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PRO TRAIN: Improving multi-professional and health care training in Europe – Building on good practice in violence prevention 1 Multi-professionelle Fortbildung – Modul 3: Einschätzung der Gefährdung und Sicherheitsplanung Zeitrahmen: etwa 4 Stunden Inhalt von Modul 3: Thema 1: Einschätzung der Gefährdung Thema 2: Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern Thema 3: Sicherheitsvorkehrungen für Unterstützungseinrichtungen Allgemeine Zielsetzung: Dieses Modul will - Teilnehmer/innen die hohe Gefahr durch Wiederholungstaten im Bereich häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder bewusst machen, - die Kenntnisse zur Einschätzung der Gefährlichkeit [des Täters/der Situation] vertiefen, - Grundkenntnisse vermitteln, um mit Gewaltopfern Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen zu planen und - den Teilnehmer/innen klarmachen, wie wichtig es ist, auch für sich selbst Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, wenn sie im Bereich der Gewaltprävention arbeiten.

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PRO TRAIN: Improving multi-professional and health care training in Europe – Building on good practice in violence prevention

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Multi-professionelle Fortbildung – Modul 3: Einschätzung der Gefährdung und Sicherheitsplanung Zeitrahmen: etwa 4 Stunden Inhalt von Modul 3: Thema 1: Einschätzung der Gefährdung Thema 2: Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern Thema 3: Sicherheitsvorkehrungen für Unterstützungseinrichtungen Allgemeine Zielsetzung: Dieses Modul will

- Teilnehmer/innen die hohe Gefahr durch Wiederholungstaten im Bereich häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder bewusst machen,

- die Kenntnisse zur Einschätzung der Gefährlichkeit [des Täters/der Situation] vertiefen,

- Grundkenntnisse vermitteln, um mit Gewaltopfern Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen zu planen und

- den Teilnehmer/innen klarmachen, wie wichtig es ist, auch für sich selbst Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, wenn sie im Bereich der Gewaltprävention arbeiten.

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Hintergrundinformationen Thema 1: Einschätzung der Gefährdung Im Fall von häuslicher Gewalt gegen Frauen liegt die Gefahr von Wiederholungstaten sehr hoch; vereinzelte Gewalttaten sind hier eher die Ausnahme. Staaten sind angehalten, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen und »verpflichtet [...] mit angemessener Sorgfalt Gewalttaten zu verhindern bzw. in diesen zu ermitteln und sie strafrechtlich zu verfolgen, ungeachtet ob diese seitens des Staats oder Privatpersonen begangen wurden, und den Opfern Schutz zu bieten« (Europarat Rec(2002)5 Artikel II). Einer der zuverlässigsten Risikomarker1 für häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder ist die wiederholte Viktimisierung. Je häufiger Übergriffe in der Vergangenheit vorgekommen sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu weiteren Gewaltanwendungen kommen wird. Ein zweiter wichtiger Risikomarker ist die Trennung: Die meisten Morde und versuchten Morde an Frauen sowie schwere Gewaltanwendungen ereignen sich in der Trennungsphase. Paradoxerweise kann es also sicherer sein, in einer gewalttätigen Paarbeziehung zu verharren als diese zu beenden (Walby and Myhill 2001; Richards 2003). Trennung von einem gewalttätigen Partner ist mit einem erhöhten Risiko von Frauenmord verbunden, insbesondere wenn der Täter ein hohes Maß an Kontrolle über das Opfer besitzt (Campell 2003). Untersuchungen belegen, dass sich Mordopfer häufig im Vorfeld ihres Todes Hilfe suchend an Unterstützungseinrichtungen gewendet haben. Die Dringlichkeit und Qualität, mit der die Fachkräfte solcher Einrichtungen auf die Notrufe der Opfer reagieren, können unmittelbaren Einfluss darauf haben, ob aus einer schweren Gewaltanwendung Mord wird oder nicht (Richards 2004). Nach einer Trennung kommt es auch zu Gewalttaten im Zusammenhang mit Umgangs- und Sorgerecht für Kinder. In den letzten Jahrzehnten wurden durch Forschung und Praxis Instrumente zur Gefährdungsbeurteilung entwickelt. Zu den bekanntesten gehören die Danger Assessment Scale (Gefahrenbeurteilungsskala) (Campbell 1995)2 und das Spousal Assault Risk Assessment (SARA)3 Instrument, das von dem kanadischen Institute on Family Violence entwickelt wurde. In Europa sind Polizeibehörden und Justiz zum Teil dazu übergegangen, routinemäßig Gefahrenprognosen vorzunehmen. So geht beispielsweise die Metropolitan Police in London nach dem SPECSS-Modell (Separation, Pregnancy, Escalation, Cultural Issues, Stalking, Sexual Assault - Risk Assessment Model for Domestic Violence Cases) vor, um die Gefährdung in Fällen häuslicher Gewalt beurteilen zu können (Humphreys et al 2005).

1 Risikomarker oder Risikofaktoren sind ‘Merkmale, die die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Gewaltanwendung erhöhen‘ (Gondolf 2002, S. 167). 2 http://www.dangerassessment.org/WebApplication1/ March 15, 2008 3 http://www.stopyouthviolence.ucr.edu/summer_institute/2005%20SI%20Presentations/Williams%20-%20Collective%20Efficacy/SARA%20-%20Spousal%20Assault%20Risk%20Assessment%20Guide.pdf

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Aktives Zuhören als Kernstrategie bei Gefährdungsbeurteilung Wichtig ist zu beachten, dass Instrumente zur Einschätzung der Gefährdung nicht dazu dienen vorherzusagen, ob es zu Wiederholungstaten kommen wird, sondern um das Gefährdungsniveau des Opfers festzustellen. Insofern handelt es sich nicht um Prognose- sondern um Präventionsinstrumente. Instrumente zu Gefährdungsbeurteilung sollten nicht als einzige Grundlage zur Sicherheitsplanung dienen, sondern als eine Informationsquelle, die jedoch keineswegs aufmerksames Zuhören ersetzen können (Websdale 2000). Etliche Studien belegen, dass es lebensnotwendig sein kann, den Einschätzungen der Frauen in Bezug auf die Gefährlichkeit ihrer Partner genau zuzuhören. Untersuchungen von Weisz, Tolman und Saunders (2000) belegen, dass sich schwere neue Gewaltanwendungen erheblich prognostizieren lassen, wenn Risikomarker durch die Prognosen der Gewaltopfer ergänzt werden. In seiner vierjährigen Verlaufsstudie zu US-Täterprogrammen stellte Gondolf fest, dass sich die Wahrnehmungen der Frauen in Bezug auf Sicherheit und die Wahrscheinlichkeit erneuter Gewaltanwendungen als folgerichtigste und stärkste Risikomarker erwiesen. Gondolf kam zu dem Schluss, dass »die Voraussagen der Frauen sogar so nützlich waren wie alle Tätermerkmale zusammen« (Gondolf 2002, S.174). Bedeutung von Kooperation und Vernetzung Übergreifende Kooperation und Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, Hilfeeinrichtungen und verantwortlichen Behörden fördern Ressourcen und Synergien und können sich – wenn sie richtig gemacht werden – als wirksames Instrument erweisen, um Opfern häuslicher Gewalt Schutz und Sicherheit zu bieten (Shepard/Pence 1999). In einigen Ländern, wie beispielsweise in Großbritannien, wurden spezialisierte Interventionen für besonders gefährdete Opfer entwickelt, sogenannte „Multi-Agency Risk Assessment Conferences (MARACs)“. Untersuchungen haben ergeben, dass sich solche Verbundorganisationen wie die MARACs als effektiv erwiesen haben, um die Anzahl erneuter Viktimisierung zu senken (Robinson 2006).

