patientensteuerung in der phc versorgung am beispiel von...
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Fachhochschule Oberösterreich
Studienbereich Medizintechnik & Angewandte Sozialwissenschaften
Masterstudium Gesundheits-, Sozial- und Public-Management Berufsbegleitend
Patientensteuerung in der PHC Versorgung am Beispiel
von Diabetes mellitus Typ II
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts in Business (MA)
Vorgelegt von:
Heinrich Christian Meder, BA
Student ID: S1510563039
Erstgutachter: Prof.(FH) Dr. Johannes Kriegel MBA MPH
Zweitgutachter: Prof.(FH) Mag. Dr. Thomas Prinz
Linz, im Jänner 2018
Eidesstattliche Erklärung
„Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten
Quellen entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe.
Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbe-
hörde vorgelegt.“
Heinrich Meder
Linz, im Jänner 2018
Anmerkung:
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung
(z.B. Mitarbeiter/innen) verzichtet. Im Sinne der Gleichbehandlung gelten entsprechende
Begriffe stets für beide Geschlechter.
__________________________________________________________________________I
Kurzfassung
Ausgangslage:
Ein Diabetikeranteil von acht bis neun Prozent führt 2011 dazu, dass die Bundesgesund-
heitskommission und der Ministerrat Gesundheitsziele für Österreich beschließen, unter an-
derem das folgende Ziel:
„Eine qualitativ hochstehende und leistbare Gesundheitsversorgung beinhaltet gut aufei-
nander abgestimmte und vernetzte Angebote sowie Maßnahmen zur Gesundheitsförde-
rung.“ (vgl. Gesundheitsziele Österreich, 2017b)
Aus diesem Grund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit am Beispiel von Diabetes mellitus
Typ II damit, wie eine optimale Versorgung im regionalen Netzwerk hinsichtlich Koordination,
Kooperation und Kommunikation ausgestaltet sein muss. Gleichzeitig wird das neue PHC-
Konzept in der Versorgung berücksichtigt.
Vorgehensweise:
Dazu werden neben der Literaturrecherche Experteninterviews mit niedergelassenen Haus-
ärzten und Mitarbeitern eines PHC geführt. Zusätzlich fließen noch die Erkenntnisse eines
Workshops mit Hausärzten und Experten aus nicht ärztlichen Gesundheitsberufen mit ein,
der im Rahmen eines Studentenprojektes stattgefunden hat.
Ergebnisse:
Mit Hilfe der Ergebnisse kann ein optimaler Versorgungsprozess für DM II Patienten im regi-
onalen Versorgungsnetzwerk gezeichnet werden. Zusätzlich fließen die gewonnen Erkennt-
nisse in eine Mindmap ein, die eine erweiterte und ausführlichere Versorgung der Patienten
mit DM II aus Sicht der Experten darstellt. Sie soll ein möglicher Wegweiser sein, wie die
Versorgung und Betreuung von DM II Patienten aussehen kann bzw. zeigen, wie das Auftre-
ten von DM II durch die Stärkung der Gesundheitskompetenz und den Ausbau präventiver
Maßnahmen minimiert werden kann.
__________________________________________________________________________II
Abstract English
Background:
A diabetes share of eight to nine percent in 2011 drives the Federal Health Commission and
the Council of Ministers to decide on health goals for Austria, including the following goal:
"High-quality and affordable health care includes well-coordinated and networked
services as well as measures to promote health" (cf. Gesundheitsziele Österreich,
2017b).
This thesis discusses the question of how optimal care in the regional network should be
structured in terms of coordination, cooperation and communication using the example of
diabetes mellitus type II and including the new PHC concept.
Method:
Preliminary a literature search was done. Expert interviews were conducted with family doc-
tors and PHC staff. The findings of a workshop with GPs and experts from non-medical
health professions, which took place as part of a student project, were also included.
Results:
With the results, an optimal care process for DM II patients in the regional care network can
be drawn. In addition, the insights gained are incorporated into a mind map, which shows an
extended and more detailed care of patients with DM II from the perspective of the experts.
This mind map should be a guide to how the care and support of DM II patients can look like
and how the occurrence of DM II can be minimized by strengthening health literacy and in-
creasing preventative measures.
__________________________________________________________________________III
Inhalt Kurzfassung ........................................................................................................................... I
Abstract English .................................................................................................................... II
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... VI
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................. VII
Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................... VIII
1 Einleitung .............................................................................................................. 1
1.1 Ausgangslage und Relevanz ................................................................................. 1
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage .......................................................................... 3
1.3 Methodik und Aufbau der Arbeit ............................................................................ 3
2 Primäre Gesundheitsversorgung in Österreich ...................................................... 5
2.1 Probleme in der österreichischen Primärversorgung ............................................. 5
2.2 Strukturen und Prozesse der Gesundheitsversorgung in Österreich ...................... 7
2.3 Österreichische Gesundheitsreform 2012/13 ......................................................... 9
3 Theoretischer Hintergrund ....................................................................................12
3.1 Primärversorgung – „Primary health care“(PHC) ..................................................12
3.1.1 Primärversorgung in Österreich ....................................................................... 14
3.1.2 Primärversorgung im europäischen Vergleich ................................................. 17
3.1.3 Das PHC-Konzept für Österreich - Das Team rund um den Hausarzt ............. 20
3.1.3.1 Rahmenbedingungen ...............................................................................21
3.1.3.2 Ziele .........................................................................................................21
3.1.3.3 Akteure und Strukturen ............................................................................22
3.1.3.4 Herausforderungen und Lösungsansätze .................................................23
3.1.4 Primärversorgung im regionalen Netzwerk ...................................................... 25
3.1.4.1 Fallmanagement im regionalen Netzwerk .................................................25
3.1.4.2 Integrierte Versorgung ..............................................................................27
3.2 Krankheitsbild Diabetes mellitus ...........................................................................30
3.2.1 Definition und Diagnose von DM II .................................................................. 31
3.2.2 Therapie und Spätfolgen von DM II ................................................................. 32
__________________________________________________________________________IV
3.2.3 Aktuelle Zahlen zu DM II in Österreich ............................................................ 35
3.3 Integrierte Versorgung am Beispiel von Diabetes mellitus II .................................38
3.3.1 Welchen Nutzen hat die Integrierte Versorgung? ............................................ 38
3.3.2 Disease Management als Form der Integrierten Versorgung ........................... 39
3.3.3 Disease Management Programm (DMP) für DM II „Therapie Aktiv – Diabetes
im Griff“ ............................................................................................................... 40
4 Zwischenfazit ........................................................................................................43
5 Methodik ...............................................................................................................44
5.1 Literaturrecherche ................................................................................................44
5.2 Experteninterview .................................................................................................44
5.3 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ...............................................................46
5.4 Workshop .............................................................................................................46
5.5 Ist-Analyse/Situationsanalyse ...............................................................................46
6 Auswertung und Darstellung der Ergebnisse ........................................................48
6.1 Expertenergebnisse – Umfeld PHC ......................................................................49
6.1.1 Optimale Primärversorgung ............................................................................. 50
6.1.2 Ist-Situation ..................................................................................................... 53
6.1.3 Zufriedenheit ................................................................................................... 56
6.1.4 Herausforderungen in Bezug auf Spätfolgen, Compliance und Medikation ..... 58
6.1.5 Soll-Situation und Lösungsansätze ................................................................. 59
6.1.6 Erwartungen .................................................................................................... 60
6.2 Expertenergebnisse – Umfeld hausärztlicher Bereich ...........................................62
6.2.1 Optimale Primärversorgung ............................................................................. 63
6.2.2 Ist-Situation ..................................................................................................... 65
6.2.3 Zufriedenheit ................................................................................................... 69
6.2.4 Herausforderungen in Bezug auf Spätfolgen, Compliance und Medikation ..... 70
6.2.5 Soll-Situation und Lösungsansätze ................................................................. 72
6.2.6 Erwartungen .................................................................................................... 74
6.3 Gegenüberstellung beider Umwelten ....................................................................75
__________________________________________________________________________V
6.4 Ergebnisse Workshop ..........................................................................................79
6.5 Ergebniszusammenführung Interviews und Workshop .........................................81
7 Diskussion und Handlungsempfehlungen .............................................................83
7.1 Diskussion ............................................................................................................83
7.2 Konzept ................................................................................................................86
7.3 Herausforderungen und Handlungsempfehlungen ...............................................88
7.3.1 Herausforderungen ......................................................................................... 88
7.3.2 Mögliche Handlungsempfehlungen ................................................................. 89
7.3.3 Quick wins für die Versorgung von DM II Patienten ......................................... 92
7.3.4 Systemaufbau Fallmanagement ...................................................................... 94
7.4 Anhaltende Veränderung ......................................................................................95
8 Resümee ..............................................................................................................96
Bibliografie ...........................................................................................................................97
Bücher .............................................................................................................................97
Internet-Quellen ............................................................................................................. 102
Anhang ........................................................................................................................... 106
Interviewleitfaden PHC Team Mariahilf .......................................................................... 106
Interviewleitfaden Hausarzt ............................................................................................ 109
__________________________________________________________________________VI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Herausforderungen und Einflussfaktoren auf die primäre Gesundheitsversorgung im
ländlichen Raum am Beispiel „Bezirk Rohrbach“ in OÖ ................................................ 7
Abb. 2: Die Bereiche der ambulanten Versorgung (eigene Darstellung) ................................ 8
Abb. 3: Versorgungsebenen in Österreich ............................................................................15
Abb. 4: Verhältnis der Versorgungsbereiche ........................................................................16
Abb. 5: Ausprägung des Primärversorgungsnetzes in ausgewählten Ländern .....................17
Abb. 6: Funktionales Primärversorgungs-Management ........................................................23
Abb. 7: Therapie nach Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 .....................................................34
Abb. 8: Anteil der stationären Patienten mit Haupt- oder Nebendiagnose Diabetes mellitus
und einer Amputation 2011 nach Geschlecht und Altersgruppe ..................................37
Abb. 9: schematische Darstellung des Programmablaufs .....................................................42
Abb. 10: Versorgungsprozess Primärversorgung – Umfeld PHC ..........................................51
Abb. 11: Optimierter Versorgungsprozess – Umfeld PHC ....................................................52
Abb. 12: Versorgungsprozess Primärversorgung – Umfeld hausärztlicher Bereich ..............64
Abb. 13: Optimierter Versorgungsprozess – Umfeld hausärztlicher Bereich .........................65
Abb. 14: Erweitertes Flussdiagramm des Ist-Versorgungsverlaufes der Patienten in Haslach
....................................................................................................................................79
Abb. 15: Patientenreise bei DM II .........................................................................................81
Abb. 16: Optimierter Versorgungsprozess – Umfeld hausärztlicher Bereich & Umfeld PHC .83
Abb. 17: Mögliches Vorgehen bei DM II auf Basis der Experteninterviews ...........................86
Abb. 18: Herausforderungen in der DM II Versorgung ..........................................................88
Abb. 19: Prozessbetrachtung Fallmanagement ....................................................................94
__________________________________________________________________________VII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Diabetiker-Fälle in Österreich 2011 ......................................................................35
Tabelle 2: Ausgewählte Spätfolgen - Tiroler Diabetesregister (n=4507) ...............................36
Tabelle 3: Haupt- und Nebenziele vom „Therapie Aktiv Programm“ .....................................41
Tabelle 4: Interviewpartner - Experteninterview ....................................................................48
Tabelle 5: Teilnehmer des Workshops, Jänner 2017 im Feuerwehrhaus Haslach ................49
Tabelle 6: tabellarische Gegenüberstellung beider Umwelten (PHC vs. hausärztlicher
Bereich) .......................................................................................................................75
__________________________________________________________________________VIII
Abkürzungsverzeichnis
BGBl Bundesgesetzblatt
BIP Bruttoinlandsprodukt
BMG Bundesministerium für Gesundheit
BMGF Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
bzw. beziehungsweise
CCIV Competence Center Integrierter Versorgung
CMSA Case Management Society of America
DGKP Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson
DM Diabetes mellitus
DM II Diabetes mellitus Typ II
DMP Disease Management Programm
ELGA Elektronische Gesundheitsakte
GKK Gebietskrankenkasse
HbA1c Hämoglobin A1c
HHS Hyperglykämisches Hyperosmolares Syndrom
HVB Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger
IDF International Diabetes Federation
IET Institut für klinische Epidemiologie
NGO Non-Governmental Organization
NHS National Health Service
OEDG Österreichische Diabetes Gesellschaft
OÖ Oberösterreich (Bundesland)
pAVK Periphere Arterielle Verschlusskrankheit
PHC Primary Health Care
PRIKRAF Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds
PVZ Primärversorgungszentrum
__________________________________________________________________________IX
QOF Quality and Outcomes Framework
u.a. und andere
usw. und so weiter
vgl. vergleiche
z.B. zum Beispiel
__________________________________________________________________________1
1 Einleitung
Der Abschnitt 1.1 befasst sich mit der derzeitigen Situation sowie einigen Besonderheiten
der österreichischen Primärversorgung. Aus diesen Besonderheiten leiten sich die Ziele für
diese Arbeit ab. Unter 1.2 findet sich neben den Zielsetzungen auch die dazugehörige For-
schungsfrage. Aufbau und Methodik der Arbeit werden in 1.3 beschrieben.
1.1 Ausgangslage und Relevanz
Diabetes mellitus gehört zur Gruppe der Stoffwechselstörungen und erhält durch den konti-
nuierlichen Anstieg seiner Prävalenz eine besondere Bedeutung. Falsche Ernährung, Bewe-
gungsmangel und Übergewicht haben zur Folge, dass Diabetes mellitus Typ 2 rasch in der
Bevölkerung zunimmt. Diese Risikofaktoren sind außerdem noch mitverantwortlich für die
Entstehung weiterer Zivilisationskrankheiten, wie Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörun-
gen. Die Problematik die sich dabei ergibt, ist, dass das bereits erworbene Verhaltensmuster
von den Betroffenen meist nur sehr schwer zu verändern ist. (vgl. Möhling/Pfeiffer/Spranger,
2015, 346)
Dazu kommt, dass das österreichische Gesundheitssystem eine lange Entwicklungsge-
schichte hat. Das System funktioniert. Laut Rebhandl (2014) müssen in Hinblick auf zukünf-
tige Versorgungssicherheit hinsichtlich Effizienz und Effektivität Veränderungen angestrebt
werden. Gerade die Herausforderungen durch die Vernachlässigung der primären Versor-
gung in Österreich, sowohl finanziell als auch strukturell, haben stark zugenommen. Dazu
kommen noch mangelhafte Koordination an zahlreichen Schnittstellen und fehlende Verbind-
lichkeit und Verpflichtung zur Leistungserbringung. Probleme wie der freie Zugang zu allen
Ebenen des Gesundheitssystems und damit eine hohe Krankenhauslastigkeit, verschärfen
diese Situation. (vgl. Rebhandl 2014)
Bergmair (2015, 95) kritisiert ebenfalls die „freie Arztwahl“, da sie aus seiner Sicht einen un-
gesteuerten Zugang zum österreichischen Gesundheitswesen darstellt und Patienten ohne
vorherige Zuweisung ermöglicht, eine Krankenhausambulanz aufzusuchen.
Den Blick auf die medizinischen Fakultäten gerichtet, wo zukünftige Ärzte ausgebildet wer-
den, entstehen Tendenzen, die einer Gegensteuerung benötigen. Gerade die unattraktive
Ausbildung zum Allgemeinmediziner löst einen Boom bei der Facharztausbildung aus. Ver-
schärft wird die Situation noch durch die unbefriedigenden Arbeitsbedingungen im niederge-
__________________________________________________________________________2
lassenen Bereich, dadurch wird ein Mangel an ausgebildeten Hausärzten erwartet. (vgl.
Rebhandl 2014)
Zudem arbeiten niedergelassene Allgemeinmediziner relativ isoliert, denn strukturierte Ko-
operation und Kommunikation mit anderen Akteuren in der Primärversorgung ist eher mäßig
ausgebildet. Die Anreizwirkung als Hausarzt tätig zu werden, wird durch lange Arbeitszeiten,
hohe Erstinvestitionen und ein relativ hohes finanzielles Risiko zunichtegemacht. Durch den
mittlerweile stark gestiegenen Anteil weiblicher Ärzte, wird vermehrt auf die Vereinbarkeit
zwischen Beruf und Familie wert gelegt. (vgl. Wawrowsky/Wiegele/Pruckner 2011, 9)
Rebhandl (2014) schreibt, dass der Anreiz zur Ausbildung zum Allgemeinmediziner mit dem
PHC-Konzept gesteigert werden kann. Denn in Ländern mit einem funktionierendem PHC-
System streben Medizinabsolventen bewusst den Beruf des Hausarztes an, die Ausbildung
zum Arzt für Allgemeinmedizin wird geschätzt und ist begehrt. Ein erster Schritt in diese
Richtung sind die in Österreich verpflichtend eingeführten Lehrpraxisausbildungen, die die
Attraktivität der Ausbildung steigern sollen. Zudem belegen zahllose internationale Untersu-
chungen die Wirksamkeit einer dezentralen, wohnortnahen medizinischen Primärversorgung.
Diese Ausrichtung wird auch für Österreich empfohlen.
Mit der Gesundheitsreform 2012/13 hat die Bundesregierung, in Kooperation mit Ländern
und Gebietskrankenkassen, die ersten Weichen in Richtung PHC-Konzept gestellt. In der
ersten Periode (Mai 2015) entstand das PVZ Mariahilf. (vgl. BMGF, 2017a) Seit Jänner 2017
gilt in Österreich eine neue Zielsteuerung-Gesundheit. Sie ist die konsequente Weiterführung
der im Jahr 2013 vorgenommen Reform und der damit verbundenen 15a-Vereinbarung. Die-
se wurde an die neuen Rahmenbedingungen angepasst und die bis dato festgelegten Ziele
für die Organisation und Finanzierung werden fortgeführt. Ein wesentliches Ziel in dieser
Vereinbarung sieht vor, dass der vollstationäre Bereich durch eine Verlagerung von Leistun-
gen in den ambulanten Bereich entlastet werden soll. Dies soll mit zumindest mit 75 „multi-
professionellen und/oder interdisziplinären Primärversorgungseinheiten“ bewerkstelligt wer-
den. Dafür sind 200 Millionen Euro in der kommenden Finanzausgleichsperiode budgetiert.
(vgl. BMGF, 2017b)
Die Frage stellt sich nun, was für Diabetes mellitus Typ II (DM II) Patienten eine optimale
Versorgung im regionalen Netzwerk darstellt und wie diese ausgestaltet sein muss. Gibt es
Unterschiede in der hausärztlichen versus PHC-Versorgung von DM II Patienten? Dies sind
Fragen, die zusätzlich zur Hauptforschungsfrage auf den kommenden Seiten vom Autor die-
ser Arbeit beantwortet werden sollen.
__________________________________________________________________________3
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
Das Ziel dieser Arbeit ist es nun, einerseits die aktuelle Situation in der Versorgung von DM
II Patienten im niedergelassenen hausärztlichen Setting bzw. im PVZ Mariahilf zu identifizie-
ren und andererseits mit den gewonnenen Daten ein Konzept hinsichtlich einer optimalen
Gesundheitsversorgung am Beispiel der Integrierten Versorgung von Diabetes mellitus II
Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk zu entwickeln. Die Darstellung des Konzepts
erfolgt anhand einer Mindmap. Des Weiteren ist es sinnvoll die An- als auch Herausforde-
rungen in der Integrierten Versorgung zu identifizieren, um mögliche Handlungsempfehlun-
gen ableiten zu können.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit folgender Fragestellung und den nachfolgenden Unterfra-
gen:
„Wie sollte die Kooperation, Koordination und Kommunikation im regionalen Versor-
gungsnetzwerk hinsichtlich einer optimalen primären Gesundheitsversorgung am Beispiel
der Integrierten Versorgung von Diabetes mellitus II Patienten im Primärversorgungszent-
rum (PVZ) Mariahilf wie auch in ausgewählten hausärztlichen Einzelpraxen ausgestaltet
sein und gesteuert werden?“
• Welche Unterschiede lassen sich in der Versorgung im PVZ versus Einzelpraxen
feststellen?
• Welche Herausforderungen können in hausärztlichen Einzelpraxen identifiziert wer-
den?
1.3 Methodik und Aufbau der Arbeit
Die Zielsetzung dieser Arbeit wurde unter 1.2 bereits ausreichend dargelegt. Im Kapitel
„Theoretischer Hintergrund“ werden die fachliche Basis und die Rahmenbedingungen für die
nachfolgende Konzeptionierung erarbeitet. Dabei werden unter anderem die Themen Pri-
märversorgung, Krankheitsbild Diabetes mellitus Typ II und Integrierte Versorgung am Bei-
spiel Diabetes mellitus II abgehandelt. Somit werden alle für die vorliegende Arbeit wichtigen
Begriffe definiert, um alle Merkmale und Gegenstände der relevanten Begriffe in der Ge-
samtheit darzulegen und eine Abgrenzung von anderen Begrifflichkeiten zu ermöglichen.
Vor allem der theoretische Hintergrund der vorliegenden Arbeit basiert auf einer Literatur-
recherche, welche hauptsächlich an der Bibliothek der Fachhochschule Oberösterreich (OÖ),
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Standort Linz, der Suchmaschine des österreichischen Bibliotheken-Verbunds und der Uni-
versitätsbibliothek der medizinischen Universität Wien erfolgte. Dieser Arbeit liegt im Rah-
men der Recherche eine hermeneutische Vorgehensweise zugrunde. Es werden Erkennt-
nisse kombiniert, welche von Autoren sowohl aus dem deutschsprachigen als auch aus dem
englischsprachigen Raum stammen.
Folgende Schlagwörter wurden bei der Literaturrecherche verwendet: Primärversorgung,
österreichische Gesundheitsreform, hausärztliche Versorgung, integrierte Versorgung, Dise-
ase Management Programm, Case-Management, Diabetes mellitus, Diabetes mellitus Typ II,
PHC-Konzept, Experteninterview, Flussdiagramm, Therapie aktiv, das Team rund um den
Hausarzt, Managed Care, Primärversorgungszentrum, Alma-Ata (WHO), ELGA, regionales
Netzwerk, ICD-10, Gesundheitsziele, Patientenreise, Integrierte Versorgung, Gesundheitsre-
form.
Eine zeitliche Eingrenzung der Literatur auf die letzten zehn Jahre konnte aufgrund wichtiger
Basisliteratur, wie zum Beispiel Alma-Ata, nicht lückenlos durchgeführt werden.
Für den empirischen Teil, im 5 Kapitel „Methodik“ dieser Arbeit, wurde für die Datenerhebung
das leitfadengestützte Experteninterview angewendet. Der Leitfaden gliedert sich in zwei
Teile: Zuerst wird die Ist-Situation in der Versorgung erfragt, im zweiten Teil die Soll-
Situation. Darüber hinaus war wichtig zu erforschen, mit welchen Herausforderungen die
einzelnen Experten bei ihrer täglichen Arbeit am Patienten zu kämpfen haben. Nach der qua-
litativen Inhaltsanalyse nach Mayring erfolgte die Auswertung der einzelnen Interviews. Zu-
sätzlich werden noch die Ergebnisse aus dem Workshop des Studentenprojektes in Haslach
2017 des Studiengangs GSP|15 an der FH OÖ, Standort Linz herangezogen.
Das 6 Kapitel befasst sich mit der Auswertung der Daten und der Darstellung der Ergebnis-
se. Dabei wird die Gliederung des leitfadengestützten Experteninterviews beibehalten. Im
Anschluss erfolgt die Darstellung eines möglichen Konzeptes für ein mögliches Vorgehen bei
DM II Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk hinsichtlich einer optimalen Gesund-
heitsversorgung anhand einer Mindmap. Des Weiteren werden die An- und Herausforderun-
gen und mögliche Handlungsempfehlungen beschrieben. Am Abschluss dieser Arbeit befin-
det sich das Resümee.
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2 Primäre Gesundheitsversorgung in Österreich
Im Folgenden wird versucht, die bestehenden Probleme sowie auch die gewachsenen Struk-
turen und Prozesse der österreichischen Primärversorgung näher zu beschreiben. Mit dieser
Darstellung soll die Notwendigkeit von umfangreichen Reformen des Gesundheitssystems,
die zum Teil bereits umgesetzt werden, vermittelt werden. Details zu den Reformen werden
im Unterkapitel 2.3 Österreichische Gesundheitsreform 2012/13 dargestellt.
Die Anzahl der in österreichischen Spitälern entlassenen Patienten stieg von 1,78 Millionen
im Jahr 1990 auf 2,81 Millionen im Jahr 2015. (vgl. Statistik Austria, 2017a) In diesem Zu-
sammenhang schreibt Sprenger (2012, 17), dass gegenüber anderen Ländern die Wahr-
scheinlichkeit sich bei Gesundheitsproblemen in einem Krankenhaus wieder zu finden, in
Österreich zwei bis drei Mal so hoch ist. Damit liegt Österreich bei Spitalsaufenthalten an
Europaspitze. Im Jahr 2013 war Österreich mit einer Bettendichte von 7,7/1000 Einwohner
Spitzenreiter in Europa. Der OECD-Durchschnitt lag ein Jahr davor bei 4,8/1000 Einwoh-
nern. (vgl. Reichmann/Sommersguter-Reichmann 2016, 274) Weder das Phänomen der Spi-
talslastigkeit noch dessen Ursachen sind in Österreich neu: Genannt werden Öffnungszeiten,
das Überweisungsverhalten im niedergelassenen Bereich und die „freie Arztwahl“. Der Fo-
kus bei der Suche nach Lösungen liegt an der Schnittstelle zwischen stationärem und nie-
dergelassenem Bereich, frei nach dem Motto „Ambulant vor stationär“. (Sprenger 2012, 17)
2.1 Probleme in der österreichischen Primärversorgung
Zu den pauschalen Aussagen, die laufend im Zusammenhang mit der österreichischen Pri-
märversorgung in den Medien zu hören sind, gehört das sogenannte Landarztsterben bzw.
das Aussterben des Hausarztes. (vgl. die Presse 2017) Ein Ähnliche Aussage findet sich bei
Wawrowsky/Wiegele/Pruckner (2011, 9). Hier wird davon gesprochen, dass in den kommen-
den zehn Jahren fast 40 Prozent der niedergelassenen Allgemeinmediziner in Pension ge-
hen. Ähnlich ist die Situation auch bei den Fachärzten. Die Folge ist, dass Patienten in den
regionalen Randlagen basismedizinisch unterversorgt sind, wohingegen im urbanen Raum
die Patienten oft auf die teureren Spitalsambulanzen ausweichen. Dadurch steigen die Kos-
ten und die Qualität der medizinischen Versorgung ist in vielen Fällen nicht gesichert. Ein
weiterer Aspekt ist, dass die Gesundheitsversorgung in Österreich eine starke Orientierung
in Richtung Sekundärversorgung (Wahl-Arzt) und Tertiärversorgung (Krankenhaus) aufweist.
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Das heißt, es werden, wie bereits erwähnt, die Krankenhausambulanzen den Hausärzten
bevorzugt.
Ein Großteil der im niedergelassenen Bereich tätigen Allgemeinmediziner ist nach wie vor in
Form von Kleinunternehmen organisiert. Dies spricht für einen guten Zugang zur Primärver-
sorgung, jedoch wird eine zentrale Steuerung in der österreichischen Primärversorgung ver-
misst. Dadurch fehlen notwendige Strukturen, wie zum Beispiel für die Versorgung außer-
halb der Sprechstunden. (vgl. Boerma 2013, zit. nach Czypionka, Ulinski 2014, 24)
Niedergelassene Allgemeinmediziner arbeiten zudem relativ isoliert, eine strukturierte Ko-
operation und Kommunikation mit anderen Akteuren in der Primärversorgung ist eher mäßig
ausgebildet. Die Anreizwirkung für Hausärzte wird durch lange Arbeitszeiten, hohe Erstinves-
titionen und ein relativ hohes finanzielles Risiko zunichtegemacht. Durch den mittlerweile
stark gestiegenen Anteil weiblicher Ärzte, werden zudem Anforderungen an die Vereinbarkeit
zwischen Beruf und Familie höher. (vgl. Wawrowsky/Wiegele/Pruckner 2011, 9) Ferner wer-
den die in anderen Ländern bereits in die Primärversorgung eingebundenen Pharmazeuten
vermisst. (vgl. Boerma 2013, zit. nach Czypionka, Ulinski 2014, 24)
Ein weiteres Thema, das oft im Bereich der Primärversorgung diskutiert wird, ist die Rolle
von Fachkräften. Dabei geht es vor allem um die zukünftige Aufgabenteilung zwischen Ärz-
ten und nicht ärztlichen Gesundheitsberufen. Können qualifizierten Pflegekräften, vermehrt
ärztliche Tätigkeiten zugemutet werden? (vgl. Schlette/Blum/Buse, 2009, 33) Reb-
handl/Maier (2013, 4) gehen bereits einen Schritt weiter und schreiben, dass die zukünftigen
Tätigkeiten in einem PHC von multiprofessionellen Teams erbracht werden. Der Hausharzt
übernimmt die Rolle als Koordinator für die verschiedenen Berufsgruppen (Pflegekräfte,
Psychologen, Diätologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialarbeiter).
Aktuell wird die unzureichende Aus- und Weiterbildung relevanter Gesundheitsberufe, bzw.
das Fehlen einzelner Berufsbilder im extramuralen Bereich bemängelt.
Im Rahmen einer Forschungsarbeit Primary Health Care in Österreich wurde versucht, Her-
ausforderungen aber auch Einflussfaktoren auf die Primärversorgung im ländlichen Raum zu
identifizieren. Im Speziellen untersuchten die Autoren den Bezirk Haslach im Bundesland
Oberösterreich (OÖ). Abbildung 1 zeigt jene Herausforderungen, die für die Region bzw. den
Bezirk Haslach gefunden wurden. Bemerkenswert ist die Vielfalt der unterschiedlichen Ak-
teure und wie diese zueinander in Beziehung stehen. Des Weiteren geht aus der Abbildung
hervor, dass es noch einige Änderungen bzw. Optimierungen (Rahmenbedingungen, Hono-
rierung und generellen Organisation) bedarf, um eine adäquate Primärversorgung gewähr-
leisten zu können. (vgl. Kriegel u.a., 2016, 1ff)
__________________________________________________________________________7
Abb. 1: Herausforderungen und Einflussfaktoren auf die primäre Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum am
Beispiel „Bezirk Rohrbach“ in OÖ
Quelle: Abb. 1 entnommen aus: Kriegel u.a., 2016, 4
2.2 Strukturen und Prozesse der Gesundheitsversorgung in Österreich
Das österreichische Gesundheitssystem wird solidarisch über ein Pflichtversicherungssys-
tem finanziert, die Versicherten haben einen Rechtsanspruch auf Gesundheitsleistungen. Im
Jahr 2013 waren rund 99,9 Prozent der Österreicher krankenversichert. Die Gesetzgebung
obliegt dem Bund und die Finanzierung wird von den Krankenkassen getragen. (vgl. Reich-
mann/Sommersguter-Reichmann 2016, 274)
Grob lässt sich das österreichische Gesundheitswesen in den extra und intramuralen Be-
reich gliedern, wobei der extramurale Bereich sowohl die ambulante Versorgung als auch die
Primärversorgung umfasst. Wie in Abbildung 2 dargestellt, wird die ambulante Versorgung in
drei Bereiche geteilt. (vgl. BMG 2013a, 14f)
__________________________________________________________________________8
Abb. 2: Die Bereiche der ambulanten Versorgung (eigene Darstellung)
Den Großteil der ambulanten Versorgung übernehmen in Österreich die frei praktizierenden,
niedergelassenen Ärzte. Davon verfügen knapp die Hälfte über einen Vertrag mit einer Kran-
kenkasse oder auch einem Krankenhaus. (vgl. Schlette/Blum/Buse, 2009, 28f) 2012 gab es
in Österreich 16.691 Ärzte mit Ordinationen im niedergelassenen Bereich. Davon hatten
8.426 einen Vertrag mit einer Krankenkasse. Das bedeutet, dass auf einen Kassenarzt im
Jahr 2012 österreichweit rund 1000 Einwohner kamen. (vgl. Reichmann/Sommersguter-
Reichmann 2016, 275)
Seit 2001 gibt es in Österreich für Ärzte auch die Möglichkeit von Gruppenpraxen. (vgl. Sch-
lette/Blum/Buse, 2009, 28f) Diese werden seit ihrer Einführung vor allem in den Bundeslän-
dern Wien, Niederösterreich und Oberösterreich gut ausgebaut. (vgl. Hauptverband der ös-
terreichischen Sozialversicherungsträger (HVB), 2016, 8f)
Neben den frei praktizierenden Ärzten existieren noch rund 900 Ambulatorien, die teilweise
von den Krankenversicherungen geführt werden. Dabei handelt sich um eine Art Kombinati-
on von Arztpraxis und Krankenhaus. Eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung, an der Kranken-
häuser verpflichtet sind, ist bei Ambulatorien nicht vorgesehen. Sie sind daher auch weniger
für die Notfallversorgung geeignet. (vgl. Schlette/Blum/Buse, 2009, 29) Den dritten Versor-
gungsbereich übernehmen die Krankenhausambulanzen, die jedoch strenggenommen dem
intramuralen Bereich zuzuordnen sind, und somit den Ländern für Gesetzgebung und Finan-
zierung zugeordnet. (vgl. BMG 2013a, 14f)
ambulante Versorgung
niedergelassene Ärzte (Wahl- und Kassenärzte)
Krankenhausambulanzen
Ambulatorien
__________________________________________________________________________9
Die Krankenkassen gewähren in Österreich grundsätzlich eine sogenannte „freie Arztwahl“.
