben esbesser wieSie?

Ja [1] Nein [0]

0 – 5 Punkte: normal 5 – 10 Punkte: leichte bis mässige Depression 11 – 15 Punkte: schwere Depression

Quelle: Yesavage, J., Brink, T., Rose, T., Lum, O., Huang, V., Adey, M., Leirer, O. (1983): Development and validation of ageriatric depression screening scale: a preliminary report. J of Psych Res 17, 37-49.

Sind Sie lieber zu Hause, statt auszugehen undetwas zu unternehmen?

Abb. 10.1 Geriatrische Depressionsskala (GDS)

24435_Kloeppel.indb 17124435_Kloeppel.indb 171 30.08.2017 08:18:0530.08.2017 08:18:05

172 10 Affektive Störungen

10

dauer die beobachtete Wirkstärke im Vergleich zu einer Placebobehandlung.

Die Mehrzahl der Studien bei älteren Patienten fo-kussierte auf schwere depressive Episoden, sodass sich die Ergebnisse nicht automatisch auf andere Ka-tegorien depressiver Störungen übertragen lassen. Mit dem Alter werden die Nebenwirkungen antide-pressiver Medikamente häufi ger, sodass Begleit-erkrankungen (› Kap. 1.1) und die erwartete Ver-träglichkeit für die Auswahl der Medikamente ent-scheidend sind (› Kap. 5). Gerade im höheren Alter besteht bei gleichem chronologischen Alter eine viel höhere Variabilität im Hinblick auf die körperliche Verfassung (biologisches Alter). Biologisch junge Al-te können wie chronologisch junge Patienten behan-delt werden, während bei Patienten mit schweren körperlichen Begleiterkrankungen häufi ger Neben-wirkungen auft reten. Unabhängig vom Wirkmecha-nismus erhöhen beispielsweise alle Psychopharmaka (auch solche ohne sedierende Komponente) die Sturzneigung bei älteren Patienten (Liu et al. 1998). Ältere Depressive erleiden zudem vermehrt Hypona-triämien und vaskuläre Ereignisse, wenn sie mit An-tidepressiva behandelt werden (Coupland et al. 2011). Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen auf die Medikation insb. bei gleich-

zeitig vorhandenen kognitiven Beeinträchtigungen aufgrund von zerebralen Veränderungen.

In den folgenden Abschnitten werden die wich-tigsten verfügbaren Substanzklassen vorgestellt. Zu bedenken ist, dass Hochaltrige kaum im Rahmen der grundlegenden Zulassungsstudien untersucht wurden. Noch wichtiger ist jedoch, dass gerade älte-re Multimorbide und Demenzkranke ausgeschlos-sen wurden. Im Hinblick auf die Anfangsdosierung gibt es unterschiedliche Meinungen. Einige Autoren schlagen grundsätzlich den Beginn mit der Hälft e der Anfangsdosis vor, andere empfehlen dies nur für trizyklische Antidepressiva (TZA) bzw. für hochalt-rige Patienten oder solche mit schweren somati-schen Begleiterkrankungen. Zur sinnvollen Nutzung vorhandener Ressourcen ist eine gestuft e Behand-lungsintensivierung sinnvoll. Nach dem Modell des Stepped Care können leichte bis mittlere depressive Episoden zunächst durch den Hausarzt behandelt werden. Sollte nach 6 Wochen keine ausreichende Besserung eintreten, ist die Überweisung zu einem Spezialisten ratsam. (› Kap. 10.1.2)

M E R K EBei der antidepressiven Behandlung biologisch alter Pati-enten ist der Wirkeintritt verzögert, die Remissionsrate reduziert, die Rate von Nebenwirkungen jedoch erhöht. Hyponatriämie und anticholinerge Nebenwirkun-gen sind besonders relevant. Alle Substanzen erhöhen die Sturzneigung. Für Substanzen wie Bupropion, Dulo-xetin, Mirtazapin und Venlafaxin werden die üblichen Anfangs- und Zieldosierungen meist gut vertragen. Falls TZA zum Einsatz kommen, sollten diese mit der Hälfte der üblichen Anfangsdosierung begonnen werden. Biolo-gisch junge Alte können hingegen meist wie junge Pati-enten behandelt werden.

M E R K EFür SSRI besteht keine klare positive Dosis-Wirkungs-Be-ziehung. Bei Substanzen wie TZA, Venlafaxin, Tranylcy-promin kann eine Dosiserhöhung jedoch sinnvoll sein.

TZA

TZA sind auch bei Älteren gut wirksam. Aufgrund des ungünstigeren Nebenwirkungsprofi ls sind sie jedoch nicht die Th erapieoption der 1. Wahl. Problematisch ist insbesondere die anticholinerge Wirkkomponente

Therapiebeginn mit 15 mg Mirtazapinoder 10 mg Escitalopram.

Bei kritischer QTc-Zeit 50 mg Sertralinstatt Escitalopram bevorzugen

Bei Mirtazapin direkt erhöhenbis Grenze der Verträglichkeit.

Bei allen SubstanzenSpiegelbestimmung und

Dosisanpassung

Bei zumindest geringem EffektKombinations- oder

Augmentationstherapie

Höchstens 6 WochenResponse abwarten

Abb. 10.2 Therapievorschlag bei bislang unbehandelter schwerer depressiver Episode.

24435_Kloeppel.indb 17224435_Kloeppel.indb 172 30.08.2017 08:18:0530.08.2017 08:18:05

17310.1 Depression im Alter

10

die bei Älteren zu kognitiven Beeinträchtigungen (bis hin zum Delir) und Harnverhalt führen kann. Inner-halb der Gruppe der TZA hat Nortriptylin eine ver-gleichsweise geringe anticholinerge Wirkkomponente, diese ist aber immer noch 5-mal höher als diejenige von Paroxetin (Pollock et al. 1998). Gerade bei kardia-ler Vorschädigung ist aber auch die Kardiotoxitität zu beachten, zudem ist die Einnahme zum Beispiel einer Wochenration in suizidaler Absicht bereits vital be-drohlich. Entsprechend der spezifi schen Fachinforma-tionen sollten beim Einsatz von TZA die wichtigsten Laborparameter monatlich untersucht werden. Regel-mäßig sind zudem EKG und zur Abschätzung einer Krampfneigung evtl. noch ein EEG abzuleiten.