Thema 2: Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern Obwohl sich Einrichtungen wie Strafverfolgungsbehörden mit internen Gefährdungsbeurteilungen beschäftigen können, um zu entscheiden welche Interventionen im jeweiligen Fall erforderlich sind, sollten Opfer immer an der Sicherheitsplanung beteiligt werden. Die Sicherheit des Opfers sollte höchste Priorität haben, die eigene Einschätzung des Opfers sollte Ernst genommen werden (Gondolf 2002) und die Gefährdungsbeurteilung muss parallel zur Sicherheitsplanung mit dem Opfer stattfinden.

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Einrichtungen, die den Opfern keine ständige Sicherheitsplanung und Unterstützung bieten können, sollten keine Gefährdungsbeurteilung mit den Opfern durchführen, da dies zu noch mehr Stress und Unsicherheit auf Seiten der Opfer führen kann. Deshalb sollten alle Opfer von spezialisierten Frauenberatungsstellen unterstützt werden, zu deren Standardprozedere Gefährdungsbeurteilungen und Sicherheitsplanung mit dem Opfer gehören. Die Einschätzung der Gefährdung sollte kein einzelner Vorgang sein, sondern ein fortgesetzter Prozess, der auch wiederholt durchgeführt werden sollte, da sich die Risikofaktoren ändern können. Einrichtungen, die nicht auf Gewalt spezialisiert und nur teilweise verantwortlich für die Behandlung und Unterstützung des Opfers sind – wie beispielsweise Gesundheitseinrichtungen – sollten nur eine Grundeinschätzung der Gefährdung und Sicherheitsplanung in der akuten Krisensituation durchführen; zum Beispiel indem sie das Opfer fragen, ob sie Angst hat, zurück nach Hause zu gehen und ihr helfen, einen sicheren Schutz zu finden oder sie ggf. ins Krankenhaus bringen (siehe Modul 2 Gesundheitswesen). Solche Einrichtungen sollten keine eingehenden Gefährdungsbeurteilungen vornehmen, sondern dies den spezialisierten Stellen überlassen. Thema 3: Sicherheitsplanung für Einrichtungen Jede Einrichtung die sich mit Gewalt beschäftigt, sollte eine Strategie zum Risikomanagement/zur Gefahrenbewältigung und Sicherheitsplanung haben, beispielsweise in Form eines Sicherheitsplans (siehe Handout »Sicherheitsplan für Einrichtungen«). Dies ist bedeutsam, da nur Einrichtungen welche sich um ihre eigene Sicherheit kümmern, dem Opfer wirklich helfen können. Bei der Sicherheitsplanung müssen besonders Situationen berücksichtigt werden, in denen gewalttätige Männer in der Einrichtung auftauchen und verlangen zu erfahren, wo sich das Opfer befindet. Es ist äußerst wichtig, hier umgehend zu reagieren und weder Unbefugten Zutritt zu gestatten noch aggressives Verhalten oder Drohungen hinzunehmen. In solchen Fällen sollte sofort die Polizei benachrichtigt werden und die Sicherheit der Mitarbeiter/innen und des Opfers muss höchstes Gebot sein. In gefährlichen Situationen bleibt keine Zeit, um angemessenes Verhalten zu diskutieren. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass jede Einrichtung einen Sicherheitsplan hat und alle Mitarbeiter/innen genau wissen, was zu tun ist. Beispiel: Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt, die von der Polizei über Interventionen bei häuslicher Gewalt informiert wird und aktiv Opfer unterstützt und Präventionsmaßnahmen gegen Wiederholungstaten durchführt, verfügt sowohl über eine Videoüberwachungsanlage als auch eine Alarmanlage, die direkt mit der Polizei verbunden ist. Jede diensthabende Mitarbeiterin trägt ein spezielles Armband und kann bei Gefahr durch Knopfdruck sofort die Polizei alarmieren. Die Interventionsstelle verfügt zudem über

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einen Sicherheitsplan und eine Sicherheitsbeauftragte. Es werden regelmäßig Fortbildungen für die Mitarbeiter/innen zum Umgang mit gefährlichen Situationen durchgeführt. Umgang mit dem (Straf-)Täter Die Mitarbeiter/innen in Beratungs- und Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt sind häufig besorgt und verunsichert darüber, wie sie einem Gewalttäter gegenübertreten sollen, der unter Umständen das Opfer begleitet oder es besuchen will. Eine typische Sorge hierbei ist, dass das Ansprechen des Problems weitere Gewalthandlungen oder Racheakte auslösen könnte. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Täter, deren gewalttätiges Verhalten ohne Konsequenzen bleibt, dazu neigen dieses zu wiederholen. Daher ist es notwendig, auf Gewalttaten zu reagieren, Gewalttätern entgegenzutreten und deutlich zu machen, dass Gewalt ein Verbrechen ist. Gewalttaten sind in keinem Fall zulässig, sind durch nichts zu rechtfertigen und haben Konsequenzen. Bevor ein Gewalttäter zur Rede gestellt/konfrontiert wird, muss das Opfer darüber informiert werden und angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Opfer dürfen unter keinen Umständen allein gelassen werden, wenn weitere Gewalt droht. ACHTUNG: Der (Straf-)Täter darf nicht konfrontiert werden, wenn er wütend oder aggressiv ist oder gegen die Regeln der Einrichtung verstoßen hat. In diesem Fall steht die Sicherheit des/der Opfer und auch der Mitarbeiter/innen an oberster Stelle. Es ist unbedingt erforderlich, klare Grenzen zu setzen und sich auf keine Diskussionen mit aggressiven Gewalttätern einzulassen. In solchen Fällen muss umgehend die Polizei gerufen werden.

