netzwerke · 2020. 6. 9. · wird die zeit genutzt, die bei den workshop-akteuren in der regel auch...
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NETZWERKEInterkommunale Kooperation
DOKUMENTATION
Baden-WürttembergMINISTERIUM FÜR LÄNDLICHEN RAUM UND VERBRAUCHERSCHUTZ
Begleitveranstaltungen der ArgeLandentwicklung7. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung
22. Januar 2014
NetzwerkeInterkommunale Kooperationen
Die folgenden Ausführungen sind so abgedruckt,wie sie von den Autorinnen und Autoren übermittelt wurden.
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INH
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SVE
RZE
ICH
NIS Prof. Axel Lorig
Andrea Heidenreich
Paul Frowein
Heiko Bansen
Wolfgang Ewald
Manfred Eibl
Dr. Thorsten Spillmann
Manuela Bode
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Netzwerke - Innovationsmotoren lernender ländlicher Räume
Beispiel Baden-Württemberg: Datennetzwerke ohne weiße Flecken erhöhen die Perspektiven für den Ländlichen Raum
Beispiel Rheinland-Pfalz: Netzwerk Nahverkehr
Beispiel Brandenburg: Förderung der touristischen Entwicklung in der LEADER-Region Fläming-Havel durch Netzwerkarbeit
Zukunft durch Zusammenarbeit
Beispiel Bayern: Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Interkommunalen Kooperation - am Beispiel Ilzer Land e.V. in Bayern
Beispiel Nordrhein-Westfalen: Interkommunal und partnerschaftlich - Gestaltung des Wandels in der Region Wittgenstein Beispiel Sachsen-Anhalt: Interkommunale Kooperationder Gemeinde Huy und der Stadt Osterwieck im Bereich der touristischen Entwicklung der Vorharzregion
Netzwerke
Interkommunale Kooperationen
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Prof. Axel Lorig
Netzwerke - Innovationsmotoren lernender ländlicher Räume
Netzwerk ist im letzten Jahrzehnt vom Mode-
wort zu einem Alltagsbegriff geworden. Ging es
ursprünglich um „Netzwerke“ von Computern,
so bezeichnen wir heute damit ganz selbstver-
ständlich auch Beziehungen zwischen Instituti-
onen, Personen, Firmen, Systemen und sogar
Regionen. Der Begriff „Netzwerke“ ist immer
positiv besetzt und vermittelt Dynamik, Informa-
tion, Kommunikation, Zusammenarbeit, partner-
schaftliches Agieren, demokratische Entscheidungsfindung, Ver-
trauen, Synergien und gemeinsames Tun.
Man kann die Bedeutung von Netzwerken gesellschaftlich, wirtschaft-
lich und politisch analysieren. Bei der gesellschaftlichen Analyse geht es
um die soziale Integration in virtuelle Netzwerke, z. B. Internetforen.
Die wirtschaftliche Bedeutung von Netzwerken zielt mehr auf die An-
passung an die Globalisierung. Die politischen Netzwerke, wie z.B. Lea-
der oder ILE, sind vorgegeben. Grundsätzlich kann man davon ausge-
hen, dass regionale und lokale Netzwerke entscheidend geworden sind,
um Schwächen zu erkennen und Stärken auszubauen. Wichtig für den
Bestand und Sinn derartiger Netzwerke ist, dass es dabei einen Zielkon-
sens gibt, dass gemeinsame Strategie getragene Aktivitäten gesetzt und
die Ziele teilweise erreicht werden.
Oft werden Teile in einem Netzwerk an unter-
schiedlichen Stellen erzeugt und schließlich zu
einem Ganzen zusammengefügt. Diese Herstel-
ler-Zulieferer-Beziehung ist ein festes in Zeitab-
läufen definiertes Netzwerk. Genauso kann man
sich aber auch in regionalen Unternehmernetz-
werken die Abstimmung vorstellen.
Alle diese Netzwerke haben drei Charakter-
istika. Sie bestehen aus Akteuren, die gegenseitig voneinan-
der profitieren und sich formell/informell aneinander bin-
den. Diese Bindekräfte erzeugen Vertrauen. Sie sind geprägt
davon, dass miteinander verhandelt wird und für Ziele auch
Konsens erreicht wird. Das Ganze funktioniert über Steu-
erungszentren, die Partner aufnehmen, sich aber auch ge-
gen Andere abgrenzen. Je nach dem um welche Themenfel-
der es geht, ist die vertikale Integration verschiedener Steuer-
ungsebenen wichtig.
Die modernen Netzwerke, vor allem in ländlichen Räumen, zen-
Leiter des Referats für Ländliche Entwicklung, Bodenordnung und Flurbereinigungsverwaltung; Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Rheinland-Pfalz
Abbildung 1: Bedeutung von Netzwerken
Abbildung 2: Charakteristika von Netzwerken
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trieren auf die horizontale Koordination unterschiedlichster Po-
litikfelder. Man stelle sich vor, man vernachlässigt einen einzigen
Bereich, z.B. die Gesundheit oder das Schulsystem, dann können
die angestrebten Ziele nicht mehr erreicht werden. Daraus wird
auch schon der Nutzen dieser Netzwerke erkennbar. Als ökonomi-
schen Nutzen könnten hier viele Gesichtspunkte aufgelistet wer-
den, z.B. Such- und Informationskosten, die durch ein Netzwerk
eingespart werden. Dadurch, dass sich ein Netzwerk aus vielen
Teilen zusammensetzt, wird das Umfeld einbezogen und liefert
permanent gegenseitige Information. Insbesondere wird damit
Wissen verfügbar, das als stilles Wissen sonst nicht nutzbar ge-
macht werden könnte.
Die strukturellen Nutzen von Netzwerken sind evident: Netzwer-
ke sind eine Plattform für informelle Beziehungen zwischen den
Netzwerkpartnern. Sie helfen dabei, die Komplexität zukunftsge-
richteter Aufgaben zu identifizieren und zu bewältigen. Sie können
die Basis für gute fachliche oder fachübergreifende Kooperationen
sein und entscheidend zur Förderung von Innovationen beitragen.
Wir stellen uns vor, selbständige Akteure/Akteurinnen finden sich,
vereinbaren ein Ziel, eine Strategie, Spielregeln und werden aktiv.
Dabei erfolgt eine laufende Reflektion des Tuns und des Erreich-
ten, eine Anpassung der Teilnehmer und der Strategie an neue und
sich permanent ändernde Verhältnisse. Wir müssen immer fragen,
welche Chancen im Rahmen einer Vernetzung der Akteure des
ländlichen Raumes entstehen und welche Probleme durch eine
systematische Vernetzung behoben werden können.
Netzwerke bedürfen eines hohen Grades an Vereinbarung von
selbständigen Akteuren. Sie sind für die Teilnehmer sehr betreu-
ungsintensiv, was deren persönlichen Einsatz betrifft, sie verursa-
chen Kosten und müssen letztlich zu dem Nutzen führen, den wir
soeben aufgezeigt haben. Von Vorteil für diese Netze sind keine
oder wenig Konkurrenzsituation auf lokalen Märkten, Erfahrung
mit früheren Netzwerken, ein Moderator und eine gewissen Min-
destgröße.
Ich möchte kurz drei Methoden der Vernetzung ansprechen,
mit denen Netzwerke gestartet werden können.
• Die erste Methode ist der sogenannte runde Tisch.
Bei diesen runden Tischen kommen alle relevanten Interessengrup-
pen zusammen und arbeiten auf gleicher Augenhöhe gleichberechtigt.
Ganz wichtig ist, dass es bei einem runden Tisch keinen Wortführer
und keinen Vorsitzenden gibt und alle gleiches Stimmrecht haben. Da-
mit dieses gelingen kann, ist es erforderlich, einen runden Tisch durch
einen Moderator zu begleiten und zu leiten. Das Gute ist, dass es im
Bereich der Strategien eine völlige Offenheit gibt. Das Nachteilige ist,
dass auch ein runder Tisch im Prinzip Top-down also von oben her-
unter angelegt ist. Irgendwie wird der Moderator eröffnen, Szenarien
aufzeigen und im Grunde genommen sich auf Themen festlegen.
Leiter des Referats für Ländliche Entwicklung, Bodenordnung und Flurbereinigungsverwaltung; Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Rheinland-Pfalz
Abbildung 3: Nutzen von Netzwerken
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Prof. Axel Lorig
Netzwerke - Innovationsmotoren lernender ländlicher Räume
• Die zweite Methode der Vernetzung ist der Workshop.
Er ist regelmäßig in mehrere Phasen gegliedert. In der Informati-
onsphase werden normalerweise Inputs gegeben. Danach beginnt
die Ideensuche, die elektronisch oder manuell unterstützt wird.
Häufig wirkt an dieser Stelle auch ein Moderator. Die Ideen wer-
den dann in der Regel gruppiert und weiter in Vertiefungsphasen
ausgearbeitet. Zumeist entsteht dann als Ergebnis des Workshops
ein Maßnahmenkatalog, der auch zeitlich fixiert wird. Das beson-
ders Gute an einem Workshop ist die Ergebnisorientierung. Hier
wird die Zeit genutzt, die bei den Workshop-Akteuren in der Regel
auch kostbar ist.
