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Die Angewandte MakromoIekuIare Chemie 113 (1983) 91 - 111 (Nr. 1828) Deutsches Kunststoff-Institut, D-6100 Darmstadt Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmospharendruck 1. Polymerisationssysteme zur Herstellung von U-PVC D. Braun und G. Holzer Herrn Prof. Dr. H.-J. Cantow zum 60. Geburtstag gewidmet (Eingegangen am 25. Oktober 1982) ZUSAMMENFASSUNG: Es wird die Polymerisation von gasformigem Vinylchlorid (VC) im Temperaturbe- reich von 45 "C bis 60 "C mit Kaliumperoxodisulfat als Initiator bei Atmospharen- druck beschrieben. Die Menge des gebildeten Polymeren (sog. U-PVC) im Verhaltnis zur Reaktionsdauer hangt vom Monomerdurchsatz ab. Die Polymerisationsgeschwindigkeit kann sowohl durch Erhohung der Initiator- konzentration als auch der Temperatur gesteigert werden. Mit dem Redoxsystem K2S,O,/Na2SO3/Cu2+ ist es moglich, bei sonst konstanten Bedingungen im Tempera- turbereich von 0 "C bis 20 "C zu polymerisieren. Mittels transmissionselektronenmikroskopischer (TEM) Untersuchungen wurde die GroBe und die GroBenverteilung der Teilchen in Abhangigkeit von der Polymerisa- tionszeit und Temperatur ermittelt. SUMMARY: A method for polymerization of vinylchloride (VC) at atmospheric pressure is de- scribed, in which the gaseous monomer is polymerized with K,S,O, as an initiator at 45 "C to 60 "C. The amount of the polymer formed (so-called U-PVC) as a function of the reaction time depends on the rate of monomer flow. The reaction rate increases with higher initiator concentration as well as with increasing temperature. It is also possible to initiate the polymerization with the redox-system K2S20,/Na2S0,/Cu2+ within the range of 0°C to 20°C. By means of transmission electronmicroscopic (TEM) investigations the particle size and particle size distribution as a function of polymerization time and tempera- ture was determined. 0 1983 Hiithig & Wepf Verlag, Basel OOO3-3146/83/$03.00/0 91

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Page 1: Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmosphärendruck 1. Polymerisationssysteme zur Herstellung von U-PVC

Die Angewandte MakromoIekuIare Chemie 113 (1983) 91 - 111 (Nr. 1828)

Deutsches Kunststoff-Institut, D-6100 Darmstadt

Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmospharendruck

1. Polymerisationssysteme zur Herstellung von U-PVC

D. Braun und G. Holzer

Herrn Prof. Dr. H.-J. Cantow zum 60. Geburtstag gewidmet

(Eingegangen am 25. Oktober 1982)

ZUSAMMENFASSUNG: Es wird die Polymerisation von gasformigem Vinylchlorid (VC) im Temperaturbe-

reich von 45 "C bis 60 "C mit Kaliumperoxodisulfat als Initiator bei Atmospharen- druck beschrieben. Die Menge des gebildeten Polymeren (sog. U-PVC) im Verhaltnis zur Reaktionsdauer hangt vom Monomerdurchsatz ab.

Die Polymerisationsgeschwindigkeit kann sowohl durch Erhohung der Initiator- konzentration als auch der Temperatur gesteigert werden. Mit dem Redoxsystem K2S,O,/Na2SO3/Cu2+ ist es moglich, bei sonst konstanten Bedingungen im Tempera- turbereich von 0 "C bis 20 "C zu polymerisieren.

Mittels transmissionselektronenmikroskopischer (TEM) Untersuchungen wurde die GroBe und die GroBenverteilung der Teilchen in Abhangigkeit von der Polymerisa- tionszeit und Temperatur ermittelt.

SUMMARY: A method for polymerization of vinylchloride (VC) at atmospheric pressure is de-

scribed, in which the gaseous monomer is polymerized with K,S,O, as an initiator at 45 "C to 60 "C. The amount of the polymer formed (so-called U-PVC) as a function of the reaction time depends on the rate of monomer flow. The reaction rate increases with higher initiator concentration as well as with increasing temperature. It is also possible to initiate the polymerization with the redox-system K2S20,/Na2S0,/Cu2+ within the range of 0°C to 20°C.

By means of transmission electronmicroscopic (TEM) investigations the particle size and particle size distribution as a function of polymerization time and tempera- ture was determined.

0 1983 Hiithig & Wepf Verlag, Basel OOO3-3146/83/$03.00/0 91

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D. Braun und G. Holzer

1. Einleitung

Die bisher veroffentlichten Untersuchungen zur Polymerisation von Vinyl- chlorid in heterogenen Systemen bei Atmospharendruck sind vorwiegend in der Patentliteratur - 3 erschienen; daneben existieren Versuche von O’Hara und Prutton4, die Vinylchlorid und andere gasformige Monomere haupt- sachlich im Hinblick auf ihre industrielle Anwendbarkeit auf diese Weise polymerisierten. Die Ergebnisse dieser Autoren stimmen mit eigenen Unter- suchungenS gut uberein und fuhren zu dem SchluB, dafi das Verfahren vor allem wegen der zu geringen Polymerisationsgeschwindigkeit nur fur spezielle Anwendungen geeignet ist.

Von wissenschaftlichem Interesse sind jedoch zweifelsohne die dabei ent- stehenden Polymeren, besonders bezuglich ihrer Struktur und deren Einflulj auf die thermische Stabilitat.

Die Polymerisation von Vinylchlorid unterhalb des Gleichgewichtsdampf- druckes, auch U-Polymerisation genannt, wurde bereits von Sorvik und Hjertberg6s7 sowohl in Gegenwart von einem S-PVC als auch von einem E-PVC als Vorpolymerisat durchgefuhrt. Sie benutzten diese Polymerisation als Modellreaktion zur Herstellung von Polymeren mit verminderter thermi- scher Stabilitat.