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Literatur/Quellenhinweise Campbell, J.C. et al (2003): Risk factors for femicide in abusive relationships: Results from a multisite case

control study, American Journal of Public Health, Bd. 93, Nr. 7, S. 1089-97. Campbell, J.C. (2005): Assessing Gefährlichkeit. Violence by Sexual Offenders, Batterers and Child Abusers,

Thousand Oaks/London/New Dehli Council of Europe (2002): Recommendation Rec(2002)5 of the Committee of Ministers to member States on the

protection of women against violence adopted on 30 April 2002 and Explanatory Memorandum, Strasbourg (Empfehlung (2002)5 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über den Schutz von Frauen vor Gewalt, 30. April 2002)

Humphreys, C./ Thiara, R.K./ Regan, L./ Lovett, J./ Kennedy, L./ Gibson, A. (2005): Prevention not prediction? A preliminary evaluation of the Metropolitan Police Domestic Violence Risk Assessment Model (SPECSS), Final Report, University of Warwick/Centre for the Study of Safety and Wellbeing, London Metropolitan University/Child and Women Abuse Studies Unit

Kropp, P.R./ Hart, S.D. (2000): The Spousal Assault Risk Assessment (SARA) Guide: Reliability and Validity in Adult Male Offenders, Law and Human Behavior, Bd. 24, Nr. 1, S. 101-118

Richards, L. (2004) ‘Getting away with it’: A strategic overview of domestic violence sexual assault and ‘serious’ incident analysis, London, Metropolitan Police.

Richards, L. (2003) Findings form the multi-agency domestic violence murder reviews in London, London, Metropolitan Police

Logar, R. (2006): Bridging Gaps – From good intentions to good cooperation. Manual effective for multi-agency cooperation in tackling domestic violence; publication within the DAPHNE project “Bridging Gaps”, carried out by WAVE – Network (Women against Violence Europe) www.wave-networkg.org, March 6, 2007

Shepard, M. F. / Pence, E. L. (Hg) (1999): Coordinating Community Response to Domestic Violence – Lessons from Duluth and Beyond, Thousand Oaks/London/New Delhi

Walby, S. and M., Andrew (2001): Assessing and managing the risk of domestic violence, in: Taylor-Browne, J. (Hg.): What Works in Reducing Domestic Violence?, London, S. 309 – 335

WAVE-Network (Women against Violence Europe) (2004): Away from Violence. European Guidelines for Setting up and Running a Women’s Refuge, Manual, Vienna

Websdale, N. (2000): Lethality Assessment Tools: A Critical Analysis, National Electronic Network on Violence Against Women.

www.vaw.umn.edu/Vawnet/lethality.htm, March 15, 2008 Weisz A. N./ Tolman, R. M. & Saunders, D. G. (2000): Assessing the risk of severe domestic violence: The

importance of survivors' predictions, Journal of Interpersonal Violence, Bd.15 Nr. 1, S: 75-90

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Praktischer Teil/Methodik und Didaktik

Übungsthema 1: Einschätzung der Gefährdung Zeitrahmen: mindestens 90 Minuten:

25 Minuten für die Gruppenarbeit 20 Minuten zur Präsentation der Ergebnisse der Gruppenarbeit 45 Minuten für den Input der Trainer/innen und Diskussion

Zielsetzung: Diese Übung dient dazu, die Teilnehmer/innen auf die Risikofaktoren bei häuslicher Gewalt hinzuweisen. Die Teilnehmer/innen erfahren mehr über Risikofaktoren und lernen diese in der Praxis zu erkennen. Methoden: Gruppenarbeit (4-6 Teilnehmer/innen pro Gruppe), Präsentation der Gruppenarbeit, Input der Trainer/innen und Diskussion Hilfsmittel: Handout Thema 1 - Risikofaktoren Beschreibung der Übung: Eine Fallgeschichte aus Österreich Frau Y ist seit anderthalb Jahren mit ihrem Mann verheiratet, für beide ist es die zweite Ehe. Beide kommen ursprünglich aus der Türkei und haben Kinder aus früheren Ehen, aber nur die 5-jährige Tochter von Frau Y lebt bei ihnen. Die Kinder von Herrn Y leben bei seiner Exfrau und die anderen Kinder von Frau Y sind bereits erwachsen und stehen auf eigenen Füßen. Vor ihrer Heirat war Herr Y charmant und höflich zu seiner Frau. Aber kurz nach der Hochzeit wird er sehr beherrschend und versucht sie davon abzuhalten, ihre Familie zu besuchen oder mit Freundinnen/Freunden auszugehen. Sie soll ihm über jede Minute, die sie außer Hauses ist, Rede und Antwort stehen und wenn sie später als sonst nach Hause kommt, explodiert er und beschuldigt sie, eine schlechte Frau zu sein und mit ihren Kollegen herumzuhuren. Frau Y, eine emanzipierte Frau, lässt sich sein Verhalten nicht bieten und gehorcht seinen »Befehlen« nicht. Als sein kontrollierendes und besitzergreifendes Verhalten immer schlimmer wird, teilt sie ihm mit, dass sie sich scheiden lassen will. Fortan beginnt er ihr zu drohen, dass er sie umbringen wird, wenn sie ihn verlässt. Außerdem droht er auch, ihre Kinder umzubringen. Frau Y besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft, aber Herr Y nicht. Er ist von ihr wegen seines Visums abhängig. Trotz seiner Drohungen reicht Frau Y die Scheidung ein. Als er das herausfindet, schlägt er sie und droht ihr erneut, dass er sie umbringen wird, wenn sie die Scheidungsklage nicht zurückzieht.

