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Diederichs Gelbe Reihe

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D i e d e r i c h s G e l b e R e i h e

Paramahamsa Hariharananda

D i e d e r i c h s G e l b e R e i h e

Paramahamsa Hariharananda

Aus dem Englischen von Gabriela Baumgartner und Alessandra Weber

in Zusammenarbeit mit dem Kriya Yoga Zentrum Wien

KRIYA YOGA

Die Originalausgabe erschien erstmals 1977 unter dem TitelKriya Yoga – The Scientific Process of Soul-Culture

and the Essence of All Religionsbei Sm. Bani Chatterjee, Kalkutta.

Sie wurde für die 5. Auflage der Originalausgabe 1998vollständig von Paramahamsa Prajnanananda überarbeitet

und erweitert. Vorlage für die vorliegende deutsche Ausgabewar diese überarbeitete englische Originalausgabe, die voll-

ständig neu übersetzt und 2004 aktualisiert wurde.

Bearbeitung der Sanskritpassagen:Swami Shuddhananda Giri

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Swami Hariharananda Giri© der deutschen Ausgabe Heinrich Hugendubel Verlag,

Kreuzlingen/München 2004Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Die Werkstatt München /Weiss · Zembsch, unter Verwendung eines

Motivs der Bildagentur MauritiusProduktion: Ortrud Müller

Satz: Nikolaus Hodina, MünchenDruck und Bindung: GGP Media, Pößneck

Printed in Germany

ISBN 3-7205-2556-2

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 009Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 015

01. Die Selbstverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 017Gott und das Selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 018Gottes Traum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 021Die Unsterblichkeit des Selbst . . . . . . . . . . . . . . . 023Das Gleichnis von den zwei Vögeln . . . . . . . . . . 026Das Geheimnis von Leben und Tod . . . . . . . . . . 029Das Ziel des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 035Die Rolle des Gurus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 040Die Eigenschaften des Gurus . . . . . . . . . . . . . . . . 044Das spirituelle Vermächtnis Indiens . . . . . . . . . . 047

02. Die Beschleunigung der menschlichen Evolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 051Die Gelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 053Die Entstehung der Evolution . . . . . . . . . . . . . . . 058Methoden zur Beschleunigung der Evolution . . 062Der Prozeß der Bewußtseinserweiterung . . . . . . 066

03. Die Wissenschaft des Kriya Yoga . . . . . . . . . . . . 073Der klassische Yoga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 074Die verschiedenen Formen des Yoga . . . . . . . . . . 076Kriya Yoga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 082Konzentration und Sublimation der Lebenskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 086

04. Die Theorie des Kriya Yoga . . . . . . . . . . . . . . . . . 115Die 25 Elemente des menschlichen Körpers . . . . 115Vitale Luft und Chakren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Der Zusammenhang von Stimmung und Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126Wie man den Verstand abschaltet . . . . . . . . . . . . 127Der Nutzen von Kriya Yoga . . . . . . . . . . . . . . . . 128Die fünf Luftarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132Die drei Manifestationen Gottes . . . . . . . . . . . . . 133Die wahre Bedeutung der Feuerzeremonie . . . . 135

05. Kriya Yoga in den alten Schriften . . . . . . . . . . . . 143Die Veden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143Die Upanishaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144Die Bhagavad Gita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146Das Brahmasutra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147Das Ramayana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147Die Bhagavata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148Die Yogasutras von Patanjali . . . . . . . . . . . . . . . . 149Andere Yoga-Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

06. Die Geschichte und Tradition von Kriya Yoga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

07. Die Metaphysik des Kriya Yoga . . . . . . . . . . . . . 159

08. Die Wohltaten von Kriya Yoga . . . . . . . . . . . . . . 183Gesundheit ist Wohlstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184Die Kontrolle des Verstandes . . . . . . . . . . . . . . . . 187Die intellektuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 188Die Entwicklung der Persönlichkeit . . . . . . . . . . 189Spirituelles Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

