mpf_2003_4 max planck forschung

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Magazin des Max Planck Instituts

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  • MaxPlanckForschungMaxPlanckForschungDas Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft

    B20396F4/2003

    FOKUS

    Optische HorizonteFOKUS

    Optische Horizonte

    ESSAY

    Wie viel Hirnbraucht

    Intelligenz?

    ESSAY

    Wie viel Hirnbraucht

    Intelligenz?

    POLYMERFORSCHUNG

    Von Hard Scienceund Haute Cuisine

    PSYCHOLOGIE

    Zahlenspiele Illusionen

    der Gewissheit

    PSYCHOLOGIE

    Zahlenspiele Illusionen

    der Gewissheit

    POLYMERFORSCHUNG

    Von Hard Scienceund Haute Cuisine

  • 4 / 2 0 0 3 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 32 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 4 / 2 0 0 3

    INHALT

    NOTIZEN des Prsidenten 4 Wer hoch bauen will, braucht ein solides Fundament

    FORSCHUNG aktuell 5 Vom Abakus zum Quabakus7 Savoir-vivre im Genom verankert 8 Krebse mit Immungedchtnis9 Junge Galaxien nahe der Milchstrae?10 Zellen liebens soft11 Risse sprengen Schallmauern13 Panorama

    ESSAY 14 Wie viel Hirn braucht Intelligenz?

    FOKUS Optische Horizonte18 Lichtblicke in die Nanowelt24 Neuland in drei Dimensionen30 Mit Elektronen sieht man besser34 Mikroskopie im optischen Schnitt

    FASZINATION Forschung 38 PolymerforschungVon Hard Science und Haute Cuisine

    WISSEN aus erster Hand 46 MeteorologieEin GPS fr Umweltchemikalien

    WISSENSCHAFTSgeschichte 50 Konrad LorenzDer groe Kommunikator

    KONGRESSbericht 54 PhysikSUSY bei den Benediktinern

    FORSCHUNG & Gesellschaft 58 PsychologieZahlenspiele Illusionen der Gewissheit

    Zur PERSON 62 Almut Arneth

    NEU erschienen 66 Elektronische Forschung66 Das Ende der Verdrngung67 Planck spricht wieder67 Einfach komplex

    INSTITUTE aktuell 69 Magie auf dem Gipfel70 Zeichen fr die Zukunft72 Pionier der Proteinchemie72 Experimente mit der Fremdsprache74 Infothek

    STANDorte 75 Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft

    75 Impressum

    BlickPUNKT 76 Auf Stammzellen richten sich die Hoffnungen

    34BERBLICK: Rumliche Bilder aus dem Innern lebender Zellen liefert jetzt die Kryo-Elektronentomographie und gewhrt damit neue Einsichten in die funktionelle Organisation des Lebens auf der molekularen Ebene.

    SCHARFBLICK: Nach vier Jahrhunderten berwindet die Lichtmikroskopie die von Ernst Abbe festgeschriebeneBeugungsgrenze und dringt aus ihrer angestammtenDomne, der Mikrowelt, in Nanoregionen vor.

    TIEFBLICK: Das Zwei-Photonen-Fluoreszenz-mikroskop dringt tief in das Gefge vonGeweben ein Fortschritt fr die Erforschungkomplexer Netzwerke aus Nervenzellen.

    30ZUM TITELBILD: Mikroskope schrfen denBlick fr die Welt des Kleins-ten und Allerkleinsten. FOTO: GETTY IMAGES

    Fokus Optische Horizonte

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    EINBLICK: Was sich abspielt, wenn es im kristal-linen Gefge von Werkstoffen auf Biegen oderBrechen geht, offenbaren hchstauflsende

    Elektronenmikroskope - und liefern damit wichtige Hinweiseetwa ber die Eigenschaften neuer Legierungen.

    EINBLICK: Was sich abspielt, wenn es im kristal-linen Gefge von Werkstoffen auf Biegen oderBrechen geht, offenbaren hchstauflsende

    Elektronenmikroskope - und liefern damit wichtige Hinweiseetwa ber die Eigenschaften neuer Legierungen.

    GEOMAX: Massemonster im All Forscher bringen Lichtin Schwarze LcherTECHMAX: Expedition zum Mars wie Forscher den RotenPlaneten erkunden

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    4 / 2 0 0 3 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 5

    Bose-Einstein-Kondensatebestehen aus vielen Hundert-tausend ultrakalten Atomenim quantenmechanischenGleichtakt. Physikern ist esjetzt gelungen, eine solcheultrakalte Atomwolke in einen Kristall aus reinem Laserlicht zu zwingen unddadurch ein rumlichesQuantengatter zu erzeugen,das im Prinzip einen massivparallelen Quantencomputermit ber 100 000 Schaltele-menten verkrpert. Zwar lassen sich die Atome inner-halb des Gatters noch nichteinzeln ansprechen, doch in ihrer Gesamtheit bereitstrickreich manipulieren: Mit der Steuerung eines solchen quantenmechani-schen Vielteilchensystems ist man zu einer Art Qua-bakus gelangt (NATURE, 30. Oktober 2003).

    Eine dnne Gaswolke aus eini-gen Hunderttausend bis Milli-arden Atomen, deren Tempera-tur weniger als ein millionstelGrad ber dem absoluten Null-punkt liegt: Derart exotischprsentiert sich ein Bose-Ein-stein-Kondensat. In dieser Ultraklte knnen die Atomeder Gaswolke kollektive Eigen-schaften ausbilden. Denn einAtom, anschaulich ein festesTeilchen, verhlt sich quanten-physikalisch als eine Welle oder

    gehren, benannt nach demindischen Physiker SatyendraNath Bose (1894 bis 1974). Er hatte gemeinsam mit AlbertEinstein (1879 bis 1955) schonin den zwanziger Jahren desvergangenen Jahrhunderts vor-ausgesagt, dass Bosonen beitiefen Temperaturen kollektivin einen Zustand niedrigsterEnergie kondensieren knnen.1995 gelang in zwei amerika-nischen Labors erstmals die Erzeugung eines solchen Bose-Einstein-Kondensats, wofr die drei fhrenden Kpfe 2001 den Nobelpreis fr Physik erhielten (MAXPLANCKFORSCHUNG4/2001, S. 62 ff.).

    QUANTENPHYSIK

    Vom Abakus zum Quabakus

    als ein Wellenpaket. In einernormalen Gaswolke berla-gern sich die Wellenpakete der einzelnen Atome vllig un-geordnet wie die Tne eines Ensembles, dessen Musiker ihreInstrumente wild durcheinan-der stimmen. Wird diese Gas-wolke auf extrem niedrigeTemperaturen abgekhlt, dannknnen die Atome in eine ge-meinsame Materiewelle kon-densieren und verhalten sichdann wie ein Musikensemble,das hoch geordnet im przisenGleichtakt spielt.Dafr mssen die Atome aller-dings zur quantenmechani-schen Familie der Bosonen

    Eine Rechenope-ration im Quan-tengatter: Ein Radiopuls hat zu-erst die Atome imgemischten blau-roten Zustandprpariert (a). Das Laserlicht ver-schiebt die Atomenun zugleich nachrechts und links(b), wo sie mitAtomen auf denNachbarpltzen im Gatter zusam-menstoen (c).Dabei verschrn-ken sich ihreQuantenzustnde.Am Schluss rckt das Laserlicht die Atome wiederzurck auf ihre alten Pltze, wo-bei sie den ver-schrnkten Zustand mitneh-men (d).

    NOTIZEN des Prsidenten

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    Wer hoch bauen will, braucht ein solides Fundament

    Innovation Anfang des Jahres hat dieSPD-Spitze die Weimarer Leitlinien Innova-tion formuliert. Darin kndigt sie unter an-derem an, die Ausgaben fr Forschung undEntwicklung von derzeit 2,5 auf 3 Prozentdes Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr2010 zu erhhen. Ich begre diese Absicht.Endlich weicht das trgerisch-trge Gefhlder Sicherheit, die Stellung Deutschlands sei unangetastet, dem Bewusstsein einerechten Gefhrdung: Geht es doch darum,verloren gegangenes Terrain im internatio-nalen Wettbewerb um die beste Bildung, die besten Kpfe, die bestenForschungsideen und letztlichdie besten Produkte zurck-zugewinnen. Die Max-Planck-Gesellschaft fhlt sichin die Pflicht genommen, beidieser Innovationsoffensivemitzuwirken, denn Grundla-genforschung bildet die Basisjeder erfolgreichen Innovati-on. Die Diskussion darf nichtauf einen zu engen, nmlichzu stark wirtschaftlich orien-tierten Innovationsbegriff re-duziert werden. Innovationentsteht erst im Zusammen-spiel von Bildung, Forschungund Wirtschaft. Eine wichtigeRolle mssen die Universitten spielen; ihreberufliche und akademische Ausbildungs-leistung ist eine wesentliche Voraussetzung.Um ihre Aufgabe zu erfllen, mssen sienach jahrzehntelanger Unterfinanzierungendlich angemessen gefrdert werden undeigenverantwortlich agieren drfen. Aufdiese Weise entsteht ein solides Fundament,auf dem sich hoch nach oben bauen lsst.

    Elite Die Forderung nach Elite-Univer-sitten begleitet folgerichtig die derzeitigeDiskussion zeigt sich darin doch die Not-wendigkeit, auch in Deutschland internatio-nal sichtbare, weil herausragende Einrichtun-gen der Ausbildung und Forschung zu str-ken. Es wird darauf ankommen, dass Univer-sitten Schwerpunkte bilden, aus denen sichdann gemeinsam mit den aueruniversitrenSpitzeninstituten regionale Leuchttrmeder Forschung entwickeln. Dass dies nichtzum Nulltarif zu haben ist, versteht sich vonselbst! Ich kann Ihnen versichern, dass dieMax-Planck-Gesellschaft fr jede Form derKooperation mit den Hochschulen offen ist.