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Frau Y zeigt die körperliche Gewalt und Drohungen bei der Polizei an. Die Polizei stellt einen Platzverweis/eine Wegweisung aus und Herr Y muss für zehn Tage die gemeinsame Wohnung verlassen. Trotz der Wegweisung ihres Ehemanns beschließt Frau Y mit ihrer Tochter aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen, weil sie große Angst vor ihrem Mann hat. Eine Mitarbeiterin der Interventionsstelle gegen Gewalt kontaktiert Frau Y nach der polizeilichen Intervention und auch sie rät Frau Y, nicht nach Hause zurückzukehren. Herr Y setzt sein gewalttätiges Verhalten fort, er folgt Frau Y zu ihrem Arbeitsplatz und bedroht sie auch dort. Es sagt, dass er sie umbringen und danach in sein Heimatland fliehen wird. Frau Y benachrichtigt die Polizei, aber er kann fliehen bevor diese eintrifft. Sie zeigt wieder die Drohungen bei der Polizei an. Die Polizei informiert die Staatsanwaltschaft, die ihrerseits beschließt, Herrn Y nicht zu verhaften bzw. in Gewahrsam zu nehmen. Mit Hilfe der Interventionsstelle erwirkt Frau Y eine gerichtliche Verfügung (Kontaktverbot), die ihrem Ehemann untersagt, sich ihrer Wohnung oder ihrem Arbeitsplatz zu nähern oder anderweitig Kontakt zu ihr aufzunehmen. Aber Herr Y verfolgt und bedroht sie weiter. Fragen für die Gruppenarbeit:

1. Wie schätzen Sie die Gefährlichkeit von Herrn Y ein? - nicht gefährlich - gefährlich - sehr gefährlich - extrem gefährlich

Die Gruppe sollte zu einer gemeinsamen Meinung über den Grad seiner Gefährlichkeit kommen und Argumente finden, um ihre Einschätzung zu belegen.

2. Nach welchen Kriterien bewerten Sie Gefährlichkeit? Welche Risikomarker erkennen

Sie in der Fallgeschichte? Die Teilnehmer/innen werden aufgefordert, die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit auf Flipchart-Bögen zu schreiben und der gesamten Gruppe vorzustellen. Hinweise für die Trainer/innen Diese Fallstudie basiert auf einem echten Fall. Frau Y wurde von ihrem Ehemann ermordet. Dieses mag vielleicht schockierend für die Teilnehmer/innen sein, doch es ist unabdingbar, dass sie begreifen wie wichtig es ist, die Sicherheit von Opfern ernst zu nehmen und die Risikofaktoren erkennen zu können. Trainer/innen sollten die Teilnehmer/innen auf alle relevanten Risikofaktoren hinweisen. Auch auf die Gefahr für die Opfer, die dadurch entsteht, dass Einrichtungen zu unterschiedlichen Einschätzungen der Gefährdung kommen. In der oben beschriebenen Fallstudie hat die

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Staatsanwaltschaft das Risiko vollkommen falsch eingeschätzt. Die Trainer/innen sollten auch darauf Aufmerksam machen, dass es wichtig ist, dass alle beteiligten Einrichtungen dieselben Instrumente zur Einschätzung der Gefährdung benutzen. Die Mitarbeiter/innen der Einrichtungen sollten Risikofaktoren erkennen können und lernen, dass Gefährdungsbeurteilung zum Standard ihres Berufsalltags gehört. Morde und Fälle schwerer Gewaltanwendung kommen in allen Ländern vor. Trainer/innen sollten dies hervorheben und auf entsprechende Statistiken verweisen. Unter Umständen ziehen Trainer/innen es vor, eine Fallstudie aus ihrem Land zu benutzen, da sie dann über mehr Hintergrundkenntnisse verfügen. Übung Thema 2: Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern Zeitrahmen: 120 Minuten (einschließlich etwa 10 Minuten Pause)

15 Minuten Vorbereitung für das Rollenspiel 20 Minuten Rollenspiel 25 Minuten Reflektion über das Rollenspiel 10 Minuten Pause 50 Minuten Präsentation der Ergebnisse, Diskussion

und Input der Trainer/innen Zielsetzung: Ziel dieser Übung ist es, mehr über die wichtigen Komponenten von Sicherheitsplanung zu erfahren und sich über Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern fortzubilden. Methode: Rollenspiel in Kleingruppen (6 Personen), Reflektion in Kleingruppen, Präsentation, Input der Trainer/innen, Diskussion Hilfsmittel: Handouts »Einschätzung der Gefährdung mit Gewaltopfern« und »Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern« Beschreibung der Übung: Rollenspiel: Sicherheitsplanung mit Susanne Rollen: Susanne, eine Hilfe suchende Frau Mitarbeiter/in einer Beratungsstelle 2 Coachs

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2 Beobachter/innen Szenario: Susanne sucht Hilfe bei einer Beratungsstelle in ihrer Heimatstadt. Sie berichtet, dass ihr Mann wiederholt sie und manchmal auch die Kinder schlägt. Außerdem beschimpft er sie und droht sie umzubringen, falls sie ihn verlässt. Susanne will sich von ihm trennen, hat aber Angst, dass er seine Drohung wahr macht. Sie fragt die Beraterin, welche Sicherheitsvorkehrungen sie treffen kann. Vorbereitung: Die Teilnehmerin (oder auch der Teilnehmer), die/der die Beraterin spielt erhält die Handouts »Einschätzung der Gefährdung mit Gewaltopfern« und »Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern«. Zusammen mit einem der Coachs bereitet sie sich auf das Rollenspiel vor. Die Teilnehmerin, die Susanne spielt, bereitet sich ebenfalls mit Hilfe des zweiten Coachs vor. Rollenspielbeobachter/innen: Zusätzlich zur Beobachtung des Rollenspiels moderieren die beiden Beobachter/innen die Übung und achten darauf, dass die Zeitvorgaben eingehalten werden. Eine/r von ihnen konzentriert sich auf Susanne, der/die andere auf die Beraterin. Fragen zur Reflektion: Susanne: Wie ist das Gespräch über die Rolle von Susanne gelaufen? Was war hilfreich? Was war schwierig? Hat sie sich nach dem Gespräch sicherer gefühlt? Was hat dazu geführt, dass sie sich sicherer gefühlt hat? Was hätte Susanne sonst noch gebraucht? Berater/in: Wie war das Gespräch für den/die Berater/in? Was war das Ziel der Beraterin/des Beraters? Was hat die/der Berater/in unternommen, damit Susanne sich sicherer fühlt? Was war gut? Was war schwierig? Was hätte ich selbst anders gemacht oder ausgedrückt als Berater/in? Die Beobachter/innen moderieren die Reflektion, indem sie die Fragen stellen und Antworten notieren. Dann geben sie ihr Feedback zum Rollenspiel. Zum Schluss präsentieren sie der ganzen Gruppe die Ergebnisse der Reflektion.

