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Nr. 72 August 2010 Photo: Petra Wagenhofer Inhalt Nachrichten 3 23 Jahre Partnerschaft Alaminos – Limburg 16 Schrill und inhaltsleer - Wahlrückblick 7 25 Jahre Partnerschaft Agusan – Koblenz 18 Der neue Präsident 8 Vor-Ort Struktur für Hilfswerke 21 Gelbfieber – Analyse der Wahlen 9 Solidarität: Zusammen für Gerechtigkeit 23 Der Fall Jonas Burgos 13 Letzte Seite 24 ISSN 1860-7152

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Page 1: Nr. 72 August 2010 · nellen „Ninoy“ Aquino. Nun darf Noynoy als „P-Noy“ gleich alle Filipinos verkörpern: Pinoy ist der Spitzname für das ganze Volk. Vizepräsident Jejomar

Nr. 72 August 2010

Photo: Petra Wagenhofer

Inhalt

Nachrichten 3 23 Jahre Partnerschaft Alaminos – Limburg

16

Schrill und inhaltsleer - Wahlrückblick 7 25 Jahre Partnerschaft Agusan – Koblenz 18

Der neue Präsident 8 Vor-Ort Struktur für Hilfswerke 21

Gelbfieber – Analyse der Wahlen 9 Solidarität: Zusammen für Gerechtigkeit 23

Der Fall Jonas Burgos 13 Letzte Seite 24

ISSN 1860-7152

Page 2: Nr. 72 August 2010 · nellen „Ninoy“ Aquino. Nun darf Noynoy als „P-Noy“ gleich alle Filipinos verkörpern: Pinoy ist der Spitzname für das ganze Volk. Vizepräsident Jejomar

Editorial 2

Liebe Leserin, lieber Leser,

Eine philippinische Landschaft: Kleine Häu-

ser oft auf Pfählen errichtet zwischen

Gras, Büschen und einigen Bäumen. Sie

stehen relativ dicht beieinander, lassen

aber noch Platz, um etwas Gemüse und ein

paar Blumen zu ziehen. Die Einfamilien-

häuser wurden mit Null-Energie-Standard

von den Bewohnern selbst in Gemein-

schaftsarbeit gebaut, das Baumaterial

wuchs in der unmittelbaren Umgebung und

verursachte beim (kurzen) Transport zum

Bauplatz keine Emissionen. Für den Bau

waren weder spezielle Maschinen noch

spezialisierte Handwerker nötig, eine Ver-

siegelung des Erdbodens wurde weitgehend

vermieden. Die natürliche Klimatisierung

der Häuser spart (hier nicht vorhandenen)

Strom.

Dass die Erhaltung des ökologischen Gleich-

gewichts trotzdem auch hier zur Heraus-

forderung für die Menschen wird, lässt die

eher spärliche Vegetation der hügelig-

bergigen Landschaft ahnen. Früher dürften

Wald und fruchtbare Felder den Land-

schaftseindruck bestimmt und hohe Bäume

den Häusern Schutz vor Sonne, Regen und

Wind geboten haben. Eingriffe von Men-

schen haben dazu geführt, dass der Boden

jetzt nicht mehr ausreichend gegen Erosion

durch Stürme und tropische Niederschläge

geschützt ist.

Was braucht der Mensch, wieviel Haus

benötigt eine durchschnittlich sechs-köp-

fige Familie, um menschenwürdig zu woh-

nen? Woran messen sich Grundbedürfnisse,

worin zeigt sich Luxus? Wie groß ist mein

ökologischer Fußabdruck? Derartige Fragen

stellen sich in allen Teilen unserer Erde.

Wir wünschen Ihnen / Dir einen anregenden

und erholsamen Sommer mit der Chance,

den gewohnten Alltag zu unterbrechen und

solchen Fragen auf den Grund zugehen.

Ihre / Deine Redaktion „Fisch & Vogel“

Impressum:

Herausgeber: Arbeitskreis Ökumenische Philippinen Konferenzc/o Dorothea Seeliger, Jahnstr. 82, 56179 Vallendar

Redaktionsteam:Stephanie Schüller, Martina Seltmann, Dieter Zabel

Nachrichtenredaktion: Gabriele Hafner und Philippinenbüro im Asienhaus

Ständige Mitarbeit:Dr. Rainer Werning

Wir freuen uns über Ihren Unkostenbeitrag, der das Er-scheinen von Fisch & Vogel garantieren hilft:Konto Nr. 102 195 810 beiLIGABANK, BLZ 750 903 00

Die nächste Ausgabe von Fisch & Vogel, Nr. 73, erscheint im Dezember 2010

Fisch & Vogel 72 – August 2010

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3 Nachrichten

Gute Umfragewerte nach der Wahl

Neun von zehn Filipinos im Wahlalter vertrauen ihrem neuen Präsidenten, das ergab eine unabhängige Umfrage der Social Weatherstation. Allerdings glaubt die Hälfte der Befragten, er werde nur einen Teil seiner Wahlkampfversprechen einlösen. Mit 83 Prozent erreichte Aquino die höchste jemals erzielte Zustimmungsrate eines gewählten philippinischen Präsiden-ten. Er wolle noch mehr dafür tun, die Erwartungen der Menschen zu erfüllen, bekräftigte der Präsident daraufhin. Für Ende Juli ist seine erste programmatische Rede zur Lage der Nation angekündigt.

vgl. Philippine Star 13.07.2010

Zuhause wohnen und mit den Bürgern im Stau

Mit einem kräftigen Schuss symbolischer Politik à la Obama startete der frisch gewählte Präsident Benigno Aquino III. in seine Amtszeit. So kündigte er an, nicht in den Malacanang-Palast, den traditionellen Amtsitz des Präsidenten ziehen zu wollen, in dem zuvor auch Diktator Ferdinand Marcos und Aquinos Mutter ihre Amtsgeschäfte geführt hatten. Falls die Sicherheitsberater zustimmten, wolle er lieber in seinem bisherigen privaten Wohnsitz in der Times Street bleiben. Hier sei es ihm eher möglich, er selbst zu sein und die Bodenhaftung nicht zu verlieren, erklärte er. Die Bewohner Manilas erfreute er mit der Ankündigung, das nervende „wang-wang“ Geräusch der Sirenen von Politiker- Konvois werde abnehmen in den Straßen der Hauptstadt. Die Sirene sei dem Präsidenten vorbehalten, alle anderen Politiker sollen sich künftig gefälligst in den Verkehrsfluss einordnen. Ein Reformstau im wörtlichen Sinn ist für seine Regierung daher konkret zu befürchten.

vgl. PDI 30.05. und 01.07.2010

Hohe Wahlbeteiligung

Erstaunlich hoch lag die Wahlbeteiligung mit 75 Prozent, ohne die abschreckend langen Wartezeiten vor den diesmal zentra-lisierten Wahllokalen wäre sie womöglich noch etwas höher ausgefallen.Entgegen aller Befürchtungen funktionierte die Umstellung auf Wahlmaschinen, die ausgefüllte Wahlzettel scannen und die Stimmen automatisch zählen, relativ reibungslos. Teilweise er-hebliche Verzögerungen gab es allerdings bei der Übermitt-lung der gespeicherten Abstimmungsdaten an die Zentralen der Wahlkommission.Einen Rückgang der Gewaltakte in Zusammenhang mit den Wahlen haben Militär und Polizei verzeichnet. So wurden heuer zwischen Januar und dem Wahltag am 10. Mai 105 gewaltsame Vorfälle mit 89 Opfern registriert, bei den letzten Wahlen vor drei Jahren waren es im selben Zeitraum 182 Vorfälle mit 234 Opfern. Das Modell der Parteilisten hat sich bewährt. Es soll gewähr-leisten, dass auch Vertreter sektoraler Gruppen, die nicht über einen Parteiapparat verfügen, Parlamentsabgeordnete stellen können. Die philippinischen Wähler sorgten dafür, dass 57 Parlamentssitze an Vertreter der 28 erfolgreichsten Parteilis-ten vergeben werden. 179 Listenbewerber hat es insgesamt gegeben. Auf diesem Weg werden auch Vertreter linker Volksorganisationen ins Parlament einziehen, während die beiden Senatskandidaten, die bisher die Linke im Kongress vertraten, Liza Maza und Satur Ocampo nicht erfolgreich waren im Kampf um einen Sitz im Oberhaus.

vgl. Business World 12.05. und 31.05.2010, Philippine Daily Inquirer 15.05.2010

Mauschelei mit Wahlmaschine?

Eine Beschwerde gegen 17 Offizielle der staatlichen Wahl-kommission und die Herstellerfirma der Wahlmaschinen rich-tete die „Philippine Computer Society“ (PCS), ein Verband von IT-Experten, an die staatliche Schiedsstelle wegen Schmiergeldzahlungen und unethischem Verhalten. Die Com-puterexperten werfen Mitarbeitern der COMELEC und der Smartmatics vor, unerlaubte Absprachen getroffen zu haben und die Wahlprogramme nicht sorgfältig installiert zu haben, was Zweifel an der korrekten Stimmenauszählung wecke.

vgl. PDI 21.07.2010

Kirchlicher Segen unter Bedingungen

Die Katholische Bischofskonferenz der Philippinen kündigte ihre bedingte Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem neu-en Präsidenten an. Gewisse Vorbehalte rühren aus seiner Offenheit gegenüber Gesetzen zur Geburtenkontrolle und der Nutzung von Verhütungsmitteln her. Pilotprogramme für Sexu-alerziehung an den Schulen sollen trotz der kirchlichen Be-denken in 80 Grundschulen und 79 weiterführenden Schulen gestartet werden. Aquino dürfe die Überzeugungen der Kirche in Fragen des Glaubens und der Moral nicht beeinträchtigen, hieß es in der Erklärung der Bischöfe. Außerdem legten ihm die Oberhirten besonders den Einsatz für Demokratie ans Herz, sowie den Kampf gegen Korruption und Machtmiss-brauch. Die Agrarreform spiele eine Schlüsselrolle in der Armutsbekämpfung. Eine klare Stellungnahme zu dem geplanten Gesetz zur Geburtenkontrolle erwartet die Katholische Bischofskonferenz von der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation. Nach den Vorstellungen der Kirche soll Aquino auf Armutsbekämpfung setzen und nicht auf Geburtenkontrolle. Eine neue Studie des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen zeigt, dass rund ein Drittel der 3,1 Millionen Schwangerschaften pro Jahr in den Philippinen durch eine Abtreibung beendet wird. Bisher nutzen 21,6 Prozent der philippinischen Frauen künstliche Verhütungs-mittel, 68,4 Prozent verhüten gar nicht und 9,9 Prozent verlassen sich auf natürliche Verhütungsmethoden, wie die katholische Kirche sie propagiert.

vgl. KNA 23.6.2010, PDI 15.6.2010; CBCPnews 22.07.2010

Militär gewarnt

Nach dem dritten Mord an einem politischen Aktivisten bereits in den ersten zwei Wochen der neuen Regierung, warnte Präsident Aquino das Militär. Er betonte, er werde keinen Unterschied machen zwischen Gesetzesbrechern in Uniform und normalen Kriminellen. Vom obersten Kommandeur der nationalen Polizei forderte Aquino einen Bericht über die Arbeit der Task Force Usig an, einer Arbeitsgruppe die von der Vorgängerin gebildet worden war, um außergesetzliche Tötungen aufzuklären. In seiner ersten Dienstsitzung als Oberkommandierender der Streitkräfte betonte der Präsident, dass es Aufgabe des Militärs sei, die Feinde des Staates zu besiegen, allerdings unter Beachtung der Menschenrechte und Einhaltung internationaler humanitärer Gesetze, erklärte der Sprecher der Armee. Indes geht das Militär in die Offen-sive: AFP Sprecher José Mabanta kündigte die Schaffung einer Super-Menschenrechts-Kommission an mit Vertretern von Polizei, Justizministerium, Menschenrechtskommission und Militär. Mit Hilfe dieser Kommission sollen ungeklärte politische Morde aufgeklärt werden. Der Militärsprecher rief dazu auf, Informationen über Beteiligung von Soldaten an ungesetzlichen Tötungen weiterzugeben und damit aufzu-hören, das Militär unter Generalverdacht zu stellen.

vgl. PDI 13.07.2010, Philippine Star 13.07. und 15.07.2010

Fisch & Vogel 72 – August 2010

Page 4: Nr. 72 August 2010 · nellen „Ninoy“ Aquino. Nun darf Noynoy als „P-Noy“ gleich alle Filipinos verkörpern: Pinoy ist der Spitzname für das ganze Volk. Vizepräsident Jejomar

Nachrichten 4

Menschenrechte in zweifelhaften Händen?

Zwei Vertreter von Parteilisten, die Aquino im Wahlkampf un-terstützt haben, sollen in wichtige Ämter berufen werden. So soll der Vorsitzende einer Anti-Korruptions- Vereinigung, Joel Villanueva, die Behörde für Technische Bildung (TESDA) lei-ten. Akbayan Vertreterin Loretta „Etta“ Rosales soll die Kom-mission für Menschenrechte (CHR) übernehmen, ihre Vorgän-gerin Leila de Lima wurde neue Justizministerin. Über diese Ernennung ist ein heftiger Streit entbrannt, da Rosales’ poli-tischer Weg sie nicht prädestiniert erscheinen lässt als über-parteiliche Anwältin der Menschenrechte. So sehen viele Beo-bachter ihre Ernennung als Rückschlag für die Arbeit der Kommission. Die Kultur der Nichtverfolgung von politischen Morden werde unter Rosales weitergehen, heißt es. Sie steht seit einigen Jahren politisch in Opposition zu vielen großen Volksorganisationen wie Bayan Muna, Gabriela, Anakpawis oder dem Gewerkschaftsverband Kilusang Mayo Uno, die sie stets und gerade zuletzt im Wahlkampf als kommunistische Frontorganisationen brandmarkte. Gerade Mitglieder dieser Organisationen wurden in den vergangenen Monaten häufig Opfer politischer Morde. Zuvor allerdings war Etta Rosales selber in einem oppositionellen Lehrerverband aktiv und trat dort deutlich vernehmbar für Menschenrechtsfragen ein. Vertreter der linken Organisationen verglichen Rosales mit dem notorischen US-amerikanischen Kommunistenverfolger McCarthy. Während der Gruppenklage für eine Entschädi-gung der Opfer der Marcos-Diktatur hatte Rosales das Lager der Kläger gespalten, indem sie einem Kompromiss zustimm-te, der letztlich auf eine finanzielle Entschädigung ohne straf-rechtliche Verfolgung der Familie hinauslief. Bisher ist ihre Ernennung nicht offiziell bestätigt.

vgl. asiancorrespondent 09.07.2010, PS 15.07.2010, PDI 21.07.2010

Im Namen des Volkes

Ihre Findigkeit bei der Vergabe der allgegenwärtigen Spitz-namen haben die Filipinos nun auch beim neuen Präsidenten und seinem Vize unter Beweis gestellt. Bisher wurde Benigno Aquino III. mit der üblichen Abkürzung „Noynoy“ genannt, in Abgrenzung zu seinem Vater, dem unvergessenen Oppositio-nellen „Ninoy“ Aquino. Nun darf Noynoy als „P-Noy“ gleich alle Filipinos verkörpern: Pinoy ist der Spitzname für das ganze Volk. Vizepräsident Jejomar „Jojo“ Binay firmiert neuerdings unter dem Spitznamen V-Noy wie Vize von „Noynoy“. Bleibt zu hoffen, dass die Politik der beiden auch in Zukunft Laune macht auf Wortspielereien und populäre Spitznamen.

vgl. PDI 17.07.2010

Demonstranten nicht aussperren

Auch die Opposition der Volksorganisationen fordert politische Symbole vom neuen Präsidenten. So soll Aquino sich von seiner Vorgängerin positiv absetzen und anlässlich seiner ersten Rede zur Lage der Nation Demonstrationen in der Umgebung des Parlaments zulassen, forderte Bayan, ein Zusammenschluss linker Basisorganisationen. Generalsekr-etär Renato Reyes versprach, die Demonstrationen würden friedlich verlaufen. In den letzten Jahren habe die Verbannung der Demonstranten weit weg vom Parlament gezeigt, wie groß die Kluft zwischen Regierung und Volk sei, unterstrich Reyes. Mit der Erlaubnis für Demonstrationen nahe des Par-laments könne die neue Regierung beweisen, dass sie an den Forderungen und Fragen der Demonstranten interessiert sei. Bayan wird bei der Demonstration für soziale Gerech-tigkeit, Menschenrechte und Umweltschutz eintreten. Außer-

dem fordert die Vereinigung eine strafrechtliche Verfolgung der Ex-Präsidentin und ein Ende der Serie politischer Morde.