    Mehr noch: Es ist fr uns entscheidend, dass exzellente junge Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler an den Universittenausgebildet werden. Umgekehrt bieten dieUniversitten fr den Nachwuchs der Max-Planck-Gesellschaft in einem nicht unerheb-lichen Ma weitere Karrierewege. Seit Jahr-zehnten richten wir unser Handeln insbeson-dere bei Neugrndungen verstrkt an beste-henden universitren Strukturen aus. In allerRegel erfolgen Neugrndungen im unmittel-baren Umfeld leistungsstarker Hochschulen.Neben den klassischen gemeinsamen Beru-

    fungen und der verstrktenEinbindung des wissenschaft-lichen Mittelbaus in die universitre Lehre geht es vor allem um die strukturierteDoktorandenausbildung. Die Max-Planck-Gesellschaftrumte in den vergangenenvier Jahren den InternationalMax Planck Research Schoolseine hohe Prioritt in ihrenzustzlich zu finanzierendenSonderprogrammen ein. Denn diese Schools habenbesondere Bedeutung fr dieQualifikation des wissen-schaftlichen Nachwuchsesund die Internationalisierung

    der deutschen Forschung und damit auchfr die Profilbildung der kooperierenden Universitt. So werden bereits heute in 29Schools rund 1000 Doktoranden ausgebildet.Nicht selten sind gemeinsame Aktivitten im Bereich von Master-Studiengngen vor-geschaltet. So hat die Max-Planck-Gesell-schaft in den vergangenen Jahren speziellzur Frderung der klinisch orientierten For-schung ein Sonderprogramm entwickelt(Tandem-Projekte), das erste Frchte trgt.Darber hinaus haben wir mit der Einrich-tung von Max-Planck-Forschungsgruppenan Universitten neue institutionelle Wegeder thematischen Verbindung zu Universi-tten beschritten. Damit verfgen wir bereitsheute ber ein ausreichendes Instrumenta-rium, um zum Ausbau universitrer Einrich-tungen zu Elite-Hochschulen beizutragen. Instrumente dieser Art stellen eine heraus-ragende Basis dar, um in deutlich greremUmfang lokale Interaktionen zu strken.Dank solch vernetzter Schwerpunkte wirdDeutschland international wieder in derChampions League mitspielen.

    Peter Gruss, Prsident der Max-Planck-Gesellschaft

  • FORSCHUNG aktuell

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    Bose-Einstein-Kon-

    densate faszinieren die Physi-ker, weil mit ihnen erstmals eine Materiewelle aus vielenQuantenteilchen im Laborver-such offen zugnglich ist. Sielsst sich direkt manipulierenund erffnet so einen vlligneuen experimentellen Zugangzur Welt der Quantenmechanik.Dem Forscherteam um Imma-nuel Bloch an der UniversittMainz und Theodor W. Hnscham Max-Planck-Institut frQuantenoptik in Garching undan der Universitt Mnchensind dazu in den letzten Jahreneine Reihe bahnbrechender Ex-perimente gelungen. Das Neu-este ist ein Gatter aus etwa 100 000 ultrakalten Atomen,die sich mit Laserlicht wie dieKugeln eines Quanten-Abakusverschieben lassen ein wich-tiger Schritt auf dem Weg zumQuantencomputer.Um das Quantengatter her-zustellen, prparieren die Mnchener Physiker ein drei-dimensionales Kristallgitter ausreinem Laserlicht. An seinen Kreuzungspunkten sitzen kleine Energiefallen, deren Wnde sicheinfach hoch und wieder hin-unter fahren lassen. Dieses Git-ter wird wie ein Netz ber einBose-Einstein-Kondensat ausetwa 100 000 Atomen gewor-fen. So fngt sich jedes Atom ineiner der Fallen wie Eier, diesauber in einen groen Eierkar-ton einsortiert werden. Physikernennen das Mott-Isolator-Zu-stand: In ihm verschwindet diekollektive Materiewelle des Bose-Einstein-Kondensats. Sietaucht jedoch sofort wiederauf, sobald die Physiker dieWnde der Lichtfallen herun-

    Seit langem ist bekannt, dass der Stoffwechsel warm-bltiger Tiere von der geo-graphischen Lage ihres Ver-breitungsgebiets abhngt:Der whrend Ruhephasen gemessene Sauerstoffver-brauch eines Tiers liegt um-so hher, je weiter vomquator entfernt die unter-suchte Tierpopulation lebt.Forscher der Princeton Uni-versity (USA) und der Max-Planck-Forschungsstelle frOrnithologie in Seewiesenhaben jetzt an Schwarzkehl-chen nachgewiesen, dass der Ruhestoffwechsel genetischbestimmt ist und zwar alsResultat der in verschiedenenLebensrumen unterschied-lichen Selektionsfaktoren(Proc. R. Soc. Lond. B, DOI 10.1098/rspb.2003.2500, 2003).

    Die meisten Reptilien leben in wrmeren Gebieten der Erde,weil ihre niedrige Stoffwech-selrate ein Leben in nrdliche-ren Breiten verhindert. Ande-rerseits zeigen Vgel und Su-getiere hohe Stoffwechselra-ten, die es ihnen ermglichen,auch in klteren Regionen zuleben, weil sie die Temperaturihres Krpers weit ber der ih-rer Umgebung halten knnen.Doch viele Sugetier- und Vo-gelarten findet man sowohl inwarmen als auch in kalten Re-gionen wobei ihr Stoffwech-sel je nach Population auf sehrunterschiedlichen Tourenluft. Bisher gab es zwei Er-klrungen: Entweder knnenTiere auf verschiedene Umwelt-bedingungen unmittelbar mitunterschiedlichen Stoffwech-selraten reagieren, oder sie ha-ben ihren Stoffwechsel im Laufder Evolution an die unter-schiedlichen Umweltbedingun-gen angepasst; im zweiten Fallwren die Unterschiede gene-tisch bedingt.Das deutsch-amerikanische

    Ornithologen-Team untersuch-te dazu vier unterschiedlichePopulationen von Schwarzkehl-chen einer Singvogelart, diesich fr vergleichende Untersu-chungen besonders empfiehlt.Denn ihr Brutverbreitungsge-biet erstreckt sich vom Nord-osten Asiens ber Europa bisnach Sdafrika. Schwarzkehl-chen aus Kasachstan brten imkontinentalen Klima Zentral-asiens; sie haben nur eine kurzeBrutsaison und verbringen denWinter 6000 Kilometer vomBrutgebiet entfernt in Indienund Pakistan. Verglichen mitdiesen asiatischen Populatio-nen ist die Brutsaison der imgemigten Klima sterreichsbeheimateten Schwarzkehlchensehr viel lnger, und ihre Zug-wege in den Mittelmeerraumsind deutlich krzer.Auch die jhrliche Brutperiodeder im atlantischen Klima Ir-lands brtenden Schwarzkehl-chen ist lang; als typische Teil-zieher wandern nur manchedieser Vgel im Winter weg, der Rest der Population ber-wintert auf der Insel. Schwarz-kehlchen aus dem quatorialen Kenia schlielich haben einelange Brutsaison und verblei-ben ganzjhrig in ihren Brut-gebieten.Den Max-Planck-Forschern um Eberhard Gwinner gelanges, Vgel aller vier dieserSchwarzkehlchen-Populationenan der Forschungsstelle fr Or-nithologie in Andechs/Seewie-sen zu zchten. Das erffnetedie einzigartige Mglichkeit,den Ruhestoffwechsel alsoden whrend der Ruhepausevon Tieren gemessenen Sauer-stoffverbrauch dieser ver-schiedenen Populationen mit-einander zu vergleichen. Dabeiachteten die Wissenschaftlerdarauf, dass die Vgel sowohlwhrend ihrer Entwicklungs-phase als auch spter, whrenddes Experiments, unter exaktdenselben kontrollierten Um-

    VERHALTENSPHYSIOLOGIE

    Savoir-vivre im Genom verankert

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    Kleiner Vogel mit groen Un-terschieden:Schwarzkehlchenleben in verschie-denen Klimazonenund zeigen ent-sprechend unter-schiedliche Stoff-wechselraten.Wissenschaftlerder Max-Planck-Forschungsstellefr Ornithologieund der PrincetonUniversity habenjetzt nachgewie-sen, dass dieseAnpassung in denGenen der Vgelverankert ist.

    weltbedingungen lebten.Das Ergebnis der Untersuchun-gen fiel eindeutig aus: Sowohlwhrend der Ruhezeit im Januar als auch whrend derMauserperiode im Sptsom-mer zeigten die tropischenSchwarzkehlchen aus Kenia einen niedrigeren Stoffwechselals die Schwarzkehlchen alleranderen Populationen. Signifi-kant hher lag der Stoffwechselbei den irischen Vgeln, gefolgtvon den Schwarzkehlchen aussterreich und die hchstenWerte fanden die Forscher beiden Vertretern aus Kasachstan.Die unterschiedlichen Stoff-wechselraten dieser vier Popu-lationen gehen Hand in Handmit bedeutsamen Unterschie-den in ihrer Lebensweise. Somausern sich Schwarzkehlchenaus hohen geografischen Brei-ten rascher, und sie legen auchmehr Eier als ihre tropischenArtgenossen. Beides, das bele-gen Kreuzungsexperimente, istgenetisch bedingt. Von anderenTiergruppen wei man, dassauch das jugendliche Wachs-tum bei tropischen Artenschneller verluft als bei ver-wandten Arten aus gemigtenBreiten. In den nrdlicherenBreiten scheint demnach der

    terfahren und die Atome freilassen.Dieses verblffende Gedcht-nis der Quantenmechanik er-laubt es, die Atomwolke zwi-

    schen dem Mott-Isolator-Zustand und dem

    Bose-Einstein-Kondensat hin und

    her zu schalten. Das wollendie Physiker nutzen, um ein Rechenregister fr hochparal-lele Computeroperationen her-zustellen. Dabei bernimmt jedes der gut 100 000 Atomedie Rolle eines Quanten-Bits(Qubit). Fr einen Rechenschrittverschieben nun die Forschereinzelne Atome von ihren Git-terpltzen im Lichtkristall wiedie Kugeln eines Abakus. Dazubenutzen sie natrlich keineFinger, sondern Radiofrequenz-und Laserlicht-Pulse.Die atomaren Qubits knnendie Information 0 oder 1 (Neinoder Ja) in Form zweier innerer,quantenmechanischer Zustndespeichern: Diese sollen einfachrot und blau heien. Verschiebtder Laserfinger nun zum Bei-spiel die roten Atome im Gitternach links, dann wandern dieblauen um den gleichen Ab-stand in die entgegengesetzteRichtung, also nach rechts.Doch die Speicherfhigkeit deratomaren Qubits beschrnktsich nicht allein auf die Infor-mationen 0 oder 1: Sie knnenauch einen blauroten Mischzu-stand speichern, also eine ArtQuanten-Jein. Im Gegensatzzum unentschiedenen und daher unbeliebten Jein unseresAlltags birgt dieser Mischzu-stand allerdings eine prziseQuanteninformation und er-laubt daher ganz neue Rechen-operationen.Ein mit einem Radiopuls blau-rot prpariertes Atom reagiertmit einer erstaunlichen Quan-teneigenschaft auf den Laser-finger: Es rckt gleichzeitignach links und nach rechts. Sokommt es zugleich dem rechtenund dem linken Nachbaratomim Gitter nher. Der Zusam-mensto zwischen den dreiAtomen zerstrt jedoch nicht