09. Antasthavarna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

10. Hamsa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

11. OM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

12. Begegnung mit zwei großen Meistern . . . . . . . . 213

13. Vorträge und Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219Wisse, was du erlangen kannst . . . . . . . . . . . . . . . 219Der schnellste Weg zu innerem Frieden . . . . . . . 227Kriya Yoga – Grundlage und Einheit allerReligionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242Dank für die Kraft Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

14. Tête-à-tête mit Schülern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Über den Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305Die zeitlose Seele im Wandel der Zeit – Das Leben und Wirken Paramahamsa Hariharanandas . . . . . . . . . . . . . . . 318Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320Kontaktadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Paramahamsa Prajnanananda

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Vorwort

Vor über zwei Jahrzehnten – ich war damals ein jungerMann Anfang 20 – hatte ich das Privileg, ParamahamsaHariharanada, von seinen Anhängern liebevoll Baba,Swamiji oder Gurudev genannt, kennenzulernen. Bereitsbeim ersten Zusammentreffen fühlte ich mich von ihmaufgrund seines Wissens, seiner tiefen Einblicke und sei-ner Liebe angezogen. In der folgenden Zeit bekam ichGelegenheit, in seiner Nähe zu sein und ihn zu beob-achten.

Als Mönch der Giri-Linie ist er ein Mensch von höch-ster spiritueller Verwirklichung, fest in nirvikalpa sama-dhi etabliert und äußerst liebevoll, herzlich und durchseine Freiheit von sogenannten Formalitäten leicht zu-gänglich. Er war und ist seinen Anhängern Inspiration,dem Pfad des Kriya Yoga zu folgen.

Nachdem ich einige Zeit mit ihm verbracht hatte, wur-de ich langsam von Kriya Yoga fasziniert und bekam dieGelegenheit, unter seiner direkten Anleitung und Füh-rung zu lernen und zu üben.

Kriya Yoga ist eine sehr alte Meditationstechnik, diefrei von asketischen Übungen und daher einfach zu erler-nen und leicht zu üben ist. Es ist ein spiritueller Weg ohnejegliches religiöses Dogma und frei von blindem Glaubenund Aberglauben. Durch regelmäßiges Üben dieser wun-derbaren Technik erlangt man gleichzeitige Entwicklungvon Körper, Verstand, Intellekt und Seele. Dies hat er im-mer wieder betont. Nachdem ich ein bis zwei Jahre KriyaYoga praktiziert hatte, verwandelte sich mein Lebentatsächlich vollständig. Ich kam in den Genuß einer gu-

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ten Gesundheit – etwas, das ich seit meiner Kindheit ent-behrt hatte – und erfuhr innere Ruhe, inneren Friedenund Liebe. Die direkte Erfahrung der Ruhe, die Besse-rung meines Konzentrationsvermögen und die Ausge-glichenheit meines Verstandes veranlaßten mich, tiefer inKriya Yoga einzutauchen.

Alle Menschen, auch jene, die ein weltliches Leben mitallen gesellschaftlichen Verpflichtungen führen, könnendurch Kriya Yoga einen Zustand hoher spiritueller Er-leuchtung erlangen. Direkter Kontakt zum Guru unddirekte Unterweisung können jede beliebige Transfor-mation des Lebens bewirken.

Kriya Yoga ist eine uralte Meditationstechnik, derenZiel die schnelle Evolution der Menschheit ist. Sie gehtzurück auf die vedische Zeit, als die Menschen, frei vondogmatischen Glaubenssystemen und fanatischen Ideen,diese Technik der Atemkontrolle übten. Atemkontrolleberuhigt den ruhelosen Verstand und schenkt innerhalbkürzester Zeit innere Ruhe.

Im Winter 1861 oder 1863 wurde diese Technik in derHöhle bei Ranikhet im Himalaya von einem geheimnis-vollen Yogi namens Babaji an Lahiri Mahasaya, einenFamilienvater, weitergegeben. Neben all seinen famili-ären Verpflichtungen etablierte sich Lahiri Mahasaya alshöchstverwirklichter Yogi, indem er nirvikalpa samadhierlangte. Er wurde zu einer spirituellen Berühmtheit inIndien und führte viele ernsthaft Suchende auf dem spi-rituellen Pfad.