vgl. PDI 21.07.2010

Hauptverdächtige doch verfolgt

Noch vor dem Ende seiner Amtszeit korrigierte Justizminister Alberto Agra seinen viel kritisierten Schritt, die Hauptverdäch-tigen des Massakers in der Provinz Maguindanao, auf freien Fuß zu setzen. Zaldy Ampatuan und Datu Akmad Ampatuan wurden zunächst Mitte April von der Liste der Hauptver-dächtigen gestrichen. Bei dem Massaker im November ver-gangenen Jahres waren 57 Menschen ermordet worden. Der Minister stützte sich dabei auf fehlende Beweise und die vorgelegten Alibis der Verdächtigen. Der Ampatuan-Clan gilt als enger Verbündeter der Arroyo-Administration. Er wird beschuldigt, 2004 die Wahlen in Maguindanao zu Gunsten von Gloria Macapagal-Arroyo manipuliert zu haben. Nicht-regierungsorganisationen, Kirchengruppen, Journalisten und Angehörige der Opfer zeigten sich geschockt von der Ent-scheidung und warfen dem Justizminister vor, die Ampatuans vor einer weiteren Strafverfolgung zu schützen. Nun wurden die Mordanklagen gegen die beiden Ampatuan-Politiker wie-der in Kraft gesetzt.Indes ist in Maguindanao einer der Hauptzeugen der Anklage Suwaid Upham getötet worden. Der wichtige Zeuge hatte zu den Bewaffneten gehört, die das Massaker anrichteten und hatte sich dazu bekannt. Er hatte Andal Ampatuan Jr. als den Befehlsgeber der Massentötung benannt und war sich der Gefahr für sein Leben bewusst.

vgl. PDI 15.05.2010, Bulatlat.com 26.04.2010, MindaNews 24.06.2010

Ende der Ampatuan-Herrschaft

Neu geformt wird die politische Landschaft in der Provinz Ma-guindanao, deren neu gewählter Gouverneur erstmals seit 10 Jahren nicht dem Ampatuan-Clan angehört. Esmael Mangu-dadatu gewann die Wahl deutlich. Um ihn an seiner Kan-didatur zu hindern, hatte der Ampatuan – Clan vergangenen November an Familie und Unterstützern des Rivalen ein Massaker verübt. Bei seiner Bewerbung um ein Regierungs-amt war Andal Ampatuan, Patriarch des berüchtigten Clans, ebenfalls nicht erfolgreich.

vgl. PDI 15.05.2010

Profilierter Bischof gestorben

Bischof Francisco Claver starb im Alter von 81 Jahren Anfang Juli an einer Lungenembolie. Der Jesuit und Bischof im Ruhe-stand war einer der profiliertesten philippinischen Kirchen-männer. Zur Zeit der Marcos-Diktatur setzte er sich vehement für Bürgerrechte ein. Aus seiner Feder stammte der Aufruf der Bischöfe, der 1986 die Initialzündung zur Vertreibung von Fer-dinand Marcos aus dem Amt gegeben hatte. Bischof Claver, der Doktor der Anthropologie war, war der erste katholische Priester aus dem indigenen Volk der Bontoc. Im Alter von 40 Jahren wurde er Bischof von Malaybalay in Mindanao. Neben der Verteidigung der Demokratie arbeitete er mit Leidenschaft an einem Modell der lokalen Kirche, also einer speziell asiatisch gefärbten Kirche, die lokale Traditionen aufnimmt und sich dem Leben des Volkes annähert. Dieser Frage widmet sich auch sein letztes Buch. Francisco Claver wurde auf dem Friedhof der Jesuiten in Quezon City beigesetzt. Viele Mitglieder seiner Familie wünschen jedoch, dass er entsprechend der Stammestradition auf dem Grund seiner Familie begraben wird.

vgl. UCAN 01.07. und 13.07.2010

Fisch & Vogel 72 – August 2010

Page 5: Nr. 72 August 2010 · nellen „Ninoy“ Aquino. Nun darf Noynoy als „P-Noy“ gleich alle Filipinos verkörpern: Pinoy ist der Spitzname für das ganze Volk. Vizepräsident Jejomar

5 Nachrichten

Kongressabgeordnete Arroyo aktiv

Keine lange Einarbeitungszeit nahm sich Ex-Präsidentin Glo-ria Arroyo für ihre neue Rolle als Kongressabgeordnete von Pampanga. Sie brachte bereits eine Initiative für Korrekturen der Verfassung auf den Weg, für die ein spezielles Gremium einberufen werden muss. Verschiedene Abgeordnete stellten sich hinter Arroyos Initiative, während der voraussichtliche neue Kongresspräsident deutlich machte, sie habe keine Priorität. Es gäbe zwar eine Reihe sinnvoller Gründe, die Verfassung zu verbessern, doch der jetzige Zeitpunkt sei dazu ungeeignet.

vgl. PS 14.07.2010

Landbesitz des Präsidenten klären

Die mündliche Verhandlung über die Zukunft der Hacienda Luisita, zu deren Eigentümern der neue Präsident gehört, wurde vom Obersten Gerichtshof verschoben. Das Gericht fordert von den Besitzern eine komplette Liste der Eigentümer und ihrer jeweiligen Besitzanteile innerhalb von 15 Tagen. Zuletzt war im Jahr 2006 zugunsten der Besitzerfamilie Cojuangco, Verwandten des Präsidenten mütterlicherseits, die Anwendung des Agrarreformgesetzes auf die Hacienda Luisita verschoben worden.

vgl. PDI 21.07.2010

Armut steigt trotz Wachstum

Trotz kontinuierlicher Expansion der philippinischen Wirtschaft und dem höchsten Durchschnittswachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 4,4 Prozent während der Amtszeit von Präsidentin Macapagal-Arroyo, hat die Zahl der Menschen, die in Armut leben, erheblich zugenommen. Die Anzahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, hat sich von 11,4 Prozent (2000) auf 20,3 Prozent (2009) fast verdoppelt. Gründe für die steigenden Armutszahlen sehen Experten in dem ansteigenden Bevölkerungswachstum, Fol-gen von Naturgefahren wie Ondoy und des Wetterphänomens El Nino und den Folgen der Wirtschaftskrise. Außerdem wird die Privatwirtschaft kritisiert, nur geringe Anteile ihrer Gewinne durch Re-Investionen an die Bevölkerung zurückzuführen.

vgl. PDI, 08.03.2010

Arme besitzen Handys aber keine Toilette

Mehr als 30 Prozent der einkommensschwachen Bevölkerung besitzt ein Handy, doch viele haben keinen Zugang zu Sani-täranlagen und Elektrizität. Dies berichtet das National Statistic Office (NSO) in seinem Bericht »Characteristics of Poor Families in the Philippines«. 64 Prozent aller Familien des Landes haben mindestens ein Mobiltelefon in der Familie, damit ist das Handy das zweit beliebteste Haushaltsgerät. Das wichtigste Gerät ist der Fernseher. 82 Prozent der Ober- und Mittelschicht und 43 Prozent der ärmeren Bevölkerung besitzen einen Fernseher. Hinzu kommt, dass circa 36 Prozent dieser Bevölkerungsschicht keinen eigenen Stroman-schluss und 24 Prozent keine sanitären Einrichtungen im Haus haben.

vgl. MT, 24.04.2010

Düstere Aussichten für OFWs

Oversea Filipino Workers (OFWs) sind seit Jahren ein wichtiges Standbein der philippinischen Wirtschaft. Durch die Folgen der Wirtschaftskrise sind die Arbeitsplätze im Ausland jetzt stark gefährdet. Kein anderes Land ist so abhängig von den Überweisungen im Ausland lebender Angehöriger wie die Philippinen.

Derzeit gehen die Jobangebote aus Australien, Neuseeland und Kanada zurück, nur im Nahen Osten werden noch philippinische Arbeitskräfte nachgefragt. In Europa und Amerika sind die OFWs die Ersten, die die Wirtschaftskrise zu spüren bekommen und ihre Arbeit verlieren. Ein Rückgang der Überweisungen würde zu großen Problemen führen, da die Empfänger das Geld zur Abdeckung ihrer Grundbedürf-nisse wie Nahrung und Haushaltswaren (93 Prozent), Bildung (72 Prozent) und medizinische Versorgung (63 Prozent) benötigen. Zwischen 2004 und 2007 ging die Nachfrage nach qualifizierten Fachleuten um 45 Prozent deutlich zurück. Weniger qualifizierte Arbeitskräfte haben wesentlich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt in Übersee. Sie machen circa 75 Prozent der OFWs aus.

vgl. Planet Philippines, 11.03.2010; Philippine Online Chro-nicles, 29.01.2010; Philippine Star, 06.04.2010

Umweltschutz oder Taktiererei?

Eine neue Vorschrift in Süd-Cotabato auf Mindanao verbietet Bergbau im offenen Tagebau. In dieser Provinz liegt Tampa-kan, eines der lukrativsten Vorkommen an Kupfer und Gold, mehrere Investoren sind an dem großen Projekt interessiert. Von Umweltschützern und Kirchenleuten wurde das Verbot begrüßt. Die Gouverneurin ließ bei der Unterzeichnung der Verordnung allerdings durchblicken, dass dieses Verbot in Zukunft auch wieder aufgehoben werden könne, sofern Bergbauunternehmen ausreichende Pläne für Umweltschutz-maßnahmen vorlegten. Ohnehin steht die Vorschrift in Süd-Cotabato im Widerspruch zu den Bestimmungen im landes-weit gültigen Bergbaugesetz und dürfte somit keinen Bestand haben. Einen Zweck hat die Verordnung aber bereits erfüllt: Sie ließ einen bevorstehenden Verkauf der Anteile eines australischen Bergbauunternehmens an eine chinesische Minengesellschaft platzen, die sich in das Gold- und Kupfer-projekt Tampakan einkaufen wollte.

vgl. Minda News 21.06.2010

Investoren fürchten Bürgerwillen und Beamtenchaos

Ausländische Investoren lassen bisher wenig Begeisterung über die Wahl Benigno Aquinos erkennen. Die bei seinen Landsleuten hoch willkommene Ankündigung, einige Ge-schäftsverträge, die unter seiner Vorgängerin geschlossen worden waren, noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, weckt bei potentiellen Investoren aus dem Ausland Unsicherheiten über die regulatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen eines Engagements auf den Philippi-nen. Widersprüchliche Auslegungen von Bestimmungen durch zentrale und lokale Behörden haben bereits einige Investitionsvorhaben gelähmt. Vergangenes Jahr lag der Wert ausländischer Investitionen niedrig, in den ersten vier Monaten dieses Jahres betrug er nur die Hälfte der Höhe im Vorjahreszeitraum, wie die nationale Entwicklungsbehörde NEDA bekannt gab. Offenbar befürchten viele Wirtschafts-vertreter, dass Präsident Aquino stärker auf die Belange von Bürgerorganisationen eingehen könnte, die zum Beispiel Bergbauvorhaben ablehnen. Ein malaysisches Unternehmen, das südlich von Manila eine Schnellstraße betreibt, klagt darüber, dass die Mautgebühren nun anders als im Vertrag vorgesehen, nicht erhöht werden können, weil die Bürger sich dagegen wehren. Das gefährde das gesamte Projekt. Auch einheimische Investoren klagen über schleppende Entscheidungsprozesse. So wartet eine Biotechfirma seit fünf Jahren auf eine Entscheidung, ob sie ein neues Mittel gegen Tollwut herstellen darf. Sie hat ein Joint-Venture mit der Regierung geschlossen, doch bisher konnten die Beamten sich nicht entscheiden, ob die Investition unter die Kategorie

Fisch & Vogel 72 – August 2010

Page 6: Nr. 72 August 2010 · nellen „Ninoy“ Aquino. Nun darf Noynoy als „P-Noy“ gleich alle Filipinos verkörpern: Pinoy ist der Spitzname für das ganze Volk. Vizepräsident Jejomar

Nachrichten 6

„build-operate“ fällt oder unter die Förderung von Private-Public-Partnerships.

vgl. asiatimes.net 16.07.2010

Kleinbauern contra Wirtschaftszone

Die katholische Prälatur Infanta hat für Kleinbauern Kontakte zu Anwälten geknüpft, die ihnen helfen sollen, ihre Häuser und Farmen zu behalten, obwohl in der Region eine Spezial-wirtschaftszone geplant ist. Die Anwälte vom Public Interest Law Center bereiten nun Klagen für Hunderte von Bauern aus Casiguran (Provinz Aurora) vor, die sich der 2007 beschloss-enen Schaffung der Aurora Special Economic Zone (APECO) widersetzen. Damals hatte es keine Anhörung der betroffenen Bevölkerung gegeben. Pfarrer José Talaban, der die Bauern unterstützt, weil sie durch die Zone heimatlos würden, ist wiederholt bedroht und als Kommunist beschimpft worden. Ende Juni wurden auf sein Haus Schüsse abgefeuert.

vgl. UCAN 15.07.2010

Taifun-Prognosen verbessern

In seinem ersten Einsatz als Krisenmanager nach dem Taifun Conson mit 26 Todesopfern, forderte Präsident Aquino eine präzisere Vorhersage der betroffenen Gebiete. Der philippi-nische Wetterbericht hatte keine Warnung für die Hauptstadt Manila ausgesprochen, doch genau da tobte der Sturm sechs Stunden lang. Eine Aktualisierung der Vorhersage lediglich alle sechs Stunden sei zu langsam, betonte Aquino und forderte das Wetterinstitut PAGASA auf, diese Lücke schnell-stens zu schließen. Bereits im vergangenen Herbst hatte es mehrere falsche oder unpräzise Prognosen vor Stürmen gegeben. In den letzten Jahren haben viele erfahrene Mitarbeiter die PAGASA verlassen und lukrative Angebote aus dem Ausland angenommen, außerdem müssen die philippinischen Wetterfrösche mit veralteter Ausrüstung arbeiten.

vgl. PDI 15.07. u.21.07.2010; BBCnews 14.07.2010

Der Neue raucht

Als der Kollege aus den USA anrief, um zum Wahlsieg zu gratulieren, gab er keine politischen Ratschläge, sondern Tipps, wie man am besten mit dem Rauchen aufhört - eine Frage die beide, Barack Obama und Noynoy Aquino beschäf-tigt. Während des Wahlkampfs wurde häufig versucht, den Kettenraucher Aquino zu bekehren. Er verbraucht bis zu drei Päckchen pro Tag und sagt, das Rauchen helfe ihm, mit dem Stress im Job fertig zu werden. Doch Rauchen ist auch auf den Philippinen längst keine reine Privatsache mehr. Ein Präsident mit Glimmstengel sei die beste kostenlose Werbung für die Tabakindustrie und konterkariere die Anstrengungen der WHO und der lokalen Gesundheitsbehörden, den Tabak-konsum zu reduzieren, sagen Kritiker. Zudem konzentrierten sich die Tabakkonzerne inzwischen stärker auf den südostasi-atischen Markt, seitdem in immer mehr westlichen Ländern strenge Rauchverbote gelten. Der Weltgesundheitsorganisati-on bereitet es Kopfzerbrechen, dass die Tabakkonzerne nun besonders Frauen und Jugendliche als Zielgruppen anpeilen. Auf den Philippinen rauchen derzeit rund 30 Prozent der Bevölkerung. Die Ausgaben für Zigaretten belaufen sich auf stattliche 20 Prozent des monatlichen Haushaltsbudgets. Die philippinische Tabakindustrie wird seit Jahrzehnten vom Magnaten Lucio Tan beherrscht. Sein Unternehmen ist gerade dabei, mit dem Hauptkonkurrenten Philip Morris zu fusionie-ren, um stärker auftreten zu können gegenüber der Anti-Rau

cher Lobby. Die WHO fordert nun eine höhere Tabaksteuer auf den Philippinen, bisher betragen die Einnahmen daraus bereits 30 Milliarden Pesos im Jahr.

vgl. asiatimes 30.06.2010

Verstärkte Kooperation gegen Piraterie

Das philippinische Außenministerium hat die UN und andere Staaten zur verstärkten Zusammenarbeit beim Kampf gegen die zunehmende Piraterie und deren Ursachen aufgerufen. Die von Piraterie betroffene Region hat sich bereits vom Golf von Aden auf den weiteren Indischen Ozean ausgedehnt. Nicht zuletzt wegen der fehlenden Strafverfolgung haben sich die Angriffe somalischer Piraten zu einem äußerst lukrativen Geschäft entwickelt. Die Philippinen stellen mit 350.000 Seefahrern den größten Anteil an Schiffsbesatzungen in der internationalen Seefahrt. Damit sind philippinische Seeleute besonders häufig von Angriffen somalischer Piraten betroffen. Derzeit sind 63 philippinische Seemänner von vier Frachtern in der Gewalt von Piraten. Zur Prävention wurden bereits Sicherheitsmaßnahmen und Trainings zum Krisenmanage-ment für die Seefahrer eingeführt. Auf dem Indian Ocean Naval Symposium in Abu Dhabi ist man sich einig, dass ein alleiniges Vorgehen gegen die Angriffe der Piraten nicht zu einer Lösung des Problems führen wird. Dennoch wird die Fortsetzung der Marineeinsätze als notwendige Maßnahme zur Einschränkung der Übergriffe gesehen. Doch die eigent-liche Lösung läge in der Stabilisierung des Landes Somalia. Der Leiter der Australischen Marine, Russel Crane ist über-zeugt, dass durch die vereinte internationale Zusammenarbeit das Problem in nicht allzu ferner Zukunft wieder unter Kontrolle gebracht werden kann.

