pathologie des morbus paget · after osteoporosis. genetic factors are in the centre of the latest...

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P.b.b. GZ02Z031108M, Verlagspostamt: 3002 Purkersdorf, Erscheinungsort: 3003 Gablitz Homepage: www .kup.at/ mineralstoffwechsel Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche P.b.b. GZ02Z031108M, Verlagspostamt: 3002 Purkersdorf, Erscheinungsort: 3003 Gablitz Indexed in SCOPUS/EMBASE/Excerpta Medica www.kup.at/mineralstoffwechsel Österreichische Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie Offizielles Organ der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des Knochens und Mineralstoffwechsels Member of the Pathologie des Morbus Paget Sulzbacher I Journal für Mineralstoffwechsel & Muskuloskelettale Erkrankungen 2012; 19 (2), 63-66

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Offizielles Organ derÖsterreichischen Gesellschaftzur Erforschung des Knochens

und Mineralstoffwechsels

Member of the

Pathologie des Morbus Paget

Sulzbacher I

Journal für Mineralstoffwechsel &

Muskuloskelettale Erkrankungen

2012; 19 (2), 63-66

T h o m a s S t a u d i n g e r

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J MINER STOFFWECHS 2012; 19 (2) 63

Kurzfassung: Der Morbus Paget (MP) ist einefortschreitende, mono- oder polyostotische Kno-chenerkrankung mit pathologischem Remodeling,gekennzeichnet durch umschriebenen Knochen-abbau mit Riesenosteoklasten und darauffolgen-dem unkoordiniertem Knochenaufbau. Die Er-krankung tritt generell nach dem 50. Lebensjahrauf und entspricht nach der Osteoporose derzweithäufigsten metabolischen Osteopathie. ImMittelpunkt der heutigen ätiopathogenetischenÜberlegungen stehen genetische Veränderungen,und zwar Mutationen, welche den osteoklastärenRANK-NF-κB-Signalweg beeinträchtigen, sowohlbei Patienten mit familiärem als auch sporadi-schem MP. Inwieweit diese Mutationen eine

kausale Rolle spielen oder lediglich zu einer ge-steigerten bzw. abnormen Suszeptibilität gegen-über Umweltfaktoren wie Viren und anderen exo-genen Noxen führen, bleibt jedoch weiter zu klä-ren.

Schlüsselwörter: Osteoklast, Pathogenese, Mu-tation

Abstract: Pathology of Paget’s Disease.Paget’s disease of bone (PDB) is a mono- or poly-ostotic bone disease with pathological boneremodeling characterized by primary boneresorption with giant osteoclasts and followed

by exaggerated bone formation. The diseasedevelops generally after the age of 50 and itpresents the second most common bone diseaseafter osteoporosis. Genetic factors are in thecentre of the latest research, finding mutationswhich are linked to the RANK-NF-κB signallingpathway in osteoclasts in patients with familiarand sporadic PDB. However, it remains to beclarified if the mutations are of causal meaningin the pathogenesis or if they rather represent anabnormal susceptibility against environmentalfactors such as viruses or other exogenous noxa.J Miner Stoffwechs 2012; 19 (2): 63–6.

Key words: osteoclast, pathogenesis, mutation

Pathologie des Morbus PagetI. Sulzbacher

!!!!! Einleitung

Der Morbus Paget (MP), benannt nach seinem Erstbeschrei-ber Sir James Paget, wurde 1877 erstmals als Knochenerkran-kung definiert und vom Autor als „Osteitis deformans“ in derLiteratur bezeichnet [1]. Aufgrund der Beobachtung über 2 De-kaden eines speziellen männlichen Patienten mit Knochen-schmerzen der unteren Extremitäten sowie Deformierung derBeine und Zunahme des Schädelumfanges wurde von Sir Pagetein chronischer Entzündungsprozess des Knochens als Ätio-pathogenese suspiziert und somit die Erkrankung als „-itis“deklariert. 135 Jahre später ist die Ätiopathogenese immer nochnicht klar, aber wissenschaftliche Ergebnisse der vergangenenJahrzehnte eröffneten neue Einsichten und spannen einen wei-ten ursächlichen Bogen über Umwelteinflüsse und virale In-fekte bis zu genetischen Faktoren, wobei letztere von zuneh-mender Bedeutung sind, schon in Hinblick auf Entwicklungund Anwendung neuer therapeutischer Strategien.