Unter seinen zahlreichen Schülern war Shri Yuktesh-war der bedeutendste, der neben seiner weit fortgeschrit-tenen spirituellen Entwicklung auch reiche Kenntnisseder westlichen und östlichen Schriften besaß. Er war einExperte für Astronomie und Astrologie und für seinenneuen Zugang zur Astrologie, die sogenannte kosmische

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Astrologie, berühmt. Er hatte viele fortgeschrittene Schü-ler, unter denen Paramahamsa Yogananda, der 1920 nachAmerika ging und den Yoga in der westlichen Welt popu-lär machte, der prominenteste ist. Sein epochemachendesBuch »Autobiographie eines Yogi« inspiriert bis heuteMillionen von Menschen, den spirituellen Pfad zu be-schreiten.

Shri Yukteshwars jüngster Schüler, der auch von Yoga-nanda und vielen anderen hervorragenden Yogis aus-gebildet wurde, ist Hariharananda, der Autor dieses Bu-ches. Als liebevoller vielsprachiger Meister ist er im Be-sitz profunder Kenntnisse der heiligen Schriften der Welt.Er brachte neues Licht in die Philosophie, die Theorieund den historischen Hintergrund von Kriya Yoga undleitet ernsthafte Aspiranten durch seine praktischen An-weisungen bis heute auf dem spirituellen Pfad.

Dieses einzigartige Buch versucht, das spirituelle Erbeder Menschheit in einem wissenschaftlichen Rahmen zupräsentieren. Es ist auf anschauliche Art und Weise ge-schrieben und berührt den Geist und das Herz des Lesersmit seiner neuen Sicht des spirituellen Lebens. Das Buchenthält die praktische Erfahrung eines großen Yogi unddie auf seiner spirituellen Wallfahrt gewonnene Weisheit.

In viele Sprachen übersetzt, ist dieses einmalige Werkein praktisches Lehrbuch und Leitfaden für all jene, diedem Pfad des Yoga folgen.

Meinen aufrichtigen Dank an das Kriya-Yoga-ZentrumWien für die deutsche Übersetzung und Bearbeitung.

Paramahamsa Prajnanananda

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Babaji

Paramahansa YoganandaShri Yukteshwar

Lahiri Mahasaya

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Einleitung

Ruhelosigkeit und Ruhe gehen Hand in Hand. Ruhe-losigkeit entsteht auf Grund des grobstofflichen mate-riellen Körpers. Wenn Sie Ihre Seele jedoch vor, währendund nach jeder Handlung mit dem Unendlichen ver-schmelzen lassen, werden Sie Ruhe erlangen.

Der Mensch wird geboren, um Gott zu verwirklichen,d. h. das Gottesbewußtsein in seinem Inneren zu erken-nen. Denken Sie immer an Ihn, ganz gleich was Sie gera-de tun. Übung macht den Meister. Eine Unze Praxis istmehr wert als Tonnen von Theorie. Theorie orientiertden Schüler nach außen, während Praxis seine Aufmerk-samkeit nach innen lenkt. Theorie macht den Menschenruhelos und selbstsüchtig. Praxis hingegen erzeugt inne-ren Frieden und befreit ihn von seinem Ego. Üben Sie!Sie müssen üben, üben und nochmals üben, um dieGegenwart Gottes in jedem Atemzug, in jedem Ton, inallem, was Sie sehen, in jedem Gedanken, der Ihnen inden Sinn kommt, und sogar im atemlosen Zustand wahr-zunehmen. Fühlen Sie die Gegenwart Gottes in Freundund Feind auf gleiche Weise, und bleiben Sie immer, auchwährend Sie mit weltlichen Dingen beschäftigt sind, festin der Allgegenwart, der Allwissenheit und der AllmachtGottes verankert.

Paramahamsa Hariharananda

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Das menschliche Gehirn – das Königreich Gottes.Das lebendige menschliche Gehirn besitzt die höchste Macht inder ganzen Schöpfung. Das Leben und die Welt eines Menschen

hängt von ihm ab und wird von ihm kontrolliert. Der Mensch hatdie Fähigkeit, über sich selbst hinauszugehen.

