»neue gedanken müssen sich neue formen suchen – dieses

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DAS ORCHESTER DER ELBPHILHARMONIE B6: Do, 09.02.2012, 20 Uhr | A6: So, 12.02.2012, 11 Uhr | Hamburg, Laeiszhalle Andris Nelsons Dirigent Håkan Hardenberger Trompete Antonín Dvořák Heldenlied – Sinfonische Dichtung op. 111 Rolf Martinsson „Bridge“ – Konzert für Trompete und Orchester Nr. 1 op. 47 Richard Strauss Aus Italien – Sinfonische Fantasie G-Dur op. 16 »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses Lisztsche Grundprinzip wurde mir der Leitfaden für meine eigenen sinfonischen Arbeiten ...« Richard Strauss in seinen Erinnerungen

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Page 1: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

D A S O R C H E S T E R D E R E L B P H I L H A R M O N I E

B6: Do, 09.02.2012, 20 Uhr | A6: So, 12.02.2012, 11 Uhr | Hamburg, Laeiszhalle

Andris Nelsons Dirigent

Håkan Hardenberger Trompete

Antonín Dvořák Heldenlied – Sinfonische Dichtung op. 111

Rolf Martinsson „Bridge“ – Konzert für Trompete und Orchester Nr. 1 op. 47

Richard Strauss Aus Italien – Sinfonische Fantasie G-Dur op. 16

»Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses Lisztsche Grundprinzip wurde mir der Leitfaden für meine eigenen sinfonischen Arbeiten ...«

Richard Strauss in seinen Erinnerungen

Page 2: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

Dirigent:

Solist:

Antonín Dvořák

(1841 – 1904)

Rolf Martinsson

(*1956)

Richard Strauss

(1864 – 1949)

Donnerstag, 9. Februar 2012, 20 Uhr

Sonntag, 12. Februar 2012, 11 Uhr

Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal

Andris NelsonsHåkan Hardenberger Trompete

Heldenlied

Sinfonische Dichtung op. 111

(1897)

„Bridge“

Konzert für Trompete und Orchester Nr. 1 op. 47

(1998)

Pause

Aus Italien

Sinfonische Fantasie G-Dur op. 16

(1886)

I. Auf der Campagna

Andante

II. In Roms Ruinen. Fantastische Bilder entschwundener

Herrlichkeit, Gefühle der Wehmut und des Schmerzes

inmitten sonnigster Gegenwart

Allegro molto con brio

III. Am Strande von Sorrent

Andantino – Più mosso – Tempo I

IV. Finale. Neapolitanisches Volksleben

Allegro molto – Presto

Einführungsveranstaltung mit Habakuk Traber am 09.02.2012 um 19 Uhr

im Großen Saal der Laeiszhalle.

NDR SINFONIEORCHESTER

3

Das Konzert am 12.02.2012 wird live

auf NDR Kultur gesendet

Die Konzerte des NDR Sinfonieorchesters hören Sie auf NDR Kultur

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Hören und genießen

In Hamburg auf 99,2

Weitere Frequenzen unter

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Page 3: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

NDR SINFONIEORCHESTER

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Håkan Hardenberger ist „der brillanteste,

subtilste Trompeter der Welt“ (The Times).

Neben seinen herausragenden Aufführungen

klassischen Repertoires ist er einer der be-

kanntesten Botschafter für neue Musik. Håkan

Harden berger gibt Konzerte mit den führenden

Orchestern der Welt, darunter das New York

Philharmonic und Chicago Symphony Orchestra,

die Wiener Philharmoniker, das Symphonie-

orchester des Bayerischen Rundfunks, Swedish

Radio Symphony, London Symphony sowie

NHK Symphony Orchestra. Er arbeitet mit

Dirigenten wie Pierre Boulez, Alan Gilbert,

Daniel Harding, Paavo Järvi, Ingo Metzmacher,

Esa-Pekka Salonen und David Zinman

zusammen.