    deren empfindliche Quanten-zustnde, wie dies bei hherenTemperaturen zu erwarten wre. Vielmehr verschrnkensie sich zu einem neuen, ge-meinsamen Quantenzustand:Dieses Verhalten erinnert andrei nebeneinander stehendeSnger eines Chors, die sichdurch Ansto des mittlerenSngers auf einen gemeinsa-men, neuen Ton einschwingen.Dieser Ton dringt auch zu denChorsngern auf den entfern-teren Pltzen und beeinflusstdiese ebenfalls. Ganz hnlichwirkt der neue verschrnkteZustand auf die entfernterender mehr als 100 000 Qubits.Mit solchen Operationen kn-nen die Mnchener Forscherein hochparalleles Quanten-gatter produzieren, dessenQubits sich in einem komple-xen, verschrnkten Quantenzu-stand befinden. Dabei bietetdas Bose-Einstein-Kondensatgegenber anderen Versuchen,Rechenregister fr Quanten-computer herzustellen, einengroen Vorteil: Es kann sehrviele Atome bereitstellen, unddarber hinaus ist die Zahl dieser Qubits breit variierbar.Somit knnten die Entwicklereines Quantencomputers des-sen Gre und Rechenleistungleicht an ihre Erfordernisse anpassen.Quantencomputer sind fr Physiker besonders interessant,weil sie das Verhalten jedesQuantensystems im Prinzip perfekt berechnen knnen. Siebergen auerdem das Potenzial,eines Tages komplexe mathe-matische Probleme aus Technikund Gesellschaft mit ansonstenunerreichbarer Rechenge-schwindigkeit zu lsen.

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    PROF. DR. THEODOR W. HNSCHMax-Planck-Institut fr Quantenoptik und Ludwig-Maximilians-Universitt,Garching und MnchenTel.: 089/2180-3212Fax: 089/285192E-Mail: [email protected]

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    An solchen In-terferenzmusternknnen die For-

    scher die Entste-hung ihres Quan-

    tengatters ver-folgen. Das hin-

    tere Bild zeigt die Atomwolke

    im ursprnglichenMott-Isolator-Zustand. Nach

    der Rechenopera-tion entsteht einneuer, hochgra-

    dig verschrnkterQuantenzustand,der durch einen

    flachen Hgelohne ausgeprgteInterferenzstruk-

    tur erkennbar ist (Mitte). Diese

    Operation lsstsich wieder voll-

    stndig rck-gngig machen

    (vorne).

    FORSCHUNG aktuell

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    Lebensmotor hochtouriger zulaufen als in den Tropen unddas vielleicht deshalb, weil dieTiere im Norden extremere Um-weltbedingungen zu bewltigenund dafr aufwndige Mecha-nismen entwickelt haben, die esihnen beispielsweise erlauben,Energiereserven anzulegen oderals Zugvgel wegzuwandern.Mglicherweise frdern auchdie im Frhjahr und Sommer innrdlichen Breiten gnstigerenErnhrungsbedingungen unddie dadurch erhhte Fortpflan-zungsrate die Evolution eineshheren Ruhestoffwechsels.Die jetzt vorgelegten Ergebnissezeigen erstmals, dass sich derRuhestoffwechsel in einer Po-pulation aufgrund genetischerFaktoren unterschiedlich aus-prgt und Teil der Verknpfungzwischen Physiologie und Le-bensweise ist. Die Befunde sindauch insofern bedeutsam, als eseinen Zusammenhang zwischenStoffwechselrate und Lebens-dauer zu geben scheint: Suge-tiere mit niedrigerem Ruhe-stoffwechsel (und langsameremHerzrhythmus) leben in der Re-gel lnger als solche mit hhe-rem Umsatz. In der Tat scheinentropische Vogelarten lnger zuleben als ihre Verwandten inhheren Breiten.Noch sind die Ursache-Wir-kungs-Beziehungen fr einesolche mgliche Regel unklar.Doch vielleicht knnen weiterevergleichende Untersuchungenan Tieren mit groem Verbrei-tungsgebiet helfen, unser Ver-stndnis dieser Zusammenhngezu vertiefen, sagt EberhardGwinner, Leiter der Experimentein Seewiesen und Direktor ander Max-Planck-Forschungsstel-le fr Ornithologie.

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    PROF. EBERHARD GWINNERMax-Planck-Forschungsstelle fr Ornithologie, Andechs und Radolfzell, Andechs/SeewiesenTel.: 08152/373-112Fax: 08152/373-133E-Mail:[email protected]

    kontakt entwe-der Geschwis-terparasiten,deren Antigenenatrlich groehnlichkeithatten mit je-nen vom Erst-befall, oder siesetzten dieKrebstierchenParasiten eineranderen Geschwistergruppe mit deutlich anderen Antigen-Eigenschaften aus.Die Arbeitshypothese der Wissenschaftler lautete: Fallsdie Krebse ein spezifisches im-munologisches Gedchtnis be-sitzen, dann sollte die Gefahreiner Infektion bei erneutemKontakt mit sehr hnlichen Parasiten geringer sein. Im Ex-periment konnten die Biologentatschlich einen solchen Ge-dchtnis-Effekt beobachten.Und er war, wie erwartet, umsostrker, je mehr sich die nach-einander attackierenden Para-siten hnelten.Unklar ist fr die Forscher derzeit, welcher immunologi-sche Mechanismus zu dieser erstaunlichen Spezifitt fhrt.Sollten auch andere Wirbelloseber ein spezifisches immuno-logisches Gedchtnis verfgen,dann knnte dies weit reichen-de Konsequenzen haben und zwar nicht nur fr das Verstndnis der Evolution vonImmunsystemen, sondern da-rber hinaus fr die Bekmp-fung von Krankheiten, die wiezum Beispiel Malaria durchwirbellose Tiere bertragenwerden, sagt der Leiter derStudie, Joachim Kurtz.

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    JOACHIM KURTZMax-Planck-Institut fr Limnologie, PlnTel.: 04522/763-256Fax: 04522/763-310E-Mail: [email protected]

    Auch wirbellose Tiere ver-fgen offenbar ber ein spe-zifisches immunologischesGedchtnis: Sollte sich dieserBefund, erhoben von Wissen-schaftlern des Max-Planck-Instituts fr Limnologie inPln, besttigen, knnte daserhebliche Konsequenzen frdie Bekmpfung von Krank-heiten haben, die wie etwaMalaria durch Wirbellosebertragen werden (NATURE, 4. September 2003).

    Eine herausragende Eigenschaftdes Immunsystems von Wirbel-tieren und Menschen ist dieFhigkeit, nach Infektion durcheinen Krankheitserreger ein Gedchtnis fr dessen spezifi-sche Eigenschaften aufzubauen(Antigen-Erkennung). Gert der Betroffene dann erneut andiesen Erreger, so reagiert seinImmunsystem rascher und ziel-genauer. Diesen Effekt machtman sich bei Impfungen zuNutze. Im Gegensatz dazu galtdie Parasiten-Abwehr von Wir-bellosen, wie Insekten undKrebsen, bislang als vergleichs-weise unspezifisch. Zwar kn-nen auch Wirbellose nach Kon-takt mit Krankheitserregernoder Parasiten die Aktivitt ih-rer Abwehrmechanismen stei-gern; die Spezifitt dieser Me-chanismen schien jedoch nichtber die grobe Unterscheidungzwischen verschiedenen Klassenvon Erregern hinaus zu gehen.Neue Daten aus dem Labor vonJoachim Kurtz und KarolineFranz vom Max-Planck-Institutfr Limnologie in Pln liefernnun jedoch erste Hinweisedafr, dass auch winzige, imWasser lebende Krebse (Cope-poden) ber ein spezifischesimmunologisches Gedchtnisverfgen. In ihren Experimen-ten setzten die beiden Forscherdiese Kleinkrebse zweimal hin-tereinander dem Befall durchparasitische Bandwrmer aus.Dabei nahmen sie beim Zweit-

    Infizierter Cope-pode (Macrocy-clops albidus). ImRcken des nurknapp ein Milli-meter groenKrebses kann maneinen parasiti-schen Bandwurm(Schistocephalussolidus) erkennen.

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    LIMNOLOGIE

    Krebse mit Immungedchtnis

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    derstube des Kosmos tummeln.Sind die Sternsysteme tatsch-lich so jung, wie ihr Metallge-halt anzeigt? Dann wrden sichGalaxien auch lange nach demUrknall noch heute zwischenden lteren bilden und dieAstronomen knnten Milch-straen in ihrer frhen Ent-wicklung praktisch aus nchsterNhe beobachten und studie-ren. Doch Kniazev warnt vorsolch vorschneller Euphorie,denn: Ein geringer Metallge-halt muss nicht zwingend einniedriges Alter der Galaxien bedeuten.So gibt es unter den extremmetallarmen Galaxien solche,die eine Phase heftiger Stern-entwicklung durchlaufen. Dabei entstehen in diesen sogenannten blauen kompaktenGalaxien stellare Winde. Unddie knnten die schweren Ele-mente aus den Galaxien regel-recht fortgeblasen haben, sagtEva Grebel. Von anderen me-tallarmen Galaxien wiederumwei man, dass sie sich sehrlangsam mit sehr niedrigerSternentstehungsrate ent-wickeln und wegen dieses ver-minderten Stoffwechsels nurwenig Metalle anreichern.Unter diesen Aspekten wollendie Forscher die neu entdeck-ten, metallarmen Galaxien imUmfeld der Milchstrae jetztgenau unter die Lupe nehmen.Und ob sie sich nun als jungoder alt erweisen: In jedem Fall, dessen sind sich die Wis-senschaftler sicher, wird ihresystematische Erforschung zu einem tieferen Verstndnis derEntstehung und Entwicklungvon Galaxien beitragen.

