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MS in focus Issue 13 2009 Tremor und Ataxie bei MS-Erkrankten

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The Magazine of the Multiple Sclerosis International Federation

Issue One • 2002MS in focusIssue 13 • 2009

● Tremor und Ataxie bei MS-Erkrankten

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Redakteur und Projektleitung Michele MessmerUccelli, MA, MSCS, Abteilung für Sozial- undGesundheitsforschung, MS-Gesellschaft Italien,Genua, Italien.

Herausgeber Lucy Summers, BA, MRRP,Redaktionsleitung MSIF.

Redaktionsassistenz Silvia Traversa, MA,Projektleiter, Abteilung für Sozial - undGesundheitswesen, Italienische MS-GesellschaftGenua, Italien.

Internationaler Ausschuss für Medizin undForschung, Vorstandsmitglied Chris Polman, MD,PhD, Professor für Neurologie, MedizinischeAbteilung der Freien Universität in Amsterdam,Holland.

Mitglieder des Redaktionsausschusses

Nancy Holland, EdD, RN, MSCN, Vizepräsidentinder Klinischen Programme, Nationale MS-Gesellschaft, U.S.A.

Martha König, Stellvertretende Vizepräsidentin fürPrint-Veröffentlichungen, Nationale MS-Gesellschaft, U.S.A.

Elizabeth McDonald, MBBS, FAFRM, RACP,Medizinischer Vorsitz, MS Australien(ACT/NWS/VIC), Australien.

Nicole Murlasits, Chefredakteurin der Zeitschrift„Neue Horizonte", MS-Gesellschaft Österreich,Österreich.

IzabelaOdrobi´nska, Vizepräsidentin der PolnischenMS-Gesellschaft, Polen.

Dorothea Pfohl, RN, Bs, MSCN, MS-Krankenschwester, Clinical Coordinator, MSZentrum der Abteilung für Neurologie an derUniversität von Pennsylvania, U.S.A.

Paul Van Asch, Physiotherapeut für Sport undNeurologie, Manager Fit Up Fitness-Zentrum,Belgien.

Nicki Ward-Abel, Fachreferent für MS, Universitätvon Birmingham, Großbritannien.

Die MSIF führt die globale MS-Bewegung an. Siebemüht sich vor allem darum, dass weiterewissenschaftliche Untersuchungen zum Verständnis undzur Therapie der MS auf den Weg gebracht werden.Gleichzeitig ist es uns ein Anliegen, die Lebensqualitätvon MS-Patienten zu verbessern. Die MSIF arbeitet engmit den Nationalen MS-Gesellschaften, Medizinern undvielen internationalen Wissenschaftlern zusammen.

Unsere Ziele: ● Die Entwicklung effektiv arbeitender nationaler MS-Gesellschaften zu unterstützen● Unser Wissen, unsere Erfahrung und Informationenüber die MS-Erkrankung zu verbreiten● Global für die Rechte der internationalenGemeinschaft der an MS Erkrankten einzustehen● Die Forschung im Bereich der MS-Erkrankungvoranzutreiben, um diese Krankheit besser zu verstehen,Behandlungsmethoden zu finden und sie letztendlichirgendwann zu heilen

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Webseitewww.msif.org

Multiple Sclerosis InternationalFöderation (MSIF) – DieInternationale Multiple Sklerose-Gesellschaft

Herausgeber

Cambridge Publishers Ltd

275 Newmarket Street

Cambridge

CB5 8JE

Großbritannien

+44 (0)1223 477411

[email protected]

www.cpl.biz

ISSN1478467x

© MSIF

Redaktionsausschuss

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Tremor und Ataxie, eine Einführung 4

Welche Schwierigkeitentreten bei Tremor und Ataxiebei MS-Patienten auf 7

Bewertung und Messbarkeitvon Tremor und Ataxie bei MS-Erkrankten 10

Die Behandlung vonTremor und Ataxie 13

Die Rolle der Rehabilitation 16

MS-Atlas 20

Häufig gestellte Fragen 22

Interview: Eduardo García aus Peru 23

Tremor und Ataxie onlineStudie: Die Resultate 25

Buchrezension 27

ContentsTremor und Ataxie sind beides Symptome der MS-Erkrankung,die die Beweglichkeit der Patienten beeinflussen. Der BegriffTremor beschreibt eine unfreiwillige, rhythmischeMuskelbewegung mit sich wiederholenden Kontraktionen einesoder mehrerer Köperteile. Ataxie wird als eine Unfähigkeit derKoordination und Instabilität beschrieben, die sowohl dieKörperhaltung, das Gehen, die Augenbewegungen, als auch dieSprache beeinflussen kann.

Diese Symptome werden von den Medizinern als die schwierigstenHerausforderungen bei einer erfolgreichen MS-Behandlung betrachtet und sorgenoft für eine wesentliche Einschränkung der Lebensqualität.

Bis heute gibt es keine kontinuierlich wirksame Medikation für Tremor und Ataxie,obwohl inzwischen einige Medikamente auf dem Markt sind, die bei einigenPatienten eine teilweise Linderung der Beschwerden zur Folge haben. Leider wirdbisher noch zu wenig Forschung auf diesem Gebiet betrieben. Das ist besonderstragisch, wenn man bedenkt, dass Tremor und Ataxie etwa ein Drittel aller MS-Patienten befällt.

Während viele der MS-Symptome, wie z.B. die Erschöpfung „unsichtbar" sind,treten bei Tremor und Ataxie deutlich sichtbare Symptome auf. Tremor und Ataxiehaben unter Umständen einen negativen Einfluss auf das Selbstbewusstsein derbetroffenen Personen. Viele, auch von leichten Tremor- oder Ataxie-Schübenbetroffene Personen verlieren den Kontakt mit ihrem sozialen Umfeld. Sievermeiden den Kontakt mit der Öffentlichkeit, da ihnen diese Symptome peinlichsind. Wenn ein Patient unter schweren Tremor- und Ataxie-Schüben leidet, dannsteht die Selbstständigkeit beim Bewältigen alltäglicher Aktivitäten auf dem Spiel.Tremor und Ataxie können aber auch weitere negative Einflüsse auf das Lebeneines Patienten haben. Dazu zählen die Auswirkungen auf die Arbeit oder dasSexualleben.

Für viele Personen mit Tremor oder Ataxie ist die medikamentöse Behandlung nichtwirksam oder nur zum Teil wirksam. In diesem Fall unterstützt das medizinischeFachpersonal den Patienten dabei, verschiedene nicht-medikamentöse Strategienfür den Umgang mit Tremor zu entwickeln. Dazu gehören die Verwendung vonunterstützenden Hilfsmitteln, Sport, Gewichten und andere Mittel, die in dieserAusgabe von MS in focus beschrieben werden.

In dieser Ausgabe finden Sie eine umfassende Beschreibung von Tremor undAtaxie aus der Sichtweise verschiedener Mediziner und Wissenschaftler, die überjahrelange Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen. Die Komplexität bei derBewertung und der Behandlung von Tremor und Ataxie, sowie das Fehleneffektiver Medikamente unterstreichen die Dringlichkeit eines umfassendenAnsatzes.

Ich bin schon sehr gespannt auf Ihre Reaktionen.

Michele Messmer Uccelli, Herausgeberin

Die nächste Ausgabe von MS in focusbehandelt die unterschiedlichen Typen vonMS. Fragen und Anregungen senden Sie bittean [email protected] oder als Brief an MicheleMessmer Uccelli, MS Society Italy, Via ViaOperai 40, Genoa, Italien 16149.

Anmerkung der RedaktionDer Inhalt von MS in focus basiert auf professionellem Wissen und Erfahrung. Herausgeber und Autoren bemühensich darum, eine relevante und aktuelle Information zu veröffentlichen. Die in dieser Ausgabe veröffentlichtenMeinungen und Ansichten entsprechen unter Umständen nicht den Meinungen und Ansichten von MSIF. DieInformation, die wir Ihnen in MS in focus bereitstellen, stellt keinen Ersatz für Beratung, Medikation oder dieEmpfehlung eines Arztes oder anderen medizinischen Fachberaters dar. Spezifische Informationen erhalten Sie vonIhrem behandelnden Arzt. MSIF bewertet, befürwortet oder empfiehlt keine speziellen Produkte oder Leistungen.Es ist uns ein Anliegen, Informationen bereitzustellen, damit die betroffenen Personen eigene Entscheidungentreffen können.

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Vorwort der Herausgeberin

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Ataxie und Tremor beiMS-Patienten: Ein Blickauf die Geschichte

In seinen Vorträgen über sclérose en plaquedisseminée, heute als Multiple Sklerose bekannt,zeigte Jean-Martin Charcot 1868 auf, dass Tremorzu einem der häufigen Symptome dieserErkrankung zählt. Er fügte hinzu, dass man ihn aufkeinen Fall mit dem Tremor der ParkinsonschenKrankheit verwechseln darf. Die Präsentation desFranzosen zielte tatsächlich darauf ab, dieUnterschiede zwischen diesen Tremor-Typenaufzuzeigen. Bei seiner Beschreibung derSymptome von MS begann er mit dem Tremor. Er beschrieb dabei den Fall der Mademoiselle V,einer jungen Frau (31). Der Tremor trat imGegensatz zum Parkinsonschen Tremor nicht auf,wenn sie ruhte. Wenn sie aber ein Glas zum Mundhob, dann wurde er spürbar und führte dazu, dasssie das Wasser verschüttete. Der Tremor war, soCharcot, ein bewusster Tremor, der sichverschlimmerte, wenn eine Aktion ausgeführtwerden soll, jedoch nicht spürbar war, wenn dasentsprechende Körperteil nicht eingesetzt wurde.Dieser Tremor trat aber nicht nur bei MS, sondernauch bei anderen Erkrankungen auf. Obwohl ersich auf eine Beschreibung des Tremors in Armenund Händen konzentrierte, gab er auch an, dassdieser Tremor auch im Rumpf, am Kopf oder in denBeinen, ja, sogar in der Sprachmuskulaturauftreten kann, was zur charakteristischen

Dysarthrie (abgehackten Redeweise) führt.