Das heißt, Patienten haben die Wahl, einen Kassenarzt oder einen Wahl-Arzt aufzusuchen.
(vgl. oberösterreichische. Arbeiterkammer 2017) Diese „freie Arztwahl“ wird häufig als Kritik-
punkt des österreichischen Gesundheitswesens genannt, da es einen ungesteuerten Zugang
zu diesem darstellt. Dem Patienten wird ohne vorherige Zuweisung die Möglichkeit geboten,
eine Krankenhausambulanz aufzusuchen. Bergmair (2015, 95) zitiert in diesem Zusammen-
hang Hockl (Podiumsdiskussion ANP-Kongress 2015):
„ungesteuerten Zugang der Patienten zu allen Versorgungsebenen“ als „ein wesentli-
ches Problem unseres aktuellen Gesundheitssystems“
Einerseits handelt es dich dabei um eine große persönliche Freiheit potentieller Patienten,
andererseits werden dadurch knappe medizinische Ressourcen verbraucht, die wiederum
ineffiziente Behandlungsabläufe generieren. (vgl. Bergmair, 2015, 95) Auch eine GfK-
Umfrage spiegelt dieses Bild wider. Dabei gaben 93 Prozent der Österreicher an, einen Arzt
ihres Vertrauens/Hausarzt zu haben, jedoch ist dieser bei medizinischen Problemen für rund
jeden Zweiten nicht die erste Anlaufstelle. (vgl. Tschachler, 2014, 10)
2.3 Österreichische Gesundheitsreform 2012/13
Das österreichische Gesundheitssystem gehört zu einem der teuersten Systeme der Welt.
Laut Berechnungen der Statistik Austria lagen die Ausgaben für das Jahr 2015 bei 11,1 Pro-
zent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). (vgl. Statistik Austria, 2017b) Gleichzeitig steigt die
Lebenserwartung. Was wiederum mit einem Anstieg von chronischen Erkrankungen einher
geht und die Kosten für eine adäquate Gesundheitsversorgung steigen lässt. (vgl. Czypion-
ka, Ulinski (2014), 1)
Daher haben sich Bund, Länder und Sozialversicherung im Juni 2013 darauf geeinigt ein
partnerschaftliches Zielsteuerungssystem für das Gesundheitssystem einzurichten. Mit Hilfe
der Gesundheitsreform 2012/13, aber auch mit der Zielsteuerung des Gesundheitssystems
versucht der Gesetzesgeber eine Art Kostendämpfung zu installieren und damit einer nach-
haltigen Steigerung der Kosten entgegen zu wirken. Gleichzeitig besteht der Wunsch, dass
die Gesundheit der Bevölkerung durch diese Reform verbessert wird. Um dies zu erreichen
sollen die Gesundheitsausgaben an das prognostizierte BIP-Wachstum gekoppelt werden.
Die wesentlichen Eckpunkte und deren Inhalte dazu wurden in der Art. 15a B-VG Vereinba-
rung Zielsteuerung-Gesundheit zwischen Bund und Ländern festgelegt. Darüber hinaus wur-
de der geltende Art. 15a B-VG verlängert und den Erfordernissen der Zielsteuerung-
Gesundheit angepasst. Diese Zielsteuerung-Gesundheit wurde für einen Zeitraum von 4
__________________________________________________________________________10
Jahren beschlossen und stellt daher eine Periode dar. Die erste Periode der Zielsteuerung-
Gesundheit dauerte von 2013 bis 2016. Für 2017 ist eine Verlängerung für weitere vier Jahre
geplant. (vgl. BMGF, 2017a)
Folgende vier Steuerungsbereiche wurden im Bundes-Zielsteuerungsvertrag vereinbart:
• Versorgungsstrukturen
• Versorgungsprozesse
• Ergebnisorientierung
• Finanzziele
Für diese vier Bereiche werden strategische Ziele sowie operative Ziele mit Maßnahmen,
Messgrößen und Zielwerten beschrieben. Zu den im Ziele- und Maßnahmenkatalog verein-
barten Maßnahmen zählen beispielsweise:
• Stärkung und Ausbau multiprofessioneller und interdisziplinärer Primärversorgung im
österreichischen Gesundheitswesen.
• Sicherstellung von am Patientenbedarf angepassten Versorgungsangeboten und am
Patientenbedarf orientierten sektorenübergreifenden Behandlungs- und Versor-
gungsprozessen.
• Die Abstimmung zwischen den verschiedenen Bereichen im Gesundheitswesen soll
verbessert werden. Hier vor allem zwischen niedergelassenem und stationären Ver-
sorgungsbereich.
Aus den Zieldefinitionen und der Übertragung auf die Länder ergeben sich noch weitere Ak-
teure:
• Krankenanstalten bzw. Krankenanstaltenverbünde
• PRIKRAF-Krankenanstalten
• Niedergelassene Ärzte
• Andere Gesundheitsberufe
• NGOs die Gesundheitsleistungen erbringen – z.B. Caritas, Volkshilfe, Hilfswerk
Sie müssen gemeinsam die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Zieldefinitionen erfüllen.
Sei es in der Primärversorgung, in der Umsetzung neuer ambulanter Versorgungsformen in
den Bundesländern, oder bei der Qualitätssicherung und die Steigerung der Transparenz.
(vgl. BMGF, 2017a)
__________________________________________________________________________11
Seit Jänner 2017 gilt in Österreich eine neue Zielsteuerung-Gesundheit. Sie ist die konse-
quente Weiterführung der im Jahr 2013 vorgenommen Reform und der damit verbundenen
15a-Vereinbarung. Diese ist an die neuen Rahmenbedingungen angepasst, die festgelegten
Ziele für die Organisation und Finanzierung werden fortgeführt.
Ein wesentliches Ziel in dieser Vereinbarung sieht vor, dass der vollstationäre Bereich durch
eine Verlagerung von Leistungen in den ambulanten Bereich entlastet werden soll. Dies soll
mit zumindest 75 „multiprofessionellen und/oder interdisziplinären Primärversorgungseinhei-
ten“ bewerkstelligt werden. Dafür sind 200 Millionen Euro in der kommenden Finanzaus-
gleichsperiode von 2017 bis 2020 budgetiert. (vgl. BMGF, 2017b)
Erste Pilotprojekte zur Primärversorgung bestehen bereits in Wien-Mariahilf und in Enns
(OÖ). Bei beiden Projekten handelt es sich streng genommen um Gruppenpraxen, die auf
das interdisziplinäre „Primary Health Care Team“ setzen. Das heißt, dass hier neben den
Ärzten auch nicht ärztliche Gesundheitsberufe in einer gemeinsamen Praxis angesiedelt
sind. Durch das Mehr an Personal können neben einer qualitativ hochwertigeren und umfas-
senderen Versorgung auch längere Öffnungszeiten gewährleistet werden. Ein weiterer As-
pekt ist die Stärkung der Gesundheitsberufe. Diese sollen durch eine stärkere multiprofessi-
onelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessert werden. Einen besonderen Schwer-
punkt bei diesem PHC-Konzept erhält das Berufsbild des Arztes für Allgemeinmedizin. Die-
ses muss wieder an Attraktivität gewinnen. Dazu werden verpflichtende Ausbildungsplätze in
Lehrpraxen geschaffen und diese gilt es in Zukunft zu fördern und auszubauen. (vgl. BMGF,
2017b)
Im Juni 2017 beschließt die österreichische Bundesregierung schließlich das Primärversor-
gungsgesetz. Dieses schafft die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zum Aufbau
von 75 Primärversorgungszentren in Österreich bis 2021. Ein umfassendes Leistungsange-
bot eine gute Erreichbarkeit und lange Öffnungszeiten stehen bei der Umsetzung im Vorder-
grund. (vgl. APA-OTS, 2017)
__________________________________________________________________________12
3 Theoretischer Hintergrund
Dieses Kapitel ist dem theoretischen Hintergrund gewidmet, der für die Fragestellung, wie in
Kapitel 1.2 bereits ausreichend dargelegt, relevant ist. Vorab werden alle für die vorliegende
Arbeit wichtigen Begriffe definiert, um alle Merkmale und Gegenstände eines Begriffes in der
Gesamtheit darzulegen und eine Abgrenzung von anderen Begrifflichkeiten zu ermöglichen.
3.1 Primärversorgung – „Primary health care“(PHC)
Im Herbst 1920 erscheint ein NHS-Report, der die ineffiziente Gesundheitsversorgung in
England behandelt und zugleich ein Modell vorstellt, wie die Zukunft einer effizienten Versor-
gung in England aussehen kann. Dazu verwendete der Autor Lord Dawson erstmals den
Begriff „Primary Care“ und stellte das sogenannte „Primary Health Centre“ in den Mittelpunkt
der regionalen Gesundheitsversorgung. Dieses stelle die erste Anlaufstelle für eine kurative
und präventive Intervention dar.
„…, a Primary Health Centre an institution equipped for services of curative and pre-
ventive medicine to be conducted by the general practitioners of that district, in con-
junction with an efficient nursing service and with the aid of visiting consultants and
specialists.”
Spezialisierte Leistungen und/oder schwere Fälle werden, sofern die Notwendigkeit besteht,
erst nach einer Erstbehandlung in den „Primary Health Centre“ an sogenannte „Secondary
Health Centre“ überwiesen. (vgl. Socialist Health Association (SHA), 2017)
Fast fünfzig Jahre später, im 1978 organisierte die WHO zusammen mit UNICEF im kasachi-
schen Alma-Ata die “Conference on Primary Health Care”. Hier wurde das Primary Health
Care (PHC) Konzept der WHO geboren und die primäre Gesundheitsversorgung wie folgt
definiert:
„Unter primärer Gesundheitsversorgung ist eine grundlegende Gesundheitsversorgung
zu verstehen, die auf praktischen, wissenschaftlich fundierten und sozial akzeptablen
Methoden und Technologien basiert und die für Einzelpersonen und Familien in der
Gesellschaft durch deren vollständige Beteiligung im Geiste von Eigenverantwortung
und Selbstbestimmung zu für die Gesellschaft und das Land in jeder Phase ihrer Ent-
wicklung bezahlbaren Kosten flächendeckend bereitgestellt wird. Sie bildet einen integ-
ralen Bestandteil sowohl im Gesundheitssystem eines Landes, dessen zentrale Aufga-
__________________________________________________________________________13
be und hauptsächlichen Schwerpunkt sie darstellt, als auch in der sozialen und wirt-
schaftlichen Entwicklung der Bevölkerung insgesamt. Sie ist die erste Ebene, auf der
Einzelpersonen, Familien und die Gemeinschaft in Kontakt mit dem nationalen Ge-
sundheitssystem treten, so dass die Gesundheitsversorgung so nahe wie möglich an
Wohnort und Arbeitsplatz der Menschen gerückt wird, und stellt das erste Element ei-
nes kontinuierlichen Prozesses der Gesundheitsversorgung dar.“ (vgl. WHO 2017a)
Gesellschaftlichen wie auch politischen Handlungsbedarf sieht die WHO aufgrund der Armut
vor allem in den Entwicklungsländern, da diese als Kernproblem im Gesundheitsbereich lo-
kal wie auch national identifiziert wird. Besonders hervorzuheben ist, dass Gesundheit nicht
nur die Aufgabe von Fachleuten, hier vor allem Ärzte und nicht ärztliche Gesundheitsberufe
ist, sondern auch die der Gesellschaft - durch Veränderung und der Betroffenen - durch akti-
ve Beteiligung. Dementsprechende Schritte kommen daher, hierarchisch gesehen, von un-
ten. Entsprechend sind lokale Strukturen die Basis von Primary Health Care, da die Teams,
die in diesen Strukturen Gesundheitsdienstleistungen anbieten, mit den Problemen, Ge-
sundheit und Bedürfnissen der Bewohner vertraut sind. (vgl. Boerma 2006, 6f.)
Somit handelt es sich bei PHC um ein Konzept, dass die erste Ebene eines Gesundheitswe-
sens darstellt, mit dem Ziel, möglichst viele gesundheitliche Probleme wohnortnah und effi-
zient zu lösen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, liegt der Fokus beim PHC auf einer
umfassenden medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Grundversorgung. (vgl.
Rebhandl, Maier, 2013, 4)
Im Jahr 2008, dreißig Jahre nach der Erklärung von Alma-Ata 1978 greift die WHO in ihrem
Gesundheitsbericht „Primary Health Care – Now more than ever“, das PHC-Konzept wieder
auf und betont, dass Primärversorgung nötiger sei denn je. Zu kurzfristig werden Maßnah-
men gedacht, zu fragmentiert ist die Gesundheitsversorgung – gerade in reichen Industrie-
ländern sei dieser Trend verstärkt zu beobachten. Die Fragmentierung entsteht vor allem
durch die Krankenhauszentrierung des Gesundheitswesens und die Spezialisierung in der
Medizin. (vgl. WHO, 2008, 11) Auch Rebhandl/Maier (2013, 3ff) greifen diese Problematik
auf und sehen in einer wohnortnahen, hausarztzentrieten, primärmedizinischen Versorgung
eine mögliche Lösung für die Bevölkerung zur Erhaltung der Gesundheit und optimalen Ver-
sorgung bei Krankheit. Jedoch werden durch die zunehmend, komplexeren Herausforderun-
gen wie z.B. chronische Krankheitsverläufe oder pflegebedürftige, multimorbide Patienten,
die Koordination, Kommunikation sowie auch die Ausgestaltung dieses Konzeptes, gerade
an der Schnittstelle zwischen Laienmedizin und Primärversorgung, erschwert. (vgl. Spren-
ger, 2015, 120)
__________________________________________________________________________14
Dabei sind die Vorteile einer guten Primärversorgung nicht nur für Industriestaaten, sondern
auch für Schwellen- oder Entwicklungsländer gut belegt. (vgl. Nemeth 2012, 19) Vorteile
sind:
• Senkung der Gesamtmortalität, Mortalität bei Herz-Kreislauferkrankungen, kindlichen
Mortalität
• Verbesserung des individuellen Gesundheitszustandes und der allgemeinen Zufrie-
denheit
• Verringerung von Ungleichheiten in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung
• Reduktion von Doppeluntersuchungen, Medikamenten usw.
• Weniger Krankenhauseinweisungen, Reduktion der Konsultationen der Notaufnah-
men Steigerung der Kosteneffizienz
Eine effiziente Patientenversorgung schafft gleichzeitig Vorteile auf mehreren Ebenen, wie
z.B. die Senkung der Mortalität bei gleichzeitig verbesserter Patientenzufriedenheit in Kom-
bination mit geringeren Versorgungskosten und somit geringeren Gesamtkosten für das Ge-
sundheitssystem. (vgl. Nemeth 2012, 19) Die ärztliche Betreuung findet im Idealfall wohnort-
nah statt, die Ausgestaltung erfordert dabei eine übergreifende und effektive Kommunikation,
Kooperation und Koordination sämtlicher involvierter Akteure. (vgl. Kriegel u.a. 2016, 1)
3.1.1 Primärversorgung in Österreich
In der 200. Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit vom 15. Oktober
2013 findet sich folgende Definition für „Primärversorgung“:
„…, Die allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit
gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung. Sie soll
den Versorgungsprozess koordinieren und gewährleistet ganzheitliche und kontinuierli-
che Betreuung. Sie berücksichtigt auch gesellschaftliche Bedingungen.“
Die Primärversorgung nimmt somit eine wesentliche Rolle in der österreichischen Gesund-
heitsversorgung wahr. (vgl. BMG 2017a) Das Kernstück ist die hausärztliche Versorgung die
eine wohnortnahe Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen bietet. (vgl. Kriegel u.a.,
2016, 1) Entscheidend ist eine gemeinsame Vertrauensbasis, damit die Patienten aktiv in
den Behandlungs- und Betreuungsprozess eingebunden werden können. Der Hausarzt
übernimmt hier auch die Rolle des Koordinators zwischen Gesundheitsdienstleistungsanbie-
tern Patienten und erbringt präventive Leistungen. Jedoch ist die Versorgung in Österreich in
__________________________________________________________________________15
dieser Form noch nicht ausgestaltet, es besteht noch Aufholbedarf. (vgl. Czypionka/Ulinski,
2014, 29)
Nemeth (2014, 19f) schreibt, dass Österreich gut aufgestellt sei. Damit meint sie, dass fast
38 Prozent der zur selbstständigen Berufsausübung Berechtigen Ärzte den Allgemeinmedi-
zinern zuzuordnen sind. Das Problem dabei ist, dass nur 10,6 Prozent der Berechtigten eine
Kassenordination führen, die der Primärversorgung entsprechen würde. Allerdings müsste,
um eine effiziente Primärversorgung umzusetzen, ein wesentlich größerer Teil der Ärzte-
schaft in Ordinationen tätig sein. In diesem Zusammenhang bemängelt die WHO (siehe auch
Kapitel 3.1 Primärversorgung – „Primary Health Care“ Seite 12) eine starke Fragmentierung
wie auch Spezialisierung im Gesundheitssystem, wobei ein zu großer Fokus auf der tertiären
Versorgung (Stationär) liegt. (vgl. WHO, 2008, 11) In Abbildung 3 werden die Versorgungs-
ebenen in Österreich inklusive Laienversorgung dargestellt.
Abb. 3: Versorgungsebenen in Österreich
Quelle: in Anlehnung an: Hoffmann, 2016 (eigene Darstellung)
Internationale Studien gehen davon aus, dass weit über 90 Prozent der gesundheitlichen
Beeinträchtigungen auf der Laienversorgungsebene gelöst werden können und somit in kei-
ner österreichischen Krankenversorgungstatistik aufscheinen. Zusammenfassend ist die Lai-
enversorgungsebene (quantitativ) das größte Krankenversorgungssystem in Österreich. Ab-
bildung 4 auf der nachfolgenden Seite zeigt das Verhältnis der Versorgungsbereiche. Hier
wird deutlich, dass von 100 gesundheitlichen Beschwerden ca. 80 im niedergelassenen Be-
reich und ca. 20 im ambulanten Bereich versorgt werden müssen. Nur zwei Personen müs-
sen stationär aufgenommen werden. (vgl. Sprenger, 2012, 17f)
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Abb. 4: Verhältnis der Versorgungsbereiche
Quelle: Abb. 4 entnommen aus: Sprenger, 2012, 18
Während die Schnittstellen zu sekundären und tertiären Bereichen gut erforscht sind, gibt es
einen immensen Aufholbedarf an der Schnittstelle der Laienversorgung hin zur Primärver-
sorgung. Grund dafür ist, dass eine Vielzahl unterschiedlichster Gesundheitsberufe an dieser
Schnittstelle angesiedelt sind, wie z.B. Mediziner, Pflege, Therapeuten, Sozialarbeiter. Dies
hat zur Folge, dass unterschiedliche Anschauungen und Wertvorstellungen existieren und es
dadurch zu Unsicherheiten und Problemen unter den beteiligten Akteuren in Koordination,
Kommunikation und Kooperation kommt. (vgl. Sprenger, 2015, 119f) Demzufolge ist es wich-
tig, einen Paradigmenwechsel in Österreich anzustreben und eine Aufwertung der Primär-
versorgung sowie eine Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bürger zu forcieren. (vgl.
Sprenger, 2012, 20)
Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass auch in andere europäische Länder die Primärver-
sorgung gestärkt werden soll. Die Gesundheitssysteme der einzelnen Staaten mögen sich
wenig ähneln, aufgrund der demographischen Entwicklungen baut sich allerdings überall
zunehmend Druck auf: die Alterung der Bevölkerung und der technische und medizinische
Fortschritt, führen zu mehr chronischen Erkrankungen und steigenden Patientenansprüche.
Auch die vermehrte kulturelle und ethnische Diversität der Patienten stellt die Gesundheits-
systeme der meisten europäischen Länder vor große Herausforderungen. (vgl. Czypion-
ka/Ulinski 2014, 17)
__________________________________________________________________________17
3.1.2 Primärversorgung im europäischen Vergleich
Diese Faktoren führen schließlich zu den verstärkten Reformbemühungen der Länder. Quali-
tät, Wirtschaftlichkeit und der Zugang zum Gesundheitssystem sollen auch künftig sicherge-
stellt werden. Im Fokus der Reformbemühungen steht der Auf- bzw. Ausbau moderner pri-
märmedizinischer Versorgungszentren. Am stärksten ist die Primärversorgungen in Ländern
mit staatlichen Gesundheitssystem (Beveridge-System), wie in Großbritannien, ausgebaut.
In Ländern mit Bismarck-System, das ist ein System mit einer sozialen Krankenversicherung
wie Österreich und Deutschland, wird die Primärversorgung erst später umgesetzt und ist
daher schwächer ausgeprägt. (vgl. Czypionka/Ulinski 2014, 17) In Abbildung 5 werden die
unterschiedlichen Ausprägungen der Primärversorgungsnetze ausgewählter Länder darge-
stellt und im Folgenden dann Länderspezifisch beschrieben.
Abb. 5: Ausprägung des Primärversorgungsnetzes in ausgewählten Ländern
Quelle: Abb. 5, entnommen aus: Nivel (Netherlands institute for health services research) 2012, 152
Die Niederlande:
Die Niederlande verfügen über eines der modernsten Primärversorgungssysteme in Europa
und sind stets bemüht, dieses weiterzuentwickeln. Gesundheitsdienstleistungen werden
nicht nur von Hausärzten, sondern unter anderem auch von Physiotherapeuten, Hebammen,
Pharmazeuten und Psychologen erbracht. Das politische Ziel richtet sich gegen die Frag-
mentierung im Gesundheitswesen und fokussiert die Bemühungen in den Ausbau einer gut
__________________________________________________________________________18
entwickelten Primärversorgung. In den Niederlanden wird seit den 1970er Jahren die Rolle
des Hausarztes bereits an den medizinischen Fakultäten gestärkt. Darüber hinaus existieren
zur Unterstützung der Ärzte sogenannte hausärztliche Leitlinien, die Empfehlungen zu
Anamnese, Therapie und Medikamentenverschreibung enthalten. (vgl. Schäfer u.a. 2010,
148) Eine einheitliche Dokumentation mit einem etablierten Qualitätsmanagement sorgt für
eine transparente, qualitativ hochwertige Dienstleistungserbringung. (vgl. Czypionka/Ulinski
2014, 20) Niederländische Hausärzte erfüllen die Funktion eines Gate-Keepers, alle Einwoh-
ner sind bei einem Hausarzt registriert, der Zugang der Patienten zu Krankenhäusern und
Spezialisten steuern. Rund 96 Prozent aller Patientenkontakte können hausärztlich versorgt
werden. Nur in etwa 4 Prozent der Fälle ist eine Weiterleitung in die Sekundärversorgung
oder zu anderen Primärversorger notwendig. Manche Hausärzte übernehmen zusätzlich die
Gate-Keeper Funktion für die Notfallversorgung, nur bei Bedarf leiten diese Patienten dann
an die Notfallambulanzen weiter. (vgl. Schäfer u.a. 2010, 148) Die Vernetzung der nichtärzt-
lichen Gesundheitsberufe wird bereits 1996 mit dem sogenannten „Matador Projekt Maas-
tricht“ eingeführt. Hier werden Krankenpflegepersonen zu „Nurse Practitioners“ ausgebildet.
Deren Aufgabe ist, im Rahmen der DMP DM II Aufgaben von den Ärzten zu übernehmen
und Sie tragen somit die primäre Verantwortung bei der Behandlung von DM II Patienten.
Weitere Aufgaben sind die Erstabklärung, Hausbesuche und das verschreiben von Medika-
menten bei leichten Beschwerden. Ziel ist es, das Patientenaufkommen bei Spezialisten und
damit auch die Kosten zu senken. (vgl. Hasenhündl 2014, 13)
Deutschland:
In Deutschland werden mit der Stärkung der Integrierten Versorgung neue Modelle der
hausarzt-zentrierten Versorgung ermöglicht. Der Hausarzt dient dabei als zentrale Anlauf-
stelle für Patienten, koordiniert die Behandlungen und übernimmt auch eine Gate-Keeper-
Funktion. Die Gruppe dieser hausärztlich tätigen Vertragsärzte besteht aus Fachärzten für
Allgemeinmedizin, praktischen Ärzten, Fachärzten für Innere Medizin und Fachärzten für
Kinderheilkunde. (vgl. Busse/Riesberger 2005, 115) Durch die Wahl eines Hausarztes haben
die Versicherten keine Möglichkeit mehr, ohne eine Überweisung zu einem Facharzt zu ge-
langen. Ausgenommen aus dieser Regelung sind Gynäkologen und Augenärzte. Die freiwil-
lige Einschreibung in ein Hausarztmodell bietet Versicherten Vorteile in Form von finanziellen
Anreizen wie in etwa eine Zuzahlung zu Arztbesuchen oder Arzneimitteln. 2007 werden im
Rahmen des GKV-Wettbewerbsgesetzes die Regelungen der hausarztzentrierten Versor-
gung weiter verschärft. Krankenkassen werden dabei verpflichtet, ihren Versicherten ein
Hausarztmodell aktiv anzubieten. Teilnehmende Hausärzte werden dazu verpflichtet, Quali-
__________________________________________________________________________19
tätsstandards zu erfüllen. Dazu zählen ein Qualitätszirkel zur Arzneimitteltherapie, ein haus-
arztspezifisches Qualitätsmanagement und die Behandlung der Patienten auf Basis evi-
denzbasierter Leitlinien. Eine Teilnahme ist weiterhin freiwillig. In Bezug auf die Überweisung
zu einem Facharzt besteht jedoch eine einjährige Verpflichtung für die Teilnehmer. (vgl.
Greß/Stegmüller 2009, zitiert nach Czypionka/Ulinski 2014, 18) Als Voraussetzung für die
Einführung von Konzepten der „Integrierten Versorgung“ wird in Deutschland eine starke
Primärversorgung angesehen. Dazu benötigt es eine Reform des Vergütungssystems –
empfohlen wird die Zahlung einer Kopfpauschale je eingeschriebenem Patienten. (vgl. Czy-
pionka/Ulinski 2014, 18f)
England:
Das englische Gesundheitssystem hat eines der am besten entwickelten und akzeptierten
Primärversorgungssysteme im internationalen Vergleich. Die hausärztliche Versorgung
übernimmt auch hier die Rolle des Gate-Keepers. In der Regel finden hier die Erstkontakte
zu den Patienten statt. Darüber hinaus wird ein kontinuierlicher Zugang bei Verletzungen und
allgemeinen gesundheitlichen Beschwerden geboten und der Zugang zur Sekundär- wie
auch Tertiärversorgung geregelt. Allgemeinmediziner arbeiten primär in Gruppenpraxen von
zwei bis sechs Ärzten, ihre Arbeit wird durch eine Anzahl weiterer Gesundheitsberufe wie
Pflegepersonen, Hebammen oder Physiotherapeuten ergänzt. Die Primärversorgung kennt
zwei Arten von Krankenpflegepersonen; die „practice nurses“ arbeiten in den Gruppenpraxen
mit Hausärzten und anderen Gesundheitsberufen zusammen, die „district nurses“ arbeiten
für öffentliche Gesundheitsanbieter und bieten für Personen, die zu Hause leben, Gesund-
heitsdienstleistungen an. Patienten können ihre Hausärzte frei wählen und müssen sich, wie
in Deutschland, registrieren lassen. Von Seiten der Hausärzte besteht die Möglichkeit, dass
Patientenabgelehnt werden können z.B. aufgrund von Gewalttätigkeit oder wenn ihre Kapa-
zitäten erschöpft sind. (vgl. Cylus 2015, 81)
Als Alternative zu den allgemeinmedizinischen Hausarztpraxen und zur Unterstützung der
Primärversorgung werden im Jahr 2000 sogenannte NHS (National Health Service) „walk-in
centres“ eingeführt. Diese bieten einen einfachen Zugang zum Gesundheitssystem, ohne
zuvor einen Termin buchen zu müssen. Diese Zentren werden von Krankenpflegepersonen
geführt und bieten Behandlungen bei leichten Krankheiten und Verletzungen, wie etwa Infek-
tionen, Schnittverletzungen, oder Frakturen an. Die Öffnungszeiten sind regulär gestaltet
werden inzwischen häufig auf eine „rund um die Uhr Versorgung“ ausgedehnt. (vgl. Cylus
2015, 81)
__________________________________________________________________________20
Der „NHS Direct“ Service bietet 24 Stunden am Tag einen Telefon- bzw. Internetkontakt mit
Krankenpflegepersonen an, die die Patienten bei Bedarf an die notwendigen Stellen weiter-
leiten. Die Primärversorgung schlittert am Ende des 20. Jahrhunderts in eine Krise, deren
Folge die Einführung der „Quality and Outcomes Framework (QOF)“ und die Erhöhung der
Gesundheitsausgaben ist. Hausärzte haben nun die Möglichkeit, sich ein zusätzliches Ein-
kommen zu erarbeiten, vorausgesetzt die Zielindikatoren des QOF werden dabei erfüllt. Zu
diesen Indikatoren zählen unter anderem die Behandlung chronisch Kranker, die Organisati-
on der Versorgung und die Patientenorientierung. Die Indikatoren werden mit Hilfe einer au-
tomatisierten, elektronischen Datenauswertung gemessen, wobei die Kosten für die Hard-
ware-Ausstattung vom Staat übernommen wird. Diese Maßnahme verbessert die Qualität
der Versorgung sowie auch die Zufriedenheit und das Einkommen der Hausärzte wesentlich.
Mögliche Probleme könnten dort entstehen, wo Tätigkeiten ohne Anreizvergütung ausgeführt
werden. (Doran 2010, zitiert nach Czypionka/Ulinski 2014, 22)
Nach diesem kurzen Überblick über benachbarte Systeme in England, Deutschland und den
Niederlanden, soll nun überblicksmäßig im nächsten Kapitel das PHC-Konzept für Österreich
vorgestellt werden.