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    DR. JAKOB STAUDEMax-Planck-Institut fr Astronomie, HeidelbergTel.: 06221/528-229Fax: 06221/528-246E-Mail: [email protected]

    ASTRONOMIE

    Junge Galaxien nahe der Milchstrae?

    Sie erscheinen, so knnteman sagen, fehl am Platz: jene acht extrem metall-armen Galaxien, die jngst in der engeren kosmischenNachbarschaft der Milch-strae aufgesprt wurden.Denn ihrem chemischen Er-scheinungsbild nach sind die-se Sternsysteme noch sehrjung und sollten demnachin den fernsten Bereichen des Universums stehen, nichtaber im Umfeld der Milch-strae, in dem man eigent-lich nur Sternsysteme ge-setzteren Alters erwartet.

    Der Urknall vor etwa 14 Milliar-den Jahren lieferte ein Univer-sum aus Wasserstoff und Heli-um. Smtliche schwereren Ele-mente, insbesondere Metalle,wurden erst spter bei thermo-nuklearen Reaktionen erbr-tet, die im Innern der Sterneablaufen. ber Generationenvon Sternen, die mit ihrem Le-ben jeweils auch schwere Ele-mente an das interstellare Me-dium aushauchten, reichertensich in den Galaxien Metalle an aus deren Hufigkeit sichdeshalb das Alter einer Galaxie

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    Vier der neu ent-deckten, extrem

    metallarmen Gala-xien im Umfeld der

    Milchstrae.

    ablesen lsst: je jnger eine Ga-laxie, desto geringer ihr Metall-gehalt. Und umgekehrt solltenextrem metallarme Galaxiensehr jung sein und sich dem-entsprechend nur in sehr ent-fernten Regionen finden, in de-nen man Objekte aus der Frh-zeit des Alls beobachtet.Deshalb berraschte die Fach-welt, was ein internationalesTeam von Astronomen unterder Leitung von Alexei Kniazevund Eva Grebel vom Max-Planck-Institut fr Astronomiein Heidelberg unlngst meldete:Die Forscher konnten in dernheren Umgebung der Milch-strae acht Sternsysteme iden-tifizieren, die nur ein Zwanzigs-tel des Metallgehalts der Sonneaufweisen und demnach alsextrem metallarme Galaxieneinzustufen sind. Gemessen anihrem Metallgehalt sollten dieseObjekte nicht lter als einigehundert Millionen bis maximaleine Milliarde Jahre sein. Siehtten also nahe unserer Milch-strae, deren Alter um 13 Milli-arden Jahre liegt, eigentlichnichts zu suchen, sondern soll-ten sich annhernd so vieleLichtjahre entfernt in der Kin-

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    gewissermaen festeren Halt vermutlich, weil die Zellen dortan ihren Fokalkontakten hhereKrfte aufbauen knnen, diefr sie physiologisch wichtigsind.Mittels elastizittstheoretischerRechnungen konnten die For-scher voraussagen, wie eineZelle in bestimmten Situationenabhngig von den ueren Ge-gebenheiten reagiert. Demnachordnen sich einzelne Zellen ineiner weichen Umgebung naheeiner Oberflche, die sich nichtdeformieren lsst, bevorzugtsenkrecht zu dieser Flche an.An frei verformbaren Ober-flchen hingegen sollten sicheinzelne Zellen parallel ausrich-ten; denn in diesem Fall wrdeeine senkrechte Orientierungweicher erscheinen. Auerdembesagt das Modell, dass sichmehrere Zellen wegen der Ver-formung des zwischen ihnenbefindlichen elastischen Mate-rials bevorzugt in Reihen an-ordnen, die sich in einem vonauen erzeugten Verformungs-feld wiederum parallel lagern.Diese Voraussagen zu Zellorien-tierung und -positionierungstimmen mit zahlreichen expe-rimentellen Beobachtungenberein, die nun mit der neuenTheorie eine einheitliche Basisfinden. Viele Aussagen der Mo-delle sind auch neu und sollenin weiteren Experimenten ber-prft werden. Doch schon jetztist gewiss, dass die Modelle vonBischof und Schwarz zu wich-tigen Anwendungen in der Bio-technik und Medizin fhrenwerden zum Beispiel dort, woes um das Verhalten von Zellenin knstlichen Geweben oderan der Grenzschicht zu Implan-taten geht.

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    DR. ULRICH SCHWARZMax-Planck-Institut fr Kolloid-und Grenzflchenforschung, GolmTel.: 0331/567-9610Fax: 0331/567-9602E-Mail: [email protected]

    Zellen verhalten sich in weichen Umgebungen andersals auf harten Glasunterla-gen, auf denen sie traditio-nellerweise untersucht wer-den. Jngste Experimentezeigen, dass die Krfte anden Kontaktstellen zwischenZellen und ihrer Umgebungdie Entwicklung und das Ver-halten der Zellen beeinflus-sen. Am Max-Planck-Institutfr Kolloid- und Grenz-flchenforschung in Golm beiPotsdam ist es jetzt gelungen,das Verhalten von Zellen aufund in weichen Materialienmodellhaft zu erklren undsogar vorauszusagen (PNAS,5. August 2003).

    Der menschliche Krper um-fasst etwa zehn Billionen (1013)Zellen, die sich in mehr als 200verschiedene Zelltypen unter-gliedern. Damit er seine Funk-tionen erfllen kann, mssenzwei scheinbar gegenstzlichePrinzipien erfllt sein: Die Zel-len mssen aneinander haften,aber zugleich die Mglichkeithaben, sich schnell umzugrup-pieren etwa, um auf Infektio-nen oder Verletzungen reagie-ren zu knnen. Die Natur hatdafr vorgesorgt: Zum einenliegt zwischen den Gewebezel-len die extrazellulre Matrix,ein lchriges Proteinnetzwerk,ber das die Zellen zwar mit-einander verbunden sind, dasihnen aber auch ausreichendBewegungsspielraum bietet.Zum andern sondieren Zellenihre jeweilige Nachbarschaft:ber Hunderte von Kontakt-punkten ziehen sie stndig anihrem Haftgrund und gewin-nen dadurch Informationenber dessen mechanische Be-schaffenheit. Die dabei erfhl-ten Krfte werden dann inbiochemische Signale undschlielich in entsprechendeReaktionen der Zelle umgesetzt.Ulrich Schwarz, Leiter einerEmmy-Noether-Nachwuchs-

    gruppe am Golmer Max-Planck-Institut hat in engerZusammenarbeit mit Material-wissenschaftlern und Zellbiolo-gen vom Weizmann-Institut inIsrael schon vor einiger Zeitnachgewiesen, dass die Wech-selwirkung zwischen den elas-tischen Eigenschaften der Um-gebung und den biochemi-schen Entscheidungsprozessenin einer Zelle ber Fokalkon-takte vermittelt wird berrelativ groe Proteinaggregatean der Zellmembran, die dasinnere Proteinskelett der Zellemit der extrazellulren Umge-bung verbinden.Die Fokalkontakte werden umso grer, je strker die anihrem Ort von der Zelle auf ihreUmgebung ausgebte Kraftwchst. Zudem zeigt sich, dassauch von auen auf die Zelleausgebte Krfte zu vergrer-ten Fokalkontakten fhren ein weiteres Indiz dafr, dassphysikalische Krfte an den Fokalkontakten zunchst eineverstrkte Proteinaggregationauslsen und biochemischeVorgnge innerhalb der Zellebeeinflussen.Demnach gewinnen Zellen ber die Fokalkontakte Auf-schluss ber die elastischen Ei-genschaften ihrer unmittelba-ren Umgebung. Und bestimmteZelltypen verhalten sich phy-siologisch optimal in einer Um-

    gebung mit re-lativ geringerSteifigkeit un-ter Verhltnissenalso, wie sienatrlicherweiseim Krper vor-liegen. Darberhinaus reagierenZellen uerstempfindlich, so-bald sich dieelastischen Ei-genschaften ih-rer Umgebungverndern. Fazit: Physiologi-sche Prozesse in Zellen, die vonden elastischen Eigenschaftendes engeren Umfelds dieserZellen abhngen wie etwadie Aufrechterhaltung von Bin-degewebe, die Heilung einerWunde oder die Bewegung vonZellen, darunter insbesonderevon Krebszellen lassen sichnur dann voll verstehen undeventuell beeinflussen, wennman wei, wie sich Krfte anden Fokalkontakten einer Zelleauf deren Verhalten auswirken.Inzwischen ist es Schwarz ge-meinsam mit seiner Mitarbeite-rin Ilka Bischofs gelungen, einModell zu entwickeln, mit demsich erstmals das Verhalten ei-ner Zelle in weichen Materiali-en vorhersagen lsst. DiesesModell beruht auf zwei experi-mentellen Befunden: Zellenzeigen normales Verhaltenbevorzugt in weichen Umge-bungen, und sie orientierensich dann jeweils in Richtunghherer Steifheit, suchen also

    MOLEKULARBIOLOGIE

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    Aufsicht auf einefluoreszierend mar-kierte Fibroblasten-Zelle: Bndel vonAktinfilamenten(grn), die zum inneren Skelett der Zelle gehren,enden an Fokal-kontakten (rot),welche die Zelle mit ihrer Umge-bung verbinden.

    Vorhersage desZellverhaltens inweicher Umgebung:(a) Zellen bevor-zugen die Richtungder grten effek-tiven Steifigkeit in ihrer Umgebungund orientieren sich deshalb zumBeispiel senkrechtzu einer festgehal-tenen Grenzflche.(b) Bei freienGrenzflchen ist die parallele Orien-tierung fr Zellenoptimal. (c) Eineentsprechende An-ordnung ergibt sich auf einemelastischen Substratin der Nhe einerGrenzlinie zwischeneiner weichen(links) und einerharten Region(rechts). (d) Meh-rere Zellen ordnensich bevorzugt ineiner Reihe an, weil jede Zelle dieelastische Umge-bung an ihren Enden versteift.

