pegasus cthulhu cthuloide schauplätze -...
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freudig dient, und denkt nicht einmal ansatzweise daran,
dass es anders sein könnte. Glücklicherweise haben die
Forscher im Untergrund ihr Ziel noch nicht erreicht. Alle
bisherigen Exemplare waren wenig virulent und sorgten
bei den Befallenen für das vorübergehende Auftreten
unterschiedlichster Halluzinationen. Doch eines nicht
so fernen Tages werden die Bemühungen der Schup-
penhäutigen von Erfolg gekrönt sein, falls ihnen nie-
mand zuvor in die Suppe spuckt. Ursprünglich waren die
Schlangenmenschen wenig erfreut über die Anwesenheit
von Menschen in der Nähe ihrer geheimen Labors. Mit-
tlerweile empfi nden sie es jedoch als
praktisch, dass immer ausreichend
Versuchsobjekte freiwillig zu ihnen
kommen. In ihrer Gewissheit, den
Menschen haushoch überlegen zu
sein, schreckt sie die Gefahr einer
möglichen Entdeckung ihrer Labors
nicht. Und die bisherigen Erfahrun-
gen scheinen ihnen in diesem Punkt
Recht zu geben. Selbst gelegentlich
austretende stinkende Chemikali-
enwolken hat niemand zum Anlass
genommen, die Phänomene näher
unter die Lupe zu nehmen. Die
Charaktere könnten beispielswei-
se involviert werden, als ein guter
Freund von seiner Geisterjagd auf
dem Grundstück mit einem enor-
men Sprung in der Schüssel zurück-
kehrt und sie herausfi nden wollen,
welches Ereignis seinen Verstand
derart zerrütten konnte.
Das Spukhaus von Neuwied-Oberbieber (Cthulhu Now)
Dieser Fall ist – im Gegensatz zu den vorher angeführ-
ten – recht gut dokumentiert und war Anfang der 1990er
eine Zeit Thema in den Medien. Ziel des öffentlichen In-
teresses war ein augenscheinlich normales Wohnhaus im
Neuwieder Stadtteil Oberbieber am
Lila Platz. Auf einer Landkarte fi ndet
man Neuwied etwa zehn Kilometer
nordwestlich von Koblenz. Das be-
sagte Haus grenzt an eine befahre-
ne Durchgangsstraße und steht bis
auf ein Transformatorhäuschen, das
sich an eine Seitenwand schmiegt,
frei. Im Haus gibt es drei separate
Wohnungen, jeweils eine im Erdge-
schoss, eine im ersten Stock und die
letzte im ausgebauten Dachgeschoss.
Erbaut wurde das Gebäude im Jahr
1932 in dem damals üblichen Bau-
stil. Soweit also gibt es keine beson-
deren Merkmale.
Es ist schwer, den Ursprung der
Geistergeschichten zu fi nden, die
dem Gebäude in der Dorfgemein-
schaft den Ruf eines Spukhauses
eingetragen haben. Defi nitiv sind diese noch in der Zeit
vor dem Medienrummel zu suchen. Allerdings spricht
man im Ort nicht gerne offen darüber, und schon gar
nicht mit Fremden. Ein Neugieriger aus der Gegend, der
versuchte, mehr Details ans Tageslicht zu bringen, schrieb
in einem Forum, er habe den Eindruck gewonnen, man
wolle unangenehme Wahrheiten unter den Teppich keh-
ren. Von den geisterhaften Bewohnern erzählt man sich,
es seien drei an der Zahl: Ein kleines Mädchen, eine alte
Frau sowie ein alter Mann, der angeblich ein Kundiger in
magischen Dingen (gewesen) sein soll.
Interessanterweise manifestierten sie sich nur, wenn
Personen mit einem labilen psychischen Zustand im Haus
wohnen, die für ihre Einfl üsterungen empfänglich sind.
