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Wissensmagazin für Wirtschaft, Gesellschaft, HandelNummer 1 . 2008
GDI IMPULS
Mit Robert B. Reich, Frank Sieren, Douglas Rushkoff, David Gelernter, Peter A. Gloor, Christian Scheier, Nico Stehr, Christopher Peterka und vielen Geschenken, die sind, was sie scheinen.
Die MisstrauensfalleWeil die Wirtschaft lieber trojanische Pferde als authentische Waren anbietet, wittern die Konsumenten überall Betrug.
GDI Impuls 75 / 2008 . ISSN 1422-0482
Schweiz CHF 35 . Deutschland EUR 22
Österreich EUR 22
thema: die Misstrauensfalle
AutorEn
SuMMAriES
Gdi-StudiEn
Gdi-vErAnStAltunGEn
GottliEb duttWEilEr inStitut
Gdi-AGEndA 2008
iMPrESSuM
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> Trend
Stefan Kaiser . Christopher Peterka
diE EroSion dES vErtrAuEnS
Die Wirtschaft präsentiert vorwiegend trojanische
Pferde: Kein Produkt ist mehr, was es zu sein vorgibt.
Verunsicherte Konsumen ten spielen nicht mehr mit.
> Marketing
Gespräch mit Douglas Rushkoff
«dEr intErAKtivE rAuM iSt hEutE EbEnSo vErSChMutzt
WiE diE ShoPPinG-MAll.»
Noch nie redeten so viele Menschen über Produkte wie
im InternetZeitalter. Doch statt sich offen an ihrem
Gespräch zu beteiligen, setzen die Marken alles daran,
die Kon sumenten aus dem Netz zu vertreiben.
> Marketing
Werner Warmbier
MittEn iM SinnESWAndEl
Das Marketing entdeckt die «niederen» Sinne. Wer sie
anspricht, kann das Verhalten der Konsumenten steuern.
Damit wird es Zeit, Nerven zu zeigen.
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> Die grosse Grafik
trojAnEr lüGEn niCht – SiE SChEnKEn nur
Wege in die Misstrauensfalle. Und Auswege.
> Marketing
Christian Scheier
WiSSEn SiE WirKliCh, WAS Wir tun?
Die Neuropsychologie, so glauben viele, macht die
Kon sumenten gläsern. Ganz so schlimm ist es nicht. Wir
lassen uns nur manipulieren, wenn wir es auch wollen.
> Management
Frank E. P. Dievernich
dEr MitArbEitEr AlS trojAniSChES PfErd
OnlinePartnervermittlungen und die Rekrutierungs
praxis in Unternehmen setzen auf die gleiche Strategie
der Täuschung. Verloren hat, wer daran glaubt.
> Forschung
Gerd Folkers
ziEhEn Wir in dEn KriEG?
Was trojanische Pferde, Viren, Immunsysteme und
künstliche Intelligenz verbindet. Wieweit trägt die Paral
lele von Informationstechnologie und Biologie?
> FotoEssay
Paul Graves
dAS SPiEl dEr täuSChunG
Wenn die Dinge nicht sind, was sie scheinen, aber trotz
dem Wirkung haben.
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ideen Workshop
> Gesellschaft
Robert B. Reich
«Wir MüSSEn dEn SuPEr KAPitAliSMuS dArAn hindErn,
diE dEMoKrAtiE zu zErStörEn.»
Der Arbeitsminister der ClintonRegierung untersucht
die Folgen der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung:
Als Konsumenten und Anleger werden wir alle zu
Komplizen eines Systems, das unsere Demokratie und
unsere Arbeitsplätze gefährdet.
> Globalisierung
Gespräch mit Frank Sieren
«dEr WEStEn bEStiMMt niCht MEhr diE SPiEl rEGEln
dEr WElt.»
China sichert sich in den Entwicklungsländern Boden
schätze, politischen Einfluss und gute Geschäfte. Damit
beginnt eine neue Form der globalen Zusammenarbeit:
Der Westen hat immer weniger zu sagen.
> Trendforschung
Peter A. Gloor
«CoolhuntinG durCh SChWArMKrEAtivität.»
Was haben iPod, Facebook und YouTube gemeinsam?