    MATERIALFORSCHUNG

    Risse sprengen SchallmauernDoch inzwischen stellt sichheraus, dass eine solche konti-nuierliche Betrachtung vonWerkstoffen nicht ausreicht dass es vielmehr darauf an-kommt, Materialien in ihren Eigenschaften und in ihremVerhalten auf atomarer Ebenezu verstehen, um ihre Eignungfr bestimmte Zwecke abzu-schtzen. Wo es um Abmessun-gen im Mikrometer- oder garNanometer-Bereich geht, sindFragen der Werkstoff-Kundeallerdings nicht mehr experi-mentell zu ergrnden: Nurber (oft sehr aufwndige) Simulationen im Computer lsst sich herausfinden, wieMaterialien in diesen winzigenDimensionen reagieren. Aufdiese Weise haben jetzt auchWissenschaftler des Stuttgarter

    In sprden Materialien knnen sich Risse mit ber-schall-Geschwindigkeit aus-breiten und damit sehr vielschneller als es die klassischeTheorie erlaubt. Zu diesemBefund kamen Wissenschaft-ler des Max-Planck-Institutsfr Metallforschung in Stutt-gart und des IBM AlmadenForschungszentrums in SanJos (USA) anhand umfang-reicher Computersimulatio-nen. Die Untersuchungen begrnden ein vertieftes Verstndnis der Entstehungund Ausbreitung von Rissen,das fr knftige wie auch fr herkmmliche technischeKonstruktionen etwa inFlugzeugen oder Raumfahr-zeugen bedeutsam ist (NA-TURE, 13. November 2003).

    Zone mit hohem Energiefluss zum Riss und Ausdehnung der hyperelastischen Bereiche.Bild (a) zeigt die Verteilung des lokalen Energieflusses in der Nhe des Risses. Die rot gefrbte Region definiert eine charakteristische Lngenskala fr den Energietransport.Bild (b) zeigt Regionen mit nichtlinearem (hyperelastischem) Materialverhalten.

    Glas bricht, Stahl reit, Gummiplatzt: Materialien knnen un-ter Belastung auf vielerlei Artversagen. Zu berechnen, wanndas geschieht, gehrt zu denvordringlichen Aufgaben vonIngenieuren und Konstrukteu-ren die dafr noch heutemeist Rechenverfahren anwen-den, die auf der klassischenPhysik des so genannten Kon-tinuums beruhen: Bauteile vonstatisch oder dynamisch belas-teten Konstruktionen werdenallein mit ihren makrosko-pischen Materialeigenschaftenin Rechnung gestellt, das heitohne Bercksichtigung ihrerMikrostruktur.

    Max-Planck-Instituts fr Me-tallforschung und des IBM Al-maden Forschungszentrums dieDynamik von Rissen in sprdenMaterialien analysiert unddabei herausgefunden, dass diegngigen Theorien zur dyna-mischen Ausbreitung von Ris-sen einen wesentlichen Aspektvernachlssigen: die Tatsache,dass die Elastizitt eines Fest-krpers vom Ausma seinerVerformung abhngt. So wer-den etwa Metalle weich, Poly-mere hingegen hart, wenn siebis an die Grenze ihrer Festig-keit gedehnt werden.Dazu Huajian Gao, Direktor am Max-Planck-Institut fr

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    Metallforschung: Dass die Elastizitt eines Materials konstant bleibt, dass sich dasMaterial also linear verhlt, gilt nur fr unendlich kleineDeformationen nicht aber bei greren oder gar extre-men Dehnungen. Viele derklassischen Theorien behandelndie Rissausbreitung auf derGrundlage linearer Elastizittund bercksichtigen nicht, dass sich Materialien bei klei-nen Deformationen anders alsbei groen verhalten undsind deshalb aus unserer Sichtzu korrigieren. Denn an derSpitze eines Risses bricht dasMaterial genau deshalb, weildort extrem starke Verformun-gen auftreten.Diese extremen Verformungenfhren zu Hyperelastizitt,die in einem umschriebenenBereich um die Spitze des Risses auftritt und dessen Ver-halten entscheidend beeinflus-sen kann. Ob und wie das ge-schieht, so fanden die Stutt-garter Wissenschaftler, hngtvon einer charakteristischenLnge ab: Sie bezeichnet dieAusdehnung jener Zone, ausder Energie in die Spitze des

    Rissausbreitung jenseits der Schallmauer. Die Abbildung zeigt Momentaufnahmeneines Risses unter Scherbelastung, wobei sich der Riss mit einer Geschwindigkeit jenseits der longitudinalen Wellengeschwindigkeit in Feststoffen ausbreitet. Die zwei Machkegel oder Schockwellen (in Analogie zum berschallknall bei ber-schallflugzeugen) zeigen, dass sich der Riss schneller als der Schall ausbreitet.

    Risses fliet und damit dessenweitere Ausbreitung frdert.Diese charakteristische Lngekann je nach den Eigenschaf-ten des betreffenden Materialsunter extremen elastischenSpannungen bis auf wenigeDutzend Nanometer (Milli-onstel eines Millimeters)schrumpfen und dabei weit-hin mit jener Region um dieSpitze des Risses zusammen-fallen, in dem Hyperelastizittvorliegt. Damit aber, so knnteman sagen, verlsst der Rissden Rahmen dessen, was dieherkmmlichen Theorien vor-geben. Denn hyperelastischesMaterial verhlt sich nichtline-ar. Das bedeutet: Zusammenmit dem hohen Energiefluss innerhalb eines kleinen, durchdie charakteristische Lnge definierten Areals knnen Risse eine ganz andere Dyna-mik entfalten, als das nachklassischer Sicht mglich er-scheint.Ein Beispiel dafr lieferte denForschern die Computersimu-lation eines Risses, ausgelstdurch Scherbelastung in Glas:Kommt Hyperelastizitt insSpiel, setzt sich ein solcher

    Riss mit mehr als der Schallge-schwindigkeit fort mit mehrals 5300 Metern in der Sekun-de. Nach herkmmlichen Rechnungen galt das als un-mglich; denn danach bezeich-nete die Geschwindigkeit, mitder sich Lngs- (und somitSchall-)wellen innerhalb einesMediums fortpflanzen, auchdas oberste, unberwindbareTempolimit fr die Ausbreitungeines Risses.Hyperelastische Effekte, wieder Fall der Grenzgeschwindig-keit fr Risse, sind nach Mei-nung der Forscher berall dortzu erwarten, wo es um Mikro-oder Nanotechnik geht, woman es mit dnnen Schichtenoder raschen Verformungspro-zessen zu tun hat und dem-entsprechend hohe Spannun-gen innerhalb kleinster Materi-albezirke auftreten. Daraus er-wchst Ingenieuren, nach demklassischen Rechnungswesen,wohl bald ein neues und sehrinteressantes Arbeitsfeld.

    WIE MULTIPLE SKLEROSE ENTSTEHT ist nochimmer unklar. Doch wchst der Verdacht gegenein bestimmtes Protein kurz MOG genannt ,das auf den Myelinhllen der Nervenfasern imzentralen Nervensystem sitzt: Dieses Eiweischeint Auslser und Ziel eines Fehlangriffs derImmunabwehr zu sein, in deren Verlauf das My-elin um die Nervenfasern attackiert und zerstrtwird. Jetzt haben Forscher der Max-Planck-Insti-tute fr Biochemie und Neurobiologie sowie derTechnischen Universitt Mnchen die rumlicheStruktur dieses Proteins aufgeklrt und damitweitere belastende Indizien gewonnen. Denn siefanden am MOG-Molekl eine schleifenfrmigeStruktur, die als entscheidende Ankerstelle fr einen spezifischen Antikrper dient, der bereits in Tierversuchen als Zerstrer des Myelins auf-gefallen war. Diese Ankerstelle erwies sich alsidentisch mit dem Strukturdetail eines Proteinsauf Chlamydien auf Bakterien, deren mgliche Beteiligung an der Entstehung von Multipler Sklerose schon seit lngerem diskutiert wird. ber diese neue Spur hofft man nun zu weiterenEinblicken (und vielleicht sogar zu Eingriffs-Mglichkeiten) in das Krankheitsgeschehen derMultiplen Sklerose zu kommen.

    ALS VORKOSTER AM MEERESBODEN wirkenkleine Krebse und Wrmer: Sie sind die Ersten, die sich ber alles organische Material herma-chen, das aus den oberen Schichten zum nacht-dunklen Grund der Ozeane absinkt. Diese berra-schende Entdeckung machten deutsche Meeres-biologen, darunter auch Wissenschaftler des Bre-mer Max-Planck-Instituts fr marine Mikrobiolo-gie, mittels eines Tiefsee-Roboters, den sie rund1000 Seemeilen sdwestlich von Irland auf denAtlantikboden absenkten. Die Forscher fanden,dass die bis zu einen Zentimeter groen Wrmerund Krebse den Segen von oben zunchst in ihre Gnge transportieren, die etwa 10 Zentime-ter tief in das Sediment reichen und es durchlf-ten. Und dort sitzen dann auch Nematoden, dieihrerseits die Ausscheidungen der Krebse undWrmer verwerten. Erst danach bernehmendann Mikroorganismen Bakterien verschiedens-ter Art die weitere Umsetzung der organischenSubstanz in anorganische Bestandteile. Bislangwar man der Meinung, dass die Abbauprozesseam Boden der Ozeane allein ber Mikroorganis-men erfolgen.

    PFLANZEN REAGIEREN GIFTIG, wenn sie vonPilzen befallen werden: Sie bilden in ihren ZellenVesikel (Transportblschen), gefllt mit Kampf-stoffen, und transportieren diese chemischenBomben gezielt an die Stellen der Zellmembran,an denen der schdliche Pilz einzudringen ver-sucht. Dort angelangt, setzen die Vesikel ihreGiftfracht frei und den Angreifer auer Gefecht.

    Der zielgerichtete Transport dieser Vesikel sowiedie Ausschttung der Abwehrstoffe erfolgt unterder Regie bestimmter Proteine in der Membrander Pflanzenzellen, wie Wissenschaftler am Kl-ner Max-Planck-Institut fr Zchtungsforschungkrzlich nachgewiesen haben. Die Forscher fan-den diese Membranproteine sowohl an Zellen derAckerschmalwand Arabidopsis thaliana als auchder Gerste an Pflanzen, die seit 200 MillionenJahren getrennte Entwicklungswege gehen: Demnach handelt es sich um einen evolutionralten Verteidigungsmechanismus der allerdingsauch nach der spteren Erfindung der spezifi-schen Immunabwehr bei Pflanzen beibehaltenwurde und noch heute als eine Art vorgescho-bene Verteidigung dient. Bei der Gerste allerdingsscheint diese Art der chemischen Abwehr gegenden Mehltau-Pilz inzwischen nicht mehr sonder-lich zu wirken: Das knnte daran liegen, dass derPilz den Vesikeltransport zu unterbinden gelernthat oder dass er gegen den chemischen Kampf-stoff resistent ist und ihm das Gift nichts mehranhaben kann.