Ihre Anstrengungen zielen darauf ab, die Bewohner zu
terrorisieren, indem sie mit Gegenständen werfen oder
Unfälle provozieren. Einen Eindruck von dem, was die
Geister anrichten, bekommt man, wenn man den Bericht
von Prof. Dr. Ernst Senkowski liest, der 1991 das Haus
zweimal gemeinsam mit einem Medium und einem PSI-
Der Weg ins Schattenreich.
Das Spukhaus in Neuwied-Oberbieber.
H. P. Lovecrafts Cthulhu – das Rollenspiel Spuk im Gemäuer, Teil 2
26 Spuk im Gemäuer, Teil 2
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Berater namens Gerald Dittel besuchte. Gerufen wurden
sie von der im Dachgeschoss wohnenden Familie Höhler,
die so sehr unter den Heimsuchungen zu leiden hatte, dass
die Ehefrau mit den Kleinkindern zur Zeit des Besuchs das
Haus bereits verlassen hatte. Zu den Vorfällen bis zu die-
sem Zeitpunkt gehörte beispielsweise das plötzliche Aus-
brechen von Feuer in einer Ecke des Schlafzimmers, ohne
dass eine natürliche Ursache ersichtlich gewesen war.
Möbel wurden umgeworfen oder beschädigt, Gegenstän-
de verschwanden und tauchten unvermutet an anderer
Stelle wieder auf, rote Flecken wie von Blut erschienen
und verschwanden auf dem Küchenfußboden, Lampen
änderten unvermittelt ihre Helligkeit, und die Mitbewoh-
ner aus dem unteren Stockwerk beschwerten sich über das
nächtliche Gebell nicht vorhandener Hunde. Beängstigend
waren vor allem allerlei scharfe und spitze Gegenstände,
die von Geisterhand geführt durch die Luft zischten, man-
ches Mal aus dem Nichts auftauchten, um dann mit großer
Wucht mehrere Zentimeter tief in eine Wand getrieben zu
werden. Bemerkenswerterweise wurde bei solchen geis-
terhaften Attacken nie jemand ernsthaft verletzt. Auch die
Besucher um Senkowski wurden Zeugen extremer Pol-
tergeistphänomene, bei denen merkwürdigerweise aus-
schließlich Gegenstände bewegt wurden, deren Name mit
einem „S“ beginnt. Dem Medium Henny Mittler gelang
es, Kontakt mit verschiedenen Geistern aufzunehmen, die
offenbar in den Mauern des Hauses im Diesseits festgehal-
ten wurden. Einer davon war der Geist einer Frau namens
Siegried, die im Haus ihr Kind verbrannt und sich selbst
auf dem Dachboden erhängt hatte, nachdem 1943 ihr
Mann abgeholt worden war. Nachforschungen ergaben,
dass das Haus bis zum 2. Weltkrieg von Juden bewohnt
worden war, so dass eine Verschleppung des Ehemannes
durch die Nationalsozialisten realistisch erscheint. Darü-
ber hinaus konnten sich Anwohner erinnern, dass es tat-
sächlich einmal in dem Haus gebrannt und sich eine Frau
erhängt hatte. Ein anderer von Hass zerfressener Geist
versetzte das Medium durch seine Forderung nach Rache
für ein Leben ohne Liebe in Angst, das mit einem brutalen
Mord abrupt beendet worden war.
Daneben erschienen noch andere Geister vor dem
inneren Auge des Mediums, was Grund zu der Annah-
me gibt, dass möglicherweise etwas im Haus die Geis-
ter daran hindert, den Weg ins Jenseits zu fi nden. Die
Gruppe um Gerald Dittel identifi zierte den unreif wir-
kenden Jürgen Höhler als die Fokusperson, einmal weil
seine psychosozialen Charakteristika passten und weil er
meist im Zentrum der Poltergeistaktivitäten stand. An-
scheinend wirkte er als eine Art Katalysator, der es den
Geistern ermöglichte, auf die materielle Welt Einfl uss zu
nehmen. Mag Jürgen Höhler auch einen nicht unerhebli-
chen Anteil an den Spukphänomenen gehabt haben, wie
auch immer man das erklären will, so war er nicht deren
einzige Ursache. Man darf nicht vergessen, es hatten in
dem Gebäude schon vorher ungewöhnliche Ereignisse
stattgefunden, die das Haus in Verruf gebracht hatten.