vgl. MT, 17.05.2010

EU als Friedensbeobachter

Repräsentanten der philippinischen Regierung, der separati-stischen Moro Islamic Liberation Front (MILF) und der Zivilbe-völkerung sind sich einig; der Eintritt der EU in das Inter-nationale Beobachtungsteam (IMT) kann für neuen Auf-schwung im Friedensprozess zwischen Regierung und MILF sorgen. Beide Parteien haben der EU die Leitung der Komponente für humanitären Wiederaufbau und Entwicklung des IMT angeboten. Alle Beteiligten zeigten sich sehr erfreut über die Einwilligung und Unterstützung der Europäer und versprechen sich viel von den Erfahrungen der EU in Sachen Humanitäre Hilfe und Konfliktberatung. Der Vorsitzende des Friedensausschusses der MILF, Mohagher Iqbal, erhofft sich zudem, dass der Eintritt der EU in das IMT dazu beitragen kann, auch Indonesien und Qatar langfristig zu einer Mitarbeit zu bewegen. Das IMT wird derzeit von Vertretern aus Malaysia geleitet und von Soldaten aus Brunei und Libyen sowie einem Experten für Entwicklungsfragen aus Japan unterstützt. Das IMT hat die Umsetzung des Waffenstill-standes zwischen Regierung und MILF von Ende 2004 bis November 2008 beobachtet. Die gescheiterten Friedensab-kommen von 2008 führten zu einer Überarbeitung des Verant-wortungsbereichs des IMT. Heute ist das Internationale Beobachtungsteam für die Überwachung der Sicherheit, der sozioökonomischen Entwicklung, den Schutz der Zivilisten und die humanitäre Hilfe zuständig.

vgl. Mindanews, 21.05.2010

Fisch & Vogel 72 – August 2010

Page 7: Nr. 72 August 2010 · nellen „Ninoy“ Aquino. Nun darf Noynoy als „P-Noy“ gleich alle Filipinos verkörpern: Pinoy ist der Spitzname für das ganze Volk. Vizepräsident Jejomar

7 Wahlen

Schrill und inhaltsleerDie Philippinen entschieden am 10. Mai über ihren neuen Präsidenten – ein Politikwechsel

stand nicht zur Wahl

von Rainer Werning

Für die Philippinen war die zu Ende gegangene Amtszeit der seit Januar 2001 regierenden Prä-sidentin Gloria Macapagal-Arroyo ein verlorenes Jahrzehnt. Vetternwirtschaft und Korruption gras-sierten, während Armut und Arbeitslosigkeit zu-nahmen. Weit über 1.000 Menschen wurden Opfer politischer Morde, die Täter sind allesamt auf freiem Fuß.

Am Montag, dem 10. Mai, buhlten 50.261 Bewer-ber um 17.999 zu vergebende Posten, vom Präsi-dentenamt bis hinunter zum Mandat auf Gemein-deebene. 50,72 Millionen registrierte Wähler wa-ren aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben. Chan-cen auf das höchste Staatsamt hatten jedoch lediglich vier der neun Kandidaten.

Der 1960 geborene Benigno »Noynoy« Aquino III. ist ein Sohn der früheren Präsidentin Corazon Aquino, die das Land nach dem Sturz der Marcos-Diktatur von 1986 bis 1992 regierte und im Som-mer vergangenen Jahres starb. »Tita (Tante) Cory«, wie sie im Volksmund genannt wurde, gilt im Inselstaat auch heute noch als Ikone der Demokratiebewegung. »Noynoy« Aquino ist Teilei-gentümer der 6.453 Hektar umfassenden Hacien-da Luisita. Um sie gab es seit Jahren Kontrover-sen, weil sich die Familie Aquino einer Aufteilung ihres Besitzes im Rahmen einer Landreform wi-dersetzt. Am 16. November 2004 wurde die Farm außerdem Schauplatz eines Massakers, als Bau-ernproteste blutig niedergeschlagen wurden. »Noynoy« entstammt dem superreichen und politisch einflussreichen, jedoch in zwei Lager gespaltenen Cojuangco-Clan. Während »Noy-noys« Mutter dem reformorientierten Flügel der Großfamilie angehörte, wurde der in der Vergan-genheit als Marcos-treu geltende Teil unter ander-em von seinem Cousin »Gibo« Teodoro reprä-sentiert, einem seiner schärfsten Konkurrenten um das Präsidentenamt.

»Gibo« ist vier Jahre jünger als sein Cousin und wurde im Herbst 2009 von der derzeitigen Regie-rungskoalition zum Spitzenkandidaten nominiert. Obgleich der Absolvent der US-amerikanischen Harvard Law School in den Medien als klügster Kopf unter den Kandidaten galt, hatte er als Verteidigungsminister im Kabinett von Gloria

Macapagal-Arroyo an Glanz verloren, was seine Gewinnchancen von vornherein schmälerte.

Im Gegensatz zu seinen beiden Konkurrenten entstammte der 1949 geborene Manuel »Manny« Villar jr. ärmlichen Verhältnissen. Durch ein geschickt geknüpftes Netz von Freunden und durch das Einheiraten in eine begüterte Familie gelang dem »Selfmade Man« eine beispiellose wirtschaftliche und politische Karriere. Lukrative Geschäfte im Immobiliensektor ließen Villar im vergangenen Jahr mit einem Vermögen von umgerechnet 530 Millionen US-Dollar auf Platz 9 der Forbes-Liste der philippinischen Superreichen rücken. Als einziger Präsidentschaftskandidat ver-sprach er, sich für die Belange der Armen und Marginalisierten einzusetzen.

Der älteste der aussichtsreichen Anwärter, der 1937 geborene Joseph »Erap« Estrada, war in den 1950er und 1960er Jahren als Schauspieler ein ausgesprochener Liebling der Massen und schoss sich in zahlreichen Streifen seinen Weg durch Manilas Gassen und Gossen frei. Auf einer Woge der Euphorie 1998 als Präsident in den Malacañang-Palast getragen, wurde er Anfang 2001 vorzeitig aus dem Amt gejagt und von seiner Vizepräsidentin Gloria Macapagal-Arroyo beerbt. 2007 verurteilte ihn ein Gericht wegen Korruption und illegalem Glücksspiel zu lebenslanger Haft, doch nur wenige Wochen nach dem Urteilsspruch begnadigte ihn die Präsidentin.

So aufwendig, schrill und inhaltsleer der Wahl-kampf verlief, so engagiert wie nie zuvor hatten gesellschaftliche Gruppen themenorientiert politi-sche Bildungsarbeit von unten geleistet. Eine gute Voraussetzung für spätere Wahlen, aber nicht gut genug, um schon jetzt einen Politikwechsel einzu-leiten. Landesweit existieren annähernd 300 politi-sche Dynastien und nach Schätzungen der Philip-pinischen Nationalpolizei (PNP) 132 Privatarmeen mit insgesamt 10.000 Bewaffneten. Auf den Phi-lippinen zirkulieren 1,2 Millionen nicht lizenzierte Waffen, mit denen - notfalls gewaltsam - beste-hende Machtverhältnisse und Pfründe verteidigt werden.

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Wahlen 8

And the winner is ... CojuangcoAm 30. Juni wurde Benigno „Noynoy“ Aquino III als neuer Präsident der Philippinen vereidigt. Er tritt damit in die Fußstapfen seiner Mutter und erbt gleichzeitig ein Bündel alter – vor allem

ungelöster - Probleme

von Rainer Werning

Die gute Nachricht zuerst: Als der fünfzigjährige Benig-no »Noynoy« Aquino III am 30. Juni als 15. Präsident seines Landes vereidigt wurde und in den Malacañang-Palast zu Manila einzog, endete ein für die Masse der Filipinos ebenso dunkles wie verlorenes Jahrzehnt. Seine Vorgängerin Gloria Macapagal-Arroyo ist nicht nur die meist gehasste Präsidentin seit dem Diktator Ferdinand E. Marcos (1966-86). Der Name Arroyo steht synonym für Korruption, Skandale, Wahlfälschungen, massive Menschenrechtsverletzungen, staatliche Auf-tragsmorde und eine Politik, die ungeniert das interna-tionale Big Business und die einheimische Oligarchie hofierte. Zu Lasten einer Bevölkerung, die während ihrer Amtszeit seit Januar 2001 die höchste Arbeitslo-senrate und größte Armut seit Gründung der Republik im Sommer 1946 erlebte.

Die schlechte Nachricht: Bei den Präsidentschafts-, Se-nats-, Kongress- und Gouverneurswahlen am 10. Mai siegten auffällig viele Kandidaten des ancien régime und der oligarchischen Elite. Die umtriebige Marcos-Witwe Imelda wurde in den Kongress gewählt, ihr Sohn Ferdinand Junior avancierte zum Senator, während Tochter Imee neue Gouverneurin in Ilocos Norte, der Heimatprovinz der Marcoses, wurde. Eindeutiger Ge-winner der Wahlen war jedoch ein Familienunterneh-men – der mächtige Cojuangco-Clan.

Und da sind wir bei Aquino: Die Cojuangcos bezie-hungsweise Teile dieser Großfamilie genossen stets das Privileg politischer Patronage und wirtschaftlicher Pfründe seitens der jeweils Herrschenden. Als Marcos mit einer handverlesenen Schar von Getreuen - darun-ter Eduardo »Danding« Cojuangco - in den politisch turbulenten letzten Februartagen 1986 von der US-Luftwaffe ins Hawaiier Exil ausgeflogen wurde, über-nahm gleichzeitig ein anderer Spross der Cojuangcos, Maria Corazon Sumulong Cojuangco, als große Hoffnungsträgerin das Präsidentenamt. Als Frau Aquino am 1. August 2009 an Darmkrebs starb und mit ihr ein Mythos beerdigt wurde, schlüpfte der bis dahin politisch blasse Noynoy in seine Berufsrolle als Sohn. Wenige Tage nach dem Tod seiner Mutter gab er seine Kandi-datur für das höchste Staatsamt bekannt – und ge-wann. Ab dem 1. Juli also wird sich zeigen, ob und wie der neue Präsident die alten ungelösten Probleme - Vetternwirtschaft, Verbesserung der wirtschaftlichen und Menschenrechtslage und Friedensgespräche mit kommunistischen und muslimischen Rebellen im Süden des Landes – angeht.

Mit der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF), der bedeutendsten muslimischen Widerstandsorganisation, die im Süden des Landes für Selbstbestimmung kämpft, ist jahrelang ergebnislos verhandelt worden. Das Hauptproblem lag darin, dass die Arroyo-Administration mehr auf Kapitulation als auf ernsthaften Dialog setzte. Aquino wäre gut beraten, die Verhandlungen mit der MILF wie auch mit dem linken Untergrundbündnis der Nationalen Demokratischen Front (NDFP) im Kontext einer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Reform-Agenda zu führen und entsprechende Vermittlungs-bemühungen der EU anzunehmen. Arroyo hatte hinge-gen solche NDFP-Mitgliedsorganisationen wie die Kom-munistische Partei und ihre Guerilla, die Neue Volksar-mee, als »terroristisch« gebrandmarkt und laufende Friedensgespräche beendet.

Die Menschenrechtssituation im Lande war seit Marcos nie so niederschmetternd wie unter Arroyo. Annähernd 1.200 Menschen wurden während ihrer Amtszeit Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen, über 200 Personen bleiben bis heute spurlos verschwunden. Keiner der im Umfeld staatlicher »Sicherheits«kräfte vermuteten Täter ist bislang zur Rechenschaft gezogen worden. Frau Arroyos »Antiterrorfeldzug« im Rahmen des Oplan Bantay Laya (des zweiphasigen Operationsplans Frei-heitswacht) richtete sich vornehmlich gegen ihre poli-tischen Gegner und sollte mit Ende ihrer Amtszeit abge-schlossen sein. Unternimmt Aquino nichts, um Frau Arroyo wegen all dieser Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, würde das einen frühen Schatten auf seine Regierung werfen. Und demonstrieren, dass er als gleichzeitiger Oberbefehlshaber der Streitkräfte eher Repression duldet, statt deren Opfer zu rehabilitieren.

Während seines Wahlkampfs hatte Aquino nicht erken-nen lassen, dass er im Gegensatz zu seiner Vorgänge-rin eine Wirtschaftspolitik im Interesse der Armen und Marginalisierten avisiert. Er selber ist unter anderem Teileigentümer der über 6.000 Hektar großen Hacienda Luisita, die immer wieder Kontroversen auslöste, weil sie von einer Aufteilung im Rahmen der bereits 1988 verkündeten Landreform verschont blieb und Bauern-proteste blutig niedergeschlagen wurden. Der neue Präsident müsste schon seine Klassenherkunft und Claninteressen verleugnen, um auch dieses ver-schleppte Reformvorhaben anzugehen.

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9 Wahlen

GelbfieberErste Wahl-Analyse und was eine Präsidentschaft Aquino verspricht

von Niklas Reese

Wahlergebnisse

Malapit na po nating makita ang liwanag. Bald werden wir das Licht sehen. (Noynoy Aquino)

Ilang buwan na lang, sisikat ang haring araw sa isang bagong Pilipinas. Bloß noch einige Monate, dann wird der Sonnenkönig auf ein neues Philippinen scheinen. (aus dem offiziellen Freiwilligen-Newsletter der Aquino-Kampagne im Januar 2010)

Die Philippinen haben einen neuen Präsidenten – und zwar mit einem klaren Mandat. Ein politisches Märchen hat seinen ersten Höhepunkt erreicht. Benigno „Noynoy“ Aquino III, Sohn des zu Ikonen der Demokratie stilisie-rten Ehepaars Aquino – der Marcosbezwingerin Cory und dessen großer Widersacher Ninoy – übernahm am 1.Juli 2010 die Geschäfte im Präsidentenpalast. Noy-noys Wahlkampf setzte von Anfang an auf diesen My-thos, d.h. seit August 2009 mit dem Tod von Cory Aqui-no und den gelben Wellen, die dieser auf die Straße hat schwappen lassen. Vom Kampf von Gut gegen Böse, von Licht gegen (das) Dunkel war viel die Rede. Das Licht ist gelb, gelb war die Farbe von People Power I, die Marcos aus dem Land fegte, gelb ist auch die Farbe von Noynoy Aquino, der nun den bleiernen Jahren der Arroyo-Präsidentschaft ein Ende setzen soll. Arbeitslo-sigkeits- und Armutsraten sind so hoch wie seit langem nicht mehr, soziale Ungleichheit hat zugenommen, das Land ist mehr verschuldet als zuvor, Migration ist für sehr viele zum einzigen Ausweg geworden. Nepotismus, Korruption, politische Morde, Wahlfälschungen und eine Kultur der Straflosigkeit hatten sich in den Jahren unter Arroyo massiv ausgebreitet.

Die Erleichterung ist mit Händen zu greifen, dass Arroyo aus dem Präsidentenpalast auszieht. Und sich all die Horrorszenarien, wie die noch amtierende Präsidentin die Wahlen manipulieren würde, um an der Macht zu bleiben, nicht materialisiert haben.

Eine Stimmung der Hoffnung und der gespannten Erwartung ist allerorts fühlbar. Das war People Power im Gewand einer Wahl, so jene, die sich ganz von diesem Gelbfieber haben anstecken lassen. Selbst Menschen, die Aquino nicht gewählt haben (was trotz allem die Mehrheit im Lande ist) verlangen, dass man ihm eine Chance geben soll, sich zu beweisen. Die Wahlen hat-ten durch alle Gesellschaftsschichten Interesse geweckt und waren monatelang das Thema von sehr kenntnis-reichen Gesprächen auch außerhalb der politischen Zi-vilgesellschaft. Die langen Schlangen vor den Wahlloka-len dürften nicht nur Ausdruck der technischen Schwie-rigkeiten bei der Umsetzung der ersten automatisierten Wahlen im Lande gewesen sein, sondern auch einer ausgeprägten Wechselstimmung.