    EINE ZU SCHARFE IMMUNABWEHR schadeteher, als dass sie Nutzen bringt, wie Forscher am Max-Planck-Institut fr Limnologie in Plnjetzt herausgefunden haben: Sie untersuchten anStichlingen, ob und wie deren Immunlage vonder Zahl der so ge-nannten MHC-Molekle abhngt von jener genetischbedingten Vielfaltan molekularenSchablonen, berdie das Immunsys-tem krperfremdeEiweistrukturen alssolche erkennenund dann bekmp-fen kann. Dabei zeigte sich, dass eine mittlereZahl an MHC-Varianten das Optimum bedeutet:Fische mit solch mavoller Immunausrstung waren am besten gegen Parasiten-Befall gefeitund wiesen auch den besten Allgemeinzustandauf. Dass daneben zu wenige MHC-Varianten eine zu lasche Abwehr bedingen, leuchtet ein.Mit einem zu vielfltigen MHC-Repertoire hinge-gen wchst die Wahrscheinlichkeit, dass darun-ter auch Schablonen auftreten, die auf krper-eigene Eiwei-Konfigurationen passen und des-halb Autoimmun-Reaktionen auslsen knnen. Diese Zweischneidigkeit macht ein bertriebenreichhaltig sortiertes Immunsystem von einer gewissen Grenze an zu einer Belastung fr denOrganismus denn mit der Gefahr von friendlyfire wchst auch der Aufwand fr die Kontroll-mechanismen, die vor Fehlgriffen der eigenenAbwehr schtzen.

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    Mehr zu diesen Themen finden Sie unter www.maxplanck.de

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    Stichlinge mit einer mittleren Anzahl an MHC-Varianten sind ambesten gegen In-fektionen durchSaugwrmer (links)oder Fadenwrmer(Mitte, rechts) geschtzt.

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    Weitere Informationen erhalten Sie von:PROF. HUAJIAN GAOMax-Planck-Institut fr Metallforschung, StuttgartTel.: 0711/689-3510, Fax: 0711/689-3512E-Mail: [email protected]

    MARKUS J. BUEHLERMax-Planck-Institut fr Metallforschung, StuttgartTel.: 0711/689-3579, Fax: 0711/689-3512E-Mail: [email protected]

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    VERHALTENSphysiologie

    Sitz der Intelligenz ist selbstverstndlich das Gehirn.Und einer landlufigen Annahme zufolge wchstdie Intelligenz mit der Gehirngre. Da diese mit derKrpergre zusammenhngt, muss man fr aussage-krftige Vergleiche die relative Hirngre nennen. ImVerhltnis zum Krper sind die Gehirne von Hund, Pferdund Elefant durchschnittlich gro. Die relative Gehirn-gre des Menschen jedoch liegt weit ber dem Suge-tierdurchschnitt. Es empfiehlt sich also nicht, das Den-ken den Pferden zu berlassen, nur weil sie den gre-ren Kopf haben. Allerdings schneiden in Intelligenztestsgrokopferte Menschen mit 2000 Gramm Hirngewichtnicht konsistent besser ab als Menschen mit halb soschwerem Gehirn. Bei manchen Menschen ist das Ge-hirn offenbar grer als ntig. Hingegen bentigenHaustiere in menschlicher Obhut weniger Gehirn als ihre wild lebenden Stammformen. Beim Hausschaf istdas Gehirn um 24 Prozent kleiner als beim Wildschaf.Reduziert ist vor allem der fr Emotionalitt, Aufmerk-samkeit und Wachsamkeit zustndige Bereich; entspre-chend halten Wildschafe die Ohren steif, viele Haus-schafe lassen sie hngen.

    Da sich der Mensch fr das intelligenteste Lebewesenauf Erden hlt, werden hirngrenabhngige Intelli-genzunterschiede vielleicht erst im Vergleich des Men-schen mit anderen Tierarten messbar. Aber fr solcheVergleiche gibt es keine allgemein verwendbare Intelli-genzskala. Praktikabel ist ein Vergleichsverfahren, dasnicht eine abstrakte Intelligenz, sondern bestimmte In-telligenzleistungen aufs Korn nimmt und deren Auftre-

    ten durch das Tierreich verfolgt. berzeugt von der Son-derstellung des Menschen whlt man dafr meist Leis-tungen aus einem fr typisch menschlich gehaltenenBereich zum Beispiel den Werkzeuggebrauch.

    Es ist bekannt, dass auch unsere nchsten Verwand-ten, die Schimpansen, einfache Werkzeuge benutzen.Ein berhmt gewordenes Beispiel dafr ist ihr Angelnnach Termiten. Dazu nehmen sie einen Halm in dieHand und schieben ihn in einen Gang des Termitenh-gels. Wenn sich Termiten daran festgebissen haben, zie-hen sie sie mit dem Halm heraus. Ein Schimpanse steu-ert dieses Verhalten mit seinem etwa 450 Grammschweren Gehirn.

    Ein anderes Tier, das ebenfalls Termiten frisst, ver-schluckt die erste aufgegriffene Termite nicht, sondernsaugt sie nur aus. Mit der leeren Hlle zwischen denFingerspitzen wackelt es dann im Eingang eines Ter-mitenhaufens hin und her. Prompt beit sich ein wach-habender Termitensoldat mit den Kieferzangen am Ein-dringling fest und lsst sich mit ihm ins Freie ziehen,wo er ebenfalls verzehrt wird. So geht das stundenlang,bis der clevere Angler satt ist eine kaum zwei Zenti-meter groe Raubwanze mit einem Gehirn, kleiner alsein Stecknadelkopf.

    Als weiteren Werkzeuggebrauch lernen Schimpansen,Trinkwasser aus einem tiefen Astloch zu holen, indemsie Bltter zu einem Schwamm zerkauen, ihn mit denFingern eintauchen und dann auslutschen. hnlich ma-chen es Ernteameisen, wenn sie auf flssige Nahrungtreffen: Sie holen sich umherliegende trockene Laub-

    Wie viel Hirnbraucht Intelligenz?

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    Im frhen China wurden vor zweieinhalb Jahrtausenden im Park der Intelligenz die

    unterschiedlichen Fhigkeiten von Sugetieren, Vgeln, Reptilien und Fischen dargeboten.

    Heute fahndet die US-Raumfahrtbehrde NASA nach auerirdischen Zivilisationen

    die menschliche Intelligenz sucht offenbar ihresgleichen. Doch wie hat sich Intelligenz

    entwickelt? WOLFGANG WICKLER, ehemals Direktor am MAX-PLANCK-INSTITUT

    FR VERHALTENSPHYSIOLOGIE in Seewiesen, begibt sich auf die Spuren der Evolution.

  • ESSAY

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    Individuums, neue und neuartige Probleme in angemes-sen kurzer Zeit zu lsen. Die gestellten neuartigen Auf-gaben sind dann meist solche, die dem Tier normaler-weise nicht begegnen. Kein Wunder also, dass dann dieGehirne hherer Tiere ganz allgemein fr komplexerekognitive Fhigkeiten ausgelegt scheinen als ihnen un-ter natrlichen Bedingungen je abverlangt werden. Bei der Bewltigung neuartiger Probleme soll das Tiererfinderisch sein und auch frhere eigene Erfahrungennutzen. Darin unterscheiden sich dann artgleiche Indivi-duen erfahrungsgem deutlich voneinander (wie hin-lnglich vom Menschen bekannt).

    Allerdings wird kein Individuum seine angeborenenkognitiven und motorischen Fhigkeiten bei der Bewl-tigung eines neuartigen Problems ausblenden. Dieschlielich erbrachte Intelligenzleistung wird also zu-sammengefgt sein aus artspezifischen und individu-enspezifischen Anteilen. Verschiedene Arten muss mandeshalb auf demselben Niveau vergleichen, um die indi-viduellen Leistungen hervorzuheben.

    Menschenaffen und Insekten in den oben genanntenBeispielen sind in jeder Hinsicht extrem verschiedeneArten. Man kann aber Unterschiede in der Bewltigungderselben naturgegebenen Aufgabe schon bei nchstverwandten Arten mit gleich organisierten Gehirnenfinden, so etwa bei den Hautflglern. Ein Beispiel ist dasHeimfinden von Ameisen und Wespen: Eine Wsten-ameise, die auf Nahrungssuche weit umherstreift, kehrtschlielich auf schnurgeradem Weg zum Bau zurck selbst durch Gelnde, das sie zuvor nicht betreten hat.Sie misst automatisch auf jedem Ausflug die durchlau-fenen Wegstrecken und Winkel und errechnet daraus alsartspezifische Orientierungsleistung den direkten Rck-weg. Wurde sie unterwegs passiv ein Stck weit ver-setzt, so fehlt dieses in ihrer Berechnung und sie ver-luft sich auf dem Weg nach Hause.

    Eine Grabwespe, die im Suchflug nach Raupen fr ih-re Larven Ausschau hlt, transportiert ihre Beute zu Fuzum Erdloch, in dem die Larve wartet. Sie musste sichzuvor viele Landmarken der Umgebung einprgen, andenen sie sich auf dem Heimweg orientiert. Sie findetdeshalb auch dann zurck, wenn man sie an eine Stelleversetzt, an der sie auf diesem Suchflug nicht gewesenist. Die Wespe versorgt berdies mehrere Larven, jede ineinem anderen Erdloch. Sie braucht deshalb eine Land-karte in ihrem Kopf fr das ganze Gebiet, das heit gutes individuelles Lernvermgen und Ortsgedchtnis.

    Raum-Intelligenz (Orientierung) und technische Intel-ligenz (Werkzeuggebrauch) erreichen vermutlich nichtdas kognitive Leistungsniveau der sozialen Intelligenz,obwohl Primatologen darber streiten, ob unser Gro-hirn zuerst im Dienst der Werkzeugtechnik oder der so-zialen Kompetenz stand. Von letzterer ist bei Men-schenaffen noch vergleichsweise wenig nachgewiesen.Selbst hochgestochene Vermutungen darber werdenweit bertroffen von der sozialen Kompetenz eines

    Prozent unseres Energiehaushalts.Solche Kosten mssen durch irgend-einen selektionswirksamen Nutzenaufgewogen werden. Wenn gene-tisch verankerte Verhaltensprogram-me durch Lernen ergnzt und berei-chert werden, fhrt das zwar zugreren Verhaltensunterschiedenzwischen Individuen. Bislang aberfehlen noch die Nachweise dafr,dass hhere kognitive Fhigkeiten,bis hin zu Traditionsbildungen derMenschenaffen, den Individuentatschlich Selektionsvorteile ein-bringen.