Charcot erklärte, dass der MS-Tremornormalerweise ein spätes Symptom darstellt, wenner überhaupt auftreten sollte, obwohl er ihndurchaus in seltenen Formen auch im frühenStadium beobachten konnte. Er fügte hinzu, dassPersonen mit Tremor bei MS-Erkrankung oft auchan Ataxie leiden. Sein Schüler, Georges Gilles de laTourette (heute für seine Beschreibung desTourette-Syndroms bekannt), zeichnete den Gangvon ataktischen Patienten auf, indem er sie überlange Bahnen Papier gehen ließ und ihnen vorherdie Fußsohlen eingefärbt hatte.

Charcot ging davon aus, dass MS fast allenverfügbaren Therapieformen widerstand, dass sieaber vielleicht behandelbar würde, wenn man mehrüber den zugrunde liegenden Mechanismus derErkrankung in Erfahrung bringen könnte. In derSalpêtrière, dem großen französischenKrankenhaus in Paris, in dem Charcot tätig war,bemühte man sich um eine Behandlungsmethodefür die MS-Patienten. Bei Ataxie band man diePersonen in einen Halteapparat, der sie mitGürteln über der Brust und unter den Armenfestband und so in aufrechter Position hielt.

Später haben die Wissenschaftler

Jock Murray, Professor Emeritus, Dalhousie

University, Dalhousie MS Research, Halifax,

Neuschottland, Kanada

Man darf den Tremor bei MS nicht mitdem Tremor der ParkinsonschenKrankheit verwechseln.

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herausgefunden, dass die häufigsten Vorkommenvon Tremor und Ataxie bei MS-Patienten aufVerletzungen des Kleinhirns und den damitverbunden Strukturen zurückzuführen sind. DasKleinhirn bezeichnet einen Bereich im Gehirn, derfür die Koordination der Muskelbewegungenzuständig ist. Der bewusste Tremor, wie er vonCharcot beschrieben wurde, geht normalerweiseauf Fasern zurück, die das Kleinhirn verlassen. Einenglischer Neurologe aus dem frühen 20. Jh., SirGordon Holmes, beschrieb, dass beimIntentionstremor mit Kleinhirnbeteiligung Fehlerbei der Wiederholung, der Reichweite, derRichtung und der Bewegungskraft auftreten. DieNeurologen entwickelten spezifische Tests, mitdenen der Tremor untersucht werden konnte. Derbekannteste davon ist der Finger-Nase-Test (sieheSeite 11) und der Fersen-Schienbein-Test.

Obwohl der Kleinhirntremor der bekanntesteTremor bei MS-Patienten ist, treten manchmalauch andere Formen von Tremor auf. Jeder vonuns hat einen physiologischen Tremor, der bei denmeisten Menschen mit ausgestreckter Hand nurschwer zu erkennen ist und sehr viel deutlicherwird, wenn man nervös wird (oder wenn man einBlatt Papier auf die Hand legt, um ihn sichtbarer zumachen). Bei einigen ist er sehr ausgeprägt undwird dann als essentieller Tremor bezeichnet, oftliegt er in der Familie. Er tritt an den Händen, demKopf oder an der Stimme auf (wie z. B. bei derSchauspielerin Katherine Hepburn). Wenn dieSensibilität verloren geht, dann kann bei MS-Erkrankten der Fall auftreten, dass ihre Händeinstabil werden, wenn sie nicht genau darauf achtgeben und Ataxie aufritt, da sie nicht genauwissen, wo sie ihre gefühllosen Füße hinstellen(sensible Ataxie). Um den sensiblen Tremor undeine sensible Ataxie zu kompensieren kann einePerson auf ihre Hände achten, wenn sie eineAufgabe ausführen oder beim Laufen nach untenschauen. Er oder sie wird unter Umständen auchMöbel oder die Wand anfassen, um ein besseresGefühl für die eigene Position im Raum zuerhalten.

Um den Status einer Person mit MS zu

dokumentieren wird die Extended Disability StatusScale (EDSS) eingesetzt, die von Dr. John Kurtzkeentwickelt wurde und die unter anderem auch dieKleinhirnbeteiligung auf der Skala mit einbezieht.Die Bewertung reicht von Null mit keinerleiBeteiligung bis zu sechs für eine hohe Beteiligungund behinderndem Tremor und Ataxie. Falls dieentsprechende Person auch überSchwächeanfälle, Spasmen oderSensibilitätsverlust klagt, dann ist dieBalancefähigkeit unter Umständen ebenfallsbetroffen und auch diese werden auf anderenBereichen der Skala vermerkt.

Während des 20. Jahrhunderts haben Neurologen,die die Beschreibung von Charcot verfolgt haben,bestätigt, dass Tremor und Ataxie sehr schwer zubehandeln sind und den Patienten schwerbehindern. Die Basis des Tremors und der Ataxiewar die fehlende Koordination derMuskelbewegungen, die zu instabilenBewegungen der Extremitäten und andererMuskelgruppen führt.

Im Laufe der Jahre wurden unzähligephysiotherapeutische und rehabilitative Techniken

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Jean-Martin Charcot

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ausprobiert, viele davon erfolglos. Dabei sollte manaber nicht vergessen, dass ein derartiges Trainingbei schwach ausgeprägten Krankheitsverläufendurchaus hilfreich sein kann. In den vergangenen 5Jahren wurden darüber hinaus verschiedeneVersuchsreihen durchgeführt, bei denenMedikamente wie Beruhigungsmittel,Entkrampfungsmittel, ein Abführmittel mit NamenAcetozolamide, hohe Dosen eines Anti-Tuberkulosemedikamentes Isoniazid undverschiedene Anti-Parkinsonmedikamente zumEinsatz kamen. Diese haben jedoch keine wirklichzufrieden stellenden Resultate erbracht.Betablocker, wie sie zum Beispiel bei hohemBlutdruck eingesetzt werden (Propranolol), könneneinen schwachen Tremor reduzieren, sind jedocham effektivsten bei einem physiologischen undessentiellen Tremor (das erklärt auch deren Einsatzbei einigen öffentlichen Rednern und Musikern, beidenen ein Tremor als Folge von Lampenfieberauftritt. Der Einsatz dieser Medikamente wurde beiolympischen Sportarten wie Schießen verboten, da

die Athleten sie benutzt haben, um ihrenphysiologischen Tremor zu beruhigen).

Körperliche Methoden wie Training und Schulung,um die fehlende Koordination zu kompensieren,können sehr hilfreich sein. Die Stabilisierung einesKörperteils durch Stützen eines Gelenks kanndann hilfreich sein, wenn zum Beispiel ein Ellbogenbei der Benutzung der Hand abgelegt wird. DasHinzufügen eines dritten oder vierten Punktesbeim Gehen durch einen Stock oder eine Gehhilfehilft bei instabilem Gang. Gewichte an denHandgelenken unterstützen in einigen Fällen dieBewegungen. Eine Kopfstütze hilft bei Kopftremor.Bei starkem Tremor wurde in einigen Fällen aucherfolgreich auf neurochirurgischem Gebietbehandelt. Dies wurde besonders erfolgreich beider Parkinson-Erkrankung und anderenBewegungsstörungen eingesetzt, insbesondere,dann, wenn eine Seite stärker befallen ist.Normalerweise ist diese Behandlungsmethodeaber nicht für MS-Patienten geeignet, da es dabeizu einer weiteren Verletzung kommt und potenziellschwere Komplikationen auftreten können.

Diese Ausgabe soll einen Uberblick geben überdas allgemeine Verständnis und die Behandlungvon Ataxie und Tremor. Dr Marcus Koch wird diePathophysiologie vorstellen, die Tremor und Ataxiezugrunde liegt und Dr Sundus Alusi wird erklären,wie sie bewertet und gemessen werden kann. DrRoger Mills wird die pharmakologischeHerangehensweise der Ataxie- und Tremor-Behandlung vorstellen, sowie die chirurgischenAnsätze, die in einigen Fällen empfohlen werden.Dr Guy Nagels wird die Versuche vonRehabilitationsansätzen erklären, mit denen dieseSymptome behandelt und kompensiert werdenkönnen.

Obwohl Ataxie und Tremor nicht alle MS-Patientenbefallen, stellen sie doch für den Fall, dass sieauftreten, ein schwer wiegendes Problem für dieBetroffenen dar. Wir hoffen, dass die praktischenund nützlichen Tipps in dieser Ausgabe fürdiejenigen, die sich mit diesen Symptomenauseinander setzen müssen, hilfreich sind.