• Die dritte Methode der Vernetzung bezeichnet man
als Open Space.
Es handelt sich um einen Prozess ohne viel Kontrolle und offener
Themenwahl. Jeder kann im Grunde genommen ein Schild aufstel-
len und versuchen, dass über die von ihm aufgezeigten Themen
diskutiert wird. Wer dann zu einem entsprechenden Thema geht,
kann dann auch völlig offen über das Thema diskutieren. Jedem
wird freigestellt, wann er in welche Gruppe geht und ob er da auch
weiterarbeitet oder zu einer anderen Gruppe wechselt. Es ist wich-
tig, dass es einen Zeitpunkt gibt, der dann in eine Arbeits- oder
Workshop-Phase überführt. Oft gelingt es auch, die Themenfelder
zusammenzuführen und in eine Konvergenzphase so überzuleiten,
dass sie durch weitere Bearbeitungsrunden vertieft werden können.
Es handelt sich, wie man daran erkennen kann, um einen sehr of-
fenen Prozess, der allerdings völlig sinn- und nutzlos enden kann.
Wer Open Space-Prozesse mitgemacht hat, weiß, dass es missi-
onarisch angelegten Leuten immer wieder gelingen kann, Themen
zu diskutieren, die niemand braucht. Im Gegenzug ist es allerdings
möglich, dass so Themen aufgedeckt werden, die durch behördli-
ches Engagement niemals diskutiert worden wären.
Erfolgreiche regionale Netzwerke sind keine statischen Gebil-
de. Sie machen Entwicklungsphasen durch, lernen als Team und
helfen den Netzwerkmitgliedern aber auch der Region, in der sie
eingebettet sind, die Welt und die Beziehung zu ihr mit anderen
Augen wahrzunehmen. Wie immer, in Projektarbeit geht es um die
Initiierung eines Prozesses, seine Stabilisierung und Verstetigung.
Entscheidend sind immer die Zusammenführung von Akteuren,
die Aufgabendefinition und die Teambildung. Wenn dies erst ein-
mal gelungen ist, dann geht es nur noch darum, erste wirksame
Prozesse zu initiieren und Erfolge aufzuzeigen, damit aus dem
Netzwerk ein dauerhafter Prozess entstehen kann.
In Rheinland-Pfalz wurden in den Jahren 2008 bis 2011 sechs
Netzwerke erprobt. Es geht um die Netzwerke Breitbandversor-
gung, Tourismus, Nahwärme und Energiemix, Nahverkehr, Rück-
kehrbereitschaft von Schülern und Dorfinnenentwicklung.
Drei dieser Netzwerke werde ich Ihnen kurz vorstellen. Das vierte
Abbildung 4: Phasenaufbau Netzwerke
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Netzwerk „Nahverkehr“ wird Zentrum des Vortrags von Herrn
Frowein sein. Das Netzwerk „Rückkehrbereitschaft von Schülern“
sehen wir als gescheitert an und das Netzwerk „Nahwärme und
Energiemix“ war dermaßen intensiv und komplex, dass es in ei-
nem Einführungsvortrag hier nicht dargestellt werden kann.
Das Netzwerk „Breitbandversorgung“ bot sich zu einer Zeit an,
als erstmals im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruk-
tur und Küstenschutz“ Breitbandversorgung ermöglicht wurde.
Es war völlig unklar, über was man überhaupt reden musste. So
sollte dieses Netzwerk einen Überblick und Austausch über tech-
nische Lösungen vermitteln, die Kommunikation zwischen den
Anbietern von Breitbandtechnologie und den Kunden (das wa-
ren hier vor allem Gemeinden) ermöglichen sowie auch mit den
Förderstellen einen Austausch über die Förderung selbst und die
Antragstellung herbeiführen. Das Netzwerk wurde im Bereich
der Westpfalz in Rheinland-Pfalz gegründet und umfasste acht
Ortsgemeinden, die Deutsche Telekom, zwei Beratungsfirmen für
Themen der IT-Vernetzung und die zuständigen Dienstleistungs-
zentren, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion und das Mi-
nisterium. Darüber hinaus waren Fachleute mit Input-Vorträgen
in das Netzwerk eingebunden. Die Themenfelder wurden dann in
Workshop-Technik festgelegt. In der Verstetigung entstand eine
Kommunikation zwischen den Anbietern und der Beratungsfirma
für IT-Vernetzung, die für die acht Gemeinden ein Konzept er-
stellte. Das Netzwerk „Breitbandversorgung“ hat in dieser Phase
entscheidend zu schnellem Verlauf der Förderung und Antragstel-
lung in vielen Räumen in Rheinland-Pfalz beigetragen.
Für das Gebiet der Rheinpfalz war entschieden worden, ein Netz-
werk „Tourismus“ aufzubauen. Ziel war es, einen möglichst homo-
genen Qualitätsstandard der touristischen Leistungen zu erreichen,
gemeinsame, spektakuläre Leitthemen, z.B. auch im Verbund mit
Weinbau, anzugehen und dadurch für das Urlaubsgebiet der Pfalz
neue rote Fäden zu spinnen. Ein entscheidender Punkt waren z.B.
Wanderwege, die dann auch Schritt für Schritt umgesetzt wurden.
Hier ging es z.B. um durchgängige Sicherheit und einheitliche
Beschilderungen. Partner dieses Netzwerkes „Tourismus“ waren
die Gemeinden und der zuständige Landrat, die in diesem Raum
den Spitzenverbänden, organisierten Beherbergungsbetrieben und
Gastronomiebetrieben sowie Kultureinrichtungen. Wichtiger Mo-
tor der gesamten Netzwerkorganisation waren die touristischen
Partner. Das zuständige Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum
in Neustadt und das Ministerium waren antreibende Kräfte. Da
die touristischen Organisationen naturgemäß über eigene Visionen
und Ziele für ihren Raum verfügten, war es äußerst schwierig, das
Netzwerk in Gang zu bringen. Schließlich wurde der Touristischen
Organisation die Netzwerkleitung auch übertragen. Es dauerte
dann eine gewisse Zeit, bis aus dieser Partnerschaft der Entwurf
und die Ausgestaltung von drei Premiumwegen entstand. Das
Netzwerk ist danach allerdings wieder eingeschlafen.
Ein besonderes schwieriges Ziel war dem Dienstleistungszent-
rum Westerwald-Osteifel übertragen worden, mit der Gründung
eines Netzwerkes Dorfinnenentwicklung und soziale Kompo-
nenten. Hier wurden erstmals Partner zusammengebracht, die in
dieser Form noch nie an einem Tisch gesessen hatten. Sie sollten
versuchen, die sozialen Probleme der Dorfinnenentwicklung auf-
zuarbeiten und zu identifizieren, gleichzeitig die bauliche Innen-
entwicklung und barrierefreies Wohnen zu diskutieren und die
Leistungen der Dorfinnenentwicklung einer stabilen Finanzierung
zuzuführen. Damit dieses überhaupt gelingen konnte, war ein tief-
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Prof. Axel Lorig
Netzwerke - Innovationsmotoren lernender ländlicher Räume
greifender Wandel in den Denkprozessen zu erreichen. Als Partner
dieses Netzwerkes wurden über einen großen Raum die Gemein-
den identifiziert. Sie wurden ergänzt durch Vertreter für Freizeit,
Kultur und Sport. Besonders wichtig waren die Vertreter der Schu-
len und der Krankenhäuser sowie Vertreter sozialer Leistungen.
Wichtige und völlig neue Partner waren Vertreter der örtlichen
regionalen Banken (Kreissparkassen, Volksbanken, Raiffeisen-
kassen). Wichtiger Motor dieses Netzwerkes war der zuständige
Landrat, der im Verbund mit Banken dann eigenständige Förder-
programme initiierte. Entscheidend waren bei diesem Netzwerk
nicht die dauerhafte Ausgestaltung, sondern die neuen Ideen, die
Netzwerkpartner zusammenbrachte, die vorher noch nie miteinan-
der geredet hatten.
Zusammenfassung
Netzwerke dienen in jeder Form der Information, der Bünde-
lung von Informationen, dem Wissenstransfer, dem Lernen von
anderen und dem Informationsaustausch. Netzwerke funktionie-
ren besonders gut, wenn Menschen zusammengebracht werden,
die normalerweise nicht miteinander sprechen würden. Dies führt
dazu, dass traditionelle Geisteshaltungen und Vorgehensweisen
durchbrochen werden können. So kann kreativ an Zukunftsauf-
gaben herangegangen werden. Es geht aber auch darum, Andere
kennenzulernen, die völlig anders denken und für ihre Situation
Verständnis zu bekommen. Dies kann zu völlig neuen Lösungsmo-
dellen führen. Themenübergreifende Informationen werden dann
besonders wichtig, wenn sie transparent gestaltet werden. Parallele
Strukturen können zusammengeführt und in Win-win-Situationen
gebündelt werden. Aus anderen Regionen, teils durch den Modera-
tor oder durch anderes Wissen können Informationen eingebracht
und übertragen werden. Abschließend ist festzuhalten, dass Netz-
werke immer dazu dienen, isoliertes Arbeiten des Einzelnen, der
einzelnen Gemeinde oder der einzelnen Region zu vermeiden.