SSRI

SSRI sind Mittel der 1. Wahl und zeigen eine gute Verträglichkeit und Wirksamkeit. Innerhalb der Gruppe zeichnen sich besonders Escitalopram und Sertralin aus. Sertralin ist dabei etwas häufi ger mit Diarrhö assoziiert, während Escitalopram genauso wie Citalopram die QTc-Zeit stärker verlängert (Wenzel-Seifert et al. 2011). Für die beiden letztge-nannten Substanzen wurden deshalb die Maximal-dosen für ältere Patienten reduziert. Wegen der hö-heren Zahl von Interaktionen sind Fluoxetin, Paro-xetin und Fluvoxamin weniger geeignet.

Vor Th erapiebeginn sollten Blutbild, Leber- und Nierenwerte untersucht und in der Regel auch ein EKG abgeleitet werden. Besonders relevant ist eine Hyponatriämie [auch unter selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI )], die typischerweise in den ersten Behandlungswochen auft ritt. Insbesondere zu Beginn ist die Behandlung mit SSRI mit dem Auft reten von Unruhe (teilweise auch Ängstlichkeit) verbunden. Hier kann der Einsatz von Benzodiazepinen und niederpotenten Neurolep-tika vertretbar sein. Neben der Suchtkomponente sind aber eine transiente kognitive Verschlechterung und eine Sturzneigung durch die Begleitmedikation zu erwarten. Auft retendes Erbrechen ist meist auf die Anfangsphase bzw. Dosiserhöhungen durch SSRI be-grenzt. Im Einzelfall kann die abendliche Gabe von Mirtazapin sich hier günstig auswirken (antihista-minerge Komponente). Klinisch relevant ist die durch SSRI auft retende Hemmung des Transports von Sero-

tonin in die Th rombozyten mit Verdoppelung der Blutungsgefahr durch die Th rombozytenaggregati-onshemmung . Am häufi gsten sind Blutungen im Be-reich des gastrointestinalen Trakts, wobei die gleich-zeitige Gabe von z. B. Acetylsalicylsäure (ASS) das Ri-siko überadditiv erhöht (6-fach erhöht bei Kombina-tion von SSRI und NSAR). Bei positiver Anamnese im Hinblick auf gastrointestinale Blutung sollten alterna-tive Präparate (z. B. Mirtazapin, Bupropion und Ago-melatin) in Betracht gezogen werden. Dies gilt auch bei gleichzeitiger Behandlung mit Marcumar (Schale-kamp et al. 2008). Daten zur Blutungsneigung unter kombinierter Behandlung mit SSRI und neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) liegen noch nicht vor. In seltenen Fällen und dann jedoch besonders bei schwer multimorbiden Patienten, können SSRI auch extrapy-ramidal motorische Störungen (EPS) erzeugen. Güns-tige Th erapiealternativen sind dann z. B. Agomelatin, aber auch MAO-Hemmer. Für SSRI wurde keine line-are Beziehung zwischen Dosis und Wirkstärke ge-zeigt. Sofern typischerweise wirksame Spiegel erreicht wurden, ist eine Dosiserhöhung deshalb nicht weiter sinnvoll (Empfehlungsgrad 0). Aktuell wird der Nut-zen einer Kombination aus SSRI und Methylphenidat (MPH) für die Depression im Alter diskutiert (Lavretsky et al. 2015).

C A V EFür die SSRI aber auch für die SNRI bestehen im Alter ein erhöhtes Risiko für Hyponatriämien. Es steigt durch eine begleitende Behandlung mit Diuretika weiter an. Kontrollen sind deshalb vor Therapiebeginn und dann alle 3–4 Wochen anzuraten. Symptome sind oft unspezi-fi sch (Schläfrigkeit und Verlangsamung, aber auch deli-rante Erregungszustände und Halluzinationen). Statt ei-ne antidepressiv wirksame Behandlung zu beenden, können Flüssigkeitsrestriktion und eine Optimierung der Begleitmedikation (insb. Diuretika) versucht werden. Al-ternative Präparate umfassen Agomelatin und Tranylcy-promin, aber auch Mirtazapin, welches nur sehr selten mit einer Hyponatriämie in Verbindung gebracht wurde.

Gemischt serotonerge und noradrenerge Wiederaufnahmehemmer

Aufgrund des dualen Wirkmechanismus von Venla-faxin und Duloxetin gegenüber SSRI wurde wieder-holt eine bessere Wirksamkeit postuliert. Tatsäch-

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174 10 Affektive Störungen

10

lich ist die Datenlage dazu heterogen und besteht am ehesten im Vergleich zu Fluoxetin. Insbesondere gegenüber Escitalopram sind keine Vorteile belegt. Im Gegenteil führt Venlafaxin häufi ger zu uner-wünschten Nebenwirkungen (z. B. persistierender Bluthochdruck). Zu bedenken ist auch, dass relativ hohe Dosierungen (>>75 mg/Tag) erforderlich sind, um die noradrenerge Wirkkomponente des dualen Wirkmechanismus überhaupt zu nutzen. Routine-kontrollen sind wie bei den SSRI durchzuführen. Ebenso wie die TZA haben auch die SNRI eine direk-te analgetische Wirkung, die weitgehend unabhän-gig von der antidepressiven Wirkung zu sein scheint. Entsprechend dürft en sie bei gleichzeitiger Schmerz-symptomatik Vorteile bieten. Duloxetin ist zudem zugelassen für die schwere Belastungsinkontinenz bei der Frau (Präparatename Yentreve®).

Monoaminooxidase-Hemmer (MAOH)

Die Monoaminooxidase liegt in den Varianten A und B vor. Für die Behandlung der Depression rele-vant ist primär der Typ A, da dieser für den Abbau biogener Amine wie Serotonin, Melatonin, Noradre-nalin und Dopamin wichtig ist. Beide Varianten bauen aber auch Tyramin und Tryptamin ab, wel-ches in Nahrungsmitteln vorhanden ist und im Falle einer medikamentösen Enzymhemmung für die Ne-benwirkungen (insb. Blutdrucksteigerung) verant-wortlich ist. Moclobemid hemmt selektiv und rever-sibel (24 Stunden) die Variante A, sodass Variante B noch für den Tyraminabbau zur Verfügung steht und eine tyraminarme Diät nicht erforderlich ist. Tranylcypromin hingegen hemmt beide Varianten und ist zudem irreversibel, sodass die Wirkung bis zur Neusynthese des Enzyms (10–14 Tage) anhält (Halbwertszeit [HWZ] der Substanz deshalb nicht relevant). Aufgrund der fehlenden anticholinergen Komponente, der guten kardialen Verträglichkeit und der Tatsache, dass keine Hyponatriämie ausge-löst wird, sind diese Medikamente gut für ältere Pa-tienten geeignet. Insbesondere vor dem Einsatz des irreversiblen MAOH empfi ehlt sich eine ausführli-che Aufk lärung (ggf. unter Einbeziehung des Um-felds) im Hinblick auf die notwendige langfristige tyraminarme Diät (z. B. Vermeidung von Rotwein und einigen Käsesorten).