Halteapparatur, die an der Salpêtrière bei Ataxieeingesetzt wurde

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Während Schwäche und Spasmendie Bewegungsfhigkeit derExtremitäten direkt beeinflussen,wirken sich Ataxie und Tremor selbstdann auf die Bewegung aus, wenndie betroffene Person sich gesundund kräftig fühlt.

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Welche Schwierigkeitentreten bei Tremor und Ataxie bei MS-Patienten auf?EinführungFast alle Personen mit MS entwickeln im Laufe ihrerErkrankung Koordinationsproblemeunterschiedlicher Ausprägung. Während Schwächeund Spasmen die Bewegungsfähigkeit derExtremitäten direkt beeinträchtigen, wirken sichAtaxie und Tremor auch dann auf die Bewegungaus, wenn die Kraft normal ist.

Menschen mit Ataxie verlieren die Kontrolle überihre Bewegungen. Es fällt unter Umständen auchschwer, eine Bewegung bewusst zu beginnen oderzu beenden. Während Ataxie alle Bewegungeneines Körpergliedes beeinträchtigt, fällt siebesonders bei spezifischen Bewegungen, wieSchreiben, Tippen, das Benutzen von Messern, dieArbeit mit der Computermaus oder dem Greifennach kleineren Objekten auf.

Tremor ist eine rhythmische Zitterbewegung, diemeist die Arme und Hände bei MS-Patienten befällt.Tremor in MS ist oft mit Ataxie verbunden und kann

Marcus Koch, MD PhD, Universitair Medisch Centrum Groningen, Groningen, Holland

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die Durchführung aller Aufgaben beeinflussen, dieeine ruhige Hand voraussetzen.

Wie häufig kommen Tremor und Ataxie beiMS-Patienten vor?Ataxie und Tremor sind häufig auftretendeSymptome bei MS. Im Rahmen einer Studie fandman heraus, dass vier von fünf Personen mit MSirgendwann im Verlauf ihrer Erkrankung an Ataxieleiden. Eine andere Studie zeigt auf, dass etwa einDrittel einer großen Gruppe von Personen mit MSteilweise so schwer an Ataxie und Tremor zu leidenhatte, dass diese ihre Funktionsfähigkeit nachhaltigbeeinträchtigte.

Die häufigsten Formen des Tremors bei MS-Patienten sind der Tremor, der auftritt, wenn maneinen Arm oder ein Bein gegen die Schwerkraft(Haltetremor) hält und der Tremor, der mit einerzielgerichteten Bewegung einher geht, wenn wir z.B. nach einem Objekt greifen (Intentionstremor). DerIntentionstremor an den Händen kann dieLebensqualität besonders beeinträchtigen, da dieZitterbewegungen stärker werden, je näher wir demObjekt kommen (wenn man z. B. die Brilleabnehmen oder nach einem Glas greifen möchte).Tremor tritt in etwa einem Viertel bis zu einer Hälftealler Personen mit MS auf, zeigt jedoch nur bei etwaeinem Zehntel wirklich starke Ausprägungen.

Welche Ursachen haben Ataxie und Tremor?MS ist eine Erkrankung, die Schäden an

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verschiedenen Bereichen im Gehirn und imRückenmark verursacht. Dieser Umstand macht esausgesprochen schwierig, ein Symptom einembestimmten geschädigten Bereich zuzuordnen undso die tatsächliche Ursache einzelner Symptome zuuntersuchen. Man geht heute jedoch davon aus,dass Ataxie, Intentionstremor und Haltetremor alleauf eine Schädigung des Kleinhirns (siehe Bildgegenüber) und seinen Verbindungenzurückzuführen sind, vor allem, weil diese Symptomebei MS denen anderer Erkrankungen des Kleinhirnsähneln. Ein Teil dieser Erkenntnisse wurde inverschiedenen Studien gewonnen, bei denen manherausfand, dass die Beeinträchtigung durch Ataxiebei MS in enger Beziehung zum Grad derBeschädigung des Kleinhirns steht.

Normale, koordinierte BewegungUm eine koordinierte Bewegung mit einem Arm,Bein, den Händen oder den Füßen durchzuführen(wie zum Beispiel das Aufheben eines Stiftes oderdas Fassen einer Tasse), müssen die Muskeln imjeweiligen Körperteil präzise miteinander koordiniertwerden. Die Aktivierung von Muskeln mitentgegenwirkenden Aktionen muss präzise zeitlich

abgepasst werden, damit sie sich nicht gegenseitigbehindern. Diese präzise Steuerung wird durch einNetzwerk von Nervenzellen im Kleinhirn undanderen Regionen des Nervensystems koordiniert,die Informationen über die Position des Körperteilsund die Aktivierungsebenen der Muskelnverwenden, um einen Plan für eine angemesseneBewegung aufzustellen.

Das Kleinhirn ist bei diesem Netzwerk vonentscheidender Bedeutung und vollbringt einenGroßteil der tatsächlichen Verarbeitungsaufgaben.Einen Eindruck von der Schwierigkeit und derKomplexität dieser Aufgabe erhält man, wenn mansich bewusst macht, dass das Kleinhirn etwa dieHälfte aller Nervenzellen im Gehirn für sichbeansprucht.

Das Kleinhirn: ● erhält detaillierte Informationen über diedreidimensionale Position der Extremitäten undGelenke und über die Aktivierung der Muskeln überdas Rückenmark; ● verarbeitet diese Informationen; ● entwickelt einen Plan für den nächsten

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Bewegungsablauf, und● kommuniziert diesen Plan den Regionen desGehirns, die für die Steuerung der Bewegungverantwortlich sind.

Eine vereinfachte Darstellung dieses Netzwerkeswird auf Bild 1 (oben) dargestellt. Jeder kleineSchritt einer ausgeführten Bewegung wird überdiese Feedback-Schleife verarbeitet und sorgt so füreinen insgesamt harmonischen Bewegungsablauf.

Was geht bei MS schief?Das Netzwerk des Kleinhirns und seinerVerbindungen ist relativ weit gefasst und umfasstdas Rückenmark, das Kleinhirn und weitereRegionen des Gehirns. Schäden an den einzelnen

Komponenten dieses Netzwerkes können relativeinfach zustande kommen. So kann es vorkommen,dass sich demyelinisierende Plaque im Kleinhirnoder in einem der Verbindungswege des Kleinhirnszu anderen Komponenten des Netzwerks aufbaut.Solcherlei Schäden erschweren die Arbeit desgesamten Netzwerks und führen zuKoordinationsstörungen: Ataxie.

Intentionstremor wird eng mit Ataxie in Verbindunggebracht und entsteht ebenfalls durchSchädigungen desselben Systems. Die Ursache fürHaltetremor in MS ist noch nicht gänzlich erforscht.Man geht aber davon aus, dass Schädigungen imKleinhirn und seinen Verbindungen ebenfalls einewichtige Rolle bei der Entwicklung dieser Form desTremors spielen.

FazitAtaxie und einige Formen des Tremors sind relativhäufige Probleme, die bei Personen mit MSauftreten. Ataxie und wahrscheinlich auch Tremorbei MS sind das Resultat einer Schädigung desKleinhirns und seiner Verbindungen, die einhochkomplexes Netzwerk von Nervenzellen imGehirn und Rückenmark bilden. Diese Symptomekönnen die Patienten erheblich einschränken undstellen in der MS-Behandlung eine echteHerausforderung dar.

Das Kleinhirn enthält etwa die Hälftealler Nervenzellen im Gehirn.

cerebellum

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Bild 1: Netzwerk des Nervensystems

Gehirnregionen, die fürdie ewegungskoordination

zuständig sind

Kleinhirn

Rückenmark

Verarbeitet Information für dennächsten Bewegungsschritt

Information über diedreidimensionale Position

des Körperteils

Koordinierte Bewegung

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Bewertung undMessbarkeit vonTremor und Ataxie beiMS-Erkrankten

Einführung Tremor ist die unfreiwillige Zitterbewegung einesKörperteils. Bei MS kann Tremor in einer mildenForm auftreten. Wenn er stärker ist, dann führt erzu erheblicher Behinderung. Ataxie ist eingriechisches Wort und bedeutet Fehlen vonOrdnung. In der Medizin wird dieser Begriffverwendet, um die fehlende Koordinationbewusster Bewegungen zu beschreiben. Bei MSkann die Ataxie die Bewegung der Augen, dieSprache, die Bewegung von Extremitäten, dasStehen und Gehen beeinträchtigen.

Warum muss Tremor bewertet werden? Den Einfluss des Tremors auf das Leben einerPerson zu bewerten ist absolut entscheidend fürden Umgang mit diesem Symptom. BestimmteArten von Tremor sprechen besser aufmedizinische oder chirurgische Eingriffe an. Es istdeshalb ausgesprochen wichtig, den Tremor-Typund dessen Schweregrad zu kennen umunangepasste Behandlungen und unnötigeNebenwirkungen zu vermeiden.