Auljerdem gelangt man auf diese Weise zu Produkten mit erheblichen niedermolekularen Anteilen und vermehrter Langkettenverzweigung . Solche Polymere eignen sich auch deshalb zur Untersuchung der Unregelmafiigkei- ten im molekularen Aufbau, die als labile Zentren fur die HC1-Abspaltung wirken konnen, weil diese Art der Polymerisation Verhaltnisse simuliert, die bei der ublichen Polymerisation von Vinylchlorid nach dem Druckabfall vorliegen. Die Polymerisation bei Atmospharendruck stellt dehalb eine Me- thode zur Herstellung von PVC (U-PVC) dar, die aufgrund verminderter Monomerzuganglichkeit zu Produkten fuhren sollte, die in ihrem Verhalten ahnlich den von Sorvik et al. 6, in Gegenwart von vorgelegtem PVC erhalte- nen Polymeren sind.

2. Ergebnisse und Diskussion

2. I Beschreibung der Apparatur

Die Polymerisationen wurden in einem Reaktionsrohr rnit einer Gesamtlange von 170 cm und einem Inhalt von etwa 2 Litern durchgefuhrt. Der Reaktor ist so konstru- iert, dal3 das ReaktionsgefaB konzentrisch in einen Glaszylinder eingelassen ist, der

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als Heiz- bzw. Kuhlmantel dient. Am Reaktormantel sind Mefistellen angebracht, wo z. B. Temperaturkontrollen, pH-Messungen und Probeentnahmen vorgenommen werden konnen. Vinylchlorid wird einer Stahlflasche entnommen und strdmt konti- nuierlich durch ein Glasrohr von unten in den Reaktor. Dieses Rohr lauft von oben nach unten innerhalb des Reaktors und endet nahe dem Boden mit einer Glasfritte, aus der das Gas in das Reaktionsrohr perlt. Die feinen Poren der Fritte erlauben eine ziemlich geringe BlasengrbDe. Der MassenfluD des Gases wird uber ein geeichtes Durchflurjventil geregelt (Abb. 1).

I D, Comonomeres

A Durchflunmesser B Reaktor

Lanae 170cm

C Mischkammer D7 Durchflunmesser VC D2 Durchflunmesser

fur Comonomere

Abb. 1. Prinzipskizze der Anlage zur Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmo- spharendruck.

2.2 Beschreibung des Polymerisationssystems

Einige Polymere, wie z. B. auch PVC, sind in ihren eigenen Monomeren unloslich und fallen daher bei der Polymerisation in fester Form aus. Das he- terogene System fur die Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmospharen- druck in Wasser hat deshalb eine gewisse Ahnlichkeit mit einer Fallungspoly- merisation.

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Die U-Polymerisation von Vinylchlorid kann als eine Art Losungs-/Fail- lungspolymerisation bezeichnet werden, in der die Losung durch Absorption von Vinylchlorid aus der Gasphase zwar sehr verdunnt ist, aber annahernd gesattigt bleibt. Der Mechanismus dieser Polymerisation deckt sich im we- sentlichen mit der Theorie von O’Hara und Prutton4. Da das geloste Mono- mere reagiert, mu8 das durch die Polymerisation verbrauchte Vinylchlorid durch Absorption im Wasser aus der Gasphase nachgeliefert werden.

Eine Anderung der Reaktionsgeschwindigkeit mit dem Monomerdurch- satz kann deshalb der Tatsache zugeschrieben werden, dalj bei hoheren Durchfluljraten des Gases durch das absorbierende Medium die Absorp- tionsgeschwindigkeit erhiiht wird. Deshalb bewirken hohere Monomer- durchsatze, da13 das reagierende Vinylchlorid schneller ersetzt wird. Bei nied- rigen Durchfluljraten wird die Absorptionsgeschwindigkeit niedriger sein, und das Monomere kann nicht in dem Mane absorbiert werden, wie es ver- braucht wird. Daraus resultiert eine verminderte Monomerkonzentration im Wasser, und die Polymerisationsgeschwindigkeit sinkt. Die Umsatze werden also bei hohen Monomerdurchsatzen direkt durch die Polymerisationsge- schwindigkeit bestimmt, wahrend bei kleinen Monomerflussen die Absorp- tionsgeschwindigkeit reaktionskontrollierend wirkt. Die unter Verwendung von wasserloslichen Initiatoren erhaltenen feinteiligen PVC-Dispersionen behalten ihre Stabilitat uber einen Zeitraum von mehreren Monaten, so dalj bei der drucklosen Polymerisation emulgatorfreie Dispersionen erhalten werden.

2.3 Polymerisation rnit Kaliumperoxodisulfat

Detaillierte Untersuchungen zur Ermittlung der optimalen Polymerisa- tionsbedingungen wurden mit Kaliumperoxodisulfat als Initiator durchge- fuhrt. Es sollte dabei der EinfluD der Monomerdurchfluljgeschwindigkeit, der Initiatorkonzentration und der Reaktionstemperatur auf die Polymerisa- tionsgeschwindigkeit gepruft werden. Bei allen Versuchen war der Druck konstant und entsprach dem jeweiligen Atmospharendruck des Tages. Fru- here eigene Untersuch~ngen~ zeigten, da8 man bei diesem Verfahren brauch- bare Polymerisationsgeschwindigkeiten erhalt, wenn geeignete Reaktionsbe- dingungen gewahlt werden. Die Durchfuhrung der Polymerisation erfolgte in der in Abschn. 3.1 beschriebenen Weise. Die Polymerisationen wurden uber einen Zeitraum von 10 h verfolgt, wobei ein Reaktionsparameter vari- iert wurde, wahrend die ubrigen EinfluBgroBen konstant blieben. Es zeigte sich, dalj der eigentlichen Polymerisation eine gewisse Instationaritat der