Weitere Antidepressiva

Bupropion

Es handelt sich in der Hauptsache um einen selekti-ven Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehem-mer. Die gleiche Substanz wird auch in der Behand-lung der Nikotinabhängigkeit eingesetzt. Aufgrund des günstigen Risikoprofi ls (keine Gewichtserhö-hung, keine Störung der Sexualfunktion, keine Ver-längerung der QTc-Zeit) ist sie für ältere Patienten gut geeignet. Zu bedenken ist eine Steigerung des Antriebs, die teilweise in unangenehme Unruhe und Schlafl osigkeit übergeht. Bei einem Teil der Patien-ten tritt zudem eine Blutdruckerhöhung auf. Inwie-weit Bupropion aufgrund der dopaminergen Wirk-kompenente anderen Präparaten bei der Behand-lung der Depression beim Morbus Parkinson über-legen ist, ist bislang noch ungeklärt. Grundsätzlich wirksam ist es in der Indikation jedoch.

Agomelatin (Valdoxan®)

Der Melatoninrezeptoragonist verstärkt indirekt auch die dopaminerge und noradrenerge Übertra-gung. Aufgrund der fehlenden anticholinergen Wirkkomponente bei positivem Eff ekt auf den Schlaf ist die Substanz insbesondere bei erfolgloser Th erapie mit Mirtazapin interessant. Es kann zu ei-nem Anstieg der Leberenzyme und zu Interaktionen mit Propranolol aber auch Ciprofl oxacin kommen.

Mirtazapin

Mirtazapin verstärkt die noradrenerge und sero-tonerge Transmitteraktivität. Anders als Venlafaxin und Duloxetin handelt es sich jedoch nicht um eine Wiederaufnahmehemmung. Die zusätzliche antihis-taminerge Komponente von Mirtazapin sorgt für ei-nen sedierenden Eff ekt. Aufgrund der fehlenden an-ticholinergen Wirkkomponente ist diese Substanz gut für ältere Menschen geeignet. Zu bedenken ist jedoch die mögliche Gewichtserhöhung (bei Hoch-altrigen oft gewünscht) und die mögliche Auslösung eines Restless-Legs-Syndroms (RLS), sowie von Alb-träumen.

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17510.1 Depression im Alter

10

Johanniskraut

Die Einnahme von Johanniskraut wird alten Men-schen unter kardiovaskulärer und immunsuppressi-ver Th erapie nicht empfohlen (Rahimi und Abdolla-hi 2012).

Vortioxetin (Brintellix®)

Die Substanz wirkt auf verschiedene Serotoninre-zeptoren (auch Wiederaufnahmehemmung) und dürft e darüber hinaus weitere Transmittersysteme beeinfl ussen. Aktuell ist es in der Schweiz, nicht aber in Deutschland erhältlich. Grundsätzlich scheint das Nebenwirkungsprofi l auch für ältere Menschen günstig zu sein. Aufgrund der Wiederaufnahme-hemmung von Serotonin besteht jedoch (wie für die SSRI) ein erhöhtes Blutungsrisiko.

Tianeptin (Tianeurax®)

Der Wirkmechanismus dieses in einigen Ländern be-reits seit 1988 verfügbaren Antidepressivums ist weitgehend unklar. Es scheint die Serotonin-Wieder-aufnahme eher zu verstärken. Das Nebenwirkungs-profi l ist auch für alte Menschen günstig (nicht anti-cholinerg, in der Regel keine Anpassung bei Herz- und Lebererkrankungen nötig). Wegen der fehlen-den sedierenden Komponente sind die Einsatzgebiete

ähnlich wie bei den SSRI, die 2–3-mal tägliche Ein-nahme ist jedoch als Nachteil zu bedenken.› Tab. 10.3 gibt eine Übersicht über wichtige ein-gesetzte Medikamente mit typischen Dosierungen, während › Abb. 10.3 die zu erwartenden Gewichts-veränderungen unter der Th erapie darstellt.

Therapeutisches Drugmonitoring (TDM)

Mittlerweile wird das TDM für die Mehrzahl der Substanzen empfohlen (DGPPN u. Ärztliches Zent-rum für Qualität in der Medizin 2015). Typischer-weise sollte es nach über 4–6 Wochen erfolgloser Behandlung mit einer adäquaten Dosis erfolgen. Da-bei sollte im Steady State (meist 4–5 Tage nach Ein-stellung auf eine stabile Dosierung) der Talspiegel (vor Einnahme der nächsten Dosis) gemessen wer-den. Ein unerwartet niedriger Serumspiegel kann Zeichen für eine beschleunigte Metabolisierung, aber auch für eine eingeschränkte Compliance sein. Auch bei unerwartet frühen starken Nebenwirkun-gen bei Langsam-Metabolisierern kann ein TDM sinnvoll sein, um einen mehrwöchigen Th erapiever-such mit einer ansonsten als zu gering anzusehen-den Dosis zu rechtfertigen. Es stellt aber auch ein sinnvolles Vorgehen dar, um auf Patienten einzuge-hen, die immer wieder sehr frühzeitig Behandlungs-versuche aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen.

Abb. 10.3 Gewichtsveränderun-gen unter antidepressiver Lang-zeittherapie (nach 4–8 Monaten; Serretti und Mandelli 2010). Quel-le: Abb. 10. 4 nach Voderholzer/Hohagen: Therapie psych. Erkran-kungen. 12. Aufl . 2017 (24908)

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176 10 Affektive Störungen

10

Eine Genotypisierung des hepatisch lokalisierten Cytochrom-P450-Systems zur Untersuchung von Metabolisierungsbesonderheiten ist bislang kein Standardverfahren. Es erlaubt jedoch, bereits in der Planungsphase geeignete Substanzen und Dosierun-gen festzulegen.