Bewertung von Tremor-Charakteristika Die Bewertung von Tremor in den Armen Wenn der Tremor bewertet wird, stellt derUntersuchende folgende Fragen: ● Ist der Tremor präsent, wenn sich dieArmmuskulatur in einer entspannten Positionbefindet (Ruhetremor)?● Wird der Tremor aktiviert, während man eine

Sundus Alusi, The Walton Centre for

Neurology und Neurosurgery, Liverpool,

Großbritannien

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Haltung mit Schwerkraftbelastung einnimmt(Haltetremor)?● Verstärkt sich der Tremor, wenn man dasbetroffene Körperglied auf ein Ziel hinbewegt(intentionaler oder aufgabenspezifischer Tremor)? ● Ist einer oder sind beide Arme betroffen?● Handelt es sich um einen distalen (derhauptsächlich Hände oder Handgelenke befällt)oder proximalen (der hauptsächlich die Schulterbefällt) Tremor?● Wie weit ist die damit verbundene Ataxieausgeprägt?Bei den meisten Personen mit MS-bezogenemTremor ist die unfreiwillige Bewegung präsent,wenn sie versuchen, die Haltung zu bewahrenund/oder bei dem Versuch, eine Bewegungauszuführen. Der Ruhetremor tritt bei MS imGegensatz zur Parkinsonschen Krankheit so gutwie nie auf.

Untersuchung des Armtremors bei MSHaltetremor wird am besten bewertet, wenn diePerson die Arme zunächst gerade vor sichausstreckt und dann den Ellbogen beugt. Dieintentionale Komponente des Tremors wirdbewertet, indem man die Person bittet, die Handzwischen zwei festen Punkten hin- und her zubewegen (z. B. der Finger-an-die-Nase-Test).Wenn das Zittern stärker wird, je näher der Fingerdem Ziel kommt, dann wird der Tremor alsintentional bezeichnet.

Bewertung des den Kopf, Rumpf und Beinebefallenden Tremors.Kopftremor bei MS ist meist vom Typ "ja-ja"(Nicken). Er wird normalerweise nicht mit deranormalen Kopf- und Halsposition (Dystonie) inVerbindung gebracht, obwohl eine leichte Neigungdes Kopfes oft sichtbar ist. Der Tremor endet, wennder Kopf ruht, z. B. wenn er auf einem Kissen liegt.

Rumpftremor kann eine Begleiterscheinung desKopftremors sein und wird bewertet, während derPatient steht oder ein paar Schritte geht.Beintremor wird am besten gemessen, wenn diePerson liegt und das Bein hebt. Diese Methodeeignet sich besser als den Beintremor beim Gehen

zu bewerten, weil es sich um einen Haltetremorhandelt.

Stimmtremor ist eher ein Charakteristikum desessentiellen Tremors statt der MS, aber er kommtzuweilen auch bei MS vor (er unterscheidet sichjedoch vom dystonen Tremor, der weiter untenbeschrieben wird). Man bewertet den Stimmtremornormalerweise, indem man die Person bittet, eineNote zu halten. Gesichtstremor kommt bei MS sogut wie nie vor. Unterkiefer-, Kinn- undZungentremor treten gar nicht auf.

Die Bewertung des Tremors bei MSDer Stärkegrad des Tremors kann mit den obenaufgeführten Untersuchungen bestimmt werden.Man verwendet dabei einfache Skalen von 0 bis10, bei denen die Null für keinerlei Tremor stehtund 10 den höchsten Stärkegrad darstellt.

Der Tremor kann außerdem bewertet werden,indem man seine Auswirkungen auf die

Der Finger-zur-Nase-Test.

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Handfunktionen einer Person untersucht. Dazuzählten die Handschrift, das Zeichnen einer Spirale(siehe unten), oder das Halten einesWasserglases. Diese Funktionen können ebenfallsauf einer Skala bewertet werden.

Das Zeichnen einer Spirale ist eine nützlicheMethode, um den Stärkegrad eines Armtremors zudiagnostizieren, insbesondere, wenn es sich umeinen schwachen oder mittelschweren Tremorhandelt. Bei schwerem Tremor ist diese Methodeweniger sinnvoll.

Die Auswirkungen des Tremors auf dasAlltagsleben des Patienten kann über die ATL(Aktivitäten des täglichen Lebens)-Bewertungfestgelegt werden.

AtaxieAugenbewegungen Um zu bewerten, ob die Ataxie die Bewegung derAugen beeinflusst, bittet man die Person darum,erst gerade nach vorne und dann in verschiedeneRichtungen zu blicken. Die Präsenz vonNystagmus (unkontrollierbare, rhythmische

Bewegungen der Augäpfel) deutet auf Ataxie hin.

SpracheWenn die Sprache von Ataxie beeinflusst wird,dann klingt sie undeutlich und wird Dysarthriegenannt. Der Schweregrad von Dysarthrie wird aufeiner einfachen Skala von 0 bis 4 bewertet (Nullfür normale Sprache, vier für nicht verständlich).

ArmbewegungenDie fehlende Koordination von Armbewegungenkann bewertet werden, indem man die Personbittet, alternierende Handbewegungenauszuführen. Eine verlangsamte oder unmöglicheAusführung dieser Bewegungen deutet auf Ataxiehin und wird Diadochokinese genannt. DerSchweregrad wird ebenfalls auf einer einfachenSkala bewertet. Die Skalen, die entwickelt wurden,um die Armfunktion zu bewerten, sind auchwertvolle Mittel, um den Schweregrad derfehlenden Koordination zu bewerten.

Haltung und GangUm zu bestimmen, inwieweit die Ataxie den Rumpfbefallen hat misst man die Fähigkeit einer Person,mit oder ohne Hilfe zu stehen.

Auf ähnliche Weise ist es sinnvoll, die Entfernungund die Geschwindigkeit zu messen, mit der einePerson mit oder ohne Hilfe gehen kann. DieseMessungen deuten allerdings nicht unbedingt aufAtaxie hin, da sie auch auf eine Schwäche derBeine oder auf Taubheit in den Beinenzurückgeführt werden können. Nichtsdestotrotzstellen Tests wie z. B. der „100 Meter Gehen aufZeit”-Test ein wichtiges Mittel dar, um dieAuswirkungen von Ataxie auf die Mobilität und dieFähigkeit der Durchführung alltäglicherBewegungen zu bewerten.

ZusammenfassungDie Bewertung von Ataxie und Tremor und derenSchweregrad, aber auch die Bewertung derAuswirkungen dieser Symptome auf das Lebeneiner Person ist von entscheidender Bedeutung fürdie Behandlung und sollten prioritär behandeltwerden.

Von einer Person mit MS-Tremor gezeichneteSpiralen unter Verwendung der rechten undlinken Hand.

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Bei den meisten Personen mit MS-bezogenem Tremor ist die unfreiwilligeBewegung präsent, wenn sieversuchen, die Haltung zu bewahrenund/oder bei dem Versuch, eineBewegung auszuführen.

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Die Behandlung vonTremor und AtaxieRoger Mills, Abteilung für Neurologie,

Queens Medical Centre, Nottingham,

Großbritannien

EinführungAtaxie und Tremor gehören zu den amschwierigsten zu behandelnden Symptomen derMS. Neben Rehabilitation werden meist auchMedikamente eingesetzt. Auch gehirnchirurgischeEingriffe werden unternommen, wenn auch nicht sohäufig.

Medikamentöse BehandlungIn den vergangenen 25 Jahren wurdenverschiedene Medikamente für die Behandlung von

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Tremor und Ataxie entwickelt und eingesetzt.Überraschenderweise wurden nur wenige davondurch randomisierte und kontrollierte klinischeStudien getestet, was normalerweise als besteMethode gilt, um die Wirksamkeit einer bestimmten

Behandlungsmethode zu bewerten. Das macht dieEmpfehlung einer bestimmten Art von Behandlungäußerst schwierig.

Nur eines der Medikamente, Isoniazid (auch als INHbekannt), wurde in randomisierten und kontrollierten

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Ataxie und Tremor gehören zu den amschwierigsten zu behandelndenSymptomen der MS.

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klinischen Studien bewertet und scheint zumindesteinen geringfügigen Einfluss auf den Tremor zuhaben. Diese Studien bezogen allerdings nur einekleine Anzahl an Versuchspersonen ein. Isoniazidwurde bereits 1950 für die Behandlung vonTuberkulosepatienten entwickelt. Es kannNebenwirkungen haben, die sich evtl. auf Leber und

periphere Nerven (die Nervenenden in den Armenund Beinen) auswirken und muss deshalb mitVitamin B6 (Pyrioxin) eingenommen werden, umdem vorzubeugen. Eine typische Dosis von Isoniazidbei der Behandlung des Tremors beträgt 1.200 mgpro Tag.

Es gibt zwei Medikamente, deren Wirksamkeit beiTremor und Ataxie in MS-Patienten widerlegt wurde.Das erste ist Cannabis und auf Cannabisbasierende Medikamente. Es sind mehrere klinischeStudien zur Behandlung verschiedener MS-

Symptome mit Cannabis durchgeführt worden, alleStudien ergaben jedoch, dass der Tremor damitnicht gemildert werden konnte. Das zweiteMedikament ist Baclofen, das normalerweise für dieBehandlung von Spastizität, Spasmen undKrämpfen bei MS eingesetzt wird. Leider scheint esso, als ob die Verbesserung der Spastizität nichtunbedingt auch die Instabilität oder Ataxieverbessert.

Deshalb können wir andere medikamentöseBehandlung leider auch nicht wirklich bewerten; wirsind einfach nicht sicher, wie effektiv sie sind, da wiruns nicht auf adäquat durchgeführte Studien stützenkönnen. Zu diesen Medikamenten zählenMedikamente gegen Epilepsie, wie Levetirazetam,Gabapentin und Carbamazepin. Eine Gruppe vonMedikamenten die auch als 5HT3-Antagonistenbekannt sind, darunter Ondansentron undDolasetron, galten anfangs als sehrvielversprechend, es müssen jedoch erst nochgrößere Studien durchgeführt werden, um ihreEffektivität zu beweisen. Diese Medikamentewerden normalerweise verwendet, um Übelkeit beiKrebspatienten zu bekämpfen und setzen den

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Verschiedene klinische Studien überCannabis ... haben ergeben, dassCannabis keinen wesentlichen Einflussauf den Tremor hat.