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Hinweise für Trainer/innen Die Trainer/innen sollten erneut hervorheben, dass Einschätzung der Gefährdung und Sicherheitsplanung immer Hand in Hand gehen sollten. Eine ausführliche Bewertung der Gefährdung, wie die Fragen im Handout »Einschätzung der Gefährdung mit Gewaltopfern« sollten immer nur von Mitarbeiter/innen mit entsprechenden Fachkompetenzen durchgeführt werden. Diese sollten in der Lage sein, langfristige und intensive Unterstützung zu leisten. Insofern ist das Ziel der Übung nicht, dass alle Einrichtungen eine ausführliche Gefährdungsbeurteilung vornehmen. Teilnehmer/innen sollten sich mit solchen Instrumenten vertraut machen und die Risikofaktoren erkennen. Thema 3: Sicherheitsplanung für Einrichtungen Zeitrahmen: 90 Minuten 30 Minuten für Gruppenarbeit

60 Minuten für Gruppenarbeitsberichte, Diskussion und Input der Trainer/innen

Zielsetzung: Mit dieser Übung soll den Teilnehmer/innen deutlich gemacht werden, wie wichtig die Sicherheit der Mitarbeiter/innen in den jeweiligen Einrichtungen ist. Die Diskussion über vorhandene Sicherheitsplanung in den Einrichtungen soll angeregt werden und Teilnehmer/innen sollen über Standards für Sicherheitspläne in Einrichtungen erfahren. Methode: Gruppenarbeit (5-6 Teilnehmer/innen), Berichte aus der Gruppenarbeit, Diskussion, Input der Trainer/innen Hilfsmittel: Handout »Sicherheitsplanung für Einrichtungen« Beschreibung der Übung: Teilnehmer/innen werden gebeten, Gruppen zu bilden und die Thematik von Sicherheit in ihrer eigenen Einrichtung anhand der folgenden (und zusätzlicher) Fragen zu diskutieren: Fragen für die Gruppenarbeit:

� Was für gefährliche Situationen für Mitarbeiter/innen und Klientinnen haben sich bereits oder könnten sich in unserer Einrichtung ereignen?

� Gibt es in unserer Einrichtung einen Sicherheitsplan für die Mitarbeiter/innen? Wenn ja, was enthält dieser und wie wird er umgesetzt?

� Gibt es in unserer Einrichtung technische Sicherheitsvorkehrungen? Wenn ja, was für welche?

� Was sind die Stärken unserer Einrichtung in Bezug auf Sicherheit? Was sind die Schwachpunkte? Was hätten wir gerne?

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Wichtige Ergebnisse der Diskussion werden auf einem Flipchart notiert und später von einer Teilnehmer/in im Plenum vorgestellt. Hinweise für Trainer/innen: Die Trainer/innen sollten die Teilnehmer/innen darin bestärken, ihre eigene Sicherheit ernst zu nehmen und von ihrer Geschäftsführung zu verlangen, dass Mitarbeiter- und Klientensicherheit ein wichtiges Thema sind. Einrichtungen sollten einen Sicherheitsplan aufstellen und umsetzen. Die Trainer/innen stellen Kernpunkte eines Sicherheitsplans vom Handout »Sicherheitsplanung für Institutionen » vor.

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Handouts Thema 1: Handout »Risikofaktoren«

Quelle: WAVE-Network (Women against Violence Europe) (2006): Bridging Gaps - From Good intention to good cooperation4, Handbook, DAPHNE Projekt Bridging Gaps, Wien

Im Fall von häuslicher Gewalt ist die Gefahr von Wiederholungstaten ausgesprochen hoch, vereinzelte Gewalttaten sind hier eher die Ausnahme. In Trennungs- oder Scheidungsphasen steigt das Risiko der Gewalt: Die meisten Morde, versuchten Morde und schweren Gewaltakte werden begangen, wenn die Opfer versuchen ihre Peiniger zu verlassen. Es kann in gewisser Weise sicherer sein, bei einem gewalttätigen Partner zu bleiben als ihn zu verlassen. Die im Folgenden aufgeführten Faktoren sind das Ergebnis internationaler Untersuchungen und gelten als Risikomarker für ein hohes Maß an Gewalt. Je mehr Faktoren in einem konkreten Fall zutreffen, desto höher ist die Gefahr, dass Gewaltanwendungen sich wiederholen, dass die Gewalt zunimmt bzw. eskaliert. • Frühere Gewalthandlungen gegen die Partnerin und die Kinder oder andere

Familienangehörige: Das Gewaltprofil des Täters und die Gewaltmuster und -formen die er benutzt hat sind wichtige Indikatoren seines zukünftigen Verhaltens. Deswegen ist es wichtig herauszufinden, ob er bereits früher Gewaltakte begangen hat. Frühere Verurteilungen oder Anzeigen bei der Polizei wegen Gewalttaten sind Hinweise auf ein starkes Gewaltpotential.

• Trennungs- oder Scheidungsphasen sind besonders gefährlich: Wie bereits erwähnt

eskaliert häusliche Gewalt häufig dann, wenn das Opfer den Gewalttäter verlassen will. Deshalb muss diese Phase als zusätzlicher Risikofaktor für Eskalation betrachtet werden.

• Schwere und Häufigkeit von Gewalttaten: Die Schwere und Häufigkeit von Gewalttaten

spielen auch eine wichtige Rolle, um die Gefährlichkeit eines Gewalttäters einschätzen zu können. Zu schweren Gewalttaten gehört Gewaltanwendung mit Waffen, bzw. Gegenständen oder Würgen. Täter, die häufig schwere Gewalttaten begehen sind besonders gefährlich.

• Gewalt gegen die Ex-Partnerin oder Familienangehörige: Gewalthandlungen, die an

ehemaligen Partnerinnen oder Familienangehörigen verübt werden, sind ebenfalls ein Risikomarker für Gefährlichkeit.

4 http://www.wave-network.org/start.asp?b=15

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• Gewalttaten von anderen Familienmitgliedern: Ein weiterer Risikofaktor ist Gewalt, die von Familienangehörigen des Täters verübt wird. In solchen Fällen ist es besonders schwer für das Opfer, der gewalttätigen Beziehung zu entkommen, da hier oft die betroffene Frau von der ganzen Familie kontrolliert wird.

• Gewalttaten außerhalb der Familie: Die überwiegende Mehrheit von Gewalttätern

begeht ihre Gewalttaten nur innerhalb des Familienkreises. Falls sie jedoch auch außerhalb der häuslichen Sphäre Gewalt ausüben, ist das ein Hinweis auf eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft. Solche Täter können die Mitarbeiter/innen von Unterstützungsangeboten oder Behörden angreifen. Deswegen ist Sicherheitsplanung für Zufluchtsstellen und Einrichtungen von besonderer Bedeutung.