Augmentation

Unter Augmentation versteht man die Verstärkung der Wirksamkeit eines Antidepressivums durch die Kombination mit einer primär nicht antidepressiv wirksamen Substanz. Die Augmentation beschleunigt

Tab. 10.3 Dosierungen von Antidepressiva. Quelle: Modifi ziert nach Abb. 10.4 Voderholzer/Hohagen: Therapie psych. Erkrankungen. 12. Aufl . 2017

Wirkstoff Initialdosis (mg/Tag) Standardtagesdosis (mg/Tag) Maximaldosis (mg/Tag)

Trizyklische Antidepressiva (werden mit u. g. Ausnahme für Ältere nicht empfohlen)

Nortriptylin2 30 100–150 225

Tetrazyklische Antidepressiva

Maprotilin2 75 75–150 150–225

Mianserin2 30 60–90 90

Chemisch andersartige Antidepressiva

Trazodon 100 200–400 600 (stationär)

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Citalopram1 10–20 20 20

Escitalopram1 5 10 10

Fluoxetin 20 20–60 60

Fluvoxamin 100 200 300

Paroxetin 20 20 40

Sertralin 50 100 200

Glutamatmodulatoren

Tianeptin 25 25 25

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)

Venlafaxin ret. 75 150 375

Duloxetin 60 60 120

Noradrenerg spezifi sch serotonerge Antidepressiva (NaSSA)

Mirtazapin 15–30 30–45 45

Selektive Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (SNDRI)

Bupropion 150 300 300

Multimodales Antidepressivum

Vortioxetin 5 10 10

Monoaminooxidasehemmer (MAOH)

Moclobemid 300–450 300–600 600

Tranylcypromin 10 20 40

Melatoninagonisten

Agomelatin 25 25 501 Die Regeldosis darf wegen einer möglichen QTc-Zeit-Verlängerung nicht überschritten werden.Citalopram: Maximaldosis bei Patienten über 65 Jahren 20 mg/Tag; Escitalopram: Maximaldosis bei Patienten über 65 Jahren 10 mg/Tag2 Für ältere Patienten wird eine niedrigere Dosis empfohlen.

24435_Kloeppel.indb 17624435_Kloeppel.indb 176 30.08.2017 08:18:0630.08.2017 08:18:06

17710.1 Depression im Alter

10

den Wirkungseintritt, hat aber gerade bei Älteren den möglichen Nachteil vermehrter Nebenwirkungen. Die meisten Daten liegen zum Einsatz von Lithium vor, jedoch auch für (atypische) Neuroleptika und für eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen. Auch bei Nicht-Ansprache auf das primär eingesetzte Anti-depressivum ist der Einsatz von Lithium zur Aug-mentierung durchaus sinnvoll (Cooper et al. 2011).

Bei der Verwendung von Lithium zur Augmen-tation sammeln sich Hinweise, dass eine Konzentra-tion von 0,4 mmol/l im höheren Lebensalter ausrei-chend ist.

C A V EUnbedingt zu beachten ist dabei aber eine bei Älteren häufi ge Niereninsuffi zienz, die bei starker Ausprägung eine Kontraindikation darstellen kann. Z. B. sollte für 80-jährige Männer die Kreatinin-Clearance (bestimmt nach der Cockgroft-Formel) mindestens 60 ml/min betra-gen, für 80-jährige Frauen mindesten 45 ml/min (DGPPN u. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin 2015).Der Lithium-Spiegel sollte zunächst wöchentlich (später alle 3–4 Wochen) bestimmt werden, zudem sind Patienten und ggf. Angehörige über die erforderlichen Verhaltensre-geln zu informieren (gleichmäßige und ausreichende Flüs-sigkeitszufuhr, etc.). Gerade bei unter Lithium psychisch stabilen Patienten und solchen, die in der Vergangenheit gut auf Lithium angesprochen haben, ist bei grenzwerti-gen Nierenbefunden die Beratung mit dem Nephrologen zu empfehlen. Eine Reihe von Medikamenten beeinfl ussen den Lithium-Spiegel, oft über den Umweg der Nierenfunk-tion (z. B. ACE-Hemmer, NSAID, Diuretika, Antibiotika, etc.). Nach Änderungen der Begleitmedikation sollte des-halb der Lithium-Spiegel erneut bestimmt werden.

Bewertung Die S3-Leitlinien zur Depressionsbehandlung empfehlen, wenn 2–4 Wochen nach Erreichen wirksamer Lithiumspiegel keine Wirkung fest-zustellen ist, die Augmentierung zu beenden (Empfehlungsgrad: KKP). Bei guter Ansprache sollte die Augmentierung mit Lithium über 6 Monate fortgesetzt werden (Empfehlungsgrad B). Auch bei normalem Serumspiegel kann ein Tremor den Alltag erheblich beeinträchtigen. Hier besteht eine Th erapieoption in der Gabe von Betablockern (z. B. Propranolol). Beim Ein-satz von Lithium sind viele mögliche Interaktio-nen zu berücksichtigen. Für die Langzeitaug-mentation mit Lithium liegen wenige Daten vor.

Die Augmentation mit Antipsychotika zeigt bei jün-geren Patienten positive Eff ekte für Olanzapin, Aripi-prazol, Quetiapin und u. a. Risperidon. Die eingesetz-ten Dosierungen sind niedriger als bei der Behandlung von Psychosen. So konnte für Quetiapin beispielsweise keine Überlegenheit von 300 mg gegenüber 150 mg/Tag gezeigt werden. Zu berücksichtigen ist, dass die Augmentation mit Antipsychotika in Studien nur für die Kurzzeitbehandlung (3 Monate) untersucht ist. Es ist zu erwarten, dass bei längerer Th erapie Nebenwir-kungen (z. B. Gewichtserhöhung und Stoff wechselver-änderungen, EPS) stärker relevant werden. Wenn-gleich kaum Studien zu älteren Menschen vorliegen, erscheint die Gabe gerade bei Depressionen mit psy-chotischer Komponente als eine sinnvolle Option.

Kombinationstherapie

Ein stabiler Vorteil der Kombinationstherapie ge-genüber einer Monotherapie lässt sich bislang nur für die Kombination von Mianserin (Agranulozyto-serisiko bei Älteren) bzw. Mirtazapin mit SSRI bzw. TZA nachweisen. Speziell bei älteren Menschen sind die Vorteile einer Kombinationstherapie aber wohl geringer ausgeprägt als bei jüngeren, da Nebenwir-kungen im Alter relativ häufi ger werden.