Die bemerkenswerte Liste der Werke, die für

Håkan Hardenberger geschrieben und von ihm

uraufgeführt wurden, hat längst in das Stan-

dardrepertoire für Trompete Eingang gefunden,

darunter Kompositionen von Harrison Birtwistle,

Hans Werner Henze, Rolf Martinsson, Olga

Neuwirth, Arvo Pärt, Mark Anthony Turnage

und HK Gruber. In die Saison 2011/12 fällt

Hardenbergers 50. Geburtstag. Zu den Höhe-

punkten rund um diesen besonderen Anlass

gehört sein Debüt beim Boston Symphony

Orchestra, bei dem das Trompetenkonzert von

Turnage zum ersten Mal in den USA aufgeführt

wird. Eine Geburtstags-Tournee mit der Academy

of St. Martin in the Fields führt durch Skandi-

navien. Das Programm beinhaltet Arrangements

von Film- und Popmusik, die auch auf CD ver-

öffentlicht werden. Weitere Konzerte fi nden

u. a. mit dem City of Birmingham Symphony

Orchestra unter der Leitung von Andris Nelsons,

mit dem Tonkünstler-Orchester und dem Or-

questra de Valencia unter John Storgårds statt.

Danach kehrt Hardenberger für mehrere Kon-

zerte mit den Wiener Symphonikern zum Musik-

verein zurück. Hardenberger ist in dieser Saison

außerdem „Artist in Residence“ beim WDR

Sinfonieorchester, mit dem er u. a. die Urauf-

führung von Rolf Wallins Trompetenkonzert un-

ter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste spielt.

Geboren in Malmö (Schweden), begann

Hardenberger im Alter von acht Jahren mit

dem Spiel der Trompete, zunächst unterrichtet

von Bo Nilsson. Später studierte er an der

Pariser Musikhochschule bei Pierre Thibaud

sowie in Los Angeles bei Thomas Stevens. Er

ist Professor am Konservatorium von Malmö

und am Royal Northern College in Manchester.

Håkan HardenbergerTrompete

Andris Nelsons ist einer der international

gefragtesten jungen Dirigenten, der sowohl an

Opern- als auch an Konzerthäusern einen ex-

zellenten Ruf genießt. In den kommenden Jahren

wird er die Zusammenarbeit mit Orchestern

wie den Berliner Philharmonikern, den Wiener

Philharmonikern, dem Concert gebouworkest

Amsterdam, dem Symphonie orchester des

Bayerischen Rundfunks, der Staatskapelle

Berlin, dem Boston Symphony Orchestra, dem

New York Philharmonic, dem Philharmonia

Orchestra und dem Tonhalle-Orchester Zürich

fortsetzen. Kürzlich ist er während einer Tour-

nee mit den Wiener Philharmonikern zum ersten

Mal in Japan aufgetreten. In der aktuellen Sai-

son debütiert er beim Gewandhausorchester

Leipzig. Andris Nelsons ist regelmäßig am Royal

Opera House Covent Garden, an der Metropo-

litan Opera New York, der Wiener Staatsoper

und der Staatsoper Berlin zu Gast. Im Sommer

2011 kehrte er zu den Bayreuther Festspielen

zurück und übernahm erneut die musikalische

Leitung von „Lohengrin“ in der Inszenierung

von Hans Neuenfels. 2012 wird er ebenfalls

in Bayreuth dirigieren.

Nelsons ist seit 2008 Music Director des City of

Birmingham Symphony Orchestra und hat für

seine bisherigen Spielzeiten höchstes Lob

erhalten. Mit dem CBSO unternimmt er welt-

weit ausgedehnte Tourneen mit regelmäßigen

Auftritten bei Sommerfestivals wie dem Lucerne

Festival, den BBC Proms und den Berliner

Festspielen. Außerdem arbeiten Nelsons und

das CBSO an einer kompletten Einspielung der

Orchesterwerke von Tschaikowsky und Richard

Strauss. Über ihre erste CD schrieb die Times,

es sei eine der „opulentesten und kultiviertes-

ten Interpretationen von ‚Ein Heldenleben’, die

je auf CD erschienen ist“. Über die Hälfte von

Andris Nelsons’ bisherigen Einspielungen wurde

mit einem „Preis der Deutschen Schallplatten-

kritik“ ausgezeichnet. Im Oktober 2011 erhielt

Nelsons den ECHO Klassik in der Kategorie

„Dirigent des Jahres“ für seine mit dem CBSO

entstandene Aufnahme von Strawinskys

„Feuervogel“ und der Psalmensymphonie.