Die »Höhle Brahmans« ist ein ätherischer Raum, wo sich Brahma,die schöpferische Kraft des universalen Geistes, auf dem mensch-lichen Altar des individuellen Seelenfeuers (Krishna) manifestiert,das dort brennt und die Lebenskraft Prana entlang der Medulla,dem Kleinhirn usw. bis in alle vierundzwanzig grobstofflichen

Körperelemente ausstrahlt. Die in der Höhle einander gegenüber-liegenden Drüsen, Hypophyse und Zirbeldrüse, sind der positive

und der negative Pol der Selbsterkenntnis: Sonne – Mond, Mann – Frau, Krishna – Radha usw.

Das menschliche GehirnDas Königreich Gottes

Brücke

Hypophyse

Mittelhirn

Hypothalamus

Großhirn

HöhleBrahmans

DritterVentrikel

Zirbel-drüse

Kleinhirn

Medullaolongata

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1. Die Selbstverwirklichung

Gott ist eins, absolut und nicht dual. Vor der Schöpfungexistierte Er als das Absolute (Brahman), die nicht per-sönliche Seele. Da Gott sich in verschiedenen Formen desSeins manifestieren wollte, verwandelte Er sich vomabsoluten Brahman in das relative Sein und wurde sozum manifesten Universum. Was auch immer man wahr-nimmt und erkennt, was als Materie oder Leben existiert,ist folglich Seine Manifestation. Laut Katha-Upanisad istBrahman das allen Kreaturen innewohnende Selbst, dassich in verschiedenen Formen manifestiert. Diese Trans-formation in das sich ständig verändernde, manifeste Uni-versum entspricht der Idee von Jagannath, dem Herrn derWelt. Der Begriff Jagannath besteht aus zwei Wörtern:jagat, die sich permanent verändernde Welt, und natha,der Herr. Hindus verehren dieses Bild Gottes im Jagan-nath-Tempel in Puri im Staate Orissa in Ostindien.

Von allen Geschöpfen besitzt allein der Mensch Ver-nunft und ist mit der Fähigkeit der Unterscheidungskraftausgestattet. Daher können nur Menschen Gott erken-nen. Gott, der alles durchdringende Geist, existiert immenschlichen Körper ebenso wie im gesamten Dasein.Der Mensch ist fähig zu erkennen, daß er selbst ein leben-diger Gott und der gesamte Kosmos nichts anderes alseine Manifestation Gottes ist. Zwar gibt es in seiner täg-lichen Erfahrung keine derartige direkte Erkenntnis,dennoch existiert nirgendwo etwas anderes als allein dieGegenwart Gottes.

Warum kann man diese Wahrheit nicht erkennen?Nach dem Willen Gottes unterliegt der Mensch zwei

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mächtigen Kräften, der zentripetalen und der zentrifuga-len Kraft. Die zentrifugale Kraft ist ihrer Natur nach ex-trovertiert. Sie lenkt die menschliche Aufmerksamkeitauf die äußere Welt, zerstreut die ganze Energie des Men-schen und verwickelt ihn in Illusion, Täuschung und Irr-tum. Diese nach außen gerichtete Kraft ist jedoch nureine andere Art der Manifestation der nach innen gerich-teten Kraft, des Selbst (atma). Es ist falsch zu denken, diezentrifugale Kraft sei eigenständig. Das dem Körperinnewohnende Selbst ist der Herrscher über den Men-schen. Das Selbst ist immer rein, voller Glückseligkeit,ewig und unveränderlich, da es nichts anderes als Brah-man ist.

Gott und das Selbst

Das Selbst ist wie ein Spiegel, der das gesamte Universumreflektiert. Obwohl ein Spiegel Bilder von tausenderleiObjekten reflektiert, nimmt er doch keines davon in sichauf. Er bleibt unberührt und unbeeinflußt. Ebenso bleibtdas Selbst, auch wenn sich der Mensch in Liebe, Lust,Wut, Stolz, Hochmut, Geiz und Illusion verliert, immerunberührt, rein, leuchtend, unbefleckt und unbestech-lich. Durch Meditation kann der Mensch als einziges Le-bewesen den Drang zur Extrovertiertheit überwinden.Aufrichtiges Streben läßt ihn erkennen, daß alles Existie-rende, auch er selbst, Gott ist.

