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Peter Christian Ludz· Ideologiebegriff und marxistische Theorie

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Peter Christian Ludz· Ideologiebegriff und marxistische Theorie

Peter Christian Ludz

Ideologiebegriff und marxistische Theorie Ansatze zu einer immanenten Kritik

Westdeutscher Verlag

© 1976 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1976

UmschiaggestaItung: Reiner Wolfgardt, Opladen GesamthersteIIung: Mohndruck Reinhard Mohn OHG, Giitersloh Aile Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische VervieWiltigung des Werkes (Foto­kopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages.

ISBN-13: 978-3-531-11296-1 DOl: 10.1007/978-3-322-83715-8

e-ISBN-13: 978-3-322-83715-8

Inhalt

Vorwort . ........................................ XI

Einleitung: Ideologie und Ideologiebegriff. ......................... XIII

Ideologie und Wahrheit - Einige erkenntnistheoretische Bemerkungen . XIII Inventarisierungsversuche von Ideologie. . . . . . . XVII Marx und die »kritische Theorie« .................. 2

Riickbesinnung auf Mannheims Wissenssoziologie . . . . . . . . . 5 Ideologien, Werturteile, Leerformeln: Der positivistische Ansatz. . . . . . . . . 7 Ideologie und Ideologiebegriff im Selbstverstandnis des Marxismus-Leninismus. 10

Zur Wiederaufnahme der funktionalistischen Deutung von Ideologien . . . . .. 12

Zur Konkretisierung einer positiv-kritischen Ideologieanalyse . . . . . . . . . .. 15 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18

1. Ideologiebegriff und kritisch-positive Gesellschaftstheorie . . . . . . . . . . .. 22

Zur Frage nach den Bedingungen der M oglichkeit einer kritischen Gesellschafts-theorie . . . . . 22

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Dialekti.'z und Ideologie in der Philosophie Hegels . . . . . . . . . . . . . . . .. 39 Hegels Bedeutung fiir die Ideologielehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39 Hegels Rezeption des Ideologiebegriffs der Aufklarungsphilosophie ..... .. 43 BewuBtsein und ideologisches BewuBtsein; Dialektik und Ideologie bei Hegel. . . 45 Zusammenfassung. 47 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 48

»Alienation« als Konzept der Sozialwissenschaften 50 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Bedeutung und Abgrenzungen . . . . 5 I

I. Alienatio, alienation, Entfremdung 51 2. Alienation, anomie, anomia 52

VI Inhalt

III. Zur Geistesgeschichte von »alienation«, »Entfremdung« . 1. Entfremdung bei Karl Marx . . . . . . . . . . . . ...

a) Entfremdung als geschichtsphilosophisches Konzept b) Entfremdung als theoretisches Konzept c) Entfremdung als empirisches Konzept. d) Zusammenfassung. . . . . . . . . . ..

2. Entfremdung/»alienation« im Marxismus . 3. Anomie bei Emile Durkheim und Robert K. Merton

IV. »Alienation« in den Sozialwissenschaften der Gegenwart 1. »Alienation«: eine »unit idea«? ... 2. Ein empirisch-analytisches Konzept. . . . . . .. .

a) Theoretische Ansatze . . . . . . . . . . . . .. . b) Skalen zur Messung von »alienation«/»anomia« . c) Zwei Bereiche der empirischen »alienation«-Forschung .

V. Zusammenfassung Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Zu einer historisch-kritischen Ideologietheorie

54 55 55 56

57 58 59 61

63 63 66

66

70

72

75 76

82

Entwur{ einer Typologie des Ideologiebegriffs . 82

Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Primar- und Sekundarideologie ........ 85 Revolutionare und konsolidierte Primar- bzw. Sekundarideologie . 92 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Religionskritik und utopische Revolution 103

Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . 103

Zur Religionskritik bei Hegel und Feuerbach 104

Exkurs: Subjektivitat und Institution (Feuerbach und Gehlen) . 107

Zum Begriff der (Religions-)Kritik beim jungen Marx I I I

Entfremdung und utopische Revolution bei Marx. 113

Zusammenfassung . I 18 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . 119

Ideologie, Intelligenz und Organisation 123

Problemstellung. . . . . . . . . . . . . 123

Der Ideologiebegriff bei Karl Marx . . 124

Operationale Definition eines soziologischen Ideologiebegriffs 126 Johann Gottlieb Fichte und der »Bund der freien Manner« .. 127

Der »Bund der Geachteten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Argumente der Rechts- und Linkshegelianer im Kontext ihrer sozialen Position.. 141

Verlangerung der Analyse in die Gegenwart: Ideologie in der industriellen Gesell­schaft. . . . . . 148 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 151

Inhalt

Ein Klassiker der Ideologie-Geschichtsschreibung . Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Marxistische Gesellschaftstheorie als Soziologie in der DDR .

VII

154 161

Soziologie und Marxismus in der DDR 162

Aufgabenstellung und Organisation . . 163 Probleme der Theoriebildung ..... 165 Zur Abgrenzung von der »biirgerlichen« Soziologie 171

Zusammenfassung. 172

Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Neuere Entwicklungstendenzen in der Soziologie des Ostblocks 175 Problemstellung. . . . 175

Soziologie in Polen . . 177 Soziologie in der DDR 179 Zusammenfassung . 183

Anmerkungen . . . . . 184

Der Strukturbegriff in der marxistischen Gesellschaftslehre 185 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Zum Begriff der Struktur in der traditionellen marxistischen Theorie 188

Zum Begriff der Struktur in der Marx-Interpretation Louis Althussers 192 Zur »antistrukturalistischen« marxistischen Historik von Alfred Schmidt. 196 Zum Begriff der Struktur in der Geschichtsmethologie der DDR 200

a) Struktur im Rahmen der Problemlogik . 201

b) Struktur und System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

c) Struktur und Dynamik (Entwicklung) . . . . . . . . . . . . . 203

Zur Obertragung des Strukturbegriffs auf die marxistische Geschichtsmethologie 203

a) Zur »Dialektik« von Struktur, Ereignis und Entwicklung . 204 b) Struktur und Gesetz; Logisches und Historisches 206

Einige SchluBfolgerungen . 207

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

4. Marxistische Konflikttheorie in der Sowjetunion und in der DDR .

Konflikttheoretische Ansatze im historischen Materialismus .. Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . ........... . Zur Ideologiegeschichte des Widerspruchs-(Konflikt-)Begriffs . Zur Funktion von Ideologie in sozialistischen Gesellschaftssystemen Zusammenfassung. Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 3

21 3 21 3 216

221

227 228

VIII Inhalt

Widerspruchsprinzip und Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234

Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234 Zur Frage nach der soziologisch-historischen Dimension des Widerspruchsprinzips 237

Zur historischen Ableitung der Widerspruchstheorie . . . . . . . . . . . . . . .. 238 Der Ausbau der soziologisch-historischen Dimension des Widerspruchsprinzips in der neueren sowjetrussischen Diskussion 241

Zusammenfassung . 246 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . 246

Widerspruchstheorie und entwickelte sozialistische Gesellschaft. 248

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Die politische Ausgangslage .... . . . . . . . . . . . 249 Zur Diskussion in der Sowjetunion und in Osteuropa . 251 Neuere Aspekte der Widerspruchstheorie in der DDR . 253 Widerspruchstheorie und Formationslehre 253 Kuczynskis Theorie der Widerspriiche. . . . . . 255 Zur ontologischen Dimension . . . . . . . . . . 256 Zur wissenschaftsmethodologischen Dimension. 258

Zur gesellschaftswissenschaftlichen Dimension . 259 Prazisierungsversuche der antagonistischenlnichtantagonistischen Widerspriiche . . 260

Offene Fragen . 262 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 264

5· Revisionen des Marxismus-Leninismus in Osteuropa und in der DDR 266

Freiheitsphilosophie oder aufgeklarter Dogmatismus? . 266 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Der »Fall Havemann« . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Zur politischen Bedeutung des "Falles Havemann« 268

Robert Havemann und Wolfgang Harich . . . . . 268

Die SED und die Erschiitterung des ideologischen Dogmas 270

Die Ausstrahlung von Havemanns Philo sophie . . . . . . . 27 1

Der traditionelle Kampf der SED gegen Revisionismus und die Umfunktionie-rung der Philo sophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

II. Grundziige des Dialektischen Materialismus bei Havemann . . . 274

Die Kritik des Idealismus und des "mechanischen Materialismus« 275 Der "neue Materialismus« ...... . . . . . . 277 Fortschrittsglaube und teleologische Konzeption 278

III. Dialektik und Positivitat . . . . . . . . . . . . . 28 I

IV. Die doppelte Begriindung der Freiheit. . . . . . 28 5 Die Begriindung der Freiheit aus dem Dialektischen Materialismus 286 Die dialektische Interpretation der Kausalitat . . . . . . . 287 Der Gewinn der Freiheit aus der Politisierung der Kritik . 289 Das Wiederaufleben der Spontaneitatstheorie . . . . . . . 29 1

Inhalt IX

Die historisch-politische und die ethische Begriindung der Freiheit . . . . .. 292 Die Allgemeingiiltigkeit der Entfremdung in industriellen Gesellschaftsordnun-gen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Die normative Utopie des asketischen Kommunismus 295

V. Zusammenfassung . 298

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . 299

Der politische Aspekt der Entfremdung 304

Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . 304

Der Entfremdungsbegriff bei Hegel und Marx 306 Entfremdung und Verdinglichung bei Georg Lukacs . 308

»Entfremdung« als Ausdruck einer ideologischen Krise. 309 Zur Diskussion in den einzelnen L1indern des Ostblocks . 3 1 1

Polen ....... 311

Tschechoslowakei . 313

Ungarn. . . . . 315 DDR. . . . . . 316

Zusammenfassung. 317 Anmerkungen . . . 318

Formen und Alternativen sozialistischer Entwicklungen 319

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Drucknachweise .

Personenregister .

Sachregister . . . 334

Meiner Mutter, der ich alles verdanke.

Vorwort

In dem vorliegenden Band werden Arbeiten zusammengefafh, die sich kritisch mit Fragen von aus dem Marxschen Ideologiebegriff abgeleiteten Gesellschaftstheorien ebenso befassen wie mit der Komplexitat des Marxschen Ideologiebegriffs selbst, den orthodox-marxistischen und den marxistisch-revisionistischen Ideologietheorien, ihrem Wandel, ihren politisch-ideologischen Funktionen in unterschiedlichen histo­risch-gesellschaftlichen Beziigen und, nicht zuletzt, ihrer theoretisch-methodologi­schen Verwendbarkeit fiir das Verstandnis von Geist und Geschichte einerseits, Poli­tik und Gesellschaft andererseits.

Die hier versammelten Studien sind in den Jahren von 1960 bis 1975 entstanden. Sie beruhen zum Teil auf Vorarbeiten, die bis in die Jahre 1954/55 zuriickreichen. Zwei Arbeiten sind bisher unveroffentlicht: der Einleitungsaufsatz »Ideologie und Ideologiebegriff. Dberlegungen zu ihrer metatheoretischen und immanent-kriti­schen Aufarbeitung« (S. XIII-XVIII u. 1-21) und die Abhandlung »Entwurf einer Typologie des Ideologiebegriffs« (S. 82-102); aIle anderen Arbeiten sind, an ver­streuten Stellen, bereits erschienen.

1m Laufe des letzten Jahrzehnts hat sich die theoretische Position des Verfassers insofern geklart, als er heute bestimmte Perspektiven der Wissenssoziologie und der Ideologiekritik mit einem historisch-soziologisch orientierten Funktionalismus in seinen metatheoretischen, d. h. theoretischen und forschungspraktischen, Beziigen systematisch aufzuweisen sucht. Damit wird einmal versucht, die These von der hi­storisch-sozialen Bedingtheit von Theoriebildungen praziser als in der alteren Wis­senssoziologie zu begriinden und historisches BewuBtsein durch positive Forschung neu zu fundieren. Mit einem solchen Ansatz versucht der Verfasser zweitens, die Kluft zwischen normativ-praskriptiven und empirisch-deskriptiven Forschungsan­satzen, die in den Sozialwissenschaften weiterhin besteht, zu iiberbriicken.

Die abgedruckten Arbeiten sind als »Material« fiir eine Metatheorie des Ideologie­begriffs zu begreifen. »Metatheorie« meint in unserem Zusammenhang die systema­tische Verkniipfung der erkenntnistheoretischen und der theoretisch-kategorialen Ebene des Ideologiebegriffs sowie ihre Umsetzung in Forschungsprogramme (ein­schlieBlich der Selektion bzw. der Erfassung ideologischer Phanomene). »Metatheo­rie« istwie z. B. auch »metascience« selbst als Disziplin zu begreifen. Sie hat im Sinne von Gerard Radnitzky die systematische Dberlegung zu leisten, die unterschiedliche Grundaxiome und theoretische Konzeptionen in einem Wissenschaftsbereich mit­einander vergleicht und in Beziehung setzt. Wenn wir von »Material« handeln, so sind darunter einmal historisch-soziologische wie empirische Analysen ideologischer Phanomene zu verstehen; zum anderen umschlieBt »Material« jedoch auch Typolo-

XII Vorwort

gien - Typologien auf verschiedenen Abstraktionsstufen -, in denen der Wandel der Funktionen von Ideologie im Zeitverlauf erfaBt werden solI. In gewisser Weise na­hern wir uns mit der Konstruktion solcher Typologien dem historisch-verstehenden Funktionalismus von Amitai Etzioni, der zur Erklarung sozialen Wandels ebenfalls historische (System-)Typen entwirft.

Die sechzehn in dem Band zusammengefaBten Studien sind als Prolegomena fiir drei Projekte des Verfassers anzusehen: einmal eine vergleichende Studie iiber »Poli­tische Geheimbiinde«, in der das VerhaItnis von Ideologie, Utopie, Organisation und den sozialen Tragern von Ideologie vor allem fiir die Jahre 1780 bis 1840 in Deutsch­land, Frankreich, Italien und der Schweiz untersucht werden solI; zum anderen eine Analyse des »Europaischen Marxismus«, welche die Facetten und Nuancen, die Konvergenzen und Oberschneidungen der Marxschen und nach-Marxschen Ideolo­gietheorien unter besonderer Beriicksichtigung des Ost-W est-Gegensatzes in poli­tikwissenschaftlich-ideologiekritischer Absicht ebenso wie in ihren (meta-)theoreti­schen Strukturen aufweisen will; schlieBlich der systematische Ausbau eines den Funktionalismus erkenntnistheoretisch wie historisch-soziologisch und soziolo­gisch-empirisch verfeinernden Bezugsrahmens, der im Sinne von Imre Lakatos 50-woW neue Tatsachen mit Hilfe neuer Forschungsprogramme erscWieBt wie auch neue Hilfstheorien zu antizipieren in der Lage ist.

Die nachfolgende Einleitung solI die zuletzt genannte Absicht verdeutlichen. Sie hat damit nicht nur die Aufgabe, die zwei - im Titel angedeuteten - Hauptteile dieses Buches methodologisch zu integrieren; sie solI vielmehr auch den hier vertretenen immanent- bzw. positiv-kritischen Ansatz in Abhebung von anderen (meta-)theore­tischen Positionen vorstellen.

Feldafing, im Januar 1976 Peter C. Ludz

Einleitung

Ideologie und Ideologiebegriff. Oberlegungen zu ihrer metatheoretischen und immanent-kritischen Aufarbeitung*

Ideologie und Wahrheit - Einige erkenntnistheoretische Bemerkungen

Das Problem der Verbindung des jeweils zugrunde liegenden Wahrheitsbegriffs mit der Konzeption wie auch der U ntersuchung von Ideologie ist fiir jede Ideologietheo­rie und Ideologiekritik grundlegend. Der - von seiner Beziehung zu einem bestimm­ten Begriff von Wahrheit gepragte - Ideologiebegriff selbst ist wiederum entschei­dend fur jede systematisch-historische Diskussion von Ideologie und Ideologiekri­tik. Damit ist ausgesagt: Die Herausarbeitung des dem verwandten Ideologiebegriff jeweils unterliegenden Konzepts von Wahrheit ist fur die historisch-systematische Identifizierung und Charakterisierung jeder Ideologietheorie Voraussetzung. Die somit angeschnittene erkenntnistheoretische Frage solI im folgenden kurz angespro­chen werden.