Heute wird der MP als progressive, mono- oder polyostotischemetabolische Osteopathie definiert, mit massiver Knochenre-sorption durch Riesenosteoklasten gefolgt von unkoordinierterKnochenneubildung mit reduzierter biomechanischer Stabilität.Eine besondere Auffälligkeit ist das umschriebene Auftretenin einer oder mehreren Skelettregionen, ohne jemals zu gene-ralisieren. Die Symptomatik geht mit Schmerzen in denbetroffenen Skelettabschnitten und Deformitäten einher, dieschließlich zu Frakturen, Osteoarthrose, Nervenkompressio-nen und Taubheit führen können. Die wohl meistgefürchteteFolge ist das Paget-Sarkom, welches nach Jahren der Krank-heit als hochmalignes Osteosarkom entstehen kann [2]. Diemaligne Transformation tritt bei ca. 0,3 % der Patienten auf[3]. Es ist jedoch hervorzuheben, dass bei einem Großteil der

Eingelangt und angenommen am 19. August 2011

Aus dem Klinischen Institut für Pathologie, Medizinische Universität Wien

Korrespondenzadresse: a. o. Univ.-Prof. Dr. Irene Sulzbacher, Klinisches Institutfür Pathologie, Medizinische Universität Wien, A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18–20; E-Mail: [email protected]

Patienten die Krankheit symptomlos verläuft. Die monostoti-sche Form befällt vorrangig Becken, Femur oder Tibia, wäh-rend bei polyostotischem Auftreten Schädel, Wirbelsäule, Be-cken und Femur betroffen sein können. Der MP tritt selten vordem 50. Lebensjahr auf und die Prävalenz steigt mit zuneh-mendem Alter. Es zeigt sich eine relativ gleichmäßige Ge-schlechtsverteilung mit geringer männlicher Prädominanz.

Die höchste Erkrankungsrate zeigt Großbritannien, gefolgt vonNeuseeland, der USA und den Ländern Westeuropas, wobeider MP bei Afrikanern und Asiaten eine extreme Seltenheit dar-stellt. In Deutschland wird eine Prävalenz von 1,8–3 % ange-geben. Somit ist der MP nach der Osteoporose die zweithäu-figste metabolische Osteopathie [4].

!!!!! Diagnostik des Morbus Paget

Die Diagnose des MP ist primär durch Radiologie und Labor-untersuchungen gegeben. Das herkömmliche Röntgen zeigtanfangs osteolytische Veränderungen mit V-förmigen Osteo-lysen im Bereich der medio-anterioren Diaphyse der langenRöhrenknochen und umschriebene Aufhellungszonen im Bereichdes Schädels, bezeichnet als „Osteoporosis circumscripta“. Esfolgen sklerosierende Veränderungen mit Knochenvergröße-rung und Verbreiterung der Kortikalis. Eine Ganzkörper-Kno-chenszintigraphie kann für asymptomatische sowie für symp-tomatische Patienten herangezogen werden, um das Ausmaßder Erkrankung zu erfassen [5].

Noch immer ist in der täglichen Routine die Bestimmung derAktivität der alkalischen Phosphatase im Serum der beste Mar-ker für Diagnose und Verlaufskontrolle der Erkrankung. DasAusmaß des Anstieges spiegelt die erhöhte metabolische Akti-vität und somit das Ausmaß der Erkrankung wider. Zuletzt er-folgt die histologische Sicherung der Diagnose durch eineBiopsie des befallenen Skelettabschnittes. Nach der Entnah-me eines Knochenstanzzylinders erfolgt die Aufarbeitung imLabor, wobei das Knochengewebe unentkalkt darzustellen ist,um im herkömmlichen Lichtmikroskop noch den Unterschied