Die Kunst besteht darin zu wissen, wie man ein Netzwerk aufbaut:
Selbständige Akteure finden sich, vereinbaren Ziele, Strategien,
Spielregeln und werden aktiv. Für die Bildung von Netzwerken ste-
hen drei Methoden zur Verfügung: Runder Tisch, Workshop und
die Vernetzungsmethode Open Space.
Netzwerke haben ökonomischen und strukturellen Nutzen. Sie
sind vor allem eine Plattform für informelle Beziehungen zwischen
den Netzwerkpartnern und helfen die Komplexität zukunftsge-
richteter Aufgaben zu identifizieren und zu bewältigen.
Rheinland-Pfalz hat im Bereich der Landentwicklung und ländli-
chen Bodenordnung in den Jahren 2008 bis 2011 sechs Netzwer-
ke erprobt zu Breitbandversorgung, Tourismus, Nahwärme und
Energiemix, Nahverkehr, Rückkehrbereitschaft von Schülern und
Dorfinnenentwicklung.
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Andrea Heidenreich
Beispiel Baden-Württemberg: Datennetzwerke ohne weiße Flecken erhöhen die Perspektiven für den Ländlichen Raum
Die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit einer
Gemeinde hängt entscheidend von der Leistungs-
fähigkeit der Kommunikationsinfrastruktur ab.
Ein schneller Internetzugang ist gerade im Länd-
lichen Raum ein wesentlicher Standortfaktor für
die Wirtschaft aber auch für die Bevölkerung.
Der Ländliche Raum Baden-Württembergs steht
im bundesweiten Vergleich sehr gut da. Das liegt
nicht zuletzt auch an den zahlreichen klein- und
mittelständischen Betrieben, unter denen sich eine hohe Anzahl an
Weltmarktführern befinden. Um diese Struktur zu erhalten, ist eine
gute Breitbandversorgung unumgänglich.
Bereits jetzt hat Baden-Württemberg bei der Grundversorgung -
diese schließt einen Breitbandausbau ein, der ein Herunterladen
von Daten aus dem Internet mit mindestens 1MBit/s ermöglicht
- eine Abdeckung von über 99 Prozent erreicht und verfügt da-
mit nur noch über sehr wenige weiße Flecken. Diese Lücken gilt
es noch zu schließen. Daher werden nach Vorliegen der aktuellen
Versorgungsraten für die restlichen verbleibenden weißen Flecken
passgenaue Förderprojekte erstellt werden.
Das Ziel der nationalen Breitbandstrategie für 2014, nachdem 75
Prozent der Haushalte im Land mit Internet-Zugängen von min-
destens 50 MBit/s versorgt sein sollen, ist aber noch nicht erreicht:
In Baden-Württemberg besteht diese Möglichkeit derzeit für 76
Prozent aller Haushalte. Mit diesen Werten nimmt Baden-Würt-
temberg im bundesweiten Vergleich der Flächenländer dennoch
eine Spitzenposition ein.
Da der Datenhunger sowohl im privaten Bereich als auch für
Wirtschaftsbetriebe immer weiter steigt, muss der Ausbau der
Breitbandstruktur dringend vorangetrieben werden. Mit der
„Breitbandinitiative II Ländlicher Raum Baden-
Württemberg“ hat die grün-rote Landesregierung
den Grundstein für den weiteren Ausbau der lan-
desweiten Breitbandversorgung gelegt. Nach der-
zeitigem Kenntnisstand dürften die Kosten für
einen flächendeckenden Breitbandausbau jedoch
im Milliardenbereich liegen. Damit wird klar, dass
ein Großteil der Erschließung durch die Telekom-
munikationsunternehmen im freien Wettbewerb
erfolgen muss. Nur dort, wo dies nicht möglich ist, unterstützt
das Land im Ländlichen Raum sowie in den Randzonen um die
Verdichtungsräume kommunale Vorhaben zur Schaffung einer be-
darfsgerechten, erschwinglichen und flächendeckenden Breitband-
versorgung. Mit einer vorausschauenden Breitbandinfrastruktur
wird ein nachhaltiger Einsatz von Steuermitteln gewährt.
Seit Anfang des Jahres konzentriert sich Baden-Württemberg auf den
Ausbau von Hoch- und Höchstgeschwindigkeitsnetzen. Den Kreisen
und Gemeinden wird dafür ein Baukastensystem zur Verfügung gestellt.
Dieses enthält neben der Förderung von qualifizierten Netzplanungen
auf Kreis- und Gemeindeebene auch die finanzielle Unterstützung
bei der Verlegung von Kabelschutzrohren. Ziel ist es, die Kommunen
dabei zu unterstützen, stufenweise Kabelschutzrohre und Glasfaser-
kabel zu verlegen, um in einigen Jahren - wenn die Technologie weit
genug fortgeschritten ist - nahtlos auf die Zukunftstechnik Glasfaser
umzusteigen. Dabei werden laufmeterbezogene Pauschalsätze für die
Verlegung von Kabelschutzrohren mit oder ohne Glasfasereinzug und
für die Mitverlegung bei anderen Baumaßnahmen gewährt. Weiterhin
spielen bei der Breitbandinitiative II des Landes interkommunale Zu-
sammenarbeit, Modellprojekte und alternative Verlegetechniken eine
wesentliche Rolle.
Leiterin des Referats Grundsatzfragen Ländlicher RaumMinisterium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
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Paul Frowein
Beispiel Rheinland-Pfalz: Netzwerk Nahverkehr
Mobilität im ländlichen Raum vor dem Hinter-
grund des demographischen Wandels ist sicher-
lich in allen Bundesländern ein aktuelles Thema.
In Rheinland-Pfalz haben verschiedene Veranstal-
tungen des Forums ländlicher Raum Handlungs-
bedarf signalisiert. Da der öffentliche Personen-
nahverkehr (ÖPNV) trotz Rheinland-Pfalz-Takt
den individuellen Anforderungen nicht immer
gerecht werden konnte und örtliche Bereitschaft
zum ehrenamtlichen Engagement erkennbar war, sollte durch ein
Netzwerk „Nahverkehr Rheinland-Pfalz“ Hilfe zur Selbsthilfe an-
geboten werden.
Bis zum Regierungswechsel 2011 waren Wirtschaft, Verkehr und
Ländliche Entwicklung in einem Strukturministerium vereint, zu
dessen unterer Verwaltungsebene die sechs Dienstleistungszentren
Ländlicher Raum (DLR) Rheinland-Pfalz zählten. Diese Sonderbe-
hörden sind aufgrund ihrer Zuständigkeiten im ländlichen Raum
präsent und mit den infrastrukturellen Problemen der ländlichen
Gemeinden vertraut. Dem DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
(DLR R-N-H ) wurde 2008 offiziell der Auftrag zum Aufbau eines
Netzwerkes zur Mobilität im ländlichen Raum erteilt.
Der Dienstbezirk des DLR R-N-H umfasst von Teilen der Metro-
polregion Rhein-Main bis zu den strukturschwachen, dünnbesie-
delten Höhengebieten des Hunsrücks Gebiete mit Bevölkerungs-
wachstum und stark rückläufigen Einwohnerzahlen. Gleichfalls
haben sich, bedingt durch ein gut ausgebautes Straßennetz, viele
ländliche Gemeinden zu reinen Wohngemeinden mit Berufs-
pendlern entwickelt. Der demographische Wandel führt wie in
allen ländlichen Regionen zur Überalterung und damit zur einge-
schränkten individuellen Mobilität, die allerdings zum Erreichen
der Grundversorgungseinrichtungen und -angebote Vorausset-
zung ist. Andererseits stellt der Tourismus in
Rheinland-Pfalz einen kontinuierlich wachsenden
Wirtschaftszweig dar, der auf die Funktionsfä-
higkeit des ländlichen Raumes angewiesen ist, so
dass der Abwanderung in Richtung der Ballungs-
zentren entgegengewirkt werden muss.
Ziel eines Netzwerkes ist der Informations-
transfer, eine Plattform für Kommunikation und
Kooperation und letztendlich die Förderung von Innovation. Da
die Haushaltszwänge eine Mehrung von Personal nicht zuließen
und aufgrund verschiedener Verwaltungsreformen der Personal-
bestand den zugewiesen Aufgaben nur noch mit größten Anstren-
gungen gerecht werden konnte, sollte das Netzwerk zum Selbst-
läufer entwickelt und die dauerhafte Personalbindung im DLR
R-N-H minimiert werden. Der Vollständigkeit halber sei noch
erwähnt, dass der damalige Wirtschaftsminister Hendrik Hering
jedem der sechs DLR Rheinland-Pfalz den Auftrag zum Aufbau
eines Netzwerkes für den ländlichen Raum erteilte.