Sie sind innovativ, frisch und cool. Um solcheTrends
vorherzusagen, wurde in den letzten fünfzehn Jahren am
MIT die CoolhuntingTechnologie entwickelt.
> Zwischenruf
Nico Stehr . Marian Adolf
«unSErE idEE voM MArKt StAMMt AuS EinEr völliG
vErAltEtEn WElt.»
Zwischen unserer Vorstellung der Marktteilnehmer
und der gesellschaftlichen Realität liegt ein tiefer Graben.
Wer ihn überwinden will, muss sich der Moralisierung
der Märkte stellen.
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> Jahr der Informatik
Gespräch mit David Gelernter
«diE CoMPutEr-nutzEr SolltEn EndliCh EinMAl
ProtEStiErEn …»
Software und Betriebssysteme sind schlecht, in ihrer
Logik veraltet und eine ewige Quelle des Ärgers. Der visi
onäre YaleForscher David Gelernter arbeitet an einer
besseren Zukunft von Computer und Internet.
> Beyond
Max Celko
dEr drAht inS GEhirn
HirnComputerSchnittstellen wurden oft verheissungs
voll angekündigt, aber nie erreicht. Trotz aller Visionen
wollte sich das radikal neue MenschComputerZeitalter
in der Realität nicht einstellen. Bis jetzt.
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Rubrik . Titel . Frank E. P. Dievernich
Frank E. P. Dievernich
Der Mitarbeiter als trojanisches Pferd
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«Die Realität imitiert den Porno», schreibt der spanische
Regisseur Pedro Almodóvar in seiner Erzählung «Patty Di-
phusa» (dt. 2008). Ebenso gut könnte diese Beschreibung für
Phänomene gelten, die derzeit in Unternehmen zu beobachten
sind, wenn es darum geht, neue Mitarbeiter anzuheuern, von
denen man erwartet, dass sie das Unternehmen verändern.
Der Fokus dieser Veränderung liegt vor allem darauf, gesell-
schaftliche Trends ins Unternehmen einzuspielen – das Neue,
von dem das Unternehmen nicht weiss, was es ist, aber ahnt,
dass es vorhanden ist. Es ist das dumpfe Gefühl auf der Chef-
etage, dass man etwas verpassen könnte.
EntschäRftE GEschEnkE Frischer Wind, so die Vorstellung,
kommt durch neue Personen ins Unternehmen. Für was aber
der Wind von Nutzen sein kann, bleibt unklar. Zwar besteht
Einigkeit darüber, dass der neue Blick dem Unternehmen gut-
tut und Betriebsblindheit verhindern kann, aber angesichts
konkreter Neueinstellungen erscheint es als durchaus frag-
würdig, inwiefern die Unternehmen tatsächlich von frischem
Wind profitieren. Mitarbeiter, so die Hypothese, sind die
trojanischen Pferde unserer Zeit: Es geht den Unternehmen
darum, sie schnellstmöglich zu identifizieren und zu ent-
schärfen. Dabei wollen sie selbst doch nur schenken. Aber was
sie anzubieten haben, das will man entweder nicht oder ist
unfähig, damit umzugehen.
Diese Unfähigkeit ist strukturell bedingt, also in der
Natur der Organisation angelegt. Eine Organisation fragt nie
Was haben Online-Partnervermittlungen und die Rekrutierungspraxis von Unternehmen
gemeinsam? Die Akteure bieten nur das an, von dem sie meinen, dass der andere sich danach
sehnt. Verloren hat, wer wirklich daran glaubt.
«einfach so» nach dem Neuen. Sie beobachtet den Markt
nicht, wie er wirklich ist, sondern stets nur das, was ihre
Struktur zu beobachten vorgibt. Das Neue ist aus dieser Per-
spektive nicht heilbringend, sondern ein Angriff auf die
Organisation, weil es schonungslos die Unflexibilität und
Trägheit der Organisation aufzeigt, auf Neues einzugehen.
Vor einer solchen Blossstellung müssen Organisationen sich
schützen, um ihr Gesicht vor sich selbst zu wahren.