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zwischen mineralisiertem Knochen und Osteoid zu erkennen.Hierfür erfolgt die Einbettung des Knochens in Kunststoff mitlangsamer Aushärtung. Mittels Spezialmikrotomen kann ein3 µm dünner Schnitt hergestellt werden, welcher mit Goldner-Lösung gefärbt wird, wobei man mit dieser Färbung die klas-sische rot-grüne Darstellung des Knochens erhält (Abb. 1). EineEntkalkung mit Chelatbildner (EDTA) und Paraffineinbettungmit Standard-Hämatoxilin-Eosin-Färbung lässt den Unter-schied zwischen Osteoid und mineralisiertem Knochen nichtmehr erkennen, hat aber den Vorteil der besseren Zellmorpho-logie.

!!!!! Histologie des Morbus Paget

Normaler KnochenumbauDas Skelett eines Erwachsenen unterliegt einem stetigen Um-bau, hervorgerufen durch das Zusammenspiel von Osteoklas-ten und Osteoblasten. Dieses Remodeling findet an kleinenEinheiten, so genannten „bone metabolic units“, statt, einge-leitet durch die Abbautätigkeit der Osteoklasten und gekop-pelt an die darauffolgende Knochenmatrixproduktion durchOsteoblasten. Auf diese Weise erfährt das gesamte humaneSkelett einen vollständigen Umbau binnen 2–4 Jahren [6].

Osteoklasten sind multinukleäre Zellen und entstehen durchFusion aus mononukleären Vorläuferzellen des Makrophagen-systems. Sie sind mobil und heften sich mit einer ringförmigenAußenzone am Knochengewebe an, um mithilfe eines zentralzum Knochen hin gelegenen Bürstensaumes Knochensubstanzabzubauen. Ein wesentlicher Faktor der Osteoklastenaktivie-rung ist RANKL („Receptor Activator of NF-κB Ligand“), einProtein aus der Tumornekrosefaktor-Familie. Hormone wieParathormon und 1,25-Dihydroxycholecalciferol oder auchZytokine wie IL-1 und IL-11 bewirken indirekt eine Stimulie-rung der Osteoklasten durch Anbinden an Knochenmarkstroma-zellen bzw. Osteoblasten, was zu einer Expression von RANKLan deren Oberflächen führt. RANKL bindet schließlich an denRezeptor des Präosteoklasten RANK. Intrazellulär kommt esjetzt zu einer Aktivierung einer Reihe von Signalwegen wieNF-κB, AKT, JNK, p38, MAPK und ERK. Jeder dieser Sig-

nalwege spielt eine Rolle für die Reifung, die Funktion unddas Überleben der Osteoklasten [7]. Die große Bedeutung desRANKL-Proteins in der Osteoklastogenese wurde in zahlrei-chen Studien belegt. Das Ausschalten des RANKL-Signalwe-ges bei Mäusen führt immer zu schwerer Osteopetrose, eineErkrankung mit pathologischer Anhäufung von Knochenma-trix [8, 9]. Des Weiteren sind für die Funktion der Osteoklastenauch Signalwege über c-src und c-fos sowie Zytokine wie TNFund IL-1 von Bedeutung.

Sobald die Aktivität der Osteoklasten beendet ist, werden Prä-osteoblasten aus Knochenmarkstromazellen rekrutiert. Sie be-siedeln den Boden der Resorptionslakune und differenzierensich zu reifen Osteoblasten mit Knochenmatrixproduktion. AlsOsteozyten verbleiben sie schließlich in kleinen Lakunen inden reifen mineralisierten Lamellenknochen eingemauert. Es-senzielle Regulatoren der Osteoblastenreifung sind „bonemorphogenetic protein“, „insulin-like growth factors“, „fibro-blast growth factors“ und „platelet-derived growth factors“sowie Transkriptionsfaktor RUNX-2. Bei letzterem konnte ineinem Mäusemodell gezeigt werden, dass sich Knochen beiFehlen dieses Proteins nicht entwickelt [10].