Zunächst war eine Umsetzungsstrategie zu entwickeln. Jahre-
lange Erfahrungen aus der Integrierten Ländlichen Entwicklung
(ILE), der Betreuung von LEADER-Initiativen und der Mitarbeit
in Prozessen des Regionalmarketings bildeten zwar eine gute Ba-
sis für die Steuerung und Moderation von Entwicklungsprozess-
en, tiefer gehende Kenntnisse zum Thema Personennahverkehr
waren allerdings nicht vorhanden. Eine erfolgreiche Arbeit setzte
zunächst eine interne Fortbildung zum Aufbau von Netzwerken
voraus, die bereits im November 2007 begonnen hatte. Neben
der fachlichen Schulung durch externe Fachleute und dem Erfah-
rungsaustausch mit erfolgreich agierenden Netzwerken in Rhein-
Leiter des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
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land-Pfalz und in anderen Bundesländern wurde über Internet-
recherche, Telefonkontakte und Exkursionen zu Best-Practice-
Beispielen eine Wissensbasis geschaffen, die eine glaubwürdige
Moderation ermöglichen sollte. Für das Fachwissen im öffentli-
chen Personennahverkehr waren die zuständigen Fachleute einzu-
binden.
Die Aus- und Fortbildung versetzte uns in die Lage, den Kreis
möglicher Akteure des Personennahverkehrs und der Interess-
enten an einem Netzwerk zur Mobilität zu umreißen. Wir nah-
men mit den verschiedensten Institutionen vom Sportverein mit
Spielertransport über die sozialen Einrichtungen mit Personen-
transportbereichen, private Unternehmer (Reisebus und Taxi) bis
hin zu den Betreibern des Linienverkehrs Kontakt auf. Mit jedem
Kontakt eröffneten sich wieder neue Interessensgruppen.
Auf der Grundlage dieser Datenbank erfolgte die Einladung zur
Auftaktveranstaltung, zu der neben der schriftlichen Einladung
auch eine direkte persönliche Ansprache der jeweils zuständigen
Personen das Kommen sicherte.
Impulsvorträge, Erfahrungsaustausch, gegenseitiges Kennenler-
nen und Anregungen zur Zielfindung des Netzwerkes schafften
eine geeignete Basis für Folgetreffen, zu dem dann auch der nun-
mehr erweiterte Interessentenkreis in den Einladungsverteiler auf-
genommen wurde. Nachdem das Interesse zur Netzwerkbildung
definitiv festgestellt war, wurde in der nächsten Veranstaltung, die
wiederum mit Impulsreferaten zu gelungenen Beispielen aus Bran-
denburg (mobikult) und verschiedenen Regionen unseres Bundes-
landes begann, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Zeit
für Diskussion und Fragen gegeben. Die Aufbruchstimmung des
ersten Treffens wurde hoch gehalten. Viele interessante Aspekte
zur Mobilität im ländlichen Raum wurden herausgearbeitet und für
die Netzwerkarbeit bewertet.
Sehr schnell stellte sich heraus, dass Bürgerbusse im Fokus des
Interesses standen, zumal die Erwartungen an einen Ausbau des
ÖPNV durch harte Fakten in Bezug auf Wirtschaftlichkeit schnell
gedämpft werden mussten.
Aber auch bei den ehrenamtlichen Lösungen zu Bürgerbuskon-
zepten war ein immenser Informationsbedarf erkennbar. Die
wichtigsten Themen der Netzwerktreffen waren:
• Begrenztes Angebot des ÖPNV im ländlichen Raum,
insbesondere bei der Erreichbarkeit der zentralen Infra-
struktur- und der Nahversorgungseinrichtungen für äl-
tere Menschen. Daraus folgend Möglichkeiten in Verbin-
dung mit dem öffentlichen Verkehrsangebot.
• Auch bei bereits umgesetzten kommunalen, privater/eh-
renamtlicher Projekte zeigten sich offene Fragen wie Zu-
ständigkeiten für Genehmigungen, Abstimmung der
Fahrtrouten mit den Linien des ÖPNV, gemeinsame
Nutzung von Haltestellen.
• Einen wichtigen Bereich bildeten auch Fragen im Zusam-
menhang mit den ehrenamtlichen Fahrern zur Fahrer-
laubnis, zum Gesundheitsnachweis, zur Haftung und zur
Erste-Hilfe-Ausbildung.
• Preisgestaltung und Serviceangebot auch im Verhältnis
zum ÖPNV boten Diskussionsgrundlagen.
• Erfahrungsaustausche zum Management und zur Ein-
satzplanung für Mobilitätsangebote sind in der Netzwerk-
strategie nicht zu vernachlässigen.
Leiter des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
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Paul Frowein
Beispiel Rheinland-Pfalz: Netzwerk Nahverkehr
Die eigentliche Netzwerkarbeit der Geschäftsstelle am
DLR R-N-H bestand nun darin,
• die Datenbank (Name, Post- und Emailadresse, Telefon-
nummer und Aufgabenbereich) aufzubauen und zu aktu-
alisieren.
• das Informationsmaterial zu erstellen, auch für das Inter-
net.
• alle Veranstaltungen mit Dokumentation und Informati-
onsmaterial im Internet einzustellen / zu veröffentlichen.
• die Fortbildung über die „Akademie Ländlicher Raum“
und das „Forum Ländlicher Raum“ vorzubereiten.
• die ILEK-Steuerungsgruppen, LEADER-LAGen sowie
die Steuerungsgruppen im Regionalmarketing einzubin-
den.
An dem Bedarf orientierten sich die Angebote der Akademie
Ländlicher Raum, deren Geschäftsstelle beim DLR R-N-H ange-
siedelt wurde. Diese Bildungseinrichtung des Landes Rheinland-
Pfalz bietet in Zusammenarbeit mit allen Dienstleistungszentren
Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz über das Land verteilt Veranstal-
tungen zu Themen der ländlichen Entwicklung an. Bezüglich des
Netzwerkes Mobilität und Nahverkehr werden angeboten
• Flexible Nahverkehrskonzepte für ländliche Räume
(Külz)
• Bürgerbuskonzepte für den ländlichen Raum (Wittlich)
• Mobilität – Vorstellung von Handlungsempfehlungen
und Beispielen (Mayen)
Erfahrungen aus der bisherigen Netzwerkarbeit lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
• Wirksame Unterstützung des ländlichen Raumes mit be-
grenztem Aufwand ist möglich.
• Fachkenntnisse zu Sachthemen des Netzwerks sind für
die Einrichtung und Begleitung nur im begrenzten Um-
fang erforderlich. Stattdessen direkte Einbindung der
Fachleute in das Netzwerk (kurze Wege vom Suchen-
den zum Helfenden bereiten).
• Kontinuierliche Informationsangebote eröffnen den Zu-
gang neuer Interessenten zum Netzwerk.
Aufgrund der angespannten Personal- und Haushaltssituation
muss das Ziel unserer Arbeit sein:
„Das Netzwerk‚ Mobilität und Nahverkehr, soll Hilfe zur
Selbsthilfe sein“.
Deshalb werden auch künftig Veranstaltungen des Forums Länd-
licher Raum und der Akademie Ländlicher Raum vorrangig als
Informationsplattformen und Fortbildungsangebote genutzt, um
den Bekanntheitsgrad dieser etablierten Angebote zu nutzen und
gleichzeitig den Aufwand für zusätzliche Veranstaltungen zu mi-
nimieren.
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Heiko Bansen
Beispiel Brandenburg: Förderung der touristischen Entwicklung in der LEADER-Region Fläming-Havel durch Netzwerkarbeit
Die LEADER-Region Fläming-Havel befindet
sich im Land Brandenburg in direkter Nachbar-
schaft der Landeshauptstadt Potsdam südwestlich
von Berlin. Die eiszeitlich geformte Landschaft
weist einen hohen Anteil von Schutzgebieten auf.
Die attraktive Kulturlandschaft wird seit der poli-
tischen Wende zunehmend von Tagesausflüglern
und Kurzurlaubern entdeckt. Historisch betrach-
tet gibt es jedoch keine touristische Tradition an
die angeknüpft werden kann.
Seit 2002 wird in der Region Fläming-Havel die Regionalent-
wicklung mittels der LEADER-Methode vorangetrieben. Ent-
sprechend des dabei formulierten „Bottom-up Ansatzes“ gilt es,
Ideen „von unten“ aufzugreifen. Zur Umsetzung der regionalen
Entwicklungsstrategie werden deshalb sowohl öffentliche als auch
private Akteure in der Region angesprochen. Die Vermittlung von
Kontakten über fachliche und räumliche Grenzen hinweg ist dabei
eine wichtige Aufgabe des Regionalmanagements. In diesem Sinne
ist „Vernetzungsarbeit“ eine Basis für erfolgreiche Regionalent-
wicklung.
Der Naturpark Hoher Fläming hat sich im Rahmen der Entwick-
lungsstrategie das Ziel gesetzt, sich zur Top-Wanderregion in
Brandenburg zu entwickeln. Neben der Schaffung einer größten-
teils öffentlich getragenen Infrastruktur geht es dabei auch um die
Schaffung von privatwirtschaftlichen Angeboten, vor allem im Be-
reich der Beherbergung.
Parallel zu diesen baulichen Investitionen hat es sich als sinnvoll he-
rausgestellt, auch an der Zusammenarbeit in der Region zu arbeiten.
Dieser Aufgabe stellt sich das Netzwerk Touris-
mus im Hohen Fläming.