Das REkRutiERunGssPiEl In Perfektion führt diesen Mecha-
nismus die Unternehmensberatung Boston Consulting Group
(BCG) bei der Rekrutierung von Nachwuchs vor. BCG sucht
seit 2005 explizit «Querdenker», die das Neue, das kreative
Moment in die Organisation tragen sollen. Gesucht werden
junge Talente, die sich in ihrer Vielfalt angesprochen fühlen
und denen suggeriert wird, dass es für sie einen Platz in der
auf Effizienz ausgerichteten Ökonomie gibt. Der Witz dabei
ist, dass von der Organisation letztlich nicht das Andere, das
Querdenkertum ausgewählt wird, sondern durch die Aus-
schreibung Personen angesprochen werden sollen, die über
beste Lebensläufe – sprich: Noten und besuchte Bildungs-
institutionen – verfügen und noch «soziales Engagement»
belegen. Ein «Querdenker» ist für BCG also jener Kandidat,
der sich mit den Insignien eines klassischen Lebenslaufes aus
einem der Wirtschaft fachfremden Bereich bewirbt.
Die Neugierde von Absolventen der Natur- oder Geistes-
wissenschaften, das Feld der Ökonomie als Spielwiese zu
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Management . Der Mitarbeiter als Trojaner . Frank E. P. Dievernich
betreten, kann schon ausreichen, um als Querdenker wahrge-
nommen zu werden. Ihre Lebensläufe zeigen aber keineswegs
Querdenkertum, sondern belegen vielmehr eine hohe An-
schlussfähigkeit an das bestehende ökonomische System,
welches bei den zu besetzenden Positionen auf Rationalität,
Effizienz, Schnelligkeit und persönliche Intelligenz setzt. Ob
sich die tatsächlichen Querdenker und echten trojanischen
Pferde je auf eine solche Stelle bewerben, ist mehr als fraglich,
weil sie längst das System hinter diesem Rekrutierungs system
und dessen Sprachspiel erkannt haben.
VoM BalzEn, WERBEn unD fanGEn Woher stammt die Per-
fektionierung der «trojanischen» Beobachtung? Hierzu bietet
sich ein Blick in die florierende Branche der Online-Partner-
vermittlungen an. Sie bilden ein Trainingscamp für trojani-
sches Agieren, denn die Akteure bieten nur das an, von dem
sie meinen, dass der andere sich danach sehnt. Verloren hat
das Spiel, wer wirklich daran glaubt. Darin unterscheiden sich
Online-Paarungsmärkte in nichts von der Rekrutierungs-
praxis in Unternehmen.
Bei Online-Agenturen wie Parship.de lernen wir nicht
nur trojanisches Handeln, sondern leben es auch gleichzeitig.
Der in vierzehn Ländern anzutreffende Partnervermittler ist
mit einem jährlichen Umsatz von über 25 Millionen Euro
Branchenführer. Zugang und Teilnahme an seinem Paa-
rungsmarkt findet vom Wohnzimmer oder vom Café aus
statt, überall dort, wo es einen Internet-Zugang gibt. Der neu
geschaffene Markt heisst Anbahnung.
Interessant ist dabei der Abgleich mit der Realität. Aus
den Beschreibungen der paarungswilligen Teilnehmer wird
klar, dass jeder mit den Sehnsüchten des anderen kalkuliert.
Man braucht gar nicht die Internet-Plattform Second Life zu
besuchen, um fremde Identitäten anzunehmen: Parship bie-
tet sie en masse. Mann und Frau verkaufen sich, gestalten
sich interessant in geistiger Vorwegnahme ihrer Anschluss-
fähigkeit. Das ist nicht neu und nicht überraschend, interes-
sant aber ist, dass alle wissen, dass sie eigentlich «trojanisch»
handeln, weil das Echte nur bei direkter Berührung mit dem
Gegenüber entsteht, wobei diese Berührung dann die Nagel-
probe für mehr ist.
Alle wissen also voneinander, dass sie Trojaner sind, die
sich erst dann als Pferd zeigen, wenn Realität entsteht. Und
trotzdem geht es darum, dieses Spiel der Täuschung zu spie-
len. Dabei wissen alle, oder sollten es wissen, dass nicht der
Ehrliche gewinnt, der als langweilig erscheinen muss, son-
dern derjenige, der das Spiel am besten beherrscht.