Erkenntnistheoretische Bedeutung hat Ideologie seit Francis Bacon bis hin zu Karl Marx, bis zu Karl Mannheim, Theodor Geiger, Ernst Topitsch, Hans AlbertundJur­gen Habermas deshalb, weil in der Geschichte wissenschaftlichen Denkens Ideologie stets der » W ahrheit« konfrontiert war. Sicherlich, Erkenntnis als solche ist immer auf Wahrheit ausgerichtet; der wahren, d.h. durch methodisch-kritische Reflexion als adaquat angesehenen Erkenntnis wurde bereits bei Heraklit und Parmenides die »nur scheinbare« Erkenntnis gegenubergestellt. Doch hat erst Marx auf der Grund­lage der Ideologietheorie der franzosischen Aufklarungsphilosophie sowie in der Dbernahme der Hegelschen Dialektik die Komplexitat der Beziehung zwischen Ideologie und Wahrheit verdeutlicht. In diesem Zusammenhang kann Ideologie mit Marx vorlaufig als »falsches BewuBtsein« und damit als inadaquate Erkenntnis einer sozio-okonomisch determinierten Wirklichkeit begriffen werden. Marx'Wahrheits­begriff, seine Kennzeichnung der Beziehung von Ideologie und Wahrheit korre­spondieren einer ganz bestimmten Konzeption von Wirklichkeit.

Die neuere Erkenntnis- bzw. Wissenschaftstheorie hat der jahrzehntelang wah­renden und bis heute anhaltenden Diskussion uber das Verhaltnis von Ideologie und Wahrheit neue Akzente verliehen. Die neuere Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie wird einmal, in der Popper-Nachfolge, u.a. von Imre Lakatos 1 vertreten; zum ande­ren reprasentiert sie, aus dem sprachanalytischen Bereich, besonders Charles M orris 2,

der seinerseits Karl R. Popper und seine Schule tief beeinfluBt hat. Vertreter beider Richtungen haben dazu beigetragen, den ontologischen Wahrheitsbegriff abzulosen. In unserem Zusammenhang kommt es auf einen ganz bestimmten Weg an, den diese

* Fiir kritische Hinweise zum I. Entwurf dieser Einleitung bin ich Herrn Dwain Mefford zu Dank verpflichtet.

XIV Einleitung

»Ablosung« genommen hat: auf die pragmatisch-funktionalistische Sichtweise. Dabei ist »pragmatisch« in einem recht we it gefaBten Sinne zu verstehen. Uns ist be­wuBt, daB allen Richtungen des Pragmatismus eine Gemeinsamkeit eignet, namlich die Vorstellung vom Menschen als handelndem Wesen, als Wissen und Wissenschaft produzierendem Wesen und, vor allem, als die Sprache benutzendem und durch die Sprache selbst begreifendem Wesen. Insofern konnen so unterschiedliche Vertreter des Pragmatismus wie John Dewey, Charles Morris, C. West Churchman einerseits, Charles S. Peirce andererseits fur die Zwecke unserer Untersuchung ohne weitere Differenzierung herangezogen werden3•

Die altere Schule des logischen Empirismus (u.a. Carl Gustav Hempel, Viktor Kraft, Moritz Schlick), der sich - hinsichtlich des Verhaltnisses von Ideologie und Wahrheit-jedoch auch Vertreter der Popper-Schule wie Hans Albertund eigenstan­dige Wissenschaftstheoretiker und -historiker wie Ernst Topitsch zugesellen, hat uberwiegend am ontologischen Wahrheitsbegriff festgehalten4 • Dabei ist »Wahrheit« im ontologischen Sinne als adaquate Erkenntnis der der Sinneserfahrung zugangli­chen und damit als »objektiv« gesetzten Tatsachen zu begreifen.

Die altere Schule des logischen Empirismus vertrat niemals die These, daB Wahr­heit, Sinngebung und Bedeutungsverleihungen mit dem theoretischen (und sozio­politis chen) Kontext sich jeweils wandeln konnens. Eine nicht weiter hinterfragte Wahrheit wurde vielmehr als Adaquanz von Erkenntnis und objektiver AuBenwelt angesehen oder dem »falschen«, weil durch falsche Vorstellungen von der Wirklich­keit falsch perzipierenden Denken im Sinne Descartes' konfrontiert. In beiden Fallen steht ein rigides Verstandnis vom (falsch erkennenden) Subjekt und/oder (falsch per­zipiertem) Objekt der Erkenntnis im Hintergrund. Die altere Schule des logischen Empirismus rekurrierte damit sowohl auf einen ontologischen wie z. T. auch auf einen idealistischen Wahrheitsbegriff.

Der hier vertretene pragmatisch-funktionalistische Ansatz geht nicht von einer solchen Subjekt-Objekt-Beziehung, sondern von einer Beziehung zwischen Men­schen und den von ihnen jeweils benutzten Symbolen aus; d. h., daB »Wirklichkeit« sowohl als gedachte, konstruierte Wirklichkeit im Sinne von Descartes und Kantwie auch als objektiv gegebene AuBenwelt zu begreifen ist. Damit ist unser Theorieansatz im Sinne der von Rene Konig getroffenen U nterscheidung von vornherein als »sozio­logische Theorie« und nicht als »Theorie der Gesellschaft«, also als umfassende phi­losophische Theorie sozialer Systeme uberhaupt, angelegt. Allerdings glauben wir, daB auch eine soziologische Theorie sich ihrer eigenen metatheoretischen Dimension zu stellen hat.

Unser Ansatz ist einerseits von Karl-Otto Apels Interpretation von Morris' Sprachphilosophie, andererseits von Luhmanns funktionalistischem Wahrheitsbe­griff vorgepragt. Apel unterscheidet mit Morris zwischen »Syntax«, »Semantik« und »Pragmatik« der sprachlichen Zeichen: »Die >Syntax< betrifft die innersprachliche Beziehung der Zeichen untereinander, die >Semantik< die Beziehung der Zeichen zu den bezeichneten auBersprachlichen Tatsachen und die >Pragmatik< die Beziehung der Zeichen zu den Menschen als Sprachbenutzern6.« Apelhebt in seiner Interpreta­tion Morris' »humanistische Integration und Konkretisierung der Sprachkonstruk­tion« hervor. Dabei hat er den Sprachgebrauch des Menschen, den Umgang mit

Einleitung xv

sprach1ichen Symbolen in jeweils wechselnden Umweltsituationen im Auge. Hin­sichtlich des hier zugrunde liegenden Wahrheitsbegriffs heillt das: »Erst als Vermitt­lungsmomente im Umweltverhalten des Menschen erhalten die syntaktische Bezie­hung der Zeichen untereinander und die semantische Beziehung der Zeichen zu den Tatsachen einen konkreten Sinn als RichtmaBe inhaltlicher Wahrheit1.« Fur einen derart formulierten Wahrheitsbegriff ist hervorzuheben, daB er nicht ontologisch und nicht hegelianisch, sondern semantisch, mit Apels eigenen Worten »erkenntnis­anthropologisch« - und damit implizit auch funktionalistisch konzipiert ist; funktio­nalistisch deshalb, weil der Umgang des Menschen mit Symbolen als Funktion seines Dberlebens in wechselnden Umweltsituationen gedeutet wird. Damit ist gleichzeitig ausgesagt: Dem Wandel des Wahrheitsbegriffs und der Beziehung zwischen Ideolo­gie und Wahrheit entspricht auch eine neue Konzeption von Wirklichkeit. »Wirk­lichkeit« wird weder als »Identitat« und »Gegensatz« undifferenziert umfassendes SelbstbewuBtsein (das »absolute Ich« Fichtes) noch als historisch-okonomisch uber­determiniert (wie im Marxismus) begriffen. Wirklichkeit wird vielmehr als ein - sich durch Anderung seiner Elemente selbst standig transformierendes - Bezugssystem aufgefaBt, das sich an drei Fixpunkten orientiert: dem Umweltverhalten des Men­schen als Benutzer von sprachlichen Symbolen (»Handeln«), der Beziehung von Signalen untereinander sowie der Beziehung von Zeichen zu den bezeichneten und mit Bedeutung versehenen auBersprachlichen Tatsachen8•

Durch eine soIche funktionalistische Konzeption von Wahrheit und Wirklichkeit wird die Moglichkeit allererst eroffnet, Ideologien als reale Phanomene positiv, d. h. historisch-empirisch zu erfassen und den Ideologiebegriff positiv-funktional, d. h. nicht als inhaltsleere Kategorie, zu verwenden. Diesem zuletzt genannten Aspekt des pragmatisch-funktionalistischen Wahrheitsbegriffs wenden wir uns we iter unten zu.

Auch Luhmanns funktionalistischer Systemtheorie liegt die Vorstellung einer Einschrumpfung des ontologischen wie des hegelianischen Wahrheitsbegriffs bzw. seiner Dynamisierung zugrunde. (Luhmann selbst nimmt eine Unterscheidung zwi­schen diesen beiden Wahrheitsbegriffen allerdings nicht vor.) Dabei geht er u. a. auf Vorstellungen des Pragmatismus von F. C. Schiller und Charles S. Peirce zuruck. »Ideologien sind bisher ethisch und kognitiv immer an den traditionellen Wahrheits­ideen gem essen worden, die in der ontologischen Metaphysik verankert waren. Von daher erschienen sie als suspekt, als Zeichen einer Kulturkrise, als Symptom eines Verlustes an echten Lebensinhalten und an glaubwurdigem Sinn. Unsere Dberlegun­gen fuhren uns vor die Frage, ob dieses Millverhaltnis zwischen Ideologie und Wahr­heit vielleicht nicht ein Unzureichen des ideologischen Denkens, sondern vielmehr ein Dberholtsein der uberlieferten metaphysischen Bestimmung der Wahrheit von ontologischen Pramissen her an den Tag bringt. Ideologien erweisen sich Tag fur Tag als lebenskraftig: Von einem Ende des ideologischen Zeitalters kann keine Rede sein9.«

Durch die »Methodisierung« der Wahrheitsfrage unter Verwendung von Metho­den der Logik und empirischen Verifikation ist der ontologische wie der subjektiv­und objektiv-idealistische Wahrheitsbegriff immer starker eingegrenzt und schlieB­lich ganzlich in Frage gestellt worden.

XVI Einleitung

Solche methodischen Einengungen beschranken, wie Luhmann hervorhebt, den Bereich der moglichen Wahrheit. Luhmann bestimmt Wahrheit in diesem Zusam­menhang als »Medium der Problemlosung«; der Wahrheitsbegriff ist damit selbst­ebenso wie Ideologie - fungibel geworden. »Von W ahrheit kann man immer dann sprechen, wenn jedermann bestimmten Sinn anerkennen und seinem Erleben und Handeln zugrunde legen muB, will er sich nicht aus der Gemeinschaft der die Welt konstituierenden und mitbestimmenden maBgeblichen Subjekte ausschlieBen. Auch Wahrheit ist, so weit sie reicht, ein generaIisiertes, relativ zeitbestandiges und fiir je­dermann giiltiges Medium der Problemlosung lO.«

Unter metatheoretischen wie auch methodologischen Gesichtspunkten hat Luh­mann, trotz seines Beitrages zur Auflosung des ontologischen sowie des idealisti­schen Wahrheitsbegriffs, den Fortgang der konkreten Analysierbarkeit des Ideolo­gieproblems allerdings eher behindert; denn er verdeutlicht nicht, in welcher Tradition sein Wahrheitsbegriff steht11• Indem Luhmann auf eine Explikation der metaphysischen Beziige seines Wahrheitsbegriffs verzichtet, kann er auch die Impli­kationen seines Denkstandortes nicht deutlich machen - Implikationen, die die Mehrdimensionalitat seines eigenen Ansatzes nach sich ziehen. Weiterhin: Eine sy­stematische Verbindung zwischen seinem Wahrheitsbegriff bzw. dem VerhaItnis von Ideologie und Wahrheit einerseits und der von ihm konsequent vertretenen funktio­nalen Systemtheorie andererseits wird nirgends deutlich. Wie hangen die von Luh­mann verwandten Kategorien (z. B. der positiv verwandte Ideologiebegriff oder »Handeln«) mit seiner Wahrheitstheorie zusammen? Sicherlich beriihrt Luhmann die Sphare der Pragmatik, z. B. dann, wenn er »Wahrheit«, »Sinn« und »Bedeutung« einerseits, »Handeln« andererseits aufeinander zuordnet. Aber er tut dies lediglich im Rahmen der Stabilisierungserfordernisse von hochabstrahierten Systemen, die deshalb selbst leer bleiben.

In anderen Worten, Luhmann wahlt seine jeweiligen Bezugspunkte so abstrakt, daB sein .i\quivalenzfunktionalismus sich kaum in einem konkreten Forschungspro­gramm bzw. in einer durch eindeutig identifizierbare Parameter gesteuerten Selek­tion der zu untersuchenden ideologischen Probleme niederschlagen kann. Dies sei an folgendem Zitat verdeutlicht: »Es gibt in der eigenen Ideologie immer funktional aquivalente Formen, das heiBt Formen, die Gleiches leisten. Und das kommt heraus, wenn man den Vergleichsgesichtspunkt abstrakt genug wahlt. Diese Abstraktion er­reicht man, indem man die Funktion einer Ideologie dahin bestimmt, daB sie im Bereich der kausalen Auslegung des Handelns Folgen neutralisiert und so rationale Handlungen ermoglicht. Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen aIle Ideologien als funktional aquivalent, da sie aIle in der einen oder anderen Richtung Folgen des Handelns neutralisieren12.« Diese eigentiimliche Abstraktheit der Luhmannschen Theorie, diese Mittellage, die die Auseinandersetzung im metatheoretischen und me­thodologischen Bereich ebenso meidet wie den konkreten Entwurf von Forschungs­strategien, macht ihre U msetzung in historisch-empirische Ideologieforschung kaum moglich13•

Luhmanns Feststellungen iiber die Ablosung des ontologischen Wahrheitsbegriffs und die damit gegebene funktionale Bestimmung von Ideologie fiihren zu der ebenso zugespitzten wie letztlich vagen Behauptung, daB ideologische Aussagen als solche,

Einleitung XVII

sozusagen in ihrer reinen, idealtypischen Form, heute weder als »wahr« noch als »falsch« angesehen werden konnen, weil sie, in den Worten von Ernst Topitsch, »Zwittergebilde zwischen Mythos und Wissenschaft« sind. Solche recht allgemeinen erkenntniskritischen und philosophiehistorischen Bestimmungen von Ideologie ge­ben jedoch keine Auskunft daruber, ob und in welcher Weise ideologische Aussagen subjektiv gefarbt, von sinnlichen Wahrnehmungen und Beobachtungen gestiitzt etc. - d. h. wie sie mit metatheoretischen Aussagen verknupft sind. Luhmanns pauschales Diktum sagt daruber hinaus auch nichts uber die empirisch-historisch zurechenbare sozio-politische Fungibilitat von ideologischen Aussagen, uber die mit ihnen ver­kiindeten Vorurteile, Antizipationen und Rechtfertigungen und damit uber die em­pirische Verbindung von Ideologie und Politik sozialer Gruppen aus. Dazu ist sein Bezugspunkt zu abstrakt gewahlt.

Inventarisierungsversuche von Ideologie

Eine Analyse der gegenwartigen Bestrebungen, die Diskussion urn Ideologie und Ideologiebegriff wiederaufzunehmen, stoBt auf zwei unterschiedliche Stromungen. Einmal handelt es sich urn die sozialwissenschaftliche Aufarbeitung der »End-of­Ideology«-Debatte l 4, zum anderen urn den Versuch, durch eine moglichst genaue Inventarisierung der Merkmale, Funktionen und Strukturen von Ideologie den Ideologiebegriff als methodisches Instrument erneut brauchbar zu machen15• In bei­den FaIlen bewegen sich die Versuche gleichsam unterhalb der metatheoretischen und erkenntnistheoretischen Ebene auf einem Boden, der keine klare und konsistente Artikulation eines Forschungsprogramms ermoglicht. Beide Ansatze gehen intui­tiv-systematisch vor.

