nestor der deutschen mund-, kiefer- und gesichtschirurgie prof. dr. dr. aloys immenkamp zum 100....

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DOI 10.1007/s10006-006-0024-6 LAUDATIO Mund Kiefer GesichtsChir (2006) 10:367–368 Nestor der Deutschen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Prof. Dr. Dr. Aloys Immenkamp zum 100. Geburtstag Dieter E. Lange Online veröffentlicht: 12 Oktober 2006 © Springer-Verlag 2006 Am 8.September 2006 vollendete Prof. Dr. med., Dr. med. dent. Aloys Immenkamp sein 100. Lebensjahr. 1906 in Münster geboren, verbrachte er in Rheine/Westf. seine Jugend- und Schülerzeit und legte 1925 dort seine Reife- prüfung ab. Danach studierte er in Münster Zahnmedizin und Medizin und erhielt nach beendeten Studien die Ap- probation als Zahnarzt 1929 und als Arzt 1936. 1929 wurde er unter dem Gründer der Zahnklinik Münster und ersten Ordinarius für Zahnmedizin, Prof. Apfelstaedt, Assistent an der Klinik und promovierte im gleichen Jahr zum Dr. med. dent. Seine ärztliche Promotion erfolgte 1937. An der Klinik erhielt er unter den Oberärzten Schwieren und Zimmermann eine qualifizierte Ausbildung in der zahnärztlichen Chirurgie und Kieferchirurgie, der er sich D. E. Lange () Universitätsklinikum Münster, Waldeyerstr. 30, 48149 Münster, Germany Tel.: +49-251-8349810 vorwiegend zuwendete. 1931 erfolgte die Ernennung zum Oberarzt und 1933 die Habilitation, verbunden mit einem Lehrauftrag für Kieferchirurgie an der Universität Münster. Vom Sommersemester 1934 an vertrat Immen- kamp das Gebiet der Zahnheilkunde in Vorlesungen und Kursen und war Leitender Oberarzt der chirurgischen und gleichzeitig auch der klinisch-prothetischen Abtei- lung. Seine wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigten sich in dieser Zeit mit chirurgischen und histopathologi- schen Themen. Zur Vertiefung seiner kieferchirurgischen Kenntnisse hospitierte er in den Jahren 1935 und 1936 bei Prof. Lindemann an der Westdeutschen Kieferkli- nik, wo er vor allem die Knochenplastik am Kiefer, die Kieferresektion und die Anästhesie an der Schädelbasis kennenlernte. Besonders wichtig für den weiteren Lebens- weg war die Zusammenarbeit mit Prof. Ernst in Berlin, der spezielle Techniken der Gaumen- und Lippenspaltenplastik entwickelt hatte. 1938 wurde Immenkamp Leiter der neu eingerichteten Abteilung für Kieferchirurgie der Raphaelsklinik Münster, die unter der Leitung des Chirurgen Prof. Ramstedt stand, der insbesondere an der Kinder- und Spaltenchirurgie inter- essiert war. 1943 wurde er zum apl. Professor an der Univer- sität Münster ernannt. Seinen Militärdienst leistete er von 1939 bis 1945 als Stabsarzt der Luftwaffe und leitete die kiefer- und gesichtschirurgischen Lazarette in Amsterdam und in Bad Meinberg. Aus der Zeit bis zum 2. Weltkrieg gingen aus seinem Forschungsgebiet 35 Arbeiten hervor. In seiner Monogra- fie Stellung der Elektrochirurgie im Rahmen der operati- ven Zahnheilkunde, erschienen im Verlag Hermann Meuser, Berlin 1933, vermittelte er zum ersten Mal in Deutschland den Zahnärzten elektrochirurgische Techniken. In einer wei- teren Monografie Die basale und extraorale Leitungsbetäu- bung im Bereich der Kiefer, die 1940 in der Berlinischen 13

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Page 1: Nestor der Deutschen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Prof. Dr. Dr. Aloys Immenkamp zum 100. Geburtstag

DOI 10.1007/s10006-006-0024-6

LAUDATIO

Mund Kiefer GesichtsChir (2006) 10:367–368

Nestor der Deutschen Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieProf. Dr. Dr. Aloys Immenkamp zum 100. Geburtstag