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6-

4 -

2-

Saule und eine etwa 1-stiindige Induktionsphase vorhergeht, die je nach Ini- tiatorkonzentration und Temperatur kiirzer oder langer ist. Die Steigungen der ZeitAJmsatz-Kurven sind zwar konstant, jedoch am Anfang geringer als im weiteren Verlauf der Reaktion. Die Induktionszeit ist dann beendet, wenn die Polymerisationsgeschwindigkeit deutlich ansteigt. Danach sind offenbar alle die Polymerisation verzogernden Prozesse, wie z. B. Abbruch der Radi- kale durch Sauerstoff, Verunreinigungen oder instationare Monomerkon- zentrationen im Wasser zu Beginn der Reaktion beendet. In Ubereinstim- mung mit O'Hara und Prutton4 wurde weiterhin gefunden, dal3 aufgrund der Abnahme der Initiatorkonzentration die Polymermenge pro Zeit nach etwa 24 h abnimmt. Abb. 2 zeigt, wie sich die PVC-Ausbeute andert, wenn

bezogen auf 251 H20 % ,8Orm'/min

A0037ml/min A'

a t O F I I I I 1 -

Abb. 2. Anderung der Polymermenge im Reaktor mit der Zeit in Abhangigkeit von der VC-DurchfluBgeschwindigkeit; Temperatur: 58 "C; K,S,O,-Konzentra- tion: 2 Gew.-Yo, bezogen auf 1,5 1 Wasser; Atmospharendruck.

verschiedene Durchsatzgeschwindigkeiten gewahlt werden, wobei Tempera- tur und Initiatorkonzentration konstant waren. Die in der Abbildung aufge- tragene Polymermenge in '4'0 wird ermittelt, indem man eine Probe mit be- kanntem Gewicht dem Reaktor entnimmt, das Wasser am Rotationsdampfer

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entfernt und den Ruckstand trocknet. Die erhaltene Feststoffmenge besteht aus Polymermaterial und Initiator, bezogen auf das entnommene Probenge- wicht. Dieser Wert wird auf die insgesamt eingesetzte Wassermenge von 1,5 1 umgerechnet und der Wert fur die im Wasser geldste Initiatormenge subtra- hiert.

Zur Uberprufung der Homogenitat der Polymerdispersion wurden an mehreren Stellen des Reaktionsrohres gleichzeitig Proben entnommen und auf ihren Polymergehalt gepruft. Die gute Ubereinstimmung der Ergebnisse zeigt, dalj die Durchmischung der Losung durch die aufsteigenden Mono- merblasen genugt und kein zusatzliches mechanisches Ruhren erforderlich ist. Aus Abb. 2 geht hervor, dalj die Induktionsphase etwa 1 h betragt und die Polymerisationsgeschwindigkeit wahrend dieser Zeit unabhangig vom Monomerdurchsatz ist. Danach steigt die Reaktionsgeschwindigkeit und bleibt im weiteren Untersuchungszeitraum konstant. Wahrend in der An- fangsphase der Reaktion die Monomerdurchfluljgeschwindigkeiten keinen Einflulj auf die Reaktionsgeschwindigkeit ausiiben, ergeben sich deutliche Unterschiede nach Beendigung der Induktionsperiode. Mit steigendem VC- Durchsatz wachst die Reaktionsgeschwindigkeit bis zu einem kritischen DurchfluRbereich an, unterhalb dem das zugefuhrte Vinylchlorid im wesent- lichen vollstandig umgesetzt wird. Bei DurchfluRgeschwindigkeiten von 70 und 80 ml/min differieren die Reaktionsgeschwindigkeiten nur sehr wenig, so dalj bei hoheren Raten dem Reaktor unverbrauchtes Monomeres ent- weicht. Abb. 3 macht dieses Verhalten deutlich. Die gunstigste Monomerge- schwindigkeit liegt demnach bei 70 ml/min. Umsatze des Monomeren von 85'370, bezogen auf die durchgesetzte Monomermenge, bestatigen eine nahezu quantitative Reaktion bei Durchfluljgeschwindigkeiten bis zu 70 ml/min. Danach sinkt der Umsatz schnell ab.

Der Einflulj der Initiatorkonzentration ist in Abb. 4 dargestellt. Mit stei- gender Initiatorkonzentration erhoht sich die Polymerisationsgeschwindig- keit und erreicht bei ca. 3 Gew.-Yo den groljten Wert.

Abb. 5 zeigt, dal3 die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur expo- nentiell bis zu einem bestimmten Grenzwert wachst. Hohere Temperaturen steigern dann die Reaktionsgeschwindigkeit nicht weiter. Die obere Tempe- raturgrenze liegt bei ca. 58 "C. Da der Initiatorzerfall stark temperaturab- hangig ist , werden bei niedrigen Temperaturen zunachst nur wenige Radi- kale gebildet; mit steigender Temperatur wachst die Radikalkonzentration an, es wird mehr Vinylchlorid umgesetzt, und die Polymerisationsgeschwin- digkeit steigt. Bei Erreichen der oberen Temperaturgrenze ist die Konzentra- tion an Radikalen so grolj, dalj ein vollstandiger Umsatz des zugefugten

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Polymerisationsg eschwindigkeii

Durchflun "'1 0 30 LO 50 60 70 dOml/min

Abb. 3. Polymerisationsgeschwindigkeit (070 Polymermenge, bezogen auf 1,5 1 Wasser pro h) von Vinylchlorid als Funktion des Durchflusses; Tempera- tur: 58 OC; Initiatorkonzentration: 2 Gew.-%, bezogen auf 1,5 1 Wasser; Atmospharendruck.

Polymerisationsgeschwindigkeit

Abb. 4. Polymerisationsgeschwindigkeit (Gew.-% Polymeres, bezogen auf 1,5 1 Wasser pro h) von Vinylchlorid als Funktion der K,S,O,-Konzentration (Gew.-Yo, bezogen auf 1,5 1 Wasser) bei 58°C; DurchfluB: 70 ml VC/min; Atmospharendruck; 0 = ermittelte Werte nach Beendigung der Induk- tionszeit.

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Polymerisationsgesch windigkeit

Abb. 5. Polymerisationsgeschwindigkeit (Gew.-Yo Polymeres, bezogen auf 1,s 1 Wasser pro h) von Vinylchlorid als Funktion der Temperatur; K,S,O,- Konzentration: 2 Gew.-Yo, bezogen auf 1,s 1 Wasser; DurchfluB: 70 ml VC/min; Atmospharendruck.