Das Netzwerk wurde durch die Lokale Aktions-
gruppe Fläming-Havel im Rahmen eines Projekt-
es initiiert. Als Kern wurde in dem mit Mitteln
des Europäischen Sozialfonds über das Regio-
nalbudget des Landkreises Potsdam-Mittelmark
geförderten Projekt eine kleine Arbeitsgruppe
aus aktuell arbeitslosen Personen gebildet. Die-
se schufen einen offenen Rahmen, in dem viele
weitere touristische Akteure, wie Vermieter und Gastwirte, Touris-
mus- und Heimatvereine, Wanderleiter, Dienstleister und regionale
Produzenten aktiv werden konnten.
Ziel ist die Optimierung der Zusammenarbeit und des Informa-
tionsflusses zwischen den touristischen Akteuren im Hohen Flä-
ming, um die Qualität des touristischen Angebots zu erhöhen und
damit Arbeit und Einkommen zu erhalten und Voraussetzungen
für weitere Entwicklung zu schaffen. Die Sensibilisierung für die
gemeinsame Arbeit am Thema Qualität wird dabei als besonders
wichtig eingeschätzt.
Aufbauend auf Recherchen und Vorarbeiten der Arbeitsgruppe
Netzwerk Tourismus im Hohen Fläming finden regelmäßige Treffen
mit den touristischen Akteuren statt. Hier können dann wichtige In-
formationen für die Wirtschaftspartner weitergegeben werden und
gemeinsam an Ideen für die Verbesserung der touristischen Arbeit
in der Region gearbeitet werden. So wurden Übersichten zu Struk-
turen und Ansprechpartnern, zu touristischen Anbietern und An-
geboten oder zum aktuellen Informationsmaterial erstellt, die eine
wertvolle Handreichung insbesondere für Kleinvermieter darstellen.
RegionalmanagerLokale Aktionsgruppe Fläming-Havel e.V.
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Heiko Bansen
Beispiel Brandenburg: Förderung der touristischen Entwicklung in der LEADER-Region Fläming-Havel durch Netzwerkarbeit
Zur Weiterbildung aller Beteiligten konnten Themen wie Marke-
ting für Vermieter, das Wanderwegenetz im Hohen Fläming oder
auch regionale Produkte im Tourismus in abendlichen Veranstal-
tungen vertieft werden. Dies geschah erstmalig direkt vor Ort in
der Region und hatte eine sehr positive Resonanz.
In Workshops des Netzwerkes wurden trotz oder gerade wegen
des offenen Charakters mit meist wechselnden Akteuren bisher
unter anderem ein Muster für eine Gästeinformationsmappe, die
von vier Wirtschaftsakteuren getragene Aktion „Kulinarischer
Sonntag“ und das Projekt „Burgenbus“ zur Verbesserung des öff-
entlichen Verkehrs erfolgreich erarbeitet.
Neben diesen sichtbaren Erfolgen kann bereits nach einem Jahr
eine deutlich verbesserte Vertrauensbasis zwischen vielen Beteilig-
ten festgestellt werden. Dies und die Kommunikation im Rahmen
des Netzwerkes werden sich in der Zukunft sicher noch auszahlen.
Profitiert haben auch die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die unter
anderem durch ihren Kenntnisgewinn und die vielfältigen Kon-
takte ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbesserten, wie erste
Arbeitsverträge belegen.
16
Wolfgang Ewald
Zukunft durch Zusammenarbeit
Ausgangslage
Die demografische Entwicklung, der wirtschaft-
liche und agrarstrukturelle Strukturwandel, die
gesellschaftlichen Veränderungen, der technolo-
gische Fortschritt, leere öffentliche Kassen sowie
der Klimawandel und die Energiewende stellen
die ländlichen Gemeinden und Regionen in den
kommenden Jahrzehnten vor große Herausfor-
derungen. Im Gegensatz dazu sind die großen
Ballungsräume davon nicht in diesem Ausmaß betroffen. Aufgabe
der Politik ist es, hier steuernd und ausgleichend einzugreifen.
Partnerschaftlicher Umgang und Subsidiarität als Staatsver-
ständnis
Letztlich geht es bei einer zukunftsfähigen Politik zur Stärkung des
ländlichen Raums um ein neues Staatsverständnis einer Deregu-
lierung der Strukturpolitik bei gleichzeitiger Orientierung an den
Handlungskompetenzen der Gemeinden, die vom Gedanken der
Subsidiarität und des partnerschaftlichen Umgangs geprägt ist. Wie
die Rolle des Staates dabei aus der Sicht von engagierten Kom-
munalpolitikern und Bürgern sowie Experten im ländlichen Raum
aussehen könnte, stand im Mittelpunkt von zehn Regionalkonfer-
enzen in Bayern. Zentrale Botschaft der Teilnehmer war es, die
Problembearbeitung nicht einfach an „den Staat“ zu delegieren,
sondern neue und partnerschaftliche Lösungen anzustreben. Zur
Lösung der tiefgreifenden Herausforderungen sei vor allem ein
verbessertes Zusammenspiel zwischen Kommunen, Fachbehör-
den und Ministerien erforderlich. Dazu seien Instrumente weiter
zu entwickeln und in manchen Bereichen zudem auch die staatliche
Rahmensetzung hinsichtlich Regulierungen und Finanzierungs-
konzeption zu verändern. Grundlegendes Prinzip sollte nach wie
vor das Subsidiaritätsprinzip sein: Die Themen
sollen so dezentral wie möglich in eigener Ho-
heit bearbeitet werden. Dabei spielt ein funktio-
nierendes Zusammenspiel zwischen Wirtschaft,
Zivilgesellschaft und Gebietskörperschaften vor
Ort eine wachsend wichtige Rolle. Erst wenn auf
niedrigerer Ebene dies aus eigener Kraft nicht
mehr geleistet werden kann, soll die nächsthöhere
Ebene zunächst unterstützend tätig werden bzw.
mit der Aufgabenerfüllung betraut werden. Zu beachten ist auch,
dass für die unteren Ebenen ausreichend finanzielle Mittel bereit
stehen müssen, so dass der Handlungsauftrag auch umgesetzt wer-
den kann. In einer konstruktiven Kooperation über die staatlichen
Ebenen und Verwaltungszuständigkeiten hinweg müssen Lösung-
en gefunden werden, wobei die Befähigung der Akteure vor Ort
im Vordergrund stehen muss.
Zukunftsfähige Daseinsvorsorge bedarf neuer Antworten
Angesichts der demografischen Entwicklung und begrenzter Fi-
nanzen wird künftig nicht mehr jede Kommune in der Lage sein,
alle modernen Dienstleistungen des 21. Jahrhunderts für ihre Bür-
ger in der eigenen Gemeinde anzubieten. Stattdessen sollen die für
die Bürger notwendigen Angebote vermehrt durch Vernetzung und
Zusammenarbeit von Kommunen in einem Raum bereitgehalten
werden. So sprechen sich benachbarte ländliche Gemeinden unter-
einander ab und planen gemeinsam für ihre Bürger: Beispielsweise
werden ärztliche Versorgung, Alten- und Mehrgenerationenein-
richtungen, Bauhof und Beschaffungen bis hin zu Bauleitplanung
im Sinne von Innenentwicklung und Flächensparen zwischen den
Gemeinden abgestimmt und gemeinsam geplant. Die neue Form
kommunaler Allianzen ist auch auf sogenannte „Stadt-Land-Part-
Leiter des Referats Integrierte Ländliche Entwicklung, FlurneuordnungBayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
17
Wolfgang Ewald
Zukunft durch Zusammenarbeit
nerschaften“ anwendbar. Hierbei schließen sich mittlere oder
größere Städte mit ihren Umlandgemeinden zu einer kommunalen
Allianz mit gemeinsamer Planung und Umsetzung von Projekten
zusammen. Für diese neuen Formen der Kooperationen wäre auch
das Zentrale-Orte-System fortzuentwickeln und anzupassen.
Kommunale Zusammenarbeit erfordert ressortübergreifen-
des Denken und Handeln
Die Gemeinden richten sich an ihren spezifischen kommunalen
Erfordernissen aus und sind deshalb an keine Ressortgrenzen ge-
bunden. Sie arbeiten, planen und realisieren gemeinsam im Sinne
der umfassenden kommunalen Zuständigkeit die Vorhaben und
Projekte, die sie in ihrem Raum für vordringlich halten. Dies erfor-
dert ein neues Denken über die eigene Gemeinde hinaus. Es geht
dabei um die gemeinsame Bewältigung von Aufgaben und die Nut-
zung von Synergieeffekten bei gleichzeitiger Wahrung der Eigen-
ständigkeit und der Identität der einzelnen Gemeinden. Die Her-
ausforderungen werden je nach Problemstellung projektbezogen
und flexibel durch Zusammenarbeit kleiner selbstverantwortlicher
Einheiten angegangen. Die gegenüber Großgemeinden belegte
höhere Bürgernähe und das stärkere Vertrauen in die Gemeinde-
entwicklungspolitik kleinerer Gemeinden bleiben erhalten. Kom-
munale und fachliche Grenzen treten in den Hintergrund, wenn
es gelingt, Grenzen im Denken zu überwinden. So wird durch die
gezielte Stärkung der Gemeinden in der eigenverantwortlichen Ge-
staltung des heimatlichen Lebensumfelds das Prinzip der Subsidia-
rität lebendig und für die Bürger direkt erfahrbar.