3.1.3 Das PHC-Konzept für Österreich - Das Team rund um den Hausarzt
In der Gesundheitsreform von 2013 werden die gesetzlichen Grundlagen für ein PHC ge-
schaffen und diese stellen eines der Kernstücke der österreichischen Gesundheitsreform
dar. Für die Organisation und Umsetzung entsteht eine lebhafte Diskussion mit allen beteilig-
ten Gesundheitsberufen in einem neu geschaffenen Primary Health Care Board. (Oegkv
2017) Die bestehende Primärversorgung soll in einer gestärkten Form umfassende Aufga-
ben der hausärztlichen Versorgung übernehmen. Im Rahmen der Bundes-
Zielsteuerungskommission wird für ein Konzept zur multiprofessionellen und interdisziplinä-
ren Primärversorgung in Österreich - Das Team rund um den Hausarzt - ins Leben gerufen.
(vgl. Auer 2014, 5f)
__________________________________________________________________________21
3.1.3.1 Rahmenbedingungen
Dieses „Das Team rund um den Hausarzt“ Konzept soll, die Primärversorgung in Österreich
stärken. Die bestehenden hausärztlichen Versorgungseinheiten sollen weder abgeschafft
noch in ihren Kompetenzen beschnitten werden. Ebenfalls ist nicht geplant, Gesamtverträge
zwischen Krankenkassen und den hausärztlichen Gesundheitsdienstleistern abzuändern
bzw. aufzukündigen. Es liegt vielmehr das Augenmerk auf ein vernetztes, kooperatives Ar-
beiten, bei denen die verschiedenen Berufsgruppen, ärztliche wie auch nicht ärztliche Ge-
sundheitsberufen, zusammenwirken. Geplant ist eine optimale Prozess- und Ergebnisqualität
vor allem bei chronischen Krankheitsverläufen, bei Kindern und Jugendlichen, zudem älteren
Bevölkerung Österreichs. Verbindliche Vorgaben sollen mit diesem Konzept „Das Team rund
um den Hausarzt“ nicht bewirkt werden. Vielmehr richtet sich der Blick in die Zukunft und
beschreibt einen möglichen Weg, wie die politischen und rechtlichen Rahmenbedingen in der
Primärversorgung aussehen könnten. (vgl. Auer 2014, 6)
3.1.3.2 Ziele
Im Rahmen des Konzepts werden für drei Bereiche (Bevölkerung, Gesundheitsberufe und
System) Ziele definiert. Damit möchte man erreichen, dass die hohe Zufriedenheit in der Be-
völkerung auch zukünftig erhalten bleibt. Die Attraktivität der involvierten Gesundheitsberufe
soll mit Erreichen dieser Ziele ebenso steigen, aber auch das System soll an bevorstehende
Herausforderungen wie – demografische Entwicklung, Zunahme von chronischen Erkran-
kungen, usw. - angepasst werden. (vgl. Auer 2014, 8)
Auszugsweise werden nun Ziele des Konzepts in allen drei Bereichen aufgezeigt:
Ziele für die Patienten
• Leistungsangebot in der Primärversorgung soll attraktiver werden
• Bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen, älteren Menschen sowie chronisch
Kranken soll die Kontinuität und Koordination in der Betreuung gestärkt werden
• Gesundheitsfördernde aber auch präventive Maßnahmen sollen verstärkt in die Pri-
märversorgung integriert werden
__________________________________________________________________________22
Ziele für die Gesundheitsberufe:
• Die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gesund-
heitsberufen soll unterstützt sowie auch erleichtert werden
• Die Attraktivität der Tätigkeitsfelder durch verstärkte Kooperation und Kommunikation
zwischen Versorgungsbereichen gestärkt werden
• Die praxisbezogenen Ausbildungen für Allgemeinmediziner – Lehrpraxen – und nicht
ärztlichen Gesundheitsberufen soll weiterentwickelt werden
Ziele für die Systemsteuerung:
• Die Qualität in der Primärversorgung muss gesichert werden
• Honorierungsmodelle müssen vermehrt Anreize bieten, damit Gesundheitsförderung
und Prävention Beachtung findet
• Die Versorgungsabläufe sollen mit Blick auf die Versorgungsforschung transparenter
werden (vgl. Auer 2014, 7f)
3.1.3.3 Akteure und Strukturen
Bevor die Anzahl und Art der Gesundheitsdienstleistungsanbieter festgelegt wird, sind im
Vorfeld immer die regionalen Erfordernisse abzuklären. Somit richtet sich die personelle
Ausstattung primär an den Anforderungen des Leistungsspektrums der Primärversorgung
aus. Klar geregelt ist hingegen, wie so ein Kernteam auszusehen hat. Ein sogenanntes Kern-
team besteht in der Regel aus einem Hausarzt, einer Krankenpflegeperson und einem Ordi-
nationsassistenten. Dazu wird gewünscht, dass folgende Kompetenzen in einem Kernteam
abgedeckt werden:
• Versorgung von älteren Menschen
• Versorgung von Kindern und Jugendlichen
• Medikamentenmanagement
• Gesundheitsförderung und Prävention
• Psychosoziale Versorgung
• Versorgung von Palliativpatienten“
Zusätzlich kann, je nach Anforderung, dieses Kernteam noch durch andere nicht ärztliche
Gesundheitsberufe erweitert werden. Dazu zählen vor allem Berufe wie Diätologen, Heb-
ammen, Logopäden, Physiotherapeuten, mobile Dienste und Sozialarbeiter. Eine enge Zu-
sammenarbeit sowie auch ein reger Austausch von Information, die die Versorgung der Pati-
__________________________________________________________________________23
enten betreffen, runden diese Vernetzung ab. Nach Außen existieren noch sogenannte Ver-
sorgungspartner. Diese sind allerdings nicht Teil der Primärversorgungsstruktur. Abbildung 6
zeigt dieses Netzwerk der unterschiedlichen Gesundheitsdienstleistungsanbieter, sowie
mögliche Versorgungspartner. (vgl. Auer 2014, 14ff)
Abb. 6: Funktionales Primärversorgungs-Management
Quelle: Abb. 6 wurde entnommen aus: Auer 2014, 16
3.1.3.4 Herausforderungen und Lösungsansätze
Eine ausführliche Beschreibung der Herausforderungen und Lösungsansätze würde den
Rahmen dieser Arbeit bei Weitem sprengen, deshalb werden diese hier nur kurz und exemp-
larisch dargestellt.
Für eine erfolgreiche Umsetzung in die Praxis, ist es notwendig, mögliche Herausforderun-
gen zu identifizieren. Dazu müssen gewisse Kriterien hinsichtlich Struktur, Prozess und Er-
gebnisqualität definiert sowie implementiert werden. Damit wird sichergestellt, dass die Pati-
entensicherheit, aber auch die Funktion der Primärversorgungsstruktur gewährleistet wird.
Zusätzlich zur Qualität bestehen Herausforderungen bei der Organisation, der Rechtsform,
__________________________________________________________________________24
der Honorierung (gezielter Anreizwirkung) und natürlich über die Finanzierbarkeit dieser
neuen Form der Versorgung. (vgl. Auer 2014, 12ff)
Im Konzept finden sich überdies auch mögliche Lösungsansätze. Für die Organisation der
Primärversorgungsstruktur ist je nach Region entweder eine Primärversorgungs-Einrichtung
oder ein Primärversorgungs-Netzwerk vorgesehen. Diese beiden Formen sind als Aufbauor-
ganisation zu verstehen. Die Prozesse der Zusammenarbeit innerhalb einer Primärversor-
gung werden in der Ablauforganisation geregelt. Dabei sind die Größe und die Organisati-
onsdichte der Einheit maßgeblich. Wie so etwas in der Praxis aussehen kann wird in Abb. 5
Funktionales Primärversorgungs-Management (Seite 22), dargestellt. Bei den rechtlichen
Rahmenbedingungen steht die Flexibilität im Vordergrund, damit je nach regionalen Erfor-
dernissen das Angebot angepasst werden kann. Die Honorierung soll/muss so ausgestaltet
sein, dass Anreize geschaffen werden, um eine bestmögliche Erfüllung der zuvor festgeleg-
ten Aufgaben und Funktionen zu gewährleisten. (vgl. Auer 2014, 18ff) Eine sogenannte An-
reizfinanzierung wurde mit der neuen Zielsteuerung Gesundheit 2017 vom Gesetzgeber be-
reits installiert. Diese sieht vor, 200 Millionen Euro für die kommende Finanzausgleichsperio-
de zu budgetieren. (vgl. BMGF, 2017b) Für die zukünftige Finanzierbarkeit ist es notwendig
die bestehenden Projekte in Wien und Enns genauestens zu evaluieren und mit Hilfe der
gewonnen Ergebnisse Finanzierungspakete zu schnüren, die den jeweiligen Versorgungs-
angeboten in den Regionen gerecht werden. (vgl. Auer 2014, 23)
__________________________________________________________________________25
3.1.4 Primärversorgung im regionalen Netzwerk
Wie aus dem vorherigen Kapitel 3.1.3 Das PHC-Konzept für Österreich – Das Team rund um
den Hausarzt hervorgeht, muss das Versorgungsnetzwerk in Hinblick auf Region und Struk-
turen genau überprüft werden, um eine optimale Versorgung der Patienten zu ermöglichen.
Eine Vereinbarung diesbezüglich existiert bereits zwischen Bund und Ländern und ist in der
Art. 15a BVG nicht verbindlich für die beteiligten Akteure geregelt. Deshalb wird der österrei-
chische Strukturplan Gesundheit von Seiten der Länder unterschiedlich behandelt. Damit ist
gemeint, dass die Bundesländer zu verschiedenen Zeitpunkten mit der Umsetzung begon-
nen haben und die Planungen der Versorgungsebenen divergent ausgestaltet sind. Manche
Länder planten primär den stationären Akutbereich. Eher zögerlich wurde der ambulante
Bereich mit den dazugehörigen Versorgungsbereichen in Angriff genommen. (vgl. BMGF
2017c) Beispiele, wie Primärversorgung im regionalen Netzwerk funktionieren kann, bietet
z.B. Styriamed.net in der Steiermark, das Primärversorgungszentrum in Mariahilf (Wien) und
in Enns (OÖ). Bei Styriamed.net handelt es sich um ein Netzwerk von Hausärzten. Gestartet
wurde bereits 2009 und es hat sich im Laufe der Zeit als virtuelle Praxisgemeinschaft etab-
liert. Dabei steht der Hausarzt im Zentrum des Geschehens, der alle Behandlungsschritte als
Gate-Keeper koordiniert und plant. Sinn und Zweck dieses Verbundes ist es, die Kooperation
wie auch die Kommunikation zwischen niedergelassenen Ärzten (Hausarzt, Facharzt) und
dem Krankenhausbereich zu stärken. Zugleich sollen auch die Schnittstellen zu den unzähli-
gen Gesundheitsprofessionen gefestigt werden. (vgl. Schweighofer 2015, 13)
Die Beispiele haben alle gemein, dass die Anforderungen an das Leistungsspektrum an die
regionalen Bedürfnisse (urbaner vs. ländlicher Raum) angepasst werden. Ein abgestimmtes
Fallmanagement (Case Management) im regionalen Netzwerk ermöglicht dies. Das nachfol-
gende Unterkapitel ist diesem Thema gewidmet.
3.1.4.1 Fallmanagement im regionalen Netzwerk
Monzer (2013, 1) beschreibt Case Management als ein Konzept, dass sich weder als Me-
thode noch als Organisationsmodell einordnen lässt. Vielmehr ist es ein Arbeitsansatz, der
sich über viele Fachgebiete, Disziplinen und sogar über gesellschaftliche Institutionen, er-
streckt. Daher ist es schwierig, die Vielfalt von Case Management greifbar zu machen. Ab-
gesehen von der Vielfalt bleibt eines gemein – der Blick auf den einzelnen Fall.
__________________________________________________________________________26
Ursprünglich wurde das Case Management in den USA entwickelt und in der sozialen Arbeit
und im Gesundheitswesen als neuer Arbeitsansatz eingeführt. Dennoch finden sich mittler-
weile auch im deutschen Sprachraum zahlreiche Definitionen zum Case Management. Die
erste und häufigste ins Deutsche übersetzte ist jene von der „Case Management Society of
America (CSMA)“:
„Case Management ist „ein kooperativer Prozess, in dem Versorgungsangelegenheiten
und Dienstleistungen erhoben, geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und eva-
luiert werden, um so den individuellen Versorgungsbedarf eines Patienten mittels
Kommunikation und verfügbaren Ressourcen abzudecken.“ (vgl. CMSA 2017)
Wie bereits erwähnt, finden sich in der Literatur noch weitere, Definitionen zum Case Ma-
nagement. Einrichtungen, wie Krankenhäuser aber auch Versorgungsnetzwerke in der Pri-
märversorgung müssen, für sich individuell ein passendes Rahmenkonzept für das Case
Management mit einer dazugehörigen Definition entwickeln. (vgl. Pape u.a. 2008, 17)
Laut Definition der CMSA, handelt es sich bei Case Management strenggenommen um ein
mehrschichtiges und stufenweises Vorgehen, wodurch der Einzelne in den Fokus des Ge-
schehens gestellt wird. Ziel ist es, ein Unterstützungssystem so zu organisieren, dass eine
spätere Zusammenarbeit zwischen den Institutionen erleichtert wird. Damit ist gemeint, dass
einerseits die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten berücksichtigt und ande-
rerseits die daraus abgeleiteten Erkenntnisse in fallübergreifende Versorgungsnetzwerke
integriert werden. Zusammenfassend bedeutet das, dass das Case Management in ver-
schiedenen Bereichen zur Lösung von Herausforderungen eingesetzt werden kann. (vgl. B.
Braun Melsungen AG 2012, 3) Das Rahmenkonzept von Case Management zielt auf einen
Fall ab und wird in folgende Phasen unterteilt:
• Erstberatung: Bestandsaufnahme
• Analyse/Einschätzung: Problem- und Ressourcenanalyse
• Hilfe-/Förder-/Pflegebedarf: Gemeinsame Klärung der Ziele des Klienten
• Hilfe-/Förder-/Pflegebedarf: Auswahl und Festlegung der Hilfen, Kontakt zu anderen
Leistungsanbietern
• Monitoring: Vernetzen der Maßnahmen, Überprüfen
• Abschluss, Evaluation: Bewertung aller Beteiligter, bei Bedarf Vermittlung der Klien-
ten in andere Hilfen (vgl. Gembris u.a. 2014, 19ff)
Der Case Manager übernimmt somit die Rolle als Lotse – Klienten/Patienten werden unter-
stützt, sich bei der Angebotsvielfalt an Gesundheitsdienstleistungen, behördlichen Zustän-
digkeiten und gesetzlichen Bestimmungen zurecht zu finden. Sie schnüren ein individuelles
__________________________________________________________________________27
Behandlungspaket für Patienten. Das bedeutet, Case Manager verknüpfen, begleiten und
koordinieren Behandlungsabläufe mit dem Ziel, die Wirksamkeit, Effizienz sowie die Qualität
der Behandlung zu steigern. Dadurch können mittel- und langfristig auch Kosten gesenkt
werden. Damit dies gelingt, muss pro Einzelfall schnell, koordiniert und im Rahmen des Ge-
samtkonzeptes vorgegangen werden. Die Zusammenarbeit ist auf die Einschätzung, Pla-
nung und Bewältigung der unterschiedlichen Anforderungen von Behandlungssituationen
ausgerichtet. Hauptziel des Case Managements ist die Zufriedenheit von Patienten und An-
gehörigen durch individuelle Problembewältigung (insbesondere bei komplexen Fällen) zu
steigern. Während des gesamten Prozesses ist es wichtig, dass die Qualität der Versorgung
bestehen bleibt. Dabei werden verschiedene Dimensionen der Qualität unterschieden:
• Strukturqualität – bezieht sich auf die Rahmenbedingungen
• Prozessqualität – bezieht sich auf die Art und Weise der Leistungserbringung
• Ergebnisqualität – wird durch einen Soll – Ist – Vergleich ermittelt
Um nun diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es erforderlich, dass entsprechend, qualifi-
ziertes Personal mit der Versorgung des Fallmanagements beauftragt wird. Nur so besteht
die Möglichkeit einer erfolgreichen Umsetzung von Case Management. (vgl. Gembris u.a.
2014, 30ff)
3.1.4.2 Integrierte Versorgung
Die integrierte Versorgung ist eine eigenständige Versorgungsform bei der der Versorgungs-
prozess im Vordergrund steht und die daher als Teil des Versorgungsmanagements (Case-
Management) angesehen wird. Unabhängig von den Gesichtspunkten der Honorierung soll
erreicht werden, dass durch ein optimales Management die bestmöglichen Abläufe einer
Behandlung eingeleitet werden. Das heißt, dass zum richtigen Zeitpunkt/Ort, die ideale Di-
agnose, Therapie, Behandlung und Nachsorge veranlasst wird. (vgl.
Schreyög/Weinbrenner/Busse 2010, 106)
Mit der Gesundheitsreform 2000 wurde in Deutschland die integrierte Versorgung in das So-
zialgesetzbuch V aufgenommen und auf breiter Ebene eingeführt. Damit soll die sektoren-
übergreifende Koordination der Versorgung verbessert bzw. gefördert werden. Neben einer
gesteigerten Versorgungsqualität erwarten sich die Verantwortlichen, dass bestehende Über-
, Unter- und Fehlversorgung abgebaut wird. Ziel war es auch für alle Patienten, eine Versor-
gung aus einer Hand sicher zu stellen. Ebenso sollen im Zuge der Einführung Mehrfachun-
tersuchungen verringert werden und verlängerte Wartezeiten zwischen stationär zu ambulant
__________________________________________________________________________28
verkürzt werden. (vgl. Stock/Redaelli/Lauterbach (2005), 17) In Österreich werden fünf Jahre
(2005) später Vorkehrungen getroffen, um die Integrierte Versorgung auch hier zulande flä-
chendeckend zu etablieren. Seitdem wird, wie in Deutschland, versucht, Maßnahmen für
eine strukturierte und sektorenübergreifende Versorgung zu entwickeln. (vgl. Eger 2011, 5)
Dazu wird im Jahr 2006 zusätzlich das Competence Center Integrierte Versorgung (CCIV)
der österreichischen Sozialversicherung gegründet. (vgl. CCIV 2017)
Das Competence Center Integrierte Versorgung (CCIV) des Hauptverbandes der österreichi-
schen Sozialversicherungsträger lehnt sich an den internationalen Grundsätzen der integrier-
ten Versorgung an und versteht darunter:
„eine patientenorientierte, kontinuierliche, sektorenübergreifende und/oder interdiszipli-
näre und nach standardisierten Behandlungskonzepten (Guidelines, Behandlungspfa-
de, …) ausgerichtete Versorgung.“ (vgl. CCIV 2017)
Formen der integrierten Versorgung:
Die integrierte Versorgung kennt grundsätzlich zwei Ansätze, wie sie in der Praxis implemen-
tiert werden kann:
• Indikationsbezogene Modelle
• Populationsbezogene Modelle
Bei den indikationsbezogenen Modellen liegt der Fokus auf der Versorgung von Patienten
mit einer bestimmten Erkrankung. Sogenannte Disease Management Programme sind die
bekannteste Form. Dabei wird die Prozessverbesserung durch den Einsatz von Behand-
lungsleitlinien erleichtert, der Fortschritt einer Erkrankung verlangsamt bzw. vermieden und
durch gezielte Schulungen, die Eigenverantwortung von Betroffenen gestärkt. (vgl. CCIV
2017) Ziel ist es, den Allgemeinzustand sowie auch die Lebensqualität der Patienten zu ver-
bessern. (vgl. Steiermärkische Gebietskrankenkasse 2015, 4)
Bei den populationsbezogenen Modellen steht die Versorgung von Patientengruppen mit
bestimmten Merkmalen im Vordergrund. Diese Modelle sind ähnlich dem Fall Management
aufgebaut und beinhalten Gruppen von älteren, multimorbiden Menschen oder auch regiona-
le Kriterien, wie z.B. die Bevölkerung eines gesamten Bezirkes. Zusätzlich können in die po-
pulationsbezogenen Modelle indikationsbezogene Modelle wie z.B. Disease Management
Programme, eingebettet werden. Ärztliche Leistung wird in Einzelordinationen oder in koope-
rativen Formen, wie Gemeinschaftspraxen, konzentrierten Gruppenpraxen und ambulanten
Versorgungszentren erbracht. So übernehmen die Hausärzte die Rolle des ersten An-
sprechpartners (Gate-Keeper), Lotsen und Koordinators bei gesundheitlichen Problemen.
__________________________________________________________________________29
(vgl. CCIV 2017) Populationsbezogen bedeutet immer eine Mischung aus patientenzentrier-
ten, leistungsbezogenen und vergütungstechnischen Instrumenten. Die Vorteile daraus sind
nicht von der Hand zu weisen, denn Belastungen für die Patienten z.B. durch Doppelunter-
suchungen, können vermieden werden. Darüber hinaus kann durch eine patientenorientierte
Gestaltung die Behandlungsqualität gesteigert und der Behandlungspfad besser koordiniert
werden. (vgl. SV 2017)
Weitere Informationen zur Primärversorgung, hier im Speziellen zur Integrierten Versorgung,
finden sich im Kapitel 3.3 Integrierte Versorgung am Beispiel von Diabetes mellitus Typ II.
Wie die Überschrift bereits verrät, wird hier auf das indikationsbezogene Modell der integrier-
ten Versorgung eingegangen und das Disease Management Programm „Therapie Aktiv –
Diabetes im Griff“ näher beschrieben. Zuvor ist es aus Sicht des Autors jedoch notwendig,
sich mit dem Krankheitsbild von Diabetes mellitus Typ II näher zu beschäftigen.
__________________________________________________________________________30
3.2 Krankheitsbild Diabetes mellitus
Bei Diabetes mellitus (DM) (griechisch, „honigsüßer Durchfluss“) handelt es sich um eine
komplexe, chronisch verlaufende Erkrankung, die in alle Lebensbereiche der betroffenen
Personen hineinreicht. Durch den Fortschritt der modernen Medizin in Diagnose und Thera-
pie, ist es den Betroffenen heute möglich, einen großen Teil der Behandlung selbst in die
Hand zu nehmen (vgl. Fehm-Wolfsdorf, 2009, 1.). Der häufig unbemerkte Beginn, sowie
auch der chronische Verlauf der Erkrankung, begünstigen die Entstehung von schwerwie-
genden Komplikationen und Folgeerkrankungen der Augen, Nieren, Füße und Herz-
Kreislauferkrankungen (vgl. American Diabetes Association 2012, 64).
In der Literatur finden sich einige Definitionen von DM. Exemplarisch werden hier zwei Erklä-
rungen angeführt:
„Diabetes mellitus bezeichnet eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, deren ge-
meinsamer Befund die Erhöhung des Blutglukosespiegels, die Hyperglykämie, ist.“
(vgl. Roden, 2016, 37)
Möhling/Pfeiffer/Spranger (2015, 346) hielten folgende Definition für DM fest:
„…handelt es sich um eine Glukosestoffwechselstörung mit chronisch erhöhten Blutzu-
ckerwerten (Hyperglykämie) aufgrund einer gestörten Insulinsekretion, einer gestörten
Insulinwirkung oder einer Kombination aus beiden Mechanismen.“
Diese Erhöhung des Blutglukosespiegels führt zu den klassischen Symptomen wie Polyurie
(krankhaft erhöhte Harnausscheidung), unerklärbarer Gewichtsverlust, Sehstörungen und
Infektanfälligkeiten, Ketoazidose oder das hyperglykämische hyperosmolare Syndrom (HHS)
das bis zum Koma führen kann. Durch die Störung in der Bauchspeicheldrüse ist die Sekre-
tion von Insulin vermindert, ferner kann es auch zu einer Wirkungsminderung des Insulins
kommen. Dies wiederum führt zu Langzeitschäden und Funktionsstörungen verschiedener
Gewebe und/oder Organe wie zum Beispiel, Augen, Nieren, Herz, Blutgefäße und Nerven-
bahnen. (vgl. Roden, 2016, 37)
Auf Basis ätiologischer Gesichtspunkte finden sich in der aktuellen Diabetesklassifikation
(vgl. American Diabetes Association 2016, 13) vier Formen von Diabetes mellitus, deren pa-
thophysiologische Mechanismen sich unterscheiden:
• Typ I Diabetes (Insulin produzierende Zellen in der Bauchspeicheldrüse sind zerstört)
• Typ II Diabetes (verringerte Freisetzung und Wirkung von Insulin)
__________________________________________________________________________31
• Gestations-Diabetes (Diabetes, der während der Schwangerschaft diagnostiziert
wird)
• Andere spezifische Diabetes Typen
Im ICD 10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
10th Revision WHO Version for; 2016) findet sich die Form von Diabetes mellitus Typ II (DM
II) unter dem Diagnoseschlüssel E11.- (vgl. WHO 2017b).
3.2.1 Definition und Diagnose von DM II
Wie bereits unter Punkt 3.2 Krankheitsbild Diabetes mellitus angeführt, ist Diabetes mellitus
Typ II eine Form von Diabetes, allerdings die häufigste. 95 Prozent aller erkrankten Perso-
nen sind von Typ II betroffen. (vgl. Möhling/Pfeiffer/Spranger 2015, 347) Des Weiteren ist
anzumerken, dass die Prävalenz von Diabetes mellitus Typ 2 kontinuierlich steigt, wobei der
Anstieg vor allem auf falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht zurück zu
führen ist. (vgl. Möhling/Pfeiffer/Spranger 2015, 346)
Charakteristisch für diese Form der Erkrankung ist ein relativer Insulinmangel und die feh-
lende Insulinwirkung, wodurch es zu einer verminderten Aufnahme der Glukose in die Zellen
kommt. Demzufolge ist der Blutzuckerwert dauerhaft erhöht. Ursachen für die Erkrankung
sind vor allem das Übergewicht, genetische Disposition, Bluthochdruck und erhöhte Blutfett-
werte. Durch das Übergewicht kommt es vor allem zu einem erhöhten Bauchumfang mit
Fetteinlagerungen in die Leber. Diese Kombination gilt als besonders ungünstig, weil sie mit
vermehrten Entzündungsprozessen und somit mit einem erhöhten Gefäßrisiko in Zusam-
menhang gebracht wird. Als weitere Risikofaktoren stehen ein niedriger Sozialstatus und ein
niedriger Bildungsstand zur Diskussion. Eine Untersuchung hat hier einen stärkeren Korrela-
tion zwischen niedrigem Bildungsstand und dem Risiko von DM bei Frauen gezeigt. (vgl.
BMG 2013b, 5)
Diagnose:
Da sich DM II nur sehr langsam entwickelt und über viele Jahre symptomlos bleibt, wird er
häufig zufällig bei Vorsorgeuntersuchungen oder bei Komplikationen wie bei Herzinfarkt und
anderen arteriellen Verschlusskrankheiten entdeckt. (vgl. Piper 2013, 468)
Bei Verdacht ist die Blutzuckermessung im Plasma wichtig. Dabei werden folgende Kriterien
zur Diagnose von DM herangezogen:
__________________________________________________________________________32
• Klassische Symptome und der Nachweis, dass der Gelegenheitsblutzucker größer
als 200 mg/dl, beträgt – Diagnose gilt als gesichert
• Bei Vorliegen keiner klassischen Symptome wird die Nüchtern-Glukose im Plasma
bestimmt. Ist diese zweimal, nach einer Fastenzeit von mindestens acht Stunden,
größer als 126 mg/dl liegt ein DM vor.
• Oder es liegt eine gestörte Nüchtern-Glukose vor. Dabei muss zweimal nachgewie-
sen werden, dass die Blutzuckerkonzentration im Plasma zwischen 100 mg und 125
mg/dl beträgt.
Bei Verdacht oder widersprüchlichen Ergebnissen wird die Diagnose mithilfe eines oralen
Glukoseintoleranztests empfohlen. Dabei trinkt der Patient eine Glukoselösung und die Blut-
zuckerkontrolle erfolgt zwei Stunden danach. Eine weitere Möglichkeit DM zu diagnostizieren
ist die Bestimmung des Hämoglobins A1c (HbA1c). (vgl. Möhling/Pfeiffer/Spranger, 2015,
346) Jedoch ist dabei Vorsicht geboten, da HbA1c nach mehrwöchiger Hyperglykämie an-
steigt. Deshalb handelt es sich bei HbA1c um einen Parameter, der primär nicht für die Di-
agnose verwendet, sondern hauptsächlich zur Verlaufs- und Therapiekontrolle herangezo-
gen wird. Die Normalwerte von HbA1c liegen zwischen vier bis sechs Prozent. (vgl. Piper,
2013, 468)
Eine viel größere Schwierigkeit als die Diagnose von DM, stellt die Zuordnung dar. Sprich,
um welchen Typ von DM es sich handelt. Dafür sind folgende Hinweise sehr hilfreich:
• Typ I: Patienten sind normalgewichtig – meist akuter Beginn der Erkrankung
• Typ II: Patienten sind meist übergewichtig – deutliche familiäre Häufung
Als hilfreich wird noch die Bestimmung des C-Peptids gesehen. Beim C-Peptid handelt es
sich um einen Bestandteil des Proinsulins. Bei der Abspaltung des C-Peptids entsteht das
Insulin. Deshalb kann es auch als sogenannter Marker für die Insulinproduktion herangezo-
gen werden. Beim Typ II ist der Marker oft erhöht, beim Typ I ist hingegen ein niedriger bis
normaler Wert messbar. (vgl. Möhling/Pfeiffer/Spranger, 2015, 349)
3.2.2 Therapie und Spätfolgen von DM II
Die Therapie von Typ II-Diabetes ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu gehören etwa
das Alter, die körperliche Verfassung, anderen Erkrankungen, die Lebenssituation und per-
sönliche Ziele des erkrankten Menschen. (vgl. netdoktor, 2017)
__________________________________________________________________________33
Laut Clodi u.a. (2016, 46) gilt es bei der Therapie von DM II neben der Vermeidung von aku-
ter Hyperglykämie, ein Augenmerk auf die Prävention vaskulärer Komplikationen zu legen.
Dazu werden folgende Therapieziele definiert:
• Vermeiden von Akutkomplikationen
• Vermeiden von Spätkomplikationen
• Symptomfreiheit sowie Erhalt bzw. Wiederherstellung der Lebensqualität
Aufgrund der Tatsache, dass bei DM II primär kein akuter Insulinmangel besteht, kann die
Einstellung bzw. Therapie ambulant erfolgen. Ziel ist es, normale Werte für Blutzucker und
HbA1c anzustreben, um Spätkomplikationen zu vermeiden. Eine große Herausforderung bei
DM II für die Therapeuten stellt eine mangelnde Mitarbeit der Patienten dar, denn für eine
erfolgsversprechende Therapie wird eine aktive Mitarbeit der Betroffenen benötigt. (vgl. Piper
2013, 468) Schließlich ist die Basis für die Therapie eine (einfache) Umstellung der Lebens-
gewohnheiten. Ein normales Körpergewicht durch ausreichende Bewegung und Ernäh-
rungsumstellung ist anzustreben. Diese Maßnahmen verhelfen den Patienten, ihren Insulin-
oder Tablettenbedarf nachhaltig zu reduzieren. (vgl. Möhling/Pfeiffer/Spranger, 2015, 349)
Neben einer Lebensstiländerung (Ernährung, Bewegung) ist meist eine individualisierte The-
rapie mit Antidiabetika notwendig z.B. Metformin. Dies wird alleine, oder bei nicht ausrei-
chender Senkung des Blutzuckerwertes, mit anderen Antidiabetika kombiniert. Sollte es wi-
der Erwarten nicht zur gewünschten Wirkung kommen, wird empfohlen, eine Therapie mit
einem basalen, lang wirkenden Insulin zu beginnen. Gerade bei älteren Menschen stellt die-
se Form der Therapie eine Herausforderung dar, weil es hier bei mangelnder Compliance zu
teilweise schwerwiegenden Hyperglykämien kommen kann. Es ist daher wichtig, eine prakti-
kable und sichere Therapieform für Patienten mit mangelnder Compliance zu wählen. (vgl.