Die sozialwissenschaftliche Aufarbeitung der Debatte urn das »Ende des ideologi­schen Zeitalters« ist fur unseren Zusammenhang vor allem deshalb bedeutsam, wei! deutlich wird, daB vielleicht das »Zeitalter« der Ideologien vergangen, die Notwen­digkeit der prazisen Analyse der Funktionen von Ideologie im Rahmen von Hand­lungsstrategien dadurch jedoch keineswegs aufgehoben ist. 1m Gegenteil. So ist auch zu verstehen, daB der zweite Typ der Behandlung des Ideologieproblems u. a. gerade eine solche Analyse intendiert. Beide Ansatze erganzen sich also in gewisser Hinsicht. Wahrend jedoch der erste Typ der Wiederaufnahme der Diskussion die Debatte uber das »Ende der Ideologien« selbst kritisch, vornehmlich allerdings unter relativ engen, wissenssoziologischen und zeitgeschichtlich-politologischen Aspekten analysiert, handelt es sich beim zweiten Typ urn weit ausgreifende Katalogisierungen aller nur denkbaren Merkmale und Bezuge von Ideologie.

Den ersten Typ reprasentiert u. a. Robert A. Haber. Er kritisiert vor aHem Daniel Bell und Seymour M. Lipset und verweist zu Recht auf deren wenig prazise Defini­tionen von Ideologie. Nazismus, Boischewismus, McCarthyismus, Nationalismus, Panafrikanismus werden - unter Verwendung unklar formulierter Hypothesen - als »Ideologie« bestimmt. Haber arbeitet we iter heraus, daB die von Bell u. a. analysier­ten politis chen Stromungen uberwiegend von politischen Linksbewegungen getra­gen wurden und daB diese einen engen Bezug zur Politik im Sinne revolutionarer

XVIII Einleitung

Aktionen besaBen. Hierauf baut Haber seine Bestimmung von Ideologie auf, in die er aIle nicht-revolutionaren Ideologien als »status-quo«-Ideologien mit einschliefh: "Ideology as an intellectual production has several elements: I. a set of moral values, taken as absolute, 2. an outline of the 'good society' in which those values would be realized, 3. a systematic criticism (or, in the case of status quo ideology, affirmation) of the present social arrangements and an analysis of their dynamics, 4. a strategic plan of getting from the present to the future (or, in the case of status quo ideology, how continued progress is built into the existing system)16." Habermacht in seiner Kritik an Bell u. a. deutlich, daB die »Neue Linke« vor allem in den Vereinigten Staaten nicht zuletzt in Auseinandersetzung mit Theoretikern, die die These vom Ende des Zeitalters der Ideologien vertraten, ihr Wert- und N ormen­system verandert hat; ebenso habe sich die Perzeption der allgemeingiiltigen Werte und N ormen durch die »N eue Linke« verandert. Fur die Struktur von Ideologie wird dies besonders im Wandel der sie charakterisierenden Merkmale (Wertsystem, U to­pie, Kritikbegriff, politische Strategie) manifest. Damit sind jedoch Ideologien nicht uberhaupt zu ihrem historischen Ende gekommen; vielmehr haben sich ihre Ele­mente, ihre politisch-sozialen Trager und ihre Einbindung in Organisationen veran­dert. Habers systematische Beschreibung wirft ein Licht auf die geistigen Auseinan­dersetzungen in den Vereinigten Staaten zu Ende der sechziger Jahre. Eine theoretisch tiefergreifende Analyse von Ideologie und Ideologiebegriff bietet sie je­doch nicht.

1m Rahmen des zweiten Typs der hier unterschiedenen Ansatze wird versucht, den Ideologiebegriff als methodisches Instrument fur die Sozialwissenschaften wieder fruchtbar zu machen. In dem fast uferlosen Bemuhen, die historisch-soziale Genesis von Ideologien zu beschreiben und zu typisieren, den unzahligen Versuchen, der Mehrdimensionalitat ebenso wie der Differenziertheit von Ideologien gerecht zu werden, kommen solche Bestrebungen zum Ausdruck17. Sie konzentrieren sich viel­fach darauf, ohne einen konsequent funktionalistischen Ansatz Strukturen und Funktionen von Ideologien zu beschreiben - und damit eine aIle Aspekte von Ideo­logie umfassende Definition zu formulieren. Ein pragnantes Beispiel fur eine solche verfeinerte Definition von Ideologie liefert neuerlich Martin Seliger:

"An ideology is a group of beliefs and disbeliefs (rejections) expressed in value sen­tences, appeal sentences and explanatory statements. These sentences refer to moral and technical norms and are related to descriptive and analytical statements of fact with which they are arranged and together interpreted as a doctrine bearing the im­print of the centrality of morally founded prescriptions. A doctrine, which is to say an ideology, presents a not entirely self-consistent, not fully verified and verifiable, but not merely distorted body of views. These views relate in the main to forms of human relationships and socio-political organizations as they should and could be and refer from this perspective to me existing order and vice versa. Ideologies, share with others some morally and factually based views and thus attest ideological plural­ism without thereby losing their distinctiveness. .

"An ideology is a belief system by virtue of being designed to serve on a relatively permanent basis a group of people to justify in reliance on moral norms and a mod­icum of factual evidence and self-consciously rational coherence the legitimacy of the

EinLeitung

implements and technical prescriptions which are to ensure concened action for the preservation, reform, destruction or reconstruction of a given order.

"According to this core-definition of ideology, politics is inseparable from ideology since all political action is in the last resort directed towards one of these objectives.

"Ideology shares with political philosophy the structure of formal content and in most cases it depends for its fundamental principles on the specific content of political philosophies. As joined together in an ideology, fundamental principles assume a less disinterested and less objective complexion than their philosophical models. This dif­ference is due to the immediate action-orientation of ideology. The function of ideology affects the structure of the ideological argument inasmuch as at least tem­porary compromises over principles are demanded by the mere involvement in polit­ical action and by the objective to mobilize as much support as possible (or desirable) for a programme of action. Compromises cause ideology to bifurcate into purer, and hence more dogmatic, fundamental dimensions of argumentation and the more di­luted, and hence more pragmatic, operative dimension. In the latter, morally based prescriptions are often attenuated, or have their central place momentarily occupied by technical prescriptions 18."

Dieses ausfuhrliche Zitat von Seliger weist ebenso eindeutig wie umfassend auf den heute erreichten Stand einer systematischen Auffacherung und Differenzierung von Einzelelementen von Ideologien und ihren Zusammenhang sowie auf die Mehrdi­mensionalitat der Ideologienforschung hin. Glaubensvorstellungen in ihren Verbin­dungen mit Werturteilen sind mit dieser Definition ebenso erfaBt wie die fur Ideolo­gien eigentiimliche Verbindung von Werturteilen und Tatsachenaussagen, die dann in einer »Doktrin« zusammenlaufen. (Allerdings kann Seliger, entsprechend der von ihm gewahlten Definition, nicht angeben, wie theoretische mit ideologischen Aussa­gen zusammenhangen.) Eine ideologische Doktrin ist, ungleich verifizierbaren oder falsifizierbaren Theorien, nicht konsistent, weder verifizierbar noch falsifizierbar.

In der konkreteren Bestimmung von Ideologie hebt Seliger deren sozio-okonomi­sche Grundlage, ihre Trager, soziale Gruppen, ebenso hervor wie die Rechtferti­gungs- und Legitimierungsfunktion. Solche Funktionen machen Ideologien flexibel und lassen sie zu Instrumenten sowohl der Reform, der Zerstorung wie der Rekon­struktion gegebener politischer Ordnungen werden. Ideologien werden, weiterhin, in ihrer Verwandtschaft zu politischen Philosophien aufgewiesen: Die Aktions­orientiertheit von Ideologien gibt den auch in ihnen enthaltenen »fundamentalen« (ethischen) Prinzipien ein geringeres Gewicht, als dies bei politischen Philosophien der Fall ist19• SchlieBlich weist Seliger auf die, u. a. bereits von Raymond Aron, Zbig­niew Brzezinski et aliibetonte Zweidimensionalitatvon Ideologie - ihre Aufspaltung in eine »fundamentale« und eine »operative« Dimension - hin.

Kritisch ist zu Seligervor allem folgendes zu bemerken: Trotz des Aufweises der Fulle von Einzelmerkmalen von Ideologie und deren Verbindungen untereinander ist Ideologie, wie der Titel seines Buches anzeigt, wesentlich auf Politik begrenzt. Wir haben jedoch bereits feststellen konnen, daB Ideologien wie Ideologiebegriffe stets in mehreren Dimensionen des Denkens und Handelns verankert sind. Ein weiterer Kritikpunkt zielt auf den Inventur-Charakter von Seligers Ansatz. Der Wen seiner

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Arbeit liegt in der Aufarbeitung des Begriffs der Ideologie, wie er in der neueren amerikanischen soziologischen und politikwissenschaftlichen Literatur von C. Wright Mills iiber Carl J. Friedrich und Daniel Bell bis hin zu Robert A. Dahl, Edward Shils und Seymour M. Lipset gebraucht wird. Die eigentliche, systematisch aufzuschliisselnde Struktur von Ideologie bleibt verborgen. Die von Seliger benutz­ten Begriffe und Kategorien, Ideologie zu identifizieren, werden selbst kaum reflek­tiert. Lediglich die Aufspaltung in eine »fundamentale« und eine »operative« Dimen­sion des Ideologiebegriffs deutet eine solche Reflexion an. Wenn Seliger aber von den »forms of human relationships and socio-political organization« spricht, so bezeich­net er zwar sein Untersuchungsvorhaben, unterlaBt es jedoch, die metatheoretischen Grundannahmen dieser Wahl zu begriinden. Dies mag vor allem daran liegen, d:ill Seliger selbst keine klaren Ausgangshypothesen besitzt. SchliefUich ist anzumerken, d:ill Seliger trotz der Herausarbeitung von Funktionen der Ideologie Essentialist ge­blieben ist. Ideologie in ihrerW esenhaftigkeit steht der »W ahrheit« gegeniiber.

Marx und die »kritische Theorie«

Marx hat Ideologie als »falsches Bewulhsein« wie auch als den gesamten "Oberbau« der »Metaphysik« und »Religion« begriffen. Wenn mit dieser Kennzeichnung auch nicht die Komplexitat des Marxschen Ideologieverstandnisses erfaBt ist, so geniigt sie zunachst doch, urn Marx' zentrales Anliegen zu verdeutlichen, namlich den so­zio-okonomisch unvermittelten Anspruch des Geistes auf Wahrheit in Zweifel zu ziehen. Marxfiihrte das Denken, in erster Linie freilich das Denken ganz bestimmter sozialer Gruppen und Klassen (Feudalklasse, Bourgeoisie), auf seine sozio-okono­mische und politische Einwurzelung zuriick. In Marx' Ideologienlehre wurde damit eine Aussage zunachst auf die sozialgeschichtliche Genesis ihrer Trager bezogen und daraufhin mit ihrer Geltung kausal verbunden. Seit dieser Zeit ist das Genesis-Gel­tungs-Problem fiir Ideologie wie fiir den Ideologiebegriff bedeutsam geblieben.

Bei Marxsetzt sich der Ideologiebegriff vor allem aus zwei Elementen zusammen: Ideologie ist einmal durch das »Interesse« bestimmt - Interesse der Trager von Ideo­logie an der Aufrechterhaltung der Macht etwa (»Klasseninteresse«); Ideologie ist, zweitens, durch »Kritik« vermittelt - Kritik der Bourgeoisie etwa an den Widersprii­chen zwischen Anspruch und Erfiillung dieses Anspruches durch die Feudalaristo­kratie. »Kritik« lost Religion und Philosophie als umfassende Geisteshaltung ebenso ab wie Ideologie. Insofern ist - neben dem Begriff des Interesses - der Begriff der (Ideologie-)Kritik die umfassendste Kategorie jedenfalls des Marxschen Friihwer­kes20•

Damit wird der philosophische wie historisch-soziologische Zusammenhang von Ideologie und Ideologiebegriff in der Marxschen Theorie sichtbar. »Zusammen­hang« heillt allerdings noch nicht notwendig Identitat. Der Ideologiebegriff wurde von Marxwesentlich konkreter als bei Hegel als das adaquate Instrument zur Aufar­beitung von Ideologien angesehen und durchaus nicht immer mit Ideologie identifi­ziert. Marx hat, in wei ten Teilen seines Werkes, seine kritische Analyse weniger unter »Ideologie« als vielmehr unter »Ideologiebegriff«, also instrumentalistisch, zusam-

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mengefalh. Allerdings hat er auch, als Vertreter der dialektischen Logik, Ideologie und Ideologiebegriff, d. h. Begriff und Gegenstand, immer wieder ineinsgesetzt. Er folgte damit Hegels Ineinssetzung von »Gegenstandlichkeit« des »reinen Selbstbe­wuBtseins« und bewuBtseinstranszendenter, ebenfalls gegenstandlicher Wirklich­keit21. Wie auch immer: Marx hat mit dem Begriff der Ideologie den Sinngehalt der kulturellen Dberlieferung (der historisch gewordenen Ideologien) ebenso themati­siert wie unterschiedliche sozio-okonomische Interpretationen mit ihren Implikatio­nen historisch registriert. Eine solche Registrierung war die Bedingung der Moglich­keit der Marxschen utopisch orientierten Ideologiekritik, die sich auf die gesellschaftlich-politische Praxis ausrichtete22.

Der von einer sozialen Klasse erhobene Anspruch auf Wahrheit, d.h. auf richtige, adaquate Erkenntnis der Wirklichkeit, und auf die Verbindlichkeit der erkannten Wahrheit fiir andere Klassen ist von Marx mit solchen historisch-soziologischen Zurechnungen zuruckgewiesen, relativiert worden; dieser Anspruch sollte letztlich destruiert bzw. - durch die Hypostasierung der adaquaten Erkenntnis fur die Klasse des Proletariats - allererst begriindet werden. Die zuletzt erwwnte Absicht weist darauf hin, daB Marxdurchaus auch einen positiven Begriff von Ideologie verwandte: das historisch »richtige« BewuBtsein des Proletariats.

Marx' Ideologiebegriff war- in seinen positiven wie abwertenden Aspekten - stets in erster Linie Kampfbegriff, Waffe in der ideologisch-politischen Auseinanderset­zung. Er war, wie ein maBgeblicher Vertreter der gegenwartigen marxistisch-Ienini­stischen Soziologie es ausdriickt, stets »konkret«23. Mit der Bezeichnung »konkret« sind naturgemaa andere Sachverhalte gemeint als etwa in Hegels »Logik« oder in Marx' »Rohentwurf« »Zur Kritik der Politischen Okonomie«. In allen Fallen han­delt es sich jedoch urn Begriffsmerkmale von (dialektischen) Kategorien und nicht urn das Verhaltnis von Begriffen zu realen Phanomenen oder gar urn die Beschrei­bung von Realphanomenen.

Wenn die hier aufgefuhrten Einzelaspekte der Marxschen Ideologienlehre zusam­mengefaBt werden, so ist Ideologie einmal als »objektiv falsches«, von der Realitat abgehobenes BewuBtsein, zum anderen als Rechtfertigung bestehender Macht- und Herrschaftsverhaltnisse und schlieBlich als »Vermittlung« von Theorie und Praxis und damit als Aufhebung der Entfremdung zu bestimmen.

