oktaeder mit einbeschriebener kugel

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444 ARCH. MATH" Oktaeder mit einbeschriebener Kugel Herrn Professor Dr. KARLHEI~RICH WEISE zum 60. Geburtstag Von ~TOLFGAN(~ BOIIM J. NE~ORAR~S (t 1237) wird der folgende bekannte Satz zugesehrieben [1]: (1) Ist ein Vierseit einem Kreis umschrieben, so sind die Summen seiner Gegensciten gleich lang. Dieser Satz ist leicht aus der Tatsache zu beweisen, dal~ die Tangenten aus einem Punkt an einen Kreis gleich lang sind, was schon EUKLID wuBte. Von dem SatZ gilt auch die Umkehrung [2]. Wir wollen den Satz in den Raum fibertragen. Wir bemerken zuniichst, der Satz gilt auch auf der Kugel. Der Beweis verlAuft wie in der Ebene. Anstelle der Geraden treten Groflkreise der Kugel. Die L~ngen yon GroBkreisbSgen kann man durch die Winkel aus dem Kugelmittelpunkt ersetzen. Wir k6nnen den Satz dann auch so aussprechen: (2) Ist ein (windschie]es) Vierseit einem Drehkegel mit gegebener Spitze umschrieben, so sind die Summen gegeniiberliegender Winkel, unter denen die Seiten aus der Kegel" spitze zu sehen sind, gleich gro[31). Zum Beweis projizieren wir das Vierseit zentrisch auf ~ ~ i eine Kugel um die Kegelspitze. Dabei bleiben die Winkel aus der Kegelspitze erhalten. Satz (2) geht in Satz (1) auf der Kugel fiber. Auch yon Satz (2) gilt die Umkehrung: (2') Sind die Summen gegeniiberlieffender Winkel eines r~ium. lichen Vierseits (mit der Spitze S) gleich grofl, so ist das Vier. seit einem Drehkegel umsehrieben. Fiir die eigentliche ][~bertragung des Satzes (1) in den Raum fassen wir das ebene Vierseit als gemeinsames Tangentenvierseit zweier Punktepaare auf. Ihm entspreche~ im Raum die acht gemeinsamen Tangentialebenen dreier Punktepaare, das ist ei~ Achtflaeh oder Oktaeder. Die Verallgemeinerung unseres Satzes lautet dann: 1) :Der Ort der Spitzen a]ler Drehkegel, die ein gegebenes windschiefes Vierseib V beriihren, wird yon den Fokalkegelschnitten aller Quadriken der Bfischelschar durch V erzeugt. Vergleich~ dazu [3].

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444 ARCH. MATH"

Oktaeder mit einbeschriebener Kugel

Herrn Professor Dr. KARL HEI~RICH WEISE zum 60. Geburtstag

Von

~TOLFGAN(~ BOIIM

J. NE~ORAR~S (t 1237) wird der folgende bekannte Satz zugesehrieben [1]:

(1) Ist ein Vierseit einem Kreis umschrieben, so sind die Summen seiner Gegensciten gleich lang.

Dieser Satz ist leicht aus der Tatsache zu beweisen, dal~ die Tangenten aus einem Punkt an einen Kreis gleich lang sind, was schon EUKLID wuBte. Von dem SatZ gilt auch die Umkehrung [2]. Wir wollen den Satz in den Raum fibertragen.

Wir bemerken zuniichst, der Satz gilt auch auf der Kugel. Der Beweis verlAuft wie in der Ebene. Anstelle der Geraden treten Groflkreise der Kugel. Die L~ngen yon GroBkreisbSgen kann man durch die Winkel aus dem Kugelmittelpunkt ersetzen.

Wir k6nnen den Satz dann auch so aussprechen:

(2) Ist ein (windschie]es) Vierseit einem Drehkegel mit gegebener Spitze umschrieben, so sind die Summen gegeniiberliegender Winkel, unter denen die Seiten aus der Kegel" spitze zu sehen sind, gleich gro[31).

Zum Bewei s projizieren wir das Vierseit zentrisch auf ~ ~ i eine Kugel um die Kegelspitze. Dabei bleiben die Winkel aus der Kegelspitze erhalten. Satz (2) geht in Satz (1) auf der Kugel fiber.

Auch yon Satz (2) gilt die Umkehrung:

(2') Sind die Summen gegeniiberlieffender Winkel eines r~ium. lichen Vierseits (mit der Spitze S) gleich grofl, so ist das Vier. seit einem Drehkegel umsehrieben.