Ein Trojaner zu sein, ist somit die erste Hürde zur Realität.
Wo man bei BCG das Sprachspiel des Querdenkers über sich
ergehen lassen muss und sich entsprechend tarnt, muss man
bei Parship zuerst auf interessante, charmante oder intelli-
gente Kommunikation umstellen, bis ein direkter Kontakt
zustande kommt. In beiden Fällen findet die Einstiegs-
prüfung in der Währung einer anderen Realität statt als mit
der, die später zur Zahlung akzeptiert wird. Wir lernen: Tro-
janisches Handeln wird belohnt. Dabei sagt die Belohnung
nichts über einen echten Kern aus, sondern lediglich über
unsere Fähigkeit, mit dem Artifiziellen umzugehen. Das hat
sie gemeinsam mit Notensystemen, die weniger die konkre-
ten Leistungen bewerten als vielmehr, wie gut jemand mit
der Logik eines Systems umgeht.
WERBE-koMMunikation Ein weiteres gesellschaftliches Feld
zur Erlernung trojanischen Agierens finden wir in der Wer-
bung, die dieses Prinzip ins Extreme treibt. Die Werbung ist
dafür verantwortlich, dass der Trojaner trotz seiner exorbi-
tanten Präsenz als Begriff zunehmend verschwindet, da er
sich gegenüber anderen nicht mehr abgrenzen kann. Denn
heute hat jede Form werblicher Kommunikation trojanische
Züge. So weisen unzählige Werbungen darauf hin, dass man
als Konsument «spart», wenn man bestimmte Produkte kauft
– eine Grundparadoxie, die jedoch von der Botschaft abprallt.
Unzählige Produkte verweisen auf Vorteile beim Konsumie-
ren, ohne auf die Folgen und Kosten hinzuweisen. Spannend
wird es, wenn etwa in fetten Lettern «0 % Fett!» angepriesen
wird, um am Gesundheitstrend anzudocken, während der
im Produkt enthaltene Zucker und andere künstliche Zu-
satzstoffe im Windschatten dieser «gesunden» Botschaft in
den Körper gelangen. Wenn das Produkt dann auch noch
«Jogger Gums» heisst, ist das trojanische Pferd so gut wie
fertig gezimmert.
alle wissen, dass nicht der Ehr- liche gewinnt, sondern wer das spiel am besten beherrscht.
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GDI Impuls . Frühling 2008
Die Kunst bei solchen Waren und ihrer Kommunikation
liegt nicht darin, den Trojaner zu tarnen, sondern ihn in
Abhängigkeit des Gesellschafts- und Bildungsmilieus so
deutlich wie möglich zutage treten zu lassen. Wer ihn nicht
durchschaut, soll auf die Botschaft reinfallen und kaufen,
und wer die Nonsens-Aussage decodieren kann, soll durch
einen attraktiven Werbe-Trojaner und/oder das Produkt
überzeugt werden. Kunden, denen die Jogger-Gummis gut
schmecken, schmunzeln über die Andeutung, dass deren
Konsum etwas Gesundes haben soll. In diesem Schmunzeln
verbündet sich der Konsument mit den Schöpfern der Werbe-
Trojaner. Auch hier wird eine Kaufhandlung ausgelöst – der
Dank für die gelungene Kommunikation.
ästhEtik DEs PotEnziEllEn Entscheidend ist, dass heute kein
ökonomisches Handeln mehr ohne Elemente einer trojani-
schen Kommunikation denkbar ist und dass die Konsumen-
ten sehr genau wissen, dass trojanische Pferde überall lauern.
Unsere Situation hat paradoxe Züge: Wir zimmern die trojani-
schen Pferde und sind gleichzeitig ihre Opfer. Zudem fordern
wir stets neue Formen und Spielarten von Trojanern, da mitt-
lerweile sie für seriöses ökonomisches Agieren stehen und
nicht die echten Pferde.