Möhling/Pfeiffer/Spranger, 2015, 351)
Nachfolgende Abbildung 7 zeigt das empfohlene Therapieschema der Österreichischen Dia-
betes Gesellschaft (Abb. 7 entnommen aus: OEDG, 2016, 16).
__________________________________________________________________________34
Abb. 7: Therapie nach Diagnose Diabetes mellitus Typ 2
Quelle: Abb. 7 entnommen aus: OEDG, 2016, 16
Neben den akuten Komplikationen sind es vor allem die chronischen Komplikationen oder
auch Spätfolgen, die durch einen dauerhaft erhöhten Blutzucker, Bluthochdruck und Fett-
stoffwechselstörungen entstehen können, die eine große sozialmedizinische Bedeutung ein-
nehmen. Folgende Komplikationen (Spätfolgen) werden beobachtet:
Makrovaskuläre Komplikationen: Es kommt vermehrt zu Schlaganfällen, Herzinfarkten
und peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten (pAVK). Engmaschige Kontrolle des Ge-
fäßstatus wie auch die Durchführung eines Belastungs-EKGs wird empfohlen.
Mikrovaskuläre Komplikationen: Dabei kommt es vor allem zur Schädigung der kleinen
Blutgefäße. Diese Schädigungen führen zu unterschiedlichen Folgeerkrankungen:
• Diabetische Retinopathie
• Diabetische Nephropathie
• Diabetische Neuropathie
• Diabetisches Fußsyndrom (vgl. Möhling/Pfeiffer/Spranger, 2015, 352ff.)
DM kann auch Auslöser von psychischen Beschwerden und/oder Erkrankungen sein. Erhe-
bungen haben gezeigt, dass bei Diabetikern depressiven Erkrankungen doppelt so häufig
vorkommen, als bei nicht Diabetikern. (vgl. BMG, 2013b, 22)
__________________________________________________________________________35
3.2.3 Aktuelle Zahlen zu DM II in Österreich
Aus dem IDF-Diabetes Atlas (2015, 50) ist zu entnehmen, dass im Jahr 2015 415 Millionen
Menschen weltweit an Diabetes erkrankt waren. Die Diabetes-Prävalenz lag somit bei 8,8
Prozent. Schätzungen ergaben, dass davon 193 Millionen oder jeder Zweite nicht diagnosti-
ziert wurde und somit von der Erkrankung nichts wusste, wobei hier ein starkes Gefälle in
Richtung ärmere Länder zu beobachten ist. Die meisten dieser Fälle sind dem DM II zuzu-
ordnen. Und gerade hier gilt, je früher DM II erkannt wird, je früher mit einer adäquaten The-
rapie begonnen wird, desto besser sind die Chancen, kostenintensive wie auch schwere
Komplikationen zu vermeiden. (vgl. IDF-Diabetes Atlas, 2015, 54f.)
In Österreich ist die Diabetes-Prävalenz aufgrund mangelnder Datenlage – es fehlt an einem
nationalen Diabetes Register – nur schwer erhebbar. Aktuelle Daten werden mit Hilfe von
Befragungsdaten, Abrechnungsdaten, Vorsorgeuntersuchungsdaten und die Schätzungen
der Internationalen Diabetes Vereinigung (IDF), die sich auf Österreich beziehen, gesam-
melt. (vgl. BMG 2013b, 10)
Werden nun die genannten Daten zusammengeführt, ergibt das für Österreich im Jahr 2011,
430.000 an ärztlich diagnostizierten Diabetikern bzw. rund 6 Prozent, der Bevölkerung. Der
Anteil der nicht diagnostizierten Diabetiker wird auf 2 bis 3 Prozent der Gesamtbevölkerung
geschätzt. Dadurch beträgt die Gesamtprävalenz auch in Österreich rund 8 bis 9 Prozent. In
Fällen bedeutet das, dass 570.000 bis 640.000 Diabetiker in Österreich leben. Der tatsächli-
che Anteil der in Österreich lebenden Diabetiker wird vermutlich unterschätzt. In Tabelle 1
werden die Zahlen nochmals übersichtlich dargestellt. (vgl. BMG 2013b, 16)
Tabelle 1: Diabetiker-Fälle in Österreich 2011
Diabetiker 2011 In %
Diagnostizierte Fälle 430.000 6
Geschätzte Fälle 143.000 – 215.000 2 – 3
Gesamt 573.000 – 645.000 8 – 9
Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an BMG 2013b, 16
Die Datenlage zu Diabetes ist für Österreich, wie bereits erwähnt, eher lückenhaft. Genauso
verhält es sich mit den Daten zu Spätkomplikationen. Deshalb werden auszugsweise Daten
vom Tiroler Diabetesregister und der Diagnose- und Leistungsdokumentation – Amputatio-
nen, des Bundesministeriums für Gesundheit, angeführt. Im Tiroler Diabetesregister werden
__________________________________________________________________________36
Patienten ab dem 18. Lebensjahr erfasst. Die Datenerhebung der hier angeführten Zahlen
stammt aus den Jahren 2006 bis 2010. Demnach weisen von den 8931 erfassten Diabeti-
kern 85,4 Prozent einen DM II auf. Für die Berechnung der Spätfolgen sind die Daten des
Landeskrankenhauses Innsbruck nicht berücksichtigt worden. Der Anteil der Patienten ist
somit wesentlich kleiner und beläuft sich auf 4507 Patienten. Insgesamt leiden zumindest an
einer Spätfolge 1614 Patienten. Eine übersichtliche Darstellung ist in Tabelle 2 zu finden.
(vgl. IET 2011, 15ff.)
Tabelle 2: Ausgewählte Spätfolgen - Tiroler Diabetesregister (n=4507)
Spätfolgen in % in Personen
Diabetische Nephropathie 14,6 656
Herzinfarkt 10,1 456
Diabetische Neuropathie 9,9 445
Periphere arterielle Verschlusskrankheit 4,4 198
Diabetischer Fuß 3,9 178
Davon Amputation 29,2 52
Diabetische Retinopathie 3,2 142
Bypass 7,4 334
Apoplexie 6,5 294
Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an IET 2011, 15ff.
Wie bereits in Punkt 3.2.2 Therapie und Spätfolgen von DM II ausgeführt, kann es bei DM II
zu makrovaskulären Komplikationen kommen. Zu diesen Komplikationen zählt der diabeti-
sche Fuß. In fortgeschrittenem Stadium zieht der diabetische Fuß, wie auch aus Tabelle 2
ersichtlich wird, eine Amputation nach sich. Auch national kann dieses Bild, mithilfe der Di-
agnose- und Leistungsdokumentation – Amputationen, des Bundesministeriums für Gesund-
heit, gezeigt werden. Im Jahr 2011 wurden an rund 1500 Patienten mit der Haupt- und Ne-
bendiagnose Diabetes mellitus 2440 Amputationen durchgeführt. Dies entspricht 62 Prozent
aller durchgeführten Amputationen im Jahr 2011. Nach Häufigkeit wurden folgende Amputa-
tionen durchgeführt:
• Vorfuß oder Mittelfuß mit 59 Prozent
• Unterschenkel mit 25 Prozent
• Oberschenkel mit 15 Prozent (vgl. BMG 2013b, 29)
__________________________________________________________________________37
Abb. 8: Anteil der stationären Patienten mit Haupt- oder Nebendiagnose Diabetes mellitus und einer Amputation 2011 nach Geschlecht und Altersgruppe
Quelle: Abb. 8 entnommen aus BMG 2013b, 29, zitiert nach BMG, Diagnosen- und Leistungsdokumentation der österreichi-
schen Krankenanstalten
Abbildung 8 zeigt den Anteil jener stationären Patienten mit Haupt- oder Nebendiagnose
Diabetes mellitus im Jahr 2011, bei denen zusätzlich eine Amputation durchgeführt wurde.
Gegliedert wird nach Geschlecht und Altersgruppe. Dabei wird deutlich, dass bei Männern
häufiger eine Amputation durchgeführt wird. Gerade in der Altersgruppe der 45 bis 59-
Jährigen wird dieser Umstand deutlich ersichtlich. (vgl. BMG 2013b, 29)
Nach dieser ausführlichen Darlegung von DM und DM II inklusive den Tücken dieser Erkran-
kung, ist es nun an der Zeit, den Kreis in Richtung integrierter Versorgung zu schließen.
__________________________________________________________________________38
3.3 Integrierte Versorgung am Beispiel von Diabetes mellitus II
Wie bereits im Kapitel 3.1.4.2 Integrierte Versorgung erwähnt wurde, handelt es sich bei der
integrierten Versorgung um
„eine patientenorientierte, kontinuierliche, sektorenübergreifende und/oder interdiszipli-
näre und nach standardisierten Behandlungskonzepten (Guidelines, Behandlungspfa-
de, …) ausgerichtete Versorgung.“ (vgl. CCIV 2017a)
Die Entwicklung begann unter dem Begriff „Managed Care“ in den 80er Jahren in den USA
und sie wird heute als Grundlage der integrierten Versorgung angesehen. (vgl. Lambrecht
2013, 35)
3.3.1 Welchen Nutzen hat die Integrierte Versorgung?
Einen großen Nutzen aus der integrierten Versorgung gewinnt man, wenn beide Modelle –
indikationsbezogene und populationsbezogene Modell – kombiniert zur Anwendung gelan-
gen. (vgl. SV 2017a)
Gerade für die Behandlung von komplexen Erkrankungen wie Diabetes, chronischen Erkran-
kungen und/oder Multimorbidität – also dann, wenn Gesundheitsdienstleistungen mehrerer
medizinischer Leistungserbringer gefragt sind, sollten integrierte Versorgungsformen ange-
dacht werden. Denn dadurch ist es möglich, die Koordination zwischen der ambulanten, sta-
tionären sowie rehabilitativen Versorgung zu verbessern. Erstens, weil die Patienten in den
Behandlungsprozess eingebunden sind, was wiederum die bereits erwähnten Doppelunter-
suchungen reduziert und somit unnötige Belastungen verhindert und Zweitens, die Dauer
des Krankenhausaufenthaltes abnimmt und Folgeerkrankungen durch standardisierte Nach-
untersuchungen im niedergelassenen Bereich reduziert oder verhindert werden können. Die-
se Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen und erhöhen letztendlich die Qualität der me-
dizinischen Betreuung, aber auch die Zufriedenheit aller beteiligten Akteure. Die Lücken im
Informationsfluss werden mit der Integrierten Versorgung bestenfalls geschlossen, was
gleichzeitig die Transparenz im Behandlungsablauf erhöht. (vgl. CCIV 2017)
Aufgrund von begrenzten gesetzlichen Möglichkeiten finden sich in Österreich nur Ansätze
von integrierten Versorgungsformen. Weiters verfolgen diese eher den kooperativen Ansatz
in Form von Gruppenpraxen sowie Gesundheitsnetzen. In den letzten Jahren entstehen
durch gesetzliche Änderungen (siehe Gesundheitsreform 2012/13 - PHC-Konzept) auch Ge-
sundheitszentren wie in Enns oder Wien. (vgl. SV 2017a)
__________________________________________________________________________39
3.3.2 Disease Management als Form der Integrierten Versorgung
Das indikationsbezogene Modell ist eine von zwei Formen der Integrierten Versorgung. Da-
bei liegt der Fokus auf die Versorgung von Patienten mit einer bestimmten Erkrankung. Die
bekannteste Form sind sogenannte Disease Management Programme (DMP). (vgl. CCIV
2017)
Die Rechtsgrundlage für Disease Management Programme in Deutschland wird mit dem
Gesundheitsstrukturgesetz von 2001 geschaffen. Dieses tritt schließlich 2002 in Kraft und als
Folge werden DMP in die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt. (vgl. Linder 2014,
666) Vor der Einführung entbrannten zahlreiche Diskussionen über die mangelhafte Versor-
gungqualität von chronisch kranken Personen in Deutschland, trotz der hohen Kosten im
Vergleich zu vergleichbaren Ländern. Mit der Einführung erwarten sich die Verantwortlichen
eine Qualitätssteigerung in der Versorgung bei gleichbleibenden Kosten. (vgl. Gerlinger
2013, 36) In Österreich verhält sich die Lage bei der Versorgung von chronisch kranken Per-
sonen ähnlich. Aus diesem Grund wird 2003 DMP „Therapie Aktiv“ im Rahmen eines Innova-
tionsprojektes des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger in Auf-
trag gegeben. Die Einführung in die Bundesländer – wobei nicht alle Bundesländer an der
Umsetzung beteiligt sind - erfolgte 2007. (vgl. SV 2017b)
Ein DMP ist ein strukturiertes Behandlungsprogramm, das zur Unterstützung der qualitativ
hochwertigen Versorgung von bestimmten chronischen Erkrankungen, wie z.B. Diabetes
mellitus Typ II, Anwendung findet. Chronische Krankheiten haben im Vergleich zu akutem
Krankheitsgeschehen einen langen Behandlungszeitraum. (vgl. Gerlinger 2013, 37) Darüber
hinaus besteht eine hohe Prävalenz und die Behandlungen gestalten sich komplex und sehr
kostenintensiv. (vgl. Joanneum Research, 2017) In Deutschland sind DMP aktuell für sechs
chronische Erkrankungen vorgesehen:
• Diabetes mellitus Typ I und II
• Asthma bronchiale
• Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD)
• Brustkrebs
• Koronare Herzerkrankung
Streng genommen handelt es sich bei Brustkrebs um keine chronische Krankheit. Sie wurde
aber aufgrund von gravierenden Versorgungsdefiziten und der großen Anzahl von Betroffe-
nen in die Liste der DMPs aufgenommen. (vgl. Gerlinger 2013, 37) International werden
__________________________________________________________________________40
DMP auch für viele andere chronische Krankheiten wie z.B. Depressionen, Rheuma, Parkin-
son etc. entwickelt und eingesetzt. (vgl. Joanneum Research, 2017)
Bei DMP werden evidenzbasierten Leitlinien, die indikationsbezogene Empfehlungen zur
Diagnostik und zum therapeutischen Vorgehen beinhalten, gezielt eingesetzt. (vgl. Gerlinger
2013, 37) Im Vordergrund steht eine verbesserte Kooperation, Kommunikation und Koordi-
nation der beteiligten Leistungserbringer auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Der
Mitteleinsatz gestaltet sich effizient und Synergien werden besser genutzt, mit dem Ziel, dass
die Versorgungsqualität gesteigert wird. (vgl. Joanneum Research, 2017) Darüber hinaus
werden die Patienten durch vermehrte Schulung in Eigenverantwortung und aktiver Mitarbeit
motiviert. Somit kann der Patient als Koproduzent seiner eigenen Gesundheit gesehen wer-
den. (vgl. Gerlinger 2013, 37)
3.3.3 Disease Management Programm (DMP) für DM II „Therapie Aktiv – Diabetes
im Griff“
Das Disease Management Programm „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“ ist das erste und
derzeit einzige strukturierte Betreuungsprogramm in Österreich für Patienten mit Diabetes
mellitus Typ II. Die Kooperation von Ärzten im niedergelassenen Bereich, wie Hausärzten,
aber auch Fachärzten ist ein wesentlicher Eckpfeiler im Programm. Die Teilnahme am Pro-
gramm ist sowohl für Ärzte als auch für Patienten freiwillig und soll einerseits durch ein struk-
turiertes Vorgehen bei Diagnose und Therapie den teilnehmenden Ärzten Unterstützung sein
und andererseits beiden, Arzt und Patient, durch die Kontinuität in der Behandlung eine ge-
wisse Stabilität und Sicherheit bieten. Dies wird unter anderem durch die Bereitstellung von
Dokumentationsbögen und Checklisten sichergestellt. Somit kann ein lückenloser Verlauf
sowie auch Überblick zum individuellen Krankheitsverlauf der Patienten im Programm er-
möglicht werden. Die Ziele von „Therapie Aktiv“ sind vielfältig und erstrecken sich vom Errei-
chen einer optimalen Blutzuckereinstellung, über die Vermeidung oder Verzögerung von
Folgeschäden und Spätfolgen wie Erblindung und Nierenschädigungen, die Senkung des
Schlaganfall- und Herzinfarktrisikos, die Vermeidung von Nebenwirkungen der Therapie bis
zum Patienten Empowerment, also der Motivation der Betroffenen zum eigenverantwortli-
chen Umgang mit der Krankheit. (vgl. Steiermärkische Gebietskrankenkasse 2015, 4)
Tabelle 3 gibt nochmals einen Überblick über jene Ziele, unterteilt in Haupt- und Nebenziele,
die mit dem Programm „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“ verfolgt werden.
__________________________________________________________________________41
Tabelle 3: Haupt- und Nebenziele vom „Therapie Aktiv Programm“
Hauptziele:
Eine Verlängerung des Lebens bei guter Gesundheit
Nebenziele:
Folgeschäden und Spätfolgen sollen vermieden bzw. verzögert werden
Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko senken
Nebenwirkungen bei der Therapie erkennen und minimieren
Die eigenverantwortliche und aktive Mitarbeit der Patienten soll gestärkt werden
Quelle: vgl. Steiermärkische Gebietskrankenkasse 2015, 4
Damit diese ambitionierten Ziele erreicht werden können, sind im Therapie Aktiv Programm
sogenannte Diabetikerschulungen als zentraler Bestandteil vorgesehen. Diese strukturierten
Schulungen dienen dem Wissensgewinn und sollen das Verhalten der Patienten positiv be-
einflussen. Damit kann nachweislich der Blutzucker, HbA1c-Wert, Blutdruck und das Körper-
gewicht gesenkt werden. Weitgasser bezeichnet diese Schulungen auch als Interventions-
und Motivationsinstrument, denn diese Gruppenschulungen stärken das Bewusstsein rund
um die Krankheit und die damit einhergehende Eigenverantwortlichkeit. Dies soll schluss-
endlich auch zu einer gesteigerten Compliance der Patienten führen, wodurch in weiterer
Folge die behandelnden Ärzte entlasten werden. (vgl. Weitgasser 2016, 147)
Bei der Evaluierung solcher Disease Management Programme werden durchgängig positive
Ergebnisse gesammelt, da vor allem ein verbessertes Management der Krankheit bei den
Hausärzten erreicht wird. (vgl. Fuchs 2014, 462) In einer randomisierten kontrollierten Studie
von Maria Flamm u.a. (2011, 122) wird deutlich, dass nicht nur eine eindeutige Verbesse-
rung der Prozessqualität durch das „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“ Programm erreicht
wird, sondern auch eine signifikante Verbesserung betreffend Gewicht und Cholesterinspie-
gel. Auch Berghold und Riedl (2015, 44f) bestätigen in ihrer Evaluierung zum Thema, dass
Patienten die in einem DMP geführt werden, seltenere und kürzere Krankenhausaufenthalte
haben. Sie führen dies ebenfalls auf eine verbesserte Versorgung von Diabetes mellitus Typ
II Patienten zurück.
__________________________________________________________________________42
Abschließend zeigt Abb. 9 eine schematische Darstellung des Programmablaufs für „Thera-
pie Aktiv – Diabetes im Griff“.
Abb. 9: schematische Darstellung des Programmablaufs
Quelle: vgl. Steiermärkische Gebietskrankenkasse 2015, 7 (eigene Darstellung)
Registrierung als Therapie Aktivarzt
Basisseminar
Registrierung
Patientenanmeldung
Information
Anmeldung
Betreuung - Dokumentation
Erstuntersuchungen
Zielvereinbarungen
Lebensqualität
Schulungen
Abrechnung
Quartalsweise Abrechung
__________________________________________________________________________43
4 Zwischenfazit
Im ersten Teil der Arbeit wurden jene theoretischen Grundlagen die für die Beantwortung der
Forschungsfrage notwendig sind, gesammelt und detailliert beschrieben.
Gerade die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen wie z.B. der demographische
Wandel und der medizinische Fortschritt, zwingen den Gesetzgeber, das Gesundheitssys-
tem gemeinsam mit den Systempartnern (Länder, Krankenkasse und Ärztekammer) laufend
anzupassen. Im Rahmen der österreichischen Gesundheitsreform 2013 wird ein Paradig-
menwechsel in der Primärversorgung eingeläutet und über die Neuausrichtung bzw. Nach-
verhandlungen im Rahmen der neuen Zielsteuerungsverträge von 2017, nachgebessert.
(siehe auch Kapitel 2. Primäre Gesundheitsversorgung in Österreich)
Das PHC-Konzept für Österreich – das Team rund um den Hausarzt stellt einen ersten Ver-
such dar, den bestehenden Problemen und Herausforderungen, mit den unterschiedlichen
Zielen für die Patienten, Gesundheitsberufe und die Systemsteuerung, zu begegnen. Kombi-
niert mit der Integrierten Versorgung und hier das DMP „Therapie aktiv“ können durch eine
strukturierte sowie kontinuierliche Betreuung von DM II Patienten Spätfolgen vermieden wer-
den. Zusätzlich geht aus der Literatur hervor, dass eine lückenlose Datenerhebung und
Transparenz im gesamten Betreuungsprozess unumgänglich ist, weil hier rasch auf Abwei-
chungen reagiert werden kann und dies wiederum sich positiv auf den Krankheitsverlauf der
DM II Patienten auswirkt.
Im zweiten Teil dieser Arbeit werden anhand von Experteninterviews die theoretischen As-
pekte hinterfragt und gleichzeitig aktuelle Herausforderungen in der Betreuung von DM II
Patienten abgefragt. Wie sieht ein optimaler Versorgungsprozess im regionalen Versor-
gungsnetzwerk aus und kann die Umsetzung alleine von den Experten bewerkstelligt wer-
den?
All diese Fragen sollen neben der eigentlichen Forschungsfrage in der Diskussion beantwor-
tet werden.
__________________________________________________________________________44
5 Methodik
Um die unter Punkt 2.3 Zielsetzungen und Forschungsfrage festgelegten Ziele dieser Arbeit
zu erreichen, bedient sich der Autor unterschiedlichen Erhebungsmethoden die in diesem
Kapitel näher erörtert werden.
5.1 Literaturrecherche
Vor allem der theoretische Hintergrund der vorliegenden Arbeit wurde im Rahmen der explo-
rativen Phase mittels einer Literaturrecherche bewerkstelligt. Diese diente dem Erkenntnis-
gewinn rund um das Gesundheitswesen und wurde hauptsächlich an der Bibliothek der
Fachhochschule Oberösterreich (OÖ), Standort Linz, der Suchmaschine des österreichi-
schen Bibliotheken-Verbunds und der Universitätsbibliothek der medizinischen Universität
Wien durchgeführt. Dieser Arbeit liegt im Rahmen der Recherche eine hermeneutische Vor-
gehensweise zugrunde. Es werden Erkenntnisse kombiniert, welche von Autoren sowohl aus
dem deutschsprachigen als auch aus dem englischsprachigen Raum stammen.
Folgende Schlagwörter wurden bei der Literaturrecherche verwendet: Primärversorgung,
österreichische Gesundheitsreform, hausärztliche Versorgung, integrierte Versorgung, Dise-
ase Management Programm, Diabetes mellitus Typ II, Primary Health Care, PHC-Konzept,
Experteninterview, Therapie aktiv, das Team rund um den Hausarzt, Primärversorgungszent-
rum, Alma-Ata (WHO). Eine zeitliche Eingrenzung der Literatur auf die letzten zehn Jahre
konnte aufgrund wichtiger Basisliteratur, wie zum Beispiel der Konferenz in Alma-Ata 1978,
nicht lückenlos durchgeführt werden.
5.2 Experteninterview
Die Ergebnisse dieser Arbeit basieren auf problemzentrierten, leitfadengestützten Experten-
interviews. Die Meinungen in der Sozialforschung bezüglich Experteninterviews gehen weit
auseinander. Trotzdem herrscht ein stillschweigendes Übereinkommen, dass es sich bei
Experteninterviews um ein Leitfadeninterview handelt. (vgl. Liebold, Trinczek 2009, 31)
Liebold und Trinczek (2009, 31f) führen des Weiteren aus, dass das leitfadengeführte Exper-
teninterview eines der am häufigsten genutzten Verfahren in der Sozialforschung darstellt.
Bei den Interviewpartnern oder den sogenannten Experten, handelt es sich um Fachleute,
__________________________________________________________________________45
also um Personen, die über ein besonderes Wissen zu einem bestimmten Thema oder einer
Sachlage verfügen.
Die ursprüngliche Fragestellung sah vor, dass Mitarbeiter und Patienten des Primärversor-
gungszentrums Mariahilf zu Kooperation, Kommunikation und Koordination für eine optimale
primäre Gesundheitsversorgung am Beispiel der Integrierten Versorgung von Diabetes melli-
tus II Patienten befragt hätten werden sollen. Jedoch konnte die Befragung aufgrund organi-
satorischer Schwierigkeiten seitens des PVZ Mariahilf nicht durchgeführt werden. Deshalb
wurde in Absprache mit dem Betreuer, dieser Arbeit Herrn Prof. Dr. Kriegel die Fragestellung
abgeändert und zusätzlich Experten aus der hausärztlichen Versorgung mit ins Boot geholt.
Experten aus dem PVZ Mariahilf und ausgewählten hausärztlichen Ordinationen wurden
schriftlich mittels eines standardisierten Einladungsschreibens kontaktiert und zum Interview
eingeladen. Das Ziel dieser qualitativen Befragung war es, die Forschungsfrage zu beant-
worten und Informationen zur Behandlung von DM II Patienten, sowie zu Primary Health
Care zu bekommen. Als Interviewpartner wählte der Autor dieser Arbeit in Abstimmung mit
dem Betreuer folgende Funktionen.
• Allgemeinmediziner PVZ: 3
• Medizinisches Fachpersonal PVZ: 1
• Allgemeinmediziner: 3
Nach 25 Anfragen konnten in Summe sieben Interviews persönlich geführt werden. Achtzehn
Personen haben sich demzufolge weder für ein Interview noch zu einer persönlichen Stel-
lungnahme bereit erklärt.
Alle Interviews wurden vom Verfasser dieser Arbeit selbst durchgeführt. Die Gespräche wur-
den digital aufgezeichnet im Anschluss erfolgte die Transkription mittels leichter Sprachglät-
tung. Damit ist gemeint, dass bei der Transkription die Umgangssprache an die Schriftspra-
che teilweise angepasst wurde. Dies dient der besseren Lesbarkeit und in weiterer Folge
einer besseren Verständlichkeit der transkribierten Texte. (vgl. Fuß/Karbach 2014, 39ff)
__________________________________________________________________________46
5.3 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
Der Auswertung dieser qualitativen Erhebung liegt die Inhaltsanalyse nach Mayring zugrun-
de. In der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring werden Texte systematisch analysiert.
Dazu werden von der Theorie abgeleitet Kategorien gebildet, welche die Inhalte der Inter-
views knapp wiedergeben. So wurden aus den transkribierten Gesprächen Kategorien und
Subkategorien gebildet, die schließlich eine Vergleichbarkeit der Interviews sicherstellte.
5.4 Workshop
Am 12. Jänner 2017 fand im Rahmen des Studentenprojekts „Patientenmanagement im Pri-
märversorgungszentrum Haslach am Bsp. DM II“ an der FH OÖ, Standort Linz ein Workshop
in Haslach als zweiter Teil der qualitativen Befragung statt. Die geladenen Experten wurden
instruiert, den zuvor mittels Literaturrecherche erarbeiteten Versorgungsverlauf von Patien-
ten mit Diabetes mellitus Typ II, kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls Verbesserungs-
vorschläge einzubringen. In einem zweiten Schritt bestand die Aufgabe der Experten darin,
die Herausforderungen in der Behandlung zu identifizieren und gleichzeitig für diese Heraus-
forderungen Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Mit diesen Erkenntnissen bzw. Ergebnissen
wurde der Versorgungsverlauf erweitert und zu einem Blueprint mit einer Sichtbarkeitslinie –
welche die für den Patienten sichtbaren, sowie die für den Patienten nicht sichtbaren Leis-
tungen graphisch voneinander trennt – zusammengeführt. (vgl. Braumann u.a. 2017, 25)
5.5 Ist-Analyse/Situationsanalyse
Aus der Definition wird für das Konzept Folgendes abgeleitet:
Mit der Ist-Analyse wird die aktuelle Situation in der primären Gesundheitsversorgung unter-
sucht, um herauszufinden, mit welchen Herausforderungen hausärztliche Einzelpraxen wie
auch im PVZ Mariahilf zu kämpfen haben. Im nächsten Schritt wird der Frage nachgegangen
ob sich Unterschiede in der Versorgung im PVZ versus Einzelpraxen ergeben.
In der Literatur existieren viele unterschiedliche Bezeichnungen für die Ist-
Analyse/Situationsanalyse, die sich zum Großteil in ihrer Bedeutung überlappen. Hervorge-
gangen ist die Ist-Analyse/Situationsanalyse aus der Betriebswirtschaft und dem Marketing.
__________________________________________________________________________47
Die Aufgabe einer Situationsanalyse ist es, gegenwärtige aber auch vergangene Marktver-
hältnisse zu untersuchen und zu beschreiben. (Wöhe, Döring 2010, 393)
Die Ist-Analyse findet sich in der Literatur nicht alleinstehend, sondern in Kombination mit der
Soll-Analyse. (Diakonisches Werk Württemberg 2004, 87)
Bei Wöhe, Döring (2010, 393) werden unter „Situationsanalyse“ die bestehenden Verhältnis-
se am Markt verstanden. Demnach wird die Ist-Situation eines Unternehmens, bzw. einer
Institution mit einem in der Zukunft liegendem Soll oder mit einem in der Vergangenheit lie-
gendem Zustand verglichen. Das Ziel ist, Maßnahmen zu entwerfen, die die aktuelle Situati-
on des Unternehmens bzw. der Institution verbessern.
Die Ergebnisse der Ist-Analyse werden im letzten Schritt mit den Ergebnissen aus der Litera-
turrecherche und des Workshops (Soll-Analyse) zusammengeführt. Somit kann daraus ein
mögliches Konzept hinsichtlich einer optimalen Gesundheitsversorgung am Beispiel der In-
tegrierten Versorgung von Diabetes mellitus II Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk
erstellt, sowie Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.
__________________________________________________________________________48
6 Auswertung und Darstellung der Ergebnisse
Das folgende Kapitel widmet sich den Ergebnissen aus den Interviews der einzelnen Health
Professionals. Für das Umfeld PHC (Primary Health Care) wurden drei Allgemeinmediziner
und eine Diätologin aus dem PVZ (Primärversorgungszentrum) Mariahilf befragt. Drei Allge-
meinmediziner mit einer Einzelpraxis in den Bezirken Amstetten, Rohrbach bzw. dem 20.
Wiener Gemeindebezirk erklärten sich bereit, für das Umfeld „hausärztlicher Bereich“ an den
Interviews teilzunehmen.
Welche Schritte der Health Professionals für eine optimale Gesundheitsversorgung notwen-
dig sind bzw. welchen Herausforderungen sie sich dabei stellen müssen, soll bei der Befra-
gung dieser Experten am Beispiel DM II nachgegangen werden. Weiters soll durch die Be-
fragung skizziert werden, wie sich die Akteure eine optimale Versorgung vorstellen, um eine
mögliche Soll-Situation in der Versorgung für DM II Patienten zu entwickeln. Abschließend
wird noch abgefragt, welche Möglichkeiten sich durch das PHC-Konzept ergeben können
und welche Auswirkung dieses z.B. auf die Versorgungsqualität und den Gesundheitszu-
stand der einzelnen Patienten hat.