• Waffenbesitz, Waffengebrauch: Wenn ein Täter (legal oder illegal) eine Waffe besitzt,

erhöht dies das Risiko von Waffengewalt. Das Risiko ist umso höher, wenn er bereits in der Vergangenheit bewaffnete Gewalttaten begangen oder angedroht hat, dies zu tun. Aus diesem Grund muss dem Gewalttäter der Waffenschein entzogen werden. Es kann auch sein, dass Gewalttäter Kampfsportarten oder aggressive Tiere wie Kampfhunde als Waffen benutzen.

• Drogen- oder Alkoholmissbrauch: Alkohol- oder Drogenkonsum ist keine Ursache für

Gewalt, doch bei gewaltbereiten Personen können in Verbindung damit Hemmschwellen heruntergesetzt werden, Gewalt anzuwenden. Es kann somit zu einer Eskalation der Gewalt kommen.

• Drohungen: Drohungen sollten immer ernst genommen werden. Die Drohungen des

Täters bekunden seine Absichten und Pläne und sind häufig ein Hinweis auf zukünftige Gewalttaten, mit denen gerechnet werden muss. Es ist fatal anzunehmen, Personen die »nur« Drohungen ausstoßen, seien nicht gefährlich. Praktische Erfahrungen belegen, dass schwerer Gewalt häufig Drohungen vorausgegangen sind. Daher sind Drohungen wichtige Indikatoren der Gefährlichkeit eines Täters.

• Morddrohungen/schwere Nötigung: Morddrohungen sind schwerwiegende Drohungen,

die immer ernst genommen werden müssen. In vielen Fällen häuslicher Gewalt mit tödlichem Ausgang hatten die Opfer vor ihrer Ermordung bereits wiederholt Morddrohungen erhalten.

• Selbstmorddrohungen, Depression: Auch Selbstmorddrohungen sollten immer ernst

genommen werden. Es gibt viele Fälle, in denen die Täter erst ihre Partnerinnen, andere Familienangehörige oder den neuen Partner und dann sich selbst umgebracht haben. Droht ein Gewalttäter damit, sich umzubringen, sollte immer ein psychologischer Experte hinzugezogen werden, um die Gefährdung einzuschätzen, die vom Täter für sich und andere ausgeht. Zwar benutzen viele Täter Selbstmorddrohungen um ihr Opfer emotional

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unter Druck zu setzen, doch ist es ungewiss, ob die Drohung wahr gemacht wird. Depression kann auch ein Risikofaktor für die Gefährlichkeit eines Täters sein. Charakteristisch für solche depressive Phasen ist ein Tunnelblick: der Täter sieht keine Alternative mehr und nichts scheint mehr von Bedeutung zu sein. In diesem Stadium können Gewaltakte eskalieren.

• Extreme Eifersucht und besitzergreifendes Verhalten: Gewalttäter, die ihre

Partnerinnen töten oder schwer verletzen sind oft von dem Wunsch besessen, diese zu besitzen. Sie sind extrem eifersüchtig und manche betrachten jeden Mann, der in die Nähe ihrer Partnerin kommt, als einen Rivalen. Sie kontrollieren und überwachen die Partnerin auf Schritt und Tritt und unterstellen ihr ständig Untreue. Das kann zu wahnhafter Eifersucht führen, was besonders gefährlich ist, weil der Täter den Realitätssinn verliert.

• Extreme patriarchalische Vor- und Einstellungen: Extrem patriarchalische Vor- und

Einstellungen können ebenfalls Risikomarker für Gefährlichkeit sein. Eine typische Sichtweise in diesem Kontext ist, dass ein Mädchen oder eine junge Frau kein selbst bestimmtes Leben führen darf, sondern dem Mann gehorchen muss. Dazu gehört auch, dass ein Mädchen oder eine junge Frau massiv dazu gedrängt bzw. gezwungen wird, zu heiraten oder dass verhindert wird, dass sie sich scheiden lässt. Besonders gefährlich ist hierbei eine Situation in der sehr strenge Vorstellungen von Ehre und Sexualität vorherrschen und Frauen Opfer von Gewalt werden oder sogar ermordet werden, wenn sie diesen Regeln nicht gehorchen bzw. ihnen vorgeworfen wird, dass sie Schande über die Familie gebracht haben.

• Verfolgen, psychologischer Terror (Stalking): Viele Gewalttäter sind nicht bereit, eine

Trennung ihrer Partnerin hinzunehmen und versuchen diese mit allen Mitteln – auch mit Gewalt – zu verhindern. Manche Täter setzen ihre Gewalttaten auch noch nach der Trennung fort und bedrohen ihre ehemaligen Partnerinnen viele Jahre lang.

• Gefahr für Kinder: Drohungen, den Kindern Schaden zuzufügen, stellen eindeutig einen

Risikofaktor dar. Auch Kinder sind nach einer Trennung oder Scheidung der Mutter möglicher Gewalt ausgesetzt, da sie sich nicht von einem gewalttätigen Vater trennen können und während eines Besuchs Opfer von Gewalt werden können. Die Aggressionen des Täters gegen die Partnerin können sich auch auf die Kinder ausweiten und unter Umständen rächt er sich an ihr, indem er die Kinder misshandelt oder sogar tötet. Deshalb muss Sicherheitsplanung auch immer die Kinder einbeziehen. Gewalttätigen Vätern sollte solange das Umgangsrecht entzogen werden, bis sie nachweislich ihre Gewaltprobleme in den „Griff“ bekommen haben.

• Nichtbefolgung einer gerichtlichen oder polizeilichen Verfügung: Wenn ein Täter

sich nicht an die Auflagen hält, wie z. B. die Befolgung einstweiliger auf Unterlassung

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gerichtete Verfügungen, Kontaktverbote oder andere gerichtliche Auflagen, ist dies ein Hinweis auf eine hochgefährliche Situation. Hierzu gehören auch Auflagen, die das Jugendamt ausspricht.