Aquino hat schließlich mit einem großen Vorsprung ge-wonnen. Der Anfang des Jahres Kopf an Kopf mit ihm liegende Manny Villar war auf der Schlussgeraden über den Mythos, den er den Filipin@s weismachen wollte, gestolpert: Ein self-made man, der als Kind noch im Müll spielte und nun zu Reichtum gekommen, alles tun wer-de, um „der Armut ein Ende zu setzen“ (tapusin ang kahirapan) wie sein Wahlslogan lautete. Zu viele Unge-reimtheiten waren nach und nach aufgedeckt worden. Und so wurde er auf der Schlussgeraden sogar noch von Ex-Präsident Estrada deutlich auf den dritten Platz verwiesen. Ein erstes Ergebnis dieser Wahlen: Man kann die Menschen nicht für dumm verkaufen und sich auch mit viel Geld nicht die Präsidentschaft kaufen (ganz im Gegenteil zu dem, was das Bildungsbürgertum zu gerne über die Armen denkt).

Der Kandidat der christlichen Siedler/innen

In South Cotabato hat Estrada 60.5% aller Stimmen er-halten, bis zu 74% der Stimmen in Tampakan. In North Cotabato hat er 61,1% bekommen, in Sultan Kudarat 61,4% und in den Davao-Provinzen hat er mit 40 bis 50% der Stimmen gewonnen. Selbst im vor den Wahlen zum „Noynoy Territority“ ausgerufenen Ober-zentrum Davao City lag er mit 44,9% vor Aquino (36,3%).

Je weiter eine Provinz vom Herzen des Konflikts zwi-schen Siedlern und dem verbliebenen Moroland ent-fernt ist, desto weniger Zustimmung hat Estrada in ihr bekommen. In Bukidnon und Misamis Oriental hat Estrada nur 10% Vorsprung, in Lanao del Norte 12%, in Zamboanga Sibugay zwar 21% Vorsprung, aber überall hat er bloß 35-42 Prozent einstreichen können. In den anderen – konfliktfernen - Teilen Mindanaos dagegen hat Aquino mit 10 bis 25 Prozent einen großen Vor-sprung auf Estrada, der dort oft sogar nur Dritter dort geworden ist Und in den mehrheitlich muslimischen Ge-genden hat Aquino nicht nur klar gewonnen, sondern Estrada auch kaum Stimmen sammeln können. (Ma-guindanao 13,1%, Tawi-Tawi 7.7%, Sulu 6,1%). Zumin-dest auf Mindanao ist der Erfolg weniger seiner be-haupteten Anwaltschaft für die Armen zu verdanken, sondern mehr seiner Forderung nach einer starken Hand bis hin zum totalen Krieg gegen die Moros. Wenn man dann noch in Rechnung stellt, dass Estradas PMP in vielen Gegenden nicht einmal mit eigenen Kandida-ten bei den Regionalwahlen angetreten ist, und er da-her auf keine Maschinerie vor Ort zum Gewinn von „command votes“ zurückgreifen konnte, so ist dies ein weiterer „Hinweis auf die massive Unterstützung an der Basis“ (Tony Lopez. Manila Times, 20.5.2010)

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Wahlen 10

Insgesamt hat Aquino auch in Prozenten mehr Stimmen als Estrada 1998 bekommen – und schon dessen Sieg war damals als klares Mandat verstanden worden. Aqui-no hat eine breite Zustimmung in allen Gesellschafts-schichten bekommen1 und in 13 der 17 Regionen und in 51 von 80 Provinzen als Erster abgeschnitten; allerdings haben sich der Norden Luzons und das von christlichen Siedler/innen dominierte Zentralmindanao zum Teil sehr deutlich für Estrada entschieden (siehe Kasten).

Aber was genau kann man nun von einem Präsidenten Aquino erwarten? Reform, Aufbruch, ein neuer Politikstil – sehr viel genauer kann es einem kaum jemand sagen. Auch, weil man im Wahlkampf (nicht nur) von Aquino wenig mehr als Allgemeinplätze (motherhood state-ments) zu hören bekam. Die Beantwortung der Frage, welche politische Linie Aquino verfolgen wird, gleicht daher ein wenig der Kaffeesatzleserei.

Aquinos zentraler Wahlkampfslogan lautete Kung wa-lang corruption, walang mahirap (Wenn es keine Korrup-tion gibt, gibt es auch keine Armut) und er gab immer wieder Äußerungen von sich (bzw. seine politischen Be-rater etc. haben ihn zu Aussagen verleitet), in denen auf Bausteine des neoliberal geprägten good governance-Diskurses zurückgegriffen wurde: ehrliche und trans-parente Regierungsweise, Investitionsfreundlichkeit und Freihandelsorientierung, ein Fokus auf verbesserte Bil-dung und mehr Steuereinnahmen. Industriezweige, in welchen den Philippinen gute Chancen im globalen Wettbewerb eingeräumt werden, wie cash crops, Call Center, Tourismus, aber auch (selbstverständlich sozial verantwortlicher!) Großbergbau, dürften nun eine ver-stärkte Förderung erhalten. Dazu hatte Aquino auch angekündigt, dass er eine Arbeitsgruppe einsetzen wol-le, welche überprüfen soll, inwieweit sich die Bestim-mungen in der Verfassung in punkto Begrenzung aus-ländischer Investitionen ändern lassen. Auch der Aus-bau der zweckgebundenen Transferleistungen (conditio-nal cash transfers) für soziale Bedürftige2 und ein universaler Schutz vor Krankheit sind Ziele, die den Empfehlungen des IWF entsprechen, so dass nun eine neoliberale Wirtschaftspolitik mit einem Fokus auf good governance plus rudimentärer sozialer Sicherheitsnetze

1 Nach dem phönixartigen Aufstieg von Estrada kann dies allerdings erst einmal nur vermutet werden. Zwar bestätigen die Umfragen vom März 2010 die These von der massiven Unterstützung von Aquino auch unter den Armen – und die Umfrageergebnisse haben sich als sehr nah am tatsächlichen Ergebnis erwiesen – damals allerdings lag Estrada bei bloß 17 Prozent, elf Prozent unter seinem Ergebnis vom 10. Mai 2010. Und die bislang vorliegenden Analysen des Wahlergebnisses schweigen zu der Frage, welche Unterstützung Aquino und die anderen unter den verschiedenen Klassen gefunden haben.

2 Conditional cash transfers (CCT) werden seit Jahren erfolgreich in Brasilien, Bolivien und vielen anderen Ländern eingesetzt. Sie sind ähnlich wie Workfare-Programme Sozialleistungen gegen Gegen-leistung. Der Empfang der Leistungen setzt etwa den Schulbesuch der Kinder oder die Wahrnehmung von regelmäßigen Vorsorgeun-tersuchungen durch Mütter voraus. CCT sind der neue Liebling von Entwicklungszusammenarbeit und Weltbank in der Armutsbe-kämpfung, auch weil man mit ihnen zielgenau Armut bekämpfen zu können glaubt, ohne dass es zu grundlegenden Veränderungen des neoliberalen Setup und einem Eingriff in den „freien“ Markt kommen muss. Empowerment soll so auch ohne Strukturver-änderungen möglich sein.

ins Haus stehen könnte, wie sie schon 2001 von der Ökonomin Arroyo erwartet worden war. Daher befürchtet Sonny Africa, der Kopf der Forschungsabteilung der (maoistisch orientierten) IBON Foundation, auch, dass Aquino zu denen gehöre, von denen “die aggressivste Öffnung der Binnenwirtschaft für ausländische Investo-ren” zu erwarten sei (Bulatlat.Com, 9.5.2010). Ein klares Bekenntnis zum Agrarreformprogramm oder eine Stärkung der Binnenwirtschaft war von ihm dagegen nicht zu vernehmen.

Zudem hat Aquino erklärt, dass er die Armee „moderni-sieren“und die Verteidigungsausgaben auf mehr als 100 Mrd. Pesos (1,6 Mrd. Euro) verdoppeln wolle. Den Bau von neuen Atomkraftwerken zieht er in Erwägung (wenn er sich auch gegen eine Sanierung und Betriebnahme des Atommeilers Bataan Nuclear Power Plant ausge-sprochen hat).

Doch festlegen lässt sich Aquino kaum. Selbst beim na-hezu einzigen politischen Zankapfel, der während des Wahlkampfes über die Allgemeinplätze hinausging, dem Reproductive Health Bill, der Empfängnisverhütung auch für die Armen bezahlbar machen und Sexualauf-klärung in den Schulcurricula verankern soll, war Aquino nach der heftigen Kritik der katholischen Kirchenhierar-chie von einer deutlichen Unterstützung auf ein Sowohl-als-auch zurückgefallen. Es kann zwar damit gerechnet werden, dass er Bemühungen unterstützen wird, dieses Gesetz endlich zu verabschieden, zu weit aus dem Fenster lehnen wird er sich dabei aber nicht. Und das obwohl 80 Prozent der Bevölkerung dieses Gesetz unterstützen.

Politisch hat sich Aquino in seinen zwölf Jahren als Parlamentarier (neun im Repräsentantenhaus und die letzten drei im Senat) nicht besonders hervorgetan. Insofern ist unklar, was er von seinen vagen Verspre-chungen wirklich umsetzen möchte. Die Führung der Moro Islamic Liberation Front (MILF) jedenfalls hat auch deswegen die Zeichen erst mal auf Abwarten gestellt. Aquinos allgemeine Bekenntnisse zu Friedensverhand-lungen mit der MILF (und auch der NPA/NDF) erschei-nen ihr nicht belastbar genug und außerdem gebe es „einige Personen in der neuen Regierung, die den Frie-densprozess verderben“ (womit u.a. Mar Roxas gemeint ist, der vehement das Memorandum of Understanding, das 2008 als Durchbruch angesehen wurde und schließ-lich gescheitert ist, bekämpft hatte).

Vieles wird davon abhängen, wen der neue Präsident, der zu diesem Amt wie die Jungfrau zum Kinde gekom-men ist, zu seinen Beraterinnen und Ministern macht. Dabei sind viele der bisherigen Berufungen sehr aussa-gekräftig. So wurde die bisherige Vorsitzende der staatli-chen Menschenrechtskommission (CHR) Leila de Lima zur Justizministerin ernannt; ihre Nachfolgerin wird Etta Rosales, die für 9 Jahre für die linke Parteiliste AKBAY-AN im Parlament gesessen hat und seit vielen Jahren einen der beiden Verbände der Opfer der Marcos-Dikta-tur leitet. Jesse Robredo, der über viele Jahre als Bür-germeister von Naga einen im ganzen Land zum Vorbild genommenen Reformkurs in mehr Bürgerbeteiligung

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vorangetrieben hat, ist nun Innenminister. Und Marvic Leonen, Gründer des Legal Resource Center, das v.a. Indigene in ihren Prozessen gegen große Bergbauun-ternehmen unterstützt, ist zum Vorsitzenden der Regie-rungsdelegation für die Friedensverhandlungen mit der MILF ernannt worden. Hinzu wurde die Sozialdemo-kratin Dinky Soliman erneut zur Sozialministerin bestellt.

Menschenrechte und Stärkung der Bürgerbeteiligung auf der einen Seite – und auf der anderen neoliberale Wirtschaftspolitik: Dafür stehen etwa Cesar Purisima, der schon unter Arroyo Finanz- und Wirtschaftsminister war und der neue Tourismusminister Alberto Lim, bis-lang Direktor des bedeutendsten Wirtschaftsforums, des Makati Business Club.

Aquinos Unbestimmtheit lässt sich als Führungsschwä-che, bei gutem Willen aber auch als diskursiver Politikstil interpretieren. Merkel lässt grüßen. Das ist eine Chance – und Verpflichtung – für die sozialen Bewegungen. Es gilt Aquino beim Wort zu nehmen, der auch dank einer breiten Freiwilligenbewegung, die sich an seiner Kam-pagne beteiligt hat, an die Macht gekommen ist (was seine Kampagne zudem mit verhältnismäßig wenig fi-nanzieller Unterstützung der vermögenden Schichten auskommen ließ und so Aquino weniger abhängig von der Verpflichtung macht „zurückzuzahlen“). Ebenso ha-ben zivilgesellschaftliche Gruppierungen sich wie selten zuvor eindeutig und aktiv für Aquino während des Wahl-kampfes eingesetzt. Die gelben Schleifen an NGO-Büros waren omnipräsent. Aquino hat auch nach der Wahl ganz auf Obama gemacht und es zu seiner Regie-rungsweise erklärt, die Partizipation von Bürgerinnen und Bürger zu stärken.

Überhaupt ist das Bündnis, das Aquino unterstützt hat, für deutsche Verhältnisse unglaublich breit. Vom Makati Business Club bis hin zu der Parteiliste AKBAYAN. FDP, Grüne und der Reformflügel der LINKEN unter einem Dach! Und das unter einem Präsidenten, der aus dem ostelbischen Junkertum stammt, um im Bilde zu bleiben.

Aquino jedenfalls beherrscht symbolische Politik nicht weniger als damals Estrada. Anders als so mancher Top-Politiker hat er sich am Wahltag ganz als einer aus dem Volk gegeben, sich wie alle anderen in die Schlange vor dem Wahllokal eingereiht und so viele Stunden gewartet, bis er seine Stimme abgeben konnte. Eine Geste, die von den Medien aufgegriffen wurde und ihm sicherlich viel Sympathie eingebracht hat. Auch sonst betont er, dass er einen einfachen Lebensstil als Präsident pflegen möchte und auch erst mal nicht ins Ausland reisen möchte – was seine Vorgängerin exzessiv tat – um öffentliche Gelder zu sparen. Simple lang – das ist in den Philippinen ein grosses Kompliment gerade aus dem Munde der einfachen Menschen.

Er versteht genau, dass er viel dadurch gewinnen kann, schlicht das Gegenteil von dem zu tun, was die verhasste Arroyo getan hat. Da kann selbst wie einst bei seiner Mutter die Inszenierung von Unerfahrenheit ein Pluspunkt sein. „Nach einer Präsidentin, die uns nicht mehr durch ihren äußerst zynischen Gebrauch des öffentlichen Amtes überraschen kann, sind wir bereit,

uns auf jemanden einzulassen, für den auf erfrischende Weise politische Gerissenheit ein Fremdwort ist. Jemand, der möglicherweise auf dem steinigen Weg zur Macht wanken und stolpern wird, bei dem wir uns aber zumindest sicher sind, dass sich seine Hände nicht gerade in deinen Hosentaschen befinden. Besser unbeholfen und sauber als ausgekocht und korrupt.“ (Tess Cruz-del Rosario, PDI, 16.5.2010)

Lackmustest

Veränderungen dauern ihre Zeit. Und die Menschen sind ungeduldig, wollen schnelle Veränderung sehen. So wird Aquino auch hier auf symbolische Taten setzen müssen. Dazu dürfte eine entschlossene Verfolgung der Schuldigen am Ampatuan-Massaker gehören. Generell hofft man, dass er der Kultur der Straflosigkeit, die zu über tausend politisch motivierten Morden unter GMA geführt hat, ein Ende setzen wird. Aquino hat zudem versprochen, die zahlreichen Skandale, in die Arroyo verwickelt gewesen sein soll, untersuchen zu lassen, wobei die von Arroyo ernannte Ombudsfrau Merceditas Gutierrez ihm aber Steine in den Weg legen könnte. Und ein rascher Ausbau der conditional cash transfers könnte als Signal verstanden werden, dass Aquino nicht nur die Korruption, sondern auch die Armut bekämpfen möchte.

Eine der entscheidenden Herausforderungen für Aquino dürfte es sein, das Vertrauen in die politischen Institutio-nen wiederherzustellen. Diese waren in einer kaum ver-hohlenen Form des Machiavellismus von Arroyo ganz zu ihrem Machterhalt instrumentalisiert werden. I-Tüpfel-chen war, dass Arroyo die Stirn hatte, am 17. Mai auch nach dem haushohen Sieg von Aquino den neuen Präsi-denten des Obersten Gerichtshofes (Chief Justice) zu ernennen und damit das höchste Gericht zu einem rein von ihr ernannten zu machen.

Auch das Repräsentantenhaus hatte sie in den letzten Jahren zu einem reinen Erfüllungsgehilfen für ihre Politik gemacht. Sie hatte das Budgetrecht massiv einge-schränkt, v.a. indem sie die Auszahlung der Wahlkreis bezogenen Mittel der Abgeordneten (dem so genannten Pork Barrel in Höhe von 70 Mio. Pesos jährlich) ganz von der Willfährigkeit der Abgeordneten abhängig ge-macht hat. Sie ließ Mittel an ihre Verbündeten auszahlen und sperrte ihren Kritikern die Mittel über Jahre.

Aquino hatte bereits im März 2009 (also lange bevor er daran dachte, als Präsident zu kandidieren) ein Gesetz im Senat eingebracht, das dem Präsidenten die Möglichkeit, das Pork Barrel zu sperren, entziehen soll. Und nach den Wahlen hat er bekräftigt, dass “ich an der Idee festhalte, dass die Wähler eines Abgeordneten nicht leiden sollten, weil wir alle Filipinos sind“. (Das Pork Barrel – Hauptinstrument von Patronagepolitik - gänzlich abschaffen will Aquino aber nicht und es bleibt auch bis auf Weiteres dabei, dass das Parlament nur das Recht hat, Haushaltsposten, die die Exekutive vorgibt, zu kürzen, nicht aber, sie besser auszustatten.)