Wechsel des Antidepressivums

Bei Th erapieresistenz sind Dosiserhöhung, Aug-mentation und Kombinationstherapie vergleichs-weise gut belegte Eskalationsschritte. Selbst bei jün-geren Patienten sind jedoch nur relativ wenige Daten verfügbar, die den Wechsel der Substanz un-terstützen, ausgenommen bei erheblichen Neben-wirkungen. Eine randomisierte unverblindete Stu-die bei Jüngeren zeigt keinen Nutzen und spricht sogar für die Fortführung der zunächst unwirksa-men Substanz (Souery et al. 2011). Jeder Antidepres-sivawechsel aufgrund von Unwirksamkeit sollte des-halb sorgfältig geprüft werden (Empfehlungsgrad B). Im Falle eines Wechsels sind die Herstelleranga-ben zu beachten und ggf. ein Sicherheitsabstand ein-zuhalten (z. B. beim Wechsel auf MAOH). Ein Wech-sel auf eine Monotherapie mit einem Antipsycho-tikum ist aktuell nicht zu empfehlen, da keine der

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Substanzen eine Überlegenheit gegenüber Antide-pressiva gezeigt hat. Zwar liegt für Quetiapin ein Wirksamkeitsnachweis im Vergleich zu Placebo vor, aber auch hierbei traten im Vergleich zu Antidepres-siva vermehrt Nebenwirkungen auf.

Bewertung Große Studien mit mehreren zehntausend Pati-enten aller Altersgruppen zeigen nicht, dass die Gabe von Antidepressiva zur Reduktion von Sui ziden und Suizidversuchen führt (DGPPN u. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin 2015). Je älter die Patienten, desto deutlicher führt die Gabe von Antidepressiva jedoch zu einer klaren Reduktion (etwa Halbierung) su-izidaler Handlungen.

10.1.5 Psychotherapie

Entsprechend der S3-Leitlinien sollte Depressiven über 65 Jahren eine Psychotherapie angeboten wer-den (Empfehlungsgrad A). Vorteile einer Psychothe-rapie gegenüber einer medikamentösen Th erapie im Hinblick auf die Wirksamkeit scheinen nicht vorzu-liegen (Wilson et al. 2008). Diesbezügliche Hinweise in einer früheren Untersuchung (Pinquart et al. 2006) erklären sich vermutlich durch den wenig aussagekräft igen Vergleich zwischen off enen Psy-chotherapiestudien und verblindeten Pharmakothe-rapiestudien. Zu bedenken ist aber das Fehlen so-matischer Nebenwirkungen. Trotzdem sollte bei mehrmonatiger erfolgloser Psychotherapie die Mög-lichkeit einer medikamentösen Behandlung erneut angesprochen werden (› Kap. 4).

10.1.6 Nicht-invasive Hirnstimulation

Die Wirksamkeit der EKT übersteigt die der medi-kamentösen und psychotherapeutischen Th erapie-ansätze und scheint mit zunehmendem Alter sogar zuzunehmen (UK ECT review group 2003). Die typi-scherweise in Studien untersuchten Patientenkollek-tive vertrugen die EKT zudem gut, wobei sich nur bedingt Schlüsse zu multimorbiden oder kognitiv beeinträchtigten Patienten ableiten lassen. Die Stu-

dienlage ist hier ungenügend, jedoch stimmen die vorhandenen Daten eher optimistisch (van Schaik et al. 2012): Kognitive Störungen können sich im Zuge der EKT verstärken, bilden sich jedoch typischer-weise innerhalb von 1–2 Monaten zurück. Schwere kardiovaskuläre Erkrankungen können wegen der auft retenden Blutdruckspitzen jedoch eine Kontra-indikation bedeuten.

Zu Beginn sollte mit einer unilateralen Stimulati-on über der nicht dominanten (rechten) Hemisphä-re begonnen werden. Hierfür zeigt sich eine bessere Verträglichkeit. Auf der anderen Seite ist die bilate-rale Stimulation besser wirksam. Die Behandlung sollte mehrmals pro Woche, an nicht-aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden. Antikonvul-siva und Benzodiazepine sollten vor der EKT stark reduziert oder abgesetzt werden, damit ein zerebra-ler Krampfanfall ausgelöst werden kann. Substanzen wie Lithium, Clozapin und Bupropion müssen redu-ziert oder abgesetzt werden, um eine ungewollte Verlängerung des Anfalls zu vermeiden. Weitere Substanzen (z. B. MAOH) sollten in Abhängigkeit vom verwendeten Narkotikum und dem kardiovas-kulären Profi l des Patienten angepasst werden.

Auch wenn die Ansprechraten der EKT bei Älte-ren hoch sind (> 80 %), muss die Häufi gkeit von Rückfällen bedacht werden (50–95 % über alle Al-tersgruppen hinweg). Eine Erhaltungstherapie ist deshalb dringend erforderlich. Die Machbarkeit und Verträglichkeit von Erhaltungs-EKT (wöchentlich bis monatlich) konnte dabei in Studien auch für Äl-tere gezeigt werden. Die Häufi gkeit von Rückfällen halbiert sich, ähnlich wie bei einer medikamentösen Erhaltungstherapie (Jelovac et al. 2013). Systemati-sche Erhebungen zur geeignetsten pharmakothera-peutischen Erhaltungstherapie liegen für ältere Pati-enten jedoch nicht vor. Aussagen zur Wirksamkeit einer psychotherapeutischen Erhaltungstherapie bei älteren Patienten können aufgrund der unklaren Datenlage nicht gemacht werden.

M E R K EWährend medikamentöse Behandlung und Psychothera-pie im Alter eine abnehmende Wirksamkeit zeigen, nimmt diese bei der EKT zu.

Bei der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) werden über elektromagnetische Induktion kortika-

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17910.1 Depression im Alter

10

le Hirnregionen stimuliert. Die Stimulation des rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex entwi-ckelt sich zunehmend als die Standardlokalisation der TMS bei der Depression. Zum Einsatz kommen 1–50 Hz Pulsserien über 10–30 Minuten täglich für 3–6 Wochen.

Bewertung Die zumeist an jüngeren Patienten durchgeführ-ten Studien zeigen stabile Eff ekte in der Akutbe-handlung. Die für jüngere Patienten vorliegen-den Daten zeigen eine vergleichbare Wirksam-keit von EKT und TMS. Der direkte Vergleich zwischen TMS und Pharmakotherapie ist aktu-ell noch nicht möglich.