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Serotoninspiegel (ein chemischer Botenstoff imGehirn) runter. Es gibt eine Reihe vonBehandlungen, die bei einem Tremor, der vonanderen Bedingungen (vor Allem der essenzielleTremor) ausgelöst wird, wirksam sind, wie z. B.Betablocker oder sogar Alkohol. Deren Effektivitätbei MS-Tremor ist jedoch noch nicht klinischbewiesen.

Chirurgische EingriffeEs gibt zwei Arten von Eingriffen, die bei einem MS-Tremor vorgeschlagen werden. Beide basieren aufeiner Veränderung der Aktivität der Nervenzellen imThalamus, einem bestimmten Bereich im Gehirn. Beidem einen Eingriff, einer Thalamotomie, wird einDraht in den Thalamus eingeführt und die Spitze desDrahtes erhitzt (oder eisgekühlt), um dieNervenzellen dort dauerhaft zu zerstören. Bei demanderen Eingriff handelt es sich um eine Stimulationder tieferliegenden Gehirnschichten. Dabei wird einDraht in den Thalamus eingeführt, der an einenSchrittmacher angeschlossen ist, der wiederumunter der Haut in der Nähe des Schlüsselbeinseingesetzt wird. Schwachstrom wird durch den Drahtgeleitet und damit die Nervenzellen kurzfristigblockiert. Die Intensität der Stimulation kannangepasst oder bei Bedarf auch ausgeschaltetwerden.

Kurzfristig erweisen sich diese Eingriffe alsausgesprochen effektiv bei der Behandlung des

Tremors. Es gibt jedoch ein paar Nachteile. Zunächsteinmal bestehen bei einem Eingriff in das Gehirnpotenzielle Risiken wie Gehirnblutungen,Gehirnschlag oder sogar Tod. Zum Zweiten sind sienur bei bestimmten Tremortypen erfolgreich undeine Person mit MS muss ansonsten auch fit genugsein, um die Operation durchführen lassen zukönnen. Das bedeutet, dass der Eingriff auf keinenFall für jeden Patienten mit MS-Tremor in Fragekommt. Drittens kommt es vor, dass die Effekte derThalamotmie oder der Stimulation tieferliegenderGehirnschichten nach sechs Monaten anWirksamkeit verliert und sich keine allgemeineVerbesserung des Zustandes der MS-Patienteneinstellt. Aus diesem Grund ist es ausgesprochenwichtig, dass sich Patient, Neurologe undNeurochirurg intensiv beraten, ob der chirurgischeEingriff eine sinnvolle Option darstellt oder nicht.

FazitTremor und Ataxie gehören zu den wahrscheinlichbehandlungsresistentesten Symptomen der MS, dieden Patienten am meisten einschränken. Es gibtbisher wenig Hinweise darauf, dass aktuelleBehandlungsmethoden auf lange Sicht wirksamsind. Das bedeutet nicht, dass keine Hoffnungbesteht, dass man eine solche Behandlung nichtfinden wird, vor allem, da sowohl neue Medikamente,als auch neue chirurgische Techniken entwickeltund getestet werden und man immer mehr über dieUrsachen von Tremor und Ataxie lernt.

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Die Rolle derRehabilitation aufTremor und Ataxiebei MS-Patienten

Die Bewertung von Tremor und Ataxie bei derRehabilitation sollte eine Beschreibung derklinischen Symptome, eine Bewertung desSchweregrades des Problems, aber auch eineBeschreibung der Auswirkungen dieser Symptomeauf den Alltag der Person mit MS in Bezug auf dieKörperpflege, die Durchführung häuslicherAktivitäten und die Teilnahme an gesellschaftlichenAktivitäten umfassen.

Während quantitative Messungen bei der Bewertungim Hinblick auf die Behandlung von Tremor undAtaxie in MS wichtig sind, ist eine statistischsignifikante Veränderung bei einer Messung nichtunbedingt von klinischer Bedeutung für die Person.Auf der Bewertungsskala für den Tremor kann es sozum Beispiel vorkommen, dass sich eine statistischeVerbesserung abzeichnet. Das muss sich jedochnicht unbedingt mit der subjektiven Empfindung desPatienten decken. Aus diesem Grund ist esunbedingt erforderlich, die Auswirkungen von Tremorund Ataxie auf den Alltag der Person zu bewerten.

Es liegen uns noch kaum Studien über die Effizienzvon Neurorehabilitation (oder Physiotherapie) bei

Ataxie und Tremor vor. Die meisten Studien wurdenmit einer relativ kleinen Anzahl von Personen mitverschiedenen methodologischenHerangehensweisen durchgeführt. Die CochraneCollaboration (siehe rechts) hat eine Untersuchungder Therapien für Ataxie und Tremor bei MSdurchgeführt, die pharmakologische und nicht-pharmakologische Behandlungen einschließt. In dieUntersuchung wurden auch drei vergleichendeStudien über Neurorehabilitation mit einbezogen. Eswurden keine standardisierten Ergebnismessungenfür die Studien verwendet. Obwohl einige Studien

Dr Guy Nagels, Abteilung für Neurologie,

Nationales MS-Zentrum, Melsbroek,

Belgien

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Die Cochrane Library ist eine Sammlung vonDatenbanken, die qualitativ hochwertigeInformationen über Behandlungsmethoden mitnachgewiesener Wirksamkeit enthält, welche dieMediziner bei der Entscheidungsfindungunterstützen. Die so genannte Cochrane Reviewssind systematische Übersichtsarbeiten, die sichmit einer bestimmten medizinischenFragestellung befassen. Neben den CochraneReviews bietet die Cochrane Library auchweitere Quellen verlässlicher Information, u. A.aus anderen systematischenUntersuchungsreihen, Technology Assessments,wirtschaftliche Untersuchungen und individuelleklinische Berichte - das gesamte Pensumaktueller Studien zu einem speziellen Umfeld.

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vielversprechende Ergebnisse aufzeigten, haben dieAutoren auch angegeben, dass nicht genügendBeweise vorliegen, um mit Bestimmtheit sagen zukönnen, dass die Rehabilitation eine nachhaltigeVerbesserung bei Ataxie und Tremor bringt.

Obwohl Physiotherapie nur mit einer kurzfristigenVerbesserung bei Tremor und Ataxie in Verbindungzu bringen ist, die nur selten über einen längerenZeitraum stabil gehalten werden kann, gibt esdennoch Komponenten der Rehabilitation, diedurchaus hilfreich sein können. Die hierbeschriebenen Techniken können für einigePersonen sehr hilfreich sein, sie heilen aber Tremorund Ataxie nicht vollständig. Ziel dabei ist es, dieSymptome mehr unter Kontrolle zu bekommen undso die Funktionsfähigkeit in unterschiedlichenAuswirkungen zu verbessern.

Eine Fixierung mit Schienen und Spangen, die aneinem Gelenk angebracht werden, stabilisieren dasGelenk in einer Position. Das reduziert dieunwillkürlichen Bewegungen, die durch den Tremorausgelöst werden. Die Positionierung der Spangenhängt von der Aktion ab, die ausgeführt werden soll.Eine Schiene an Fußgelenk oder dem Fuß sorgt fürStabilität beim Stehen. Am Handgelenk, der Handoder dem Arm hilft sie beim Essen, Schreiben und

Aktivitäten des täglichen Lebens

Die Zielsetzung bei der Rehabilitation schwererFälle von Tremor und Ataxie-Symptomen beziehtsich unter Umständen auf die grundlegendenAktivitäten des täglichen Lebens (ATLs), die unteranderem diese Aufgaben umfassen:

● Baden ● An und Auskleiden ● Essen ● Sich vom Bett auf einen Stuhl und zurück zu

begeben ● Kontinenz● Die Benutzung der Toilette ● Gehen (nicht an das Bett gebunden zu sein) Unterstüzende Aktivitäten des täglichen Lebenssind für das grundlegende Funktionieren nichterforderlich, erlauben es der Person aber,innerhalb einer Gemeinschaft weitgehendselbstständig zu handeln: ● Leichte Hausarbeiten ● Das Zubereiten der Speisen ● Die Einnahme von Medikamenten ● Lebensmittel oder Bekleidung einkaufen ● Das Telefon benutzen ● Das eigene Geld verwalten Ergotherapeuten bewerten auch andereBereiche der ATLs, wenn sie die Bewertungeines Patienten durchführen. Dies umfassen 10Bereiche der ATLs, die normalerweise optionalsind und auch von anderenRehabilitationsspezialisten oder Medizinernbewertet werden können: ● Die Betreuung anderer Personen (inkl. die Auswahlund die Überwachung des Pflegepersonals) ● Die Betreuung von Haustieren ● Kindererziehung ● Die Verwendung eines Kommunikationsmittels(zum Beispiel ein Computer) ● Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ● Die Verwaltung der Finanzen● Medizinische Behandlungen und Vorsorge ● Die Zubereitung von Speisen und Aufräumen ● Sicherheits- und Notfallmaßnahmen ● Einkäufe erledigen

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anderen, ähnlich gearteten Aufgaben. Die Fixierungkann auch erreicht werden, indem man den Armverwendet, um das betroffen Körperteil während desTremors zu halten oder indem man den betroffenenArm eng an den Körper hält, was oft hilft, eineKontrolle über die Bewegung zu erzielen.