Ein Lackmustest dürfte in den nächsten Monaten sein, wie sehr die Regierung Aquino Abgeordnete, die noch

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Wahlen 12

zu konkurrierenden Wahlplattformen gehören, „einlädt“ sich Aquinos Liberal Party (LP) anzuschließen. Noch hatte diese bloß 49 Abgeordnete – und es bedarf 144 Abgeordneter für eine Mehrheit. (Arroyo hat zumindest schon erklärt, sie strebe nicht danach, Sprecherin des Repräsentantenhaus zu werden, aber sie hatte auch bis Dezember 2003 gesagt, sie werde nicht erneut als Präsidentin kandidieren.)

Auch im Senat gibt es keine Mehrheit von LP-Senatoren und es könnte sein, dass Manny Villar wieder Senats-präsident wird. (Der Senat muss zudem erst einmal mit 21 von 24 verfassungsmäßig vorgesehenen Senatoren arbeiten, da Aquino sein Amt abgeben muss und die Senatoren Trillanes und Lacson entweder im Gefängnis sitzen oder auf der Flucht sind.) Und der Oberste Ge-richtshof besteht bis zur nächsten Pensionierung allein aus von Arroyo ernannten Mitgliedern. Das klingt etwas nach deutschen Verhältnissen, wo in der Regel unter-schiedliche Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat ein „Durchregieren“ (Merkel, 2005) unmöglich machen. Vie-le in den Philippinen sind deswegen besorgt, dass dies eine schwache und reformlahme Präsidentschaft bedeu-ten könnte. Aber vielleicht führt es auch zu mehr öffentli-chem politischen Diskurs? Und damit auch zu mehr Vertrauen in die politischen Institutionen?

Und die Linke?

Der Wunsch nach Neubeginn und „new politics“ ist nicht so eindeutig wie die Begeisterung über den klaren Sieg von Aquino suggeriert. Dass etwa die Reformgouver-neure Eddie Panlilio in Pampanga und Grace Padaca in Isabela die Wahlen gegen Personen aus den traditio-nellen Clans verloren haben (Padaca mit bloß etwas mehr als 3.000 Stimmen Rückstand) zeigt, dass die Kräfte des ancien regime weiterhin stark sind.

Am enttäuschendsten aber dürfte das miserable Ab-schneiden der Kandidaten des maoistischen Spektrums für den Senat, Liza Maza und Satur Ocampo sein. Nach 90 Prozent der ausgezählten Stimmen haben sie nur 3,5 (Maza) bzw. 3,2 Millionen (Ocampo) erhalten und das obwohl bei den Senatswahlen zwölf Stimmen vergeben werden konnten, obwohl (nun wird man wohl eher sagen müssen: weil) sie zum offiziellen Ticket von Manny Villar gehört haben und obwohl ihre Wahlplakate zu denen gehören, die landesweit am sichtbarsten waren. Die Parteilisten der Maoisten zusammen haben allein 2,93 Millionen Stimmen erhalten – und hier konnte nur ein Oval schattiert werden. Hier dürfte zum Ausdruck kom-men, dass radikal linke Persönlichkeiten (anders als Parteilisten) kaum eine Chance haben, bei Wahlen ge-nug Zustimmung zu bekommen. Und dann die tiefe Kränkung, dass die Kandidatin aus den Reihen der un-dogmatischen Linken, Riza Hontiveros, es auf Platz 13 – und damit beinahe in den Senat – geschafft hat. Mit nahezu drei mal so vielen Stimmen wie Maza und Ocampo.

Diese Katastrophe dürfte die Diskussion innerhalb der orthodoxen Linken erneut anheizen, ob die Teilnahme an Wahlen eine nützliche Strategie ihres politischen

Kampfes sein soll. Bei aller angebrachten Kritik droht die maoistische Linke ohnehin sich erneut wie 1986 von den Menschen (people), deren Stimme sie ja bean-spruchen zu sein, zu isolieren: Trotz der allgemeinen Erleichterung, dass die Jungfernfahrt der Wahlauto-maten ziemlich glimpflich abgelaufen ist, prangern die ihnen nahe stehenden Medien allein die Mängel der Übung an, schreien trotz einer Atmosphäre von Hoff-nung auf Veränderung business as usual und können in den Wahlen „nichts anderes als eine große Mogel-packung“ erkennen, „die den Massen von der reaktionä-ren herrschenden Klasse aufgedrückt wurde“ (Jose Maria Sison, Bulatlat.com, 22.5.2010).

Wahlsplitter

Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr., der seinen Vater ak-tiv verteidigt, hat bei den Senatswahlen ca. 13 Millionen Stimmen erhalten, d.h. mehr als 41 Prozent aller Wäh-ler/innen haben auch ihm ihre Stimme gegeben. Ein Zeichen dafür, dass viele die Vergangenheit ruhen las-sen wollen (bzw. im Angesicht der jungen Bevölkerung die Zeiten der Marcos-Diktatur nicht mehr bewusst mit-erlebt haben). Zudem sind Bongbongs Mutter Imelda und seine Schwester Imee in Ilocos Norte zur Kon-gressabgeordnete bzw. Gouverneurin gewählt worden.

Im zweiten Distrikt von Pampanga ist Noch-Präsidentin Arroyo mit überwältigender Mehrheit zur Kongressab-geordneten gewählt worden. In Pampanga hat auch die eilends aufgestellte Parteiliste Ang Galing Party, die dem von ihr verdrängten Sohn Mikey einen Sitz im Par-lament sichern sollte, mit 18.7 Prozent am besten abge-schnitten; in Arroyos Heimatort Lubao konnte sie gar 62,7 Prozent der Stimmen bekommen.

In Sarangani hat Weltklasseboxer Manny „Pacman“ Pacquiao ebenfalls mit überwältigendem Vorsprung den einzigen Sitz fürs Repräsentantenhaus gewonnen. Pacquiao hat sogleich einen Kurzlehrgang an der Uni-versity of the Philippines in öffentlicher Verwaltung be-legt.

Bei den Parteilistenwahlen hat AKO Bicol, eine Liste, die vor vier Jahren aus Selbsthilfebemühungen nach ei-nem Taifun hervorgegangen ist, den ersten Platz errun-gen. Sie ist in erster Linie eine landsmannschaftliche Vereinigung und hat so in der Region Bikol zwischen 57 und 70 Prozent der Stimmen bekommen. Erst nach ei-ner Seniorenliste auf Platz 2 und der Parteiliste Buhay, die der charismatischen El Shaddai-Bewegung nahe-steht, auf Platz 3 folgen auf den Plätzen 4, 5 und 7 die programmatisch-linken Listen AKBAYAN, GABRIELA und BAYAN MUNA. Die viel gescholtenen „falschen Parteilisten“ wie ANG GALING PARTY oder 1-UTAK – von den anderen gar nicht zu sprechen - haben sehr schlecht abgeschnitten und bekommen evtl. nicht ein-mal einen Sitz im Parlament. Auch die dogmatisch-anti-kommunistische Liste ANAD hat nur in Cebu mit 11,7 Prozent sehr gut abgeschnitten, ansonsten aber überall unter „ferner liefen“ und wird auch um ihren Sitz bangen müssen.

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13 Menschenrechte

Verschwinden(lassen) mit SystemSeit knapp dreieinhalb Jahren sucht die philippinische Menschenrechtsaktivistin Edita

Burgos nach ihrem entführten Sohn Jonas

Von Rainer Werning

„Wenn er tot ist, wird er sicherlich im Himmel sein“, sagt Edita Burgos, eine resolute Frau in den frühen Sechzi-gern, „sollte er allerdings noch leben, soll er wissen, dass wir in all den Jahren nichts unversucht gelassen haben, ihn zu suchen.” Die Person, die Frau Burgos nach annähernd dreieinhalb Jahren noch immer – bislang vergeblich – sucht, ist ihr Sohn Jonas. Diese Suche hatten die tief religiöse und besorgte Mutter und Jonas’ jüngeren Bruder JL im Oktober und November 2009 erneut nach Europa geführt. Britannien, Deutsch-land, Belgien und Italien waren diesmal einige ihrer Stationen, wo sie gegenüber Regierungsmitgliedern und EU-Vertretern auf ihr eigenes Schicksal und das zahlreicher anderer philippinischer Familien aufmerk-sam machen und Rechtsbeistand erwirken wollten.

Jonas Burgos war 37 Jahre alt, als er am 28. April 2007 von bewaffneten Personen beim Mittagessen aus ei-nem Restaurant in der Ever Gotesco Mall in Manila gezerrt und entführt wurde. Zeugen/innen erinnerten sich, dass Jonas seinen Entführern mehrfach ins Gesicht schrie „Ich bin nur ein Aktivist!“ Keiner der anwesenden Gäste schritt ein, als Jonas an Händen und Füßen gepackt und in einen vor dem Restaurant wartenden Lieferwagen gestoßen wurde. Einer der Entführer identifizierte sich als Polizist. Wenngleich über das Nummernschild das bei der Tat benutzte Fahrzeug später in einem Militärlager sichergestellt werden konnte, verweigert das Militär bis heute weitere Informationen. Die Angehörigen und Freunde von Jonas sind sich sicher über den Grund seines Ver-schwindens: Der auf ökologischen Landbau speziali-sierte Landwirt war Mitglied der Alyansa ng Magbubukid sa Bulacan (AMB – Allianz engagierter Bauern in Bulacan), einem nördlich von Manila aktiven Regional-verband der landesweiten Bauernorganisation Kilusang Magbubukid ng Pilipinas (KMP – Bauernbewegung der Philippinen), und mehrfach hatte er Farmer in Rechts-fragen beraten. AMB und KMP streiten seit Jahren für die Belange ausgebeuteter Pächter und Kleinbauern und haben sich den Zorn von Großgrundbesitzern, deren Schlägertrupps und staatlicher Sicherheitskräfte zugezogen. Beide Organisationen hat das Militär auf die Liste der sogenannten Staatsfeinde gesetzt, mehrere ihrer Mitglieder sind verschwunden oder getötet worden.

Antikommunistischer Kitt

Während der Amtszeit von Präsidentin Gloria Macapa-gal-Arroyo (Januar 2001 bis Ende Juni 2010) sind laut Recherchen der philippinischen Menschenrechtsorgani-sation Karapatan knapp 1.200 Menschen Opfer außer-gerichtlicher Hinrichtungen geworden, 204 Personen er-litten dasselbe Schicksal wie Jonas Burgos. Die Opfer

von Mord und Entführungen kommen aus allen Berei-chen der Gesellschaft – es sind aktive Arbeiter- und Bauernführer, Gewerkschafter, engagierte Bürger- und Menschenrechtsverteidiger, JournalistInnen, Ärzte und Geistliche. Kein einziges dieser Verbrechen wurde bis heute aufgeklärt. Die Täter werden im Militär und im Umfeld staatlicher Sicherheitskräfte vermutet und lau-fen frei herum. Geschützt werden sie von einer Regie-rung, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die dreieinige Strategie Antikommunismus-Coun-terinsurgency (Aufstandsbekämpfung)-Terrorbekämp-fung auf ihre Fahne geschrieben hat. Im Visier stehen dabei legale fortschrittliche und linke Gruppierungen und Personen, um gemäß der geltenden Counterinsur-gency, dem „Oplan Bantay Laya II" (OBL II – „Operati-onsplan Freiheitswacht/Phase II"), vermeintliche „Vor-feldorganisationen“ der Kommunistischen Partei und ihrer Guerilla, der Neuen Volksarmee, „auszuschalten“. Betroffen waren bis dato in erster Linie Aktivisten/innen der im Kongress vertretenen linken Parteien Bayan Muna (Das Volk zuerst) und Anakpawis (Kinder des Schweißes) – und eben NGOs wie AMB und KMP.

Am 23. Juni 2006 erklärte Frau Arroyo in ihrer Eigen-schaft als Oberkommandierende der Streitkräfte vor Offizieren der Militärakademie in der nordphilippini-schen Stadt Baguio, binnen zwei Jahren werde der „kommunistische Aufruhr" besiegt sein. Dies, so die innenpolitisch ebenso umstrittene wie unbeliebte Lady wörtlich, „ist der Kitt, der uns eint". Umgehend machte sie zusätzlich umgerechnet 20 Mio. US-Dollar für den OBL locker. Zur Freude des Militärs, das in der Präsi-dentin eine Gewährsfrau ihrer Interessen sieht. „Know-ing the Enemy“ („Den Feind erkennen“) heißt der Titel einer umfangreichen Powerpoint-Präsentation, die um die Jahreswende 2004/2005 im Hauptquartier der Phi-lippinischen Streitkräfte (AFP) erstellt wurde und seitdem landesweit die Runde macht – eingesetzt von Offizieren, die ihr Lebenselixier aus der „Ausrottung des kommunistischen Terrors“ saugen. Wie kein anderer AFP-Offizier verkörperte Generalmajor Jovito Palparan bis zu seiner Pensionierung im September 2006 den Prototyp einer Haudegenpolitik, die Regierungskriti-kerInnen als „Todesschwadronendemokratie“ und den General selber als „berdugo“ („Schlächter“) bezeichnen.

Bereits als junger Leutnant, der Mitte der 1970er Jahre im südlichen, vorwiegend muslimischen Landesteil, auf den Inseln Basilan und Jolo, stationiert war, schreckte Palparan nicht davor zurück, die Ermordung jugend-licher Moros billigend in Kauf zu nehmen. Diese näm-lich, so Palparan, würden sich, einmal erwachsen, ohnehin dem bewaffneten Widerstand anschließen. Da-nach war der in immer rascherer Folge beförderte Offi-

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Menschenrechte 14

zier als Befehlshaber an anderen Hotspots des Landes im Einsatz – u.a. auf den Inseln Mindoro und Samar, bis er als seine letzte Dienststelle das Oberkommando der 7. Infanteriedivision in Zentralluzon (nördlich von Mani-la) übernahm. In dieser Funktion setzte er sich tatkräftig dafür ein, „mit Aufständischen, Terroristen und Kommu-nisten kurzen Prozess zu machen". Im Präsidenten-palast Malacañang blieb Palparan ein gern gesehener Gast, der von Frau Arroyo mehrfach öffentlich für seine „Verdienste für die nationale Sicherheit“ gewürdigt wurde und dessen Rat sie häufig einholte. Auch als General a.D. muss Palparan auf seine Lieblingsbe-schäftigung nicht verzichten. Während zahlreiche Men-schen inner- wie außerhalb des philippinischen Kon-gresses diesen Mann lieber heute als morgen hinter Gittern sähen, genießt der Exgeneral Immunität – seit Ende April 2009 sitzt er als Abgeordneter der stramm antikommunistischen Partei Bantay (Wache) im Unter-haus der Legislative.

Keine Besserung unter Arroyo

Edita Burgos war fest davon überzeugt, dass sich die Menschenrechtslage in ihrem Land unter Frau Arroyo keinen Deut bessert. Mit klarem und starkem politi-schen Willen ließen sich all die außergerichtlichen Hinrichtungen und Entführungen aufklären und die un-sägliche Kultur der Straflosigkeit überwinden. In diesem Sinne verweist Frau Burgos, die gleichzeitig auch Lei-terin der Menschenrechtsorganisation Families of Desa-parecidos for Justice (Familien der Verschwundenen für Gerechtigkeit) ist, auf entsprechende Interventionen aus dem Ausland. Bereits im Herbst 2006 erhoben neben amnesty international und Human Rights Watch, Botschaftern von EU-Ländern in Manila, Kirchen in den USA und Kanada und selbst strikt antigewerkschaftlich eingestellte Großunternehmen wie WalMart und Gap Inc. sowie andere in den Philippinen tätige interna-tionale Großunternehmen schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Manila und forderten einen Stopp der Tötungen. Nachdem Philip Alston, UN-Sonderbericht-erstatter für Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren und willkürliche Exekutionen, sowie Martin Scheinin, UN-Sonderberichterstatter zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, im Rahmen der Terrorismusbekämpfung Mitte Februar beziehungs-weise Mitte März 2007 die philippinische Regierung aufforderten, die Straffreiheit der meist paramilitär-ischen Täter aufzuheben und angemessenen Zeugen-schutz zu garantieren, hat Manila nichts dergleichen unternommen.