Außerdem hörten die Erscheinungen auch nach dem
Auszug der Höhlers nicht sofort auf. Eine jugoslawische
Familie, die in der mittleren Wohnung wohnte, wurde
so massiv von Spukerscheinungen heimgesucht, dass
sie fl uchtartig das Haus verließen, wobei sie Möbel und
wichtige Dokumente zurückließ. Seit dieser Zeit wurde
es still um das Haus, und die Menschen, die heute darin
leben, bestreiten, jemals etwas Ungewöhnliches erlebt zu
haben. Aber wer weiß was passiert, wenn wieder eine
labile Persönlichkeit, eine „Katalysatorperson“, einzieht
und durch ihre Präsenz das aufweckt, was möglicherwei-
se bis heute geduldig wartend in den Mauern des Hauses
schlummert.
Das Spukhaus von Neuwied-Oberbieber im SpielDer Gedanke birgt eine gewisse Faszination: Ein beson-
derer Ort bleibt so lange harmlos und unauffällig, bis die
richtige Person dort auftaucht. Wie bei mancher chemi-
schen Reaktion sind beide Teile getrennt voneinander
völlig ungefährlich, gibt man sie aber zusammen, entsteht
eine explosive Mischung, die großen Schaden anrichten
kann, wenn man nicht die nötige Vorsicht walten lässt.
Der Chemiker weiß recht gut, welche Stoffe gefährlich
zu mischen sind, doch welcher Art die spirituellen Zu-
taten sein müssen, um wie im chemischen Experiment
einen Sprengstoff zu erhalten, das weiß bislang niemand
zu sagen. Das wiederum freut natürlich jeden Spielleiter,
bleibt doch für ihn mehr freier Raum, in dem er seine
Fantasie von der Leine lassen kann.
Also was könnte das Haus an fi nsteren, schwer fassba-
ren Geheimnissen bergen? Sicherlich sollten es mehrere
Faktoren sein, die üblicherweise nichts miteinander zu
tun haben, aber aufgrund einer üblen Laune des Schick-
sals an diesem Ort gebündelt auftreten. Möglicherweise
verläuft nur wenige Meter über dem Boden ein Knoten-
punkt von Kraftlinien oder Ley-Linien, wie sie die Ge-
omanten postulieren. Die gebündelte Erdkraft könnte
von sensiblen Zeitgenossen gespürt werden. Ein in der
Magie kundiger Mensch (oder sonst eine Wesenheit)
könnte die Energien als Kraftquelle für magische Rituale
anzapfen. Warum sollten hier nicht vor langer Zeit fi nste-
re Beschwörungen durchgeführt worden sein, die einen
Makel der Verderbtheit hinterlassen haben? Denkbar ist,
dass an dieser Stelle die Barrieren, die unsere Welt von
anderen Dimensionen, Sphären, den Traumwelten, etc.
trennen, ungewöhnlich dünn sind. Wesen von jenseits
des Schleiers sind in der Lage, herüberzuschauen und
Nur selten lassen sich Geister auf Film bannen.
Spuk im Gemäuer, Teil 2 H. P. Lovecrafts Cthulhu – das Rollenspiel
Spuk im Gemäuer, Teil 2 27
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gegebenenfalls Einfl uss auf das zu nehmen, was in un-
serer Welt geschieht. Diese Wesen können im einfachs-
ten Fall die Seelen von Verstorben sein, aber ein Blick
in ein Nachschlagewerk über Mythoswesen bietet in
diesem Punkt weitere Inspiration. Da die Legenden des
Spukhauses sogar explizit darauf hinweisen, bietet sich
einmal mehr die Möglichkeit, den Geist eines verstorbe-
nen Zauberers auftreten zu lassen, der nur darauf war-
tet, durch den Körper eines schwachen Menschen seine
zerstörerischen Pläne zu Ende zu bringen, die durch sein
vorzeitiges Ableben nicht verwirklicht werden konnten.