    Wir bewundern als Intelligenzleistungen die kunstvol-len Nester der Webervgel und die landschaftsvern-dernden Dammbauten des Kanadischen Bibers. Die Er-bauer sind warmbltige Wirbeltiere mit hoch entwi-ckelten Gehirnen, aber fr das Errichten ihrer Bautenspielen Lernprozesse kaum eine Rolle: Dieses lebens-wichtige Verhalten ist irrtums-unanfllig im geneti-schen Programm verankert.

    VERHALTENSphysiologie

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    stcke als Lschpapier, legen sie auf die Flssigkeit undschaffen die vollgesogenen Stcke heim; dabei schlep-pen sie pro Transport mehr Flssigkeit als in ihremKropf Platz fnde. Die Ameise ist kaum 10 Millimetergro, ihr Gehirn wiegt weniger als 1 Milligramm.

    Fr die genannten Werkzeughandlungen gengt also wie die Insekten zeigen ein winziges Gehirn. Warummuss es bei Menschenaffen fr funktionell gleicheHandlungen so sehr viel grer sein? Nur weil Affen dazu so viel lernen mssen? Schimpansen erweisen sichunter menschlicher Anleitung zwar als auerordentlichgelehrig. In der Natur scheint diese Gelehrigkeit aberweitgehend ungenutzt zu bleiben, weil das gezielte Be-lehren fehlt. So braucht es viel Zeit, bis ein Schimpan-senkind gelernt hat, Termiten zu angeln. Und nicht alleSchimpansen lernen es. Der Wanze hingegen unterstel-len wir, dass Termitenangeln zu ihrem genetischen Ver-haltensprogramm gehrt, es also alle Individuen knnenund sie dazu nichts lernen mssen.

    Wenn das stimmt, dann muss man fragen, wo derVorteil einer Hherentwicklung von gebrauchssicheremgenetischem zu unsicherem erlernbarem Verhalten lie-gen kann. Allerdings ist die angeborene Cleverness der Wanze, wie gesagt, nur unterstellt abgeleitet aus derallgemeinen Kenntnis ber Insektenverhalten. DiesesVorurteil gilt als so gefestigt, dass noch niemand sichdie Mhe gemacht hat, zu berprfen, ob wirklich alleWanzen-Individuen ohne Lernaufwand in der geschil-derten Weise Termiten fangen knnen.

    knapp 10 Zentimeter langen Putzer-Lippfisches, der an Korallenriffenlebt. Er befreit andere Fische vonHautparasiten, die im Meer unge-mein hufig sind, beit ihnen aberauch gern kleine Stcke aus der ge-sunden Haut. Er hat pro Tag mehrals 100 Putzkunden aus verschiede-nen Arten: Stammkunden, die inseinem Korallenblock wohnen undauf ihn angewiesen sind, und Wan-derkunden, die umherstreifen undverschiedene Putzer aufsuchen.

    Der Putzer verhlt sich genaugem der biologischen Markttheo-rie: Er bearbeitet Wanderkunden vorrangig und beit sieseltener als Stammkunden. Gebissene, die ihn attackie-ren, werden beim nchsten Besuch zunchst beschwich-tigend gestreichelt, also individuell wiedererkannt. War-tende Wanderkunden schauen aufmerksam zu und rich-ten ihr Verhalten danach, wie ihr Vorgnger behandeltwurde. Entsprechend verzichtet der Putzer aufs Beien,falls die Zuschauer Wanderkunden sind, nicht aber,wenn es Stammkunden sind, die zwangslufig wieder-kommen mssen. Das Miniaturgehirn eines Putzers be-wltigt also eine Kunden-Klassifikation mit individuel-ler Kundenauswahl, dazu eine przise Buchfhrung berTuschungen, Bestrafungen und Wiedergutmachung und das unter Beachtung des eigenen sozialen Prestiges.Das alles erfordert erhebliche und spezifische Gedcht-nisleistungen.

    Solche adaptiven Lernleistungen sind der Schlsselfr individuelle Intelligenz. Stammesgeschichtlich ange-passtes Verhalten beruht nur auf denjenigen genetischenVerhaltensprogrammen, die fr ihren Trger ntzlichsind. Misserfolgsprogramme fallen der Selektion zumOpfer und bleiben wirkungslos. Lernvermgen als neueMethode des Informationssammelns hingegen ermg-licht es dem Individuum, auch aus Irrtmern Vorteile zuziehen und sein Verhalten adaptiv zu modifizieren.Wenn es schlielich sogar von fremden Irrtmern profi-tiert, indem es von anderen Individuen lernt und Ver-haltensweisen bernimmt, die sich dort schon bewhrthaben, so ist die noch weiter reichende Vorteilsebeneder Traditionsbildung erreicht. Die bestuntersuchtenBeispiele fr Verhaltenstraditionen liefern brigensnicht die Sugetiere, sondern die Singvgel mit ihrensozial gelernten Gesngen; das wusste und betonteschon Immanuel Kant.

    Verglichen mit Insekten sind Affen und andere Suge-tiere sowie Vgel zu deutlich mehr Intelligenzleistungenfhig. Bei ihnen und auch in anderen Tierstmmen scheinen vielseitiges Lernen durch Ausprobieren sowieLernen von Vorbildern die Erfolgsrezepte vergrerterGehirne zu sein. Die aber sind kostentrchtig. UnserDenkorgan wiegt 2 Prozent des Krpers, schluckt aber 20

    Tiere mssen harte Nsse knacken

    Sicherer ist man sich da bei der Verwendung von Stei-nen als Hammer. Mhsam lernen Schimpansen im Laufvon Monaten bis Jahren, harte Nsse mit einem Steinals Werkzeug zu knacken. Von Sandwespen bestimmterArten wei man, dass sie den Eingang zu ihrer Larven-kammer im Boden mit Sand zuschtten, dann ein Stein-chen in die Mundgliedmaen nehmen und damit dieSandoberflche wieder glatt klopfen. Das knnen alleweiblichen Tiere, und sie mssen dazu nichts lernen.

    Beim Vergleichen von angeborenem Knnen mit indi-viduellem Erlernen bilden die Erforscher tierischer Intel-ligenz zwei Lager: Die mehr biologisch orientierten be-ziehen Intelligenz auf das Lsen solcher Probleme, dieeinem Lebewesen in seiner natrlichen Umwelt norma-lerweise begegnen. Da die verschiedenen Tierarten Um-weltgegebenheiten unterschiedlich differenziert wahr-nehmen und auch unterschiedlich differenziert daraufreagieren knnen, wird man verschiedene arttypischeIntelligenzleistungen finden, die als Anpassungen evo-luiert, also weitgehend genetisch verankert und bei art-gleichen Tieren in gleicher Weise vorhanden sind. Dassind Intelligenzleistungen auf dem Art-Niveau.

    Mehr psychologisch orientierte Wissenschaftler bezie-hen Intelligenz jedoch auf die Fhigkeit des einzelnen

    Es gibt auch Baumeister ohne Hirn

    Leider haben sich die anthropozentrisch orientiertenKognitions-Forscher generell an Wirbeltieren festgebis-sen. Doch neben den Wirbeltieren existieren 30 weitereTierstmme, die 95 Prozent aller heute lebenden Tierar-ten enthalten. Auch da gibt es Baumeister einfachstorganisierte Tiere, die zum Beispiel stangenfrmige Ge-genstnde in der Umgebung aufsammeln und sie alsSttzgerst beim Beutefang verwenden. Das berra-schende: Die Tiere sind Foraminiferen aus der Amben-Verwandtschaft, Einzeller also, die berhaupt kein Ge-hirn haben; sie setzen auf noch unbekannte Weise gene-tische Information ber Proteine in arttypisch intelli-gentes Verhalten um. Bei Wrmern, Mollusken, Spin-nen, Krebsen, Insekten und Stachelhutern haben sichdann unterschiedliche nervse Mechanismen entwickelt,die weiteres intelligent anmutendes, umweltbezogeneswie soziales Verhalten zu Stande bringen.

    Wenn wir die Evolution von Intelligenz, von Lernleis-tungen und groen Gehirnen verstehen wollen, so gibtes dafr nur ein Erfolg versprechendes Forschungspro-gramm: Wir mssen zunchst zusammentragen, welchekognitiven oder intelligenten Leistungen in den ver-schiedenen Tierstmmen und Tierklassen vorhandensind und zu welchen kologischen und sozialen Lebens-bedingungen sie gehren. Ausgewhlte Leistungen ms-sen dann durch das Tierreich vergleichend analysiertwerden, beginnend an der Stelle, wo diese Leistungenzum ersten Mal auf niedrigster Organisationsstufe auf-treten. Hier liegt weites Brachland fr die Intelligenzfor-schung. Der Beitrag entstand unter Mitarbeit von Lucie Salwiczek

  • 18 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 4 / 2 0 0 3

    FOKUS

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    Optische HORIZONTE

    und als Gesetz formuliert. Und sosteht es auch heute noch in den Op-tik-Lehrbchern. Die Welleneigen-schaften des Lichts geben diese Beu-gungsgrenze vor und seit mehr als120 Jahren zweifelte niemand an ih-rer Gltigkeit.

    Stefan Hell jedoch wollte sich nichtdamit zufrieden geben. Der 41-jhri-ge Physiker am Max-Planck-Institutfr biophysikalische Chemie in Gt-tingen ist whrend seiner PromotionEnde der achtziger Jahre auf das Pro-blem der Auflsungsbegrenzung ge-stoen, und seitdem lsst es ihn nichtmehr los. Knnte man die Beugungs-grenze nicht doch durchbrechen unddie Lichtmikroskopie auf die Nano-skala drcken? Hell brachte erste Ge-danken zu Papier, entwarf physikali-sche Konzepte und lie seine berle-gungen patentrechtlich schtzen.