Frau Arroyo war dermaßen diskreditiert und kaltschnäu-zig, so Edita Burgos, dass sie alles tat, um sich und ihre Klientel an der Macht zu halten und vor künftiger Strafverfolgung zu schützen: „Die Botschaft der Präsi-dentin ist eindeutig. Wer immer sich dafür einsetzt, das Schicksal der Ermordeten und der Entführten, ein-schließlich Jonas, aufzuhellen, verliert unverzüglich sein Gehalt und seinen Job möglicherweise gar sein Leben“. Jonas’ jüngerer Bruder JL, der als freischaffender Künstler und Filmemacher arbeitet und

nebenbei das Free Jonas Burgos Movement leitet, verweist auf eine andere Seite seines Familienschicksals. Sein Vater José Burgos, Anfang der 1980er Jahre ein angesehener Journalist und Verleger des regimekritischen Blattes We Forum, war von den Schergen des Marcos-Regimes festgenommen und fast ein Jahr lang inhaftiert worden. „Doch selbst während des Kriegsrechts“, wundert sich JL, „zeigte man meinem Vater und anderen damals missliebigen Personen wenigstens einen Durchsuchungs- und Haftbefehl. Heute, unter angeblich demokratischen Bedingungen, wird eines unserer Familienmitglieder einfach gewaltsam entführt“. Seine Mutter Edita beschreibt eine grausame Prozedur, der sie sich mehrfach unterziehen musste. Erhielt sie den Hinweis, die Leiche eines mit Foltermalen übersäten, fast gleichaltrigen Mannes wie Jonas zu identifizieren, überfiel sie stets schreckliche Angst: „Wenn ich mich auf den Weg machte, betete ich die ganze Zeit, dass es doch nicht Jonas ist. Doch selbst als mir klar war, dass es bislang niemals Jonas war, konnte ich mich letztlich nicht freuen. Dann muss ich an die Mutter denken, die irgendwo noch nach ihrem Sohn sucht oder kein Fahrgeld hat, um dessen sterbliche Überreste zu identifizieren“.

Sämtliche Rechtsmittel hat Edita Burgos ausgeschöpft und alles unternommen, was in ihren Kräften stand. Sie sprach mit Polizisten, Militärs, Richtern, Politikern, Regierungsvertretern und selbst mit Expräsidentin Glo-ria Macapagal-Arroyo. Am 18. Dezember 2007 wurde das Militär vom philippinischen Berufungsgericht ange-wiesen, das gesamte Beweismaterial im Fall Burgos zur Verfügung zu stellen. Die Menschenrechtskommission und die Polizei wurden angewiesen, in dem Fall zu ermitteln. Beim Obersten Gerichtshof reichte Frau Burgos Klage ein, von der sie sich die Aufklärung des Falles ihres Sohnes verspricht. Im September 2007 besuchte sie gemeinsam mit dem Menschenrechts-anwalt Edre Olalia Mitglieder der UN-Arbeitsgruppe über erzwungenes Verschwinden in Genf und reichte dort formal Beschwerde gegen die philippinische Regie-rung ein. Manila wurde sodann in einem Schreiben der Arbeitsgruppe dringend gebeten, den Fall Jonas Burgos unverzüglich zu untersuchen. Bis zum heutigen Tage bleibt Jonas Burgos jedoch verschwunden und Hinwei-se darauf, ob er überhaupt noch lebt, gibt es nicht.

Militärische Kontaktpflege über Menschenrechte

BürgerrechtsaktivistInnen in den Philippinen nahmen deshalb den Besuch von US-Außenministerin Hillary Clinton in Manila vom 12. bis 13. November 2009 zum Anlass, den hochrangigen Gast zu bitten, das Thema Menschenrechte in den Philippinen gegenüber der damaligen Präsidentin Arroyo zur Sprache zu bringen. „Frau Clinton hat erklärt, sie wolle sich bei der Gelegen-heit ein Bild über die Verwüstungen verschaffen, die die letzten Taifune über das Land gebracht haben“, erklärte Ma. Cristina Guevarra, Vorsitzende der christlichen Studenten/innenbewegung der Philippinen. „Doch wir können nur hoffen“, fügte Guevarra energisch hinzu,

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„dass Frau Clinton ihre Augen nicht vor der noch größeren Verwüstung verschließt, die durch anhalten-des Plündern unserer nationalen Ressourcen entsteht“. Da irrte sie. Die höchstrangige Diplomatin der USA vermied alles, was in punkto Menschenrechte als Kritik an der amtierenden Präsidentin hätte ausgelegt werden können. Während einer Großveranstaltung in der vom Dominikanerorden getragenen Universität Santo Tomas im Herzen von Manila brachte Frau Clinton ihre Sicht der Menschenrechte auf den Punkt. Die Philippinen und die USA, so die Außenministerin, hätten gleichermaßen Probleme, die es gemeinsam zu lösen gelte. „Wir sind da keineswegs perfekt. Doch wir werden fortfahren, diesbezüglich Fragen zu stellen“, so Clinton wörtlich, „und wie es sich nun mal zwischen Freunden geziemt, werden wir auch damit fortfahren, entsprechend Hilfestellung zu leisten“.

Die eigentliche Agenda rankte sich aber wie im Falle der wenige Wochen zuvor erfolgten Besuche von US-Verteidigungsminister Robert Gates und CIA-Direktor Leon Panetta um die Frage, wie mit dem seit zehn Jahren bestehenden Visiting Forces Agreement (VFA) umzugehen sei. Das seit Sommer 1999 bestehende VFA ersetzte das Jahrzehnte lang bestandene Militärbasenabkommen, das den USA garantiert hatte, die mit Subic Naval Base und Clark Air Field größten außerhalb des nordamerikanischen Kontinents gelegenen Stützpunkte kostengünstig zu unterhalten. Kritiker/innen haben stets moniert, dass das VFA den

USA nicht nur gestattet, GIs auf unbestimmte Zeit im Lande stationieren zu können. Diese genießen überdies extraterritoriale Immunität und unterstehen im Falle von Strafverfolgung der US-amerikanischen Militär- und nicht der philippinischen Zivilgerichtsbarkeit. Das VFA bot außerdem die Grundlage dafür, dass seit den Anschlägen vom 11. September 2001 die frühere Kolonie nicht nur offiziell zur „zweiten Front im Kampf gegen den weltweiten Terror“ erklärt wurde. Seit der Zeit haben die USA dauerhaft mehrere Hundertschaften von GIs im Süden der Philippinen stationiert, um ihre philippinischen Kameraden in Counterinsurgency (Aufstandsbekämpfung) zu unterweisen.

Als ermutigendes Signal werten derweil Frau Burgos und all ihre Mitstreiter/innen die Entscheidung des US-amerikanischen Kongresses, die für das Jahr 2010 avisierte zusätzliche Militärhilfe in Höhe von zwei Millionen Dollar an Manila einzufrieren. Die Gelder sollen erst abfließen, wenn jene Bedingungen erfüllt sind, die UN-Sonderberichterstatter Philip Alston im Frühjahr 2007 formuliert hatte. „Unser Kampf endet erst“, betont Edita Burgos, „wenn Gerechtigkeit hergestellt und verankert ist.“

Ob sich das unter dem neuen Präsidenten Aquino realisiert, ist fraglich; dazu müsste „Noynoy“ schon seine Klassenherkunft überwinden und die Interessen seines Clans hinten anstellen. Wenn es da nicht eher dem biblischen Kamel glückt, durchs Nadelöhr zu schlüpfen ...

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Let’s see...

Aufbruchstimmung ja. Aber Abwarten dürfte auch ange-sagt sein. Erinnern wir uns daran, von welchen Hoff-nungen Arroyo bei ihrem Amtsantritt 2001 begleitet wurde (siehe ausführlich Niklas Reese: Hipp Hurra Gloria? In: SOA 1/2001): Damals hatte Arroyo ein Vier-Punkte-Programm verkündet: sie versprach, die Armut zu bekämpfen, die Moral in Regierung und Gesellschaft zu heben, programmatische Politik statt Patronage-politik und Führung durch Vorbild. In der festen Absicht, „die Nation zu heilen“ (Arroyo). Doch dann.... Statt wenigstens good governance voranzutreiben, wenn auch unter neoliberalen Vorzeichen, hatte sie spätes-tens nach den Betrugswahlen von 2004 die staatlichen Institutionen dermaßen auf Linie und in Misskredit gebracht, dass sie geradezu das Gegenteil vom dem

getan hat, was sie versprach.. Das lässt etwas Zurück-haltung angebracht erscheinen, nun bei Aquino erneut den Aufbruch zu erwarten. Und: Letztlich sollte nicht vergessen werden, was moderate und orthodoxe Linke vor und nach den Wahlen in seltener Einmütigkeit erklärt haben, dass nämlich gesellschaftliche Verände-rung maßgeblich von aktiven und aufmerksamen sozia-len Bewegungen und Bürger/innen abhängt. Ein Sonnenkönig allein macht noch keinen politischen Frühling.

Niklas Reese ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn und ehemaliger Geschäftsführer des Philippinenbüros. Er hat die Wahlen in den Philippinen im April und Mai im Auftrag des Evangelischen Entwicklungsdienstes beobachtet.

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Partnerschaft 16

25 Jahre Bistum Alaminos – 23 Jahre Partnerschaft mit dem Bistum Limburg

Gemeinsam unterwegs als Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft

von Christian Maier

Im Januar 2010 war eine Delegation aus dem Bistum Limburg unter der Leitung von Weihbischof Dr. Thomas Löhr und dem ehrenamtlichen Partnerschaftsbeauftrag-ten Peter Eisner in den Philippinen zu Gast. Anlass war die 25-Jahr-Feier des Partnerbistums Alaminos, das am 12. Januar 1985 gegründet wurde. Bereits zwei Jahre später vereinbarten die beiden damaligen Bischöfe Jesus Cabrera und Franz Kamphaus eine Partnerschaft der Diözesen Alaminos und Limburg.

Das Bistum Alaminos liegt in der Provinz Pangasinan auf Luzon, der größten Insel der Philippinen. Das Bistum ist geprägt von einer abwechslungsreichen Landschaft mit Bergen, Flüssen und kilometerlanger Küste. Zu den Sehenswürdigkeiten der Region zählt das Naturschutz-gebiet Hundred Islands. Die Mehrheit der knapp 600.000 Menschen dort lebt in absoluter Armut. 70 % bestreiten ihren Lebensunterhalt als Reisbauern oder Fischer. Viele Kirchen stammen aus der spanischen Kolonialzeit. Im März wurde das 400-jährige Bestehen der Kathedralkirche St. Joseph in Alaminos gefeiert.

Lerngemeinschaft - Vom Exposure zum DialogEs begann alles mit einem Besuch von Bischof Franz Kamphaus im Rahmen eines sogenannten Exposure-Programms der Deutschen Kommission Justitia et Pax im Februar 1987. Ein halbes Jahr später kommt Bischof Jesus Cabrera zu einem Gegenbesuch nach Limburg. Im Herbst 1987 beschließt der Limburger Diözesansyno-dalrat eine Partnerschaft mit der philippinischen Diözese Alaminos. Weitere Besuche von Personen beider Bistü-mer in wechselnder Richtung folgten. Die Frankfurter Pfarrei St. Mauritius - St. Johannes in Schwanheim-Goldstein beginnt bereits 1992 einen direkten Austausch mit Partnern in Alaminos. Verschiedene Exposure-Pro-gramme, Freiwilligendienste und entwicklungspolitische Projekte vertiefen diese kommunikative Lerngemein-schaft. Die Kontakte zum Bistum Alaminos umfassen derzeit Dialogprogramme zum wechselseitigen Lernen, Projektförderung und Gemeindepartnerschaften.Die verschiedenen Aktivitäten werden auf deutscher Seite vernetzt in der AG Alaminos, dem Ländernetz zur Philippinenpartnerschaft im Bistum Limburg. Dreimal im Jahr kommen Vertreterinnen und Vertreter aus den Partnergemeinden, aus Einrichtungen des Bischöflichen Ordinariats und engagierte Einzelpersonen zusammen, um die Aktionen und Programme in Rahmen der Part-nerschaftsarbeit abzustimmen und sich mit pastoralen und entwicklungspolitischen Themen der Philippinen zu befassen.

Gebetsgemeinschaft - Begegnungen im GlaubenPfarrgemeinden und Pastorale Räume engagieren sich im Rahmen von Gemeindepartnerschaften. Mit Schwan-heim-Goldstein und Salasa bauen die ersten Gemein-den im Jahr 2002 einen direkten Gemeindekontakt auf. Seit 2007 ist der Pastorale Raum Schlossborn-Schmit-ten mit der Pfarrei Bani partnerschaftlich verbunden. Mit dem Pastoralen Raum Hofheim-Kriftel und der Pfarrei Mabini ist eine weitere Gemeindepartnerschaft im Auf-bau. Bei Begegnungen und im Austausch via Email, Facebook oder Skype teilen die Gemeindemitglieder Le-ben und Glauben miteinander. Die biblische Erfahrung von Emmaus ist Sinnbild für die Partnerschaft: gemein-sam als Glaubende mit Christus unterwegs.Aufgrund der sich verändernden pastoralen Situation in Deutschland gewinnt der Erfahrungsschatz der Partner im Bereich Basic Ecclesial Communities (BEC) an Bedeutung. Mitglieder von Dialog- und Begegnungs-reisen gründeten aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Bibelteilen in Alaminos eine Bible-Sharing-Group im Bis-tum Limburg, die sich seit Jahren regelmäßig trifft. Das Gebet miteinander und füreinander hat eine besondere Bedeutung in den Gemeindebeziehungen. Das gemein-same Partnerschaftsgebet wird zur Brücke zwischen Kulturen und Traditionen.

Solidargemeinschaft - Gemeinsam die Welt verändernMit verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen ma-chen Engagierte aus dem Bistum Limburg auf die Part-nerschaft aufmerksam. Seit 2002 beteiligen sich die Bezirke Hochtaunus und Main-Taunus mit Sponsoren-läufen zugunsten der philippinischen Partner im Rah-men der Misereor-Aktion „Solidarität geht“. Die Gemein-den unterstützen mit kreativen Aktionen sozialkaritative Projekte in ihren Partnergemeinden, wie zum Beispiel das Stipendienprogramm in Salasa oder das Kinderer-nährungsprogramm in Bani. Weitere Gemeinden engagieren sich im Rahmen weltkirchlicher Solidarge-meinschaft.In Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern aus Deutschland und der Schweiz engagiert sich das Bistum Limburg mit dem „Alaminos Round Table“ in der Förde-rung der Sozialpastoral im Partnerbistum. Am Runden Tisch beteiligt sind aus Deutschland das Bistum Limburg und die Partnergemeinden, sowie die katholischen Hilfs-werke missio und Misereor. Aus der Schweiz nehmen der Verein Partnerschaft Pro Alaminos, MIVA Schweiz und die Bethlehem Mission Immensee teil.

Aufgrund des Klimawandels häufen sich in den letzten

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Jahren die Anzahl und vor allem die Stärke der Taifune, die die Region Pangasinan treffen. Das Bistum Alaminos unterstützt durch das Social Action Center betroffene Familien beim Wiederaufbau ihrer Häuser und bei der Notversorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten. Durch Spendenaufrufe im Bistum Limburg und die Unterstützung aus den Partnergemeinden konnten die philippinischen Partner bisher tatkräftig unterstützt werden.Mit Aufforstungsprojekten auf Santiago Island und bei Mangatarem, sowie der Rehabilitation von Mangroven-wäldern an den Küsten leistet das philippinische Part-nerbistum seinen Beitrag im Bereich der Bewahrung der Schöpfung, des Küstenschutzes und der Ernährungs-sicherheit. In Kooperation mit PREDA baut das Bistum Alaminos auch die ökologisch-nachhaltige Landwirt-schaft und die Produktion von Bio-Mangos für den Fai-ren Handel aus. Im Rahmen der Fair-Handels-Kampag-ne „Eine Welt fairstärken“ im Bistum Limburg wurde auf die Situation philippinischer Mangobauern aufmerksam gemacht und die Dreiecks-Kooperation Alaminos-PRE-DA-Limburg angestoßen.

Partnerschaft ist existenzielle Verwirklichung von WeltkircheBei der Amtseinführung des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst im Januar 2008 waren alle Partnerdiözesen mit Delegationen vertreten. Für Bischof Marlo Peralta von Alaminos, der im Juli 2007 in sein Amt eingeführt worden ist, war es der erste Besuch in Limburg. Beide Bischöfe haben bekräftigt, dass die Partnerschaft der beiden Diözesen weiter gepflegt und vertieft werden soll. Durch die Partnerschaft würden die drei Säulen von Weltkirche, Lerngemeinschaft, Gebets-gemeinschaft und Solidargemeinschaft mit Leben ge-füllt. Vor allem der wechselseitige Austausch pastoraler Erfahrungen steht im Focus der beiden Bischöfe. Wäh-rend Bischof Peralta zum Abschluss der Fair-Han-delskampagne „Eine Welt fairstärken“ ein weiteres Mal für Begegnungen und Gespräche im Bistum Limburg zu Gast war, wird der Limburger Bischof im November diesen Jahres erstmals nach Alaminos reisen.