Eng anliegende Orthesen aus mit Lycra™verstärktem Dehnstoff (Stretch) haben ebenfalls ineinigen Fällen zu Verbesserungen geführt. Obwohles keine spezifischen Beweise im Rahmen derklinischen MS-Studien gibt, geht man davon aus,dass das enge Anliegen Druck auf verschiedeneMuskelgruppen ausübt und so die Propriozeptionsteigert, was wiederum dazu führt, dass man diebetroffenen Körperteile besser wahrnimmt. Hierfürsind jedoch weitere Studien erforderlich.

Das Beschweren mit Gewichten basiert auf derTheorie, dass mehr Muskeln eingesetzt werden, umeinen weiter entfernten Punkt im Körper zustabilisieren, wie zum Beispiel die Hände, wenn einschwereres Objekt verwendet wird. Derentsprechende Körperteil oder das verwendeteObjekt selbst, können mit Gewichten belastetwerden (einige Personen geben an, dass eseinfacher ist, das entsprechende Körperteil zubelasten, andere, das es ihnen leichter fällt, wenn dasObjekt belastet wird). Objekte, wie z. B. mitGewichten versehenes Essbesteck, Tassen undSchreibutensilien, sind im Handel erhältlich. Geräte,die man ohne Hände oder mit der Stimme aktivierenkann, werden ebenfalls angeboten.

Stützen oder Hilfsgeräte können zu Hause oder amArbeitsplatz eingesetzt werden, um die Durchführungvieler Aktivitäten einfacher und sicherer zu machen.Dazu gehören beispielsweise große Türgriffe undgrößere Griffe an den Kochutensilien,Reißverschlüsse statt Knöpfen und rutschfesteUnterlagen unter den Tellern. Zweck dieserHilfsmittel ist es, es der Person weiterhin zuermöglichen, gewünschte Aktivitäten soselbstständig wie möglich auszuführen.

Zielsetzung Die Zielsetzung bei der Rehabilitation sollte immer

personenspezifisch und auf die Aktivitäten destäglichen Lebens (ATL - siehe links) ausgerichtetsein. Das Rehabilitationsteam muss, gemeinsam mitdem Patienten und seiner Familie, die Aktivitätenbewerten, die der Patient während des Tagesausführen möchte.

Meist zählen dazu Aktivitäten in Bezug auf dieKörperhygiene, Essen, Kommunizieren, z. B. dieBenutzung einer Tastatur, der Haushalt, Objektetragen und bewegen und die Teilnahme anbestimmten Freizeitaktivitäten.

Das Rehabilitationsteam muss herausfinden, welchePrioritäten die entsprechende Person setzt und dafürSorge tragen, dass die Ziele realistisch underreichbar sind. Die Ziele sollten aus therapeutischerHinsicht klar definiert, messbar, realistisch und vonder Person als sinnvoll empfunden werden.

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Multiple Skleroseweltweit – Der MS-Atlas

2005 stellten MSIF und dieWeltgesundheitsorganisation (WHO) fest, dasstrotz der erheblichen medizinischen,gesellschaftlichen und wirtschaftlichenHerausforderungen, denen sich MS-Patientenstellen müssen, noch viel zu wenig über dieUrsachen, die Häufigkeit unddie Verteilung (Epidemiologie)in allen Ländern mit einersignifikanten Anzahl von MS-Fällen bekannt ist und nochweniger über die Ressourcen,die in diesen Ländern für dieDiagnose, die Information,Behandlung, Rehabilitationund Unterstützung fürMenschen mit MS zurVerfügung stehen.

Aufgrund dessen haben sichMSIF und die WHO zwischen2005 und 2008 darum bemüht, eine Studie ineinem bisher nie dagewesenen Umfang zuerstellen. Die Daten und Informationen über dasAuftreten von MS rund um den Globus und dieVerfügbarkeit von Ressourcen, um Menschen mitMS entsprechende Leistungen und Unterstützungzur Verfügung zu stellen, wurden aus über 100Ländern zusammengetragen. Das entspricht etwa88 Prozent der Weltbevölkerung.

Zu den wichtigsten Themen gehören dabei:

● Epidemiologie: Verbreitung, Auftreten,Gesamtzahlen, durchschnittliches Alter zu derErkrankungsbeginn und das Verhältnis vonMännern/Frauen ● MS-Organisationen● Diagnose

● Information● Unterstützung und Leistungen● Medikamente undBehandlungsmethoden● Personelle Ressourcen● Anspruch aufBehindertenstatus,Gesetzgebung undSozialversicherung● Wichtigste Herausforderungen,denen sich MS-Patienten undihre behandelnden Ärzte stellen

MSIF und WHO stellten den MS-Atlas, am 17. September 2008

während des Weltkongresses zu Therapie undForschung bei Multipler Sklerose in Montreal,Kanada, vor.

In diesem Bericht werden entscheidendeUnterschiede zwischen den Ländern in Bezug aufdie Verfügbarkeit von Informationen und dieUnterstützung von MS-Patienten, sowie auf denZugang zu ausgebildetem und spezialisiertemmedizinischen Personal, Diagnoseausrüstung, wie z.B. MRI-Scanner, und die Behandlungsmethoden

Paul Rompani, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender, MSIF

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und Therapien aufgezeigt, die Symptome erleichternund den Verlauf der Erkrankung entscheidendbeeinflussen könnten. Der Bericht zeigt deutlich,dass trotz der Begrenzungen in Bezung auf dieDatenerfassung:

● Kein Land ausreichende Ressourcen bereitstellt; ● in vielen Ländern die verfügbaren Ressourcenunzureichend sind; und● die Verfügbarkeit von Ressourcen je nach Landsehr unterschiedlich ist, und zwar innerhalb allerRegionen und weltweit.

Zu den vielen Empfehlungen, die im MS-Atlasgegeben werden, gehört auch ein Aufruf an dieRegierungen: ● Dass Gesetze verabschiedet werden müssen, umdas „Informationsdefizit” über MS in derOffentlichkeit, bei Arbeitgebern und demmedizinischen Fachpersonal zu verbessern; ● mehr in Diagnoseausrüstung,Rehabilitationsangebote und die weltweiteForschung investiert werden muss; und● die Hilfsstrukturen und der Zugang zumArbeitsmarkt für Menschen mit MS verstärkt werdenmüssen.

Der MS-Atlas informiert übe die globale MS-Situation, ermutigt zu weitergehender Erforschung

der Erkrankung und zur Datenerfassung und ist einwichtiges Mittel, um einzelne Initiativen dabei zuunterstützen, die Öffentlichkeit zu informieren undentsprechende Leistungen und Hilfen einzufordern.

Der Wert des MS-Atlas liegt darin, dass hierEindrücke und Meinungen durch Fakten und Zahlenersetzt werden. Die Studie enthält spezifischeInformationen für die Arbeit des medizinischenFachpersonals, bestimmter Patientengruppen, derGesundheitsorganisationen, Gesetzgeber und derRegierungen und informiert über nationale undregionale Gegebenheiten und Entwicklungsvorgaben.

Den MS-Atlas können Sie als PDF unterwww.msif.org/atlasofms (Englisch) herunterladen,oder, wenn Sie eine gedruckte Kopie wünschen,diese unter [email protected] anfordern.

Alle Daten die für die MS-Atlas-Studie erfasstwurden, werden mit Karten, Tabellen und Grafiken inder Online-Datenbank www.atlasofms.org dargestellt.

2009 wird MSIF diese Daten noch einmalaktualisieren und sie in der Online-Datenbankveröffentlichen. Weitere Informationen erhalten Sei inunserem wöchentlich erscheinenden NewsletterMaking Connections unter www.msif.org/subscribe.

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Häufig gestellte FragenDer Herausgeber, Michele Messmer

Uccelli, beantwortet Ihnen hier Ihre Fragen

über Ataxie und Tremor

F. Ich verwende bei meiner Arbeit scharfeInstrumente und nach einem nicht durch MSverursachten Sturz setzte mich meinArbeitgeber schwer unter Druck, ausSicherheitsgründen zu kündigen, da ich ab undzu einen Tremor habe. Kann mir einErgotherapeut helfen? Habe ich ein Rechtdarauf, meinen Arbeitsplatz zu behalten?

AA.. Eine Ergotherapie oder eine ergotherapeutischeTherapeut Bewertung könnte sehr hilfreich sein. Einentsprechender Therapeut kann Ihnen auchRatschläge in Bezug auf unterstützende Hilfsmittelgeben, die einige Aktivitäten (zuhause oder auf derArbeit) einfacher, weniger ermüdend und sicherermachen. Das Recht auf einen Arbeitsplatz wird vonLand zu Land unterschiedlich behandelt. Fragen Siebei Ihrer nationalen MS-Gesellschaft nach, die Ihnenunter Umständen weiterhelfen kann.

F. Kann eine Ernährungsumstellung meinenTremor positiv beeinflussen?

AA.. Leider gibt es bisher noch keine Beweise dafür,dass eine Veränderung derErnährungsgewohnheiten einen Einfluss auf denTremor hätte.