1978 als Kind einer Musikerfamilie in Riga

geboren, begann Andris Nelsons seine Karriere

als Trompeter im Orchester der Lettischen

Nationaloper, bevor er Dirigieren studierte.

Von 2006 bis 2009 war er Chefdirigent der

Nordwestdeutschen Philharmonie in Herford

und von 2003 bis 2007 musikalischer Leiter

der Lettischen Staatsoper.

Andris NelsonsDirigent

Page 4: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

„Mir hat natürlich mehr ein Künstler vorgeschwebt…“: Dvořáks „Heldenlied“

Sieben Tage, nachdem Antonín Dvořák mit dem

Streichquartett As-Dur op. 105 sein letztes

kammermusikalisches Werk komponiert hatte,

begann er Anfang Januar 1896 mit der Arbeit

an seinen ersten drei Sinfonischen Dichtungen

„Der Wassermann“, „Die Mittagshexe“ und

„Das Goldenene Spinnrad“ op. 107 bis op. 109,

die bereits gegen Ende April fertiggestellt

waren. Fünf Monate später schrieb er mit der

„Waldtaube“ sein viertes Stück jenes Programm-

Genres, wobei alle balladesken Sujets jener

Werkgruppe der Gedichtsammlung „Kytice z

pověstí národních“ („Blumenstrauß nationaler

Sagen“) des tschechischen Historikers und

Schriftstellers Karel Jaromír Erben entnommen

sind. In den vier Werken zeichnet Dvořák die

ausgewählten Schauergeschichten in zum Teil

ausgeprägter musikalischer Realistik nach –

ein Verfahren, das die Tondichtungen mit ihren

bestechenden, oft impressionistisch anmuten-

den Orchesterfarben zu „Dramen ohne Szene“

bzw. zu „Musik ohne Sänger“ macht, wie der

Rezensent des Wiener „Fremden-Blatts“ Ludwig

Speidel treffend bemerkte. Allerdings ließen

die Stücke den Eindruck aufkommen, der

Komponist habe „seit seinem ‚Wassermann‘ die

primitive Methode gewonnen, Stück für Stück,

Tact für Tact, Zeile für Zeile die Musik neben

dem Programm fortzuschieben“. Das jedenfalls

kritisierte Robert Hirschfeld in seiner Bespre-

chung der am 20. März 1898 in Brünn uraufge-

führten „Waldtaube“ in der „Wiener Abendpost“,

die nach der von Gustav Mahler am 3. Dezem-

ber 1899 geleiteten Wiener Erstaufführung des

Werkes erschien. (Auch Mahler war laut den

Erinnerungen Natalie Bauer-Lechners von dem

„Machwerk“ wenig begeistert.) Dvořák scheint

sich der Problematik, die ein „musikalisches

Nacherzählen“ in sich birgt, frühzeitig bewusst

geworden zu sein, weshalb er seinem zwischen

August und Oktober 1897 entstandenen

„Heldenlied“ op. 111 keinen Märchenstoff

Erbens mehr zugrundelegte. Über den pro-

grammatischen Gehalt des Werkes schrieb der

Komponist an Hirschfeld anlässlich der für den

NDR SINFONIEORCHESTER

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Dass Richard Strauss mit seinen Tondichtun-