Unterstützung durch Landentwicklung
Die Landentwicklung begleitet und unterstützt diese neuen For-
men der interkommunalen Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt steht
dabei die „Integrierte Ländliche Entwicklung“ (ILE), die eine
Förderung dieser Kooperationen im Rahmen der Gemeinschafts-
aufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes
(GAK) ermöglicht. Zwischenzeitlich haben sich beispielsweise in
Bayern bereits 80 Gemeindebündnisse mit über 600 Allianzge-
meinden unter Begleitung und Förderung durch die Landentwick-
lungsverwaltung gebildet.
Diese bringt in die Kooperation ihre fachliche, planerische, bo-
denordnerische und methodische Kompetenz und ihr Know-
how für eine aktive Bürgermitwirkung ein.
Die Umsetzung der Entwicklungsstrategien wird durch
Dorferneuerung und Flurneuordnung unterstützt. Weitere
Handlungsfelder des Entwicklungskonzepts können darüber
hinaus durch ein gefördertes Umsetzungs- oder Projektma-
nagement konkretisiert und befristet begleitet werden. In en-
ger Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungen und Instituti-
onen wird auch der Einsatz anderer Maßnahmen koordiniert,
sofern die fachlichen Voraussetzungen gegeben sind. Hierbei
ergeben sich insbesondere durch einen abgestimmten Einsatz
von Dorferneuerung und Städtebauförderung Synergien zur
Stärkung der Innenentwicklung. Ein gelungenes Beispiel hier-
für ist die ILE Ilzer Land, deren Ergebnisse nachfolgend von
1. Bürgermeister Manfred Eibl vorgestellt werden.
Das Fundament einer interkommunalen Zusammenarbeit hat sich
dabei als eine hervorragende Grundlage für vielfältige Aktivitäten
zur Netzwerkentwicklung und zu einer positiven Strukturentwick-
lung in der Region erwiesen. Dies wir auch durch die nachfolgen-
den Referate von Bürgermeister Dr. Thorsten Spillmann aus der
Region Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen und von Tourismus-
kauffrau Manuela Bode eindrucksvoll belegt.
18
Fazit
Die bisherigen Erfolge in der interkommunalen Zusammenarbeit
zeigen eindrucksvoll, dass die größte Akzeptanz und Wirkung er-
zielt werden kann, wenn möglichst nahe an den Menschen, den
Gemeinden und den Herausforderungen vor Ort gearbeitet wird.
Hier zahlt sich die jahrzehntelange Erfahrung der Landentwick-
lung beim Aufbau und der Begleitung von Netzwerken sowie der
Bürgerbeteiligung aus. Im Idealfall können die im 21. Jahrhundert
gewünschten und notwendigen Einrichtungen und Strukturen der
Daseinsvorsorge zwar nicht unbedingt in der eigenen Gemeinde,
aber in einem gut erreichbaren Umkreis für die Bürger angebo-
ten werden. Insgesamt werden kommunale Entwicklungen in ei-
nem überschaubaren ländlichen Umfeld aufeinander abgestimmt
und verstärken sich so gegenseitig in ihrer Wirksamkeit. So wird
unmittelbar die Eigenkompetenz auf der kommunalen Ebene
gestärkt, wo die Lebensqualität für die Bürger am konkretesten
gestaltet wird. Das dient der Umsetzung des Ziels gleichwertiger
Lebensbedingungen in Stadt und Land unter den heutigen Rah-
menbedingungen. Nur in enger Partnerschaft des Staates und
seiner Verwaltungen mit den ländlichen Gemeinden sowie in ver-
trauensvoller Zusammenarbeit von Gemeinden in Gemeindealli-
anzen und Stadt- Land- Partnerschaften werden eine erfolgreiche
Zukunftsgestaltung und die Schaffung attraktiver Wohn-, Arbeits-
und Lebensbedingungen möglich sein. Deshalb lautet das Motto
für die zukunftsgerechte, nachhaltige Entwicklung der ländlichen
Räume: Zukunft durch Zusammenarbeit!
19
Manfred Eibl
Beispiel Bayern: Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Interkommunalen Kooperation - am Beispiel Ilzer Land e.V. in Bayern
1. Ausgangslage
Unter Federführung des Amtes für Ländliche
Entwicklung in Niederbayern haben sich im Jahre
2005 in den Landkreisen Freyung-Grafenau und
Passau neun Kommunen (Fürsteneck, Grafenau,
Hutthurm, Perlesreut, Ringelai, Röhrnbach, Sal-
denburg, Schönberg, Thurmansbang) im Rah-
men der integrierten ländlichen Entwicklung
(ILE) zum Verein „Ilzer Land e. V.“ zusammengeschlossen.
Ziel des Vereins ist, mit interkommunalen Netzwerken auf ver-
schiedenen Handlungsfeldern wie Wirtschaft – Archivwesen –
Tourismus – Jugend – Senioren – Verwaltung – Bauhof – Innen-
entwicklung – Energie – Mobilität und Öffentlichkeitsarbeit die
Lebens- und Arbeitsbedingungen in diesem ländlichen Raum zu
erhalten und weiter zu entwickeln. Mit seinen ca 34.000 Einwoh-
nern auf einer Fläche von 271 km² arbeitet der Verein Ilzer Land
im Dialog der Förderstellen insbesondere dem Amt für Ländli-
che Entwicklung (ALE) in Niederbayern sowie unterstützend im
Handlungsfeld Innenentwicklung mit der Regierung von Nieder-
bayern eng zusammen und schafft in einem ressort- und gemein-
deübergreifenden Projekt mit Einbindung der Bürgerinnen und
Bürger adäquate Voraussetzungen zu einer gezielten Weiterent-
wicklung der Ilzer Land Region.
2. Projektbeschreibung
Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige
Zwecke nach der Abgabenordung.
Der Satzungszweck wird insbesondere durch folgende Aufgaben
mit Förderung der Mitgliedsgemeinden sowie
Landes- und EU-Mitteln verwirklicht:
1 . Unterstützung von Maßnahmen der
ökologisch orientierten regionalen
Entwicklung sowie der Umwelt, der
Kunst und Kultur, der Landschaft, des
Gewässerschutzes und des
Heimatgedankens.
2. Bildungsangebote
Für neue Medien und alternative Energiequellen sowie
für Methoden zur Energieeinsparung.
Zur Qualifizierung von Bürgerinnen und Bürgern im
Sinne des Vereinsziels.
3. Der Verein ist selbstlos tätig, er verfolgt nicht in erster
Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
4. Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsmäßige
Zwecke verwendet werden.
Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln
des Vereins.
Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck
des Vereins fremd sind, oder durch überverhältnismäßig
hohe Vergütungen begünstigt werden.
Der Vorstand besteht aus dem 1. Vorsitzenden und dem Stellvertre-
ter des Gesamtvorstandes. Zur Unterstützung des geschäftsführenden
Vorstandes werden Koordinationsstellen eingerichtet. Die Koordina-
toren unterstützen den Gesamtvorstand sowie den Vorstand nach sei-
Vorsitzender Verein Ilzer Land e.V.Bürgermeister der Marktgemeinde Perlesreut
20
nen Weisungen bei den laufenden Verwaltungsgeschäften.
3. Koordination
Aktuell beschäftigt der Verein Ilzer Land fünf Koordinatorinnen
und Koordinatoren, die durch ihre Professionalität in allen Be-
reichen dafür Sorge tragen, zielführende und ergebnisorientierte
Maßnahmen umzusetzen.
4. Startphase
ILE wird nicht verordnet, sondern basiert auf Freiwilligkeit. Die
stärkt das Bewusstsein der Kommunen, auch bei schwierigen Zu-
kunftsaufgaben agieren und nicht nur reagieren zu können. Die
Prozessbegleitung des ALE unterstützt den Gemeindeverbund,
auch bei kritischen Phasen der interkommunalen Zusammenar-
beit. ILE eröffnet Kommunen die Chance, ähnlich gelagerte Pro-
bleme, die von einzelnen Gemeinden schwierig oder kaum mehr
noch zu lösen sind, im Verbund zu lösen.
Interkommunale Zusammenarbeit ist Chefsache. Bürgermeister
können bzw. müssen Verantwortung übernehmen. Bei der Größe
der hier angesprochenen Kommunen (1.000 – 8.000 Einwohner)
sind die Bürgermeister wichtige Schlüsselpersonen. Sie stehen als
Multiplikatoren, die die Gemeindeparlamente als Entscheidungs-
gremien überzeugen müssen, in erster Reihe. Das Engagement der
Bürgermeister ist auch ein Signal an die Bürgerschaft. Eine Evalu-
ierung in der ILE Ilzer Land zeigt, dass sich das Engagement der
Bürgermeister ungemein positiv auf die Mitwirkungsbereitschaft
der Bürger ausgewirkt hat. ILE stärkt ehrenamtliches Engagement.