Partnerschaftsgebet Limburg-Alaminos

Gott, unser Vater,Vater aller Völker dieser Welt.Viele Kilometer liegen zwischen uns,den Menschen im Bistum Limburgund den Menschen im Bistum Alaminos.Weit voneinander entfernt leben und lieben,arbeiten und beten wir.

Uns unterscheidet Sprache, Geschichte,Musik und Nahrung und vieles mehr.Durch den Glauben an dich, Vaterund an Jesus Christus,deinen Sohn und unseren Bruder,sind wir Schwestern und Brüderim Heiligen Geist.

Vieles trennt uns,mehr aber eint uns undführt uns zusammen zu einer großen Familie.Gemeinsam sind wir auf dem Weg,uns immer besser zu verstehen,uns immer mehr als Schwestern und Brüder zu sehen,die einander nah und füreinander da sind.

Schenke du, Vater,dass unser Mühen gelingt.Gib Deinen Segen unserer Arbeitfür die Partnerschaft zwischen Limburg und Alaminos.Lass uns – hier wie dort – Zeugen seinfür deine Liebe, die Grenzen sprengtund Trennendes überwinden hilft.

So beten und bitten wir im Heiligen Geistdurch Jesus Christus, unsern Herrn und Bruder.Amen.

Die Bistümer im VergleichBistumLimburg

BistumAlaminos

Bischof: Franz-Peter Tebartz-van Elst (seit 2008)

Marlo Mendoza Peralta(seit 2007)

Gründungsjahr: 1827 1985Fläche: 6.182 km² 2.449 km²Einwohner: 2.360.000 595.000Katholiken: 669.250 489.000Anteil in Prozent: 28,7 % 82,1 %Pfarreien: 340 20

Christian Maier hat nach seinem Studium der Sozialen Arbeit in Benediktbeuern einen 18-monatigen Freiwilligen-dienst als „Missionar auf Zeit“ in Bangladesh absolviert. Seit 2006 ist er Referent für die diözesanen Partnerschaf-ten in der Abteilung Weltkirche im Bistum Limburg und koordiniert die verschiedenen Beziehungen des Bistums Limburg zu Ortskirchen in Afrika, Asien und Mittel- und Osteuropa.

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Partnerschaft 18

Kirchenkreise seit 25 Jahre PartnerDer evangelische Kirchenkreis Koblenz und der Kirchenkreis Agusan der United

Church of Christ in the Philippines (UCCP) feiern Jubiläum in Agusan

von Dorothea Seeliger

AGUSAN. / KOBLENZ. Die Partnerschaft zwischen dem Evangelischen Kirchenkreis Koblenz und dem Kirchen-kreis Agusan der United Church of Christ in the Philip-pines (UCCP) feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Be-stehen. Aus Anlass des Silberjubiläums hat eine drei-köpfige Delegation aus Koblenz - Johanna Knoll (Ra-mersbach), Dorothea Seeliger (Vallendar) und Siegfried Arndt (Mayen) - Mitte Mai an den Feierlichkeiten in Butuan City auf der Insel Mindanao teilgenommen. Für den 28. August ist ein großes kreiskirchliches Ökumene- und Partnerschaftsfest in Bad Breisig geplant.

Vier Wochen wieder zu Hause: geregelter Tagesablauf, gemäßigte Außentemperaturen. Was bleibt nach gut drei Wochen Aufenthalt im Partnerkirchenkreis Agusan / Philippinen?

Da sind die Szenen des liebevoll freundschaftlichen Empfangs auf dem kleinen ländlich wirkenden Flughafen in Butuan City: Alle, die an diesem Donnerstag (13.5.2010) irgendwie abkömmlich waren, standen in der Mittagshitze mit einem großen Spruchband dort: „Willkommen Partner aus dem Kirchenkreis Koblenz!“ Gekommen waren u.a. Superintendentin Rev. Cora Tor-ralba, Alt-Superintendent Solomon Bilaoen, Mitglieder des Exekutivkomitees, des Agusan Partnerschaftsaus-schusses und Jugendliche, die an den beiden Jugend-begegnungen 2007 und 2009 teilgenommen hatten.

Von diesem Moment an waren alle Strapazen der Anrei-se vergessen! Wir wurden betreut und verwöhnt und fühlten uns bald wie zu Hause, wenngleich wir uns an die Hitze bis zum letzten Aufenthaltstag nicht gewöhnen konnten. Zum Empfang wartete ein Essen in großer Runde im Conference House: echt philippinisch und mit köstlichen tropischen Früchten! Und - zum ersten Mal - mit organisch-biologisch angebautem unpoliertem Reis, der auf der kleinen Kirchenkreisfarm gewachsen war.

Ich bewunderte den inzwischen solide renovierten Ver-sammlungsraum im 1.Stock. Die Koblenzer Jugend-gruppe hatte bei ihrem Workshop 2007 zusammen mit den Gastgebern den Abriss des maroden Raums begon-nen, und nun war in viel Eigenarbeit und mit finanzieller Hilfe von Koblenz ein erster wichtiger Schritt vollendet. Ebenfalls renoviert ist der Schlafraum, der Johanna und mir zugewiesen wurde: engmaschiges Drahtgewebe an den ja nicht verglasten Fenstern verhindert jetzt abend-lichen Insekteneinfall, so dass wir sogar ohne Moskito-netze schlafen konnten. Johanna freute sich besonders, dass der aus dem Abrissmaterial gebaute Gartenpavil-lon noch immer sehr stabil ist und ständig genutzt wird.

Das freudige Wiedersehen, die vielen Grußworte und Fragen wurden in den von den Jugendlichen gestalteten Gottesdienst hinein genommen, der diesen ersten Tag beschloss.

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19 Partnerschaft

Es folgten schöne aber anstrengende Tage mit stram-mem Programm. Zuerst besuchten wir die kleine Farm des Kirchenkreises Agusan. Seit vielen Jahren träumten sie in Agusan davon, aus eigener Kraft das äußerst ge-ringe Gehalt der PfarrerInnen und das minimale Ein-kommen der Ruheständler aufzubessern. Durch die Jahre gab es immer wieder Versuche, dieses Projekt voranzutreiben, aber unzureichendes Startkapital und widrige Umstände hatten einen Erfolg verhindert.

Unsere Partner konnten mit Freude und Stolz zeigen, was sie bisher erreicht haben. In einem landestypischen einfachen Holzhaus lebt jetzt dort eine Familie (mit Arbeitsplätzen!), die die Farm verantwortlich betreibt. Wenn Hilfskräfte, z.B. beim Pflanzen und Ernten nötig sind, wird diese Arbeit von PfarrerInnen und anderen Mitarbeitenden oder Freiwilligen des Kirchenkreises geleistet. Eine Brunnenbohrung gibt Trinkwasser, ein Bach (in der Regenzeit ein reißender Fluss, jetzt mehr ein Rinnsal) die nötige Bewässerung. Ein paar Hühner, Schweine, Ziegen, Gemüse, Obst und der Reisanbau ernähren die Familie auf der Farm. Überschüsse können verkauft und mit dem Erlös zunächst die notwendigen Kredite abbezahlt werden. Beachtlich groß ist der Garten mit Heilpflanzen, die zur Herstellung von Medizin im Rahmen des Gesundheitsprogramms dienen. Auf dem Grundstück wird zur Zeit ein größeres (Holz-) Gebäude errichtet, das als Seminarzentrum genutzt werden soll. Dort werden Bauern der Umgebung über biologische Anbauweisen aufgeklärt und Veranstaltun-gen des Kirchenkreises durchgeführt.

In einer späteren Phase sind kleinere Häuschen für Ruheständler geplant, denn viele haben, wenn sie ihre letzte Pfarrstelle und ihr Pfarrhaus verlassen, keine Bleibe und zu wenig Geld, um eine Wohnung / ein Haus mieten oder gar kaufen zu können. Ein Problem bleibt: obwohl der Kirchenkreis Agusan sich schon lange um den offiziellen Landtitel bemüht, ist die Grundbuch-eintragung bisher nicht erfolgt.

Am Nachmittag wurden wir von verschiedenen ReferentInnen in die derzeitige nationale politische Situation der Philippinen eingeführt. Vor ein paar Tagen (10. Mai) hatte die landesweite Wahl für alle Ämter vom Präsidenten bis zum Ortsbürgermeister für viel Aufregung gesorgt. Im Wahlkampf hatte es viele Fälle von Korruption und Bestechung, von Stimmenkauf, Menschenrechtsverletzungen und Morden gegeben. Viele Nicht-Regierungsorganisationen, vor allem auch die Kirchen, hatten Personen ausgebildet, die zusam-men mit internationalen Wahlbeobachtern die Wahl begleitet und Unregelmäßigkeiten gemeldet haben. Inzwischen lagen die Wahlergebnisse vor: in einigen Fällen hatte die intensive und ehrliche Aufklärung über die KandidatInnen Erfolg: vor allem auf der unteren kommunalen Ebene waren Menschen gewählt worden, von denen man hofft, dass sie nicht korrupt sind. In Butuan City z.B. wurde ein UCCP-Mitglied Bürger-meister.

Wir erfuhren Einzelheiten über Programme und Projekte des Kirchenkreises und die dafür Verantwortlichen, so

dass wir nunmehr mit gutem Überblick über die Situation des Landes und des Kirchenkreises und deren Proble-me in die nächsten Tage gehen konnten.

Jetzt rückte der Festtag näher, an dem das Silberju-biläum gefeiert werden sollte. Am Vorabend stellten Johanna, Siegfried und ich eine große Fahne mit dem Koblenzer Kirchenkreislogo her, die wir zum großen Autokorso mitbringen sollten.

Im dreistündigen Gottesdienst in der Butuan City Church wurde die Geschichte der Partnerschaft in vielen Fa-cetten in Erinnerung gerufen und gefeiert: Zeitzeugen und Bilder aus der Gründungsphase und die Anwesen-heit von Johanna und Jugendlichen aus den Begeg-nungsprogrammen. Als einen Höhepunkt erlebte ich die Szene, die auf den ersten gemeinsamen Gottesdienst mit Besuchern aus Agusan im Jahre 1985 in Bad Neu-enahr/Ahrweiler zurückgeht: Johanna aus Koblenz und JunJun aus Agusan gießen je aus einem Glas Wasser in einen Kelch. So, wie das nun vermischte Wasser nicht mehr getrennt werden kann, mögen die beiden Kirchen-kreise als Partner zusammenwachsen! Dafür wird Got-tes Segen erbeten.

Den ganzen Tag lang erleben wir die unglaubliche Viel-falt philippinischer Kultur des Feierns. All dies haben Jugendliche vorbereitet, die auf einen bemerkenswerten Schatz ihrer Kirche zurückgreifen können: Menschen! So viele Kinder, so viele Jugendliche und auch Erwach-sene.

Am Sonntag morgen fahren wir in den kleinen Ort IYAO in die Berge. Dort werden wir zum Gottesdienst erwartet in einer kleinen Kirche an einem steilen Hang über dem Ort; wir haben Mühe hinauf zu klettern. Die Gemeinde, hauptsächlich Frauen, begrüßt uns herzlich. Unter den Frauen sind viele Witwen: ihre Männer wurden in den Jahren der bürgerkriegsähnlichen Situation zu Opfern, erschossen vom Militär oder der Guerilla oder umge-kommen im Kreuzfeuer. Der Kirchenkreis Agusan hat seit Jahren zusammen mit Koblenz als Partner-schaftsprojekt diese Witwen beim Anbau und Vermark-ten von Bananen unterstützt. Nun sind einige der Wit-wen alt geworden, jüngere Familienmitglieder und ande-re Dorfbewohner wandern in die Städte ab, so dass Hilfe rar wird. Die Frauen selbst plädieren für eine Verän-derung des Projekts: nicht mehr in der Stadt Ampayon sollen die Bananen verkauft werden. Der Weg ist zu weit, die Konkurrenz dort auf dem Markt groß. Man möchte vor Ort einen SariSari Store gründen (Tante-Emma-Laden), der neben ihren Anbauprodukten auch andere Grundnahrungsmittel vertreibt.

Dem Gottesdienstgeschehen können wir nur schwer folgen; allein in der Predigt der Pfarrerin kommt ein paar Mal die englische Sprache vor. Aber das Abendmahl eint uns, und wir Gäste sind Zeugen von zwei Taufen mit jeweils einer sehr großen Anzahl von Taufpaten. Später erklärt man uns, dass die Taufpaten die Aufgabe haben, den Täufling in der Kindheit zu begleiten und vor allem verantwortlich sind für die Kosten im Krankheitsfall oder bei der Ausbildung. Taufpaten: ein wichtiger Teil des sozialen Netzes in einem Staat ohne wesentliche

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Partnerschaft 20

soziale Verantwortung.

Wie immer nach einem Gottesdienst gibt es ein Essen, zusammengestellt und geteilt aus dem, was alle mit-gebracht haben. Danach folgt ein Rundgang durch das Dorf, wobei uns der hölzerne Aufbau des zukünftigen Lädchens gezeigt wird.

Am Nachmittag werden wir mit den Problemen der Bewohner und eigentlich der ganzen Gegend konfron-tiert. Vor Jahren war ein großes Areal, zum großen Teil noch mit tropischem Regenwald, zum Wasserschutz-gebiet erklärt worden, weil der klare Tabuiro River zur Trinkwasserversorgung der Umgebung und von Butuan City (350.000 Einwohner) dient. Jetzt klagen die Bewohner und sogar Vertreter der Wasserversorgung in Butuan City über eine Verschmutzung des Flusses durch illegalen Abbau von Mangan. Außerdem wird - mit Duldung auch am Gewinn beteiligter einflussreicher Politiker - der Wald abgeholzt. Die von den Betroffenen mit Unterstützung der Ortskirchen eingeleiteten rechtli-chen Schritte blieben bisher ohne Erfolg. Ob nach der Wahl Hoffnung oder Aussicht auf mehr Recht besteht? Die Partner sind sehr skeptisch.

So wie wir im Jubiläumsgottesdienst der Toten gedach-ten, erleben wir nach 25 Jahren auch, dass ehemals ganz aktive Menschen, die die Partnerschaft maß-geblich mitgestaltet haben, nunmehr alt und gebrechlich sind. So haben wir den nächsten Tag darauf verwandt, einige von ihnen zu besuchen. Überall wurden wir mit großer Freude empfangen, viele Erinnerungen wurden ausgetauscht. Superintendentin Torralba und Pfarrerin Jerusa Semaniac begleiteten uns. Mit gemeinsamem Singen und Beten im Rahmen einer kurzen Andacht verabschiedeten wir uns jeweils. Ob wir uns wieder-sehen werden?

Während Johanna mit den Vertretern der Jugend ein gesondertes Programm hat, können Siegfried Arndt und ich einen Tag dem Rinder- und Schweinezuchtprojekt widmen, das er vor zwölf Jahren mit Hilfe einer Art Raif-feisen-Genossenschaft zur Armutsbekämpfung begann. Verantwortliche und Nutznießer dieses Programms waren versammelt, und der Tag verging wie im Flug mit Berichten, Bildern und Besichtigung bei den Tierhaltern. Es war sehr erfreulich zu sehen, was Eigeninitiative hier und dort möglich macht.

Ein von den Partnern für uns liebevoll vorbereiteter Ausflug führt uns an den wunderschönen Mainit See im Norden des Kirchenkreises Agusan. Eine große Gruppe aus vielen Gemeinden begleitet uns zum Wiedersehen mit Ranielo Morit, der vor vielen Jahren ein Jahr in Koblenz als Austauschpfarrer für Jugendliche zuständig war. Er fragt nach allen, die er damals getroffen hat, und viele Geschichten werden wach.

Eine „Seefahrt, die ist lustig....“, könnte ich singen, was die Stimmung an Bord und die wunderschöne Land-

schaft betrifft, wenn nicht, ja, wenn nicht auch hier Prob-leme ihre langen Schatten voraus werfen würden. Das Gefälle des Seeniveaus zum nahen Ozean soll für ein Wasserkraftwerk genutzt werden; es entstehen bereits breite Straßen, die - so befürchten die Anwohner - massiver Ausbeutung der Bodenschätze durch aus-ländische Unternehmen dienen. Versprochen wird Armutsbekämpfung, doch meistens ändern sich nur die Ausbeuter: sind es jetzt die Großgrundbesitzer, die die landlosen Pächter oder Arbeiter ausnutzen, sind es morgen Fremde, die billige Arbeitskräfte brauchen. Viele Beispiele ähnlicher Situationen in den Philippinen haben gezeigt, dass zerstörte Landschaft, verschmutzte Ge-wässer und entwurzelte Menschen zurückbleiben und die Armut schlimmer ist als zuvor.