Dieter E. Lange

Online veröffentlicht: 12 Oktober 2006© Springer-Verlag 2006

Am 8. September 2006 vollendete Prof. Dr. med., Dr. med.dent. Aloys Immenkamp sein 100. Lebensjahr. 1906 inMünster geboren, verbrachte er in Rheine/Westf. seineJugend- und Schülerzeit und legte 1925 dort seine Reife-prüfung ab. Danach studierte er in Münster Zahnmedizinund Medizin und erhielt nach beendeten Studien die Ap-probation als Zahnarzt 1929 und als Arzt 1936. 1929 wurdeer unter dem Gründer der Zahnklinik Münster und erstenOrdinarius für Zahnmedizin, Prof. Apfelstaedt, Assistent ander Klinik und promovierte im gleichen Jahr zum Dr. med.dent. Seine ärztliche Promotion erfolgte 1937.

An der Klinik erhielt er unter den Oberärzten Schwierenund Zimmermann eine qualifizierte Ausbildung in derzahnärztlichen Chirurgie und Kieferchirurgie, der er sich

D. E. Lange (�)Universitätsklinikum Münster,Waldeyerstr. 30, 48149 Münster, GermanyTel.: +49-251-8349810

vorwiegend zuwendete. 1931 erfolgte die Ernennungzum Oberarzt und 1933 die Habilitation, verbunden miteinem Lehrauftrag für Kieferchirurgie an der UniversitätMünster. Vom Sommersemester 1934 an vertrat Immen-kamp das Gebiet der Zahnheilkunde in Vorlesungen undKursen und war Leitender Oberarzt der chirurgischenund gleichzeitig auch der klinisch-prothetischen Abtei-lung. Seine wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigtensich in dieser Zeit mit chirurgischen und histopathologi-schen Themen. Zur Vertiefung seiner kieferchirurgischenKenntnisse hospitierte er in den Jahren 1935 und 1936bei Prof. Lindemann an der Westdeutschen Kieferkli-nik, wo er vor allem die Knochenplastik am Kiefer, dieKieferresektion und die Anästhesie an der Schädelbasiskennenlernte. Besonders wichtig für den weiteren Lebens-weg war die Zusammenarbeit mit Prof. Ernst in Berlin, derspezielle Techniken der Gaumen- und Lippenspaltenplastikentwickelt hatte.

1938 wurde Immenkamp Leiter der neu eingerichtetenAbteilung für Kieferchirurgie der Raphaelsklinik Münster,die unter der Leitung des Chirurgen Prof. Ramstedt stand,der insbesondere an der Kinder- und Spaltenchirurgie inter-essiert war. 1943 wurde er zum apl. Professor an der Univer-sität Münster ernannt. Seinen Militärdienst leistete er von1939 bis 1945 als Stabsarzt der Luftwaffe und leitete diekiefer- und gesichtschirurgischen Lazarette in Amsterdamund in Bad Meinberg.

Aus der Zeit bis zum 2. Weltkrieg gingen aus seinemForschungsgebiet 35 Arbeiten hervor. In seiner Monogra-fie Stellung der Elektrochirurgie im Rahmen der operati-ven Zahnheilkunde, erschienen im Verlag Hermann Meuser,Berlin 1933, vermittelte er zum ersten Mal in Deutschlandden Zahnärzten elektrochirurgische Techniken. In einer wei-teren Monografie Die basale und extraorale Leitungsbetäu-bung im Bereich der Kiefer, die 1940 in der Berlinischen

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Verlagsanstalt erschien, beschrieb er erstmalig das gesamteGebiet der extraoralen Betäubungstechniken.