Vinylchlorids bewirkt wird, so dafl bei hdheren Polymerisationstemperatu- ren keine weitere Steigerung der Geschwindigkeit moglich ist. Dies wird durch eine dann konstante Polymerisationsgeschwindigkeit angezeigt. Die Zerfallsgeschwindigkeit des Initiators bei 43 "C ist dagegen sehr gering; un- terhalb dieser Temperatur geht die Kurve schnell gegen Null. Dieses Ergeb- nis stimmt mit Untersuchungen von Levi und Migliorina, uberein, wonach K2S20, in wassriger Losung erst oberhalb von 41 "C merklich zerfallt. Bei Polymerisationstemperaturen oberhalb 60 "C reicht die Radikalkonzentra- tion aus, eine vollstandige Umsetzung des Monomeren zu bewirken, so da13 die Polymerisationsgeschwindigkeit nur dann erhoht wurde, wenn mehr Mo- nomeres vorhanden ware, was aber wegen dessen begrenzter Loslichkeit in Wasser nicht realisierbar ist.

2.4 Redoxaktivierte Polymerisation bei A tmospharendruck

Bei der groflen Zahl der heute bekannten Redoxsysteme ist eine Fulle von Kombinationsmoglickeiten zwischen Oxidations- und Reduktionsmitteln denkbar; es lafit sich jedoch oft nicht voraussagen, welche Kombinationen in

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einem bestimmten Fall tatsachlich wirksam sind. Man kann die Polymerisa- tion beispielsweise durch Spuren von Metallionen, die in mehreren Wertig- keitsstufen vorkommen, in der Geschwindigkeit steigern. Diese Moglichkeit der Reaktionsbeschleunigung wurde zuerst von Haber und Willstatter9 bei der Einwirkung von Peroxodisulfat auf Hydrogensulfit in Anwesenheit von Eisenionen erkannt.

Deshalb wurde fur die Polymerisationsauslosung von Vinylchlorid bei At- mospharendruck ein ahnliches Redoxsystem auf seine Wirksamkeit getestet. Zahlreiche Vorversuche mit Redoxsystemen, deren Zusammensetzungen hinsichtlich der Konzentration der Partner als auch ihrer Kombination vari- iert wurden, ergaben vergleichsweise schlechte Resultate im Polymerisations- verhalten gegenuber dem System K,S,08/Na2S0,/CuS0, 5 H20. Obwohl auch mit diesem System nur bei hohen Konzentrationen der Redoxpartner die Polymerisation ausgelost werden konnte, stellt es den Initiator der Wahl dar. Die optimale Wirksamkeit fur den Kettenstart lieferte nach eingehenden Untersuchungen folgende Zusammensetzung der Komponenten: 1 Gew.-'To K2S20,, 1 Gew.-'To Na2S0,, 0,005 Gew.-'To CuSO, 5H,O, bezogen auf die eingesetzte Wassermenge. Geringere Konzentrationen fuhrten zu einem deutlichen Abfall der Polymerisationsgeschwindigkeit, hohere Konzentra- tionen brachten dagegen keinen erheblichen Zuwachs der Reaktionsge- schwindigkeit. Obwohl die Aktivitat von Redoxsystemen gegenuber Schwan- kungen im pH-Bereich im allgemeinen empfindlich ist und dadurch die Ver- wendung von Pufferlosungen erforderlich wird, konnte im Falle der Vinyl- chlorid-Polymerisation bei Atmospharendruck trotz einer Verschiebung von pH 8 nach pH 3 im Verlauf der Polymerisation ohne Pufferzusatz mit ge- nugender Geschwindigkeit polymerisiert werden. Fur den aktivierten Zerfall des Peroxids in waorigem Medium durfte folgendes Schema gelten:

2 Cuz+ + SO:- + H,O + 2 Cu+ + SO$- + 2 H i

s,o;- + c u + + cuz+ + 'SO, + so:- 'SO, + H 2 0 --* HSO, + 'OH

Das in der Oxidationsstufe 2 + vorliegende Kupfer im CuSO, - 5 H,O, das wegen seiner guten Wasserloslichkeit eingesetzt wird, muD durch das Na2S0, als Reduktionsmittel zunachst in die Oxidationsstufe 1 + uberfiihrt werden. Cu+ und K,S208 stellen somit ein Redoxpaar dar, das zur Bildung von 'SO,,- und SO:- fuhrt. Die 'SO;-Radikale konnen dann in einer Folgereaktion mit dem Wasser OH-Radikale bilden. Das Reduktionsmittel Na2S0, ist in der

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Lage, kontinuierlich Cu' zu bilden, so dal3 nur katalytische Mengen CuSO, * 5 H,O benotigt werden.

Mit dem beschriebenen Redoxsystem war es moglich, bei konstanten iibri- gen Polymerisationsbedingungen im Temperaturbereich von 0 "C bis 20 O C zu polymerisieren und somit durch Variation der Temperatur bestimmte Molekulargewichte einzustellen. Die erhaltenen Polymerdispersionen waren stabil und lierjen sich durch Gefrierkoagulation ausflocken. So konnte der gesamte Ansatz quantitativ aufgearbeitet werden, ohne darj Fremdstoffe mit dem Polymeren in Beruhrung kamen. Reste von Kupfersalzen und nicht ver- brauchtem Initiator, die bekanntlich zur Verfarbung des Polymeren fuhren und dessen thermische Stabilitat beeinflussen, wurden durch intensives Wa- schen mit Wasser entfernt. Fur die Charakterisierung der Polymeren ist von besonderer Wichtigkeit, dal3 auch die niedermolekularen Anteile des Poly- merisationsansatzes vollstandig erfarjt werden und nicht durch notwendige Reinigungsprozesse verloren gehen, da diese Polymeranteile durch erhohte Defektstellengehalte die thermische Stabilitat der Produkte stark herabset- Zen konnen.

Es wurde eine Reihe von Proben unter verschiedenen definierten Polyme- risationsbedingungen synthetisiert (Tab. 1).

2.5 Polymerisation von Vinylchlorid in Anwesenheit von Sauerstoff und von Kohlenmonoxid

Neueste Untersuchungen zur Polymerisation von Vinylchlorid in Gegen- wart von Sauerstoff in Suspension und eine Zusammenstellung der auf die- sem Gebiet durchgefuhrten Arbeiten finden sich in der Dissertation von Sonderhof lo.