450 Personen beteiligen sich in verschiedenen Handlungsfeldern
im Ilzer Land am Prozess. ILE eröffnet der Gemeindeallianz die
Chance, auf spezielle kommunale Problemfelder einzugehen. Die
Gemeinden werden nicht auf ein vorgegebenes bzw. standardisier-
tes Handlungsfeldschema gepresst. ILE ermöglicht den Mix von
Handlungsfeldern, denen Pflicht sowie auch Gestaltungsaufgaben
angehören. Die Tatsache, dass Pflichtaufgaben (z. B. Archivwesen,
Bauhöfe, Standesämter, Realsteuern usw.) nicht ausgeklammert
sind, schafft neue Anreize für die Kommunen. ILE kann sehr
schnell und unbürokratisch zu spürbaren Synergieeffekten und da-
mit Kosteneinsparungen führen.
Desweiteren kann die ILE ein sehr flexibles Instrument sein. In-
folge der Dynamik ist das ILEK (Integriertes Ländliches Entwick-
lungskonzept) in der Regel nach zwei bis drei Jahren überholt.
Konzepte für einen längeren Zeitraum gaukeln eine Planungssi-
cherheit vor, die in der Realität zumindest in den meisten Hand-
lungsfeldern nicht gegeben ist. Die Erkenntnisse haben ergeben,
dass die Entwicklung zu rasch voranschreitet. Einfach zeitlich und
inhaltlich überschaubare Konzeptansätze sind auf kommunaler
Ebene nachgefragt. Wie die ILE muss auch ihr ILEK flexibel aus-
gerichtet sein. Für die Fortschreibung des ILEK reichen jährliche
Evaluierungsworkshops aus. Wichtig ist, dass ILEKs eine starke
Umsetzungskomponente enthalten. Die daraus resultierenden
maßgeschneiderten Konzepte sind umsetzungsorientiert!
Die Vertrauensbasis zwischen den Bürgermeistern, aber auch den
Geschäftsleitern ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor einer
ILE. Bürgermeister und Gemeindepersonal sind die Multiplikatoren
in der Kommune. Sie werden in der ILE als Erste in der Startpha-
se angesprochen. Sie sind entscheidend für das „Inter“ bei der Ge-
meindeallianz!
Im Ilzer Land hat sich diese Vertrauensbasis im Laufe der Zeit ent-
wickelt. ILE ist nicht nur Chefsache, das Vertrauen geht soweit,
Vorsitzender Verein Ilzer Land e.V.Bürgermeister der Marktgemeinde Perlesreut
21
Manfred Eibl
Beispiel Bayern: Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Interkommunalen Kooperation - am Beispiel Ilzer Land e.V. in Bayern
dass jeweils ein bis zwei Bürgermeister die Federführung eines
Handlungsfeldes der Allianz innehaben. Die Erfahrungen aus dem
Ilzer Land zeigen, dass diese Aufgabenteilung nicht nur zu einer
Entlastung führt, sondern zugleich Transparenz, Effizienz und die
Qualität steigert.
5. ILE in der Umsetzungsphase
ILE fordert in der Umsetzungsphase nicht die Beteiligung aller
Kommunen in den einzelnen Handlungsfeldern. Insbesondere
kleinere Kommunen mit begrenzten Personalkapazitäten profitie-
ren von der interkommunalen Zusammenarbeit, da sie auf Projek-
te und den Rat von Verwaltungsspezialisten der Nachbargemein-
den zurückgreifen können.
In der Umsetzungsphase erfordert nur ein kleiner Teil der Projekte
Zuschussmittel von staatlicher Seite. Ein Großteil der Maßnahmen
kann mit überschaubaren Anschubfinanzierungen gestartet wer-
den. ILE ist so konzipiert, dass nicht nur jedes Handlungsfeld für
sich bearbeitet wird. Die Vernetzung mit anderen Handlungsfel-
dern z. B. Innenentwicklung mit Wirtschaft, Jugend mit Wirtschaft
usw. ist entscheidend. Die Synergieeffekte sind ein ganz wesentli-
cher Aspekt, da diese zu immer neuen Projekten mit hoher Qualität
führen (Jugend/Wirtschaft/Schulen → Ausbildungsmesse usw.).
Eine kluge und straffe Organisationsstruktur sind hierfür zwingen-
de Voraussetzungen. ILE eröffnet die Chancen, die Instrumente
der Verwaltung für ländliche Entwicklungen effizient einzuset-
zen. Im Gegensatz zu anderen Programmen entwickelt jede ILE
zwangsläufig eine rechtliche Struktur zur Bewältigung von inter-
kommunalen Aufgaben.
Die klassischen Handlungsfelder wie z. B. Innenentwicklung (Be-
lebung von Ortskernen – Leerstandsmanagement), soziale Infra-
struktur, Wirtschaft, Tourismus usw. fordern geradezu eine inter-
disziplinäre Kooperation. Die Synergieeffekte aus interdisziplinär-
er Zusammenarbeit sind ein Erfolgsgarant und ein Qualitätsmerk-
mal der ILE.
Ein Beispiel ist das Handlungsfeld Innenentwicklung der ILE im
Ilzer Land. Die hier entwickelten Produkte sind nicht nur inno-
vativ für die Region, sondern geben auch Anstöße für Weiterent-
wicklung von Programmen auf Landesebene. Mit der Umsetzung
wächst nicht nur das Vertrauen und die Qualität von Projekten,
sondern auch das Selbstbewusstsein und Mut zu neuen Projekten
und intensiver Interkommunalität. Das Amt für Ländliche Ent-
wicklung sichert kontinuierliche Präsenz (in der jeweilig geforder-
ten Intensität) einen qualitätsvollen Übergang von Startphase bis
hin zum selbstständigen Agieren.
Die Kooperation mehrerer ILE könnte eine weitere Ausbaustufe
hinsichtlich der Qualität darstellen.
6. Resümee
Der Wandel ist rasant. Förderprogramme müssten oft im Turnus
von zwei bis drei Jahren aktualisiert werden. Ein Beispiel ist die In-
nenentwicklung bzw. die Probleme, Leerstände in den Ortskernen
in den Griff zu bekommen. Was gestern noch belächelt wurde, wie
z. B. Recyceln von Leerständen, kann morgen schon Standard sein.
Neue Ideen müssen auch die Chance haben, in der Praxis getestet
zu werden. Staatliche Förderprogramme hinken der Entwicklung
hinterher. Erst was sich bewährt hat, kommt in den Förderkatalog!
Wo bleibt der Mut, hier mit staatlicher Unterstützung experimen-
tieren zu können?
22
Kann ILE dies leisten, zumal die kleinen Gemeinden das Risiko
eingehen?
Gelingt ein Experiment, werden die Akteure mit Lob überschüttet.
Oft scheitern diese meist aus der Not heraus entwickelten Projekte
an bürokratischen Vorgaben.
Beispiel: Wo steht der eingereichte Projektansatz im ILEK?
Warum wurde das ILEK nicht aktualisiert?
Bei vielen Problemlösungsansätzen betreten wir Neuland!
Über das Thema ILE oder Verbesserungsvorschläge aus kommu-
naler Sicht zu referieren, wäre nicht zielführend.
7. Meine Forderungen und Verbesserungen wären
• Überschaubare Konzepte (ILEK) mit einer starken Um-
setzungskomponente
• Ein Budget für Kleinprojekte ist dringend erforderlich!
• Stärkung von Förderungen im Bereich Innenentwicklung
• Unterstützung bei Pilotprojekten
• Anpassung von Förderkonditionen von Stadt und Land
(Städtebauförderung und Dorferneuerung in der ILE)
• ILE muss von interdisziplinärer Arbeit geprägt sein
• Auch zwischen den jeweiligen Ministerien muss dies an-
erkannt sein
• Faire Finanzausstattung z. B. Bereich Mobilität
• Die Mittelausstattung beim ÖPNV in ländlich peripheren
Regionen ist gelinde gesagt als katastrophal zu bezeichnen
• Wäre eine separate ÖPNV Förderung getrennt von Bal-
lungszentren (in Bayern - MVV München) wegen der
speziellen Probleme nicht sinnvoller?
23
Dr. Thorsten Spillmann
Beispiel Nordrhein-Westfalen: Interkommunal und partnerschaftlich - Gestaltung des Wandels in der Region Wittgenstein
„WittgensteinWandel“ ist ein Zukunftsprozess
der Region Wittgenstein, um die ländliche und
dörfliche Struktur zu stärken. Die Kommunen
Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück
haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht,
die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam
anzugehen. Diese interkommunale Zusammenar-
beit setzt sich mit den Folgen des demografischen
Wandels und der Daseinsvorsorge auseinander.
In der Region Wittgenstein leben rund 42.000 Einwohner in ei-
ner dörflich geprägten Region. Der demografische Wandel trifft
die Region in NRW besonders hart. Es ist von einem Bevölker-
ungsrückgang von 11 bis 19 Prozent auszugehen. Das heißt Witt-
genstein verliert zwischen 4.620 und 7.980 Einwohner. Dies sind
Durchschnittswerte und können je nach Dorf stark nach unten als
auch nach oben abweichen. Die Bevölkerung schrumpft!
„Wie kann sich die Region zukunftsfähig aufstellen? Wie bleibt die
Region attraktiv?“ Dies sind die grundlegenden Fragen des Prozess-
es „WittgensteinWandel“ in der Regionale 2013 in Südwestfalen.