10.1.7 Schlafentzug, Licht- und Bewegungstherapie

Wegen der nur kurzen Wirksamkeitsdauer des Schlafentzugs ist dieser auch bei jüngeren Patienten primär als ergänzende Maßnahme anzusehen (Emp-fehlungsgrad B). Lichttherapie wird primär bei sai-sonaler Depression empfohlen (Empfehlungsgrad A). Bei richtiger Durchführung (7500 Lux, 60 min am Morgen) ist diese signifi kant und nachhaltig wirksam. Mehrere Metaanalysen zeigen die Wirk-samkeit einer Bewegungstherapie (Empfehlungs-grad B). Für keines der genannten Verfahren liegen jedoch belastbare Daten zu älteren Patienten vor.

10.1.8 Mehrdimensionale Therapie-ansätze

Unter Collaborative Care versteht man eine leitlini-enbasierte Versorgungsform, deren Grundelement die enge Vernetzung zwischen Hausarzt, Psychiater, Psychotherapeut, Krankenpfl eger, etc. darstellt. Bei diesem Ansatz sollen krankheitserhaltende Faktoren reduziert und die Wahrnehmung von Th erapieange-boten gesichert werden. Für ältere Patienten mit mittelgradiger bis schwerer Depression zeigt die Un-terstützung im häuslichen Rahmen bei der Medika-menteneinnahme und der Versorgungskoordinati-on positive Eff ekte (Bruce et al. 2015).

Bewertung Eine zunehmende Zahl von Studien demon-striert Vorteile einer Kombination aus Psycho-therapie (z. B. Problemlösetherapie), Bewe-gungstherapie und einer Förderung der sozialen Integration (Alexopoulos et al. 2009). Sofern Angehörige mit beteiligt werden, lassen sich po-sitive Eff ekte auf Depressivität und kognitive Leistungen auch bei Patienten mit gleichzeitig vorhandener kognitiver Störung bis hin zur mit-telgradigen Demenz zeigen (Kiosses et al. 2015). Eine Hürde stellt hierbei jedoch die lokale Etab-lierung entsprechender Th erapiekonzepte dar.

Neben diesen Ansätzen spielen auch psychosoziale Th erapien eine große Rolle. Ergotherapeuten, Fach-krankenpfl eger, Sozialarbeiter und weiterere Berufs-gruppen sollten nach Möglichkeit integriert werden (siehe auch S3-Leitlinie Psychosoziale Th erapie, DGPPN u. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin 2015).

B O X 1 0 . 2Depressionsbehandlung im Pfl egeheim

Bis zu 50 % der Bewohner von Pfl egeheimen sind von einer Depression betroffen. Depressionen sind neben nächtlicher Unruhe der wichtigste Grund für die Aufnah-me in Pfl egeheimen, sodass das Pfl egeheim selber nicht unbedingt als Grund der Häufung anzusehen ist. Auf-grund von Mobilitätseinschränkungen muss die psychia-trische Versorgung oft in aufsuchender Tätigkeit erfolgen und die Durchführung somatischer Untersuchungsver-fahren ist aufwändiger. Bislang wenig verbreitet, grund-sätzlich aber verfügbar ist auch eine häusliche Kranken-pfl ege psychisch Kranker (auch „ambulante psychiatri-sche Pfl ege“) die im Falle einer schweren Depression über maximal 4 Monate verordnet werden kann (› Kap. 3).

10.1.9 Antidepressive Therapien bei somatischen Grundkrankheiten

Kognitive Beeinträchtigungen und Demenz

Depressive Symptome sind bei neurodegenerativen Erkrankungen häufi g, insbesondere wenn wie bei

24435_Kloeppel.indb 17924435_Kloeppel.indb 179 30.08.2017 08:18:0630.08.2017 08:18:06

180 10 Affektive Störungen

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der vaskulären Demenz und der Lewy-Körperchen-Demenz subkortikale Strukturen betroff en sind (› Tab. 10.4). Große Studien an depressiven Pati-enten mit einer AD zeigen keine Wirksamkeit von Medikamenten wie Sertralin und Mirtazapin (Banerjee et al. 2011). Dies dürft e teilweise an den depressionsfördernden Hirnveränderungen liegen (insb. Mikroangiopathie), die sich nicht durch die Medikation beeinfl ussen lassen. Die S3-Leitlinien zur Depressionsbehandlung bei Demenz sehen kei-ne ausreichende Datenlage für die Empfehlung einer spezifi schen Substanz. Es gibt jedoch Hinweise, dass sowohl Acetylcholinesterasehemmer als auch Cital-opram günstig bei ängstlich unruhigen Symptomen sind. Vom Einsatz anticholinerg wirksamer Antide-pressiva (TZA) wird abgeraten. Im Hinblick auf den Nutzen einer isolierten Psychotherapie zeigt die ak-tuelle Studienlage keine klaren Daten. Zu überlegen ist der Einsatz von EKT auch bei Patienten mit De-menz, wobei relativ wenige Daten zur Verfügung stehen (Oudman 2012).

Chronischer Schmerz

Bei Älteren sind Schmerzen häufi g Teil einer depres-siven Symptomatik. Umgekehrt leiden 70 % der chronisch Schmerzkranken an depressiven Sympto-men, die mit der Stärke der Depression korrelieren. Depressive Patienten mit chronischen Schmerzen sind besonders suizidgefährdet (Fishbain et al. 1997). Auf Synergien bei der Th erapieauswahl ist deshalb zu achten. Eine direkte analgetische Wir-

kung scheinen sowohl die SNRI als auch die TZA zu besitzen.

Kardiovaskuläre Erkrankungen

M E R K EDepression und kardiovaskuläre Erkrankung fördern sich gegenseitig, da eine Depression zu kardiovaskulär un-günstiger Lebensweise führt (Antriebs- und damit auch Bewegungsarmut, ungünstige Ernährung, Rau-chen) und Stresshormone durch die Depression dauer-haft erhöht sind. Umgekehrt erhöhen vaskuläre Ereignis-se (Herzinfarkt und Schlaganfall) jedoch auch die Häufi g-keit von Depressionen.