F. Die meisten denken, dass ich Symptome derParkinsonschen Krankheit zeige. Ich habemanchmal Schwierigkeiten beim Essen, oderwenn ich eine Tasse Kaffee tragen muss, ohnezu Zittern. Können Sie mir einen Ratschlaggeben, wie ich diese Aufgaben besserausführen kann?

AA.. Ein Ergotherapeut kann entsprechende Teller,

Essbesteck und Tassen empfehlen, deren Ziel es ist,Unabhängigkeit beim Essen und Trinken zu erhalten.Manchmal sind diese Hilfsmittel sehr teuer und leiderzahlen die gesetzlichen Krankenkassen in einigenLändern solcherlei Hilfsmittel nicht. Sie können dannbei entsprechenden Händlern erworben werden. Siesollten jedoch einen Ergotherapeuten befragen,bevor Sie sich diese Art von Hilfsmitteln zulegen.

F. Meine Ataxie und Tremor haben michgesellschaftlich doch inzwischen sehrausgegrenzt. Ich bleibe immer öfter Zuhause,weil ich mich wegen meiner Verrenkungenschäme. Und anderen geht es ebenso. Braucheich einen Therapeuten?

AA.. Einige MS-Symptome werden mitfortschreitender sozialer Isolation in Verbindunggebracht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass einePerson mit einem auffallenden MS-Symptom wiezum Beispiel Tremor, lieber Zuhause bleibt, als sichan gesellschaftlichen Aktivitäten zu beteiligen. Beivielen Personen mit MS sorgt die Angst vor derSituation oft schon dafür, dass sich Tremor undAtaxie verschlimmern. Gesellschaftliche Situationen,in denen das Selbstbewusstsein einer Personbeeinträchtigt wird, können diese Symptomeebenfalls verschlimmern.

Ein Therapeut kann Ihnen beim Umgang mit demGefühl der Beklemmung und der Scham helfen -Ihrer eigenen und der der anderen. Ein Besuch beieinem Neurologen oder einem Arzt kann evtl. eineBehandlung zur Folge haben, die zumindest einenpositiven Effekt auf Ihre Symptome haben könnte.Die Bewertung durch einen Ergotherapeuten kannIhnen dabei helfen, sich darüber klar zu werden, wieSie mit Tremor und Ataxie in Gesellschaft umgehen.Mit anderen Worten: die Symptome, an denen Sieleiden, und deren negative Auswirkungen auf Ihrgesellschaftliches Leben können gemildert werden,wenn Sei einen umfassenden Ansatz anstreben.

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F Herr García, erzählen Sie uns doch bitteeinmal kurz etwas über Ihr Leben. A. Mein Name ist Eduardo García und meinSpitzname Lalo. Ich bin aus Peru und 57 Jahre alt.Mein ganzes Leben lang bin ich eine aktive Persongewesen. Ich bin Polizist und im Dienste derÖffentlichkeit viel im Land herumgereist. Ich binverheiratet und meine drei erwachsenen Kinderbeenden gerade ihr Universitätsstudium. Ich habeviele schöne Erinnerungen an meine Jugendzeit.Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen undhabe mich auch eine Weile als Fischer verdingt. F. Bitte teilen Sie uns doch mit, wie langeSie schon an MS erkrankt sind und welche

Symptome bei Ihnen hauptsächlichauftreten. A. 2007 wurde bei mir Multiple Sklerosediagnostiziert. Einzelne Symptome dieserKrankheit traten jedoch mindestens schon sechsJahre vorher auf. Ich habe nicht groß daraufgeachtet, da ich davon überzeugt war, dass daseine vorübergehende Geschichte wäre. Zunächstverlor ich das Gefühl in meinen Beinen und ichkonnte nicht mehr laufen. Danach verlor ich dieKontrolle über meine Blase und ich hatte sogarProbleme, mich klar und deutlich zu artikulieren.Jetzt sind meine größten Probleme die derKoordination und Kraft in den Beinen; der Tremor

Ana Chereque, Präsidentin der Asociación Esclerosis Múltiple Perú (ESMUP), interviewt

Eduardo García, der als Teil seiner MS-Erkrankung an Ataxie und Tremor leidet.

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Interview: EduardoGarcía, Peru

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in meinem Kopf und sogar in meinen Augen. Ichkann nicht mehr lesen, was ich immer gernegemacht habe. Dazu kommen Balance-Probleme,die mich dazu zwingen, mich mit einer Gehhilfefortzubewegen.

F. Wie würden Sie Ataxie und Tremorbeschreiben? Haben die sich im Laufe derZeit irgendwie verändert?A. Es ist schon ein seltsames Gefühl, meineBewegungen nicht mehr kontrollieren zu können.Die Ataxie engt mich sehr ein und ich habe oft dasGefühl, dass ich so gar nichts tun kann, um sie inSchach zu halten, sie bestimmt mein Leben. DerTremor bedeutet, dass ich weder lesen nochfernsehen kann. Obwohl meine Diagnose erst vorkurzem erstellt wurde, wurden die Symptomeimmer augenfälliger und haben sich in denvergangenen Monaten noch verschlimmert.

F. Nehmen Sie spezielle Medikamente fürdie Ataxie und den Tremor ein?A. Ja, aber das hat nicht geholfen, also habe ichdamit aufgehört. Ich verwende jetzt eineHalskrause, um den Kopftremor zu mildern. Aberfür meine Geh- und anderen Bewegungsproblemehabe ich noch nichts gefunden, was mir hilft.

F. Gehen Sie wegen der Ataxie und demTremor zur Physiotherapie?A. Ja, ich gehe zwei Mal wöchentlich zurBehandlung. Ich mache Übungen, die meineKoordination und die Kraft in meinen Beinenverbessern sollen, damit ich besser laufen kann.Trotz der Schwierigkeiten bin ich tatsächlich imMoment in der Lage, mit einer Gehhilfe zu laufen.Für den Tremor habe ich noch keine spezifischeBehandlung gefunden.

F. Verhindern Ihre Ataxie und der Tremor,dass Sie das, was Sie tun möchten odermüssen, im Alltag nicht mehr ausführenkönnen?A. Ja, natürlich. Bevor ich diese Probleme hatte,war ich eine selbstständige Person, ein Arbeiter,Sportler, jemand mit einem normalen Leben, dersich seinen Lieblingshobbies gewidmet hat. Mein

Sexualleben war aktiv, wie das jedes Mannes inmeinem Alter. Jetzt ist alles anders geworden. Ichbrauche bei alltäglichen Bewegungen Hilfe, ja,sogar meine Schuhe kann ich mir nicht mehralleine anziehen. Meine Symptome stellen schoneine schwere Herausforderung dar und deshalbhat sich mein Leben auch grundlegend geändert.Ich bin oft frustriert, wenn sogar einfache Dingemir nicht mehr gelingen.

FF.. Was hilft Ihnen dabei, mit derHerausforderung Ataxie und Tremorumzugehen?A. Die Ermutigungen und die positive Energie, dieandere Menschen mir vermitteln, sorgen dafür,dass ich nicht aufgebe. Meine Gefühle vonFrustration haben sich geändert, seitdem ich derESMUP (MS-Gesellschaft Peru) beigetreten bin.Hier habe ich die Unterstützung gefunden, die ichbrauche. Ich kann über meine Gefühle und meineErfahrungen mit anderen sprechen, die anderselben Krankheit erkrankt sind. Durch dieWorkshops, die psychologische Unterstützung beider ESMUP anbieten, habe ich gelernt, dieVeränderung zu akzeptieren und meinen Alltag anMS anzupassen. ich gehe zwei Mal in der Wochezur ESMUP. Dadurch komme ich aus dem Hausund habe einen Tapetenwechsel. Zuhause bin ichfast immer alleine.

FF.. Erhalten Sie Unterstützung von IhremGesundheitssystem?A. Die peruanische Sozialversicherungsabteilunghilft mir. Sie haben viele verwaltungstechnischeProbleme, aber ich erhalte die Medizin, die ichbenötige, um meine Symptome zu erleichtern, und,wenn es erforderlich ist, dass ich zurKortisonbehandlung ins Krankenhaus gehe, dannhelfen sie mir ebenfalls.

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„Durch die Workshops, diepsychologische Unterstützung bei derESMUP anbieten, habe ich gelernt,die Veränderung zu akzeptieren undmeinen Alltag an MS anzupassen.”

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Online-Umfrage zuTremor und Ataxie:Die Ergebnisse

Über 71% aller Befragten litten anTremor und fast 80% an Ataxie.Das bedeutet, dass die meisten anbeiden Symptomen unterschiedlichlange leiden. Dabei treten dieSymptome manchmal nur einenMonat, in manchen Fällen bis zu 25Jahre lang auf.

TremorBei Tremor-Patienten, waren amhäufigsten Beine (64,9%) undHände (60%) betroffen, obwohl beieinem großen Teil auch Arme(36,9%), Kopf (14%) oder Rumpf(10%) betroffen waren. Weiterebetroffene Körperteile, dieangegeben wurden, waren dieAugen, Füße und die Zehen. Ein

Befragter berichtete über einen „internen Tremor". Etwa zwei Drittel gaben an, dass sie einenRuhetremor haben und 57,9% leiden an Tremor,wenn sie versuchen, ein Objekt zu halten oder zuerreichen. Dabei muss man bedenken, dass vieleder Befragten an beiden Tremor-Typen leiden. Über70% gaben an, dass ihr Tremor sich unterStresseinwirkung verschlimmert, während 85%angaben, das er sich bei Erschöpfung oderMüdigkeit verschlimmert.