In diesem Prozess werden viele verschiedene Gebiete untersucht,
die sich alle auf das Leben und die Lebensqualität in Wittgenstein
beziehen.
Themen:
• Wohnen und Versorgungsstrukturen
• Daseinsvorsorge und Verwaltungskooperation
• Dorfentwicklungskonzepte
• Bildung und berufliche Zukunft
• Wirtschaftsförderung und Tourismus
• Leerstandsmanagement und Umgang mit öffentlichen
Flächen
Die Untersuchungen aus diesen Themenfeldern
fließen in den Gesamtprozess „WittgensteinWan-
del“ ein. Zusätzlich wurde in diesem Prozess auf
einen ausgeprägten Kommunikations- und In-
formationsprozess gesetzt. In der ländlichen und
dörflichen Struktur in Wittgenstein ist es wichtig,
neben der Politik auch die Bürgerinnen und Bür-
ger vor Ort mitzunehmen. Durch Vereine und
ehrenamtliches Engagement kann viel bewegt
werden. Diese Strukturen vor Ort gilt es zu nutzen.
„WittgensteinWandel“ ist ein Zukunftsprozess mit den Bewoh-
nern Wittgensteins vor Ort.
Bürgermeister der Stadt Bad Laasphe
24
Bürgermeister der Stadt Bad Laasphe Manuela Bode
Beispiel Sachsen-Anhalt: Interkommunale Kooperation der Gemeinde Huy und der Stadt Osterwieck im Bereich der touristischen Entwicklung der Vorharzregion
Gliederung
1. Lage der Gemeinden
2. Ausgangsbasis Tourismuskonzept
3. Umsetzung der Handlungsem-
pfehlungen
4. IGEK Osterwieck und Huy
a) Handlungsfeld Tourismus und Kultur
b) Karte Freizeit- und Tourismuseinrich-
tungen
5. Zusammenfassung und Ausblick
1. Lage der Gemeinden
2. Ausgangsbasis Tourismuskonzept
• Einheitsgemeinde Stadt Osterwieck = touristisch attrak-
tive Gemeinde
• Konzept „Masterplan Tourismus für die Region nördli-
cher Vorharz“
• Ist-Analyse, Entwicklungspotentiale, Handlungsempfeh-
lungen
• Ausbau der interkommunalen Ko-
operationen
3. Umsetzung der Handlungsempfehlungen
• Kooperationsvertrag zwischen den
Heimatvereinen hinsichtlich
gemeinsamer Vermarktung
• Abstimmung der Veranstaltungska-
lender
• Anbindung an den Europaradweg mit einheitlicher Aus-
schilderung
• IGEK Einheitsgemeinde Stadt Osterwieck und Gemein-
de Huy
4. IGEK Osterwieck und Huy
• Erstellung eines integrierten ländlichen Gesamtkonzep-
tes (IGEK) durch Grontmij GmbH
• Erarbeitung eines Leitbildes vor Hintergrund demogra-
fischer Entwicklung und Klimawandel
• Ziele: Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sichern,
Ressourcen schützen, gemeindeübergreifende Koopera-
tionsmöglichkeiten identifizieren
Tourismuskauffrau
25
Manuela Bode
Beispiel Sachsen-Anhalt: Interkommunale Kooperation der Gemeinde Huy und der Stadt Osterwieck im Bereich der touristischen Entwicklung der Vorharzregion
a) Handlungsfeld Tourismus und Kultur
4. IGEK Osterwieck und Huy
• Erstellung eines integrierten ländlichen Gesamtkonzeptes (IGEK) durch Grontmij
GmbH
• Erarbeitung eines Leitbildes vor Hintergrund demografischer Entwicklung und
Klimawandel
• Ziele: Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sichern, Ressourcen schützen,
gemeindeübergreifende Kooperationsmöglichkeiten identifizieren
a) Handlungsfeld Tourismus und Kultur
Leitziele Ideen und Ansätze Projekte und Maßnahmen Gemeinsame Vermarktung
• Lage zum Harz Konkurrenz und Chance
• Internet, Broschüren, Messeauftritte etc.
• Ausbau, Vernetzung Angebote
• Abstimmung Veranstaltungen
• Einheitliche Ausschilderung • Gründung touristischer AG • Gemeinsamer
Tourismusbeauftragter • Entwicklung
Themenangebote • Gemeinsamer VA-Kalender
Ausbau der touristischen Infrastruktur
• Ausbau, Verbesserung Radwege
• Verbesserung Gastronomie
• Verbesserung öffentliche Toiletten
• Bearbeitung Radwegekataster, Entw. Gesamtkonzept
• Prüfung Toilettensituation • Untersuchung Angebot und
Öffnungszeiten Gastronomie
Kulturelles Angebot vernetzen
• Schaffung von Netzwerken
• Nutzung der Kirchen für kulturelle Angebote
• Schaffung Kulturnetzwerk • Zusammenstellung zur
Verfügung stehender Kirchen
26
b) Karte Freizeit- und Tourismuseinrichtungen
5. Zusammenfassung und Ausblick
• Handlungsempfehlung der interkommunalen Kooperati- on übernommen• Erste Arbeitsschritte umgesetzt• Kooperation von Tourismus auf andere Bereiche über- tragen• Bewerbung für Förderprojekt IGEK• Handlungsfelder festgelegt• Leitziele, Projektideen und Maßnahmen identifiziert
Konzeptentwicklung bis März 2014 durch Grontmij Gruppe begleitet Erwartetes Endergebnis: Vorgabe einer Richtung, Viel- zahl von Projekten
RichtungWolfenbüttel
RichtungSchönigen
RichtungHötersleben
Richtung B245
Richtung B245
RichtungB245
RichtungHalberstadt
RichtungB79 / Halberstadt
RichtungWernigerode
RichtungStapelburg und A6
RichtungVienenburg
RichtungVienenburg
RichtungSchladen
RichtungHornburg / B82
RichtungHornburg / B82
RichtungHornburg / B82
VT
& F M
OsterwieckTierzucht
Freibad H info
Senioren Haus Nienburg
MönchhaiWilhelmshall
Sonnenburg
V
SchauenSenioren
T &
F DGH Freibad H
VT
& F
Senioren
BerßelTierzucht
M H DGH
VT
& F
Freibad
Senioren
Zilly
Dardesheim
V Senioren
T &
F
Tierzucht
DGH MLüttgenrode
V
DGH
T &
F
Wülperode
T &
F H DGH
Veltheim
V Senioren
T &
F DGH H
VT
& F
Senioren
Hessen
Freibad
Tierzucht
Tennis H DGH
Rohrsheim
V Senioren
FreibadT
& F DGH
Deersheim
V Senioren
T &
F H DGH
V Senioren
Rhoden
T &
F DGH
Stötterlingen
VT
& F DGH
Bühne / Rimbeck
V Tierzucht
T &
F DGHHoppenstedt
VT
& F DGH
Dedeleben
VT
& F M Freibad DGH
Tierzucht
Badersleben
VT
& F
FreibadMTierzucht
Westerburg
T &
F HVogelsdorf
V
V
PabstorfTierzucht
Eilsdorf
V
DGH
T &
F
Motorrad-freunde
Huysburg
T &
F
Röderhof
T &
F
Schlanstedt
VT
& F M DGH
VT
& F
Freibad
EilenstedtAnderbeck
V
DGH
T &
F
Tierzucht
Dingelstedt am Huy
V
DGH
T &
F
Tierzucht Luftsport
Huy-NeinstedtDGH
T &
F
Aderstedt
T &
F
Freibad M
Osterode
T &
F DGH
Göddeckenrode
T &
F DGH
Suderode
T &
F DGH
Energiepark Flugplatz
B 79
B 79
B 79
Huy
Große Fallstein
B 244
B 2
44
B 2
44
Quelle: Auszug aus den Geobasisdaten des Landesamtes fürVermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt , © 2013
Integriertes gemeindliches Entwicklungskonzept (IGEK)Stadt Osterwieck & Gemeinde Huy
Maßstab in Orginalgröße auf DIN A0 - M 1:35.000
Freizeit- und Tourismuseinrichtungen der Ortsteile
Karnevalsverein
Seniorenkreis
Orchester
Angelsport
Sportverein
Chor
Schützenverein
V // Vereine
Senioren
T&F // Tourismus- & Freizeitangebote
Burg & Schloss
Freibad
Museen
Freibad
MHotel / PensionHDorfgemeinschaftshausDGH
Gaststätte / Restaurant / Cafe
TennisanlageTennis
TierzuchtvereinTierzuchtOsterwieck Station der Straße der RomanikOsterwieck Station der Deutschen Fachwerkstraße
info Touristeninformation
Bockwindmühle
Wassermühle
Luftsport Luftsportverein
Feldbahn
aus der Trägerschaft derKommune entlassen
Flugplatzweitere Einrichtungen / Projekte
Harzvorlandradweg
Aller-Harz-Radweg
Ilse Radweg(nicht ausgeschildert)
Überregional bedeutsame Radwege
Sonstige Darstellungen
27
NETZWERKEInterkommunale Kooperation