Bei der Wahl geeigneter Antidepressiva sind TZA ungünstig, da sie die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt verdoppeln (Empfehlungsgrad A). Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) und begleiten-der Depression sind SSRI Medikamente der Wahl (Empfehlungsgrad A). Unter den SSRI haben Citalo-pram und Escitalopram eine erhöhte Wahrschein-lichkeit für QTc-Verlängerungen und dadurch le-bensgefährliche Arrhythmien. Aus diesem Grund scheint Sertralin hier eine gute Wahl zu sein. Für psychotherapeutische Interventionen wie KVT sind bei depressiven Patienten mit KHK zwar nur kleine bis moderate aber signifi kante Eff ekte berichtet, die-se waren einer medikamentös antidepressiven Be-handlung jedoch nicht unterlegen (Rutledge et al. 2013). Auch für andere verhaltenstherapeutische und edukative Th erapieverfahren konnte eine Wirk-samkeit auf die depressive Symptomatik gezeigt

Tab. 10.4 Häufi gkeit depressiver Symptome bei neurodegenerativen Erkrankungen

Neurodegenerative Erkrankung

Häufi gkeit depressiver Symptome Häufi gkeit einer schwe-ren Depression (DSM-IV)

Alzheimer-Demenz Bis zu 80 % im Krankheitsverlauf. Bis zu 25 %.

Parkinson-Erkrankung 20–50 %.In einer Längsschnitt-Studie zeigten 18 % aller Parkinson-Patien-ten zum Zeitpunkt des Einschlusses depressive Symptome, 42 % innerhalb von 5 Jahren nach Einschluss und 72 % innerhalb von 10 Jahren nach Einschluss.

7–19 %.

Frontotemporale Demenz

Bis zu 40 %. Oft stehen eher untypische Symptome im Vorder-grund, z. B. Reizbarkeit oder sozialer Rückzug.

Lewy-Körperchen- Demenz

Bis zu 50 %. Bis zu 30 %.

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18110.1 Depression im Alter

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werden. Diese sollten deshalb angeboten werden (Empfehlungsgrad A).

Post-Stroke-Depression

Insgesamt sind Depressionen nach Schlaganfall mit 30 % Auft retenswahrscheinlichkeit sehr häufi g und werden außerhalb psychiatrischer Kliniken in rund 80 % der Fälle übersehen. Einige Studien zeigen ei-nen Zusammenhang zwischen der Schwere des In-farkts und der Häufi gkeit von Depressionen. Am eindeutigsten scheint dies für Schlaganfall-bedingte Störungen von Sprache und Sprechen zu sein. Große Metaanalysen zeigen jedoch keinen klaren Zusam-menhang zwischen der Lokalisierung des Schlagan-falls und der Häufi gkeit von Depressionen (Carson et al. 2000).

In den ersten 5 Jahren nach einem Schlaganfall ist die Suizidrate verdoppelt. Besonders gefährdet sind jüngere Patienten (insbesondere Frauen). Dabei ist eine nur kurze stationäre Behandlung ein negativer Prädiktor, vermutlich weil dem Patienten weniger Zeit bleibt, sich im Krankenhaus mit der Erkran-kung auseinanderzusetzen und sich an evtl. vorhan-dene Funktionseinschränkungen zu gewöhnen (Teasdale und Engberg 2001). Eine Verbesserung des somatischen Reha-Erfolgs durch die Behand-lung einer Depression ist sehr wahrscheinlich (Ver-besserung von Antriebsstörungen), aber bislang nur wenig untersucht.

Bewertung Eine Reihe von Studien hat eine prophylakti-sche Gabe von Antidepressiva nach einem Schlaganfall untersucht (Chen et al. 2007). Die Gabe von Fluoxetin oder Escitalopram führt beispielsweise zu einer Halbierung der Auft re-tenswahrscheinlichkeit von Depressionen (Chen et al. 2007; Robinson et al. 2008). Die erhöhte Wahrscheinlichkeit (relatives Risiko 1,3–1,5) für das Auft reten eines Schlaganfalls unter Th e-rapie mit SSRI ist jedoch zu berücksichtigen (Shin et al. 2014), wobei die Häufi gkeit uner-wünschter Nebenwirkungen unter Th erapie mit TZA insgesamt jedoch höher ist. Zusammenfas-send kann eine rein prophylaktische Gabe von

Antidepressiva nach dem Schlaganfall aktuell nicht empfohlen werden, eine regelmäßige Prü-fung der Stimmungslage sollte jedoch erfolgen (Empfehlungsgrad B). Belastbare Aussagen zur Wirksamkeit von psychotherapeutischen Inter-ventionen sind auf Basis der aktuell vorliegen-den Daten nicht möglich.

Tumorerkrankungen

Auch bei Patienten mit Krebserkrankungen ist die Häufi gkeit von Depressionen erhöht. Die vorliegen-den Studien zeigen keine Unterschiede in der Wirk-samkeit zwischen SSRI und TZA (Musselman et al. 2006). Auch für Mirtazapin ist von einer Wirksam-keit auszugehen. Ein Vorteil der TZA und der SNRI liegt aber in ihrer zusätzlichen analgetischen bzw. schmerzmodulierenden Wirksamkeit. Auch in die-sem Bereich wird die prophylaktische Gabe von An-tidepressiva diskutiert, kann bislang aber nicht emp-fohlen werden.

Psychosoziale Interventionen und Psychothera-pie sind zur Reduktion von Angst und Depression wirksam und verbessern den Umgang mit der Er-krankung und die Lebensqualität und sollten ent-sprechend angeboten werden (Empfehlungsgrad B). Die Überlegenheit eines spezifi schen Verfahrens konnte bislang nicht gezeigt werden.

Diabetes mellitus (DM)

Bei Patienten mit DM ist die Häufi gkeit von Depres-sionen verdoppelt. Die Depression ist dabei assoziiert mit einer schlechteren Blutzuckereinstellung und ei-ner ungünstigeren Krankheitsprognose (einschließ-lich vaskulärer Komplikationen). Ähnlich wie bei den kardiovaskulären Erkrankungen befördern sich DM und Depression gegenseitig, u. a. da die Depres-sion zu einem ungünstigeren Lebensstil führt. Auf der anderen Seite macht ein DM auch das Auft reten einer Depression wahrscheinlicher. Ob dies primär über die vermehrte Entstehung von Veränderungen der weißen Substanz im Gehirn bedingt ist (ähnlich also wie bei der Hypertonie) oder direkt durch den erhöhten Blutzucker, ist nicht genau bekannt.