gen zum Begründer eines neuen realistischen

Stils in der sinfonischen Musik werden und sich

an die Spitze der „Neudeutschen Bewegung“

stellen sollte, war ihm wahrlich nicht in die

Wiege gelegt. Sein Vater, exzellenter (wenn auch

aufgrund seiner unerbittlich verfochtenen

konservativen Kunstanschauung mancherorts

gefürchteter) Hornist im Münchner Hofopern-

orchester, versuchte mit Werken von Bach bis

Spohr seinem Sprössling die Ideale eines von

den aktuellen Kunstströmungen enthobenen

Klassizismus’ zu vermitteln. Der musikalisch

frühreife Sohn, dem im Gegensatz etwa zu

Johannes Brahms das ehrfürchtige und läh-

mende Überwältigt-Sein von der Tradition völlig

abging, entzog sich allerdings nach und nach

den vom Vater gesetzten Vorbildern. Dabei

wandte sich Strauss von ihnen ab, ohne sie zu

„überwinden“ – indem er, nach früher Orientie-

rung an Mendelssohn, Schumann und Brahms,

die Wiener Klassiker und ihre romantischen

Nachfolger in eine ferne, gewissermaßen über-

zeitliche „Klassizität“ entrückte und die ihm

näher stehenden Komponisten mit aller pole-

mischen Härte als akademische Fossilien be-

schimpfte. Sprachrohr dieser „Fossilien“ war

der mit Brahms eng befreundete Kritiker

Eduard Hanslick, der die Autonomie des mu-

sikalischen Kunstwerks forderte: „Der Inhalt

der Musik sind tönend bewegte Formen.“

In Wien waren die Fronten zwischen den An-

hängern „absoluter“ Sinfonik und den Vertretern

der als „fortschrittlich“ geltenden Programm-

musik derart verhärtet, dass eine Vermittlung

zwischen den beiden Positionen unmöglich

erschien. Noch 1894 klagte Gustav Mahler in

einem Brief an seine Schwester Justine, dass

er „unter den heutigen Musikern ganz allein

dastehe. Unsere Ziele gehen auseinander.

Ich von meinem Standpunkt kann überall nur

entweder altclassischen oder neudeutschen

Zopf erkennen. […] Strauss vornehmlich ist ganz

Pope, Papst! Aber immerhin ein lieber Kerl.“

An den Peripherien des europäischen Musik-

lebens ging man mit dem Thema gelassener

um: Nicht nur ein Komponist wie Tschaikowsky

schrieb unbekümmert Sinfonien und Sinfoni-

sche Dichtungen, auch der mit Brahms eng

befreundete Antonín Dvořák begab sich 1896,

nachdem er neun Sinfonien und eine Vielzahl

kammermusikalischer Werke geschrieben hatte,

„ins Lager der refl ectierenden Programm-

Componisten“, wie Theodor Helm in seiner

Besprechung von Dvořáks vierter Sinfonischer

Dichtung „Die Waldtaube“ im Leipziger Musi-

kalischen Wochenblatt überrascht feststellte.

Ob eine derartige Unterscheidung für den

1956 geborenen Schweden Rolf Martinsson

noch von Bedeutung ist, mag bezweifelt werden.

Ohnehin bezieht sich der Titel seines Trompe-

tenkonzertes „Bridge“ auf nichts Außermusika-

lisches, sondern auf die intern-musikalische

Formdisposition, da zwei Trompetenkadenzen

die drei Binnenabschnitte des einsätzigen

Werkes wie eine Brücke miteinander verbinden.

„Entweder altclassischer oder neudeutscher Zopf“?Zu den Werken von Dvořák, Martinsson und Strauss

Antonín Dvořák (1894)

Page 5: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

die Malmöer Musikakademie berufen.

Führende Orchester und Chöre haben bei

Martinsson Werke in Auftrag gegeben, u. a.

die Orchester von Göteborg und Malmö, das

Finnish Radio Symphony Orchestra, das Royal

Stockholm Philharmonic Orchestra, das nie-

derländische Radiosinfonieorchester und der

Schwedische Radiochor. Das rund 25-minütige

Trompetenkonzert „Bridge“ entstand 1998

im Auftrag des Trompetenvirtuosen Håkan

Hardenberger. ,,Hardenbergers Musikalität,

seine wundervolle Klangfarbenpalette und seine

technische Virtuosität“, so der Komponist,

„waren beim Schreiben des Soloparts eine

Hauptinspirationsquelle, aber auch die Ge-

spräche, die wir über das Werk führten – als

Ganzes sowie über Details bei der Ausformu-

lierung der Solostimme. Dies hatte großen

8 9

NDR SINFONIEORCHESTER

4. Dezember 1898 vorgesehenen Uraufführung

in Wien, die auch unter Mahlers Leitung statt-

fand: „Es ist mir recht schwer, in einem Briefe

alles das zu sagen, was mir beim Nieder-

schreiben des ‚Heldenliedes‘ eigentlich vor-

geschwebt hat […] Vor allem muß ich sagen,

daß schon der Titel aus dem Böhmischen

schwer zu übersetzen ist. Es heißt ‚Bohatýrsá

Píseň‘ (adjectivum). ‚Bohatýr‘ (substantivum)