Die maBgeblichen Vertreter der »kritischen Theorie«, besonders Theodor W. Adorno, stehen in der Tradition dieses Marxschen Ideologieverstandnisses. Aller­dings las en sie den Ideologiebegriff aus seiner bei Marx gegebenen engen Verklam­merung mit der sozio-akonomischen und politisch-historischen Wirklichkeit; sie verengen und erweitern den Marxschen Ideologiebegriff damit gleichermaBen. Dadurch wird der Ideologiebegriff unscharf. Dies wird deutlich etwa in den »Sozio­logischen Exkursen«: »Von Ideologie laat sich sinnvoll nur soweit reden, wie ein Geistiges selbstandig, substantiell und mit eigenem Anspruch aus dem gesellschaftli­chen ProzeB hervortritt ... Ideologie ist heute der BewuBtseins- und UnbewuBt­seinszustand der Massen als objektiver Geist ... 24.« Ideologie wird damit lediglich als - ein zudem nicht empirisch festzumachendes - Dberbauphanomen begriffen. Ideologie gilt als »notwendig« falsches BewuBtsein; als solchem wird ihr vor allem Rechtfertigungscharakter zugewiesen. Ahnlich wird Ideologie u. a. bei H erhert M ar-

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cuse, Jurgen Habermas, Hans-Joachim Lieberund Kurt Lenk verstanden. Fiir Lieber etwa ist Ideologie »gesellschaftlich notwendiges und gesellschaftlich motiviertes BewuBtsein, das jedoch in beidem, in Notwendigkeit und Motivation, zugleich fal­sches BewuBtsein ist«25. Lenk differenziert in seiner Marx-Interpretation Ideologie einmal als »reine Spekulation«, zum anderen - fiir die Herrschenden - als Absiche­rung des einmal Gewordenen gegeniiber dem neu Werdenden26. Das Selbstverstand­nis der neomarxistischen Ideologiekritik ist andererseits - im Gegensatz zu Marx' sozio-okonomisch konkreterer wie geschichtsphilosophisch bestimmterer Lehre vom Proletariat - durch ein allgemeines emanzipatorisches Engagement begriindet: Die Kritik an der entfremdeten Gesellschaft der Gegenwart orientiert sich am Ent­wurf einer besseren, d. h. freieren, miindigeren, gerechteren Gesellschaft27.

Unter erkenntnistheoretischen, methodologischen und forschungspraktischen Aspekten haben die Vertreter der »kritischen Theorie« keinen Fortschritt iiber Marx' und Engels' Verstandnis von Ideologie und Ideologiebegriff erzielt; denn sie haben am Wahrheitsbegriff des deutschen Idealismus (Fichte, Hegel) festgehalten. Die Wahrheit des in sich selbst kreisenden SelbstbewuBtseins Fichtes und Hegels erlaubt lediglich ein negatives Verstandnis von Ideologie. Ideologie wird aus dies em ProzeB der dialektischen Selbstreflexion gleichsam als das »schlechte« BewuBtsein ausge­grenzt. Der Ideologiebegriff der »kritischen Theorie« bleibt deshalb eindimensional. Das prominenteste und jiingste Beispiel fiir das Festhalten an dies em eindimensiona­len Ideologiebegriff ist Jurgen Habermas. In seiner Auseinandersetzung mit Luh­mann verbindet er Ideologiekritik mit »ihrem theoretischen Wahrheitsanspruch« -freilich ohne kenntlich zu machen, urn welchen Begriff von Wahrheit es sich han­delt28. Habermas' Fixierung an den »Zusammenhang von Kommunikationsein­schrankung und Legitimation« liegen Begriffe von Kommunikation und Legitima­tion zugrunde, die sich ebenfalls am idealistischen Wahrheitsbegriff orientieren29.

Fiir Habermas ersetzen Ideologien »die traditionellen Herrschaftslegitimationen, indem sie mit dem Anspruch der modernen Wissenschaft auftreten und sich als Ideo­logiekritikrechtfertigen«30. Habermasfiigtdieser Aussage zwar hinzu, daB »Ideolo­gien ... gleich urspriinglich mit Ideologiekritik« sind und daB es deshalb »vorbiir­gerliche Ideologien« nicht geben konne. Er hat diese allgemeine historische Zuordnung von Ideologiekritik zu Ideologie allerdings nirgends soziologisch-histo­risch prazisiert. Hinsichtlich der forschungspraktischen Verwendungsmoglichkeit des Ideologiebegriffs fallt er deshalb hinter Marx zuriick; denn Marx hat, auf der Grundlage seines Ideologiebegriffs, ein Forschungsprogramm entworfen und histo­risch-okonomische Analysen iiber reale Einzelaspekte der Gesellschaft seiner Zeit tatsachlich durchgefiihrt.

Es bleibtfestzuhalten: Marx' Denken, nichtdas seiner Jiinger, macht noch am ehe­sten jene komplexe Konzeption von Ideologie und Ideologiebegriff klar, die in der Geschichte des europaischen Denkens schon seit Descartes immer deutlicher hervor­getreten war.

Xhnlich enttauschend wie die Aufnahme der Marxschen Ideologieproblematik durch Vertreter der »kritischen Theorie« und andere Neo-Marxisten ist der Versuch einer »Metakritik« der Marxschen Ideologiekritik. Dietrich Bohler hat im AnschluB an Karl-Otto Apel (sowie unter dem EinfluB von Habermas) aus der beherrschenden

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Stellung des Kritikbegriffs bei Marx die Mogliehkeit seiner immanent-kritisehen Ausdeutung abgeleitet: Kritik knupfe sowohl an die tradierte Vernunft wie, in der Form der »bestimmten Negation«, dureh das Aufarbeiten der Tradition an das Neue, die noeh nieht dogmatiseh gefalhe Utopie im Sinne Ernst Blochs an. Bohlers These kann aueh umformuliert werden: Die Reflexion bei der Bearbeitung eines Gegen­standes fuhrt die Analyse stets auf ein »Besseres« hin31. Bohler belegt zwar die be­kannte Tatsaehe erneut, daB Marx aufgrund seines methodologisehen Dogmatismus nur eine »materialistisehe theoria« geliefert hat; andere, gerade im Rahmen einer Metakritik wiehtige Aspekte werden von ihm allerdings nieht reflektiert. So stellt sieh etwa die Frage, ob eine immanent-kritisehe Analyse, die Marx' Fragestellung auf­nimmt und dadureh - ihrem Programm gemaB - stets aueh uber sie hinausweist, sieh mit dem bloB en Aufweis der bei Marx vermuteten (wahrseheinlieh jedoeh nur inten­dierten) »Identitat spraehlieh artikulierten BewuBtseins mit der gesellsehaftlieh voll­zogenen Praxis«32 begnugen kann und nieht die Geschichte des marxistisehen bzw. revisionistisehen Ideologiebegriffs, der ganz andere Absiehten verfolgte, mit beruek­siehtigen miiBte.

Die fehlende Reflexion solcher Fragen mag an der Oberthematisierung der Marx­sehen »Theorie-Praxis-Vermittlung« bei Bohler liegen. Eine Metatheorie der M arx­sehen Ideologiekritik kann nieht ohne methodologiseh prazise angebbare Transfor­mationsstufen einerseits »Reflexion und Kritik« betreiben und andererseits gleiehermaBen die Umsetzung in die »Praxis« erreiehen wollen - insbesondere dann nieht, wenn »Praxis« ahnlieh unbestimmt und anspruehsvoll wie bei zahlreiehen Neo-Marxisten den »Rahmen fur emanzipatorisehe Gesellsehaftsveranderung« bie­ten solI und in einer solchen Weise definiert wird, daB sie die konkrete »Einleitung« soleher Veranderungen im Sinne einer »kommunikativen Anleitungswissensehaft« ermoglieht33. In dies em Versueh spiegelt sieh der Hegel-Marxsehe ProzeBgedanke wider, der eine genaue Analyse der dialektisehen Argumentationsstruktur, wie sie Werner Becker gegeben hat, vermissen laBt34.

Ruckbesinnung auf Mannheims Wissenssoziologie

Es gehort zu den Eigenarten vor allem der von Hegel beeinfluBten Marxinterpreta­tionen, daB Ideologie und ideologisehes BewuBtsein stets mit dem Begriff bzw. der Kritik von Ideologien ineinsgesetzt werden. Ideologie als »falsehes BewuBtsein« und Ideologiekritik fallen zusammen. So wird etwa von Vertretern der »kritisehen Theo­rie« Ideologiekritik als »Konfrontation der Ideologie mit ihrer eigenen Wahrheit« begriffen35. Hans-Joachim Lieber formuliert diesen Gedanken noeh deutlieher, wenn er die »Gesehiehte des (Ideologie-)Begriffs zugleieh eine Gesehiehte der Saehe selbst«, also der Ideologie, sein laBt36. Habermas nimmt, wie wir gesehen haben, eine ahnliehe Position ein. Damit solI einer, wie wir sagen mussen unkritischen, imman­enten »Aufarbeitung« von Ideologie Reehnung getragen werden. Das Festhalten am ontologisehen bzw. hegelianisehen Wahrheitsbegriff in Verbindimg mit einer er­kenntnistheoretiseh naiv-immanenten Systematisierung ideologiekritiseher Ansatze hat kaum Fortsehritte weder in der analytisehen Fixierung ideologiseher Phiinomene

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noch in der positiven Aufarbeitung Hegel-Marxscher Argumentationsprofile er­moglicht.

Mit der Ineinssetzung von Ideologie und Ideologiebegriff wird die kritische Refle­xion der Erkenntnis, die Konfrontation der »wahren« mit der nur scheinbaren Erkenntis, auf einen Erkenntnisbegriff, der auf Fichte, Hegel und Marx zuriickfaIlt, reduziert. Die Sache, urn die es geht, und der Begriff, der diese Sache alIererst erfassen solI, werden nicht voneinander getrennt.

Bei Descartes (nicht dem Descartes der »Meditationen«) besteht zwischen dem Erkennen des Subjekts und seinem Gegenstand eine deutliche Unterscheidung. Erkennendes Subjekt und Gegenstand der Erkenntnis (»Objekt«) sind klar vonein­ander getrennt. Dies ist ein Ausdruck des sog. Subjekt-Objekt-Problems in der Phi­losophie, das, in der einen oder anderen Form, die Erkenntnistheorien von Locke, H ume und Berkeley bis hin zum friihen, vor-marxistischen Georg Lukacs - und von dort aus auch Adorno und Habermas - stark beeinfluih hat. Von Kant ist die Erkenntniskritik dann neu formuliert worden. In der »Kritik der reinen Vernunft« wird der Anspruch metaphysischer Erkenntnisse gepriift, der unabhangig von aller Erfahrung gelten solI. Die Fichte-Hegel-Marxsche Variante, das Zusammenfallen von Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik, kann als die historisch dritte Stufe der neuzeitlichen Erkenntnistheorie angesehen werden.

Fiir die aktuelIe Diskussion urn den Ideologiebegriff ist jedoch erst jene Denktra­dition bedeutungsvoll geworden, die Erkenntnistheorie als allgemeine Methodologie - und zwar der exakten, der empirischen wie der historischen Wissenschaften auffafh. Karl Mannheim steht mit seiner Friihschrift »Die Strukturanalyse der Erkenntnis­theorie« (1922) in dieser Tradition. Er versucht in dieser Arbeit, eine systematische Typologie der Erkenntnistheorien aufzustellen. Mit den Zentralbegriffen der »Seinsverbundenheit des Wissens«, des »Partikularisierens«, der »Relationierung« und der »Funktionalisierung« leitet Mannheim gleichzeitig auch die funktionalisti­sche Analyse des Ideologiebegriffs ein. Mannheim, der zu Unrecht lange im Schatten der »kritischen Theorie« gestanden hat, ist deshalb ebenso wie der friihe Lukacs als bahnbrechend fiir die funktionalistische Analyse der Ideologienproblematik anzuse­hen. In den Sozialwissenschaften ist erst Niklas Luhmann mit seiner konsequenten Funktionalisierungdes Ideologiebegriffs iiber Mannheim und Lukacs hinausgekom­men.

Mannheim fiihrt die Methodologisierung der Erkenntnistheorie vor allem in sei­nen theoretischen Arbeiten zur Wissenssoziologie fort. Er trennt Ideologie und Ideologiebegriff und lost beide immer starker von dem iiberkommenen ontologi­schen sowie vom hegelianischen Wahrheitsbegriff; er riickt damit - soziologiehisto­risch gesehen - naher an Luhmann als an Marx heran. Mannheim differenziert be­kanntlich zwischen »Ideologienlehre« und »Wissenssoziologie«. Wahrend seine Ideologienlehre, genauer der »partikulare Ideologiebegriff«, stets nur bestimmte Aussagen eines Subjekts oder einer sozialen Gruppe als VerfaIschung, Verhiillung und somit als Liige aufdeckt, bezieht sich Wissenssoziologie unter Verwendung des »allgemeinn totalen Ideologiebegriffs« auf die »gesamte Denkstruktur«. Der allge­meine totale Ideologiebegriff schliefh bei Mannheim damit auch den eigenen Denk­standort als ideologisch ein.

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Durch die Ausdehnung des Ideologiebegriffs zum methodischen Forschungsin­strument wird die Ideologienlehre Mannheims zur Wissenssoziologie, die sich der Frage widmet, »wann und wo in Aussagestrukturen historisch-soziale Strukturen hineinragen«37. Diese zentrale Fragestellung hat Mannheim von Lukacs iibernom­men, der schon in seinem 1909 veroffentlichten Vorwort zur »Entwicklungsge­schichte des modernen Dramas« dasselbe Problem anspricht38.

Den skizzierten Forschungsansatz nennt Mannheim, wie gesagt, »Wissenssozio-10gie«.Die Wissenssoziologie solI einmal die Seinsverbundenheit des Denkens, zum anderen die »erkenntnisthoretische Relevanz der Tatsache der Seinsverbundenheit des Denkens« untersuchen. Damit wird, iiber einen methodischen Umweg, die Genesis-Geltungs-Problematik auch fiir Mannheim, der sie zunachst ausschalten wollte, relevant. Deshalb ist auch, im Unterschied zu Luhmanns Interpretation, fest­zuhalten, daB Mannheim gerade nicht behauptet, wissenssoziologische Erklarungen liellen die »Geltung der erklarten Meinungen unangefochten«39. Mannheim hebt in dies em Zusammenhang vielmehr hervor: »Mit der zum Apriori erhobenen Feststel­lung, daB aus der Tatsachenwelt nichts aufsteigen konne, was geltungsrelevant ware, sperrt man sich vor der Beobachtung, daB urspriinglich dieses Apriori selbst eine vor­schnelle H ypostasierung eines Faktizitatszusammenhanges gewesen ist, das an einem bestimmten Typus von Aussagen abgelesen wurde und nur an ihnen sein phanome­nologisches Recht hatte, aber von hier aus iiberschnell zum noologisch-erkenntnis­theoretischenAxiom erhoben wurde40.« Wenn Mannheim auch das fiir die konkrete Umsetzung des pragmatisch-funktionalistischen Ansatzes irrelevant formulierte Genesis-Geltungs-Problem zu stark in den Vordergrund stellt - hier folgt er dem Einflull Emil Lasks -, so ist der bahnbrechende Ansatz seiner Methodologisierung und Funktionalisierung des Ideologiebegriffs doch immer wieder hervorzuheben. Mannheim ordnet bestimmte Aussagentypen bestimmten Geltungsstypen (nicht Handlungstypen) zu und steht somit am Anfang jener Funktionsbestimmung des Ideologiebegriffs, die zunachst Luhmann und danach wir selbst systematisch weiter­gefiihrt haben.

Ideologien, Werturteile, Leerformeln: Der positivistische Ansatz

Theodor Geiger und Gustav Bergmann haben Ideologien als jene moralisch-politi­schen Wertungen bezeichnet, die als wissenschaftliche Tatsachen erscheinen41• Gei­ger konfrontierte Ideologie der »Wissenschaft«, die ihrerseits von einem vereinfach­ten ontologischen Wahrheitsbegriff, wie er dem aIteren logischen Empirismus zugrunde lag, getragen wurde.