Da das gesamte Universum die Manifestation Gottesist, ist das höchste letztendliche Ziel des Lebens die Er-kenntnis des Selbst in Körper, Verstand und Geist. Illu-sion, Liebe und Anhaftung an äußere Dinge hindern denMenschen daran zu erkennen, daß es Gott ist, der in ihmals das Selbst lebt, und daß somit jeder Mensch ein leben-diges göttliches Wesen ist. Im Körper existierend, ist Gott

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das Selbst, während das Selbst in seiner eigenen, allesdurchdringenden und allmächtigen Natur Gott ist. Gottreguliert den menschlichen Körper mit Hilfe der sechszerebrospinalen Zentren und des Herz-Kreislaufsystems.Diese geben ihm Kraft und erhalten ihn am Leben. Ob-wohl das Selbst unsichtbar und unpersönlich ist, ver-mittelt es durch seine zahllosen Manifestationen einenVorgeschmack auf göttliche Glückseligkeit. Der in Lei-denschaften, Zorn, Illusion und Sinnesreize verstrickteMensch weiß jedoch nichts von diesem Segen.

Obwohl ihr die Weisen die verschiedensten Namengaben, erklärt der Rig-Veda, daß es nur eine einzigeWahrheit gibt. Diese Wahrheit ist das Höchste Sein (pur-usha), das in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alsdas alles durchdringende Sein erkennbar ist. Der Yajur-Veda sagt, daß Er die Seele des Universums ist und derMensch nur dann Unsterblichkeit erlangt, wenn er dieserkennt. Er ist Brahman, das höchste Eine, unabhängig,unvergänglich, unteilbar, aus sich selbst heraus leuch-tend, sich selbst erhaltend und unbeschreiblich. Er ist derAusgangspunkt aller Namen und Formen, der Träger derganzen Schöpfung. Er durchdringt die gesamte Schöp-fung und geht noch darüber hinaus. Die ganze Schöp-fung ruht in Ihm, trotzdem ist Er frei von ihr.

Er ist der stille Zeuge der drei Zustände: wachen, träu-men und tiefer Schlaf. Atma ist der unsterbliche Teil desMenschen, jenseits von Körper, Verstand, Raum, Zeit undKausalität. Atma hat weder Anfang noch Ende oder Ur-sache und ist Absolutes Wissen, Absolute Existenz undAbsolute Glückseligkeit. Die Verwirklichung dieses Wis-sens (brahma-jnana), befreit vom Zyklus des Todes undder Wiedergeburt.

Hinter dieser Welt, hinter allen physikalischen Phäno-menen, allen Namen und Formen, hinter Gefühlen, Ge-

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danken, Emotionen und Stimmungen, liegt die Wahrheit.Wie kann etwas, das nicht immer existiert, wahr sein?Wahrheit ist ewig. Es ist die Täuschung, die das Un-wirkliche wirklich erscheinen läßt. Die Wahrheit ist dasSelbst, der stille Zeuge und Lenker, die einzige Quelle derGlückseligkeit, die einem Menschen vollkommene Be-freiung schenken kann. Selbstverwirklichung ist nichtsfür Schwache und Feiglinge, sondern für Starke und Mu-tige, die fähig sind, allen Stürmen standzuhalten, und be-reit sind, ihr Ego auf dem Altar der Wahrheit zu opfern.