Damit kommen wir zu der zweiten Komponente, die be-
nötigt wird, um das Unheil in Gang zu bringen. Aus spiel-
technischer Sicht ist das sicherlich ein Mensch mit einem
großen magischen Potential (hoher Manawert), das weit
oberhalb des menschlichen Durchschnitts angesiedelt
ist – sozusagen ein magisches Genie. Allerdings kam er
nie mit Magie in Berührung, geschweige denn hat er die
Möglichkeiten, sein Talent zu kontrollieren. Diese Gabe,
für ihn wohl eher ein Fluch, ermöglicht es ihm, Dinge
wahrzunehmen, die andere Menschen nicht bemerken.
Dieses Anderssein führt in letzter Konsequenz vermutlich
zu einem gestörten Verhältnis zu den Mitmenschen, und
wir erhalten jemandem, den man als labile Persönlichkeit
bezeichnen könnte. Diese Person gerät unter den Einfl uss
des Wesens hinter dem Schleier, wodurch nun Wissen
und Kraft zueinander fi nden. Die Art des Verhängnisses,
das über Oberbieber (und den Rest der Welt) hereinbre-
chen wird, bestimmt allein die Kreativität des Spielleiters.
Hier nur ein mögliches Beispiel: Die oben beschriebenen
Spukphänomene setzten wieder ein, nur gewinnen sie im
Verlauf der Zeit an Intensität und treten schließlich auch
in der Umgebung auf. Brände brechen unvermittelt und
mit solcher Macht aus, dass die Gebäude innerhalb von
Minuten in den Flammen vergehen. Oder ein extremer
Kalter Fleck lässt über Nacht eine Familie in ihrer Woh-
nung erfrieren, obwohl es Sommer ist! Gegenstände und
Menschen verschwinden spurlos aus dem Ort. Manche
Personen tauchen verwirrt und orientierungslos wieder
auf, wohingegen andere verschwunden bleiben, weil sich
die Wesen von der anderen Seite an ihnen gütlich ge-
tan haben. Der trennende Schleier zwischen den Welten
wird ständig dünner, und sollte er ganz zerreißen, so wird
die Hölle auf Erden losbrechen. Aber da sind zum Glück
noch die Spielercharaktere, die mutig genug sind, um
sich dem Spuk entgegenzustellen, aber haben sie auch
die Mittel, das Verhängnis noch aufzuhalten?
Quellen und Weiterführendes
http://www.burg-frankenstein.de/
http://www.menedemos.de/sagenuhlberg.htm
http://www.geister-und-gespenster.de
http://www.ortederangst.de
http://www.allmystery.de/
http://www.weihenstephan.org/
~lubitzlo/transwelten
http://www.spukorte.com/
http://gespensternet.de/
http://www.das-spukhaus.de/
http://www.hagzissa.de/
Die nicht mehr ganz so neue Ausrüstung eines professionellen Geisterjägers (um 1930).
Die Central-BibliothekEin universeller Szenario-Schauplatz
von Sebastian Weitkamp
H. P. Lovecrafts Cthulhu – das Rollenspiel Spuk im Gemäuer, Teil 2
28 Spuk im Gemäuer, Teil 2
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Die Central-BibliothekEin universeller Szenario-Schauplatz
von Sebastian Weitkamp
Eine Schriftrolle, wie sie schon vor Christi Geburt in Bibliotheken aufbewahrt wurde.
„Ok, mein Historiker geht in die Bibliothek und versucht noch
etwas zum Kult der Schwarzen Spinne herauszufi nden … Jau,
17 auf 54, geschafft. Was fi ndet er?“ — „Ja gut, dein Historiker
erfährt, dass … “
Dies ist sicherlich eine Szene, die sich schon tausend-
fach an den Tischen einer Cthulhu-Runde abgespielt hat.