Für jene, die die Logiken der Werbeindustrie durchschaut
haben, geht es also nicht mehr darum, Trojanern aus dem
Weg zu gehen, sondern sie zu erkennen und aus ästhetischen
Gründen zu schätzen. Man geht den Holzpferden bewusst
auf den Leim, weil man sie schön, spannend, interessant und
aussergewöhnlich findet. Honoriert wird dann etwa der Ein-
fallsreichtum der Verpackung, wenn sie suggeriert, dass das,
was sie verspricht, auch tatsächlich der Inhalt sein könnte,
obwohl niemand diesen Inhalt erwartet. Es geht vorder-
gründig um die Ästhetik des Potenziellen.
Aufgrund der hohen Trojanerdichte hat sich in Gesell-
schaft und Wirtschaft eine «abgeklärte» Haltung ausgebildet.
Weil wir mittlerweile überall trojanische Pferde erwarten,
reis sen wir ihnen nicht mehr in aufklärerischer Mission die
Masken herunter, sondern schaffen lieber die Bühnenbedin-
gungen, damit der Schein in Form des werblich ökonomi-
schen Handelns sich befriedigend inszenieren kann: Es geht
darum, ein dem Gefühl der Realität entsprechendes Outfit
für die trojanischen Pferde zu schnitzen. Für Unternehmen
bedeutet dies, dass sie im Rahmen von Rekrutierungsprozes-
sen bereits die Bedingungen des Eintritts ins Unternehmen
als trojanisches Spektakel konzipieren müssen. Wie es BCG
vormacht, geht es nicht mehr darum, Trojaner zu vermeiden,
sondern sie explizit einzuladen.
DER «GanzE» MitaRBEitER Doch was heute passiert, ist genau
das Gegenteil. Je deutlicher der querdenkende «Trojaner»
angesprochen beziehungsweise zur trojanischen Kommuni-
kation eingeladen wird, desto weniger wird der wirkliche
Trojaner ersichtlich. Die trojanische Kommunikation ist
bereits derart zur Normalität geworden, dass der Aufruf an
die Querdenker verpufft. Tatsächlich kalkulieren wir bereits
von vornherein mit der Täuschung in unseren Reihen: Un-
ternehmen, die bei ihrer Talentsuche explizit den Wert des
Trojaners ansprechen, wissen, dass sie nur zu Durchgangs-
stationen für falsche Pferde geworden sind.
Die Probleme mit den Mitarbeitern tauchen dann auf,
wenn sie im Unternehmen plötzlich Eigenschaften und
Wünsche zeigen, die dem Unternehmen entgegenlaufen. So
gesehen haben Mitarbeiter von jeher etwas «Trojanisches»,
weil sie sich einerseits im Rahmen eines Bewerbungsverfah-
rens naturgemäss von der besten Seite zeigen und anderer-
seits immer über mehr persönliche Seiten, Kompetenzen
und Ansichten verfügen, als es die funktionale Seite ihrer
Stelle innerhalb der Organisation einfordert. Der Unterschied
besteht darin, dass die Unternehmen kommunizieren, sie
bräuchten den «ganzen Mitarbeiter», um das Neue in die
Organisation einzuführen, aber gleichzeitig nicht über die
Strukturen verfügen, die diese Vielfalt kanalisieren.
In einer Ökonomie, die auf dem Prinzip der Schnelligkeit
basiert, ist es vonnöten, auf verschiedenste Wahrnehmungen
von Umwelt zugreifen zu können, um rasch und proaktiv
zu reagieren. Ein solches Reagieren setzt voraus, dass eine
Organisation ihre Kompetenzen schnell rekombinieren
kann, um eine veränderte Leistungserstellung und Markt-
belieferung zu garantieren. Auf der anderen Seite ist es aber
mindestens ebenso relevant, dass es echte Querdenker gibt –
unsere situation ist paradox: Wir zimmern trojani sche Pferde und sind gleichzeitig ihre opfer.
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Management . Der Mitarbeiter als Trojaner . Frank E. P. Dievernich
eher müsste man sagen: «Gegendenker» –, die diese Logik
der Effizienzsteigerung hinterfragen und Blockaden und
Verzögerungen einbauen, um die Überhitzung des Systems
zu vermeiden.