Auch die Bhagavad Gita lehrt, daß das Selbst un-zerstörbar, ewig, nicht sichtbar, unvergänglich und allesdurchdringend ist, von alters her nicht manifest undunbegreiflich. Das Selbst ist nicht an Geburt und Todgebunden und ist vom Körper unabhängig. So wie einMensch abgetragene Kleider ablegt und neue anzieht, legtdie Seele den alten Körper ab und schlüpft in einen neuen.Das Unendliche ist die Grundlage jeder endlichen Exi-stenz und wird von ihm belebt. Das Selbst, das eins mitdem Unendlichen ist, wird von Geburt und Tod, Wachs-tum und Verfall, Begrenzung und Veränderung nicht be-rührt, obwohl der Körper wieder zu dem Staub wird, ausdem er einst erschaffen wurde. Gott durchdringt alles. Erbesitzt überall Hände, Füße, Augen, Gesicht und Kopf.Obwohl Er frei von allen Sinnen ist, erkennt Er alle Sin-neseindrücke und Objekte. Unberührt und ohne Eigen-schaften, ist es doch Er, der alles erhält und genießt. Erliegt subtil und unbegreiflich aller belebten und unbeleb-ten Schöpfung zugrunde. Gott ist gleichzeitig sehr nahund sehr fern. Er ist das Licht aller Lichter. Er ist sowohldas Wissen selbst als auch der Gegenstand des Wissens.Gott ist das im Körper anwesende atma und dennochjenseits aller Orte. Er ist der Zeuge, Führer und Erhalter,der alleinig Wahrnehmende und der Allerhöchste.

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Gottes Traum

Ein berühmtes Sprichwort sagt, man könne das gesamteSystem des Advaita-Vedanta in einem halben Vers zusam-menfassen: Brahma satyam jagan mithya, jiva-brahmaiva-na param – die einzige Wirklichkeit ist Brahman.Die Welt ist letztendlich illusorisch, und die individuelleSeele unterscheidet sich nicht von Brahman. Brahmanund atma sind identisch. Die Welt ist eine Schöpfung derTäuschung (maya). Die verkörperte Seele glaubt sichaufgrund der ihr innewohnenden Unwissenheit (avidya)verschieden von Brahman und lebt folglich in einer Weltder Vielheit und betrachtet sich selbst als separate Wesen-heit. In Wahrheit ist alles Brahman, nur die Illusion läßtBrahman als Nicht-Brahman erscheinen, so wie man auf-grund von Täuschung ein Seil für eine Schlange haltenkann. Avidya verschwindet mit dem Erwachen des Wis-sens darum, daß die Vereinigung mit Brahman zur Be-freiung führt.

Erst wenn ein bestimmter Bewußtseinszustand erlangtist, wird die trügerische Natur der Welt, Maya, wahrge-nommen. Shri Shankara maß dieser Erfahrung große Be-deutung zu, da sie einen tiefen Eindruck in ihm hinterließ.Maya ist das kosmische Spiel Gottes (lila). Laut Shri Au-robindo schließt das Wort Lila die Idee von Maya mit einund geht noch darüber hinaus. Gott ist eins, aber diesesEinssein beschränkt Ihn nicht. Er erscheint als Vielfalt,weil es Sein Wille ist. Außerhalb aller Formen, entzieht Ersich jeder Definition und kann nicht als einer oder vielebeschrieben werden. Dies ist die Lehre der Upanishaden:»Er ist begrenzt und unbegrenzt, Eines ohne ein Zweites,was auch immer wahrgenommen wird, ist Er. Die mani-feste Welt ist ein Spiel Seines Bewußtseins in Seinem un-endlichen Aspekt und als solches wahr. Alles ist Gott.«

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Gott ist überall, und jede verkörperte Seele in ihrerscheinbar gesonderten Individualität ist Er. Gott ist daserste Sein, und mit para-prakriti vereint, wird Er symbo-lisch radha genannt. Während die Menschen Sklaven derprakriti oder Maya sind, ist Gott ihr Herr und kann sie inSein Selbst zurückholen und aus seinem Selbst entstehenlassen, wann immer es Ihm beliebt. Eine philosophischeSchule sagt, Maya und Er seien identisch, während ineiner anderen Schule beide verschieden sind und Mayaentweder latent oder manifest ständig existiert. Nurdurch Gotteserkenntnis verschwinden alle Zweifel.