Die Interviewpartner werden gereiht nach örtlichem Setting in Tabelle 4 übersichtlich darge-
stellt.
Tabelle 4: Interviewpartner - Experteninterview
Umfeld PHC Umfeld hausärztlicher Bereich
Interview 1: Allgemeinmediziner Interview 5: Allgemeinmediziner
Interview 2: Allgemeinmediziner Interview 6: Allgemeinmediziner
Interview 3: Allgemeinmediziner Interview 7: Allgemeinmediziner
Interview 4: Diätologin
Quelle: eigene Darstellung
In einem zweiten Schritt, fließen die Ergebnisse des Workshops mit ein, welcher im Rahmen
eines Studentenprojekts im Masterlehrgang für Gesundheits-, Public- und Sozialmanage-
ments, an der FH Oberösterreich, Standort Linz, im Wintersemester 2016/17 durchgeführt
wurde. Der Workshop wurde in Haslach (OÖ) mit sieben ausgewählten Health Professionals
__________________________________________________________________________49
– zwei Allgemeinmedizinern, drei DGKP und zwei Arztassistentinnen – durchgeführt. Eine
übersichtliche Darstellung erfolgt in Tabelle 5.
Tabelle 5: Teilnehmer des Workshops, Jänner 2017 im Feuerwehrhaus Haslach
Teilnehmer: 2 Allgemeinmediziner
3 Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen
2 Ordinations-Assistentinnen
Quelle: vgl. Braumann u.a. 2017, 25 (eigene Darstellung)
Die Zielsetzung im Workshop waren denen der vorliegenden Arbeit ähnlich. Die Akteure soll-
ten im Rahmen einer Gruppendiskussion Herausforderungen einer optimalen, multiprofessi-
onellen Betreuung von Patienten mit DM II identifizieren. Die Projektmitglieder stellten die
Kenntnisse aus der Primär- und Sekundärrecherche in Form eines Flussdiagrammes dar.
Dieses Flussdiagramm mit dem Ist-Stand der Patientenversorgung im Raum Haslach wurde
den Workshop-Teilnehmern zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. (vgl. Braumann 2017, 25)
Diese Ergebnisse fließen in diese Arbeit mit ein.
6.1 Expertenergebnisse – Umfeld PHC
Im Mai 2015 eröffnete das erste Primärversorgungszentrum auf der Mariahilfer Straße, Wien,
seine Pforten. Diese nunmehr nach den Vorgaben der Gesundheitsreform 2012/13 geführte
Praxis wird 2009 von Dr. Mayerhofer als Gruppenpraxis gegründet. Finanziell von Seiten der
Stadt Wien und der Wiener Gebietskrankenkasse unterstützt, werden Patienten nach dem
PHC-Konzept behandelt sowie therapeutisch begleitet. Nach gut zwei Jahren können die
Experten in der Behandlung von Patienten von Diabetes mellitus Typ II genügend Erfahrung
vorweisen, um die dieser Arbeit zugrundeliegende Forschungsfrage, angemessen beantwor-
ten zu können. Aus dem Team des PHC Mariahilf stellen sich für das Experteninterview fol-
gende vier Personen zur Verfügung:
• Interview 1: Allgemeinmediziner
• Interview 2: Allgemeinmediziner
• Interview 3: Allgemeinmedizinerin
• Interview 4: Diätologin
Die folgende Auswertung folgt der Struktur der Leitfragen, die in den Interviews gestellt wur-
den.
__________________________________________________________________________50
6.1.1 Optimale Primärversorgung
Fragestellung: Wie definieren die Experten eine optimale Primärversorgung im regionalen
Versorgungsnetzwerk am Beispiel von DM II Patienten?
Die Leistungsfähigkeit des regionalen Versorgungsnetzwerks bestimmt, wie Patienten mit
der Diagnose DM II überhaupt versorgt werden können. Gerade für diese Problematik hat
das PHC-Konzept Lösungen parat.
„PHC ist ja die Vision einer optimalen Versorgung und man nähert sich, sozusagen,
dem Ideal an. (…). Es ist auch für jede Region – schaut ein PHC anders aus. Eigent-
lich sollte ein PHC aus der Gemeinde kommen und sich an den speziellen Bedürfnis-
sen einer Gemeinde orientieren.“ (vgl. Interview 1, Zeile 63ff)
Die Experten waren sich in dem Punkt einig, dass die Versorgung bei ihnen in der Ordination
beginnt, sprich, sobald ein Patient zu einer Routineuntersuchung kommt, bzw. wenn bereits
Symptome für DM II feststellbar sind.
„Also grundsätzlich ist es für uns wichtig, dass wir erfassen, ob es ein Diabetiker ist.
Der Patient kommt einmal zu einer Routinekontrolle oder zu einer Gesunden-
Untersuchung.“ (vgl. Interview 3, Zeile 14f)
Im nächsten Schritt muss sichergestellt werden, dass die Betreuung strukturiert und regel-
mäßig erfolgt.
„DM II ist eine Zivilisationskrankheit und es gehört hier in erster Linie eine strukturierte
und regelmäßige Betreuung gemacht. Und diese regelmäßige, strukturierte Betreu-
ung findet auch jetzt bereits bei praktischen Ärzten statt.“ (vgl. Interview 2, Zeile 18ff)
Die Meinungen was nun eine optimale Primärversorgung für DM II Patienten darstellt, gingen
etwas auseinander/divergierten. Laut Experten hängt die Betreuung davon ab, welcher
Schweregrad bei der Erstdiagnose festgestellt wird handelt und ob die Patienten aktiv bei der
Behandlung eingebunden sind. Ein weiterer Faktor ist die Compliance der Patienten. Diese
ist schwer steuerbar und nur sehr zeitintensiv von Seiten der Gesundheitsdienstleistungser-
bringer auszugleichen. Bei einem optimalen Patienten, der Eigenverantwortung bei der Be-
handlung übernimmt und dessen Compliance hervorragend ist, stellt sich laut Experteneine
optimale Betreuung wie folgt dar:
__________________________________________________________________________51
Abb. 10: Versorgungsprozess Primärversorgung – Umfeld PHC
Quelle: eigene Darstellung
Der Prozess (siehe Abb. 10) beginnt mit der Untersuchung des Patienten, der aufgrund von
Symptomen bzw. einer Krise den Hausarzt aufsucht. Hier ist unter Umständen DM II bereits
unbemerkt vorhanden. Nach einer ausführlichen Anamnese, die im Rahmen einer Gesun-
denuntersuchung bzw. eines Arztbesuches, wenn der Patient bereits Symptome zeigt,
durchgeführt wird, erstellt der Arzt die Diagnose. Laut Aussagen der Experten müsste hier im
Sinne einer optimalen Patientenversorgung ein Monitoring, wie z.B. eine regelmäßig durch-
geführte Gesundenuntersuchung, vorausgehen, damit ein Patientennotfall im Behandlungs-
prozess vermieden werden kann.
„Ja ich weiß auch nicht, wo man ansetzen soll – aber die Früherkennung erscheint
mir hier am vernünftigsten um Patienten so schnell wie möglich gut einstellen zu kön-
nen“ (vgl. Interview 1, Zeile 176ff)
„Wenn die Diagnose noch nicht so klar ist, dann wären wir jetzt beim Monito-
ring/Prävention. Dann wird hier die Ernährungsberatung gemacht. Ja es wird ver-
sucht, alle Krankheitsbilder aufzugreifen und ich habe 45 Minuten pro Beratung zur
Verfügung, …“ (vgl. Interview 4, Zeile 32ff)
Gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang von Monitoring bzw. Prävention gesprochen, da
es aus Sicht der Experten von großer Bedeutung ist, dass ein Bewusstsein bei den Patienten
in Bezug auf die Eigenverantwortung für ihre Gesundheit geschaffen werden muss.
Damit erweitert sich die in Abbildung 10 erstellte Prozesskette um drei neue Prozessglieder:
Prävention, Monitoring und Gesundheitskompetenz (siehe Abbildung 11)
Untersuchung
Anamnese
Diagnose
Therapie
Reha
Nachsorge
__________________________________________________________________________52
Abb. 11: Optimierter Versorgungsprozess – Umfeld PHC
Quelle: eigene Darstellung
Mit der beginnenden Therapie versuchen die behandelnden Ärzte im PHC den „Zucker“ ein-
zustellen. Dies erfolgt entweder mit oralen Antidiabetika oder der Patient wird aufgrund der
Schwere seiner Erkrankung in die Diabetesambulanz überwiesen, um dort auf eine Insulin-
therapie eingestellt zu werden. Dieser Schritt, Überweisung in die Diabetesambulanz, wird im
Prozess mittels des Prozessschrittes „Reha“ dargestellt. Die „Nachsorge“ findet wieder in der
Ordination bzw. im PHC Mariahilf statt. Hier werden die Patienten über weitere notwendige
Schritte informiert, wie z.B. das Ändern ihres Lebensstils. Gerade ab diesem Zeitpunkt
zeichnet sich das multiprofessionelle Team im PHC Mariahilf aus: Angeboten werden lau-
fende Diätberatungen, Diabetesschulungen und die Überweisung in das nahe gelegene
Physiotherapiezentrum. Ziel dabei ist es, die Patienten zu einer Änderung in ihrem Verhalten
zu motivieren, um nachhaltig eine Verschlechterung ihrer Krankheit zu verhindern.
„Natürlich ist das Ziel, dass der Patient gut eingestellt ist, dass der Blutzucker sich im
Normalbereich befindet, der Patient seine Erkrankung selbst im Griff hat. Gerade bei
Diabetes geht es vor allem um den Lifestyle und somit hängt sehr viel von der Selbst-
verantwortung ab.“ (vgl. Interview 4, Zeile 16ff)
Konsens besteht bei der Nachsorge. Die Patienten müssen auf ihr „Tun“ geschärft werden.
Hier liegt das Augenmerk vor allem auf Schulungen, damit die Patienten lernen ein Fehlver-
halten zu erkennen und auch, wie sich dieses unter Umständen auf ihre Erkrankung aus-
wirkt. Der Wunsch besteht darin, den Patienten so viele Alternativen wie möglich aufzuzei-
gen, um ein gutes Leben mit der Krankheit zu ermöglichen.
„In meiner Funktion als Diätologin, dass der Patient weiß, auch wenn er sich nicht
immer an die perfekten Regeln hält, woher seine erhöhten Werte kommen. Das er
trotzdem viele Möglichkeiten hat zu Essen und dabei seinen Blutzucker im Griff hat.“
(vgl. Interview 4, Zeile 19ff)
Der in Abbildung 11 dargestellte Versorgungsprozess stellt somit für die Experten im PHC-
Mariahilf die optimale Primärversorgung (Soll-Situation) am Beispiel von DM II Patienten im
regionalen Versorgungsnetzwerk dar.
Gesundheits-kompetenz
Monitoring
Prävention
Anamnese
Diagnose
Therapie
Reha
Nachsorge
__________________________________________________________________________53
6.1.2 Ist-Situation
Fragestellung: Wie wird DM II im PVZ Mariahilf diagnostiziert?
Im PHC Mariahilf werden zum Zeitpunkt der Expertenbefragung ca. 240 von 7000 Patienten
mit Antidiabetika behandelt. Davon befinden sich 60 Personen im Disease Management
Programm der GKK „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“. Nach Schätzungen der Experten
werden ca. acht bis zehn Personen mit DM II pro Jahr in der Praxis erstdiagnostiziert. Der
Versorgungsablauf wird von allen befragten Experten im PHC Mariahilf als gut empfunden,
wobei, wie bereits erwähnt, die Diagnosestellung sehr häufig im Rahmen der Gesundenun-
tersuchung erfolgt. Danach werden die Patienten von der „Zuckerschwester“ über das DMP
„Therapie Aktiv“ informiert:
„Eine von unseren DGKP ist sozusagen die Zuckerschwester und sie ist die zentrale
Anlaufstelle für das Programm.“ (vgl. Interview 1, Zeile 104ff)
Für die Diagnose von DM II, gehen die Experten nach einem Standard vor und prüfen, ob
folgenden Indikatoren messbar bzw. erhöht sind:
• Nüchtern Blutzucker
• Oraler Glucoseintoleranztest
• HbA1c-Wert
Zusätzlich zu diesen Parametern versuchen die Experten herauszufinden, ob die Betroffenen
bereits über klassische DM II Symptome berichten. Diese sind im Kapitel 3.2.1 „Definition
und Diagnose von DM II“ näher beschrieben. Die Dauer der Einstellung wird von den Exper-
ten unterschiedlich bewertet, sie hängt stark von der Schwere der Erkrankung ab und dauert
zwischen drei und neun Monate.
Fragestellung: Welche Leistungen werden in der Praxis und welche außerhalb in Anspruch
genommen?
Bei Verdacht auf DM II werden in der Ordination Blutabnahmen durchgeführt, Vitalzeichen-
kontrollen wie Pulsmessung, Blutdruckmessung, sowie die Kontrolle von Gewicht und Kör-
pergröße runden das Leistungsspektrum ab. Auch werden die Patienten auf die Handhabung
des Blutzuckermessgeräts und den Insulin-Pen eingeschult. Das Hautbild und die Füße in-
spiziert eine DGKP und achtet dabei auf Risse, Schürfwunden und Wunden. Zusätzlich be-
nötigen die Experten noch einen Augenarztbefund und eine Ultraschalluntersuchung der
Halsgefäße. Dafür werden die Patienten an die jeweiligen Fachärzte überwiesen.
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„Wir haben augenärztliche Untersuchungen, wir haben die Sonographie der Halsge-
fäße, die natürlich extern gemacht werden muss. Das muss vor allem am Anfang und
dann in größeren Abständen gemacht werden, das ist auch Teil von diesem Pro-
gramm. Aber die regelmäßige Betreuung findet hier statt. Es gibt niemanden der alles
anbietet, außer das Spital.“ (vgl. Interview 2, Zeile 61ff)
Laut den Experten funktioniert die Zusammenarbeit mit der nahegelegenen Diabetesambu-
lanz von der GKK besonders gut. Patienten im DMP nehmen die Diabetesschulungen in der
Ambulanz in Anspruch. Diese Leistung darf nicht in der Praxis stattfinden. Die Diätologin vor
Ort kümmert sich prinzipiell um die Erstberatungen und spricht Empfehlungen aus.
„Weil die Ernährungsberatung Inhalt vom Therapie Aktiv Programm ist und somit eine
Leistung ist, die über die GKK abgerechnet wird. Somit ist es nicht die Zielsetzung,
dass diese Ernährungsberatung bei unserer Diätologin durchgeführt wird. (vgl. Inter-
view 3, Zeile 37ff)“
Speziallabor, Röntgeninstitut und Physiotherapiezentrum sind weitere Anbieter bei denen
zusätzlich noch Leistungen für die Patienten in der Behandlung von DM II gebucht werden.
Fragestellung: Wie ist es um die Compliance der Patienten bestellt und welche Maßnah-
men werden getroffen um diese zu erhöhen (Fallmanagement)?
Durch die Vorgaben des Therapie Aktiv Programm, werden die Patienten alle drei Monate zu
den Kontrolluntersuchungen gebeten. Nehmen die Patienten diese Untersuchungen nicht
wahr, müssen sie mit einem Ausschluss aus dem DMP rechnen. Regelmäßige Kontrollen
kombiniert mit kurzen Feedbackgesprächen in Bezug auf die positiven, aber auch negativen
Änderungen der Parameter, gewährleisten eine hohe Motivation und sorgen für eine gute
Compliance.
„man kann ihm Ausdrucke mitgeben – aber er merkt, er ist da in einer strukturierten
Betreuung und das ist an sich motivierend.“ (vgl. Interview 2, Zeile 132ff)
„Wichtig ist, so finde ich, dass man Strukturen in der Behandlung vorgibt und genau
das macht auch dieses Diabetes Aktiv Programm.“ (vgl. Interview 3, Zeile 155ff)
Ein wesentlicher Faktor, der oft bei der Behandlung von DM II Patienten unterschätzt wird, ist
die Zeit, die man sich als behandelnder Arzt für die Betreuung nehmen muss. Es ist essenti-
ell, Aufklärungsgespräche so oft wie möglich anzubieten, denn die Erfahrung zeigt, dass Pa-
tienten viel Zeit benötigen um die vielen Information, die sie erhalten, gut verarbeiten zu kön-
nen.
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„…, es ist nicht immer der Patient an allem schuld. Man verfällt sehr leicht in seinen
Fachjargon und die Patienten sitzen dann nur da und nicken einfach nur mit dem
Kopf, obwohl sie keine Ahnung haben, wovon ich gerade spreche. Entschleunigen
und sich mehr Zeit für die Patienten nehmen.“ (vgl. Interview 3, Zeile 168ff)
„Ich persönlich bemühe mich, (…), die Patienten nicht mit Informationen zu überhäu-
fen, sondern gezielt vorzugehen, …“ (vgl. Interview 4, Zeile 80ff)
Ein zusätzlicher Faktor der in Wien nicht außer Acht gelassen werden darf, ist die Tatsache,
dass bei den Patienten oft eine sprachliche Barriere besteht.
„…, wobei am Anfang, beim Eintritt in das Programm auch sprachliche Barrieren vor-
handen sind. Wir haben eine ganze Reihe von türkischen Patientinnen, die da nicht
mitmachen.“ (vgl. Interview 1, Zeile 112ff)
In dieser Situation können Dolmetscher aushelfen, oder man bietet genügend Informations-
material in fremdsprachigen/mehrsprachigen Foldern für die betroffenen Patienten an. Dabei
entstehen zusätzliche Kosten, die vom PHC getragen werden müssen. Nach Aussagen der
Experten müsste hier die Gemeinde wie auch die GKK (Gebietskrankenkassen) vermehrt in
die Pflicht genommen werden, um die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in ihrer
Arbeit zu unterstützen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für eine gute Compliance von Seiten der
Patienten folgende Maßnahmen berücksichtig werden müssen:
• Strukturierte Betreuung
• Ausreichend Zeit für Beratungsgespräche
• Für die Patienten verständliche Sprache (kein Fachjargon)
• Überwinden sprachlicher Barrieren
Dennoch wird es aus Sicht der Experten trotz aller Maßnahmen immer wieder Patienten ge-
ben, die eine schlechte Compliance zeigen. Wichtig bleibt, das Gespräch mit den Patienten
zu suchen – diese ausführlich über die Krankheit und über mögliche Folgeschäden aufzuklä-
ren. Nur dann besteht die Möglichkeit, eine Änderung des Lebensstils der Patienten zu be-
wirken.
Fragestellung: Welche Verbesserungsvorschläge in Bezug auf Angebot, Therapie, Kom-
munikation, Dokumentation und Health Professionals liegen vor?
Bei den Verbesserungsvorschlägen sind die Experten eher zurückhaltend. Sie finden, dass
die Kommunikation im PHC-Mariahilf gut funktioniert. Als Kommunikationsplattform werden
regelmäßig sogenannte „Teamgespräche“ abgehalten. Interne Probleme können dort meist
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sofort gelöst werden. Beim Angebot ist für die Experten wichtig, dass sie gut ins Versor-
gungsnetzwerk rund um das PHC-Mariahilf eingebettet sind und Synergieeffekte gut ausge-
nützt werden können. Probleme sehen sie in der Kommunikation und Dokumentation im
Netzwerk. Diese Schnittstellenproblematik kommt auch deshalb zustande, weil über Jahre
unterschiedlichste Strukturen aufgebaut wurden. Die Hoffnung liegt hier bei ELGA.
„Natürlich würden wir gerne direkt elektronisch von der GKK den Befund angefordert
haben, … …, die Schnittstellenproblematik ist eine Problematik der vielen unter-
schiedlichen technischen Möglichkeiten, … Vielleicht ändert sich das, wenn ELGA
kommt.“ (vgl. Interview 2, Zeile 142ff)
Zusätzlich werden noch Verbesserungsvorschläge bei der Dokumentation von DM II Patien-
ten vorgebracht, z.B. eine übersichtliche Tabelle mit Blutzuckerwerten einschließlich HbA1c,
die berufsgruppenunabhängig zur Verfügung steht, um einen Trend in der Behandlung als
auch Ausreißer zu identifizieren. Dies würde auch zu einem gezielteren Vorgehen in den
Beratungsgesprächen führen.
6.1.3 Zufriedenheit
Fragestellung: Wie Zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit mit den externen Schnitt-
stellen und wie zufrieden sind Sie mit dem Befundrücklauf?
Bei dieser Fragestellung liegt der Fokus auf der Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern,
wie Fachärzte in Einzelpraxen oder in Ambulatorien, Physio- und Psychotherapie, empfun-
den wird und wie zufrieden die Health Professionals mit dem Rücklauf von Behandlungsin-
formationen sind. Dafür wurde jedem Experten eine Skala, eine für die Zusammenarbeit mit
den externen Schnittstellen und eine für den Rücklauf der Behandlungsinformationen, vorge-
legt:
• Skala: sehr zufrieden 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 gar nicht zufrieden
Die Experten vergeben bei der Zufriedenheit in der Zusammenarbeit mit den externen
Schnittstellen die Noten Zwei bis Drei. Die Zusammenarbeit ist auf der Handlungsebene gut,
nur bei der Kommunikation treten Probleme, vor allem die technischen Hilfsmittel, die für die
Kommunikation zum Einsatz kommen, sorgen von Seiten des PHC- Mariahilf für Unmut bzw.
lösen ein Unverständnis bei den Experten aus.
„…, aber Kommunikation ist eine Sache, die von mindestens zwei getragen wird. Das
heißt, derzeit sind die technischen Möglichkeiten noch so schlecht zu kommunizieren.
__________________________________________________________________________57
[…] Oder noch optimaler Weise, wenn eine Untersuchung der Halsgefäße notwendig
ist, dann tragt der das direkt in den Bogen des Patienten ein, von der GKK. Das heißt,
die Schnittstellenproblematik ist eine Problematik der vielen unterschiedlichen techni-
schen Möglichkeiten, die die unterschiedlichen Strukturen haben.“ (vgl. Interview 2,
Zeile 140ff)
Bei der Frage zum Rücklauf der Behandlungsinformationen sind sich die Experten einig und
vergeben eine Zwei. Die Patienten kommen mit einem ausführlichen Arztbrief zur Befundbe-
sprechung zurück in die Ordination. Die Diätologin erhält ihre Informationen aus dem elekt-
ronischen Dokumentationssystem, das vor Ort installiert ist, wobei ein persönliches Ge-
spräch mit den behandelnden Ärzten jederzeit möglich ist.
Der durchschnittliche zeitliche Aufwand, den die Ärzte für die Betreuung eines DM II Patien-
ten beziffern, liegt bei zehn bis fünfzehn Minuten pro Patient, pro Gespräch . Wobei die zeit-
liche Ressource davon abhängig ist, in welchem Zustand sich der Patient befindet, bzw. ob
bereits Komplikationen vorhanden sind. Jedoch verspüren die Experten bei der Behandlung
keinen Zeitdruck. Dies führen sie darauf zurück, dass sie nicht alleine in der Ordination prak-
tizieren und bei Bedarf jederzeit einen Kollegen um Hilfe bitten können.
„Habe ich einmal einen akuten Fall der mehr Zeit in Anspruch nimmt, ist der Zeitdruck
nicht so hoch, weil die Patienten auf die anderen Kollegen umgeleitet werden. Das
finde ich sehr, sehr angenehm, …“ (vgl. Interview 3, Zeile 97ff)
Trotzdem würden sie, gern noch mehr Zeit für die Betreuung von DM II Patienten investie-
ren.
„Die Diabetiker sind sicher Patienten die mehr Zeit brauchen, als wie eine Grippe.
Weil das ist ein Patient, den ich die nächsten dreißig bis vierzig Jahre betreuen werde
und auch dementsprechend sorgfältig betreuen muss, um die Spätkomplikationen ir-
gendwie in den Griff zu bekommen.“ (vgl. Interview 1, Zeile 170ff)
Die Diätologin hat allerdings insgesamt pro Patient für ein Beratungsgespräch 45 Minuten
Zeit und kann bis zu vier, für den Patienten kostenlose Beratungsgespräche anbieten. Mehr
können nicht angeboten werden, da diese von der GKK nicht finanziert werden.
„Vier Termine á 45 Minuten – mehr geht im Moment einfach nicht bzw. werden nicht
bezahlt.“ (vgl. Interview 4, Zeile 104)
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6.1.4 Herausforderungen in Bezug auf Spätfolgen, Compliance und Medikation
Fragestellung: Welche Herausforderungen treten in der aktuellen Versorgung in Bezug auf
Spätfolgen, Compliance und Medikation auf?
Konkrete Aussagen in Bezug auf Komplikationen und Spätfolgen können die Experten noch
nicht machen, da das PHC-Mariahilf noch zu kurz am Markt ist. Sie bestätigen dennoch,
dass durch die strukturierte Betreuung im DMP die Spätfolgen minimiert werden könnten.
Auch sind von Seiten der Stakeholder wie der GKK zusätzliche Modelle in Planung. In Bezug
auf die Compliance besteht die Problematik, dass DM II bereits lange unbemerkt vorhanden
sein kann und dabei längst größere Schäden an den Gefäßen und oder der Haut verursacht
hat.
„Die Leute nehmen das nicht als Problem war, weil sie auch nichts spüren. Und hier
gehört Bewusstsein geschaffen.“ (vgl. Interview 2, Zeile 188f)
Dies führt schlussendlich zu einem Kreislauf, der nur schwer zu durchbrechen ist. Die Pati-
enten kommen spät zum Arzt, durch den Fortschritt der Erkrankung entstehen anfänglich
höhere Behandlungskosten. Zusätzlich sind meist weitere Erkrankungen vorhanden – wie
Übergewicht und Schmerzen in den Kniegelenken.
„Weil auch oft die Leute nicht nur das Problem mit dem Zucker haben, sondern auch
ein metabolisches Syndrom haben, … […] …, hat der Patient auch Übergewicht,
dann sagt man ihnen sie müssen sich mehr bewegen, dann sagt der Patient ich habe
Probleme mit dem Knie und ich kann mich deshalb nicht bewegen. So eine Art Spira-
le.“ (vgl. Interview 1, Zeile 182ff)
So kommt es auch vor, dass DM II Patienten erst mit Spätkomplikationen in das PHC-
Mariahilf kommen. Das liegt auch darin begründet, dass eine Wundversorgung im PHC an-
geboten wird. Im regionalen Versorgungsnetzwerk funktioniert die Zusammenarbeit laut
PHC-Experten sehr gut. Termine können von Seiten der Health Professionals rasch verge-
ben werden, da die Angebote vorhanden und für Patienten gut zugänglich sind. Probleme
gibt es in der Steuerung der Patienten zu jenem Ort, wo Gesundheitsdienstleistungen güns-
tiger angeboten werden können. Dafür ist das PHC-Mariahilf gerüstet. Der Arzt muss in der
Lage sein, eine gute Basisversorgung abdecken zu können.
„Und die PVZ sollen so ein erster Anlaufpunkt sein, für keine hochspezialisierten Sa-
chen, sondern für Dinge die der praktische Arzt machen kann.“ (vgl. Interview 2, Zeile
202ff)
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„Das finde ich schon ganz angenehm, dass es hier so eine ähnliche Arbeit wie in ei-
ner Ambulanz ist. Man hat einfach die Möglichkeit den Patienten hier draußen ohne
Spital abzuklären.“ (vgl. Interview 3, Zeile 126ff)
Im anschließenden Kapitel 6.1.5 wird die Soll-Situation dargestellt. In diesem Zusammen-
hang möchte der Autor dieser Arbeit auf das Kapitel 6.1.1 „Optimale Primärversorgung“ ver-
weisen. Der dort erarbeitete Versorgungsprozess, beschreibt eine solche Soll-Situation und
wird deshalb hier nicht in voller Länge berücksichtigt.
6.1.5 Soll-Situation und Lösungsansätze
Fragestellung: Wie muss das PHC in Mariahilf hinsichtlich: Struktur, Prozesse und Team
ausgestaltet sein um eine bestmögliche Patientenversorgung im Hinblick auf DM II sicherzu-
stellen?
Das zuvor beschriebene Steuerung- bzw. Strukturproblem, führt nun zu jener Soll-Situation,
die von den befragten Experten gewünscht wird. Demnach soll ein praktischer Arzt in der
Lage sein, eine breite Basisversorgung anzubieten. Dafür muss das PHC Mariahilf sich im
Versorgungsnetzwerk gut einbetten und keinen Aufbau von sogenannten Parallelstrukturen
betreiben. Außerdem versuchen die Experten, die Koordination innerhalb der Ordination zu
verbessern, um ihren Qualitätsansprüchen bei der Betreuung von DM II Patienten gerecht zu
werden. Dafür werden vor allem Teambesprechungen eingesetzt.
„Ich glaube wir wachsen auch gerade, auch mit unseren Aufgaben und es gibt immer
Themen wo man sagt, ja, da müssen wir uns noch verbessern, …“ (vgl. Interview 3,
Zeile 175f)
Fragestellung: Was würde es aus Ihrer Sicht (als Arzt, Pflegeperson, Sprechstundenhilfe)
brauchen, um die Versorgung zu verbessern? Sind Erweiterungen des PHC Teams geplant?
Wenn ja welche?
Inhaltlich werden im multiprofessionellen Team Maßnahmen zur Prozessoptimierung defi-
niert. Änderungen in der Teamzusammenstellung sind nicht geplant, da die Versorgung im
Netzwerk gut ausgestaltet ist, deshalb beziehen sich die Lösungsvorschläge der Health Pro-
fessionals auf die Optimierungen bei der Versorgung von DM II Patienten bzw. allen Patien-
ten im PHC-Mariahilf.
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Großen Handlungsbedarf sehen die Experten vor allem in der Vorsorge, im Monitoring und in
der Steigerung der Eigenverantwortung. Folgende Lösungsansätze bieten sich auf Basis der
Experteninterviews an:
• Stärkung der Eigenverantwortung
• Früherkennung
• Ausreichend Aufklärungsgespräche
• Ausreichendes Angebot durch ärztliche und nicht ärztliche Gesundheitsberufe (ver-
bindliches Leistungsspektrum)
• Effizientere technische Ausstattung an den Schnittstellen zu den Stakeholdern (Ein-
satz von ELGA)
• Steigerung der Anreizwirkung durch eine Änderung im Honorierungssystem
• Gesetzlicher Rahmen in Form eines PHC-Gesetzes
• Änderungen der vorgegebenen Strukturen, damit für eine suffiziente Behandlung
ausreichend Zeit zur Verfügung steht
Die Experten möchten ihre Patienten im multiprofessionellen Team so gut wie möglich be-
handeln. Dafür benötigen sie einerseits ausreichend Zeit, andererseits muss sichergestellt
sein, dass diese Leistungen von der GKK und den Gemeinden finanziert werden.
„Natürlich würde ich es gut finden bei DM II Patienten regelmäßig zu schauen, dass
bei Abweichungen von den Normalwerten die Medikation überprüft wird. Wie geht es
dem Patienten überhaupt, wie passt das ganze zusammen. Da muss ich ehrlich ge-
stehen, dass das sehr viel Zeit beansprucht, …“ (vgl. Interview 4, Zeile 143ff)
„Das nächste Problem ist, ob wir die Möglichkeit haben, den Hausbesuch von der
DGKP mit der GKK abzurechnen. Das ist ein Graubereich, weil eigentlich können wir
Leistungen nur abrechnen, die der Arzt persönlich erbringt.“ (vgl. Interview 1, Zeile
211ff)
6.1.6 Erwartungen
Fragestellung: Welche Erwartungen haben Sie an das PHC-Konzept? (Verbesserung Ge-
sundheitszustand, Synergieeffekt, Entlastung der Verwaltung, Verbesserung der Versor-
gungsqualität)
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Die Erwartungen an das PHC-Konzepts sind sehr unterschiedlich. Erwartet wird u.a., dass
sich die Versorgung der Patienten durch längere Öffnungszeiten, multiprofessionelle Teams
und ein breiteres, auf jeden Fall verbindliches, Leistungsspektrum, verbessert. Dies ist zum
Zeitpunkt der Datenerhebung teilweise bereits umgesetzt und erreicht wurde.