Im besten Fall wird der Spieler nun eine Spielhilfe aus-
gehändigt bekommen. Aber was passiert eigentlich in der
Bibliothek? Immerhin handelt es sich bei einer solchen
um den zentralen Wissenstempel des Cthulhu-Genres,
werden dort doch äonenalte Arkana
auf knisternden Pergamentbögen für
kommende Generationen bewahrt.
Spielleitern, die den schnöden Akt
der Informationsbeschaffung etwas
atmosphärischer gestalten wollen,
seien deshalb die folgenden Ausfüh-
rungen an die Hand gegeben. Na-
türlich macht es keinen Sinn, stun-
denlanges Wälzen von Folianten auf
der Suche nach verborgenen Ge-
heimnissen auszuspielen. Doch wer
abseits des profanen Fertigkeitswurf
die Recherche rollenspielerisch ein-
bauen möchte, kann feststellen, dass
der Besuch einer Bibliothek mitun-
ter lebensgefährlich sein kann.
Historisches über Bibliotheken
Das aus dem Griechischen stammen-
de Wort Bibliothek kann in erster Li-
nie mit Aufbewahrungsort übersetzt
werden. Es gibt sie, seit der Mensch
angefangenen hat, schriftliche Zeug-
nissee zu hinterlassen. Dabei war
es vollkommen egal, worauf die-
se hinterlassen wurden: Ton- oder
Steintafeln, Leder, Papyrus oder Pa-
pier. Bereits die babylonischen Keilschrifttafeln waren
nachweislich in Bibliotheken zusammengefasst. Eine
der wichtigsten Bibliotheken des Altertums befand sich
in Alexandria, ging allerdings 47 vor Christus im Krieg
gegen Cäsar in Flammen auf. Sie wurde von den ptole-
mäischen Königen Ptolemaios I. Soter und Ptolemaios II.
Philadelphos wenige Jahrhunderte vor Christus gegrün-
det und soll an die 700.000 Schriftrollen umfasst haben.
Im Mittelalter entwickelten sich große und umfangrei-
che Schriftensammlungen in den kirchlichen Klöstern,
Die Central-Bibliothek H. P. Lovecrafts Cthulhu – das Rollenspiel
Die Central-Bibliothek 29
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In den verschiedenen Räumlichkeiten kann der interessierte Leser durchaus einige
Stunden verbringen.
etwa in Paris oder Salamanca. Der Grund dafür ist ein-
fach: Der Klerus war der einzige Stand, der schreiben und
lesen konnte. Dies setzte sich schließlich immer stärker
auch beim Adel durch. Gerade in der Zeit des Humanis-
mus im 16. Jahrhundert entstanden beeindruckende Bi-
bliotheken wie die in Wien (1526), München (1558) oder
Heidelberg (1553).
Bis dahin waren die papierenen Hinterlassenschaften
eine Domäne des Adels und des Klerus. Dies änderte
sich mit der ersten öffentlichen Bibliothek Bodleiana,
die 1602 in Oxford ihre Pforten öffnete. Den weiteren
Durchbruch in dieser Richtung brachte die Zeit der Auf-
klärung bzw. die Französische Revolution und die Sä-
kularisierung der kirchlichen Besitz-
tümer. Bücher wurden zwar nicht
Allgemeingut, erschlossen sich aber
stetig neue Leserschichten.
In enger Verwandtschaft zur Bi-
bliothek steht deshalb die Büche-
rei. Letztere dient eher dem „Otto
Normalleser“, der auf der Suche
nach kurzweiliger Lektüre ist. Hier
werden Romane, Krimis, Populär-
wissenschaftliches, Reiseberichte
und Kinder- und Jugendliteratur
vorgehalten. Die Volksbücherei soll
die allgemeine Bildung sicherstellen,
weshalb die Werke auch für den hei-
mischen Gebrauch zu entleihen sind.