Brahman kann nicht in Worte gefaßt oder mit demVerstand begriffen werden, da es jenseits aller Beschrei-bung liegt. Es kann einzig durch den Begriff sat-cit-ananda ausgedrückt werden. Sat-cit-ananda bedeutetExistenz, Bewußtsein und Glückseligkeit. Brahman istbeides, persönliches und unpersönliches Sein.

Weil Gott der allem Sein innewohnende Führer ist,wird Er die Seele der Seelen (antaryami) genannt und istfolglich auch die Seele von prakriti. Selbst transzenden-tal, transzendiert Er das Universum. Er ist der Schöpfer,Erhalter und Zerstörer dieses Universums, symbolischdargestellt als Brahma, Vishnu und Shiva. Er ist Ursprungvon allem und Ende von allem. Er ist Gegenstand derVerehrung und Inspiration zur Tugendhaftigkeit. Er ist,kurz gesagt, alles in allem.

Brahman oder atma ist die einzige Realität, das un-eingeschränkte Absolute. Es gibt keine Dualität, keineUnterschiedlichkeit. Auch Zweifel am Selbst ruhen imSelbst, da alle Mittel zum Erlangen der Erkenntnis in Ihmselbst gründen. Für den Wissenden gibt es keine Verän-derung. Ewiges Leben ist seine Natur. Wer Brahmankennt, wird selbst Brahman. Für den begrenzten Intel-lekt dagegen ist Brahman nicht erkennbar. Nur durch Be-

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seitigen von avidya kann das Nicht-Getrenntsein vonBrahman wahrgenommen werden.

Das unsichtbare Selbst ist die im Innersten des Men-schen anwesende Göttlichkeit, die ihn führt, nährt undbewahrt. Hindus beten dieses unsichtbare Selbst in Formvon mehreren Gottheiten wie Shiva, Kali, Durga, Krish-na, Ganesh und Surya an. Dies ist keine Götzenvereh-rung, sondern vielmehr Verehrung des Selbst in Formvon Bildern. Da Gott allumfassend ist, muß man den Bil-dern nicht erst Göttlichkeit eingeben, da das Göttlichebereits anwesend ist. Ego und Selbst des Menschen er-scheinen zwar als Gegensätze, die Grundlage der Exi-stenz des Egos ist jedoch das Selbst. Ohne das Selbst exi-stiert nichts.

Die Unsterblichkeit des Selbst

Geht man über die relative Welt hinaus und gelangt zumBereich des Absoluten, entdeckt man zwei scheinbar un-terschiedliche Wesenheiten, die beide unsterblich sind:das Selbst und Gott. In Wahrheit sind beide identisch.Diese Unsterblichkeit des Selbst ist Thema der Upani-shaden, des Vedanta und der Gita. Man kann sagen, daßUnsterblichkeit das wichtigste Anliegen aller Weltreli-gionen und das höchste Ziel menschlicher Existenz ist.

Die Gita lehrt, daß Materie und Geist ohne Anfangund Ende sind. Alle ihre Erscheinungsformen und Ei-genschaften sind Teile der Natur. Die Materie brachte dengrobstofflichen Körper hervor, während der Geist in ihmdie Ursache für die Erfahrung von Freude und Leid ist.Der in der Materie enthaltene Geist erfreut sich an allenErscheinungen der Natur, die aus den drei gunas zu-sammengesetzt sind. Die gunas entsprechen den Quali-täten sattva (Reinheit), rajas (Aktivität) und tamas (Träg-

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Paramahamsa Hariharananda

Kriya Yoga

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 328 Seiten, 12,5 x 18,7 cmISBN: 978-3-7205-2556-5

Diederichs

Erscheinungstermin: August 2004

Kriya Yoga ist eine der ältesten und ursprünglichsten Formen des Yoga. Sie vereinigt diewirkungsvollsten Techniken der traditionellen Yogasysteme. Angeregt von den spirituellenWahrheiten in den Veden, Upanishaden und Brahmasutras, der Bibel, dem Koran und derThora, ist Kriya Yoga eine bedeutende Quelle des Wissens und der Anleitung für spirituelleSinnsucher aller Glaubensrichtungen.