Pathologischer Knochenumbau bei Morbus PagetDie primär pathologisch veränderte Zelle beim MP ist der Osteo-klast. Es finden sich so genannte Riesenosteoklasten (Abb. 2) inhoher Zahl mit bis zu 100 Zellkernen. Im Vergleich dazu enthältein regulärer Osteoklast 3–20 Zellkerne. Die Paget-Osteo-klasten sind zur Knochendissektion befähigt, auch eine Inkor-poration von Knochenfragmenten in das Zytoplasma der Osteo-klasten kann elektronenmikroskopisch gesehen werden. Einweiteres Merkmal des Paget-Osteoklasten sind parakristallineEinschlüsse in den Zellkernen, welche viralen Nukleokapsidensehr ähnlich sind [11]. Diese Einschlüsse sind nur in Paget-Osteoklasten und in keinen anderen Knochenzellen zu finden.

Auch Osteoklastenvorläufer aus dem Makrophagensystem zei-gen beim MP abnormes Verhalten. In-vitro-Studien mit Knochen-marksproben aus befallenen Skelettabschnitten konnten deutli-che Unterschiede zwischen Paget-Präosteoklasten und regulärenOsteoklastenvorläufern aufzeigen. Der Paget-Präosteoklast re-agiert hypersensibel auf wesentliche Osteoklasten-Stimulatoren

Pathologie des Morbus Paget

Abbildung 1: In der Goldner-Färbung am unentkalkten Knochenmaterial zeigt sichein reifer Lamellenknochen grün und das von Osteoblasten (OB) in eine Lakune de-ponierte Osteoid rot. Zusätzlich typische Riesenosteoklasten (OK) in einer tiefenLakune (Vergrößerung × 200).

Abbildung 2: Riesenosteoklasten (OK) an der Bälkchenoberfläche (H&E-Färbungnach Entkalkung, Vergrößerung × 400).

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wie RANKL [12] oder 1,25-(OH)2D3 [13]. Präosteoklasten ausPaget-Herden reifen in Kultur zu Osteoklasten bei 10–100-fachniedrigerer Konzentration dieser Stimulatoren im Vergleich zuregulären Präosteoklasten. Des Weiteren zeigen Paget-Präosteo-klasten einen erhöhten Spiegel an TAFII-17, ein Bestandteil desTAFIID-Transkriptionsfaktor-Komplexes, der den Vitamin-D-Rezeptor bindet, im Vergleich zu normalen Osteoklastenvor-läufern. Der erhöhte TAFII-17-Spiegel könnte für die Hyper-sensivität der Paget-Präosteoklasten gegenüber 1,25-(OH)2D3

verantwortlich sein [14].

Die initiale Phase der Erkrankung ist durch übermäßigen Kno-chenabbau in einer umschriebenen Region durch Riesenosteo-klasten gekennzeichnet (Abb. 2). Diese Osteoklasten verursa-chen an den Bälkchenoberflächen tiefe Resorptionslakunen vonschwalbenschwanzartiger Form. Es folgt darauf ein unregelmä-ßiger Knochenanbau mit vielen morphologisch regulären Osteo-blasten (Abb. 1). Sie deponieren in die Lakunen übermäßigOsteoid, welches teils zu Geflechtknochen mineralisiert. Derresultierende Knochen zeigt somit ein mosaikähnliches Mustermit vielen girlandenartigen Kittlinien, welche die ehemaligenAbbauzonen markieren (Abb. 3). Der angrenzende Markraumist deutlich faservermehrt mit einzelnen Lymphozyten. DieMosaikstruktur ist ein uncharakteristischer morphologischer Be-fund, welcher auch bei vielen anderen stark gesteigerten Kno-chenumbauvorgängen zu sehen ist. Das diagnostische Kriteriumist somit der Riesenosteoklast, welcher mindestens 12 Kerneaufweisen muss. In einer rezenten Studie unter Verwendung desHamburger Knochenregisters wurden histomorphometrischeVermessungen an Knochenbiopsien von über 200 Paget-Patien-ten durchgeführt und es konnte gezeigt werden, dass der massi-ve Umbau mit erhöhter Osteoklasten- und Osteoblastentätigkeitschließlich zu einer deutlichen Erhöhung des Knochenvolumensin den befallenen Skelettabschnitten führt [15].