Wie die meisten Perverbindungen sind auch die polymeren Peroxide insta- bile Substanzen, die in der Warme mehr oder weniger leicht zerfallen. Fur die polymeren Vinylchloridperoxide sind u.a. nach den von Garton und George18 beschriebenen Zerfallmechanismen folgende Zersetzungsprodukte zu formulieren:

CH,=CH + 0, f"HrXI"-O-O+n 61

'O-CHZ-CH-O' CH,=O + CH=O 61 A1

&I CH=O - CO + HC1

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Die widerspruchlichen Angaben zur Polymerisation von Vinylchlorid mit CO in verschiedenen Systemen waren der AnlaI3, quantitative Messungen zur Copolymerisation dieser Monomeren in Suspension durchzufuhrenlO. Auf- grund der gegensiitzlichen Meinungen hinsichtlich der Struktur der VC/CO-

Tab. 1. Zusarnmenstellung der hergestellten Polymeren.

Probe Initiator (Gew.-Yo, be- Temp. DurchfluB (rnl/min) zogen auf 1,5 1 H,O) ("C)

vc co N2

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

11 12 13 14

15 16 17 18

19 20 21 22

23

24

0,5 K,S,O~, 0,5 Na,SO, , 0,005 CuSO, * 5 H20

0,s 3 4 6 9 12,5 16 20

11 1 1

1 1 1 1 11 1 1

11 1 1 1 1 1 1

4 4 4 4

50

50

70 70 70 70 70 70 70 70

90 70

81 75 69 60

70 64 60 50

82 85 75 55

50

50

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Copolymeren * I , l 2 und der Tatsache, darj bisher in der Literatur nur Untersu- chungen zum EinfluD solcher Gruppierungen auf die thermische Stabilitat von S-PVC vorliegen, wurde versucht, VC/CO-Copolymere herzustellen. Die Versuche zur Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmospharendruck ohne CO ergaben, dab die Polymerisationsauslosung in der wiU3rigen Lo- sung stattfindet, so daD eine Copolymerisation mit dem nur in sehr geringem Marje wasserloslichen CO auf diesem Weg wenig erfolgversprechend war. Trotzdem wurden unter den in Abschn. 3.1 beschriebenen Bedingungen Mo- nomergemische verschiedener Zusammensetzungen in der Weise polymeri- siert, darj der Gesamtgasstrom immer konstant war. Der Luftsauerstoff war auch bei diesen Versuchen nicht ganz auszuschlieflen, so daD bei den erhalte- nen Polymeren zwischen Carbonylstrukturen, die durch den anwesenden Sauerstoff und/oder das CO gebildet wurden, unterschieden werden muD. Die Bildung von Carbonylgruppen im Polymeren wurde in Abhangigkeit vom CO-Gehalt im Ausgangsgemisch IR-spektroskopisch verfolgt. Aller- dings wurden bereits bei der Polymerisation ohne CO ebenfalls Carbonyl- strukturen im Polymeren gefunden. In beiden Fallen stieg deren Intensitat, wenn die VC-Konzentration sank. Uber die Strukturaufklarung der Polyme- ren wird im Teil 2 dieser Arbeit berichtet.

Eine Zusammenstellung der erhaltenen Proben und ihrer Herstellungsbe- dingungen enthalt Tab. 1 .

2.6 Polyrnerrnorphologie

Durch elektronenmikroskopische Untersuchungen wurde von verschiede- nen A ~ t o r e n ’ ~ - ’ ~ bereits nachgewiesen, darj das Korn von Masse-PVC eine globulare Gestalt hat. Es entsteht infolge einer Aggregation oder Agglome- ration aus kleineren, ebenfalls wieder globularen Partikeln. Diese Partikeln bilden im Korn keine dichte Kugelpackung, sondern liegen in einer hochpo- rosen Form vor, die dem PVC die Fahigkeit verleiht, gut und schnell Com- poundierungsstoffe wie z. B. Weichmacher zu absorbieren. Es konnten aber bei sehr gut aufgelosten elektronenmikroskopischen Aufnahmen auch kleine Partikeln mit einem Durchmesser urn 10 nm nachgewie~en’~.” werden, von denen angenommen wird, daR sie nur aus einem PVC-Molekiil oder hoch- stens aus einigen wenigen Molekiilen bestehen.

Uber die Bildung der Kornstruktur in Abhangigkeit von den Polymerisa- tionsbedingungen gibt es gegenwartig noch unterschiedliche Vorstellungen, die vor allem die Anfangsphase der Polymerisation betreffen. Aus allen Ar- beiten iiber die Primarstruktur von PVC geht aber hervor, darj die Morpho-

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logie des einzelnen PVC-Korns von der Initiatorkonzentration, der Polyme- risationstemperatur und der Ruhrgeschwindigkeit wahrend der Polymerisa- tion abhangig ist. Dies gilt sowohl fur M-PVC als auch fur S-PVC.

Mittels transmissionselektronenmikroskopischer (TEM) Untersuchungen* wurden die GroDe und die GroDenverteilung der Teilchen ermittelt, die bei der Polymerisation von in Wasser gelostem Vinylchlorid bei Atmospharen- druck erhalten werden. Ziel dieser Untersuchungen war die Bestimmung der Partikeldurchmesser in Abhangigkeit von den Polymerisationsbedingungen wie Zeit und Temperatur. Dazu wurden zunachst aus einem Polymerisa- tionsansatz bei bestimmten Initiatorkonzentrationen, konstantem Mono- merdurchsatz und konstanter Polymerisationstemperatur in bestimmten Intervallen Latexproben gezogen und diese nach der in Abschn. 3.2.2b be- schriebenen Weise elektronenmikroskopisch vermessen. Insgesamt wurden funf Proben nach 70 bis 420 min nach dem Polymerisationsstart entnom- men; alle Proben wiesen eine starke Verschleimung auf, die mit zunehmen- der GroDe der Teilchen abnahm. Die einzelnen Partikeln sind durch Mate- rialbriicken miteinander verbunden, deren Anzahl und Haufigkeit mit zu- nehmender GroDe ebenfalls abnimmt . Aus den TEM-Aufnahmen ist nicht zu entnehmen, ob es sich bei den Materialbrucken um den gleichen Stoff handelt wie bei den Teilchen selbst. Da die Proben aunerordentlich strahlen- empfindlich sind, wobei die kleineren Teilchen im Elektronenmikroskop schneller beschadigt werden als die groaeren, wurde von der Moglichkeit der Objektraumkuhlung des Gerates Gebrauch gemacht. Auaerdem ist es vor- teilhaft, die Proben nur kurze Zeit dem Elektronenstrahl auszusetzen. Trotz- dem muD, wie von Davidson und Collins*6 gezeigt wurde, mit einer Schadi- gung der Partikeln durch die hohe Energie der Strahlung in Form einer Ver- kleinerung des Teilchendurchmessers um ca. 20% gerechnet werden.