• Mögliche Auslöser: Es muss berücksichtigt werden, dass bestimmte Situationen zu

einer plötzlichen Eskalation der Gewalt führen können. Häufig wird Gewalt durch eine Veränderung in der Beziehung ausgelöst (z.B., wenn eine Frau gegen den Willen des Mannes einen Job annimmt, Hilfe sucht oder die Scheidung einreicht bzw. dem Ehemann die Scheidungspapiere zugestellt werden). Insofern ist es äußerst wichtig in Betracht zu ziehen, welche Situationen oder Ereignisse Gewalt auslösen könnten und die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

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Handout Einschätzung der Gefährdung mit Gewaltopfern Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte sind durch Forschung und Praxis verschiedene Instrumente entwickelt worden, um die Gefahr einzuschätzen, die von einem Gewalttäter ausgeht. Diese Instrumente dienen jedoch nicht der Gefahrenbemessung oder -prognose, sondern sind eher als Präventionsinstrument konzipiert. Sie dienen dazu, systematisch Informationen zu sammeln und in Verbindung mit früheren Erfahrungen und Vorkenntnissen herauszufinden, ob das Opfer sich in ernsthafter Gefahr befindet. Bei der Zusammenarbeit mehrerer Institutionen ist es wichtig, dass Informationen ausgetauscht und die Einschätzung der Gefährdung koordiniert wird. Die Risikobewertung sollte mit den Gewaltopfern durchgeführt werden und dies auch erst, wenn ein Vertrauensverhältnis entstanden ist, möglichst durch eine Frauenberatungsstelle, die auf häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder spezialisiert ist. Die Gefährdungsbewertung sollte immer begleitet von Sicherheitsplanung stattfinden.

Die wichtigen 26 Fragen (The BIG 26): Das Domestic Abuse Intervention Program (DAIP) in Duluth/USA hat 26 Fragen entwickelt, um die Gefährlichkeit eines Gewalttäters einzuschätzen: ja nein weiß nicht 1. � � � Ist Ihr Partner im Laufe der Zeit gewalttätiger, brutaler oder gefährlicher geworden? 2. � � � Hat er Sie jemals so sehr verletzt, dass Sie medizinische Versorgung brauchten? 3. � � � Hat er je versucht, Sie zu würgen? 4. � � � Hat er je ein Haustier verletzt oder getötet? 5. � � � Hat er je gedroht, Sie zu würgen? 6. � � � Hat er Ihnen jemals sexuell Gewalt angetan? 7. � � � Hat er Sie je mit einer Waffe bedroht? Wenn ja, mit welcher? 8. � � � Ist er Besitz ergreifend oder extrem eifersüchtig und beobachtet und kontrolliert er Sie? 9. � � � Nehmen seine Angriffe zu? 10. � � � Hat er je mit Selbstmord gedroht oder versucht, Selbstmord zu begehen? 11. � � � Hat er Sie je während der Schwangerschaft angegriffen? 12. � � � Haben Sie sich während der letzten 12 Monate getrennt oder versucht zu trennen? 13. � � � Haben Sie in den letzten 12 Monaten versucht Hilfe zu organisieren oder

zu bekommen? (Polizei, Beratungsstellen, Frauenhäuser etc.) 14. � � � Hat er Sie isoliert oder daran gehindert, Hilfe zu bekommen? 15. � � � Stand Ihr Partner in den letzten 12 Monaten unter außergewöhnlichem Stress?

(Verlust der Arbeit, Todesfall einer nahe stehenden Person, finanzielle Probleme etc.)

16. � � � Trinkt der Täter viel? Hat er ein Alkoholproblem? 17. � � � Hat er je Entzugssymptome gehabt/ einen Drogen- oder Alkoholentzug gemacht? 18. � � � Besitzt er eine Waffe, trägt er sie bei sich oder hat er irgendeinen anderen Zugang zu

Waffen? Zu welchen? 19. � � � Denken Sie, dass er Sie ernsthaft verletzen oder ermorden könnte? 20. � � � Haben Sie schon einmal versucht, den Täter auf irgendeine Weise zu beschützen?

(Anzeige zurückgezogen …) 21. � � � Ist er je selbst als Kind von einem Familienangehörigen misshandelt worden? 22. � � � Hat er Gewalt gegen seine Mutter miterlebt? 23. � � � Zeigt er Reue oder Trauer nach seinen Gewaltausbrüchen? 24. � � � Hat er andere Straftaten (abgesehen von häuslicher Gewalt) verübt? 25. � � � Hat er auch schon andere Menschen (außerhalb der Familie) misshandelt? 26. � � � Nimmt er Drogen? (Speed, Kokain, Crack etc)?

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Je mehr Fragen mit »ja« beantwortet wurden, desto höher ist die Gefahr, in der das Opfer schwebt!

Handout Thema 2: Sicherheitsplanung mit Gewaltopfern Quelle: WAVE Handbuch (2004) »Away from violence«5 Die folgenden Punkte sollte bei der Beratung und Unterstützung gewaltbetroffener Frauen und ihrer Kinder berücksichtigt werden:

� Mit wem kann sie über ihre Situation sprechen, wem kann sie trauen? (Freundinnen/Freunde, Verwandte, Arbeitgeber/n, Lehrer/innen in der Schule etc.)?

� Sie sollte eine Tasche mit den wichtigsten persönlichen Dingen für sich und ihre Kinder packen und bei einer Person ihres Vertrauens lagern. Schärfen Sie ihr ein, immer die Haus-/Wohnungstür- und Autoschlüssel bei sich zu tragen.

� Sollte es Waffen im Hause geben, versuchen Sie Möglichkeiten zu finden, diese zu entfernen.

� Was würde im Notfall ihre Sicherheit garantieren? � Wen kann sie im Notfall anrufen? � Ermutigen Sie sie, die Polizei anzurufen, wenn sich die Gewalthandlung wiederholt.

Wie kann sie die Polizei anrufen? Besitzt sie ein Mobiltelefon? (Der Polizeiruf funktioniert auch dann, wenn das Telefon gesperrt bzw. das Guthaben aufgebraucht ist. In allen EU-Ländern ist die Notrufnummer 112.)

� Kann Sie mit den Kindern oder den Nachbarn ein Signal verabreden, damit diese die Polizei benachrichtigen oder Hilfe rufen, wenn sie das selbst nicht machen kann?

� Wenn sie sofort flüchten muss, wohin kann sie dann gehen? Gehen Sie mit ihr mehrere Orte durch, an die sie im Notfall gehen kann. Schreiben Sie die Adressen und Telefonnummern auf und sagen Sie ihr, sie soll den Zettel an einem Platz aufbewahren, wo ihn der Täter nicht finden kann.

� Falls sie fliehen muss, wie sehen ihre Fluchtwege aus? � Schärfen Sie ihr ein, dass es bei einem akuten Gewaltangriff am besten ist, wenn sie

versucht wegzulaufen bzw. in manchen Situationen, den Angreifer zu besänftigen. �

Wenn die Frau plant, den gewalttätigen Partner zu verlassen: � Wie und wann ist es am sichersten, ihn zu verlassen? � Verfügt sie über Beförderungsmittel, Geld und hat sie einen Ort, an den sie gehen

kann? � Weiß sie wie sie zum nächsten Frauenhaus kommt? Kennt sie die Telefonnummer?