Fiir die eigentliche ][~bertragung des Satzes (1) in den Raum fassen wir das ebene Vierseit als gemeinsames Tangentenvierseit zweier Punktepaare auf. Ihm entspreche~ im Raum die acht gemeinsamen Tangentialebenen dreier Punktepaare, das ist ei~ Achtflaeh oder Oktaeder. Die Verallgemeinerung unseres Satzes lautet dann:

1) :Der Ort der Spitzen a]ler Drehkegel, die ein gegebenes windschiefes Vierseib V beriihren, wird yon den Fokalkegelschnitten aller Quadriken der Bfischelschar durch V erzeugt. Vergleich~ dazu [3].

Vol. XX, 1969 Oktaeder mit einbesdlriebener Kugel 445

(3) Ist ein Oktaeder einer Kugel umschrieben, so siva die Summen von je vier, paar- weise nicht aneinandersto]3enden Seiten/lgchen gleieh gro]3.

Zum Bewe i s gehen wir wie in der Ebene vor und benutzen den Hilfssatz :

Die beiden (reellen) Tangentialdreiecke aus einem Punktepaar an eine Kugel sind gleich gro[3.

Das folgt ganz einfach wieder aus der Tatsaehe, dab die Tangenten aus einem t)urlkt an eine Kugel gleich lang sind, denn damit sind die beiden Tangentialdreiecke aus einem Punktepaar kongruent und also gleieh groB.

I)en Hilfssatz wenden wir zw61fmal auf die zw61f Kaaten des Oktaeders an. Wir wollen der Einfachheit halber voraussetzen, dal] das Oktaeder nieht fiber- Sehlagen sei, so dab die einbeschriebene Kugel ganz 1~ seinem Innern liegt. Jede Seitenfl/~ehe des Oktaeders Wird durch die Verbindungen des Ber/ihrungspunktes der Kugel mit den Ecken in drei Teildreiecke zerlegt. Jedes dieser Teildreiecke ist naeh dem Hilfssatz kon- gruent dem anliegenden Teildreieck der anliegenden 0ktaederseite.

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]3amit sind vier paarweise nicht aneinanderstoBende 0ktaederseiten zerlegungs- gleich den vier anderen Oktaederseiten. Damit ist unser Satz bewiesen.

Aber die Umkehr unseres Satzes gilt im Raume nicht mehr, wie man etwa erkennt, Wean man in der Figur die Kanten 35 und 46 nahe aneinanderrficken 1/~l]t :

Nicht jedes Oktaeder, das die Fldichenbeziehunff er/i~llt, ist einer Kuffel umschrieben.

Fragen wir nach den hinreichenden Bedh]gungen! Dazu wenden wir Satz (2) auf die acht Ecken des Oktaeders an:

(4) Ist ein Oktaeder einer Kugel umschrieben, so siva in jeder Oktaederecke die SUmmen der Winkel gegeniiberliegender Seiten gleich.

Dean ist das Oktaeder einer Kugel umschrieben, so sind je vier Seiten des Okta- eders, die eine Ecke gemeinsam haben, einem Drehkegel umschrieben und daher rlaeh Satz (2) die Summen gegenfiberliegender Winkel in dieser Eeke gleich.

Von diesem letzten Satz gilt die Umkehrung. Es gilt sogar:

(5) Sind an einem Olctaeder in jeder von drei Ecken ein~r Oktaederseite die Summen der gegeniiberliegenden Winkel gleieh, so ist das Oktaeder einer Kugel umschrieben.

Zum Bewe i s bezeichnen wir die Eckenpaare des Oktaeders mit I, 2; 3, 4 und 5, 6. Die Eckenbedingung sei in 1, 3 und 5 erffillt. Dann gibt es wegen der in 1 er- fiillten Eckenbedingung an die vier Ebenen 136, 164, 145 und 153 durch 1 nach Satz (2') einen einbeschriebenen Drehkegel und damit eine Sehar yon einbesehriebe- aen Kugeln. Unter diesen Kugeln wiihlen wir die aus, die auch die Ebene 235 be- rtihrt und mit 1 auf derselben Seite dieser Ebene liegt (das Oktaeder sei nicht iiber- SChlagen). Wegen der erffillten Eekenbedingung in 3 beriihrt aueh die Seite 236 und Wegen der erfiillten Eekenbedingung in 5 die Seito 245 diese Kugel.

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Nach einem bekannten Satz 2) ist dann aueh 246 Tangentialebene der Kugel. Die Eckenbedingungen in 2, 4 und 6 sind damit yon selbst erftillt.