Die TEM-Aufnahmen der Probe, die nach 70 min dem Reaktor entnom- men wurde, zeigt Abb. 6a. Die Teilchen besitzen Abmessungen, die zwi- schen etwa 0,05 und 0,12 pm schwanken. Der mittlere Durchmesser durfte bei ca. 0,08 pm liegen. Eine typische Erscheinung in diesem Bereich der Par- tikeldurchmesser ist, daD die Teilchen perlschnurartige Strukturen bilden und uber ausgepragte Bindemittelbrucken verknupft sind. Trotz der gerin- gen GroDe der Partikeln ist bereits ihr kugeliger Charakter zu erkennen.

80 bzw. 100 min nach dem Polymerisationsstart lassen die TEM-Auf- nahmen in Abb. 6b und 6c erkennen, daD auch hier die Teilchen durch

* Fur die Anfertigung der elektronenmikroskopischen Aufnahmen und deren Dis- kussion danken wir Herrn Dr. Weber, Bayer AG, recht herzlich.

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Abb. 6 a - e. TEM-Aufnahmen von Latexpartikeln nach Polymerisationszeiten von 70, 80, 100, 180 und 420 min.

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schrnale Materialbrucken miteinander verbunden sind. Wahrend jedoch der kugelformige Charakter deutlicher erkennbar ist als bei der ersten Probe, tritt die kettenfiirmige Verkniipfung del- Partikeln in den Hintergrund. Ver- einzelt werden auch schon diskrete Teilchen beobachtet. Die Durchmesser dt'r Teilchen schwanken bei der Probe in Abb. 6 b zwischen 0,08 pm und 0,37 pni urid bei der Probe in Abb. 6c zwischen 0,12 pm und 0,21 vm.

Die TEM-Aufnahmen der nach 180 bzw. 420 min erhaltenen Proben (Abb. 6d und 6e) lasseri niir noch uber sehr kleine Materialbriicken ver- kniipfte Teilchen erkennen. VereinLelt sieht man auch Partikeln rnit zerrisse- nen Haftungsbi uckeri. Die HYufigkeit der isolierten Partikeln nimmt zu, rind der kugelfiirmige Charakter tritt noch deutlicher hervor. Die Durchmes- \er der 'I'eilchen liegen zwischen 0,15 pin und 0,3 pm. Nach einer Polymeri- \ationszelt von etwa 7 h beobachtet man recht einheitliche Teilchen mit aus- gepragter Kugelgestalt (Abb. 6e), vor allem wenn die Praparation der Probe rnit trockenem Piilver vorgenommen wurde. Die leicht deformierte Kugel- gestalt der Partikeln und eine gewisse Verwhleimung in den Aufnahmen, die von 1,aticec; erhalten wurden, kPrinten moglichcrweise durch die Art der Pra- paration der Probcii zustatide gekonimen sein, wobei die Behandlung im Ultraschallfeld als Ursache angeseheii werderi muD. Der mittlere Teilchen- durchmesser der Kugelii wiichst bei konstanten ubrigeii Keaktionsparame- tern mit steigendcr Polymerisationszeit. Abb. 7 Leigt, daD die GroDe wah- rend des ersten Drit tels dcr Keaktionsdauer stark ansteigt und anschlienend annahernd gleich bleibt oder nur noch geringfugig zunimmt.

Die OroDe der gebildetert Kugeln hangt jedoch nicht nur von der Reak- tionszcit, sondern nuch bc ir i der Keaktionstemperatur ah, sofern die anderen t iiiifluDgroRen bei den Versuchen konstant sind. Die Loslichkeit von Gasen 111 Wssser sinkt in der Regs1 mit steigender Temperatur. Die dadurch be- clingtc geringerc Monornerkonzentratioii im Keaktionsmedium sowie die vermehrte Kadikslbildung aus dem Initiator fuhren dam, daD die mittlere I'eilchengrolJe rnit steigendcr Keak tionstemperdtur jm Bereich von 0 "C bis 20°C linear abfallt. Die Kesultate dieser Untersuchung zeigt Abb. 8. Die Rcaktionszeit betrug bei dieseri Versuchen jeweils 7 h.

Es wurde bereiis darauf hingewiesen, daD die Morphologie von PVC- I'ulver vorn Polymerisation5verfahIen bestimmt wird. Daher gilt der Bildung und Existenz der kleiiisten Partikeln und deren Aggregation zu Primarparti- keln im Hinblick auf die Endstruktur der Makroglobulen besonderes Inter- w e . Die Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmospharendruck ist fur sol- uhe Untersuchungen besonders geeignet, well uber den gesamten Polymeri- sationszeitraum rnit geringen Monornerkonzentrationen gearbeitet wird. wo-

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0.25

0 15

005

Y *- irn

u-PVC T = ll°C

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1

1 3 5 7h

Abb. 7. Mittlere TeilchengraBe der PVC-Partikeln als Funktion der Polymerisa- tionszeit (Mittelwerte aus Messungen unter Verwendung von Polystyrol- Eichlatices); Polymerisationsbedingungen siehe Tab. 1, Probe 9.

bei die Polymerisation bezogen auf die momentane Monomerkonzentration immer im Bereich hoher Umsatze bleibt.