Viel Zeit nahmen wir uns in Agusan mit der Auswertung unseres Besuchs in Gesprächen mit Menschen, die in den verschiedenen Bereichen des Kirchenkreises tätig sind. Dabei wurden Kritik aber auch viele interessante Vorschläge laut. Es war wichtig und richtig, dass unsere kleine Delegation der Einladung aus Agusan gefolgt war, bei der Feier des Silberjubiläums dabei zu sein. Begeg-nungen knüpfen an Vergangenes, manchmal schon Vergessenes an und eröffnen damit neue Beziehungen und Zukunft. Hier wie dort geht Geschichte weiter, wandeln sich Strukturen, häufen oder verändern sich Probleme. Besonders erfreulich war und ist, dass nunmehr Jugendliche in Koblenz und Agusan beginnen, diese Partnerschaft für sich als Herausforderung zu entdecken und ihrer Generation entsprechend mit Hilfe der neuen Kommunikationsmedien zu gestalten.

Die letzten Tage dienten intensiven Gesprächen über die Zukunft der Partnerschaft in einer sich schnell wan-delnden Welt. Unsere Delegation war nicht autorisiert, Entscheidungen in Partnerschaftsangelegenheiten zu treffen. So bringen wir Vorschläge mit: z.B., dass der derzeitige Wortlaut des Partnerschaftsvertrages kritisch überprüft und gegebenenfalls angepasst oder neuen Situationen entsprechend verändert werden sollte. Wie-weit die Partnerschaftsrichtlinien der Vereinten Evange-lischen Mission, die langjährige und tragfähige Erfah-rungen vieler anderer Partnerschaften beinhalten, dabei eine gute Anleitung sind, ist zu überlegen.

Eine Kirchenkreispartnerschaft bleibt ein Lernprozess, der durch große räumliche Entfernung und kulturelle Verschiedenheit eine Herausforderung ist, dass wir als Christen und Kirchen alle Glieder am Leib Christi sind.

Dorothea Seeliger (Vallendar) engagiert sich seit 1985 in der Partnerschaft und wird in Agusan inzwischen „lola“ (Oma) der Partnerschaft genannt. Sie ist Men-schenrechtsbeauftragte des Kirchenkreises Koblenz und Vorsitzende der Ökumenischen Philippinen Konfe-renz der Bundesrepublik.

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21 Partnerschaft

Vor-Ort-Struktur als Mittler zwischen ungleichen Partnern

Projektantragsteller in den Philippinen und Hilfswerke in Mitteleuropa

von Stephanie Schüller

Missio kam vor einigen Jahren durch eine gemein-same Dienstreise mit der Dreikönigsaktion Öster-reichs (Dka Austria) in Kontakt mit der in Quezon City angesiedelten Vor-Ort-Struktur („Integrated Pastoral Development Initiatives, Inc. – IPDI“), die bereits damals eine Partnerschaft mit der Dka Austria, Men-sen meet en Missie (Holland) und dem Fastenopfer der Schweizer Katholiken aufgebaut hatte.

Diese Vor-Ort-Struktur setzt sich aus sehr engagier-ten, meist aus dem (katholischen) kirchlichen Dienst kommenden Filipinos und Filipinas zusammen, die sich zum Ziel gesetzt haben, das Ihre zu einer positiven Wende der Gesellschaft der Philippinen beizutragen. Ihre Aufgabe sehen sie darin, Gruppen und Gemeinden zu unterstützen, Armut zu über-winden, eine saubere Umwelt zu schaffen (Integrity of Creation), eine auf die Menschen ausgerichtete Poli-tik und kulturelle Werte und Strukturen zu fördern sowie jegliche Form der Unterdrückung und Margina-lisierung zu beheben. Diese, zugegebenermaßen sehr hoch gesteckten Ziele wollen sie durch ein „Drei-Säulen-Programm“ erreichen: die Begleitung und fachliche Beratung der verschiedenen Projektpartner vor Ort, Auf- und Ausbau von Netzwerken der Partner und ihre Weiterbildung z.B. in Buchhaltung, nach-haltiger Planung von Projekten etc. Die Arbeit teilen sich z. Zt. elf Teammitglieder, davon acht in Quezon City und drei in Davao City. Neben der notwendigen Schreibtischarbeit stehen v.a. regelmäßiger Kontakt und Partnerbesuche „vor Ort“ oder auch im Büro IPDIs im Vordergrund und die Befähigung der Part-ner, in ihren Bereichen noch effektiverer zu arbeiten.

Eine weitere Aufgabe IPDIs ist es, den vier Hilfswer-ken in Europa „unter die Arme zu greifen“ in Form von Updates zur Situation in den Philippinen, in beson-derer Art und Weise durch die Begutachtung einzel-ner Projekte, die den Hilfswerken von den Antragstel-lern vorgelegt werden, auf Nachhaltigkeit, Sinnhaftig-keit und natürlich in Relation zu den Kosten. Auch bitten die Hilfswerke IPDI bei einzelnen Projekten, diese speziell zu begleiten, was neben regelmäßigen Besuchen und Diskussionen auch die Rechnungsle-gung und Berichterstattung durch die Partner um-fasst, um ggf. Unterstützung anzubieten. Bei den von IPDI betreuten Partnern handelt es sich sowohl um

kirchliche Gruppen, Nichtregierungsorganisationen als auch organisierte Gemeinden und Gruppen.

Um diese Arbeit leisten zu können, müssen die Team-mitglieder nicht nur eine gute Kenntnis der Strukturen der Gesellschaft, der Politik und der (katholischen) Kirche haben, sondern auch ein sehr großes Maß an Engagement und Enthusiasmus mitbringen. Denn diese Arbeit bedeutet mehr als einen Vollzeitjob zu haben, oft sind die einzelnen Mitarbeiter über die normale Arbeitszeit hinaus mit den Fragen und Problemen der Partner beschäftigt. Auch werden die ihnen zustehenden Urlaubstage kaum oder gar nicht in Anspruch genommen, sondern für den Dienst an den Anderen zurückgestellt. Die Familien des Teams tragen die Einstellung und das Engagement voll mit, ansonsten wäre ein solch großer Einsatz nicht möglich.

Die Vor-Ort-Struktur ist aber nicht nur Berater für die Partner in den Philippinen und die Hilfswerke in Euro-pa, sie fungiert auch als Mittler zwischen den Kultu-ren. Sie weiß um die Ansprüche der Hilfswerke bei der Antragstellung bis hin zur Berichterstattung durch die Partner und unterstützt diese entsprechend und kommuniziert den Hilfswerken die Kultur und Vorge-hensweise der Partner vor Ort, die manchmal sehr von der europäischen Denk- und Arbeitsweise abwei-chen kann. Die Mitglieder IPDIs stärken den Aus-tausch und das Verständnis zwischen Projektpartnern auf den Philippinen und den europäischen Hilfswer-ken und tragen auch zu einer stärkeren Vernetzung der Hilfswerke untereinander bei, da von diesen oft dieselben oder ähnlich gelagerte Projekte und Part-ner unterstützt werden und jeder aus den Erfahrun-gen der anderen schöpfen kann.

Seit 2007 ist auch missio offiziell ein Partner der Vorortstruktur. Dies bedeutet nicht nur eine Unterstüt-zung in der Projektarbeit und eine bessere Begleitung der Partner vor Ort, sondern ist auch eine persön-liche, menschliche Bereicherung für uns hier als auch für unsere Partner und Freunde in den Philippinen.

Stephanie Schüller ist Diplomsoziologin und seit 1998 in der Auslandsabteilung von missio München u.a. für die Projekte in / aus den Philippinen zuständig.

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Solidarität 22

Kurznachrichten aus der Solidaritätsarbeit

25 Jahre Ökumenische Philippinen Konferenz

Seit 1985 treffen sich die Philippinen-Community in Deutschland und Interessierte jedes Jahr im Herbst zu einer offenen Konferenz. Gemeinsames Arbeiten an Schlüsselthemen der Solidarität zwischen Philippinen und Deutschland in ökumenischer Perspektive bringen beruflich und Freizeit-Engagierte aus diversen Initiati-ven und Gruppen, Ordensgemeinschaften, Missions- und Hilfswerken zu anregendem und ergiebigem Aus-tausch, kulturellem Erleben und liturgischem Feiern zu-sammen. Die 26. Konferenz findet am Wochenende 15. bis 17. Oktober 2010 in Eisenach / Thüringen statt.

In Deutschlands Mitte unterhalb der Wartburg geht es darum, wie weit philippinische MigrantInnen - immerhin jede/r vierte Erwachsene - Einfluss auf die politische Entwicklung ihres Heimatlandes nehmen können und wollen. Für Filipinas / os wie Deutsche ein interessan-tes Thema.

Info und Kontakt: [email protected]

15 Jahre Asienhaus in Essen

Auf der Zeche Zollverein, Welt-kulturerbe und Mittelpunkt der Kulturhauptstadt -2010 feiert das Asienhaus sein 15jähriges Beste-hen mit einer

grossen Wochenend-Veranstaltung "Asiensolidarität in der globalisierten Welt" am 25./26. September.

Info und Anmeldung: [email protected]

Asienstiftung, Korea-Kommunikations- und Forschungs-zentrum, Philippinenbüro und Südostasien Informati-onsstelle sind schon im Februar 1995 unter einem Dach zusammengezogen, um veränderten Rahmenbedingun-gen entwicklungspolitischer Arbeit zu Asien durch inten-sivere Koordination und Kooperation mittels Bündelung und gemeinsamer Nutzung von Ressourcen besser ge-recht zu werden. Aus dem ehemaligen Verwaltungsge-bäude der Zeche »Zollverein« in Essen-Katernberg wurde das Asienhaus, das weiteren asien- und entwick-lungspolitischen Initiativen sowie »Eine-Welt-Gruppen« Platz bietet: z. B. „Fair Handeln Essen e.V.“, Flücht-lingsrat Nordrhein-Westfalen, chinesische Sprachschule Dehua.

Die beteiligten Büros und Projekte wollen dazu beitra-gen, ein differenziertes Bild der Länder und Kulturen Asiens zu vermitteln und den Prozess des interkulturel-len Dialogs im Interesse von Frieden und sozialer Ge-rechtigkeit auf allen Ebenen voranzutreiben. Insitutio-nelle Unterstützung erhält das Asienhaus durch den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). Projekte wer-den durch eine Vielzahl von Organisationen gefördert, u.a. Misereor, die NRW-Stiftung Umwelt und Entwick-lung, InWent und die Heinrich-Böll-Stiftung.

Maike Grabowski neue Koordinatorin beim Aktionsbündnis Menschenrech-te Philippinen

Zum 15. August übernimmt Maike Grabowski von Silvio Köhler die Koordination des ökumenischen Aktionsbünd-nisses Menschenrechte Philippinen, in dem seit 01.08.2007 Amnesty International, Brot für die Welt, die Diakonie, das philippinenbüro e.V. im Asienhaus, der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), Misereor, die Vereinte Evan gelische Mission (VEM) und Missio München zusammenarbeiten. Mit dem Ziel, durch Öf-fentlichkeits- und Lobbyarbeit in Deutschland zur Ver-

besserung der Menschenrechtssituation in den Philip-pinen beizutragen, koordiniert das Bündnis Publikatio-nen, Veranstaltungen und Lobbyaktivitäten mit dem Fo-kus auf die große Zahl der politischen Morde sowie die Praxis des Verschwindenlassens. Zielgruppen sind Presse, politische Entscheider, Menschenrechtsenga-gierte und Multiplikatoren in Deutschland, Europa und den Philippinen.

Maike Grabowski befasst sich als Ethnologin seit vielen Jahren mit den Philippinen und bringt durch Feldfor-schung in Mindanao und Tätigkeit als Redakteurin der philippinen aktuell und Südostasien sowie ehemalige Geschäftsführerin des Philippinenbüros einschlägige Erfahrungen für die neue Aufgabe mit.

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23 Solidarität

Den politischen Morden ein Ende setzen!Initiative Sumabay Tayo! Wir gehen zusammen - für Gerechtigkeit!

Nestor Bedolido (50 Jahre) war Berichterstatter für eine wöchentliche Zeitung in Digos City, im Süden Minda-naos. Am 19. Juni 2010, als Bedolido Zigaretten kaufen ging, feuerte ein unbekannter Mann mehrere Schüsse auf ihn ab. Der maskierte Mann hatte einen Komplizen mit Motorrad und beide verließen den Tatort unverzüg-lich. Bedolido erlitt sechs Schusswunden und wurde schon bei der Ankunft im Krankenhaus für tot erklärt. Der Mord an Bedolido passt in das Muster anderer Tathergänge. Er ist das 140ste Medienopfer unter den politisch motivierten Morden in den Philippinen.

Karen Empeño und Sherlyn Cadapan sind Studentin-nen. Beide werden seit vier Jahren vermisst. Am 26. Juli 2006 wurden Sherlyn und Karen von Unbekannten entführt. Sherlyn war zum Zeitpunkt der Entführung schwanger. Beweise deuten darauf hin, dass die beiden Frauen in einem Militärcamp festgehalten werden. Ob sie noch am Leben sind, bleibt eine schmerzhafte Frage.

Unter der Arroyo-Regierung (2001-2010) gehörten die mehr als eintausend (1.000) politischen Morde, uber zweihundert (200) Fälle von verschwundenen Perso-nen, zunehmende Militarisierung „im Kampf gegen den Terror“, anhaltende Straflosigkeit und Täterschutz fur (para-) militärische Einheiten zum „business as usual“. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen verwei-sen nicht nur auf ein marodes Rechtssystem, sondern deuten vielmehr auf ein Muster systematischer politi-scher Unterdrückung hin, bei dem meist unbewaffnete Zivilisten im Visier paramilitärischer und militärischer Einheiten stehen. Dieses Klima der Straflosigkeit hält unter dem neu gewählten Präsidenten Aquino, der seit 20 Tagen an der Regierung ist, weiter an. In den knapp drei Wochen sind bereits weitere Opfer hinzugekom-men, darunter u.a. ein Journalist, ein politisch aktiver Bauer und zwei politisch engagierte Lehrer.

Sumabay Tayo! Walking Together – For Justice! ist eine Initiative, die sich aus jungen deutschen und philippini-schen Studierenden und Berufstätigen zusammensetzt, die durch eine starke Solidarität mit den Philippinen verbunden sind. Es handelt sich um eine unabhängige Initiative, deren Mitglieder ehrenamtlich arbeiten.

Als Menschenrechtsinitiative liegt der Fokus von Suma-bay Tayo! auf der Beendigung der politisch motivierten Morde, des Verschwindenlassens (Verschleppung an einen geheimen Ort) und der Folter in den Philippinen. Ziel ist, einen aktiven Beitrag zur Aufklärung der Fälle zu leisten, Hinterbliebene zu unterstutzen und verant-wortliche Personen, die hinter den Morden und Entfüh-rungen stehen, zur Rechenschaft zu ziehen. In diesem Kontext unterstutzt Sumabay Tayo! auch Kampagnen und Aktionen, die sich gegen andere Menschenrechts

verletzungen richten. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktio-nen will diese junge Initiative ein großes Publikum errei-chen und Mitmenschen mobilisieren. Zudem strebt sie eine konstruktive und gleichberechtigte Zusammenar-beit mit philippinischen und deutschen Partnern an.

Im Mai 2009 hat Sumabay Tayo! ihre erste Aktion wäh-rend des Evangelischen Kirchentages in Bremen durch-geführt. Für jedes einzelne der über 1.000 Opfer politi-scher Morde wurden entlang der Weser Grabkerzen angezündet. Es entstand eine lange Lichterkette, die auf das Ausmaß der Opfer politischer Morde aufmerk-sam machte. Außerdem konnten Passanten und Besu-cher mit ihren über 350 Protestbriefen an philippinische Regierungsstellen direkt die Umsetzung nationaler und internationaler Empfehlungen zur Aufklärung ungeklär-ter Gewaltverbrechen und zur Einhaltung der Men-schenrechte fordern. Im gleichen Zeitraum richteten philippinische Jugendliche eine Parallelaktion gegen politische Morde in den Philippinen aus.

Zum Gedenken an die Verabschiedung der Allgemeinen Menschenrechte im Jahr 1948 findet am 4. September 2010 in Oldenburg der sogenannte Menschenrechtstag unter dem Thema „Menschenrechte und Gesundheit“ statt. In diesem Rahmen plant Sumabay Tayo! ihre nächste Aktion. Dort soll neben den Forderungen nach einem Ende der Menschenrechtsverletzungen und der Straflosigkeit auch auf die gesundheitlichen und psychi-schen Folgen dieser Menschenrechtsverletzungen auf-merksam gemacht werden.

Sumabay Tayo! freut sich auf interessierte Besucher an diesem Tag!

Für Fragen, Informationen oder den Sumabay Tayo!-Rundbrief kontaktieren Sie: [email protected]

Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen, 22. Mai 2009

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Partnerschaft baut Brücken

Photo: Christian Maier

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