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I ! 1

Ffir das Netz eines Oktaeders heigt das: Das Oktaeder ist einer Kugel umschrieben, falls in jeder der drei Ecken 1, 3 und 5 die Summe der schraffierten gleich der Summe der unsehraffierten Winkel ist.

Es ist klar, dab die ]~berlegungen auch auf vier und mehr Dimensionen aus- gedehnt werden k6nnen. Wit wollen das ffir den vierdimensionalen Raum durch- ffihren.

Zun/~chst sieht man leieht ein, die S/~tze (3), (4) und (5) gelten auch auf einer Hyperkugel. Dabei bestehen die Seiten des krummfl/iehigen Oktaeders aus Grol3- kugeln der Hyperkugel. Das Oktaeder ist einer Kleinkugel der Hyperkugel um- schrieben.

Verbindet man die Eeken, Kanten und Seiten dieses krummfli~chigen Ok~aederS mit dem Mittelpunkt der Ityperkugel, so erh/ilt man die Ubertragung zu Satz (2):

(6) Ist in einem vierdimensionalen Raum ein (windschie/es) eben/l~ichiges Oktaeder einem Drehhyperkegel mit gegebener Spitze S umschrieben, so sind die Summen der Raumwinkel aus S nach nicht aneinandersto[3enden Seiten des Oklaeders gleich.

Es gilt nieht die Umkehrung! Dabei gilt als Drehhyperkegel ein ttyperkegel, dessen Hyperebenenschnitte senkreeht einer festen Geraden, der Achse des Dreh" hyperkegels, gewShnliche Kugeln ergeben.

Ubertragen wir noeh Satz (4)! Anstelle des Oktaeders oder Achtflachs tr i t t ira 4-dimensionalen Raum ein 16-Ze]l. Es besteht aus den 16 gemeinsamen Tangential" hyperebenen von 4 Paaren gegeniiberliegender Ecken und wird von 16 Tetraedern begrenzt. Jedes dieser Tetraeder hat mit vier anderen je eha Dreieek zur gemeinsamen Seite [5].

Anstelle des I-Iilfssatzes fiber kongruente Tangentialdreieeke t r i t t ein Hilfssat~ fiber kongruente Tetraeder, die sieh aus einem Dreieck an eine Hyperkugel lege~ lassen.

~) Der Satz besagt: Bind sieben Seiten eines Oktaeders einer Quadrik umschrieben, so auch die achte ([4], S. 195). Dieser Satz kann etwa durch die erfiillte Eckenbedingung in 2 ersetzt werdem

Vol. XX, 1969 Oktaeder mit einbeschriebener Kugel 447

Ist das 16-Zell einer Hyperkugel umschrieben, die ganz in seizmm Inneren liegt, so werden die 16 Seitentetraeder ebenfalls in inneren Punkten beriihrt. Die Ver- bindungen jedes Beriihrungspunktes mit den Kanten des zugehSrigen Tetraeders zerlegt das Tetraeder in vier Teiltetraeder. Wegen des Hiffssatzes sind je zwei der 64 Teiltetraeder, n/imlich die mit gemeinsamer Grundfliiche, kongruent. So folgt:

(7) Ist im vierdimensionalen Raum ein 16-Zell elner Hyperkugel umschrieben, so eind die Summen der Rauminhalte yon je acht Seitentetraedern, die paarweise keine Dreieeksseite gemein haben, gleich.

Aueh yon diesem Satz gilt (wie oben) nicht die Umkehrung. Aber es gilt Satz (7) aueh auf einer t typerkugel des 5-dimensionalen Raumes u.s.f.

Literaturverzeichnis

[1] J. :NE~ORAR~US, De triangulis IV, 5, S. 30, ed. Curtze 1887. [2] DURRA~DE, Ann. math. pura appl. 6, 49 (1815/16). [3] G. HUMBERT, Sur l'orientation des systSmes de droites, Nouv. ann. math. 3, XH, 37--64

u. 123--136 (1893). [4] T. l~Er~, Geometrie der Lage III. Leipzig 1892. [5] W. LI~TZMA~, Anschauliche Einfiihrung in die mehrdimensionale Geometrie. Mfinchen 1952.

Eingegangen am 4. 3. 1969

Anschrift des Autors: Wolfgang B6hm Iastitut fiir Angewandte Mathematik Teehnische Universit~t Braunschweig 3300 Braunschweig, Poekelsstral3e 14