Fiir Geiger ist Ideologie, trotz ihrer psychologischen Elemente, primar ein Begriff der Erkenntniskritik: »1. Ideologie ist (in nwer bestimmter Weise) falsches Denken. >Richtige Ideologie< ist ein Widerspruch in sich, >falsche Ideologie< ein holzernes Holz. 2. Die Falschheit, das Ideologische, liegt in der Nicht-Dbereinstimmung mit der objektiv-rationalen oder Erkenntnis-Wirklichkeit42.« Der Ideologiebegriff be­sitzt fiir Geiger nur dann einen Sinn, wenn die objektive »Erkenntnis-Wirklichkeit« als MaBstab angelegt wird. Wie aber wird Erkenntnis-Wirklichkeit definiert? Geiger

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beantwortet diese Frage recht vage: »Erkenntnis-Wirklichkeit ist die Gesamtheit der raum-zeitlichen Erscheinungen«43. Diese Erscheinungen erkennen heillt bei Geiger Aussagen formulieren zu konnen, die durch Beobachtung und logischen SchluE veri­fizierbar oder falsifizierbar sind. Solche Aussagen nennt er »theoretische Ansatze«.

Wie Hans Albert neuerlich hervorgehoben hat, dient Geiger der Ideologiebegriff zur Abgrenzung »erkenntnisillegitimer Aussagen von echten Erkenntnisaussa­gen«44. Geigers Grundthese ist, daB ideologische Aussagen in ihrem Kern Wertur­teile seien oder enthielten. Deshalb sei ideologisches Denken der Wirklichkeit nicht adaquat; damit sei ideologisches Denken auch »unwissenschaftlich«. Albert hat fer­ner darauf aufmerksam gemacht, daB Geigers Vorwurf der Wirklichkeitsinadaquanz des (Marxschen) Ideologiebegriffs ins Leere zielt; denn der Marxsche Ideologiebe­griff - wie der, so konnen wir hinzufiigen, des Marxismus-Leninismus - ist noch am »dogmatischen Modell von Rationalitat« orientiert. Eine Methodologie, »die vom Prinzip der zureichenden Begriindung ausgeht, ... hat keine Moglichkeit, in iiber­zeugender Weise zwischen Ideologie und Erkenntis zu unterscheiden, denn diese Methodologie laBt als praktizierbare Losung des Geltungsproblems ... nur den Rekurs auf ein mehr oder minder verschleiertes Dogma zu ... « Damit ist nicht m~hr und nicht weniger ausgesagt, als daB das Begriindungsprinzip, d. h. die Begriindung einer Vberzeugung »durch Riickfiihrung auf sichere... unbezweifelbare Griinde ... mit Hilfe logischer Folgerungen«, selbst dann, wenn es kritisch verwandt wird, stets auf eine letzte Begriindung zuriickgreifen muB, deren Autoritat bereits feststeht45. Wenn auch diese Kritik der Geigerschen Erkenntnistheorie einleuchtet, befriedigt doch Alberts eigener Vorschlag der Losung des Problems, namlich die Methodologie der »kritischen Priifung«, die er auch das Prinzip der »Aufklarung« nennt, ebenfalls nicht; denn hier wird eine spezifisch erkenntnistheoretische Frage­stellung, die zudem noch von groBer politischer Bedeutung ist, mit einem allgemei­nen padagogischen Appell beantwortet.

Wir wenden uns noch einmal Geiger selbst zu. Seiner Auffassung liegt ferner die Vorstellung zugrunde, wissenschaftliches Denken habe Tatsachen - vor allem die durch Wahrnehmung vermittelten Tatsachen - abzubilden. Die Einfiihrung des Begriffs der »Wahrnehmung« weist bereits darauf hin, daB Geiger sowohl mit psy­chologischen wie mit erkenntniskritischen Kategorien operiert46. Diese Tendenz ist auch bei Ernst Topitsch nachzuweisen. Die Aufnahme psychologischer in Verb in­dung mit erkenntniskritischen Begriffen erschwert jedoch die Abgrenzung erkennt­nislegitimer von erkenntnisillegitimen Aussagen - vor allem dadurch, daB das er­kenntniskritisch begriindete Abgrenzungsproblem durch die Notwendigkeit soziologischer Erklarung erweitert wird47. Die Verkniipfung psychologisch-sozio­logischer und erkenntniskritischer Gesichtspunkte macht es kaum moglich, einen adaquaten theoretischen Ansatz zur Losung des Ideologieproblems aus positivisti­scher Sicht zu entwickeln.

Allerdings haben Ernst Topitsch und im AnschluB an ihn Richard Munch und Michael Schmid einen solchen Versuch unternommen, indem sie ideologische Aussa­gen als »Leerformeln« charakterisieren4B. Topitsch entwirft in einer Verbindung von wissenschaftslogischer und historisch-ideologiekritischer Untersuchung solche fiir die Erklarung des politisch-philosophischen Denkens so bedeutsamen Konstrukte.

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Er geht davon aus, "daB bestirnmte sprachliche Formeln durch die Jahrhunderte als belangvolle Einsichten oder sogar als fundamentale Prinzipien des Seins, Erkennens und Wertens anerkannt wurden und es heute noch werden - nicht obwohl, sondern gerade weil und insofern sie keinen oder keinen naher angebbaren Sach- oder Norm­gehalt besitzen«49. Topitsch nennt vor allem Denkformen des aristotelisch-stoischen und christlichen Naturrechts einerseits, gnostische und verwandte My then anderer­seitsSO• Er setztfernervoraus, daB durch den jahrzehntelangen ProzeB der Rationali­sierung (»vom Mythos zur Philosophie«) die von ihm sogenannten technomorphen, soziomorphen und ekstatisch-kathartischen Modelle und die auf ihnen beruhende Selbst- und Weltinterpretation irnmer weniger falsifizierbar - immer inhaltsarmer und damit leerer wurden. »Diese Leerheit ergibt sich aus dem Umstand, daB die Deutung des Universums mit Hilfe sozialer Modellvorstellungen und die Riickbe­ziehung des dergestalt 'politisierten< oder ,moralisierten< Kosmos auf das gesell­schaftliche Verhalten des Menschen einen ZirkelschluB darstellt: man unterschiebt den Naturvorgangen soziale Bedeutungen und zumal Normen und entnimmt sie dann wieder aus ihnen, ahnlich wie ein Taschenspieler etwa Uhren oder Kaninchen aus einem Zylinderhut hervorzaubert, nachdem er sie vorher heirnlich hineinprakti­ziert hat. So kann man der WeIt ganz nach Belieben eine monarchische oder eine re­publikanische Staatsform zuschreiben, urn daraus zu folgern, daB die Monarchie bzw. die Republik die der WeItordnung entsprechende und daher richtige Verfassung seiS1.«

Ideologien als Leerformeln sind nach Topitsch infolge ihrer InhaItslosigkeit unbe­schrankt manipulierbar; sie k6nnen mit stets wechselnden Gehalten angefiillt wer­den, die den »gesellschaftlichen Interessenlagen« bestirnmter sozialer Gruppen ent­sprechenS2. Yom Standpunkt des positivistischen Wissenschaftsideals aus sind Leerformeln vor allem deshalb ohne jeden Erkenntniswert, weil sie eine empirischel logische Kritik und Kontrolle nicht zulassen.

Ihre politisch-soziale Wirkung verdanken Leerformeln jedoch nicht ihren - jeweils austauschbaren - InhaIten, sondern gerade ihrer Leerformelhaftigkeit. Dies kann am Beispiel der marxistisch-Ieninistischen »Dialektik« ebenso nachgewiesen werden wie am Beispiel der Funktion der »Widerspriiche« und des Begriffs der »Struktur« in der marxistisch-Ieninistischen DoktrinS3• »Struktur« etwa wird in der gegenwartigen marxistisch-Ieninistischen Wissenschaftsmethodologie nicht mehr nur als invarianter Aspekt von Systemen beschrieben. Auf der Grundlage der Auffassung, daB die »Kategorie der Struktur selbst dialektischer Natur« ist, wird dem Strukturbegriff ein universeller - und dam it leerer, sozusagen fiir beliebige Integrationszwecke verfiig­barer - methodologischer Charakter vindiziertS4. Leerformeln dieses Typs haben in erster Linie die Funktion der Integration auseinanderfallender Funktionsbestim­mungen von Ideologie; sie dienen weiterhin wesentlich dazu, Inkonsistenzen von Argumentationszusammenhangen zu verschleiernss.

U nter methodologischen Gesichtspunkten k6nnen Leerformeln als instrumentelle Variante des Marxschen, auf Hegels dialektischer Logik fuBenden Ideologiebegriffs bezeichnet werden. Gerade wegen dieser methodologischen Eindeutigkeit ist das Leerformelargument besser als der Ideologiebegriff in seinen marxistischen und po­sitivistischen Fassungen geeignet, vor allem den gegenwartigen Marxismus-Leninis-

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mus in seiner dogmatischen Form, in seiner Struktur und Funktion erfolgreich auf­zuschlieBen. Die Griffigkeit dieses Instruments ist auch deshalb gegeben, weil die Verkunder der marxistisch-Ieninistischen Ideologietheorie immer wieder selbst die »Verwissenschaftlichung« und das heillt u. a. auch: »Positivierung« bestimmter Argumentationsstrukturen des Historischen und Dialektischen Materialismus beto­nen. Damit anerkennen sie zumindest implizite seine logische - oder doch irgendeine intersubjektiv nachvollziehbare - Oberpriifbarkeit.

Ideologie und Ideologiebegriff im Selbstverstiindnis des Marxismus-Leninismus

Ideologie im gegenwartigen Marxismus-Leninismus ist zunachst dadurch charakte­risiert, daB sie als nichtwahrheits-falschheits-indifferent aufgefaBt wird56. Vielmehr werden die »objektiven« und damit »wahren«, weil wirklichkeitsadaquaten, Ver­haltnisse - also die Macht- und Eigentumsverhaltnisse - als die das jeweilige ideologi­sche BewuBtsein (der Arbeiterklasse, der Bourgeoisie) erzeugend angesehen. » Wahrheit« von Ideologie ist damit, in traditionell marxistischer Weise, ein konstitu­tives Element des vermeintlich »objektiven« historischen Entwicklungsprozesses, wie er von Marx bis zu den Neo-Marxistenfur die tatsachliche sozio-historische Ent­wicklung industrialisierter Gesellschaften vindiziert wird.

Marxistisch-Ieninistische Ideologie wird, weiterhin, seit Marx als »geistiger Reflex«, als Widerspiegelung der »sozialistischen Bewegung in ihrer doppelten Funktion als Alternative zur herrschenden burgerlichen Ideologie und als positive Antizipation bzw. theoretische Grundlage der sozialistischen Gesellschaft«57 be­stimmt. Damit liegt dem marxistisch-Ieninistischen Ideologiebegriff ein dogma­tisches Muster von Rationalitat zugrunde, das darauf abzielt, Gewillheit und damit Giiltigkeit durch Rekurs auf eine jeweils letzte Instanz zu erlangen, deren absolute Autoritat nicht in Frage gestellt werden kann58.

Ein zweites, eng mit dem ersten zusammenhangendes Charakteristikum der mar­xistisch-Ieninistischen Ideologienlehre ist, daB zwischen Ideologie und Ideologiebe­griff niemals klar unterschieden wird59. Vor allem wird der Begriff der »Ideologie­kritik« noch weniger prazisiert als in der »kritischen Theorie«. Dies mag, wie Hermann Liibbe annimmt, daran liegen, daB die marxistisch-Ieninistische Ideolo­gienlehre durch die Oberbetonung sowohl der deterministischen wie der voluntari­stischen Dimension das Hauptanliegen der »kritischen Theorie«, namlich eine »Kri­tik der instrumentellen Vernunft« zu geben, kaum thematisieren kann: »Wer weill, was er will, hat fur den Topos der Kritik an der instrumentellen Vernunft keine Ver­wendung60.« Dieser Deutung wiirde auch die von den SED-Ideologen geubte Kritik an der vorsichtigen Rezeption einiger Aspekte der »kritischen Theorie« durch den Ostberlinger Kybernetiker Georg Klaus entsprechen61.

Die methodologische Unscharfe ist urn so bemerkenswerter, als auch neuere mar­xistische Interpretationen sich auf die historische Ableitung des Ideologienproblems - und damit die historische Differenzierung - viel zugute halten. »Der Marxismus­Leninismus ... ist zwar selbst Ideologie und Ideologiekritik, zugleich aber der wis­senschaftliche Ausdruck jenes gesellschaftlichen BewuBtseins, welches als Moment

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einer historisch neuen Praxis die Merkmale auch der geistigen Konsequenzen der al­ten gesellschaftlichen Verhaltnisse abgestreift hat bzw. abzustreifen im Begriff ist62.«

Der vermeintliche Vorzug des orthodox-marxistischen Ideologiebegriffs gegen­iiber einem methodologisch orientierten liegt in seiner Antizipationsfunktion, im voluntaristischen Aufzeigen der »Alternative«. Eine solche, bereits bei Fichte, Hegel und Marx angelegte Vermengung von Kategorie und Gegenstand - eine Vermen­gung, die eine beliebige inhaltliche Sinngebung ermoglicht - ist allerdings weder 10-gisch noch methodologisch haltbar. Dies wird auch deutlich, wenn die leere, dazu tautologische »Totalitat« des Ideologischen im gegenwartigen Marxismus-Leninis­mus untersucht wird. »Der Begriff der Ideologie ... muB den Platz des Ideologi­schen in der Totalitat der Beziehungen des gesellschaftlichen und konkret-historisch bestimmten Menschen zur gesellschaftlichen und natiirlichen Wirklichkeit und seine Funktion in dieser Gesamtheit der Tatigkeitsweisen erfassen63.«

Ein drittes - nur auf den ersten Blick widerspriichliches - Charakteristikum der marxistisch-Ieninistischen Ideologie besteht darin, daB trotz der erwahnten erkennt­nistheoretischen Naivitat und Unscharfe der Ideologiebegriff gegenwartig stark aus­differenziert wird. So unterscheidet etwa Harald Schliwa fiinf Aspekte des Ideolo­gieproblems: den sozialen Aspekt (von dem er behauptet, daB er in einen genetischen, politischen und historischen aufgegliedert werden kann), den funktionalen Aspekt, den Widerspiegelungsaspekt, den system-strukturellen und den semiotischen Aspekt64• Oberdies werden die Beziehungen und Oberschneidungen dieser Merk­male ausdriicklich betont - ohne diese Beziehungen allerdings schliissig aufzuwei­sen.