In unserem Fall gehen Bibliothek
und Bücherei in einer Art Univer-
salbibliothek auf. Eine mittelgroße
Stadt hat nicht immer die Möglich-
keit, Hochgeistiges und Nützliches
ihren Bürgern gleichermaßen zu
bieten, also hat die Central-Bibliothek
eine „normale“ Leihbücherei und
eine wissenschaftliche „Abteilung“.
Aus Letzterer können die Bücher al-
lerdings nicht entliehen werden.
In der Regel sind Büchereien und
Bibliotheken in der Hand öffentli-
cher Körperschaften und werden
von der Allgemeinheit fi nanziert. Daneben gibt es pri-
vate Sammlungen meist fi nanzkräftiger Mäzene, die nur
in einigen Fällen andern Nutzern offen stehen. Häufi g
handelt es sich dabei um wertvolle Kollektionen, die von
adeligen Familien angelegt wurden und Schriften bis aus
der Zeit des Mittelalters aufbewahren. In blaublütigen
Kreisen galt es als schick, sich mit einem Büchertempel
zu schmücken, der die Gelehrtheit und Belesenheit ihres
Halters symbolisieren sollte. In diese Kerbe schlug auch
verstärkt das Bürgertum im 19. Jahrhundert, welches in
der Bildung die Chance sah, das fehlende blaue Blut in
den Adern gesellschaftlich zu kompensieren. Die Feder
ist ja bekanntlich mächtiger als das Schwert.
Die Central-Bibliothek
Der neo-klassizistische Bau steht im Zentrum der kleinen
Stadt. Die Bibliothek hat 1854 als bescheidene Lesehalle
angefangen. Nachdem die Stadtväter es etwas repräsen-
tativer haben wollten, wurde später ein größerer Bau er-
richtet. An der Stirnseite grüßt die Göttin der Gelehrsam-
keit Minerva die Eintretenden als Statue über dem Portal.
Das Innere besticht durch intellektuell-dezenten Protz.
Einerseits wollte man einen respektablen Elfenbeinturm
der Bildung errichten, andererseits bot das gelehrte Ge-
wissen, die demütige Bescheidenheit der großen Denker
nicht außer Acht zu lassen.
Die Belegschaft besteht aus zwei Hausmeistern, Putz-
frauen, Bibliothekaren und Magazinern, welche die nicht
immer ausgestellten Werke aus den tiefen Schatzkam-
mern des Kellers holen.
In der Empfanghalle befi ndet sich eine Bronzebüste
des Professors Florian Veit Putz. Er wird als Mäzen und
Gönner geehrt. Leider ist er vor einigen Jahren gestor-
ben. Als Kind der Stadt hat er an einer Universität in
Norddeutschland Karriere gemacht, er blieb aber in all
der Zeit der Heimat eng verbunden. Immer wieder hat
er der wachsenden Bibliothek Donationen gemacht, und
als sein Stündlein schließlich geschlagen hatte, vermach-
te er seine umfangreiche Büchersammlung, die aus allen
Teilen der Welt zusammengetragen ist, der Central-Bibli-
othek (vgl. unten „Der Choral der Schlangen“).
Im Erdgeschoss befi ndet sich die allgemeine Abtei-
lung, wo mehr oder weniger intellektuelles Lesefutter für
alle bereitgehalten wird. Ist die Bibliothek in einer Uni-
versitätsstadt angesiedelt, bietet es sich an, die Bibliothek
zur reinen Gelehrtenbibliothek umzubauen. In einem
kleinen Saal daneben ist die Lesehalle untergebracht, wo
jede Menge Zeitungen und Zeitschriften ausliegen. Nicht
jeder kann sich ein Abonnement der hiesigen Stadtzei-
tung leisten, um aber auf dem aktuellen Stand zu blei-
ben, nutzen viele das Angebot und stöbern auf der Suche
H. P. Lovecrafts Cthulhu – das Rollenspiel Die Central-Bibliothek
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