!!!!! Pathogenese des Morbus Paget

Genetische FaktorenIm Mittelpunkt der genetischen Veränderungen steht dasSQSTM1-Gen, da Mutationen dieses Gens bei Patienten mitfamiliären MP und auch bei sporadischen Fällen gefunden

werden, nicht aber bei gesunden Kontrollen. Den ersten Hinweisdarauf lieferte eine Studie aus 2002 mit dem Nachweis einerPunktmutation (P392L) in SQSTM1, lokalisiert am Chromo-som 5q35, in 2 französisch-kanadischen Familien und einigensporadischen Fällen [16]. SQSTM1 kodiert für das p62-Prote-in, auch bekannt als Sequestosom1, welches als Ubiquitin-Bin-dungsprotein eine erhebliche Rolle bei den IL-1-, TNF- undRANKL-mediierten Signalwegen hat. Das p62-Protein inter-agiert mit TRAF6 in Osteoklasten nach seiner Aktivierungdurch RANKL [17] und daraus resultiert schließlich die Akti-vierung von NF-κB und NFATc1-Transkriptionsfaktor. Esfolgte eine Reihe von Arbeiten, in denen weitere Mutationenbetreffend p62 in Fällen mit familiärem und sporadischem MPentdeckt wurden [18, 19]. Auffällig ist, dass es sich bei den be-schriebenen SQSTM1-Keimbahnmutationen um „missense“-Mutationen mit der Folge von Rumpfproteinen handelt, wel-che die Bedeutung des NF-κB-Signalweges hervorheben [20].Sie finden sich entweder in der Nachbarschaft oder in der c-terminalen Region des SQSTM1/p62-Proteins entsprechend derUbiquitin-assoziierten Domäne. Somit bedeutet eine Verände-rung dieser Domäne einen Entwicklungsschritt in Richtung MP[18, 21]) mit einem gestörtem RANK-NF-κB-Signalweg [22].Eine Überexpression des SQSTM1/p62-Proteins in Osteoklastenvon Paget-Patienten induziert eine Störung der durch RANKLaktivierten Signalwege und resultiert in gesteigerter Osteo-klastenaktivität.

Das p62-Protein spielt zusätzlich eine Rolle bei der Modulationvon Effekten weiterer inflammatorischer Zytokine wie IL-1oder TNF-α durch intrazelluläre Wechselwirkung mit p38 undder nukleären Translokation von β-Katenin [23].

Aufgrund der Annahme, dass der gestörte RANK-NF-κB-Sig-nalweg in Osteoklasten im Mittelpunkt der Pathogenese desMP steht, werden auch Mutationen des TNFRSF11A-Gens,welches für den Rezeptor RANK kodiert, mit der Entstehungdes Morbus Paget in Zusammenhang gebracht. Die mutiertenRANK-Formen sollen zu einer verstärkten Aktivierung des NF-κB-Signalweges führen und damit zu einer erhöhten Resorp-tionsaktivität der Osteoklasten. Diese Überlegung ist jedochbisher noch sehr vage, da beim klassischen MP Mutationen desRANK-Gens bisher nicht belegt sind. Dafür wurden aber fürdie mit variabler Penetranz autosomal dominant vererbtenErkrankungen „Familial Expansile Osteolysis“, „ExpansileSkeletal Hyperplasia“ sowie „Early Onset Paget Disease“ Ver-änderungen in dem für die Signalsequenz kodierenden Ab-schnitten des RANK-Gens auf Chromosom 18q22 beschrie-ben [24, 25]. Diese Krankheitsbilder sind vom klinischen Bildund teils auch histologisch dem MP sehr ähnlich, sodass sichernoch weitere Untersuchungen des RANK-Gens beim MP zuerwarten sind.

Ein weiteres Gen von Interesse ist TNFRSF11B, welches fürOsteoprotegerin kodiert. Dieses Protein dient als Rezeptor fürRANKL und reduziert die Bildung von Osteoklasten, indemdie Anbindung von RANKL an RANK-Rezeptor der Osteo-klasten unterbunden wird. Mutationen im Gen für Osteoprote-gerin sind für die autosomal rezessiv vererbte idiopathischeHyperphosphatasie als juvenile Form des Morbus Paget ge-funden worden [26], wobei bislang jedoch noch keine Verän-derungen dieses Gens beim herkömmlichen MP beschriebenworden sind.