„Naja natürlich habe ich diese Erwartungen hinsichtlich Verbesserung des Gesund-
heitszustandes, Verbesserung der Versorgungsqualität, weil sonst würde ich das Pro-
jekt nicht machen und weiterentwickeln.“ (vgl. Interview 1, Zeile 241ff)
Auch sollen aus Sicht der Health Professionals die vorhandenen Strukturen genutzt werden.
Es ist nicht immer notwendig, alle Therapieangebote selbst anzubieten, gerade dann nicht,
wenn das Versorgungsnetzwerk hinsichtlich des Angebots und Erreichbarkeit gut ausgebaut
ist.
„…, es geht nicht darum, hier Parallelstrukturen aufzubauen.“ (vgl. Interview 1, Zeile
206f)
Weitere Synergieeffekte ergeben sich durch eine Kombination aus Einzelordination und
PHC.
„die Leute gehen zu ihrem Hausarzt, … […] …, wenn der halt nicht da ist, dann ha-
ben sie sozusagen ein zugeordnetes PHC in das sie gehen können. Und daran wer-
den sie sich gewöhnen.“ (vgl. Interview 2, Zeile 268ff)
Damit lassen sich in Zukunft viele Patienten vernünftig im hausärztlichen Setting medizinisch
sowie auch therapeutisch betreuen, ohne dabei die Spitalsambulanzen zu überfüllen. Die
Erwartungen in Richtung Politik und Krankenkassen, aber auch Ärztekammer sind groß. Der
befürchtete Ärztemangel im niedergelassenen Bereich ist nicht mehr von der Hand zu wei-
sen. Auch in Wien gehen pro Jahr vierzig bis fünfzig Ärzte pro Jahr in Pension, gleichzeitig
kommen wenig junge Ärzte nach. Es besteht die Erwartung, dass PHCs das Berufsbild wie-
der attraktiver machen.
„“…, weil jedes Jahr in Wien 40 bis 50 Ärzte in Pension gehen, … […] Das heißt, wir
haben ein Minus an Hausärzten pro Jahr von 80 in Wien. […] Und da wird man sich
rasch etwas überlegen müssen, dass man dieses Berufsbild wieder attraktiviert und
zwar von der Einzelordination bis zum PHC.“ (vgl. Interview 2, Zeile 271ff)
Nun sind die Experten des PVZ Mariahilf ausführlich zu Wort gekommen. Im nächsten Kapi-
tel werden die Ergebnisse der Experten aus dem Umfeld hausärztlicher Bereich beschrie-
ben.
__________________________________________________________________________62
6.2 Expertenergebnisse – Umfeld hausärztlicher Bereich
Die Auswahl der Experten im Umfeld hausärztlicher Bereich gestaltete sich wie bereits im
Kapitel 5.2. „Experteninterview“ erwähnt, schwierig. Aus diesem Grund kann der Verfasser
dieser Arbeit lediglich auf drei Experteninterviews zurückgreifen. Für die Auswahl der Exper-
ten wurden folgende Kriterien berücksichtig:
• Ein bis zwei Ärzte mit Disease Management Programm
• Ein bis zwei Ärzte ohne DMP
• Ein Arzt ländlicher Raum
• Ein Arzt städtischer Raum – Kleinstadt
• Ein Arzt städtischer Raum – Großstadt
Die Berücksichtigung dieser Kriterien stellt eine objektive Betrachtung in der Versorgungs-
vielfalt von DM II Patienten, sowie den Herausforderungen die sich in der Versorgung erge-
ben, sichergestellt. Darüber hinaus verfügen die ausgewählten Experten über eine langjähri-
ge Erfahrung in der Betreuung von Diabetes mellitus Typ II Patienten.
Folgende Experten haben sich für ein Interview zur Verfügung gestellt:
• Interview 5: Allgemeinmediziner, Bezirk Amstetten – städtischer Raum (Kleinstadt)
• Interview 6: Allgemeinmediziner, 20. Wiener Bezirk – großstädtischer Raum
• Interview 7: Allgemeinmediziner, Bezirk Rohrbach (Haslach) – ländlicher Raum
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6.2.1 Optimale Primärversorgung
Fragestellung: Wie definieren die Experten eine optimale Primärversorgung am Beispiel
von DM II Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk?
Die hausärztliche Versorgung beginnt in der Ordination mit einer Routineuntersuchung oder
durch einen Patientennotfall. Bei zwei Expertenist das Feststellen eines erhöhten Blutzu-
ckers ein Zusatzbefund, der bei einer Gesundenuntersuchung festgestellt wird. Der dritte
Experte hat einen anderen Weg gewählt. Hier müssen sich neue Patienten einer Gesunden-
untersuchung stellen, um ihren Gesundheitsstatus zu erfassen. Dadurch hat der Experte die
Möglichkeit, rasch auf bereits bestehende Symptome bzw. entstehende Erkrankungen rea-
gieren zu können.
„Nein diese Befunde sind kein Zufall. Ich arbeite nach dem Motto, dass wir uns be-
kannt machen müssen. Patienten, die zu mir in die Ordination kommen müssen sich
untersuchen lassen. Ohne einer Untersuchung bekommen sie keine Krankmeldung
oder ich kann sie nicht als Patient in meiner Ordination aufnehmen.“ (vgl. Interview 6,
Zeile 58ff)
Abhängig von der Höhe des Blutzuckers entscheiden die Experten, ob die Behandlung gleich
in der Ordination beginnt, oder ob eine Therapieeinstellung in der Diabetesambulanz not-
wendig ist.
„Natürlich kommt es auch darauf an, wie hoch diese Zuckerwerte sind. Wenn sie be-
sorgniserregend sind – sprich sehr hoch, dann überweise ich die Patienten ins Kran-
kenhaus.“ (vgl. Interview 5, Zeile 39ff)
Die Experten sind sich über den Startzeitpunkt des Versorgungsprozesses einig. Dieser be-
ginnt ab jenem Zeitpunkt, zu dem ein Patient die Ordination aufsucht und sich untersuchen
lässt. Mit Hilfe der Aussagen von den befragten Hausärzten kann somit ein Versorgungspro-
zess aufgezeichnet werden. Dieser wird in Abbildung 12 dargestellt.
__________________________________________________________________________64
Abb. 12: Versorgungsprozess Primärversorgung – Umfeld hausärztlicher Bereich
Quelle: eigene Darstellung
Demzufolge startet der Prozess mit der Untersuchung des Patienten beim Hausarzt. Beim
behandelnden Arzt erfolgt nach einer gründlichen Anamnese die Diagnosestellung. Je nach
Schwere der Erkrankung wird der betroffene Patient zur weiteren Abklärung in eine Diabe-
tesambulanz überstellt. Im Prozess wird dies mit dem Prozessglied „Reha“ dargestellt. Nach
erfolgreicher Therapieeinstellung, beim Hausarzt oder in der Diabetesambulanz, startet die
„Nachsorge“. Diese liegt wiederum ausschließlich in der Kompetenz der Hausärzte.
„Eigentlich ist für mich eine optimale Versorgung nicht weniger, als sich die Kranken-
kasse mit dem DMP vorgenommen hat und ich auch bis jetzt in meiner Praxis anbie-
te.“ (vgl. Interview 6, Zeile 28f)
„…, denn im Krankenhaus machen sie ja auch nur das allernötigste, wofür die Zu-
ständigkeit reicht. […] Die Zusatzbefunde vom Internisten, oder Augenarzt muss im
Anschluss über die Hausarztpraxis veranlasst werden. Die weitere Betreuung fällt
dann in meine Kompetenz.“ (vgl. Interview 5, Zeile 48ff)
Unterschiedlich sehen die Health Professionals den Umfang der Versorgung von DM II Pati-
enten. Dabei erwähnen sie die Notwendigkeit von anderen, nicht ärztlichen Gesundheitsbe-
rufen, die in die Betreuung von DM II Patienten mehr oder weniger stark mit einbezogen
werden müssen, um dem Anspruch einer optimalen Primärversorgung gerecht zu werden.
„…, ein breites Angebot für Patienten von der medizinischen/hausärztlichen Betreu-
ung wie zum Beispiel eine Krankenpflegeperson mit einbeziehen. Zusätzliche Ange-
bote wie Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie, usw., sollten auch zur Verfü-
gung stehen.“ (vgl. Interview 7, Zeile 20ff)
„Speziell diese Diätberatung sollte intensiviert werden, weil dadurch kann man noch
einiges erreichen.“ (vgl. Interview 5, Zeile 176f)
Auch wird zur Eigenverantwortung der Patienten Stellung bezogen. Diese muss gefördert
sowie gestärkt werden. Sinnvoll erscheint es, bereits in den Schulen, bei den Kindern und
Untersuchung
Anamnese
Diagnose
Therapie
Reha
Nachsorge
__________________________________________________________________________65
Jugendlichen mit präventiven Maßnahmen zu beginnen, damit die Eigenverantwortung be-
reits früh gestärkt werden kann.
„Wobei auch die Prävention und Eigenverantwortung der Patienten gefördert wird.
Zielsetzung muss es sein, dass dies bereits in den Schulen stattfindet.“ (vgl. Interview
7, Zeile 24f)
Die zuvor in Abbildung 12 dargestellte Prozesskette kann somit durch mindestens zwei neue
Prozessglieder ergänzt werden, dem „Monitoring“ und der „Prävention“. Jedoch muss den
beiden noch ein Glied, die „Gesundheitskompetenz“, vorgeschaltet werden. Diese ermöglicht
dem Patienten in erster Linie, für sich selbst und damit für seine Gesundheit, Ziele zu definie-
ren und die notwendigen präventiven Maßnahmen für ein Monitoring zu ergreifen.
Abb. 13: Optimierter Versorgungsprozess – Umfeld hausärztlicher Bereich
Quelle: eigene Darstellung
Der in Abbildung 13 dargestellte Versorgungsprozess spiegelt die Meinungen der Hausärzte
zur Frage einer optimalen Primärversorgung am Beispiel DM II im regionalen Versorgungs-
netzwerk wider.
6.2.2 Ist-Situation
Fragestellung: Wie wird DM II in den Einzelordinationen diagnostiziert?
Die Hausarztpraxen befinden sich in unterschiedlichen Regionen – Land, Kleinstadt und
Großstadt. Aus diesem Grund ist auch das Patientenaufkommen sehr unterschiedlich aus-
gestaltet. Dieses liegt zwischen 1500 bis 2500 Patienten pro Monat. In zwei Ordinationen
kommt zum Zeitpunkt der Befragung das Disease Management Programm „Therapie Aktiv –
Diabetes im Griff“ zum Einsatz. In der Wiener Ordination befinden sich aktuell 120 Personen
und in der Ordination im Bezirk Haslach 120 – 130 Personen im Programm. Ein Experte ver-
zichtet auf die Verwendung des DMP.
Gesundheits-kompetenz
Monitoring
Prävention
Anamnese
Diagnose
Therapie
Reha
Nachsorge
__________________________________________________________________________66
„Mhhh ich weiß nicht. Ich glaube, dass sie nicht unbedingt effektiver sind, gerade
wenn man sich sorgfältig um die DM II Patienten kümmert und regelmäßig kontrolliert.
Das sich die Leute mehr bewegen und aktiver werden, kann man ja auch nicht durch
das Therapie Aktiv Programm erreichen.“ (vgl. Interview 5, Zeile 87ff)
Die Schätzungen bezüglich Neuerkrankungen pro Jahr variieren zwischen fünf bis fünfzehn
Personen und sind nach Aussagen der Health Professionals von der Region und vom Publi-
kum abhängig.
Bei der Diagnosestellung gehen alle drei Experten nach dem Therapiestandard vor und prü-
fen ob folgenden Indikatoren messbar bzw. erhöht sind:
• Nüchtern Blutzucker
• Oraler Glucoseintoleranztest
• HbA1c-Wert
Zusätzlich zu diesen Parametern versuchen die Experten herauszufinden, ob die Betroffenen
bereits über klassische DM II Symptome berichten. Diese sind im Kapitel 3.2.1 Definition und
Diagnose von DM II näher beschrieben. Die Dauer der Einstellung wird von den Experten
unterschiedlich bewertet. Sie hängt stark von der Schwere der Erkrankung ab und dauert
drei bis neun Monate.
Bei jenen Patienten die sich im Programm befinden, ist eine gute Versorgung aus Sicht der
Experten gewährleistet. Wie bereits erwähnt, verwendet ein Experte kein DMP.
„Möglicherweise spielen die regelmäßigen Kontrollen des Programmes eine Rolle, …
[…] Ich sehe jedoch in meiner Praxis das, dass ein gewisser Prozentsatz eine gute
Compliance hat und hier kommt man auch gut weiter. Diese sind zwar nicht immer
optimal eingestellt, jedoch können die Patienten mit der Therapie zufrieden sein.“
(vgl. Interview 5, Zeile 92ff)
Auch hier werden Patienten zu regelmäßigen Untersuchungen motiviert und die Ordinations-
gehilfen wirken unterstützend bei der Terminvergabe wie auch den Erinnerungen an diese.
Fragestellung: Welche Leistungen werden in der Praxis und welche außerhalb in Anspruch
genommen?
Das Leistungsspektrum in den Ordinationen reicht von den Blutabnahmen, EKG, Vitalzei-
chenkontrollen (Blutdruck, Puls), Therapieeinstellungen, Wundversorgung bis hin zu Dolmet-
schertätigkeiten wie sie zum Beispiel beim Experten in Wien von großer Bedeutung sind.
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„Meine Patienten brauchen sehr viel Beratung und Hilfe bei der Übersetzung in ihre
Landessprache – hier fehlt es an einem Sozialarbeiter – gerade die Wege mit den
Ämtern, Arbeit und Mietwohnungen bei Krankheit ist oft ein Thema.“ (vgl. Interview 6,
Zeile 42ff)
Zusatzuntersuchungen, die gerade bei der Abklärung von DM II notwendig sind, können
nicht in den Ordinationen angeboten werden. Hier bedienen sich die Experten am Angebot
des Versorgungsnetzwerkes. Vor allem Augenarzt, Internist und die Diabetesambulanz sind
hier zu erwähnen, aber auch die Unterstützung durch Therapeuten kann zum Zeitpunkt der
Befragung, nicht in den Ordinationen angeboten werden. Hier handelt es sich vor allem um
die Physiotherapie und die der Diätberatung. Wie bereits im Kapitel 3.3.3 Disease Manage-
ment Programm beschrieben, ist es notwendig, dass bei Aufnahme in das Programm be-
stimmte Untersuchungsblöcke durchgeführt werden. Unabhängig davon hat es sich bewährt,
alle drei Monate Kontrolluntersuchungen anzubieten.
„Eigentlich müssen wir sowieso vierteljährig kontrollieren und ob wir das im Rahmen
des Programms machen oder anders ist sekundär.“ (vgl. Interview 7, Zeile 103f)
Die Kontinuität bei der Behandlung wird auch durch das DMP sichergestellt. Zusätzlich bietet
ein Experte ein „SMS-Service“ an, bei dem Patienten mit einer kurzen Nachricht an ihr per-
sönliches Smartphone über bevorstehende Kontrolluntersuchungen erinnert werden. Auch
können auf diesem Weg Patienten gebeten werden, sich mit ihrem behandelnden Arzt in
Verbindung zu setzen, wenn nach einer Blutabnahme der Blutzuckerwert, oder HbA1c-Wert
weit über dem Referenzbereich liegt.
„Das ist auch sehr wichtig für den Behandlungsverlauf – in Kombination mit dem
SMS-Service, dass die Ordinationsdamen selbstständig durchführen, kann eine ge-
wisse Kontinuität erreicht werden.“ (vgl. Interview 6, Zeilen 98ff)
Fragestellung: Wie ist es um die Compliance der Patienten bestellt und welche Maßnah-
men werden getroffen um diese zu erhöhen (Fallmanagement)?
Die Compliance der Patienten wird von den Health Professionals sehr unterschiedlich wahr-
genommen. Zwei Experten wünschen sich eine bessere Compliance, wohin gegen sich ein
Experte mit der Compliance seiner Patienten im Großen und Ganzen recht zufrieden gibt.
Einig sind sie sich dabei, dass es von großer Bedeutung ist, viel mit den Betroffenen zu
sprechen, um aufzuklären und gleichzeitig zu motivieren, die kleinen Erfolge bei der Thera-
pieeinstellung oder bei der Diät positiv hervorzuheben.
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„Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass viel mit den Patienten gesprochen
wird. Warum? Weil ich sehe, wie sie mit der Diagnose verloren sind und hier muss ich
ansetzen.“ (vgl. Interview 6, Zeile 122ff)
Zusätzlich zu den Aufklärungsgesprächen wird in diesem Zusammenhang noch ein gut funk-
tionierendes Team und eine reibungslose Organisation erwähnt.
„Hier spielt das Team eine große Rolle – jeder versucht die Patienten zu motivieren,
… […] …, spielt auch die Organisation eine wesentliche Rolle, da wir schon die Un-
tersuchungen und die Teilnahme so planen, dass der Zeitaufwand für den Betroffe-
nen so gering wie möglich ist.“ (vgl. Interview 7, Zeile 100ff)
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass folgende Maßnahmen förderlich für eine
gute Compliance sind:
• Aufklärungsgespräche – Dolmetscher, wenn notwendig
• Strukturierte Versorgung
• Motivation – positives Bestärken
• Organisation
Dennoch wird es aus Sicht der Experten immer wieder Patienten geben, die eine schlechte
Compliance zeigen, und bei denen auch diese zuvor angeführten Maßnahmen keine Wir-
kung zeigen.
Fragestellung: Welche Verbesserungsvorschläge in Bezug auf Angebot, Therapie, Kom-
munikation, Dokumentation und Health Professionals liegen vor?
In der aktuellen Versorgungssituation sehen die Experten vor allem bei den Health Professi-
onals Verbesserungspotential, und zwar bei den nicht ärztlichen Gesundheitsberufen wie
Krankenpflegepersonen, Physiotherapie, Diätberatung und Ergotherapie. Abhängig von
Standort und Versorgungsnetzwerk erscheint es sinnvoll einen Diätologen und einen Sozial-
arbeiter vor Ort zu haben.
„Optimierungsbedarf gibt es in der diätologischen Betreuung und in der Bewegungs-
aktivität, denn da gibt es bisher noch wenig Angebote. […] Hier insbesondere Diäto-
login, Physiotherapie, aber auch Krankenpflegepersonen, … […] Bei bestimmten Fol-
geschäden ist dann eine Ergotherapie sinnvoll.“ (vgl. Interview 7, Zeile 35ff)
Die Herausforderungen, die sich durch eine sprachliche Barriere in der Behandlung von DM
II Patienten ergeben, sind nur durch Dolmetscher in den Griff zu bekommen. Dadurch ent-
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steht ein finanzieller Mehraufwand der nicht von den Krankenkassen abgegolten wird. Zu-
sätzlich wünscht sich ein Experte noch ein oder zwei Kollegen an seiner Seite und strebt
deshalb auch eine Vergrößerung seiner Ordination an.
„Meine Patienten brauchen sehr viel Beratung und Hilfe bei der Übersetzung in ihre
Landessprache. […] Es kommt noch dazu, dass viele Leistungen, die wir mit unserem
Team anbieten, von der Krankenkasse nicht bezahlt werden. […] Auch muss ich mei-
ne Praxis vergrößern. […] Sicher ist auch, dass ich mir ein oder zwei Partner suche.“
(vgl. Interview 6, Zeile 42ff)
Bezüglich Kommunikation in den Ordinationen äußerten die Experten keine Verbesserungs-
vorschläge. Bei der Dokumentation verwenden die Experten mit ihren Teams handelsübliche
Programme. Gesonderte Anordnungen und Wünsche sind daher für die Mitarbeiter sichtbar
und werden von bei der Terminvergabe mit den Patienten berücksichtigt.
„In der Akte wird das gleich von mir vermerkt, dass ich bei einem Patienten viermal
pro Jahr eine Blutabnahme, zweimal Augen und einmal Internisten wünsche. Mir ist
wichtig, dass das automatisiert wird. Somit muss weniger nachgedacht werden und
es entstehen, meiner Meinung nach, weniger Fehler.“ (vgl. Interview 6, Zeile 93ff)
Als Erinnerungsservice werden zusätzlich die Patienten, wie bereits im Kapitel 6.2.2.1 er-
wähnt, mit Hilfe einer Kurznachricht auf das Mobiltelefon verständigt.
6.2.3 Zufriedenheit
Fragestellung: Wie Zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit mit den externen Schnitt-
stellen und wie zufrieden sind Sie mit dem Befundrücklauf?
Dafür wurde jedem Experten eine Skala, eine für die Zusammenarbeit mit den externen
Schnittstellen und eine für den Rücklauf der Behandlungsinformationen vorgelegt:
• Skala: sehr zufrieden 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 gar nicht zufrieden
Bei der Zusammenarbeit mit anderen Schnittstellen vergeben die Health Professionals die
Noten drei bis fünf. Nach Aussagen der Experten hängt eine gute Zusammenarbeit sehr
stark von den beteiligten Personen ab.
„Kommt auf die Schnittstelle an, …“ (vgl. Interview 7, Zeile 107) „Es kommt hierbei auf
das Krankenhaus bzw. Facharzt an, …“ (vgl. Interview 5, Zeile 101)
Bei der Frage zum Rücklauf der Behandlungsinformationen sind sich die Experten mit einer
Zwei einig. Wobei sie wieder darauf weisen, dass dies sehr stark vom Stakeholder abhängt.
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Die Patienten kommen mit einem ausführlichen Arztbrief zur Befundbesprechung in die Or-
dination, in einigen Fällen werden die Befunde bzw. Arztbriefe bereits elektronisch zum be-
handelnden Hausarzt übermittelt.
„Meistens bekomme ich einen ausführlichen Arztbrief oder Befund automatisch.“ (vgl.
Interview 7, Zeile 112f) „Da kann ich mich nicht beschweren, da dieser Rücklauf sehr
zuverlässig ist. Oft funktioniert es auch, dass die Befunde elektronisch überspielt
werden.“ (vgl. Interview 6, Zeile 129f)
Der durchschnittliche zeitliche Aufwand, den die Health Professionals für die Betreuung ei-
nes DM II Patienten beziffern, liegt bei zehn bis fünfzehn Minuten pro Patient pro Behand-
lung. Gerne würden sie mehr Zeit investieren, geben aber zu bedenken, dass wenn sehr
viele Patienten in der Ordination warten, die Betreuung eher kürzer ausfällt.
„Manchmal würde ich mir mehr Zeit für einen Patienten wünschen, nur wenn viel los
ist, dann wird es eng.“ (vgl. Interview 7, Zeile 117f)
Alle befragten Health Professionals im Setting niedergelassener Bereich wünschen sich
mehr Zeit für Gespräche und Aufklärung, denn die Betroffenen seien sehr oft mit der Diag-
nose DM II und deren Folgen überfordert. Auch gerade deshalb, weil der Lebensstil der Be-
troffenen einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Erkrankung hat.
„Gespräche sind sehr wichtig, … […] Viele fühlen sich alleine gelassen mit der Diag-
nose und verstehen diese Bruchteilhaft. Je mehr mit ihnen gesprochen wird, desto
besser können sie mit ihrer Erkrankung umgehen. Man muss unterstützen. Zwanzig
Prozent unserer Arbeit ist Sozialarbeit.“ (vgl. Interview 6, Zeile 137ff)
Die nächste Fragestellung befasst sich mit den Herausforderungen, welche die Experten
aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen im hausärztlichen Setting identifiziert haben.
6.2.4 Herausforderungen in Bezug auf Spätfolgen, Compliance und Medikation
Fragestellung: Welche Herausforderungen treten in der aktuellen Versorgung in Bezug auf
Spätfolgen, Compliance und Medikation auf?
Laut Aussagen der Experten haben sich die Spätfolgen wie auch die Komplikationen bei der
Behandlung von DM II Patienten verringert. Dies führen sie auf das DMP zurück.
„Bis vor zehn Jahren war es ja leider so, dass ca. fünfzig Prozent bei der Diagnose-
stellung Folgeschäden gehabt haben. Das heißt, die Patienten haben bereits unge-
__________________________________________________________________________71
fähr zehn Jahre Zucker gehabt. […] Ich glaube auch, dass durch das Therapie aktiv
Programm sich die Situation gebessert hat“ (vgl. Interview 7, Zeile 128ff)
Ein Experte vertritt die Meinung, dass obwohl ein hohes Risiko für Spätfolgen bei DM II be-
steht, diese generell eher selten auftreten,
„Jetzt bin ich bereits so lange hier in der Arztpraxis und habe einen einzigen Patien-
ten der aufgrund eines diabetischen Fußes amputiert wurde. Es gibt ein paar mit ei-
nem diabetischen Fuß, jedoch eher wenige.“ (vgl. Interview 5, Zeile 140ff)
Folgende Spätfolgen die im Zusammenhang mit DM II stehen, haben die Health Professio-
nals im Laufe ihrer beruflichen Laufbahn identifiziert:
• Augenschäden, Gefäßverkalkungen
• Nierenschäden
• Sensibilitätsstörungen, Infektionen und Diabetischer Fuß
Als Ursache für die Entstehung von Spätfolgen wird in erster Linie die Compliance der Pati-
enten angeführt. Jedoch auch ein Mangel bzw. ein Überhäufen der Patienten mit Informatio-
nen im Rahmen des Beratungsgespräches wurde als möglicher Grund für eine schlechte
Compliance genannt. Als sicher gilt, dass Zusammenhänge im Rahmen von DM II von Pati-
enten missverstanden werden, sprachliche Barrieren verstärken diesen Umstand noch. Zu-
weilen kann sich die Therapieeinstellung aufgrund der Schwere der Erkrankung schwierig
gestalten.
Bei den Komplikationen in Bezug auf die Medikation bei DM II sind sich die Health Professi-
onals insofern einig, dass Nebenwirkungen eher selten auftreten. Als Grund nennen sie die
allgemein gute Verträglichkeit der Diabetesmedikamente. Wenn Probleme bei der oralen
Antidiabetika-Therapie auftreten, dann durch Verwechslungen, sparsame Handhabung oder
weil die Patienten auf die Einnahme schlicht vergessen.
„Eigentlich sehr wenig. Die neueren Medikamente werden im Allgemeinen sehr gut
vertragen. Probleme machen nur jene Patienten, die vergessen diese regelmäßig
einzunehmen.“ (vgl. Interview 7, Zeile 137ff)
Grundsätzlich sind die Experten mit der Ausstattung und dem Angebot von medizinischen
Leistungen im Versorgungsnetzwerk in ihren Regionen zufrieden. Die Zuweisung zu den
anderen Gesundheitsdienstleistungsanbietern funktioniert, ein breites Angebot ist überall
vorhanden, sofern die Wartezeiten keine wesentliche Rolle spielen. Gerade bei den nicht-
ärztlichen Gesundheitsberufen wie z.B. Physiotherapie, Ergotherapie sowie Diätberatung,
__________________________________________________________________________72
beträgt die Wartezeit auf einen Behandlungstermin im schlechtesten Fall zwei bis drei Mona-
te. Hier sind die Gebietskrankenkassen gefragt, bei der Honorierung, sowie auch bei der
Versorgungsdichte, nachzubessern.
„Bei Physiotherapeuten […], wo Patienten es sich nicht leisten können, den Wahlthe-
rapeuten zu zahlen, wartet man zwei bis drei Monate. Das heißt, da brauchen wir si-
cher noch eine höhere Dichte und einen besseren Tarif von den Krankenkassen.“
(vgl. Interview 7, Zeile 159ff)
Die nächste Fragestellung befasst sich mit der Soll-Situation. In diesem Zusammenhang
möchte der Autor erneut auf das Kapitel 6.2.1 „Optimale Primärversorgung“ verweisen, worin
ein optimaler Versorgungsprozess dargestellt wird.
6.2.5 Soll-Situation und Lösungsansätze
Fragestellung: Wie muss die hausärztliche Ordination hinsichtlich: Struktur, Prozesse und
Team ausgestaltet sein um eine bestmögliche Patientenversorgung im Hinblick auf DM II
sicherzustellen?
Die Soll-Situation in der Versorgung von DM II Patienten für das Umfeld im hausärztlichen
Bereich wird wie einleitend erwähnt bereits mit dem optimierten Versorgungsprozess in Kapi-
tel 6.2.1 gezeichnet. Dabei ist der ursprüngliche Versorgungsprozess um die drei Prozess-
glieder, Eigenverantwortung, Monitoring und Prävention, ergänzt worden. In den Ordinatio-
nen haben die Experten mit unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen, z.B. bei der
personellen Ausstattung in den Ordinationen. Die Experten sind sich einig, dass die Teams
aufgestockt werden müssen und zwar in erster Linie mit Pflegefachkräften, Diätologen und
Therapeuten.
„Auch müssen die Teams bei den Hausärzten breiter aufgestellt werden. Hier vor al-
lem mehr Pflegefachkräfte, Diätologen und Therapeuten.“ (vgl. Interview 7, Zeile
181ff)
„Speziell diese Diätberatung sollte intensiviert werden, weil dadurch kann man noch
einiges erreichen.“ (vgl. Interview 5, Zeile 176f)
Aber auch über mehr Ärzte in Form einer Gruppenpraxis bzw. der Umsetzung des PHC-
Konzeptes wird nachgedacht, um das Angebot, wie auch die Betreuung von DM II Patienten
zu verbessern. Bei den internen Prozessen haben die Health Professionals bereits einiges
__________________________________________________________________________73
investiert. Elektronische Dokumentationssysteme, oder ein SMS-Service, um nur einige Bei-
spiele zu nennen. Dazu kommt, dass in regelmäßigen Abständen Teambesprechungen ab-
gehalten werden. Diese helfen bei der Objektivierung von kleineren Problemen, aber auch
dabei, Lösungen für diese zu finden. Zusätzlich wären laut den Experten Veränderungen im
Gesundheitssystem zu realisieren, vor allem die Bildung von Gesundheitskompetenz an öf-
fentlichen Schulen, Gesundheitsförderung, etc. Denn das ist aus Sicht der Experten nicht nur
die Aufgabe der Versicherungen, sondern auch die der öffentlichen Hand.
„Die Verantwortung ist auch in unserem Gesundheitssystem zu suchen, da ich als
Schularzt nicht die Kompetenzen habe und es gibt keine Finanzierung für die Umset-
zung von Projekten mit den Schulen. Es scheitert an der Bereitstellung von den not-
wendigen Mitteln von Seiten der öffentlichen Hand.“ (vgl. Interview 7, Zeile 172ff)
„Und wie gesagt, wenn man hier bereits ansetzen könnte, dann wäre eine große Hür-
de gemeistert – sprich Prävention und hier bereits in der Schule.“ (vgl. Interview 5,
Zeile 169f)
Laut Experten wäre es besonders wichtig, DM II Patienten öfter zu einem ausführlichen Be-
ratungsgespräch einzuladen, bei Bedarf mit einem Dolmetscher im Team, damit sprachliche
Barrieren überwunden und eine vernünftige Gesprächsbasis geschaffen werden kann. Nur
durch ausreichende Informationen ließe sich eine fehlende Compliance kompensieren bzw.
minimieren. Mit diesen Ansätzen glauben die befragten Health Professionals, dass sich eine
optimale Versorgung von DM II Patienten im hausärztlichen Umfeld realisieren ließe und
Problemfelder wie:
• Fehlende Compliance
• Fehlendes Angebot von nicht ärztlichen Gesundheitsberufen im Versorgungsnetz-
werk
• Spätfolgen durch DM II
• Zusatzerkrankungen wie Übergewicht, hoher Blutdruck, andere chronische Erkran-
kungen
gar nicht die Möglichkeit bekommen, zu solchen heranzuwachsen. Dafür sind allerdings Zeit
und finanzielle Ressourcen notwendig, die von der öffentlichen Hand und den Versicherun-
gen bereitgestellt werden müssten, um eine optimale Versorgung gewährleisten zu können.