ÜBERRaschunG unD EnttäuschunG Der tatsächliche Um-
gang mit Trojanern ist ein anderer: Überraschung und Ent-
täuschung. Und zwar darüber, dass der über Parship vermit-
telte neue Traumpartner noch über andere Seiten verfügt als
geschrieben («Du hast gesagt, du seist ein Stadtmensch – jetzt
willst du jedes Wochenende in den Wald») und der neue
Mit arbeiter andere Töne anschlägt als zum Zeitpunkt seiner
Bewerbung («Das war doch klar, dass ich hier nicht länger als
zwei Jahre bleibe, da es für den nächsten Karriereschritt
keinen Sinn macht»). Weil aber auch diese Enttäuschung im
Zeitalter der Abklärung bereits antizipiert ist, schauen die
Unternehmen nicht darauf, welche Mechanismen sie entwi-
ckeln können, um mit solchen Differenzen umzugehen, son-
dern bauen im Sinne einer auf Schnelligkeit ausgerichteten
Ökonomie Instrumente auf, die vordergründig «Trojaner»
abhalten sollen – während sie tatsächlich zur weiteren Ver-
besserung ihrer Tarnung beitragen.
Damit sind die Grenzen des derzeit schicken «Diversity»-
Managements und seiner suggerierten Realität in der Phase
der Anbahnung ausgeleuchtet. Zwar gibt es durchaus ausge-
feiltere Instrumente der Partner vermittlung – bei Elitepart-
ner.de werden Anmeldungen persönlich bearbeitet, um eine
höhere Erfolgswahrscheinlichkeit zu erzielen; ebenso werden
in Unternehmen im Rahmen von Rekrutierungsprozessen
aufwändige Assessment-Verfahren konzipiert, um den rich-
tigen Mitarbeiter mit der richtigen Persönlichkeit und Kom-
petenz ausfindig zu machen (und um seine wahren Motive
zu erfahren); aber dennoch ist dem wirklichen Trojaner nicht
auf die Schliche zu kommen.
Was derart professionalisiert wurde, ist einzig der Aus-
wahlprozess – und zwar losgelöst von der späteren Realität.
Diese Aufwendung von Energie zu Beginn der Partnerschaft
führt dazu, dass die Kapazität und Kompetenz im Unter-
nehmen nicht mehr vorhanden ist, um sich mit der Realität
auseinanderzusetzen, die sich beim Wirksamwerden eines
echten trojanischen Pferdes ergibt. Unsere Kultur der Ab ge-
klärtheit hat dazu geführt, dass die entscheidenden Investi-
tionen verpasst werden.
Das EnDE VoM PoRno Als tatsächlich neu und relevant erschei-
nen dagegen jene Anzeichen eines Gegentrends, die in welt-
weit agierenden Juristenkanzleien zu beobachten sind. Cleary
Gottlieb zum Beispiel akzeptiert, dass der Mitarbeiter immer
ein Trojaner ist. Hier werden gerade für Top-Absolventen
aufwändige Einstellungsverfahren als Zumutung angesehen.
Solche Bewerber will man sich nicht durch unangenehme
Fragen vergraulen, sondern vertraut auf den Lebenslauf und
die Bildungsinstitutionen, welche die Noten dokumentieren.
Ein Einstellungsgespräch findet nur mehr unter vier Augen
statt und ist nach einer halben Stunde beendet. Das muss
reichen. Diese neue Form der Wertschätzung und Bindung
von potenziellen Mitarbeitern im Rekrutierungsprozess
könnte angesichts der demografischen Entwicklung und der
Knappheit von qualifizierten Arbeitskräften zunehmend zur
Normalität werden. Dann hätten wir gleichzeitig auch das
Ende jener Realität erreicht, die den Porno imitiert.
Die Individuen imitieren den Unternehmensporno, der
vorgibt, den wahren Menschen zu erkennen, ohne doch
wirklich auf ihn eingehen zu wollen. Sie haben das Spiel mit-
gespielt und wurden zu trojanischen Pferden, von denen alle
wissen, dass niemanden interessiert, was sie anzubieten und
zu verschenken haben. Gerade deshalb gilt: Unsere Welt
schreit danach, wirklich wahrgenommen zu werden, damit
sich endlich ein Handeln einstellt. <
Einstellungsgespräche finden nur unter vier augen statt und sind nach einer halben stunde beendet.
Mitarbeiter verfügen immer über mehr kompetenzen, als die organisation einfordert.
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