ist eigentlich ein spez[ifi sch] slawischer Name,

die Griechen nannten solche Helden ‚Rhapso-

den‘. Mir hat natürlich mehr ein Geistesheld,

ein Künstler vorgeschwebt, und so glaube ich,

daß gleich mit dem ersten Thema der Held

angedeutet wäre. Es ist Energie, Entschlossen-

heit und Kraft (Molto vivace). Mit dem zweiten

Thema (Adagio, quasi marcia) bmoll tritt

Schmerz, Wehklagen etc. ein, mit dem Desdur

Hoffnung, Tröstung etc. Dann erster Kampf.

Mit dem Edur, 2/4 Takt, neue Freuden und

Hoffnungen in glücklichere Zukunft und zum

Schluß Stürme und endlicher Sieg der Idee.“

Die außermusikalischen Implikationen von

Dvořáks „Heldenlied“, bei dem es sich, wie

Hanslick mit einer gewissen Genugtuung fest-

stellte, um „eine ‚Symphonische Dichtung‘ i[m]

Sinne Liszts“ handelt, weisen überraschende

Ähnlichkeiten zu anderen programmatischen

Werken des 19. Jahrhunderts auf – man denke

nur an Liszts „Ideale“ mit ihren Abschnitten

„Aufschwung“, „Enttäuschung“, „Beschäftigung“

und „Apotheose des Dichters“, an Gustav

Mahlers ursprünglich mit „Titan“ überschrie-

bene Erste Sinfonie oder an Richard Strauss’

(erst 1898 vollendetes) „Heldenleben“, dessen

Satzüberschriften „Der Held“, „Des Helden

Widersacher“, „Des Helden Gefährtin“, „Des

Helden Werkstatt“, „Des Helden Friedenswerke“

und „Des Helden Weltfl ucht und Vollendung“

lauten. Möglicherweise ging es auch Dvořák in

seinem „Heldenleben“ um die emotionsgela-

dene Glorifi zierung des eigenen Künstlertums.

Die Tatsache, dass es sich bei dem Stück um

sein letztes Orchesterwerk überhaupt handelt,

mag hierfür sprechen.

Kongeniale Zusammenarbeit:„Bridge“ von Rolf Martinsson

Rolf Martinsson ist einer der international be-

kanntesten Gegenwartskomponisten Schwe-

dens. Sein musikalisches Œuvre – er schrieb

neben Chor- und Orchesterwerken auch Kon-

zerte, Kammermusik, Solostücke und Musik

für Radiotheater – wird weltweit von Dirigenten

wie Alan Gilbert, Sakari Oramo, Leif Segerstam,

Bertrand de Billy oder Andrew Manze aufge-

führt. 1956 im nordschwedischen Glimåkra

geboren, studierte Martinsson an der Musik-

akademie von Malmö Komposition u. a. bei Hans

Erklund, Sven-Erik Bäck, Brian Ferneyhough

und Sven-David Sandström. 1980 war er einer

der Mitbegründer der Komponistenvereinigung

FUTIM, vier Jahre später leitete er das Young

Nordic Music Festival in Malmö. 1986 wurde

Martinsson zum Mitglied des Schwedischen

Komponistenverbandes ernannt. Seit 2002 ist

er Composer in Residence und Artistic Advisor

des Malmö Symphony Orchestra, vier Jahre

später wurde er als Kompositionsprofessor an

Rolf Martinsson

Page 6: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

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NDR SINFONIEORCHESTER

Einfl uss auf mein Komponieren, und es stellt

eine Arbeitsweise dar, die ich höchst kongenial

fi nde.“ In dem Werk verbindet sich der klar

konturierte Trompetenton oft mit zarten Klang-

wolken des Orchesters, wobei sich das Solo-

instrument zuweilen auch auf den Wogen üppi-

ger Klanglichkeit tragen lässt. Das effektvolle

und streckenweise an den Hollywood-Stil der

1930er Jahre gemahnende Konzert, das am

29. April 1999 in Göteborg mit Hardenberger

und dem Göteborger Sinfonieorchester unter

der Leitung von Neeme Järvi überaus erfolg-

reich uraufgeführt wurde, setzt sich aus drei

Abschnitten zusammen, die durch zwei Solo-

kadenzen der Trompete – eine lyrische und eine

dramatische – miteinander verbunden werden.