__________________________________________________________________________74
6.2.6 Erwartungen
Fragestellung: Welche Erwartungen haben Sie an das PHC-Konzept? (Verbesserung Ge-
sundheitszustand, Synergieeffekt, Entlastung der Verwaltung, Verbesserung der Versor-
gungsqualität)
Die Erwartung ist, dass durch ausreichende finanzielle Mittel die Lücke zwischen der Ist-
Versorgung und der Soll-Versorgung, wie sie der optimale Versorgungsprozess im hausärzt-
lichen Umfeld darstellt, geschlossen werden kann. Das PHC-Konzept, das die Bundesregie-
rung in der Gesundheitsreform umsetzen möchte, wird von den Experten als Unterstützung
zur aktuellen Versorgung gesehen. Nur haben sie Zweifel, dass dafür genügend Ärzte und
damit genügend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können.
„Grundsätzlich ist ein PHC nichts Schlechtes, aber es müssten mehr Ärzte her, damit das
PHC dementsprechend personell ausgestaltet werden kann.“ (vgl. Interview 5, Zeile 22ff)
Auch der Faktor Zeit ist den Experten besonders wichtig. Zu all den bereits erwähnten Er-
wartungen, erhoffen sie sich bessere Arbeitsbedingungen durch die Arbeit im Team, Entlas-
tung durch andere Gesundheitsberufe und klare Kooperationen mit Patienten und anderen
Health Professionals.
Diesen positiven Äußerungen zum PHC-Konzept stehen auch kritische gegenüber, gerade
bei der Frage nach dem Gesundheitszustand.
„Der Gesundheitszustand wird durch das Konzept sicher nicht verbessert, dazu muss
man sich das Publikum hier im Bezirk näher anschaun. Aus meiner Sicht muss man
hier an der Einstellung meiner Patienten arbeiten – Eigenverantwortung, Prävention
usw., … Sehr schwer.“ (vgl. Interview 6, Zeile 192ff)
Auch, ob sich eine Stärkung des Hausarztes bemerkbar machen wird, wird in Zweifel gezogen.
„Meiner Meinung nach schwingen die verantwortlichen Politiker große Reden, dass der
niedergelassene Bereich gestärkt werden soll. Aber das Gegenteil ist der Fall. Alle
Maßnahmen die kommen, schränken den praktischen Arzt in seinem Handlungsspiel-
raum ein und die Bedingungen werden immer schlechter.“ (vgl. Interview 5, Zeile 187ff)
Die Ergebnisse aus beiden Umwelten sind nun ausreichend dargelegt und beschrieben. Im
nächsten Schritt werden die Resultate der beiden Umwelten in einer Tabelle übersichtlich
gegenübergestellt. Im Anschluss werden die Ergebnisse aus dem Workshop dargestellt, wie
bereits unter Kapitel 5.4. „Workshop“ beschrieben, im Rahmen eines Studentenprojektes
abgehalten wurde.
__________________________________________________________________________75
6.3 Gegenüberstellung beider Umwelten
In der nachfolgenden Tabelle finden sich die in den vorangegangenen Kapiteln herausgear-
beiteten Ergebnisse des Umfeld PHC vs. Umfeld hausärztlicher Bereich zur besseren Über-
sicht in konzentrierter Form zusammengefasst.
Tabelle 6: tabellarische Gegenüberstellung beider Umwelten (PHC vs. hausärztlicher Bereich)
Expertenergebnisse – Umfeld PHC Expertenergebnisse – Umfeld haus-ärztlicher Bereich
Op
tim
ale
r V
ers
org
un
gspro
zess
Gesundheitskompetenz, Eigenverantwor-tung bei den Kindern fördern
Prävention und Monitoring durch Vorsor-geuntersuchungen, Routineuntersu-chungen beim Hausarzt
Diagnosestellung im Rahmen einer Rou-tineuntersuchung oder als Zufallsbefund bei der Vorsorgeuntersuchung; Weitere Abklärung durch Fachärzte im Versor-gungsnetzwerk
Therapieeinstellung in der Ordination oder in der Diabetesambulanz (Reha) bei schweren Fällen; Übernahme des Pati-enten in das DMP „Therapie Aktiv“
Schulungen, Aufklärungsgespräche und Nachsorge im PHC durch das multipro-fessionelle Team (die „Zuckerschwester“, Diätologin, Psychologin und den behan-delnden Ärzten)
Extern durch die Kontrollen in der Diabe-tesambulanz und Überweisung in das Physiotherapiezentrum
In der Nachsorge wird versucht den Pati-enten so viele Alternativen wie möglich aufzuzeigen, um eine Änderung in ihrem Verhalten zu bewirken
Eigenverantwortung und Prävention be-reits in den Schulen fördern
Monitoring bereits ab dem 19. Lebens-jahr durch Vorsorgeuntersuchungen alle 5 Jahre
Diagnoseverdacht – alle sechs Monate zur Kontrolluntersuchung in die Praxis
Diagnosestellung im Rahmen einer Rou-tineuntersuchung oder als Zufallsbefund bei der Vorsorgeuntersuchung; ein Ex-perte besteht darauf, dass sich seine Patienten regelmäßig untersuchen las-sen – somit kein Zufallsbefund
Eventuell Aufnahme in das DMP „Thera-pie Aktiv“ – ein Experte bietet das DMP nicht an
Weitere Abklärung entweder im Kran-kenhaus und/oder bei den Fachärzten
Therapieeinstellung bei schweren Fällen erfolgt im Kranken-haus/Diabetesambulanz, restliche Fälle werden vom Hausarzt versorgt
Die Nachsorge findet in der Ordination oder im Versorgungsnetzwerk statt – Abhängig von der personellen Ausstat-tung in den Einzelordinationen - Vorge-sehen sind Schulungen, Diätberatung, Physiotherapie und Psychologe
__________________________________________________________________________76
Expertenergebnisse – Umfeld PHC Expertenergebnisse – Umfeld haus-
ärztlicher Bereich Is
t-S
itu
atio
n
Ca. 240 Personen werden mit Antidiabe-tikern behandelt – davon befinden sich 60 Personen im DMP
Intern wird ein kompletter Status der Pa-tienten und alle Parameter nach Stan-dard erhoben
• Nüchtern Blutzucker
• Glucoseintoleranztest
• HbA1c-Wert
Wundversorgung, DM-Beratung, Diätbe-ratung (45 Min max. viermal), Psycholo-ge
Extern erfolgen alle fachärztlichen Unter-suchungen
Im Rahmen des DMP erfolgen Diätbera-tung und Insulineinstellungen in der Dia-betesambulanz
Im Programm besteht eine gute Compli-ance, da Strukturen vorgegeben werden
Maßnahmen zur Steigerung der Compli-ance:
• Strukturierte Betreuung
• Ausreichend Zeit
• Überwinden sprachlicher Barrieren
• Verständliche Sprache (Fachjargon) ________________________________ Schnittstellen- und Kommunikationsprob-leme mit den Stakeholdern durch unter-schiedliche technische Ausstattungen
Drei Einzelordinationen:
• Ländlicher Raum mit ca. 120-130 Patienten im DMP „Therapie Aktiv“
• großstädtischer Raum mit ca. 120 Patienten im DMP „Therapie Aktiv“
• kleinstädtischer Raum – Experte verzichtet auf das DMP „Therapie aktiv“
Nach Standard:
• Nüchtern Blutzucker
• Oraler Glucoseintoleranztest
• HbA1c-Wert
Intern: Kompletter Status, Wundversor-gung, Diabetesberatung und Dolmet-schertätigkeiten
Extern erfolgen alle fachärztlichen Unter-suchungen
Aufnahme in das DMP – vierteljährliche Kontrollen - Diätberatung erfolgt im Krankenhaus oder in der Diabetesambu-lanz
Ohne Programm wird versucht die Pati-enten zu vierteljährlichen Kontrollunter-suchungen motiviert
Maßnahmen zur Steigerung der Compli-ance:
• Aufklärungsgespräche (inkl. Dol-metscher)
• Strukturierte Versorgung
• Motivation (im Team)
• Organisation (Termine, Untersu-chungen)
________________________________ Kommunikation mit nicht ärztlichen Ge-sundheitsberufen – DGKP, Physiothera-pie, Diätberatung, Ergotherapie ist ver-besserungswürdig
Kommunikation bei sprachlichen Barrie-ren – Dolmetscher sind wünschenswert, aber Bezahlung ist nicht gesichert
__________________________________________________________________________77
Expertenergebnisse – Umfeld PHC Expertenergebnisse – Umfeld haus-
ärztlicher Bereich Z
ufr
iede
nh
eit
Zusammenarbeit mit externen Schnitt-stellen – Bewertung: Zwei bis Drei (Prob-leme vor allem durch die unterschiedli-chen technischen Ausstattungen;
Beim Rücklauf von Behandlungsinforma-tionen wurde mit einer Zwei bewertet;
Zeitlicher Aufwand pro Patient beträgt zwischen 10 bis 15 Minuten
Zusammenarbeit mit externen Schnitt-stellen – Bewertung: (stark von den Sta-keholdern abhängig)
Der Rücklauf von Behandlungsinformati-onen wurde mit einer recht guten Zwei bewertet
Zeitlicher Aufwand pro Patient beträgt durchschnittlich 10 bis 15 Minuten
He
rau
sfo
rderu
ng
en
Spätkomplikationen wie Gefäßschäden, Augenprobleme und offene Füße
Compliance-Probleme
Medikamentöse Einstellung gestaltet sich schwierig
Zusatzerkrankungen wie Übergewicht, hoher Blutdruck etc.
Spätfolgen bei DM II – Augenschäden, Gefäßverkalkungen, Nierenschäden, Sensibilitätsstörungen, Infektionen und diabetischer Fuß
Compliance-Probleme:
• Informationsmangel bzw. Über-schuss
• Zeitmangel
• Sprachliche Barrieren Zugang zu medizinischen und nicht me-dizinischen Leistungen (ländlicher Be-reich) ist gut, nur die Wartezeiten sind lange
Zusatzerkrankungen wie Übergewicht, hoher Blutdruck etc. (Multimorbidität)
Lösu
ng
san
sätz
e
Stärkung der Eigenverantwortung (Ge-sundheitskompetenz
Früherkennung
Ausreichend Aufklärungsgespräche
Ausreichendes Angebot durch ärztliche und nicht ärztliche Gesundheitsberufe (verbindliches Leistungsspektrum)
Interne Kommunikation durch regelmäßi-ge Teambesprechungen verbessern
Externe Kommunikation durch effiziente-re technische Ausstattung an den Schnittstellen zu den Stakeholdern (Ein-satz von ELGA) verbessern
Gesetzlicher Rahmen in Form eines PHC-Gesetzes erforderlich
Änderung der vorgegebenen Strukturen, damit für eine suffiziente Behandlung ausreichend Zeit zur Verfügung steht
Mehr Zeitliche Ressourcen
Mehr Finanzielle Ressourcen
Mehr Personelle Ausstattung – gerade bei den nicht ärztlichen Gesundheitsbe-rufen wie DGKP, Ergotherapie, Physio-therapie und Diätberatung
Zur Umsetzung des PHC-Konzeptes sind mehr Ärzte notwendig
Dolmetscher zur Unterstützung
Kommunikation Intern durch Dokumenta-tionssysteme, SMS-Service und regel-mäßig durchgeführte Teambesprechun-gen verbessern
Stärkung der Gesundheitskompetenz bereits in Schulen
Gesundheitsförderung von Anfang an
__________________________________________________________________________78
Expertenergebnisse – Umfeld PHC Expertenergebnisse – Umfeld haus-
ärztlicher Bereich E
rwa
rtu
ng
en
Längere Öffnungszeiten, multiprofessio-nelles Team und ein breites, verbindli-ches Leistungsspektrum verbessert Pati-entenversorgung
Vorhandene Strukturen sollen verwendet werden – keine Parallelstrukturen auf-bauen
Ärztemangel soll entgegengewirkt wer-den (Maßnahmen von Krankenkassen, Ärztekammer und Politik)
Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen um den optimalen Versor-gungprozess zu realisieren
Bessere Arbeitsbedingungen und Ar-beitsentlastung durch mehr Teamarbeit
Arbeitsentlastung durch Teamarbeit;
Bessere Kooperation mit Patienten und Health Professionals
Stärkung der Rolle des Hausarztes
Quelle: eigene Darstellung
__________________________________________________________________________79
6.4 Ergebnisse Workshop
Ergänzend zu den Experteninterviews werde für die Beantwortung der Forschungsfragen
auch die Ergebnisse eines Workshops herangezogen, der im Rahmen des Studentenpro-
jekts „Patientenmanagement im Primärversorgungszentrum Haslach am Bsp. DM II“ an der
FH OÖ, Standort Linz als zweiter Teil der qualitativen Befragung stattfand. Die geladenen
Experten wurden instruiert, den zuvor mittels Literaturrecherche von den Studierenden erar-
beiteten Versorgungsverlauf von Patienten mit Diabetes mellitus Typ II, kritisch zu hinterfra-
gen und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge einzubringen. (vgl. Braumann u.a. 2017,
25) Abbildung 14 zeigt die Workshop-Ergebnisse in einem Flussdiagramm (eigene Darstel-
lung).
Abb. 14: Erweitertes Flussdiagramm des Ist-Versorgungsverlaufes der Patienten in Haslach
Quelle: eigene Darstellung, entnommen aus Braumann u.a. 2017, 44
__________________________________________________________________________80
Eine ausführliche Beschreibung der Ergänzungen bzw. der einzelnen Prozessschritte würde
den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grund liegt der Fokus auf den für die vor-
liegende Arbeit relevanten Ergebnissen, die hier im Überblick wiedergegeben werden:
• Behandlungsstart sind routinemäßige Untersuchungen bzw. Ordinationsbesuche. Die
Diagnose wird per Zufall gefunden.
• Bei Verdacht auf DM II erfolgt die Diagnosestellung nach einem Standard, wobei fol-
gende Kriterien berücksichtigt werden: HbA1c, Blutzucker, Glukosebelastungstest.
• Patienten werden ins DMP genommen sobald die Diagnose bestätigt ist. Dies ge-
schieht auf freiwilliger Basis. Vierteljährige Kontrolluntersuchungen sind im Programm
vorgeschrieben und werden mittels eines Vertrags zwischen Patienten und GKK ge-
regelt.
• Im DMP werden alle ermittelten Werte Ist-Werten gegenübergestellt und schriftlich in
einem Pass festgehalten. Sollten Werte stark von den bereits erhobenen Werten ab-
weichen, haben die Health Professionals die Möglichkeit gezielt darauf zu reagieren.
• Regelmäßige Aufklärung durch die Hausärzte bei den Kontrolluntersuchungen. Hier
wird auch geprüft, ob die notwendigen Abklärungen durch Fachärzte erfolgt sind, die
entsprechenden Befunde werden besprochen.
• Wenn die Patienten nicht in das „Therapie aktiv“-Programm aufgenommen werden
wollen, wird versucht die Patienten zu motivieren, alle drei Monate zu einer Kontroll-
untersuchung beim Hausarzt zu gehen.
• Folgeschäden werden abgeklärt mittels Überweisungen zu den Fachärzten wie: Au-
genarzt, Lungenarzt, Internist, Kardiologe, Neurologe und Nephrologe.
• Diabetesschulungen werden vom Hausarzt organisiert, meist muss ein kleiner Unkos-
tenbeitrag von den Patienten selbst getragen werden.
• Die Patienten werden auch in Kurzzeitpsychotherapie gebracht, denn oft stecken hin-
ter einer mangelnden Einstellung der Medikamente auch psychische Probleme wie
z.B. eine Depression. Etwa ein Drittel der Patienten mit der Diagnose DM II leidet an
Depressionen, weshalb in dieser Phase auch Stressmanagement eine wichtige Rolle
spielt.
• Pflegerische Interventionen erfolgen in der Ordination. Bei einem erhöhten Pflege-
aufwand vermittelt das Ordinationsteam zu den zuständigen Non-Profit-
Organisationen, die eine häusliche Pflege bzw. Hauskrankenpflege anbieten. (vgl.
Braumann u.a. 2017, 42f)
__________________________________________________________________________81
6.5 Ergebniszusammenführung Interviews und Workshop
Die aus den Interviews und dem Workshop gesammelten Ergebnisse werden im nächsten
Schritt als Patientenreise grafisch dargestellt. Aus Sicht der Experten ist es möglich, eine
optimale Versorgung von DM II Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk anzubieten.
Dazu muss ein ausreichendes Angebot durch ärztliche und nicht ärztliche Gesundheitsberu-
fe (verbindliches Leistungsspektrum) verfügbar sein. Erst dann kann ein verbessertes Fall-
management für den einzelnen DM II Patienten erreicht werden.
Abb. 15: Patientenreise bei DM II
Quelle: eigene Darstellung
Wie in Abbildung 15 dargestellt, ist im Leben vor Diabetes die Erlangung von Gesundheits-
kompetenz ein wichtiges Thema. Demgemäß liegt es in den Händen des zukünftigen Patien-
ten, einem Monitoring und Prävention von Seiten der Gesundheitsdienstleistungsanbieter
zuzustimmen. Die Schnittstellen beim Monitoring und der Prävention setzen sich aus Haus-
arzt, Facharzt und Krankenhaus/Ambulanz zusammen. Ein Monitoring, aber auch die Prä-
vention, ermöglichen, dass leichte Vorstufen von DM II rascher erkannt werden und Maß-
nahmen ergriffen werden können, die einen Ausbruch der Krankheit verhindern. Der Besuch
beim Hausarzt markiert in der Abbildung die mittlere Phase der Patientenreise. Hier werden
__________________________________________________________________________82
die Patienten gründlich untersucht und Therapien eingeleitet. Der behandelnde Hausarzt
entscheidet, welche Schnittstellen - und damit welche Health Professionals (Reha) - in der
Betreuung notwendig sind. Meistens handelt es sich um Fachärzte, die den Patienten auf
bereits mögliche Folgeschäden (Augen, Niere, Gefäße, …) untersuchen. Aber auch Spezial-
ambulanzen zur Insulineinstellung werden herangezogen. Spezielle Beratungen in Bezug auf
Ernährung, Bewegung sowie Psyche runden das Angebot ab. Hier beginnt auch die letzte
Phase, das Leben mit der Diagnose. In dieser Phase versuchen die Health Professionals
eine optimale Betreuung der DM II Patienten zu erreichen, und zwar durch:
• Patientenschulung
• Patienten Monitoring
• Prävention von Spätfolgen
• Kontrolluntersuchungen
• Therapieanpassungen
Das wird in der Abbildung mit den Zielen der Behandler zum Ausdruck gebracht. Manche
Patienten sind nicht bereit, die Handlungsempfehlungen der Health Professionals anzuneh-
men und werden daher mit dem Vermerk Non-Compliance versehen. Die Gründe für Non-
Compliance sind aus Sicht der Experten vielfältig, und oft bei den Gesundheitsdienstleis-
tungsanbietern zu suchen: die Informationsflut überfordert die Betroffenen, mangelnde In-
formationen führen zu Missverständnissen, die Diagnose lässt die Patienten resignieren usw.
Einen weiteren Grund für eine nicht bestehende Compliance kann eine sprachliche Barriere
darstellen. Mehrsprachige Angestellte in Ordinationen können hier eine Abhilfe schaffen.
Schließlich werden Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung, so die Sicht der Exper-
ten, das eine oder andere Mal auf Seiten der Patienten vermisst, wodurch das Zustande-
kommen einer Compliance ebenfalls nicht möglich ist.
Ein multiprofessionelles Team im PVZ und im hausärztlichen Setting soll die optimale Ver-
sorgung von DM II Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk gewährleisten, sowie den
zuvor identifizierten Herausforderungen entgegenwirken. Dafür wird im nächsten Kapitel ein
mögliches Konzept erarbeitet.
__________________________________________________________________________83
7 Diskussion und Handlungsempfehlungen
Im folgenden Kapitel werden die gewonnenen Erkenntnisse analysiert und daraus ein mögli-
ches Konzept für eine optimale Gesundheitsversorgung am Beispiel der Integrierten Versor-
gung von Diabetes mellitus II Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk in Form einer
Mindmap sowie Handlungsempfehlungen erarbeitet. All diese Erkenntnisse dienen schluss-
endlich der Beantwortung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Forschungsfrage und der
beiden Unterfragen.
7.1 Diskussion
Gegenstand der hier vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung folgender Fragen:
• Wie sollte die Kooperation, Koordination und Kommunikation im regionalen Versor-
gungsnetzwerk hinsichtlich einer optimalen primären Gesundheitsversorgung am
Beispiel der Integrierten Versorgung von Diabetes mellitus II Patienten im Primärver-
sorgungszentrum (PVZ) Mariahilf wie auch in ausgewählten hausärztlichen Einzel-
praxen ausgestaltet sein und gesteuert werden?
• Welche Herausforderungen können in hausärztlichen Einzelpraxen identifiziert wer-
den?
• Welche Unterschiede lassen sich in der Versorgung im PVZ versus Einzelpraxen
feststellen?
Der erste Teil dieser Arbeit befasst sich mit den notwendigen theoretischen Grundlagen, die
zur Beantwortung dieser Frage notwendig sind. Mit den Ergebnissen aus den sieben Exper-
teninterviews im empirischen Teil der Arbeit kann nun ein optimaler Versorgungsprozess im
regionalen Netzwerk gezeichnet werden, siehe auch Abbildung 16.
Abb. 16: Optimierter Versorgungsprozess – Umfeld hausärztlicher Bereich & Umfeld PHC
Quelle: eigene Darstellung
Gesundheits-kompetenz
Monitoring
Prävention
Anamnese
Diagnose
Therapie
Reha
Nachsorge
__________________________________________________________________________84
Dieser idealtypische Prozess kann den Gesundheitsdienstleistern als Maßstab für die Ver-
sorgung von DM II Patienten dienen, mit dem sie ihre bestehenden Prozesse verbessern
und anpassen können. Gerade an den Schnittstellen zu den Systempartnern besteht im Be-
reich Kommunikation, laut Aussagen der Health Professionals, noch ein erheblicher Ausbau-
bedarf. Der Einsatz unterschiedlicher technischer Hilfsmittel und Programme zur Dokumen-
tation, verhindert oft eine sinnvolle Vernetzung und damit eine reibungslose Kommunikation.
Hier erhoffen sich die Experten eine Verbesserung mit der flächendeckenden Einführung von
ELGA. Sie soll die Koordination zwischen Patient und Health Professionals wie auch die
Kommunikation an den Schnittstellen erleichtern.
Einen weiteren Schritt stellt der Ausbau des Versorgungsnetzwerkes dar. In Wien, wo sich
das PVZ Mariahilf befindet, ist das Netzwerk bereits gut ausgestattet und die Wartezeiten bei
den ärztlichen wie auch nicht ärztlichen Gesundheitsberufen, liegen im Normbereich. Im
kleinstädtischen oder im ländlichen Bereich, vor allem bei den nichtärztlichen Gesundheits-
berufen, sind noch große Versorgungslücken vorhanden. Hier erhoffen sich die Experten,
dass die Länder und Krankenkassen attraktive Anreize schaffen, damit sich diese Berufs-
gruppe vermehrt im ländlichen Raum niederlassen. Die Experten erwarten sich, dass damit
die langen Wartezeiten von bis zu zwei Monate (Physiotherapie, Ergotherapie) verkürzt wer-
den. Zusätzlich versuchen Hausärzte, ein Team aus nicht ärztlichen Gesundheitsberufen in
ihren Ordinationen zu etablieren, damit das Angebot aber auch der Komfort für zukünftige
Patienten steigt. Wiederum, so die Sicht der Experten, sind Politik, Krankenkassen und Ärz-
tekammer gefordert, Anreize für solche Projekte zu fördern.
Die Versorgung in den Ordinationen funktioniert gut. Ein Großteil der befragten Experten gibt
an, das Disease Management Programm „Therapie Aktiv“ im Einsatz zu haben. Und sich die
Betroffenen durch eine strukturierte Betreuung mit regelmäßig durchgeführten Kontrollunter-
suchungen gut aufgehoben fühlen. Ein weiterer Pluspunkt des Programms ist sicherlich
auch, dass die Compliance der Betroffenen nachweislich steigt, was bei herkömmlicher Be-
treuung schwierig bis unmöglich zu bewerkstelligen/erreichen ist. Dabei sehen die Experten
die Verantwortung nicht nur beim Patienten, sondern vor allem auch bei den Dienstleis-
tungsanbietern.
Gerade bei der Diagnosestellung sind die Patienten oft mit der Informationsflut überfordert.
Auch sprachliche Barrieren können das Verstehen um die Diagnose und deren Auswirkung
auf das gesamte Leben des Betroffenen verhindern. Deshalb ist essentiell, Informationen so
oft wie möglich, aber in kleinen Portionen an den Betroffenen weiterzuleiten. Hier sehen sich
die Experten gefordert, eine einfache, leicht verständliche Sprache zu wählen. Zusätzlich ist
das Team rund um den Patienten gefordert, diesen zur Eigenverantwortung zu motivieren.
__________________________________________________________________________85
Die Herausforderungen in den Einzelpraxen und dem PVZ Mariahilf sind ähnlich, schließlich
sind die Ziele annähernd identisch und die optimale Versorgung von DM II Patienten steht im
Vordergrund. Die Herausforderungen werden in Kapitel 7.3 nochmals separat dargestellt.
Ein großer Unterschied zwischen PVZ und Einzelpraxen besteht im Zugang zu den medizini-
schen Leistungen. Lange Wegzeiten zu den einzelnen Gesundheitsdienstleistungsanbietern
fordern vor allem das Team in den Ordinationen, da sie für die Koordination und Kommuni-
kation an den Schnittstellen verantwortlich sind.
Zusammenfassend haben sich folgenden Unterschiede PVZ vs. hausärztliches Umfeld erge-
ben:
• Umfang des Angebots medizinischer und nicht medizinischer Gesundheitsdienstleis-
tungen (größer im PVZ, kleiner in den Einzelpraxen)
• Wartezeiten bei den nicht ärztlichen Gesundheitsberufen (kürzer im PVZ, länger in
Einzelpraxen, im ländlichen Raum am längsten)
• Anfahrtswege, zu den einzelnen Health Professionals (kürzer im PVZ, am längsten im
ländlichen Bereich)
• Notwendigkeit von Dolmetscherarbeiten (v.a. im PVZ, kaum im ländlichen Bereich)
• Personelle Ausstattung der Ordinationen (multiprofessionell im PVZ vs. „Einzelkämp-
fer“ im ländlichen Raum)
• Öffnungszeiten (min. 50 Stunden im PVZ, kürzer am Land)
• Angestellte im PVZ, Hausarzt ist Unternehmer
• Beratungsmöglichkeiten im Team oder unter ärztlichen Kollegen (aktuell nur im PVZ
möglich)
• Zeitdruck (beim „Einzelkämpfer“ in den Einzelpraxen höher als im PVZ)
Damit ist die Forschungsfrage sowie den beiden Unterfragen ausführlich beantwortet.
Im nächsten Schritt fließen die gewonnenen Erkenntnisse zusammen mit dem optimierten
Versorgungsprozess in die auf der nachfolgenden Seite erstellten Mindmap (Abbildung 17)
ein. Sie soll ein möglicher Wegweiser sein, wie die Versorgung und Betreuung von DM II
Patienten aussehen kann bzw. zeigen, wie das Auftreten von DM II durch die Stärkung der
Gesundheitskompetenz und den Ausbau präventiver Maßnahmen minimiert werden kann.
Im Folgenden wird das mögliche Konzept grafisch dargestellt
__________________________________________________________________________86
7.2 Konzept
Abb. 17: Mögliches Vorgehen bei DM II auf Basis der Experteninterviews
Quelle: eigene Darstellung
__________________________________________________________________________87
Die Abbildung 17 ist die Zusammenführung aller Ergebnisse dieser Arbeit, inklusive des
Workshops, in Haslach. Sie (die Abbildung) oder das Konzept stellt eine erweiterte und aus-
führlichere Versorgung der Patienten mit DM II aus Sicht der Experten dar, die weder in der
Praxis noch in der Literatur zu finden ist. Gerade für die Bereiche „individueller
Mensch/Versicherter – Gesundheitskompetenz, Monitoring und Prävention“ sind noch viele
Maßnahmen nötig um die Gesundheitskompetenz zu festigen und damit zu erreichen, dass
das Monitoring und die Prävention in Anspruch genommen wird.
„Wobei auch die Prävention und Eigenverantwortung der Patienten gefördert wird.
Zielsetzung muss es sein, dass dies bereits in den Schulen stattfindet.“ (vgl. Interview
7, Zeile 24f)
Schließlich gilt: je früher DM II erkannt wird, je früher mit einer adäquaten Therapie begon-
nen wird, desto besser sind die Chancen, kostenintensive wie auch schwere Komplikationen
zu vermeiden. (vgl. IDF-Diabetes Atlas, 2015, 54f.)
Nicht nur in Schulen können Gesundheitskompetenz vermitteln, auch das soziale Umfeld wie
Eltern, Nachbarn, Freunde, Bekannte, Beruf, oder der erste Kontakt mit den Gesundheits-
dienstleistungsanbietern können sie stärken. Eines der Ziele im PHC-Konzept für Österreich
- das Team rund um den Hausarzt ist es, dass gerade die Gesundheitsförderung wie auch
die präventiven Maßnahmen gestärkt und in die Primärversorgung integriert werden.
Punkt zwei und drei auf der Mindmap stellen das Monitoring und die Prävention dar. Auch
hier haben die zuvor genannten Bezugsgruppen einen erheblichen Einfluss darauf, ob und
wie gut diese umgesetzt werden. Die Anamnese erfolgt meistens bei Routineuntersuchun-
gen und bei Vorsorgeuntersuchungen. Hier wird der DM II Patient begleitet und betreut, um
eine Verschlechterung so lange wie möglich zu verhindern. Gerade die Schnittstellen zu an-
deren Akteuren, die nur teilweise in die Betreuung eingebunden sind, stellen immer wieder
Herausforderungen dar. Diese begleiten die Patienten sowie die Akteure von der Diagnose,
Therapie, Reha und Nachsorge bis hin zum Fallmanagement. Es liegt an der Koordination
und Kommunikation zwischen den Akteuren, den Behandler-Teams und Patienten, ob die
Herausforderungen sich reibungslos bewältigen lassen.
„Hier spielt das Team eine große Rolle – jeder versucht die Patienten zu motivieren,
… […] …, spielt auch die Organisation eine wesentliche Rolle, da wir schon die Un-
tersuchungen und die Teilnahme so planen, dass der Zeitaufwand für den Betroffe-
nen so gering wie möglich ist.“ (vgl. Interview 7, Zeile 100ff)
__________________________________________________________________________88
Durchaus entstehen auch während der Betreuung des Patienten Herausforderungen, sei es,
weil die Compliance des Patienten gefördert werden muss, oder Therapien nicht die ge-
wünschten Wirkungen zeigen.
Um dieses Konzept praxistauglich zu machen, ist es notwendig, möglichst viele Herausforde-
rungen, bereits im Vorfeld zu überwinden. Nur dann kommt man dem Wunsch nach einer
optimalen Patientenversorgung am Beispiel von DM II im regionalem Versorgungsnetzwerk
auch näher. Im folgenden Kapitel sind diese Herausforderungen zuerst gesammelt darge-
stellt, im Anschluss wird versucht darauf einzugehen, wie mit diesen umgegangen werden
kann.