Noch aufschluBreicher ist die Aufzahlung einer bisher unbekannten Vielzahl von positiven Funktionen der sozialistischen Ideologie. Sie weist auf die Fiille der realge­sellschaftlich zu losenden Aufgaben, wie sie sich dem Historischen und Dialektischen Materialismus im Selbstverstandnis stellen, hin. Neben der »systemstabilisierenden und systemorganisierenden« Funktion werden die »zielsetzende und antizipie­rende«, die »selbstbewuBtseinsleitende und zum weltanschaulichen Selbstverstand­nis fiihrende« Funktion, ferner die »erkenntnisfordernde und die wissenschaftliche Entwicklung optimierende« und schlieBlich die »motivierende, normative und axio­logische« Funktion sowie die »biirgerliche Ideologien offensiv bekampfende und ge­gen sie immunisierende« Funktion hervorgehoben6S• 1m Rahmen der zuletzt er­wahnten Funktion, der Bekampfung der biirgerlichen Ideologie, werden weitere Unterscheidungen im Hinblick auf Einzelaspekte der biirgerlichen Ideologie vorge­nommen. So stehen neben Ideologie als »Gesamt-Oberbau«, die »ideologische Akti­vitat der imperialistischen Bourgeoisie« sowie neue »Verschleierungsmechanismen des staatsmonopolistischen Kapitalismus« besonders im Bereich der Gesellschafts­politik. Solche Aktivitaten werden als "bewuBte« oder »gezielte« Ideologieproduk­tion einer letztlich »spontanen« gegeniibergestellt. Die »rechte Sozialdemokratie« wird als Vermittlerin dieser beiden Formen von Ideologieproduktion hochstili­siert66•

Die Obernahme von funktionalistisch getonten Funktions- und Strukturbegriffen (Funktion der Abwehr, der Verfeinerung, der Reintegration der auseinanderstre-

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benden Teilbereiche der marxistischen Doktrin; strukturelle Differenzierung von Ideologiekomplexen) weist u. a. auch auf die standige - allerdings stets im Medium der Kritik vorgenommene - Rezeption von Kategorien der im Westen diskutierten, wenn z. T. auch bereits iiberholten soziologischen Theorien hin. Als Beispiel mag hier der strukturelle Funktionalismus von Talcott Parsons erwahnt werden, der in den letzten Jahren in der Sowjetunion wie in der DDR gerne zitiert wurde67•

Neben solchen Funktionen werden die »Genese« sowie die »Merkmale« der so­zialistischen Ideologie (»Parteilichkeit«), einschlieBlich der »Wesens«-Merkmale (»Interesse«, Verbindung von »Ideologie und Wissenschaft«) unterschieden. Mit einer solchen Ausdifferenzierung, deren Begriindung jedoch stets dogmatisch ist, solI »sozialistische Ideologie« nicht nur wissenschafdich abgesichert werden konnen, sondern ideologische Aussagen sol1en auch mit wissenschafdichen eine »Symbiose« eingehen68• Dies ist, wie wir gesehen haben, auf der Grundlage der Rezeption des dogmatischen Rationalitatsmodells durch den Marxismus-Leninismus logisch und methodologisch nicht zu halten.

Unsere immanent-kritische Analyse solcher Auffacherungen des hochkomplexen Ideologiebegriffs des Marxismus-Leninismus69 kann dies en einmal auf die Kom­plexitat und Differenziertheit des Marxschen Ideologieverstandnisses zuriickfiihren und unter Beriicksichtigung historisch-politischer Faktoren mit ibm vergleichen (im­manenter Aspekt); sie vermag, andererseits, die logischen und methodologischen Inkonsistenzen, die eklektische Obernahme des dogmatischen Modells der Rationa­litat wie bestimmter Annahmen des Funktionalismus und die lediglich behaupteten, jedoch nicht schliissig abgeleiteten Verbindungen zwischen »Funktionen«, »Merk­malen« und »Strukturen« dem Anspruch auf metatheoretische und erkenntnistheo­retische Konsistenz dieses Ideologiebegriffs zu konfrontieren (immanent-kritischer Aspekt); sie vermag, schlieBlich, prinzipiell die tautologischen und leeren Begriffe wie »BewuBtsein«, »Dialektik«, ja die (nicht beabsichtigte) Leerheit des Ideologiebe­griffs selbst sowie die jeweils konkreten politisch-ideologischen Funktionen dieser Leerheit in der internen Auseinandersetzung des Historischen und Dialektischen Materialismus aufzuweisen (kritisch-analytischer Aspekt).

Zur Wiederaufnahme der funktionalistischen Deutung von Ideologien

Nach den am Anfang dieser Einleitung skizzierten metatheoretischen und allge­mein-methodologischen Bemerkungen wenden wir uns noch einmal dem funktiona­listischen Ansatz zu. Diesmal handelt es sich nicht so sehr urn die Diskussion der Wahrheitstheorie, sondern urn methodologische Probleme im engeren Sinne.

Eine funktionalistische Deutung von Ideologien haben neben Niklas Luhmann auch Jurgen Frese, David E. Apter, Clifford Geertz u. a. sowie der Verfasser selbst gegeben 70. Der soziologisch-funktionalistische Ansatz zeichnet sich, wie wir gesehen haben, zunachst dadurch aus, daB hier das Denken weder am ontologischen noch am hegelianischen, sondern, wenn auch haufig implizit, am pragmatischen Wahrheitsbe­griff orientiert ist. Damit fallt die einigermaBen fruchdose Debatte iiber den Zusam­menhangvon »theoretischen« und »ideologischen« Aussagen ebenso fort wie die tra­ditionelle Auseinandersetzung urn den Wahrheitsgehalt von Ideologien71•

Einleitung 13

Fiir den Funktionalismus Luhmanns ist ein »Denken ... ideologisch, wenn es in seiner Funktion, das Handeln zu orientieren und zu rechtfertigen, ersetzbar ist« 72.

Oder: »Ideologisch werden Werte dadurch, d:ill (die) selektive Funktion der Hand­lungsorientierungen bewulh wird und dann ihrerseits benutzt wird, urn die Werte zu bewerten. Werte werden dann unter dem Gesichtspunkt bewertet, welches Han­deln sie auswahlen, und erscheinen im Hinblick auf diese Funktion selbst als aus­tauschbar 73.« Ideologien konnen damit - nach M:illgabe ihrer Orientierungsfunktion fiir Handeln - ausgewechselt, durch Aquivalente ersetzt werden - vorausgesetzt, daB Handeln selbst einer funktionalistischen Analyse unterworfen wird. Der Dynamik der Leistungen von Ideologien fiir das Handeln wird damit ebenso Rechnung getra­gen wie Ideologien und Handeln flexibel konzipiert werden. »Funktion« wird als abstrakte Bezugseinheit verwandt, im Hinblick auf die mehrere Leistungen als aqui­valent angesehen werden; »Handeln« wird von Luhmann in diesem Zusammenhang stets als »Reduktion von Komplexitat« begriffen.

Vnter dem Gesichtspunkt der funktionalen Aquivalenz kann jede Ideologie mit den Konsequenzen des Handelns in Bezug gesetzt werden. Welche Folgen des Han­delns sind relevant? Welche je spezifischen Moglichkeiten der Rechtfertigung und Auslegung des Handelns miissen beriicksichtigt werden? Durch die funktionalisti­sche Analyse werden solche Fragen insofern beantwortet, als Ideologie selbst als kri­tisierbar, verbesserungsfahig, ersetzbar, fungibel erscheint74• Vnter solchen Gesichtspunkten sind Ideologien nicht in erster Linie als Waffen im politischen Kampf anzusehen, sondern »zusammen mit der Auslegung des Handelns als Bewir­ken einer Wirkung Bedingung rationaler Aktion« und daher wesentlicher Bestandteil moderner, d.h. inhaltsleerer, lediglich problembezogener Sozialstrategien75•

Dynamisierung und Funktionalisierung von Ideologie und Ideologiebegriff aIle in hatten die historisch-empirische Ideologienforschung jedoch noch nicht entscheidend weitergebracht. Die funktionalistische Betrachtung macht es dariiber hinaus moglich, Ideologie und Organisation in positiver Weise einander zuzuordnen: »Das alte Marxsche Thema des VerhaItnisses von Ideologie und Arbeitsteilung bekommt durch die funktionale Theorie eine neue Fassung: Ideologien sind nicht als interes­senbedingte Ausfliichte durch die Arbeitsteilung verursacht, sondern als notwendige Entscheidungsorientierungfunktional auf sie bezogen76.« In dieser Aussage ist ent­halten, daB Ideologien heute dazu dienen, sozio-politische Widerspriiche in Organi­sationen zu integrieren und Aktionen mit konfligierenden Wertorientierungen in Organisationen zu koordinieren. Vm diese Aufgabe allerdings fiir eine Gesamtge­sellschaft bewaItigen zu konnen, miissen Ideologien wie Organisationen hochab­strakt, als »Systeme«, konzipiert sein. Solch hoher Abstraktionsgrad des Ideologie­begriffs und die Vnbestimmtheit der Zuordnung von Organisationen und sozialen Tragern der Ideologie zur Ideologie machen denn auch die methodologische wie letztlich empirische Schwache eines konsequent durchgehaltenen Funktionalismus Luhmannscher Pragung aus. Ein Beispiel fiir diese fundamentale Schwache ist etwa in der Bestimmung des »Opportunismus« in hochintegrierten Systemen zu sehen 17.

1m AnschluB an Luhmann hat Jurgen Frese versucht, den Ideologiebegriff fiir die Analyse sozialen Handelns zu operationalisieren 78. Dabei geht er davon aus, daB der Ideologiebegriff Aussagen bestimmten Bezugspunkten zuordnet. »Die jeweiligen

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Zuordnungsvorschriften heillen ideologische Funktionen, die ideologischen Aussa­gen erfullen diese Funktionen79.« Frese nennt vier funktionale Bezugspunkte: of­fentliche Legitimation von Interessen, Regulierung der Handlungsorientierungen der Mitglieder von Bezugsgrupppen, Verwirklichung politischer Zielsetzungen, Selbstrechtfertigung bestimmter Gruppen80.

Frese dehnt mit diesen ideologischen Funktionen den Ideologiebegriff als Instru­ment soziologischer Analyse jedoch ebenfalls derart weit aus, daB der spezifische hi­storische Stellenwert ideologiekritischer Analysen, den wir herausgearbeitet haben81, damit verlorengeht. Keine Ideologietheorie ist theoretisch und historisch vorausset­zungslos; sie ist dann und nur dann dem Gegenstand, den sie analysiert, adaquat, wenn sie die philosophisch-historische Einbettung ideologischen Denkens ebenso wie die historisch-soziologische Heraufkunft des Ideologiebegriffs, seine Nahe zum Material angemessen, d.h. jedoch stets logisch-methodologisch nachpriifbar, be­rucksichtigt. 1m Unterschied zu Frese, der im AnschluB an Luhmann und Lubbe, vor allem Lubbes Konzept der »ideenpolitischen« Interpretation folgend 82, stets »nur sehen will, wie und warum es ist wie es ist«, gehen wir von jenem konkret philoso­phisch-historischen Bezugssystem aus, in dem Ideologie sowohl theoretisch wie 1'0-litisch-praktisch allererst bedeutsam wird; dieses Bezugssystem ist das »sich fremd gegenuberstehende BewuBtsein« Hegels, besser: die philosophische Anthropologie von Marx, oder noch genauer: das »entfremdete BewuBtsein«. Ideologie ist, so for­mulierten wir, »fur Marx eine Form des BewuBtseins, die nur moglich ist in einem historisch begrenzten System universaler Entfremdung«83. Analog zu dieser philo­sophisch-historischen Ortsbestimmung von Ideologie ist auch der Ideologiebegriff u. E. analytisch nicht beliebig zu verwenden. Politikwissenschaftliche und soziologi­sche Ideologieanalyse kann stimmig, d. h. immanent-kritisch, nur dann durchgefuhrt werden, wenn der Ideologiebegriff sich auf jene politisch-sozialen Gruppen konzen­triert, fur die Ideologie historisch nachweis bare Funktionen der sozialen Integration, der Rechtfertigung, der Antizipation, der Mobilisierung und der Legitimation besaB und besitzt. Politisch-soziale Gruppen dieses Typs sind in der Geschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts genau auszumachen. Deshalb stehen in unseren Analysen auch niemals die »Gesamtgeselischaft« oder beliebige Organisationen und/oder so­ziale Gruppen u. a. m. zur Debatte, sondern stets bestimmte, historisch identifizier­bare intentional-utopische Ideologien als Organisationsprinzipien sozial desinte­grierter - wie hochintegrierter - strategischer Cliquen, d. h. geschlossener Kleingruppen von politischen Aktivisten und InteIlektuelien. Damit gehen wir, urn es noch einmal zu betonen, im Unterschied zu Luhmann, Frese und Lubbe, jedoch auch abweichend von Adorno, Habermas, Lieber und Lenk wie schlieBlich von Gei­ger und Topitsch davon aus, daB Ideologien stets auf historisch-empirisch konkret beschreibbare Trager bezogen sind. Unser Bezugspunkt ist, dem immanent-kriti­schen Verstandnis folgend, materialnaher, weniger abstrakt und hat deshalb einen hoheren Erklarungswert als der historisch-empirisch nicht gesattigte Ansatz des Aquivalenz-Funktionalismus.

Nun konnte man behaupten, daB es mehr oder minder belie big sei, wie hoch der Abstraktionsgrad einer Theorie angesetzt ist. Wesentlich sei aIle in ihr Erklarungs­wert. Dem kann schwerlich widersprochen werden. Gegen Luhmann ist jedoch ein-

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zuwenden, d:ill die Fungibilitat und Flexibilitat, die sein Ideologiebegriff gewonnen hat, nicht nur den Entwurf neuer Forschungsprogramme, sondern vor all em die Frage nach dem Wandel von Ideologie uber die Veranderungen ihrer konstitutiven Funktionen verhindert84• Methodologisch scheint die zuletzt gealillerte Bemerkung insofern bedeutsam, als sie es nahelegt, den Formalismus der Luhmannschen funk­tionalen Systemtheorie zu verlassen, und somit eine adaquate »Anwendung« seiner Wahrheitstheorie und ihrer Implikationen allererst ermoglicht.

Dies vorausgesetzt handelt es sich bei der Frage nach den Tragern von Ideologie also stets urn bestimmte Gruppen von Aktivisten und der Intelligenz, wie z.B. den Bund der Kommunisten, dem auch Marxangehorte. Diese Gruppen geben sich eine bestimmte - keine beliebige, sondern eine ideologisch vermittelte - Organisations­form. Beim Vergleich solcher Organisationsformen ist festzustellen, d:ill es sich hau­fig urn Abwandlungen von geheimen Gesellschaften mit den entsprechenden Ritua­len und Regeln handelt. Die Transformation von Ideologie uber ihre konstitutiven Funktionen wird deutlich, wenn im 20. Jahrhundert die geschlossenen Gruppen von Spitzengremien kommunistischer Parteifiihrungen (Politburos) herangezogen wer­den. Auch im Rahmen solcher Organisationsformen besitzen Ideologien Funktio­nen, deren markanteste ebenfalls die Antizipations-, Mobilisierungs-, Rechtferti­gungs-, Integrations und Legitimierungsfunktion sind. Allerdings haben sich die Inhalte von Antizipation, Rechtfertigung etc. ebenso gewandelt wie das Verhaltnis der Organisationen zu ihren Ideologie produzierenden Tragern wie weiterhin die soziologische Struktur dieser Trager und die von ihnen geschaffenen Organisations­formen.

Wie wir gesehen haben, kann die funktionalistische Perspektive solche historisch­konkreten Erscheinungsformen (Geheimbunde, Politburos kommunistischer Par­teien) der drei Subsysteme Ideologie - Organisation - Trager von Ideologie ver­knupfen. Die fur die jeweils angebbaren Merkmale von Ideologie konstitutiven Funktionen haben sich von den Geheimbunden bis zu den Politburos in ihren kon­kreten Ausformungen gewandelt: Das betrifft die Organisationsformen, die sozialen Trager und damit auch die inhaltlich-konkreten Funktionen von Ideologie selbst. Der Wandel eines Subsystems (z.B. »Organisation«) zieht den anderer Subsysteme (soziale Trager von Ideologie, Funktion von Ideologie) nach sich. Ein solcher Wandel ist fur unser Paradigma kein unerklarliches oder nur allgemein erfaBbares Phlinomen, keine »Anomalie«; er ist vielmehr aus der Konzeption unserer Wahrheits- und Wirklichkeitstheorie uber die tragenden theoretischen Kategorien bis in den Entwurf eines Forschungsprogramms und die Selektion des relevanten Materials abzuleiten.

Zur Konkretisierung einer positiv-kritischen I deologieanalyse

Eine ebenso metatheoretisch wie immanent- bzw. positiv-kritisch vorgehende Ana­lyse des Ideologiebegriffs hat zunachst Ideologie und Ideologiebegriff geistes-, be­griffs- und problemgeschichtlich aufzuarbeiten, urn sich ihrer historischen Bezugs­punkte bewuB 1:" zu werden.