„Alles wird schlimmer, wenn ich unter Stressstehe. Wenn er kommt, dann fordert mein Tremormeine uneingeschränkte Aufmerksamkeit."„Ich denke, dass mich manchmal sogar kleine

Dinge aufregen, wenn espassiert."„Stress verschlimmert denZustand. Aber auch, wenn ichnicht richtig esse oder genügendschlafe."

62% finden, dass der Tremor siedaran hindert, bestimmteAktivitäten auszuführen. Darunterfallen Haushaltsarbeiten, dieeigene Körperpflege oder daseigene Hobby. Eine Anzahl vonBefragten gab an, dass der Tremores ihnen schwer macht, aus demBett zu gehen, zu laufen, zuschreiben und dass sie auch insexueller Hinsicht Schwierigkeitenhaben.

An der in englischer Sprache

durchgeführten Umfrage zu Ataxie und

Tremor haben 688 Personen

teilgenommen, weitere 88 Personen an der

Umfrage in russischer Sprache. Diese hohe

Beteiligung zeigt auf, wie wichtig es ist, sich

dieser Themen anzunehmen, auch und

gerade, wenn sie allgemein als schwer

behandelbar gelten.

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Die meisten der Befragten(70,9%) nehmen keineMedikation für dieseSymptome. Von denjenigen,die Medikamente einnehmen,verwendet fast die HälfteGabapentin.

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„Mein Handtremor macht es mir permanentschwer, normale Aktivitäten, wie die Zubereitungdes Essens, Tee ausschenken, Nägel schneidenoder das Auflegen von Make-up durchzuführen."„Es wirkt sich auf fast alles irgendwie aus. Aberich mache jetzt halt alles anders."„Ich nehme nicht mehr an Gruppenaktivitäten teil,weil die Leute über meinen Tremor reden. Dasverunsichert mich."

AtaxieBei Ataxie gaben sehr viele Befragte an, dass ihreBalance beeinträchtig ist (91%), das Gehen (85%)und Stehen (69%). Probleme bei der Koordinationeines Bewegungsablaufes wurden von 43%beschrieben, während das Tastgefühl bei 41,8%eingeschränkt ist. Ein Drittel gab an, dass ihreSprache beeinträchtigt ist, 30% haben Problememit den Augenbewegungen. Weitere spezifischeProbleme, die erwähnt wurden, bezogen sich aufEssen und Sitzen.

Auch hier gibt ein hoher Prozentsatz an, dassStress (77,1%) und Müdigkeit/Erschöpfung(92,5%) die Symptome verschlimmern. Auch Hitzewird von den meisten als Auslöser für dieVerschlimmerung der Ataxie angegeben. EineAnzahl von Befragten gab an, dass sie nichtwüssten, ob diese Situation ein Auslöser seinkönnte.

„Ich bin mir nicht sicher, ob der Stress die Ataxieauslöst, oder die Ataxie Stress auslöst."„Am Anfang war es schwer zu begreifen, dassStress den Zustand verschlimmert."„Wenn ich müde bin, dann fühlen sich meineBeine schwerer an und gehorchen mir nichtmehr."„Da ich mich darum bemühe, die Ataxie nicht zusehr zur Schau zu stellen, werde ich schnellmüde."

Sehr viele der Befragten (86%) gaben an, dass dieAtaxie Aktivitäten, die sie gerne ausführen odermachen müssen, beeinträchtigen. Das giltinsbesondere für den Sport (76%) und Arbeiten imHaushalt (71,6%).

Die meisten der Befragten (70,9%) nehmen keineMedikation für diese Symptome. Von denjenigen,die Medikamente einnehmen, verwendet fast dieHälfte Gabapentin. Die meisten hatten noch keinealternativen oder ergänzendenBehandlungsmethoden für Ataxie und Tremorausprobiert. Diejenigen, die es doch gemachthaben, fanden die Kühl-Behandlungen,Nahrungsergänzungsmittel oder Kräuter, geführteVisionierung und Entspannung, Massage und Yogasehr hilfreich. Nur 1,2% hat sich irgendeiner Art vonChirurgie in Bezug auf diese Symptomeunterzogen.

Bei der Frage nach Physiotherapie haben diemeisten (64,6%) diese noch nicht ausprobiert; vondenen, die es versucht haben, fanden 25,4% dieBehandlung hilfreich. Über die Hälfte der Befragtengab an, dass Sport hilfreich ist, insbesondereSchwimmen, aber ein Drittel meinte, dass der Sportkeinerlei Verbesserung brachte. Insgesamt geben58% an, dass Tremor und Ataxie ihr Leben„irgendwie negativ" beeinflussen, 27% „gar nicht"und 15% „sehr stark". Die Umfrage zeigt dieAuswirkung dieser Symptome auf Menschen, diemit MS leben und wie wichtig es ist, die Situationjeder einzelnen Person zu bewerten und dannBehandlungs- und Rehabilitationspläneentsprechend anzupassen.

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Viele der Befragten gaben an, dassTremor und Ataxie die Arbeit imHaushalt erschweren.

Inwieweit beeinflussen Tremorund/oder Ataxie Ihre

Lebensqualität negativ?

Gar nicht Ein wenignegativ

Sehr stark

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Exercises for MultipleSclerosisVon Brad Hamler Verlag:Hatherleigh Press, USA,2007, US$15,95, ISBN-10:1578262275, 160 Seiten.

In diesem Buch bemüht sichder Autor darum, ein sicheres

und effektives Programm aufzustellen, mit demman der Erschöpfung entgegenwirken, Kraftaufbauen und die Balance verbessern kann.

In den ersten vier Kapiteln wird in dasKrankheitsbild der MS eingeführt, dieMöglichkeiten der medizinischen Therapienbesprochen und die Behandlung der Symptomebeschrieben. In diesen ersten Kapiteln fehlt meinerMeinung nach ein multidisziplinärer Ansatz für dieRehabilitation.

Im darauffolgenden, praktischen Teil des Buchesgeht es um die Analyse des Ganges, Stärkung derRücken- und Bauchmuskulatur undWiderstandstraining. Der Ansatz liegt dabei ineinem Gesamtkörpertraining, das mit den vomAutor benannten „großen Muskelgruppen" beginntund dann zu den „kleineren" übergeht. DieÜbungen sind gut bebildert und erklärt und füreinzelne Muskeln oder Muskelgruppen werdenverschiedene Übungen dargestellt, um denWiederholungseffekt zu mildern.

Ein weiteres Kapitel beschreibt einen positivenmentalen Ansatz, in dem der Autor fürein mentales Training plädiert. Erschlägt dabei vor, sich selbst währendder Übungen zu visualisieren und zuversuchen, die körperlichenVeränderungen und Bemühungen zuspüren, die man während derDurchführung der Übungen empfindet. Das Übungspensum (zum Beispiel die

Häufigkeit, die Intensität, die Anzahl derWiederholungen, wie das Startgewicht definiertwird) ist nicht immer eindeutig angegeben. DerAutor schlägt jedoch vor, drei Mal in der Woche zutrainieren und 20 bis 30 Wiederholungen für jedenMuskel oder jede Muskelgruppe anzustreben, 45bis 95 Sekunden Pause zwischen den Übungen.

Ein positiver Aspekt des Buches ist es, dass derAutor schlechte und gute Tage bei MS beschreibtund dass man das Übungsprogramm und dasPensum an diesen Tagen entsprechend anpassensollte. Eines der Ziele es Buches ist es jedoch, mitder Erschöpfung besser umzugehen. Während unsallen bewusst ist, dass Sport für Personen mit MSvon entscheidender Bedeutung ist, umfasst derUmgang mit Erschöpfung jedoch sehr viel mehr alslediglich ein paar Übungen auszuführen.

Der Autor kommt eindeutig aus dem Fitness-Umfeld und passt allgemeine Fitnessregeln ausseiner Sicht für Menschen mit MS an. Das Buchweist aber auch korrekterweise darauf hin, dassMenschen mit MS sich Rat bei einem auf MSspezialisierten Physiotherapeuten oderRehabilitations-Spezialisten einholen sollten, bevorsie sich an ein entsprechendes Übungsprogrammwagen.

Rezension von Paul Van Asch, Physiotherapeut fürSport und Neurologie, Manager Fit Up Fitness-Zentrum, Belgien.

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Besprechungen

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Thema 1 ErschöpfungThema 2 BlasenproblemeThema 3 FamilieThema 4 Gefühle und WahrnehmungThema 5 Gesund lebenThema 6 Intimität und SexualitätThema 7 RehabilitationThema 8 Genetische und ererbte Aspekte von MSThema 9 Pflege und MSThema 10 Schmerz und MSThema 11 Stammzellen und Regeneration in MSThema 12 Spasmen in MS

Vielen DankMSIF möchte Merck Serono ganz herzlich für das großzügigeund uneingeschränkte Stipendium danken, das dieProduktion von MS in focus ermöglicht.

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Untersuchungen über die genetischen Grundlagen derMS beteiligt. Merck Serono bemüht sich seit vielenJahren um Menschen mit MS: KontinuierlicheForschung und erste Ergebnisse im Kampf gegendiese Krankheit werden neue Behandlungsmethodenermöglichen. Und eines Tages hoffentlich auch dieHeilung.

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