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Bewertung Bei der Auswahl von Antidepressiva ist die an sich schon ungünstige Stoff wechsellage zu be-denken. TZA, aber auch Mirtazapin und Mian-serin sind aus diesem Grund 2. Wahl, wenn-gleich der positive Eff ekt auf eine evtl. vorhan-dene diabetische Polyneuropathie bedacht wer-den sollte (Empfehlungsgrad 0). Mittel der Wahl sind die SSRI (Empfehlungsgrad A), die oft auch zu einer Reduktion des Insulinbedarfs führen. Auch für die Psychotherapie und hier insb. die KVT und psychosoziale Interventio-nen, konnten positive Eff ekte auf die Depressi-vität und das allgemeine Funktionsniveau ge-zeigt werden zeigen (Empfehlungsgrad A).

Morbus Parkinson1

Die Depression hat beim Morbus Parkinson einen stärkeren negativen Einfl uss auf die Lebensqualität als die motorischen Einschränkungen. Die depressi-ve Symptomatik bei Morbus Parkinson ist ein genu-iner Teil der Grunderkrankung, die sich durch ein Syndrom mit vorwiegendem Interessensverlust und Anhedonie sowie Ängstlichkeit als zentralen Sym-ptomen auszeichnet und nur schwer von dem häufi -gen apathischen Syndrom abgrenzbar ist (DGN S3 LL Parkinson 2016). Die S3-Leitlinien zur Depressi-onsbehandlung sehen keine ausreichende Datenla-ge, um eine medikamentöse antidepressive Behand-lung zu empfehlen (Empfehlungsgrad Statement). In der medikamentösen Basis-Th erapie soll insbe-sondere auf einen suffi zienten Dopaminersatz ge-achtet werden und erst bei optimaler Dopaminer-satztherapie ergänzende antidepressive Th erapiean-sätze genutzt werden (DGN-Leitlinie). In Studien ist die Wirksamkeit von TZA (vor allem Nortriptylin und Desipramin) besser belegt als z. B. für Venlafa-xin und kann wegen der hier gewünschten anticho-linergen Wirkkomponente sinnvoll sein. Auf der anderen Seite bestehen häufi g leichte kognitive Be-einträchtigungen, die Anticholinergika ungeeignet erscheinen lassen. Eine Psychotherapie kann bei be-

1 Dieser Abschnitt wurde verfasst von Oliver Tüscher.

gleitender Depression angeboten werden (Empfeh-lungsgrad 0).

Erhaltungstherapie und Rezidiv-prophylaxe

Rezidive sind ein schwerwiegendes klinisches Prob-lem in der Depressionsbehandlung. In mehr als der Hälft e der Fälle treten depressive Episoden rezidivie-rend auf.

M E R K EUnabhängig vom Alter des Patienten sollte die antide-pressive Behandlung deshalb auch nach der Remission fortgesetzt werden. Sofern es sich um die erste depressi-ve Episode gehandelt hat, wird in den S3-Leitlinien eine Erhaltungstherapie über 6 Monate vorgeschlagen. Vermutlich ist es aber sinnvoll, dies bei älteren Patienten auf 9 Monate auszuweiten (Diniz und Reynolds 2014). Entsprechend der S3-Leitlinien gilt allgemein für Depres-sionen, dass bei mindestens zwei schweren und kürzer zurückliegenden depressiven Episoden eine Prophylaxe mindestens 2 Jahre fortgeführt werden sollte (Empfeh-lungsgrad B). Dabei sollte die Medikation, unter der eine Remission erreicht wurde in gleicher Dosierung fortge-führt werden (Empfehlungsgrad 0). Bei älteren Patienten gibt es jedoch Hinweise, dass diese bis zu 3 Jahre fortgeführt werden sollte und lediglich drei Patienten entsprechend behandelt werden müssen, um eine erneute depressive Episode zu verhindern (Kok et al. 2011).

Mehr noch als bei der Erhaltungstherapie gilt es je-doch bei der Rezidivprophylaxe die individuelle Verträglichkeit der Medikation, die Beeinträchti-gung der Lebensqualität durch die ständige Medika-menteneinnahme und die Häufi gkeit und Schwere bisheriger depressiver Episoden abzuwägen. Bei der Abschätzung des Risikos einer weiteren Episode sind Restsymptome (Teilremission ) ein wichtiger Prädiktor. Zudem ist der Krankheitsverlauf der letz-ten wenigen Jahre vermutlich wichtiger als bereits Jahrzehnte zurückliegende Episoden. Es gibt Hin-weise, dass auch bei einer Erstmanifestation nach dem 70. Lebensjahr eine Sekundärprophylaxe sinn-voll ist. Bei einem derartigen Verlauf kann das Auf-treten der Depression mit hirnstrukturellen Verän-derungen einhergehen, die trotz antidepressiver Th erapie fortbestehen und deshalb auch leicht zu

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18310.1 Depression im Alter

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Rezidiven führen können. Gute prophylaktische Ef-fekte konnten für Nortriptylin und verschiedene SSRI (z. B. Paroxetin) gezeigt werden. Studien mit mehr als 3 Jahren Follow-Up haben keinen Nutzen einer medikamentösen Prophylaxe gezeigt, jedoch waren die verbliebenen Fallzahlen recht gering. Zu berücksichtigen ist auch, dass kaum Daten zu den sehr alten Patienten (> 85 Jahre) vorliegen. Es wird diskutiert, ob die Langzeittherapie mit SSRI bei Frauen mit einem höheren Risiko für Osteoporose in Verbindung steht (Wu et al. 2012) und vermutlich lassen sich diese Ergebnisse auf Venlafaxin übertra-gen. Zumindest für jüngere Patienten konnte gezeigt werden, dass eine psychotherapeutische Behand-lung mit einem geringeren Rezidivrisiko verbunden ist. Niederfrequente interpersonelle Psychotherapie (IPT) (einmal monatlich) schnitt nicht besser ab als Placebo, jedoch profi tierten in dieser Studie bereits erstmalig depressiv Erkrankte von einer Rezidivpro-phylaxe mit Paroxetin (Reynolds et al. 2006).

M E R K EAuch wenn es sich um die erste Manifestation einer schweren depressiven Episode handelt, sollte bei ent-sprechender Schwere der Episode eine Prophylaxe für 2–3 Jahre in Betracht gezogen werden. Große Risikore-duktionen sind gerade in den ersten 12 Monaten zu er-warten. Mit ausschlaggebend für die Entscheidung ist die Verträglichkeit der Medikation.

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