Raten Sie ihr. die Nummer aufzuschreiben und dort aufzubewahren, wo ihr Partner sie nicht finden kann.

� Wie können sie und andere verhindern, dass ihr Partner sie findet?

5 http://www.wave-network.org/start.asp?b=15

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� Wem in ihrem Hilfenetzwerk traut sie zu, sie zu schützen und unterstützen? � Wie kommt sie sicher zur Arbeit oder zur Schule/Kita, um die Kinder abzuholen? � Welche kommunalen/rechtlichen Mittel würden ihr das Gefühl größerer Sicherheit

geben? � Welches Sorge- und Umgangsrecht würde die Sicherheit von ihr und den Kindern

vergrößern? � Kann sie ein Kontaktverbot erwirken, dass dem Täter verbietet sich ihr zur nähern

oder Kontakt zu ihr aufzunehmen? Wenn die Frau sich von ihrem gewalttätigen Partner getrennt hat:

� Sicherheitsmaßnahmen erhöhen, wie beispielsweise Sicherheitsschlösser an Türen und Fenstern anbringen (lassen);

� Wenn möglich, ein verbessertes Sicherheitssystem anbringen (Gitter vor den Fenstern, Schlösser, Bewegungsmelder, ein Feuerlöscher etc.);

� Die Kinder oder Familie/Freundeskreis anweisen, die Polizei in einer Gefahrensituation anzurufen;

� Die Schullehrer/innen und Kinderbetreuung darüber informieren, wer dazu berechtigt ist, die Kinder abzuholen und andere Sondervorkehrungen zum Schutz der Kinder treffen;

� Ein soziales Netzwerk zu ihrer Unterstützung aufbauen, z.B. eine Frauenberatungsstelle ausfindig machen, Familie, Freundeskreis und Kolleg/innen um Unterstützung bitten etc.;

� Wenn möglich, eine auf Unterlassung gerichtete gerichtliche oder polizeiliche Verfügung erlassen.

Notfalltasche

Raten Sie der Klientin die folgenden Dinge in einer Sicherheitstasche aufzubewahren für den Fall, dass sie und die Kinder fliehen müssen: � Reisepässe, Geburtsurkunden; � Heiratsurkunde; � Krankenkassenkarten, Steuernummer; � Einwanderungspapiere (ausländerrechtliche Unterlagen); � Führerschein, Fahrzeugbrief; � Scheidungspapiere, andere rechtliche Unterlagen und wichtige Verträge; � Adressbuch mit Telefonnummern von Familie, Freundeskreis und Einrichtungen; � Kleidung und Trostgegenstände für sie selbst und ihre Kindern; � Schlüssel (Haustür, Auto etc.); � Lieblingsspielzeug der Kinder, Schulbücher etc.

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Handout Thema 3: Sicherheitsplan für Einrichtungen Quelle: WAVE-Network (Women against Violence Europe) (2006): Bridging Gaps - From Good intention to good cooperation6, Handbuch, DAPHNE Projekt Bridging Gaps, Wien

Interventionsstellen und andere Einrichtungen können Opfer nur dann erfolgreich unterstützen und schützen, wenn sie sich auch um ihre eigene Sicherheit kümmern. Bei der Polizei gehören Sicherheitsmaßnahmen für Polizeibeamte zum Berufsalltag. Im Sozial- und Gesundheitswesen ist die Sicherheit der Mitarbeiter/innen nicht immer ein Thema. Die Angestellten und Klient/innen vor allen möglichen Formen der Gewalt zu schützen und sie auch zu unterstützen, sollte Bestandteil der Richtlinien jeder Organisation sein, die mit Prävention häuslicher Gewalt zu tun hat. Jede Einrichtung, die sich mit häuslicher Gewalt beschäftigt, sollte einen Sicherheitsplan entwickeln und umsetzen, der sich an die folgenden Richtlinien hält: Schritte zur Sicherheitsplanung 1. Vorgehen der Institution – Sicherheitsplan

• Zu den klaren Richtlinien/Sicherheitsvorkehrungen der Einrichtung bei Eintreten von gewalttätigem, belästigendem oder diskriminierendem Verhalten gehört:

• Erarbeitung eines schriftlichen Sicherheitsplans zur Unterstützung der Angestellten und Klient/innen falls es zu Gewalttaten kommt (wer ist zuständig für Unterstützung, welche Form von Unterstützung ist erforderlich – z.B. Rechtsanwalt, ein paar Tage frei nehmen,…)

• Erarbeitung eines umfassenden schriftlichen Sicherheitsplans über die Maßnahmen, die in gefährlichen Situationen getroffen werden müssen. Hierüber sollte alle Mitarbeiter/innen informiert sein;

• Planung, wie der Sicherheitsplan auf allen Ebenen umgesetzt wird; • Regelmäßige (jährliche) Evaluierung des Sicherheitsplans.

2. Gewaltprävention und Umsetzung des Sicherheitsplans

• Technische Sicherheitsmaßnahmen (Sicherheitstür, Videoüberwachung, direkte Telefonverbindung zur Polizei…)

• Alltägliche Sicherheitsmaßnahmen überwachen (z.B. wem ist der Zutritt zur Einrichtung gestattet? Wann sind die Türen geöffnet, wann geschlossen? Wer ist für welche Sicherheitsmaßnahmen zuständig?)

• Neue Mitarbeiter/innen müssen regelmäßig über Sicherheitsvorkehrungen informiert werden,

6 http://www.wave-network.org/start.asp?b=15

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• Regelmäßige »Sicherheitsübung« (Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen, Diskussion der Maßnahmen mit allen Mitarbeiter/innen),

• Frühwarnsystem: bei Gefahr im Verzug (z.B. einem aggressiven Besucher) frühzeitig Vorkehrungen treffen und nicht »abwarten«.

3. Nachbereitung, wenn es zu Gewalttaten gekommen ist

• Planung der Sofortmaßnahmen nach dem Eintreten von gewalttätigem Verhalten – Wer ist wann für was zuständig (z.B. die Polizei anrufen/ Anzeige erstatten, Platzverweis für Besucher, Notfallsitzung…)

• Hilfe für unmittelbar betroffene Personen (Bedürfnisse feststellen, Hilfemaßnahmen organisieren (welche Form von Hilfe, Kompetenz …)

• Den Hilfebedarf der anderen Mitarbeiter/innen feststellen, unterstützende Maßnahmen organisieren (z.B. Supervision)

• Reflektion der Sicherheitsplanung (Was hat funktioniert, was nicht?) • Überarbeitung und Verbesserung des Sicherheitsplans.