Pathologie des Morbus Paget

Abbildung 3: Der typische Mosaikknochen mit den dunklen Kittlinien (K) nachdeutlichem Umbau (H&E-Färbung nach Entkalkung, Vergrößerung × 200).

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Die autosomal dominant erbliche „Einschlusskörper-Myo-pathie mit Paget-Erkrankung des Knochens und frontotempo-raler Demenz“ ist eine sehr seltene Störung mit Knochenver-änderungen, welche dem MP sehr ähnlich sind. Die dabeibeschriebenen Mutationen betreffen das Gen, welches für das„Valosin-containing“-Protein (p97) kodiert, und in Mäusemo-dellen mit dieser Erkrankung konnte gezeigt werden, dass p97-mutierte Mäuse lytische Knochenveränderungen aufweisen[27].

Umweltfaktoren bzw. virale FaktorenEine virale Genese des MP wird schon lange diskutiert, dieDaten sind jedoch sehr kontroversiell. Hinweise für eine viraleGenese ergeben sich aus dem Nachweis von viralen Kernein-schlüssen in Osteoklasten. Masernvirus-Nukleokapsid-Sequen-zen [28] und auch Hundestaupevirus-Nukleokapsid [29] konn-ten in Paget-Zellen gefunden werden. Gesunde humaneOsteoklastenvorstufen, welche mit dem Masernvirus-Gentransfiziert oder auch mit Hundestaupevirus infiziert wurden,entwickeln einen pagetoiden Phänotyp [30, 31], sodass einviraler Einfluss auf eine genetisch empfängliche Zelle wahr-scheinlich scheint. Gegen die Bedeutung einer viralen Genesespricht die Tatsache, dass der MP in Regionen mit hoher Hun-destaupebelastung selten ist, und schließlich auch der fehlen-de serologische Nachweis einer Infektion bei Paget-Patientensowie der langsame Rückgang der Erkrankung schon vor Ein-führung der Masern- und Hundestaupeimpfung. Auch RT-PCR-Studien ergaben keinen sicheren Nachweis von Masern-Nukleo-kapsid in Paget-Zellen [32].

Weitere Umweltfaktoren in der Pathogenese des MP sind zwarimmer wieder diskutiert worden, diese Überlegungen stehenallerdings nicht im Mittelpunkt der gegenwärtigen Forschung.So wurde in Studien aus Italien und Spanien ein erhöhtes Risikofür MP in der ländlichen Bevölkerung durch zoonotische Fak-toren postuliert. Auch der Einfluss von Arsen wurde in einerbritischen Studie in den Mittelpunkt gerückt [33]. Letztendlichfokussieren neueste Untersuchungen darauf, dass der MP durchgenetische Veränderungen beeinflusst wird, wobei es nicht klarist, inwiefern erbliche genetische Veränderungen oder sponta-ne, durch Umweltfaktoren wie Viren bedingte somatischeMutationen die entscheidende Rolle spielen.

!!!!! Interessenkonflikt

Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Pathologie des Morbus Paget

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!!!!! Relevanz für die Praxis

Obwohl der MP insgesamt eine seltene Erkrankung ist, stellter die zweithäufigste Osteopathie im deutschsprachigenRaum dar. Die Erkrankung kann in sehr unterschiedlicherAusprägung vorhanden sein oder auch völlig symptomlosund daher unentdeckt verlaufen. Pathogenetisch stehen heutegenetische Modelle im Mittelpunkt des Interesses, und hiervor allem Mutationen des SQSTM1-Gens und daraus fol-gende Dysregulationen der intrazellulären Signalwege inOsteoklasten, vor allem des RANK-NF-κB-Signalweges.Schließlich sind auch Umweltfaktoren wie virale Einflüsseseit Längerem in Diskussion, sodass möglicherweise einegenetische Suszeptibilität der Grundstein ist und äußereEinflüsse als Trigger für die Manifestation des MP zumTragen kommen könnten.

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Literatur:

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