Wenn die Herausbildung von Ideologie und Ideologiebegriff historisch verfolgt

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wird, so lassen sich vier Etappen unterscheiden, die in den folgenden Abhandlungen in mehr oder weniger extensiver Form diskutiert werden: die Ideologienlehre der franzosischen AufkHirung85; die Ideologienlehre von Hegel, Feuerbach und Mar:x;B6; das Ideologieverstandnis von Nietzsche einerseits, Lukacs, Mannheim, der Wissens­soziologie und der »kritischen Theorie« andererseits87; schlieBlich die Verwendung von Ideologie und Ideologiebegriff in der soziologisch-historischen Analyse88 wie die Ideologienlehre des neueren Marxismus-Leninismus89.

Vnter dem Aspekt der historischen Verwurzelung der Ideologienproblematik (Ideologie, Ideologiebegriff, Ideologiekritik) entstand diese, als die Struktur der Vernunft problematisch, als das Verhaltnis von Wahrheit und Symbol briichig und als von einer »Entfremdung des BewuBtseins von sich selbst« (Hegel) gesprochen wurde. In dieser geistes- ebenso wie sozialgeschichdichen Situation (urn 1800) trat Ideologiekritik als sich mehr und mehr von der Philo sophie abspaltende eigene Dis­ziplin des Denkens hervor.

Vnter dem Aspekt der Wahrheitstheorie, d.h. in unserem Zusammenhang der Konfrontation von Wahrheit mit Ideologie, lassen sich historisch-systematisch drei Ansatze unterscheiden: der klassische Ansatz (Marx, die wesdichen Neo-Marxisten, der orthodoxe Marxismus-Leninismus), der (neo-)positivistische Ansatz (Geiger, Topitsch, Albert) und der funktionalistische Ansatz. Die »kritische Theorie« steht zwischen dem klassischen und dem (neo-)positivistischen Ansatz, wenn sie auch starker von der Fichte-Hegel-Marxschen als von der Kantschen Denktradition be­einfluBt ist. Die beiden ersten hier unterschiedenen Ansatze (wie auch die »kritische Theorie«) gebrauchen die klassische Theorie der Wahrheit. Der funktionalistische Ansatz verwendet einen nicht-ontologischen und nicht-idealistischen, sondern einen pragmatischen Wahrheitsbegriff; dabei verfolgen dessen Vertreter, Mannheim und Luhmann einerseits, der Verfasser andererseits, allerdings ein unterschiedliches Erkenntnisinteresse.

Den von uns vertretenen Ansatz bezeichnen wir als »immanent-kritisch« oder »positiv-kritisch«. Immanent- bzw. positiv-kritisch heiBt dabei die Orientierung an der pragmatischen Dimension des politisch-sozialen Handelns von Menschen in be­stimmten, sich andernden Vmweltsituationen und die sich andernde Beziehung der Zeichen oder Symbole zu den Menschen als Sprachbenutzern. Vnter »immanent« verstehen wir das positive Erfassen solcher sich im Zeitverlauf andernder Hand­lungsbedingungen. »Kritisch« nennen wir unseren Ansatz, urn die Distanz gegen­iiber der bloB en Deskription solchen Handelns zu kennzeichnen. Kritisch impliziert damit »analytisch« im Gegensatz zu »deskriptiv«, wobei analytisch im Sinne der hi­storisch-soziologischen Aufarbeitung gesellschaftsbezogener Theoriebildung zu verstehen ist. Solche Analyse stellt den Wahrheitsanspruch des dialektischen Theo­rie- und Geschichtsverstandnisses und damit Marx sowie die Marx-Rezeption durch den Neo-Marxismus wie ferner den orthodoxen Marxismus-Leninismus in Frage90. Damit grenzen wir uns von der Argumentationsstruktur der dialektischen Logik Hegels und Marx' ab, in der eine Differenz zwischen Begriff und Gegenstand iiber­gangen und Logik mit Metaphysik identifiziert wird.

Wir haben unsere Orientierung zunachst als »metatheoretisch« bezeichnet. 1m vorliegenden Zusammenhang kann solche Bestimmung wie folgt prazisiert werden:

Einleitung

Metatheorie hat stets historisch-kritisch vorzugehen. Sie hat im Zuge dieser Kritik den von ihr vertretenen Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff zu klaren. Dieser Wahrheitsbegriff ist nicht-ontologisch, nicht-idealistisch, er ist semantisch; oder bes­ser: pragmatisch-funktionalistisch. Der Wahrheitsbegriff selbst ist von dem Gesichtspunkt der positiven Analyse konkreter ideologischer Phanomene mitbe­stimmt. Nicht zuletzt darin zeigt sich der konkret-verpflichtende Charakter unseres Wahrheitsbegriffs. (Nicht zuletzt darin zeigt sich die Willkur der von Habermas ent­worfenen Typologie des Erkenntnisinteresses (»technisches«, »praktisches«, »eman­zipatorisches« Erkenntnisinteresse); denn unser Erkenntnisinteresse ware nach die­ser Typologie sowohl als »technisch« wie als »emanzipatorisch« zu definieren.)

SchlielUich hat eine Metatheorie ihre (erkenntnis-)theoretische Dimension zu ver­deutlichen. Damit ist gleichzeitig ihr Obergang zur immanent- bzw. positiv-kriti­schen Theorie gekennzeichnet. Erkenntnistheoretisch handelt es sich bei dem hier vertretenen urn einen dreidimensionalen Ansatz (Syntaktik, Semantik, Pragmatik); es handelt sich, konkreter gefalh, urn Beziehungen zwischen dem handelnden Men­schen und Symbolen, die in stets veranderten Umweltsituationen sich wandeln. Insofern ware mit Apel von einer »Erkenntnisanthropologie« zu sprechen. In Ver­bindung mit dies em Gedanken ist im Anschltill an Luhmann von einem Funktions­begriff auszugehen, der ein »regulatives Sinnschema« formuliert, das es erlaubt, aquivalente Leistungen in unterschiedlichen Bezugssystemen zu erfassen.

1m Unterschied zu Luhmann und im Anschltill an Morris bzw. Apel ebenso wie an Marx und Mannheim sind der Funktionsbegriff und das »regulative Sinnschema« jedoch nicht als leer, als belie big besetzbare »Leerstellen« anzusehen; denn die Drei­dimensionalitat im Erkenntnistheoretischen ermoglicht es uns nicht nur, synchro­nisch positive Funktionen von Ideologie herauszuarbeiten und schlussig abzuleiten; sie ermoglicht auch, die Simultanitat ideologischer Funktionen - und damit multiple Funktionen von Ideologie - zu erfassen; sie erlaubt ferner, sowohl synchronisch wie diachronisch vorzugehen, und das heillt: eine historisch-konkrete Bestimmung der drei Subsysteme: Ideologie - Organisation - Trager von Ideologie, sowie ihres Wan­dels oder besser: des Wandels ihrer funktionalen Bedeutung vorzunehmen. Diese diachronische Analyse ideologischer Phanomene ist Luhmanns Ansatz versagt.

Diese Oberlegungen skizzieren bereits die Verzahnung der metatheoretischen Fragestellung mit dem Entwurf von Forschungsprogrammen: Jede Anderung in einem der drei Subsysteme ruft eine Anderung in einem der anderen Subsysteme her­vor. Durch eine systematische Analyse der sich im Zeitverlauf verandernden Subsy­sterne konnen wir im Sinne von Thomas Kuhn das Paradigma von Ideologie in seiner Struktur und Dynamik neu formulieren und sind nicht auf die Identifizierung von »Anomalien« der herkommlichen, immer und immer wieder reproduzierten Ideolo­gieproblematik - der Ideologieproblematik in ihrer »normalen Phase« - angewie­sen.

Mit einem solchen Ansatz sind nicht nur die Forschungsperspektive und die - ab­strakteren wie konkreteren - systematischen Kategorien etabliert (Kategorien, die die Auswahl des Materials, der Phanomene steuern); es sind damit'auch die Parame­ter fur die Auswahl der Probleme derart gesetzt, daB historisch-politisch neue Pha­nomene ohne weiteres in die Analyse einbezogen werden konnen.

18 Einleitung

Urn »neue« Phanomene handelt es sich sowohl bei den typologischen Zurechnun­gen von Ideologien zu sozialen Gruppen im Zeitverlauf wie bei der Analyse der stan­dig neuen Kombinationen von Ideologien, organisatorischen Formen und Tragern der Ideologien. Historisch ware hier - unter Beriicksichtigung unserer Fragestellung - z.B. Eduard Bernsteins Versuch, den dogmatischen Charakter des Marxschen Ideologiebegriffs aufzubrechen, neu zu bestimmen. Dabei ergibt sich das - von Marx wie von der »kritischen Theorie« nicht geloste und nicht los bare - Problem, d~ eine typologische Zurechnung von Ideologien zu bestimmten geseHschaftlichen Tatbe­standen iiber den der marxistischen Ideologietheorie zur Verfiigung stehenden Begriffsapparat, der entscheidend von der dialektischen Argumentationsstruktur Hegels bestimmt ist, hinausgehen muB. Urn dies em Problem beizukommen, werden Kriterien benotigt, die nur aus einer adaquaten Metatheorie zu gewinnen sind. Nach der Etablierung eines solchen Ansatzes ist eine methodologische Konsequenz die Priifung der Einbeziehung »fremder« Elemente, etwa die Aufnahme des Leerfot­melarguments oder von positivistischen Vberpriifungsverfahren oder auch von pragmatisch-funktionalistischen Parametern.

1m so verstandenen Sinne einer immanent- bzw. positiv-kritischen Analyse hall en wir uns - neben der soziologisch-funktionalen Analyse von Ideologie und Ideologie­begriff - auch mit anderen Beitragen des Marxismus zum gegenwartigen sozialwis­senschaftlichen und sozialphilosophischen Denken bef~t. Hier sind vor aHem un­sere Ausarbeitungen zur philosophischen Anthropologie (unter besonderer Beriicksichtigung von Marx' Begriffen der »Entfremdung« und »Freiheit«), zur Konflikttheorie (» Widerspruchstheorie«) und die (in diesem Buch ausgeklammerten) Analysen von Herrschafts- und Sozialstrukturen zu erwwnen91. Von besonderem Interesse fiir die Sozialwissenschaftler ist der auf Hegels dialektische Logik und ins­besondere seinen Begriff der »Negation« zuriickgehende Begriff des »Wider­spruchs«92; denn der Historische Materialismus hat mit Hilfe der »Theorie des Widerspruchs« eine positive Deutung der sozialen Konflikte in der sowjetrussischen wie der DDR-GeseHschaft zu geben versucht93. Die Verfeinerung der Lehre von den Widerspriichen, die Differenzierung und » Positivierung« der Widerspriiche, kann als Ausdruck einer Vervielfachung wie einer Erweiterung der bereits seit langem be­kannten Funktionen des marxistisch-leninistischen Dogmas und seines Funktions­wandels begriffen werden94.

Anmerkungen

1 Vgl. etwa seinen Aufsatz .Falsifikation und die Methodologie wissenschafclicher Forschungsprogramme«, in: lmre Lakatos und Alan Musgrave, Hrsg., Erkenntnis und Erkenntnisfortschritt. Abhandlungen des Internatio­nalen Kolloqiums iiber die Philosophie der Wissenschaft, London 1965, Band 4 (Wissenschaftstheorie, Wissen­schaft und Philosophie, 9), Braunschweig 1974, S. 89ff.

2 Zu Morris vgl. Karl-Otto Apel, .Sprache und Wahrheit in der gegenwiirtigen Situation der Philosophie. Eine Betrachtung anlii1llich der Vollendung der neopositivistischen Sprachphilosophie in der Semiotik von Charles Morris«, in: ders., Transformation der Philosophie, Band I: Sprachanalytik, Semiotik, Hermeneutik, Frankfurt am Main 1973, S. 14off.

3 V gl. fiir eine differenzierende K1assifizierung Gerard Radnitzky, Anglo-Saxon Schools of Metascience (= Contemporary Schools of Metascience, vol. I), Lund etc. 1968, S. 22ff.

4 Die Behauptung von m~geblichen Vertretern des orthodoxen Marxismus-Leninismus, d~ die »biirgerliche« Ideologietheorie den Anspruch auf Wahrheit fallengelassen habe, ist somit unzutreffend. Vgl. hierzu Erich

Einleitung 19

Hahn, Ideologie. Zur Auseinandersetzung zwischen marxistischer und burgerlicher Ideologietheorie, Berlin (Ost) 1969, S. 17f£.

5 Dies hat u. a. D. Shapere fUr die neuere Wissenschaftstheorie herausgearbeitet. Dudley Shapere, »Meaning and Scientific Changec, in: R. G. Colodny, Hrsg., Mind and Cosmos (University of Pittsburgh Seminar in the Philo­sophy of Science, volume 3), Pittsburgh 1966, S. 41-85, bes. S. 53f£., S. 63.

6 Apel, »Sprache und Wahrheit ... c (Anm. 2), S. 141. 7 Apel, ibd., S. 156. 8 Es ist bemerkenswert, daB auch Vertreter des orthodoxen Marxismus-Leninismus im AnschluB an Marx den

Zugangdes Menschen zur Wirklichkeitiiber »spezifische Formen des praktischen Lebensvollzugesc, d. h. durch spraehliche Aneignung, sehen. Allerdings wird solche Sichrweise durch die bekannte Kritik der westlichen Dis­kussion uber die Werturteilsfrage sowie durch den Rekurs auf die Marxsche Wertlehre uberlagert. VgI. dazu Hahn, Ideologie ... (Anm. 4), S. 108f£.; kritisch zur Marxschen Wertlehre jetzt vor allem Werner Becker, Kri­tik der Marxschen Wertlehre. Die methodische Irrationalitiit der okonomischen Basistheorien des ,Kapitais<, Hamburg 1972, S. Iloff. und passim.

9 Niklas Luhmann, »Wahrheit und Ideologie. Vorschlage zur Wiederaufnahme der Diskussionc, in: ders., Sozio­logische Aufklarung. Aufsatze zur Theorie sozialer Systeme, Koln-Opladen 1970, S. 54ff., S. 63.

10 Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalitiit. Ober die Funktion von Zwecken in sozialen Systemen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 12), Frankfurt am Main 1973, S. 209.

II Wir nehmen an, daB Luhmanns Wahrheitsbegriff vom Pragmatismus im hier bezeichneten Sinne stark beein­fluBt ist. VgI. dazu seine Aussage: »Was Wahrheit im sozialen Verkehr leistet, ist Obertragung reduzierter Komplexitiit«, in: Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Neuwied-Berlin 1969, S. 23.

12 Luhmann, »Wahrheit und Ideologie ... c (Anm. 9), S. 60. 13 Luhmann hat kurz zu diesem Vorwurf Stellung genommen und die Beibehaltung seiner .Mittellage« wissen­

schaftsgeschichtlich zu begriinden versucht. Luhmann, Zweckbegriff ... (Anm. 10), S. 343ff., bes. S. 346. 14 VgI. den Band: The End ofIdeology Debate, hrsgg. und einge!. von Chaim I. Waxman, New York 1969 (paper­

back edition). 15 Dazu z.B. Martin Seliger, Ideology and Politics, London 1976. VgI. auch weiter unten im Text. 16 RobertA. Haber,» The End of Ideology as Ideologyc, in: Waxman, Hrsg., The End of Ideology Debate (Anm.

14), S. 18zff., S. 186. 17 VgI. auBer der sonstin dieser Abhandlung zitierten Literatur u. a. fiir den philosophischen Bereich: Hans Barth,

Wahrheit und Ideologie, 2., erw. Auf!., Erlenbach-Ziirich-Stuttgart 1961, Jeanne Hersch, Ideologies et realite. Essai d'orientation politique, Paris 1956; fUr den historischen Bereich: Rosa Mayreder, Der typische Verlauf sozialer Bewegungen, 2., verb. Aufl. (Soziologie und Sozialphilosophie, 4), Wien-Leipzig 0.]. (1926), bes. S. II ff., Otto Brunner, .Das Zeitaiter der Ideologien. Anfangund Ende«, in: Die Neue Rundschau, 65· Jg. (1954), Heft I, S. 132-152, Alexander Gerschenkron, »Reflections on Ideology as a Methodological and Historical Pro­blem«, in: ders., Continuity in History and Other Essays, Cambridge (Mass.) 1968, S. 57-73; im wissenssoziolo­gischen Bereich: Norman Birnbaum, .The Sociological Study of Ideology (1940-60): A Trend Report and Bibliography., in: Current Sociology, 9. Jg. (1960), Heft 2, S. 91-124; im politikwissenschaftlichen Bereich: Jean Meynaud, Destin des ideologies (Etudes de science politique, 4), Lausanne 1961, Bernard Crick, In Defence of Politics, Baltimore (Md.) 1964, besonders den Abschnitt »A Defence of Politics Against Ideology., S. 34-55.