Ein Vorteil der Methode, die im Prinzip ein statisches Polymerisationsver- fahren darstellt, obwohl durch die aufsteigenden Monomerblasen eine Ver- wirbelung der Teilchen im Reaktor stattfindet, ergibt sich durch die konti- nuierliche Probenentnahme wahrend der Polymerisation. Das Wachstum der Teilchen kann daher von Beginn ihrer Bildung an verfolgt werden, wah- rend die innere Morphologie bei herkommlichen M-PVC oder S-PVC-Pul- vern durch elektronenmikroskopische Untersuchungen von Dunnschnitten der Endprodukte bestimmt werden mu& Die Polymerisation von Vinyl- chlorid bei Atmospharendruck fuhrt nach einer kurzen Induktionsperiode, wo die Polymerisation durch verzogernde Prozesse inhibiert wird, zum An- springen der Reaktion, die durch eine Trubung des Systems angezeigt wird. Die entstandene Dispersion verdichtet sich wahrend der Polymerisation und zeichnet sich durch eine ungewohnlich hohe Stabilitat aus. So behalt bei- spielsweise eine Dispersion, die in dieser Weise mit einer 1 Gew.-proz. Per- sulfat-Losung als Initiator hergestellt wurde, ihre Stabilitat fur mehrere Mo- nate. Die Stabilitat der Teilchen steht moglicherweise in Verbindung mit dem verwendeten Initiatorsystem. Sulfationen-Radikale und die beim Zerfall des Initiators ebenfalls entstehenden OH-Radikale konnen als Endgruppen an den Polymerketten hydrophil wirken; sie verhindern durch ihre gleichnami- gen Ladungen eine gegenseitige Anziehung und unterbinden damit zunachst die Aggregation der Teilchen. Die Bildung der PVC-Teilchen konnte dabei

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*\

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u- PVC

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20'C

Abb. 8. Mittlere TeilchengrdRe der Polymerpartikeln als Funktion der Polymerisa- tionstemperatur nach 7 h Polymerisationsdauer; Polymerisationsbedingun- gen s. Tab. 1, Probe 9.

in Analogie zu anderen wasserloslichen Monomeren in einem System ohne Micellen ablaufen. In solchen Systemen entstehen durch radikalische Poly- merisation in homogener wi-iljriger Losung monodisperse Polymerkolloide. Fitch" schlug in einer 1965 erschienenen Publikation vor, da13 die Bildung der primaren Polymerteilchen durch die Keimbildung der wachsenden Ma- kroradikale in Losung erfolgt. Nachdem einige Teilchen entstanden sind, konnen neugebildete Makromolekule aus der Losung ausfallen oder durch die bereits existierenden Teilchen adsorbiert werden. Zu Beginn der Reak- tion von Vinylchlorid in Wasser entstehen bei Annahme eines ahnlichen Mechanismus durch Assoziation von PVC-Molekulen ubermolekulare Strukturen, die bei Erreichen der Grenzlosungskonzentration ausfallen und die Keime der spateren festen polymeren Phase bilden. Dies wird im Verlauf der Polymerisation von Vinylchlorid bei Atmospharendruck durch eine leichte milchige Triibung des Ansatzes angezeigt. Der Teilchendurchmesser in dieser Phase der Polymerisation liegt bei etwa 50 nm. Nimmt man fur ein Makromolekul eine Kugelgestalt an und berechnet deren Volumen aus dem Molvolumen, lafit sich der Durchmesser einer solchen Kugel abschatzen.

Aus solchen Berechnungen geht hervor, da13 die Keime, die durch die erste Triibung wahrend der Polymerisation angezeigt werden, bereits eine Aggre-

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gationsstufe der Primarpartikeln darstellen miissen. Ein Vergleich der mit der Hife der TEM gemessenen Durchmesser der kleinsten Partikeln rnit dem eines Makromolekuls unter vereinfachten geornetrischen Annahmen zeigt, daR diese erste Aggregationsstufe aus etwa 10 bis 15 Polymerketten bestehen mu13 .

Ahnliche Resultate wurden von Bort et al. l 4 bei M-PVC-Pulver gefunden, das bei Umsatzen unter 6% erhalten wurde. Diese Autoren geben fur die Durchmesser der Keime etwa 100 nm an, die dann infolge des Kettenwachs- tums, d. h. durch Bildung von Polymermolekulen an der Oberflache der Kei- me durch adsorbierte Radikale oder infolge von Aggregationen einzelner Keime miteinander zu Mikroglobulen mit Durchmessern um 300 nm wach- sen. Ein Kettenwachstum an der Oberflache der Keime durch adsorbierte Radikale ware auch eine mogliche Erklarung fur die in Abb. 6a beschriebene Verknupfung der Teilchen uber Materialbrucken.

Diese Verknupfungen konnen durch Verschlaufungen oder Radikal kom- binationen wachsender Ketten auf verschiedenen Keimen zustande kommen und so die gefundenen perlschnurartigen Strukturen bilden. Die beobachte- ten Bruckenbruche in Abb. 6c sind wahrscheinlich auf die durchgefuhrte Ultraschallfeldbehandlung zuruckzufuhren. Die Perlschnurstrukturen ha- ben eine gewisse Ahnlichkeit mit Koagulationsstrukturen und zeichnen sich dadurch aus, daB sie in unregelmanigen Abstanden verzweigt sind. Uber Knotenstellen oder ringformige Gebilde, wie sie Abb. 6a zeigt, entsteht letzt- lich ein raumliches Netzwerk. Im weiteren Verlauf der Polymerisat ion nimmt der Perlschnurcharakter ab; es entstehen aus polygonartigen Teilchen kugelige Partikeln, wobei gleichzeitig die Zahl der Knotenstellen sinkt. Wahrscheinlich findet die Aggregatbildung bevorzugt an diesen Knoten statt. Mit fortschreitender Polymerisationszeit und damit wachsendem Um- satz steigen sowohl der Kugelcharakter als auch die Einheitlichkeit der Parti- keln. Die in der Anfangsphase gebildeten Keime sind vollstandig vrrschwun- den, wahrend isolierte Partikeln haufiger werden (Abb. 6e).