Nach dem Krieg nahm Immenkamp seine Tätigkeit alsLeiter der kiefer- und gesichtschirurgischen Abteilung derRaphaelsklinik in Münster wieder auf. In der Nachkriegspe-riode bis zum Jahr 1978 entwickelt sich Prof. Immenkampzu einem der führenden Kiefer- und GesichtschirurgenDeutschlands. Die Abteilung der Raphaelsklinik verfügtüber mehr als 35 Betten für Kinder mit Lippen- undGaumenspalten sowie bis zu 20 Betten für kieferchirurgischbetreute Männer und Frauen. Prof. Immenkamp galt in die-ser Zeit als der international bekannteste Spezialist auf demGebiet der Spaltenchirurgie. Er pflegte regen Austausch mitseinen Fachkollegen, Prof. Schuchardt in Hamburg, Prof.Richard Trauner in Graz und Prof. Rheinwald in Stuttgart. InZusammenarbeit mit seinem ausländischen Fachkollegen,Prof. McIndoe, England, übernahm Prof. Immenkamp dieIntubationsnarkose für Säuglinge und Kinder und führte indiesen Jahren bis zu 300 Intubationsnarkosen pro Jahr aus.Aufgeschlossen für Innovationen und operative Technikenund in Zusammenarbeit mit internationalen Spezialisten,u. a. Prof. Redon in Paris, verbesserte er die Methodender Parotischirurgie sowie der Rhino- und Defektplastikennach Tumorresektionen im Kiefer- und Gesichtsbereich.Basierend auf den Vorstellungen von Kzajian u. Conversebegann er frühzeitig, Kiefer- und Gesichtsfrakturen nicht inder gewohnten Weise von extraoral, sondern enoral durchOsteosynthese und mittels Aufhängenähten zu fixieren.In dieser Zeit entstanden weitere 30 Arbeiten, darunterein größerer Beitrag im Handbuch der Zahn-, Mund- undKieferheilkunde über die „chirurgische Kieferorthopädie“.

Prof. Immenkamp war ständig bemüht, durch Demons-trationen und Operationskurse sowie durch Vorlesun-gen den Zahnärzten die Grundlagen der chirurgischenZahnheilkunde zu vermitteln. Auf den Kongressen undTagungen der deutschen Kiefer- und Gesichtschirurgengalt er in dieser Zeit als begnadeter Redner, der überzeugend

seine Operationstechnik vorstellen konnte. Man kann sagen,dass die Raphaelsklinik Münster mit seiner kiefer- undgesichts-chirurgischen Abteilung dieser Zeit als ein Mekkader Kiefer- und Gesichtschirurgie angesehen werden konnte.

Prof. Immenkamp ist zeitlebens – trotz seiner großen be-ruflichen Erfolge – ein stiller und bescheidener Mensch ge-blieben, der stets Harmonie und Ausgeglichenheit suchte. Erwar ein hervorragender Lehrer seiner Schüler und Assisten-ten, die ihm bei seiner Arbeit zur Seite standen.

Trotz seiner großen Verdienste in der Kiefer- undGesichtschirurgie hat Prof. Immenkamp zeitlebens denKontakt zur Zahnheilkunde nicht verloren. So führte erstets Behandlungen in allen Bereichen der Zahnheilkundedurch. Willenskraft und asketische Einstellung haben denJubilar befähigt, noch über sein 90. Lebensjahr hinauszahnärztlich tätig zu sein, seine zahnärztliche Praxis undseine Stammpatienten zu betreuen.

Seine große schöpferische Kraft hat Prof. Immenkampsicherlich aus seiner musischen Neigung gezogen. SeineLiebe galt der klassischen Musik und im Besonderendem Geigenspiel, dem er sich sein ganzes Leben durchBeteiligung in Orchestern und Quartetten gewidmet hat.Noch als 80-Jähriger musizierte er jeden Tag und hatte dasbesondere Glück, damit seinen Lebensabend verschönernzu können.

Im Namen seiner ehemaligen Schüler, Studenten, Mitar-beiter und Kollegen gratuliere ich Prof. Dr. Dr. Aloys Im-menkamp zu seinem 100. Geburtstag und wünsche ihm allesGute und einen gesegneten Lebensabend, betreut von seinendrei Söhnen, die alle Mediziner geworden sind. Gern denkeich an die Jahre gemeinsamer Tätigkeit zurück und wünschemeinem ehemaligen Chef und Lehrer, dass er weiterhin alsNestor der deutschen Kiefer- und Gesichtschirurgen uns alsVorbild für Schaffenskraft und menschliche Größe erhaltenbleibt.

D. E. Lange, Universität Münster

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