18 Seliger, Ideology and Politics (Anm. 15), S. II9f. 19 Zum Unterschied von politischer Ideologie und politischer Philosophie vgl. auch Hermann Lubbe, Politische

Philosophie in Deutschland. Studien zu wer Geschichte, Basel-Stuttgart 1963, S. 14ff. und passim. 20 V g1. Peter Ludz, Der Ideologiebegriff des jungen Marx und seine Fortenrwicklung im Denken von Georg

Lukac.c und Karl Mannheim, (maschschr.) Diss. phil., FU Berlin 1956, S. 126-149. 21 VgI. dazu und zu den erkenntnistheoretischen Konsequenzen dieses Denkens vor allem Werner Becker, »Dia­

lektik als Ideologie: Hegel und Marx. Eine kritische Betrachtung uber Zustandekommen, Sinn und Funktion der dialektischen Methode«, in: Zeitschrift fUr allgemeine Wissenschaftstheorie, 3. Jg. (1972), Heft 2, S. 302-328, bes. S. 3 14f.; ferner ders., Hegels Begriff der Dialektik und das Prinzip des Idealismus. Zur systemati­schen Kritik der logischen und der phanomenologischen Dialektik, Stuttgart etc. 1969, bes. S. 11-43.

22 V gl. dazu Dietrich Bohler, Metakritik der Marxschen Ideologiekritik. Prolegomenon zu einer reflektierten Ideologiekritik und ,Theorie-Praxis-Vermittlung<, Frankfurt am Main 1971, S. 15, S. 19 und passim.

23 Hahn, Ideologie ... (Anm. 4), S. 83.- Eine solche Skizzierungdes Marxschen Ideologiebegriffs kann die Tatsa­che unberiicksichtigt lassen, daB Marx weder den Begriff Ideologie noch den historischen Zeitpunkt, von dem aus die Arbeitsteilung (als Grundlage fUr die Entstehung ideologischen BewuBtseins) mit wen zerstorerischen Wirkungen einsetzte, jemals genauer bestimmt hat.

24 InstiiutfurSozialforschung, Soziologische Euurse. Nach Vortragen und Diskussionen (Frankfurter Beitrage zur Soziologie, 4), Frankfurt am Main 1956, S. 176, S. 170.

25 H.J. Lieber, Philosophie-Soziologie- Gesellschaft. Gesammelte Studien zum Ideologieproblem, Berlin 1965, S. 58.

26 Kurt Lenk, .Problemgeschichtliche Einieitung. zu ders., Hrsg., Ideologiekritik und Wissenssoziologie (Sozio­logische Texte, 4) Neuwied-Berlin, 2. Auf!., 1964, S. 38.

20 Einleitung

27 Vgl. dazu Bohler, Metakritik ... (Anm. 22), S. 42f. - Die Absage der .kritischen Theorie. an Marx' Lehre yom richtigen Bewtilltsein des Proletariats kann auch als einer der Griinde dafiir angesehen werden, daB Adorno, Habermas et alii niemals eine Analyse gegenwartiger marxistisch-Ieninistischer Ideologie und wer politisch­sozialen Funktionen geliefert haben.

28 Jurgen Habermas, • Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann., in: ders. und Niklas Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie - Was leistet die Systemforschung?, Frankfurt am Main 1971, S. 245.

29 Vgl. dazu Habermas, »Theorie der Gesellschaft ... ' (Anm. 28) S. 259. - Vgl. ferner Habermas zum Begriff der »systematisch verzerrten Kommunikation. in seinem Aufsatz »Der Universalitiitsanspruch der Hermeneu­tik«, in: ders. et al., Hrsg., Hermeneutik und Ideologiekritik, Frankfurt am Main '97', S. 12off., S. 151.

30 Jurgen Habermas, Technik und Wissenschaft als >Ideologie<, Frankfurt am Main 1968, S. 72. 3 I Bohlerversucht nachzuweisen, daB Marxdurch die strategische und .situativ-pragmatische« Begrenzung seiner

Ideologiekritik keinen Raum fUr eine Reflexion seiner Ideologiekritik laBt, der zu einer .besseren« Praxis ruhrt, vgl. dazu etwa Bohler, Metakritik ... (Anm. 22), S. '42.

J2 Bohler, ibd., S. 77. 33 Vgl. zum Vorangehenden Bohler, ibd., S. ,of. und passim. 34 Becker, Hegels Begriff der Dialektik ... (Anm. 2I), passim. 35 Institut lur Soziallorschung, Soziologische Exkurse (Anm. 24), S. 169. 36 Lieber, Philosophie ... (Anm. 25), S. 59. 37 Karl Mannheim, Ideologie und Utopie, 3., yermo Aufl., Frankfurt am Main '952, S. 228 f. 38 Hier schrieb der friihe Lukics: .Ist das Historisch-Soziale fiir die Struktur des Wertes selbst von Bedeutung

und inwiefern? oder ist .alles Soziologische an der dramatischen Form nur die Moglichkeit der Verwirklichung des iisthetischen Wertes, ... bestimmt dagegen diesen Wert nicht selbst?« - Hier zitiert nach Georg Lukics, Schriften zur Literatursoziologie, ausgewahlt und einge!. von Peter Ludz (Soziologische Texte, 9), 5. Auf!., Neuwied-Darmstadt-Berlin 1972, S. 304; zur Interpretation vgl. Peter Ludz, »Marxismus und Literatur. Eine kritische Einfiihrung in das Werk von Georg Lukacs«, ibd., S. 19-68, S. 33. - Einen guten Uberblick iiber die Ideologiediskussion der zwanziger Jahre gibt die von Hans-Joachim Lieber zusammengestellte Aufsatzsamm­lung: Ideologienlehre und Wissenssoziologie. Die Diskussion urn das Ideologieproblem in den zwanziger Jah­ren, hrsgg. von Hans-Joachim Lieber (Wege der Forschung, CXVII), Darmstadt '974.

39 Luhmann, .Wahrheit und Ideologie ... « (Anm. 9), S. 54. 40 Mannheim, Ideologie und Utopie (Anm. 37), S. 246. 4' Theodor Geiger, Ideologie und Wahrheit. Eine soziologische Kritik des Denkens, Stuttgart-Wien '953, S.

3' ff. 42 Theodor Geiger, .Ideologie und Werturteil. (1949), in: Lenk, Hrsg., Ideologiekritik und Wissenssoziologie

(Anm. 26), S. ,8,. 43 Ebda. 44 Hans Albert, .Ideologie und Wahrheit. Theodor Geiger und das Problem der sozialen Verankerung des Den­

kens«, in: Gunter Albrecht und Fritz Sack, Hrsg., Soziologie: Sprache - Bezug zur Praxis - Verhliltnis zu ande­ren Wissenschaften. Rene Konig zum 65. Geburtstag, Opladen '973, S. "7-134, S. "9; vg!' auch Hans Albert, Traktat iiber kritische Vernunft (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften, 9), Tiibingen 1968, S. 80ff.

45 Albert, Traktat ... (Anm. 44), S. 87, S. '3. - Das Dilemma des Begriindungsproblems hat Albert das .Miinch­hausen-Trilemma« genannt; denn man hat, nach Albert, hier nur die Wahl zwischen »1. einem inlinitiven Regrep, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, in der Suche nach Griinden immer weiter zuriickzuge­hen, der aber praktisch nicht durchzufiihren ist und daher keine sichere Grundlage liefert; 2. einem logischen Zirkel in der Deduktion, der dadurch entsteht, daB man im Begriindungsverfahren auf Aussagen zuriickgreift, die vorher schon als begriindungsbediirftig aufgetreten waren, und der, weillogisch fehlerhaft, ebenfalls zu kei­ner sicheren Grundlage fiihrt; und schlieBlich: 3. einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchfiihrbar erscheint, aber eine willkiirliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begriindung involvieren wiirde (ibd., S. 13).'

46 Geiger, Ideologie und Wahrheit ... (Aron. 41), S. 66ff., S. I12ff., S. 134ff. 47 Vgl. dazu auch Albert, Traktat ... (Anm. 44), S. 83. 48 Ernst Topitsch, »Uber Leerformeln. Zur Pragmatik des Sprachgebrauches in Philosophie und politischer Theo­

rie«, in: ders., Hrsg., Probleme der Wissenschaftstheorie. Festschrift fUr Victor Kraft, Wien 1960, S. 233-264; Richard Munch, Gesellschaftstheorie und Ideologiekritik, Hamburg '973, besonders S. 80ff.; Michael Schmid, Leerformeln und Ideologiekritik (Heidelberger Sociologica, II), Tiibingen '972.

49 Topitsch, ibd., S. 233f. 50 Ernst Topitsch, Sozialphilosophie zwischen Ideologie und Wissenschaft (Soziologische Texte, 10), Neuwied

1961, S. 18ff. und passim. 51 Topitsch, .Uber Leerformeln ... " (Anm. 48), S. 237. 52 V g!. dazu Topitsch, Sozialphilosophie ... (Anm. 50), S. 40. 53 Vgl. dazu in diesem Band S. 185ff., S. 234ff., S. 248ff., S. 266ff. 54 Dazu in diesem Band, S. 2ooff. 55 Vgl. dazu in diesem Band vor allem S. 281ff.

Einleitung 21

56 Vgl. Erich Hahn, .Ideologiekritik heute. Bemerkungen zudem Buch: Ideologie. Herausgegeben und eingeleitet von Kurt Lenk«, in: Deutsche Zeitschrift fUr Philosophie, 16. Jg. (1968), Heft 12, S. 1494-1503, S. 1496.

57 Hahn, ibd., S. '497. 58 Vgl. dazu auch Albert, Traktat ... (Anm. 44), S. 87. 59 So etwa bei Harald Schliwa, _Der marxistische Begriff der Ideologie und das Wesen und die Funktionen der

soziaIistischen Ideologie«, in: Deutsche Zeitschrift fUr Philosophie, 16. Jg. (1968), Heft 9, S. 1037-1066. 60 Hermann Liibbe, _Instrumentelle Vernunft. Zur Kritik eines kritischen Begriffs., in: Perspektiven der Philo­

sophie. Neues Jabrbuch, Band I (1975), S. II 1-139, S. "3. 6, Vgl. dazu Peter C. Ludz, Parteielite im Wandel. Funktionsaufbau, SoziaIstruktur und Ideologie der SED-Fiih-

rung. Eine empirisch-systematische Untersuchung, 3., durchges. Aufl., Koln-Opladen '970, S. 283ff. 62 Hahn, Ideologie ... (Anm. 4), S. '5. 63 Schliwa, -Der marxistische Begriff der Ideologie ... « (Anm. 59), S. 1055. 64 Schliwa, ibd., S. 1038. 65 Vgl. dazu Schliwa, ibd., S. 1063-1066. 66 Vgl. Erich Hahn, MateriaIistische Dialektik und KlassenbewuBtsein (Zur Kritik der biirgerlichen Ideologie,

39), Berlin (Ost) '974, besonders S. 138ff. 67 Erich Hahn, Soziale Wirklichkeit und soziologische Erkenntnis. Philosophisch-methodologische Aspekte der

soziologischen Theorie, Berlin (Ost) 1965, besonders S. 41-104. 68 Vgl. Schliwa, -Der marxistische Begriff der Ideologie ... « (Anm. 59), S. 1059; Hahn, Ideologie ... (Anm. 4),

S. 23££., S. 97f., S. II6, S. II8. 69 Vgl. in diesem Band S. 213ff. 70 ]iirgen Frese, ,Ideologie<. Priizisierungsverusch an einem wissenssoziologischen Begriff, Diss. phil., Miinster

1965; David E. Apter, _Introduction: Ideology and Discontent., zu: ders., Hrsg., Ideology and Discontent, New York-London 1964, S. '5-46; Clifford Geertz, »Ideology as a Cultural System., in: David E. Apter, Hrsg., Ideology and Discontent, S. 47-76; Peter C. Ludz, in diesem Band, S. 123-153. - Fiir die Sowjetologie haben u. a. Alfred G. Meyer und David ]oravsky den funktionalistischen Ansatz, wenn auch zu materialnah, fruchtbar zu machen versucht. V gl. Alfred G. Meyer, » The Functions of Ideology in the Soviet Political System«, in: Soviet Studies, 17. Jg. (1965-1966), Heft 3, S. 273-285; David Joravsky, in: Soviet Studies, 18. Jg. (1966-1967), Heft I, S. 2-19.

71 Ein eigener Vorschlag fiir die Wiederaufnahme der Diskussion: Wabrheit und Ideologie, wurde weiter oben von uns skizziert.

72 Luhmann, -Wabrheit und Ideologie ... « (Anm. 9), S. 57. 73 Niklas Luhmann, .Positives Recht und Ideologie«, in: ders., Soziologische Aufklarung ... (Anm. 9), S. 178 ff.,

S.182. 74 Luhmann, .Wahrheit und Ideologie ... c (Anm. 9), S. 59. 75 V gl. Luhmann, ibd., S. 60. Zur Inhaltsleere von Luhmanns Funktionsbegriff siehe Luhmann, Zweckbegriff ...

(Anm. 10), S. 236ff. - Ein solches Verstandnis von Ideologie ist von vielen Seiten kritisiert worden. Habermas hat es in seiner Auseinandersetzung mit Luhmann angegriffen, indem er behauptete, die .Riicksicht auf Gel­tungsfragen« zu vermissen (s. Habermas, • Theorie der Gesellschaft ... « (Anm. 28), S. 246). Gleichsam von der anderen Seite her, namlich unter logischen Gesichtspunkten hat Carl Gustav Hempel die Leerheit des Funk­tionalismus kritisiert, vgl. Carl G. Hempel, -The Logic of Functional Analysis« (1959), in: ders., Aspects of Scientific Explanation and Other Essays in the Philosophy of Science, New York-London 1965, S. 297-330.

76 Luhmann, _Wahrheit und Ideologie ... « (Anm. 9), S. 60. 77 Vgl. dazu Luhmann, Zweckbegriff ... (Anm. 10), S. 33-54. 78 Frese, ,Ideologie, ... (Anm. 70), S. 4' ff. und passim. 79 Frese, ibd., S. 43· 80 Frese, ibd., S. 43 f. 8 I V gl. besonders S. 82 ff. und S. 123 ff. im vorliegenden Band. 82 Hermann Liibbe, Sakularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs, Freiburg-Miinchen 1965> S.

9-22. 83 In diesem Band, S. 124. 84 In diesem Band, S. Szff. 85 Vgl. S. 40ff. in diesem Band. 86 In diesem Band S. 39£., S. 124f., S. 158£. 87 Dazu Ludz, Der Ideologiebegriff des jungen Marx ... (Anm. 20), Kapitel III, IV. 88 In diesem Band S. 126ff., S. 155ff. 89 In diesem Band S. 162-327. 90 Die zuletzt erwahnte Intention vertritt auch Werner Becker in Auseinandersetzung mit dem Neo-Marxismus,

vgl. Becker, .Dialektik als Ideologie ... « (Anm. 21) u. ders., Kritik der Marxschen Wertlehre ... (Anm. 8). 91 In diesem Band S. 50ff., S. 266ff., S. 213ff. Zum letzten Aspekt vgl. Ludz, Parteielite im Wandel. .. (Anm. 61). 92 Vgl. dazu S. 22f. und S. 238££. in diesem Band. 93 Dazu besonders S. 213££. in dies em Band. 94 In diesem Band S. 234££., S. 248ff.