Das melodische Material greift u. a. auf vermin-

derte Skalen mit abwechselnd großen und

kleinen Sekunden, Chromatik sowie Terzketten

zurück, wobei die Bandbreite von einer ge-

zackten, jazzigen Linienführung bis hin zu einer

bluesartigen Lyrik reicht, deren Thematik

zuweilen an Gershwin denken lässt.

Zu Beginn des ersten Abschnitts tritt die

Trompete mit den verschiedenen Instrumenten-

gruppen nacheinander in einen konzertieren-

den Wettstreit, was die Virtuosität aller Betei-

ligten herausfordert. Im Anschluss an diese

abwechslungsreiche Introduktion breitet sich

ein längerer dramatischer sinfonischer Ab-

schnitt aus, der seinen thematischen Ausgang

in einem musikalischen Anagramm nimmt,

das dem Namen Håkan Hardenbergers nach-

gebildet ist. Den teilweise bluesartigen Mittel-

teil bestimmen sich langsam und wellenartig

ausbreitende Klangvaleurs, in denen unge-

wöhnliche orchestrale Effekte auffallen. Der

Schlussteil, ein sehr schnelles, mitreißendes

Presto, stellt erneut höchste Anforderungen

sowohl an den Solisten als auch an das Or-

chester. „Bridge“, das u. a. mit einem ASCAP

Award ausgezeichnet wurde, ist eine der er-

folgreichsten Kompositionen Martinssons.

Seit der Uraufführung wurde das Konzert mit

Hardenberger als Solisten weltweit mehr als

fünfzig Mal aufgeführt, wodurch es zu einem

der bekanntesten zeitgenössischen Werke

aus Nordeuropa avancierte.

„Die Empfi ndungen beim Anblick der herrlichen Naturschönheiten Roms“: Strauss’ „Aus Italien“

Im April 1886 gab Richard Strauss die Leitung

der Meininger Hofkapelle auf, um am 1. August

desselben Jahres das Amt des 3. Kapellmeis-

ters an der Münchner Hofoper anzutreten, wo

er fortan jenes Orchester leitete, in dem sein

Vater seit 1847 als Erster Hornist tätig war.

Die vier freien Monate nutzte der seinerzeit

22-Jährige zu einer längeren Bildungsreise

durch Italien, wo er u. a. Venedig, Bologna,

Florenz, Rom, Neapel, Pompeji und Capri be-

suchte. Die Sinfonische Fantasie „Aus Italien“,

eine Art Mischung aus Suite und Sinfonischer

Dichtung, entstand während dieser Zeit, wobei

Strauss die Partitur nach seiner Rückkehr am

12. September 1886 in München vollendete.

An Hans von Bülow, den Widmungsträger des

Werkes, schrieb der junge Komponist, er habe

„nie so recht an eine Anregung durch Natur-

schönheit geglaubt“, sei aber „in den römischen

Ruinen […] eines besseren belehrt worden“.