7.3 Herausforderungen und Handlungsempfehlungen
7.3.1 Herausforderungen
Die Herausforderungen in der österreichischen Primärversorgung sind sehr vielfältig und
umfangreich. Siehe dazu auch Abbildung 1 „Herausforderungen und Einflussfaktoren auf die
primäre Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum am Beispiel Bezirk Rohrbach in OÖ“ in
Kapitel 2.1. Heruntergebrochen auf die Versorgung von DM II Patienten sind aus Sicht der
Experten die in Abbildung 18 dargestellten Herausforderungen von Bedeutung und müssen
in der täglichen Praxis berücksichtigt werden.
Abb. 18: Herausforderungen in der DM II Versorgung
Quelle: eigene Darstellung
•Compliance
•Öffnungzeiten
•Informationsmangel
•sprachliche Barrieren
•Multimorbidität
•Spätfolgen
DM II Patienten
•Angebot von Fachärzten
•Dichte der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe
•Lange Wartezeiten
•Zeitmangel
Health Professionals
•Schnittstellenprobleme
•Befundrücklauf
•Terminkoordinationen
•Aufklärungsgepräche
•Einbinden der Akteure
Kommunikation
•Gesundheitssystem
•Anreizwirkung
•Stärkung der Gesundheits-kompetenz
•Gesundheitsförderung
Umwelt
__________________________________________________________________________89
7.3.2 Mögliche Handlungsempfehlungen
Mögliche Handlungsempfehlungen für die in Abbildung 18 dargestellten Herausforderungen
bei der Betreuung von DM II Patienten im regionalen Versorgungsnetzwerk zu entwickeln,
wird im Folgenden versucht. Dabei werden diese wie folgt in logischer Reihenfolge geglie-
dert:
• Problembewusstsein muss geschaffen werden
• Die Kommunikation und Transparenz muss innerhalb sowie außerhalb des Versor-
gungsnetzwerkes verbessert und erhöht werden
• Die regionalen Akteure gehören in die Versorgung mit eingebunden
• Regionales PHC-Konzept realisieren
Der Autor dieser Arbeit orientiert sich dabei an den Ergebnissen der Experteninterviews so-
wie des Workshops.
Problembewusstsein schaffen:
„Die Leute nehmen das nicht als Problem war, weil sie auch nichts spüren. Und hier
gehört Bewusstsein geschaffen.“ (vgl. Interview 2, Zeile 188f)
Ein Diabetikeranteil von acht bis neun Prozent führt 2011 dazu, dass die Bundesgesund-
heitskommission und der Ministerrat Gesundheitsziele für Österreich beschließen. Rund 40
Institutionen aus Politik und Gesellschaft sowie die gesamte österreichische Bevölkerung
mittels einer Online-Plattform sind beteiligt. (vgl. Gesundheitsziele Österreich, 2017a) Hier
werden zwei dieser Ziele exemplarisch angeführt:
• Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken – „Ziel ist es, die Fähigkeit zum
Mitentscheiden und die Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten im Ge-
sundheitssystem zu fördern.“ (vgl. Gesundheitsziele Österreich, 2017b)
• Qualitativ hochstehende und leistbare Gesundheitsversorgung für alle sicherstellen –
„Eine qualitativ hochstehende und leistbare Gesundheitsversorgung beinhaltet gut
aufeinander abgestimmte und vernetzte Angebote sowie Maßnahmen zur Ge-
sundheitsförderung.“ (vgl. Gesundheitsziele Österreich, 2017b)
Gesundheitsziele existieren, wichtig ist nun, die breite Bevölkerung mit Angeboten in den
Ausbildungsstätten, am Arbeitsplatz und bei den Gesundheitsdienstleistungsanbietern zu
__________________________________________________________________________90
erreichen. Nur ein kontinuierliches Aufzeigen kann ein langfristiges Umdenken sicherstellen
und das Auftreten von DM II in der Bevölkerung reduzieren.
Kommunikation und Transparenz:
Die aktuellen Herausforderungen zeigen, wie wichtig die Kommunikation zwischen den ein-
zelnen Akteuren ist. Befunde oder Arztbriefe kommen verspätet an oder Patienten vergessen
schlichtweg, diese zum nächsten Untersuchungstermin mitzunehmen. Gleichzeitig kann mit
einer reibungslosen Kommunikation auch Transparenz geschaffen werden. Die Herausforde-
rung liegt darin, die vielen unterschiedlichen Kommunikationskanäle zu vereinheitlichen und
zu bündeln, damit Informationen, die die Behandlungen der DM II Patienten betreffen, rasch
an die zuständige Gegenstelle gelangen.
Ein wesentliches Instrument wird ELGA - die elektronische Gesundheitsakte sein. In ihr sind
alle wesentlichen Behandlungsschritte, Ergebnisse, Therapieziele und die Art der Therapie
(Medikation) vermerkt. Auch nicht ärztliche Gesundheitsberufe werden einen Zugriff auf die-
se Daten haben und Stellungsnahmen bzw. einen pflegerischen Entlassungsbericht oder
Therapieempfehlungen bezüglich einer Wunde vermerken können. Die Patienten müssen
nicht mehr Befunde der unterschiedlichen Akteure sammeln und zu den Kontrolluntersu-
chungen mitbringen, eine weitere Fehlerquelle wird dadurch verhindert.
Aktuell werden die beiden Anwendungen „e-Befunde" und „e-Medikation" in allen öffentlichen
Spitäler und Pflegeeinrichtungen bis Ende 2017 ausgerollt. (vgl. ELGA GmbH, 2017)
Das Vernetzen der einzelnen Akteure, die in der Behandlung und Betreuung von DM II Pati-
enten eingebunden sind, ist auch für eine reibungslose Koordination bei den Terminen ein
Gewinn. Die Ordinationshilfen terminisieren Kontrolluntersuchungen bei Fachärzten und
Ambulanzen, gleichzeitig werden auch Behandlungstermine bei Therapeuten, Krankenpfle-
gefachpersonal, Diätberatung und/oder bei einem Psychologen vereinbart. Kombiniert mit
dem SMS-Service, das bereits ein Experte in Verwendung hat, können Patienten zeitnahe
an diese Termine erinnert werden.
Ein Blick nach Deutschland eröffnet weitere Möglichkeiten, wie die Transparenz verbessert
werden kann. Hier werden gerade sechs Leitlinien für die DM Versorgung erstellt. Diese Leit-
linien bilden die Basis für die nationale Versorgungs-Leitlinie Typ 2 Diabetes und soll voraus-
sichtlich Anfang 2019 veröffentlich werden. (vgl. VersorgungsLeitlinien.de, 2017)
__________________________________________________________________________91
Regionale Akteure einbinden:
Um das Bewusstsein aufrecht zu erhalten, ist es notwendig, alle Akteure die in der Versor-
gung von DM II Patienten notwendig sind, einzubinden. Hier vor allem die ärztlichen Ge-
sundheitsberufe wie:
• Hausärzte in Einzel-, Gruppenpraxen oder Primärversorgungszentren
• Fachärzte in Einzel- oder Gruppenpraxen
• Fachärzte in Ambulanzen und Krankenhäusern
Aber auch nicht ärztlichen Gesundheitsberufe, die einen wesentlichen Betrag in der Nach-
sorge von DM II Patienten spielen, müssen eingebunden werden:
• Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen
• Ergotherapeuten
• Physiotherapeuten
• Diätologen
• Sozialarbeiter
• Psychologen
Auf Seiten der Gebietskrankenkassen und der öffentlichen Hand müssen Anreize geschaffen
werden, damit eine Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams leistbar und bezahlbar
ist. Dadurch kann eine sinnvolle Versorgungsdichte an nicht ärztlichen Gesundheitsberufen
gewährleistet werden.
Regionales PHC-Konzept realisieren:
Eine Möglichkeit, wie regionale Akteure bestmöglich eingebunden werden können, ist ein
regionales PHC-Konzept. Wie aus dem vorherigen Kapitel 3.1.3 Das PHC-Konzept für Öster-
reich – Das Team rund um den Hausarzt hervorgeht, muss für eine erfolgreiche Realisierung
die Region nach möglichen Akteuren sondiert werden:
Welches Angebot besteht bereits in der Region und welche Zielgruppe soll angesprochen
werden? Für DM II Patienten ist z.B. wichtig, dass sie eine fixe Anlaufstelle, also den Haus-
arzt, haben. In einem weiteren Schritt ist es notwendig, einen ausgewogenen Grade-Skill-Mix
für das PHC zu finden. Welche Berufsgruppen stehen für eine optimale Versorgung in der
Region zur Verfügung und welche Ordination?
__________________________________________________________________________92
„…, es geht nicht darum, hier Parallelstrukturen aufzubauen.“ (vgl. Interview 1, Zeile
206f)
Eine gute Zusammenarbeit der Akteure muss über den gesamten Behandlungsverlauf si-
chergestellt sein, damit die Patienten von einer regelmäßigen und strukturierten Behandlung
profitieren können. Damit sie ihre erworbenen Verhaltensmuster langfristig verändern, ist viel
Geduld und Durchhaltevermögen sowie ein kontinuierliches Angebot an Beratung und Schu-
lungen nötig. Am besten kann dies kollaborativ in einem PHC gelingen.
7.3.3 Quick wins für die Versorgung von DM II Patienten
„Quick wins“ steht dafür, jene Vorhaben zuerst zu realisieren, die schnell und mit einem ge-
ringen Aufwand zu sichtbar, besseren Ergebnissen führen.
Um die Versorgung von DM II Patienten rasch zu verbessern, erscheint die flächendeckende
Einführung von Fallmanagement ein geeignetes Instrument zu sein. Gerade weil hier jeder
Fall separat betrachtet wird und mit dem Betroffenen individuelle Ziele vereinbart werden.
Durch Evaluierungen werden die Maßnahmen laufend überprüft, wodurch ein Nachbessern
jederzeit möglich wird und dadurch die Zielerreichung.
Weitere mögliche Quick wins:
• Um die Motivation und Compliance der Patienten zu verbessern, empfiehlt es sich,
DM II samt Spätfolgen, leicht verständlichen Zielen und den nächsten Kontrolltermi-
nen zielgruppenspezifisch auf einem DIN-A4-Blatt für sie zusammenzufassen.
• Alle Personen, die sich im DMP befinden, sollten ein Erinnerungsschreiben der GKK
über bevorstehende Untersuchungen erhalten. Informationen über aktuelle Behand-
lungsmöglichkeiten, aber auch Tipps und Tricks von Betroffenen für Betroffene könn-
ten in Form eines Newsletters leicht realisiert werden.
• Erinnerungen durch die Ordinationshilfen, entweder schriftlich, telefonisch oder elekt-
ronisch (SMS-Service) fördern ebenfalls die Compliance.
• Um im Gesundheitssystem einen besseren Überblick über den aktuellen Status zu
erhalten und rasch bedarfsgerecht reagieren zu können, bietet sich ein österreichi-
sches Diabetesregister nach Tiroler Vorbild an, in dem alle Diabetesfälle, deren
Komplikationen und Spätfolgen erfasst werden.
__________________________________________________________________________93
• Zur Prävention und um das Gesundheitsbewusstsein zu fördern, könnte man einen
Diabetes-Tag in Zusammenarbeit mit lokalen Bildungseinrichtungen, Hausärzten und
Apotheken einführen.
• Um mehr Transparenz und damit eine bessere Kooperation aller Stakeholder zu er-
möglichen, könnten die Versorgungsleitlinien die in Deutschland aktuell getestet und
voraussichtlich bis Ende 2019 installiert werden, für Österreich geprüft und eingeführt
werden.
• Um den Austausch der Patienten untereinander zu verbessern und somit Motivation
und Compliance zu fördern, sollte die Möglichkeit der Mitgliedschaft in der österrei-
chischen Diabetesgesellschaft besser kommuniziert werden.
Bereits die Umsetzung von zwei oder drei dieser „Quick wins“ kann die Versorgung von DM
II Patienten stark verbessern. Am geeignetsten für die rasche Verbesserung in Einzelpraxen,
die aktuell die meisten DM II Patienten versorgen, erscheint die flächendeckende Einführung
des Fallmanagements. Wie das in der Praxis aussehen kann, wird im nächsten Kapitel „Sys-
temaufbau“ dargestellt.
__________________________________________________________________________94
7.3.4 Systemaufbau Fallmanagement
Ziel des Fallmanagements ist die Organisation und Aufrechterhaltung eines Unterstützungs-
systems, das sich einerseits an den individuellen Bedürfnissen jedes einzelnen Patienten
orientiert und andererseits die daraus abgeleiteten Erkenntnisse in fallübergreifende Versor-
gungsnetzwerke integriert, die die spätere Zusammenarbeit zwischen Institutionen erleich-
tern sollen – (Vgl.: B. Braun Melsungen 2012, 3.)
Abb. 19: Prozessbetrachtung Fallmanagement
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 19 ist ein Versuch, das Fallmanagement der DM II Versorgung bildlich darzustel-
len. Der Hausarzt stellt in diesem Szenario die erste Anlaufstelle dar. Hier erfolgt eine Erst-
beratung bzw. eine Bestandsaufnahme. Nach einer ersten Untersuchung und der Diagnose-
stellung wird gemeinsam mit dem Patienten geklärt, welche Akteure noch in der Betreuung
notwendig sind. Das Problem, in diesem Fall DM II, wird analysiert und mit dem Betroffenen
werden die Ziele besprochen. Die Kontaktaufnahme und das Terminisieren erfolgen wiede-
rum beim Hausarzt. Nach einer erfolgreichen Vernetzung aller Akteure wird die Patientenkar-
riere evaluiert und bewertet. Je nach Bedarf müssen noch weitere Akteure in die Behandlung
involviert werden. Zusammenfassend nochmals die einzelnen Schritte im Überblick:
• Erstberatung: Bestandsaufnahme
• Analyse/Einschätzung: Problem- und Ressourcenanalyse
• Hilfe-/Förder-/Pflegebedarf: Gemeinsame Klärung der Ziele des Klienten
__________________________________________________________________________95
• Hilfe-/Förder-/Pflegebedarf: Auswahl und Festlegung der Hilfen, Kontakt zu ande-
ren Leistungsanbietern
• Monitoring: Vernetzen der Maßnahmen, Überprüfen
• Abschluss, Evaluation: Bewertung aller Beteiligter, bei Bedarf Vermittlung der Kli-
enten in andere Hilfen (vgl. Gembris u.a. 2014, 19ff)
Akteure wie die Gebietskrankenkasse wurden bewusst nicht in die Abbildung 19 mit aufge-
nommen, da sie für das Fallmanagement nur im Hintergrund als Finanzier agieren.
7.4 Anhaltende Veränderung
Eine anhaltende Veränderung ist nur dann möglich, wenn es gelingt, das Bewusstsein für die
aktuellen Probleme in der DM II Versorgung zu schärfen und vor allem das Gesundheitsver-
halten der Betroffenen zu ändern. Mit den in diesem Kapitel ausgearbeiteten Handlungsemp-
fehlungen und „Quick wins“ mit dem Fokus Fallmanagement sind die Grundlagen für eine
Roadmap zur nachhaltigen Verbesserung der Versorgung von DM II Patienten gelegt. Nicht
nur die öffentliche Hand gemeinsam mit der Ärztekammer und den Krankenkassen sind ge-
fordert, neuen Versorgungsmöglichkeiten den nötigen Raum sowie die benötigten finanziel-
len Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sondern auch die Ärzte in den Einzelpraxen kön-
nen mit einfachen Mitteln sehr viel erreichen.
__________________________________________________________________________96
8 Resümee
Im Zuge der Recherchen für die vorliegende Arbeit – sei es in der Literatur oder „im Feld“ bei
den Experteninterviews, ergab sich immer wieder das gleiche Bild: Es steht außer Frage,
dass die österreichische Primärversorgung gut aufgestellt ist und die Behandlung von Pati-
enten mit DM II funktioniert. Jedoch sind gerade am Land die Wege weiter bzw. ist eine Ver-
sorgung aus einer Hand nicht möglich, was gerade bei einer komplexen, chronischen Er-
krankung wie DM II es noch schwieriger macht, die Patienten zu motivieren und für langfris-
tige Compliance zu sorgen. Und vor allem städtische Patienten suchen schon bei leichten
medizinischen Problemstellungen aufgrund der einfachen Erreichbarkeit die Spitalsambulan-
zen auf. Aus der Literatur geht hervor, dass dieses Phänomen bei jedem zweiten Österrei-
cher auftritt, wodurch knappe medizinische Ressourcen verbraucht und ineffiziente Behand-
lungsabläufe generiert werden.
Auf Basis der Experteninterviews konnte ein optimaler Versorgungsprozess für die Behand-
lung und Betreuung von DM II Patienten gezeichnet werden. Darüber hinaus wurden die Er-
gebnisse genutzt, um eine Mindmap zu erstellen. Sie soll ein möglicher Wegweiser sein, wie
die Versorgung und Betreuung von DM II Patienten aussehen kann bzw. zeigen, wie das
Auftreten von DM II durch die Stärkung der Gesundheitskompetenz und den Ausbau präven-
tiver Maßnahmen minimiert werden kann.
Für die Umsetzung sind alle Beteiligten gefordert, gemeinsam mit geeigneten Maßnahmen
diese optimale Versorgung anzustreben bzw. aufzubauen.
Viele Konzepte wie z.B. das Styriamed.net in der Steiermark, haben zum Ziel, eine Vernet-
zung aller Akteure in den Regionen zu forcieren, um eine gute Versorgung der Bevölkerung
zu sichern. Auch das PHC-Konzept geht in diese Richtung und hilft möglicherweise mit, Ärz-
te in die unterversorgten ländlichen Regionen zu bringen.
All diese Änderungen finden teilweise bereits ihren Weg in die Praxis. Als Beispiele sind das
PVZ Mariahilf und Enns genannt. Regelmäßiges Monitoring und Datenauswertung bei den
bestehenden Projekten hilft ebenfalls mit, eine nachhaltige Veränderung in der österreichi-
schen Primärversorgung herbeizuführen.
__________________________________________________________________________97
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al:componentId=gtn94d19ce8-cfd5-4d0c-95f7-e78b51f9bb1a&viewmode=content (Stand
21.08.2017)
__________________________________________________________________________103
ELGA GmbH 2017: ELGA die elektronische Gesundheitsakte
https://www.elga.gv.at/elga-die-elektronische-gesundheitsakte/elga-im-ueberblick/index.html
(Stand 07.12.2017)
__________________________________________________________________________
Gesundheitsziele Österreich 2017a: Entstehung und Umsetzung
https://gesundheitsziele-oesterreich.at/entstehung-und-umsetzung/ (Stand 07.12.2017)
__________________________________________________________________________
Gesundheitsziele Österreich 2017b: Gesundheitsziele
https://gesundheitsziele-oesterreich.at/gesundheitsziele/ (Stand 07.12.2017)
__________________________________________________________________________
Joanneum Research 2017: Konzepterstellung für Disease Management in Österreich
https://www.joanneum.at/health/referenzprojekte/ehealth-und-
gesundheitswissenschaften/konzepterstellung-fuer-disease-management-in-oesterreich.html
(Stand 29.09.2017)
__________________________________________________________________________
Netdoktor 2017: Typ 2 Diabetes (Diabetes mellitus Typ 2, Typ-2-Diabetes)
http://www.netdoktor.at/krankheit/diabetes-typ-2-7446 (Stand: 17.06.2017)
__________________________________________________________________________
Oberösterreichische Arbeiterkammer 2017:
https://ooe.arbeiterkammer.at/beratung/konsumentenschutz/konsumentenrecht/Patientenrec
hte.html (Stand: 03.06.2017)
__________________________________________________________________________
Oegkv 2017: Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband – Primary Health
Care in Österreich,
https://www.oegkv.at/fileadmin/user_upload/ANDA/MTA_06_2014_s15.pdf
(Stand: 14.06.2017)
__________________________________________________________________________
Pröll, Regina: Hausärzte-Sterben bis 2020: Mediziner schlagen Alarm, in: Die Presse 2011,
http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/708944/HausaerzteSterben-bis-
2020_Mediziner-schlagen-Alarm (Stand: 03.06.2017)
__________________________________________________________________________104
Socialist Health Association (SHA): Interim Report on the Future Provision of Medical and
Allied Services 1920 (Lord Dawson of Penn),
https://www.sochealth.co.uk/national-health-service/healthcare-generally/history-of-
healthcare/interim-report-on-the-future-provision-of-medical-and-allied-services-1920-lord-
dawson-of-penn/ (Stand 22.06.2017)
__________________________________________________________________________
Statistik Austria 2017a: Spitalsentlassungen gesamt.
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/stationaer
e_aufenthalte/spitalsentlassungen_gesamt/index.html (Stand: 12.06.2017)
__________________________________________________________________________
Statistik Austria 2017b: Überblick - Gesundheitsausgaben in Österreich laut System of
Health Accounts (SHA) 1) 1990 - 2015, in Mio. Euro
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/gesundhe
itsausgaben/019701.html (Stand: 10.06.2017)
__________________________________________________________________________
SV (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger) 2017a: Populati-
onsbezogene Versorgungsmodelle – eine Standortbestimmugn,
http://www.hauptverband.at/portal27/hvbportal/content?contentid=10007.694639&viewmode
=content (Stand 29.09.2017)
__________________________________________________________________________
SV. (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger) 2017b: Disease
Management in Österreich,
http://www.hauptverband.at/portal27/hvbportal/content?contentid=10007.696632&viewmode
=content (Stand 05.10.2017)
__________________________________________________________________________
VersorgungsLeitlinien.de, 2017: Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien
http://www.leitlinien.de/nvl/diabetes (Stand: 12.12.2017)
__________________________________________________________________________105
WHO 2017a: Erklärung von Alma-Ata 1978,
http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0017/132218/e93944G.pdf?ua=1
(Stand: 17.06.2017)
__________________________________________________________________________
WHO 2017b: ICD-10 Version:2016, http://apps.who.int/classifications/icd10/browse/2016/en
(Stand: 21.04.2017)
__________________________________________________________________________106
Anhang
Interviewleitfaden PHC Team Mariahilf
Fragestellung:
„Wie definiert sich eine optimale primäre Gesundheitsversorgung im urbanen Raum am Bei-
spiel der integrierten Versorgung von DM II Patienten im PHC Mariahilf?“
Interviewleitfaden – PHC Team Mariahilf
Interviewnummer:
Name:
Ort:
Datum:
Dauer:
Begrüßung
• Wie nehmen Sie diese Themenfelder und die damit verbundenen Diskussionen rund
um das PHC war?
• Inwieweit sind Sie durch diese Themenfelder betroffen?
Zielsetzung:
• Wie definieren Sie eine optimale Primärversorgung am Beispiel DM II Patienten im
urbanen Raum?
Komplikationsrate bei DM II in Ö im Vergleich sehr hoch.
__________________________________________________________________________
Ist-Situation:
• Wie viele DM II Patienten im Therapie Aktiv Programm versorgen Sie zurzeit im PHC
Mariahilf?
o Welche Maßnahmen des PHC´s Mariahilf nehmen diese in Anspruch?
Ziele Monitoring Prävention Anamnese Diagnose Therapie Verlauf
__________________________________________________________________________107
o Welche Leistungen werden außerhalb des PHC´s in Anspruch genommen?
• Was finden Sie an der derzeitigen Versorgung von DM II im PHC Mariahilf besonders
gut?
o Was kann/muss bezüglich Health Professionals, Angebote, Therapie, Kom-
munikation und Dokumentation verbessert werden?
• Mit welchen externen Schnittstellen arbeiten sie in der DM II Versorgung eng zu-
sammen bzw. ist eine Zusammenarbeit notwendig?
• Von wie vielen DM II Neuerkrankungen pro Jahr kann man ausgehen?
• Wie wird DM II bei Ihnen diagnostiziert?
o Was sind bei Ihnen die häufigsten Indikatoren zur Diagnose von DM II?
o Welche Schritte setzen Sie zur Frühdiagnose?
• Wie lange dauert der Prozess von Erstdiagnose bis zur optimalen Einstellung?
o Welche Schritte werden gesetzt?
o Wie sichern Sie die Kontinuität im Behandlungsverlauf?
• Werden in der Behandlung, im Sinne einer optimalen Patientenversorgung, soge-
nannte Disease Management Programme verwendet? Wenn „Ja“ welche?
• Wie empfinden Sie die Compliance der Patienten?
o Welche Maßnahmen haben Sie schon gesetzt, um die Compliance zu erhö-
hen? (Patienten, Schnittstellen, ...)
Zufriedenheit:
• Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit den externen Schnittstellen?
Skala: sehr zufrieden 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 gar nicht zufrieden
o Wie zufrieden sind Sie mit dem Rücklauf der Behandlungsinformationen?
Skala: sehr zufrieden 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 gar nicht zufrieden
• Wieviel Zeit können Sie sich für den jeweiligen Patienten nehmen?
__________________________________________________________________________108
o Wieviel würden Sie sich gerne nehmen?
o Welche zusätzlichen Dinge würden Sie gerne mit einem Patienten bespre-
chen, wenn Sie genug Zeit hätten?
Herausforderungen:
• Welche Spätfolgen/Komplikationen treten in der aktuellen Versorgung auf?
o Komplikationen in Bezug auf den Krankheitsverlauf?
o Komplikationen bei der Medikation?
o Komplikationen bei den Spätfolgen?
o Komplikationen in Bezug auf die Complaince der Patienten?
• Wie behandeln Sie diese im multiprofessionellen Team?
• Lassen sie sich mit den momentan vorhandenen Mitteln überhaupt versorgen?
• Welche speziellen Herausforderungen sehen Sie in der urbanen Versorgung hinsicht-
lich:
o Zugang zu medizinischen Leistungen?
o Terminierung bei Health Professionals
o Prävention und Eigenverantwortung der Patienten?
o Umwelt
__________________________________________________________________________
Soll-Situation:
• Welche Maßnahmen würden Sie gerne setzen, um die Compliance zu erhöhen? (Pa-
tienten, Schnittstellen, ...)
• Wie muss das PHC in Mariahilf hinsichtlich:
o Struktur
o Prozesse
o Team
ausgestaltet sein um eine bestmögliche Patientenversorgung im Hinblick auf DM II si-
cherzustellen?
Lösungsansätze:
• Kennen Sie andere Modelle der Patientenversorgung?
• Was würde es aus Ihrer Sicht (als Arzt, Pflegeperson, Sprechstundenhilfe) brauchen,
um die Versorgung zu verbessern?
__________________________________________________________________________109
• Sind Vernetzungen mit nichtmedizinischen Health Professionals geplant? Wenn ja
mit welchen?
o Ziele der Erweiterung?
• Sind Erweiterungen des PHC Teams geplant? Wenn ja welche?
Erwartungen:
• Welche Erwartungen haben Sie an das PHC-Konzept? (Verbesserung Gesundheits-
zustand, Synergieeffekt, Entlastung der Verwaltung, Verbesserung der Versorgungs-
qualität)
Interviewleitfaden Hausarzt
Fragestellung:
„Optimale primäre Gesundheitsversorgung im regionalen Versorgungsnetzwerk hinsichtlich
der Integrierten Versorgung am Beispiel von Diabetes mellitus Typ II
Interviewnummer:
Name:
Ort:
Datum:
Dauer:
Begrüßung
• Wie nehmen Sie diese Themenfelder und die damit verbundenen Diskussionen rund
um das PHC war?
• Inwieweit sind Sie durch diese Themenfelder betroffen?
Zielsetzung:
• Wie definieren Sie eine optimale Primärversorgung am Beispiel DM II Patienten im
regionalen Versorgungsnetzwerk?
Komplikationsrate bei DM II in Ö im Vergleich sehr hoch.
__________________________________________________________________________
Ziele Monitoring Prävention Anamnese Diagnose Therapie Verlauf
__________________________________________________________________________110
Ist-Situation:
• Was finden Sie an der derzeitigen Versorgung von DM II in ihrer Ordination beson-
ders gut?
o Was kann/muss bezüglich Health Professionals, Angebote, Therapie, Kom-
munikation und Dokumentation verbessert werden?
• Mit welchen externen Schnittstellen arbeiten sie in der DM II Versorgung eng zu-
sammen bzw. ist eine Zusammenarbeit notwendig?
• Von wie vielen DM II Neuerkrankungen pro Jahr kann man ausgehen?
• Wie wird DM II bei Ihnen diagnostiziert?
o Was sind bei Ihnen die häufigsten Indikatoren zur Diagnose von DM II?
o Welche Schritte setzen Sie zur Frühdiagnose?
• Wie lange dauert der Prozess von Erstdiagnose bis zur optimalen Einstellung?
o Welche Schritte werden gesetzt?
o Wie sichern Sie die Kontinuität im Behandlungsverlauf?
o
• Werden in der Behandlung, im Sinne einer optimalen Patientenversorgung, soge-
nannte Disease Management Programme verwendet? Wenn „Ja“ welche?
• Wie viele DM II Patienten im Therapie Aktiv Programm versorgen Sie zurzeit in Ihrer
Ordination?
o Welche Maßnahmen nehmen diese in Anspruch?
o Welche Leistungen werden außerhalb der Ordination in Anspruch genom-
men?
• Wie empfinden Sie die Compliance der Patienten?
o Welche Maßnahmen haben Sie schon gesetzt, um die Compliance zu erhö-
hen? (Patienten, Schnittstellen, ...)
Zufriedenheit:
• Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit den externen Schnittstellen?
Skala: sehr zufrieden 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 gar nicht zufrieden
__________________________________________________________________________111
o Wie zufrieden sind Sie mit dem Rücklauf der Behandlungsinformationen?
Skala: sehr zufrieden 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 gar nicht zufrieden
• Wieviel Zeit können Sie sich für den jeweiligen Patienten nehmen?
o Wieviel würden Sie sich gerne nehmen?
o Welche zusätzlichen Dinge würden Sie gerne mit einem Patienten bespre-
chen, wenn Sie genug Zeit hätten?
Herausforderungen:
• Welche Spätfolgen/Komplikationen treten in der aktuellen Versorgung auf?
o Komplikationen in Bezug auf den Krankheitsverlauf?
o Komplikationen bei der Medikation?
o Komplikationen bei den Spätfolgen?
o Komplikationen in Bezug auf die Complaince der Patienten?
• Wie behandeln Sie diese?
• Lassen sie sich mit den momentan vorhandenen Mitteln überhaupt versorgen?
• Welche speziellen Herausforderungen sehen Sie im regionalen Versorgungsnetzwerk
hinsichtlich:
o Zugang zu medizinischen Leistungen?
o Terminierung bei Health Professionals
o Prävention und Eigenverantwortung der Patienten?
o Umwelt
__________________________________________________________________________
Soll-Situation:
• Welche Maßnahmen würden Sie gerne setzen, um die Compliance zu erhöhen? (Pa-
tienten, Schnittstellen, ...)
• Wie muss ein regionales Versorgungsnetzwerk hinsichtlich:
o Struktur
o Prozesse
o Team
ausgestaltet sein um eine bestmögliche Patientenversorgung im Hinblick auf DM II si-
cherzustellen?
__________________________________________________________________________112
Lösungsansätze:
• Kennen Sie andere Modelle der Patientenversorgung?
• Was würde es aus Ihrer Sicht (als Arzt, Pflegeperson, Sprechstundenhilfe) brauchen,
um die Versorgung zu verbessern?
• Sind Vernetzungen mit nichtmedizinischen Health Professionals geplant? Wenn ja
mit welchen?
o Ziele der Erweiterung?
Erwartungen:
• Welche Erwartungen haben Sie an das PHC-Konzept? (Verbesserung Gesundheits-
zustand, Synergieeffekt, Entlastung der Verwaltung, Verbesserung der Versorgungs-
qualität)