Daraus lassen sich hinsichtlich der Teilchenbildung folgende Schlusse ziehen: Der Kettenstart erfolgt in wahiger Losung, wobei die Teilchenbil- dungsgeschwindigkeit im wesentlichen von der effektiven Radikalbildungs- geschwindigkeit abhangt. Bei einer kritischen Kettenlange fuhren die zu- nachst noch gelosten Makromolekule zu einer Ubersattigung der Losung und fallen unter Keimbildung aus. Die noch loslichen Polymerketten haben dann die Wahl, entweder neue Keime zu bilden oder sich an bereits gebildete Keime anzulagern. Wenn, wie im vorliegenden Fall der emulgatorfreien Po- lymerisation von Vinylchlorid bei Atmospharendruck, nahezu monodisperse

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Partikeln entstehen, bedeutet dies, daD die Geschwindigkeit der Bildung neuer Teilchen nach relativ kurzer Zeit sehr klein werden muD. Die spater ge- bildeten Kettenmolekule werden vielmehr fast vollstandig von den bereits ge- bildeten Keimen adsorbiert, die sich dadurch im Laufe der Polymerisations- zeit vergr6Dern. Die Abweichungen vom linearen Wachstum der Teilchen mit der Reaktionszeit, die in Abb. 7 dargestellt sind, konnen darauf zuruck- gefuhrt werden, dal3 mit zunehmender Polymerisationszeit durch das immer heterogener werdende System keine konstante Monomerkonzentration im Wasser gewahrleistet ist. Eine im Mittel bei konstanter Polymerisationszeit kleinere TeilchengrdDe bei einer Temperaturerhohung legt die Vermutung nahe, dal3 das Teilchenwachstum auch vom Polymerisationsgrad der Makro- molekule abhangt (Abb. 8).

3. Experimenteller Teil

3.1 Durchfiihrung der Polymerisationen

AusgeliSst wurden die Polymerisationen mit den wasserliSslichen Initiatoren K2S20, und dem Redoxsystem K2S20,/Na2S0,/CuS0, im Temperaturbereich von 0 "C bis 20 "C. Die Konzentrationen der verwendeten Initiatoren variierten bei der Optimie- rung der Polymerisationsbedingungen von 0,5 bis 4 Gew.-Yo. Bei allen folgenden Ver- suchen lag die Initiatorkonzentration bei 0,s Gew.-Yo (bezogen auf die verwendete Wassermenge).

Der Polymerisationsstart erfolgte durch Einspritzen der konzentrierten Losungen der Initiatorkomponenten in den thermostatisierten und rnit Wasser gefiillten Reak- tor nach Einregulierung des VC-Stromes. In periodischen Intervallen wurden Proben aus dem Reaktionsrohr gezogen und analysiert.

3.2 Elektronenmikroskopische Untersuchungen

3.2.1 Befilmung der Cu-Objekttragernetze

Fur die elektronenmikroskopischen Untersuchungen der U-PVC-Proben wurden Kupfernetze mit einem Durchmesser von 2,3 mm verwendet. Diese mufiten vor dem Auftragen der Proben beschichtet werden. Zur Herstellung eines stabilen TEM- Tragerfilms wurde Pioloform-F verwendet. Pioloform@ (Wacker) wird durch Aceta- lisierung einer bestimmten Polyvinylalkoholsorte hergestellt. Gegenuber den fruher benutzten Kollodium- und Formvar-Filmen hat Pioloform den Vorteil, dafi eine Ver- starkung der Filme durch Kohlebedampfung nicht mehr erforderlich ist. Daraus er- gibt sich auch eine einfachere Herstellung der Filme. Dazu wird in einem Tropftrich-

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ter in eine 1,5 Gew.-proz. Losung in Chloroform bei Raumtemperatur zunachst ein sauberes Deckglas senkrecht eingetaucht, wie es fur die Mikroskopie verwendet wird; anschlieoend la& man die Losung langsam iiber den Hahn auslaufen. Das befilmte Deckglas la& man trocknen und ritzt die Glasrander rnit einer Pinzette an. Langsam schiebt man das Glas jetzt in eine mit Wasser gefiillte Petrischale, so daR sich der Film vom Glas abhebt und auf der Wasseroberflache schwimmt. Auf diesen Film werden nun vorsichtig die Kupfernetze rnit der zu befilmenden Seite gelegt. Zum SchluR hebt man Netze mit Film rnit einer dunnen Folie oder rnit Filterpapier von der Wasserober- flache ab und trocknet sie.

3.2.2 Praparation der Cu-Objekttragernetze

Die rnit Pioloform-F beschichteten Kupfernetze wurden nach zwei Methoden pra- pariert:

a) Die zu untersuchende, getrocknete Probe wurde fein aufgestaubt. b) 2 Tropfen des bei der Polymerisation erhaltenen Latex wurden mit ca. 20 ml bi-

destilliertem Wasser verdunnt und kurz im Ultraschallfeld dispergiert. 1 Tropfen dieser Losung wurde auf das Netz gebracht und das Wasser im Vakuum entfernt.

Als Vergleichssubstanz diente ein monodisperser Latex aus Polystyrol bekannter GroRe, der zusammen rnit der zu untersuchenden Probe auf die Kupfernetze gebracht wurde.

3.2.3 Elektronenmikroskopische Aufnahmen

Die elektronenmikroskopischen Messungen wurden rnit einem Gerat der Fa. Sie- mens durchgefiihrt unter Verwendung einer Beschleunigungsspannung von 80 kV. Die Aufnahmen wurden rnit einer PrimarvergrdRerung von 40000: 1 und 60000: 1 er- halten. Als zusatzliche Einrichtung verfugte dieses Gerat iiber eine Vorrichtung zur Objektraumkiihlung. Die TeilchengroRe wurde direkt am Negativ rnit einem Gerat zur quantitativen Bildauswertung (Fa. Kontron MOP/AM3) bestimmt.

Wir danken der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigun- gen e . V. und der Max-Buchner-Forschungsstiftung fur die Forderung dieser Untersuchungen.

U.S. 2.179.040(1939), Erf.: W. Heuer Neth. 46.851

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