Die Uraufführung des Werkes fand am 2. März

1887 unter Leitung des Komponisten im

Münchner Odeon statt. „Ich kann die Angst

und Aufregung meines Vaters gar nicht be-

schreiben“, erinnerte sich Strauss’ Schwester

Johanna später. „Schon lange vorher übte er

zu Hause die schweren, kühnen Stellen des

Waldhorns […]. Die ersten drei Sätze wurden

mit Beifall aufgenommen, aber beim letzten

Satz war der Applaus geringer, ja es kam sogar

von verschiedenen Seiten Zeichen der Ab-

lehnung und Pfi ffe.“ Strauss nahm den Wider-

spruch gelassen. An seine Jugendliebe Lotti

Speyer schrieb er: „Das Werk ist ziemlich neu

und revolutionär, und der letzte Satz hat bei

den alten und jungen Zöpfen große Opposition,

zum mindesten Kopfschütteln hervorgerufen.“

Und weiter: „Mein Stolz war ungeheuer; das

erste Werk, das auf Opposition des großen

Haufens gestoßen ist; da muß es doch nicht

unbedeutend sein.“ Im Januar 1888 folgten,

ebenfalls unter Strauss’ Leitung, Aufführungen

in Köln, Frankfurt und Berlin. Vor allem im letz-

ten Konzert hatte „Aus Italien“ durchschlagen-

den Erfolg: „Das Philharmonische Orchester“,

schrieb Strauss seinem Vater, „ist das intelli-

genteste, famoseste und frischeste Orchester,

das ich kenne. […] Ich glaube nicht, daß ich je

meine Fantasie schöner hören werde […].“

Rückblickend hat Strauss „Aus Italien“ als

„erste[n], schüchterne[n] Versuch“ auf dem

Weg zu jenem Lisztschen „Grundprinzip“ be-

zeichnet, nach dem sich neue musikalische

Gedanken neue Formen suchen müssten.

Doch während er in seinen Erinnerungen von

einer „poetischen Idee“ spricht, ist in einem

Brief des Dreiundzwanzigjährigen an den Kriti-

ker Karl Wolf noch von einem „poetischen In-

halt“ die Rede, was einen marginal wirkenden,

aber entscheidenden Unterschied ausmacht.

Dessen ungeachtet beklagte Strauss, dass die

deskriptiven Passagen programmatischer

Werke den Blick des Publikums auf einen jen-

seits der tonmalerischen Darstellung liegenden

Richard Strauss (1888)

Page 7: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

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NDR SINFONIEORCHESTER

Gehalt der Musik – „die Empfi ndungen beim

Anblick der herrlichen Naturschönheiten Roms

und Neapels, nicht Beschreibungen derselben“ –

verdecke. Dementsprechend heißt es auch in

einer von Strauss 1889 für die „Allgemeine

Musikzeitung“ verfassten Beschreibung des

Werkes, der erste Satz, „Auf der Campagna“,

gebe die Stimmung wieder, „die der Kompo-

nist beim Anblick der weiten, in Sonnenglut

getauchten römischen Campagna, von der

Villa d’Este in Tivoli aus gesehen, empfand.“

Zum zweiten Satz, „In Roms Ruinen“, der

inmitten der Ruinen der Caracalla-Thermen

skizziert wurde, bemerkte der Komponist:

„Fantastische Bilder entschwundener Herrlich-

keit, Gefühle der Wehmut und des Schmerzes

inmitten sonnigster Gegenwart.“ Mit „Am

Strande von Sorrent“ folgt ein geniales, im-

pressionistisch angehauchtes Orchestertab-

leau, das von größter klanglicher Sensibilität

zeugt. „In diesem Satz“, so Strauss, „ist der

Versuch gemacht, die zarte Musik der Natur,

die das innere Ohr im Säuseln des Windes in

den Blättern, in dem Gesang der Vögel und

allen den feinen Naturstimmen, in dem fernen

Rauschen des Meeres, von dem ein einsamer

Gesang an’s Ufer schallt, vernimmt, tonmale-

risch darzustellen.“ Das Finale ist mit dem

Titel „Neapolitanisches Volksleben“ betitelt.

Strauss zitierte hier Luigi Denzas zeitgenössi-

schen Schlager „Funiculì, funiculà“, den er für

ein „bekanntes neapolitanisches Volkslied“

hielt. Außerdem griff er in der Coda auf eine

Tarantella zurück, die er in Sorrent gehört hatte:

„Nach einigen lärmenden Eingangstakten

beginnt das Hauptthema, von Bratschen und

Celli vorgetragen, diesen tollen Orchesterspuk,

der in einem lustigen Durcheinander von

Themen das bunte Treiben Neapels schildern

will; die anfangs nur von Ferne erklingende

Tarantella gewinnt gegen Ende des Satzes

immer mehr die Oberhand und bildet den

Abschluß dieser Humoreske. Einige Anklänge

an den ersten Satz mögen die Sehnsucht

nach der Ruhe der Campagna ausdrücken.“

Harald Hodeige

Was Richard Strauss in seiner Musik einfangen wollte, bannte Carl Johann Baehr auf die Leinwand:

Die Landschaft der römischen Campagna (Öl-Gemälde von 1834/35)

Die Ruinen der Caracalla-Thermen in Rom. Hier skizzierte

Strauss den 2. Satz seiner Sinfonischen Fantasie „Aus Italien“

Page 8: »Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses

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KAMMERKONZERT

Sonderkonzert im Rahmen der Ausstellung

„Ferdinand Hodler und Cuno Amiet“ *

So, 26.02.2012 | 20 Uhr

Bucerius Kunst Forum

MUSIK DES SYMBOLISMUS

Brigitte Lang Violine

Alexandra Psareva Violine

Jan Larsen Viola

Aline Saniter Viola

Fabian Diederichs Violoncello

Katharina Kühl Violoncello

N. N. Klavier

Arnold Schönberg

Verklärte Nacht op. 4

César Franck

Klavierquintett f-Moll

*Die Ausstellung ist zwischen 19 und 19.45 Uhr

exklusiv für Konzertbesucher geöffnet.

In Kooperation mit dem Bucerius Kunst Forum

NDR FAMILIENKONZERT

Sa, 25.02.2012 | 14.30 + 16.30 Uhr

So, 26.02.2012 | 14.30 Uhr

Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio

GABRIELI UND DER TAKT

Cornelius Trantow Dirigent

NDR Chor

Grundschule Schnuckendrift, Hamburg

Musik von Giovanni Gabrieli, Györgi Ligeti,

Philip Glass, John Cage

Eine taktvoll-bewegte Geschichte

ab 6 Jahren

Eine Kooperation von NDR Chor und NDR Das Alte Werk

Konzertvorschau

NDR SINFONIEORCHESTER

C3 | Do, 23.02.2012 | 20 Uhr

D5 | Fr, 24.02.2012 | 20 Uhr

Hamburg, Laeiszhalle

L5 | Sa, 25.02.2012 | 19.30 Uhr

Lübeck, Musik- und Kongresshalle

Michael Gielen Dirigent

Anton Bruckner

Sinfonie Nr. 8 c-Moll

23.02.2012 | 19 Uhr

24.02.2012 | 19 Uhr

Einführungsveranstaltungen

Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus,

Tel. 0180 – 1 78 79 80 (bundesweit zum Ortstarif,

maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz),

online unter ndrticketshop.de

B7 | Do, 01.03.2012 | 20 Uhr

A7 | So, 04.03.2012 | 11 Uhr

Hamburg, Laeiszhalle

Herbert Blomstedt Dirigent

Anton Bruckner

Sinfonie Nr. 5 B-Dur

01.03.2012 | 19 Uhr: Einführungsveranstaltung

NDR CHOR

Abokonzert 3

Sa, 19.02.2012 | 18 Uhr

Hamburg, St. Johannis-Harvestehude

VENEZIA

Philipp Ahmann Dirigent

NDR Brass

Werke von

Giovanni Gabrieli

Claudio Monteverdi

Franz Liszt/Clytus Gottwald

Niccolò Castiglioni

Richard Wagner/Clytus Gottwald

Hans Werner Henze

Herbert Blomstedt

Michael Gielen

Herausgegeben vom

NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK

PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK

BEREICH ORCHESTER UND CHOR

Leitung: Rolf Beck

Redaktion Sinfonieorchester:

Achim Dobschall

Redaktion des Programmheftes:

Julius Heile

Der Einführungstext von Dr. Harald Hodeige

ist ein Originalbeitrag für den NDR.

Fotos:

Marco Borggreve (S. 4, S. 5)

culture-images | Lebrecht (S. 7)

Mats Bäcker (S. 9)

akg-images (S. 11, S. 12)

Hervè Champollion | akg-images (S. 13)

Jacques Lévesque (S. 14 links)

Philipp von Hessen (S. 14 rechts)

NDR | Markendesign

Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg

Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.

Druck: Nehr & Co. GmbH

Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung des NDR gestattet.

ImpressumSaison 2011 / 2012

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