    Es war Intuition, sagt der Wis-senschaftler heute. Ein sicheres Ge-fhl, dass das letzte Wort noch nichtgesprochen und vor allem die Flu-oreszenzmikroskopie noch nicht aus-

    Lichtblicke in die NanoweltDas Mikroskop ist 400 Jahre alt und noch immer nicht ausgereizt. Zwar sollten

    die Welleneigenschaften des Lichts seine Leistungsfhigkeit theoretisch begrenzen.

    Doch auf dem Weg zu Erkenntnissen mssen Wissenschaftler oftmals Grenzen

    berschreiten. Und so hat STEFAN HELL, Direktor am MAX-PLANCK-INSTITUT

    FR BIOPHYSIKALISCHE CHEMIE in Gttingen, kurzerhand eine neue Technik

    erfunden und damit ein weiteres Kapitel der Lichtmikroskopie geschrieben.

    Veranschaulichung der Abbe-schen Beugungsgrenze: Auf-grund der Lichtbeugung mn-det die von einem Objektiv fokussierte Lichtwelle in einenLichtfleck, der entlang der optischen Achse auseinandergezogen ist. Nach Abbe nimmtseine Ausdehnung mit derWellenlnge zu und mit zu-nehmendem Aperturwinkel ab.

    Beim technisch maximal mglichen Winkel von 70 Grad ist der Lichtfleck (Beugungsmaximum) mindestens 200 Nanometer breit und 500 Nanometer lang (a). Beim 4Pi-Mikroskop (b) benutzt man zwei Objektive, um den Gesamt-winkel zu vergrern. Addiert man die gegeneinander lau-fenden Lichtwellen zweier Objektive mittels konstruktiverInterferenz, erhlt man einen etwa vier- bis siebenmal kleineren zentralen Lichtfleck. Er wird allerdings von zwei kleineren Seitenmaxima begleitet, deren Auswirkung imBild aber mathematisch annulliert werden kann. Der kleine-re zentrale Lichtfleck liefert eine vier- bis siebenmal hhereAuflsung entlang der Ausbreitungsrichtung des Lichts.

    gereizt war. Im Jahr1990, als er mit sieben-undzwanzig seine Promo-tion abgeschlossen hatte,wollte er den Sprung insAbenteuer wagen. Gingees schief, wre er immernoch jung genug, um umsatteln zuknnen, so sein Gedanke.

    Inzwischen hat sich gezeigt: Es istnicht schief gegangen. Aus seinenersten Gedanken entwickelte StefanHell die 4Pi-Mikroskopie (siehe Kasten auf Seite 23), mit der er dieAuflsung entlang der Ausbrei-tungsrichtung des Lichts um dasSiebenfache verbessert hat.

    Drei Jahre darauf formulierte er dieSTED-Mikroskopie: das erste physi-kalisch schlssige Konzept zur radi-kalen berwindung der AbbeschenGrenze. Heute lassen sich beide Me-thoden kombinieren. Die krzlich imFachmagazin NATURE BIOTECHNOLOGYverffentlichten hoch aufgelsten 3-D-Bilder aus einem STED-4Pi-Flu-oreszenzmikroskop zeigen, dass sein

    Eigentlich war es eine Tatsache,an der es nichts zu rtteln gab.Die Auflsung optischer Mikroskopegalt als begrenzt. Objekte, die engerals 200 Nanometer (Millionstel Milli-meter) beieinander liegen, knntennicht unterschieden werden undwrden im Bild immer als ein einzi-ger verwaschener Fleck erscheinen.So hatte es Ernst Abbe 1873 erkannt

    In die Nanowelt tauchen Katrin Willig und Stefan Hell ein.

    Die Versuchsanordnungen zurSTED-Mikroskopie werden in

    mhevoller Handarbeit erstellt.

    Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut

    fr biophysikalische Chemie in Gttingen

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    Gttinger Team aus Physikern, Che-mikern, Biologen und Ingenieurentatschlich das Tor zur Nanoweltaufgestoen hat.

    STED (engl. Stimulated EmissionDepletion) bedeutet stimulierteEmissions-Lschung. Albert Ein-stein hatte bereits 1917 vorherge-sagt, dass stimulierte Emission eineMglichkeit des Lichts ist, mit Mate-rie in Wechselwirkung zu treten.Wenn ein Photon auf Materie trifftund sich die Molekle im Grundzu-stand befinden, wird ein Molekl ineinen angeregten Zustand berfhrt.Befindet sich jedoch ein Moleklschon im angeregten Zustand,merkt dies das Photon, wenn esangeflogen kommt. In dem Fallnimmt es die Energie des Moleklsin Form eines zweiten identischenPhotons mit. Das Molekl wird dabeizurck in den Grundzustand ge-zwungen, gleichsam abgeregt. Diestimulierte Emission ist heute das

    dem kurzwelligen Lichtpuls, mit demdie Proben-Molekle angeregt wer-den, einen lngerwelligeren Abrege-Lichtpuls (STED-Puls) folgen lsst zeitlich so abgestimmt, dass sich dieMolekle noch im angeregten Zu-stand befinden. Die Wellenlnge die-ses Pulses entspricht der Energie-differenz zwischen dem angeregtenund dem Grundzustand. Rumlichbetrachtet ist dieser zweite Lichtpulsringfrmig um den Anregungsfokusangeordnet, sodass der Bereich inder Mitte des Rings von der Abre-gung verschont bleibt. Damit gilt: je

    Optische HORIZONTE

    20 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 4 / 2 0 0 3

    destens 200 Nanometern in der Brei-te und 500 Nanometern in der Lnge.

    Was aber, wenn die Molekle noch ehe sie zur spontanen Fluores-zenz kommen mit einem zweitenStrahl durch stimulierte Emissionabgeregt und frher als gewhnlichzurck in den Grundzustand befr-dert werden? Unter der Linse des Mi-kroskops, die das spontane Fluores-zenzlicht auffngt, bliebe es dunkel.Wenn man aber dafr sorgen knnte,dass die stimulierte Emission nur dieMolekle im Randbereich des Flu-oreszenzflecks trifft? Dann, so die

    berlegung von Stefan Hell, wrdeman unter der Linse statt des ovaleneinen kleinen runden Brennfleck er-halten (siehe Bild im Kasten auf Seite 23). Rastert man mit diesemkleineren Fluoreszenzfleck die Probeab, bekommt man ein schrferes Bild.

    STIMULIERTE EMISSIONVERHINDERT FLUORESZENZ

    Mit stimulierter Emission werdenbei der STED-Mikroskopie also dieangeregten Farbstoffmolekle einerProbe abgeregt, jedenfalls ein Teilvon ihnen. Dies gelingt, indem man

    Grundprinzip des Lasers; bei ihmwerden mit STED Photonen angerei-chert. Stefan Hell hat jedoch er-kannt, dass man den Effekt auchnutzen kann, um im Fluoreszenzmi-kroskop den Brennfleck zu verklei-nern. Die Methoden aus Gttingenzielen daher auf die Fluoreszenzmi-kroskopie, die in der biomedizini-schen Grundlagenforschung diewichtigste Mikroskopieform ist. Einemit Fluoreszenzmoleklen markierteProbe wird dabei mit Laserlicht einerbestimmten Wellenlnge bestrahlt.Die Molekle absorbieren das Lichtund geraten vom Grundzustand ineinen angeregten Energiezustand.Normalerweise fallen sie spontan inden Grundzustand zurck und sen-den dabei Fluoreszenzlicht aus, wel-ches etwas lngerwelliger ist als dasAnregungslicht. Nach dem Abbe-schen Beugungsgesetz entsteht mitder herkmmlichen Optik jedoch einlanggezogener Brennfleck von min-

    Aufnahmen von fluoreszenzmarkierten Mikrotubulin-fasern einer Sugerzelle: Der Vergleich von Standard-mikroskopie (links) und Gttinger STED-4Pi-Mikroskopie(rechts) zeigt eine 15fach verbesserte Auflsung ent-lang der optischen Achse (z). Bei der Standardmikros-kopie handelt es sich um eine moderne Form der Laser-raster-Konfokalmikroskopie. Die Vergleichsbilder wurdenan derselben Stelle der Probe hintereinander aufgenom-men. Die Linie im Bild stammt von einer dnnen Schichtvon Fluoreszenzmoleklen auf dem Deckglas; sie ist ein Ma fr die erzielte Auflsung. Der unmittelbareVergleich verdeutlicht den Schrfegewinn.

    Durch ein Labyrinth aus Linsenund Blenden verfolgt Marcus Dybaden Laserstrahl, mit dessen Hilfe die Gttinger Wissenschaftler das Abbesche Gesetz aushebeln.

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    tet, desto kleiner wird der Fluores-zenzfleck und umso besser kannman auflsen. Abbes Gesetz ist da-mit ausgehebelt. Der Faktor, um denman die Sttigungsschwelle ber-schreitet, bestimmt die Auflsung;diese hngt jetzt nicht mehr von derWellenlnge des verwendeten Lichtsab. Stefan Hell hat berechnet, dassdie Auflsung mit der Wurzel desSttigungsfaktors zunimmt. ber-schreitet man die Schwelle um dasNeunfache, so verdreifacht sich dieAuflsung. berschreitet man sieum das Hundertfache, ist der Ge-winn verzehnfacht.

    Die Beugung des Lichts ver-schwindet natrlich nicht, aber sieist nicht mehr die Grenze, sagt derErfinder der neuen Technik. Ohnephysikalische Gesetze zu verletzen,knne man nun einen Fluoreszenz-fleck von der Grenordnung einesMolekls erzeugen und damit Auf-lsungen bis hinunter zur molekula-ren Skala erreichen. Man brauchtdazu jedoch Fluoreszenzmolekle,

    die eine mglichst niedrige Abre-gungsschwelle haben. Beliebig hochkann man die Intensitt des STED-Pulses nmlich nicht whlen, da zu intensives Licht den Moleklenschaden wrde.

    AUF DER SUCHE NACHDER NEUEN GRENZE

    Die Abregungsschwelle hngt vonden Eigenschaften des Molekls undder verwendeten Abregungs-Wellen-lnge ab. Das Team um Stefan Hell seit Oktober 2002 ist er Leiter derneu gegrndeten Abteilung Nano-Biophotonik am Gttinger Max-Planck-Institut sucht jetzt nachden tatschlichen Grenzen. Die Wis-senschaftler testen alle Farbstoffe;organische wie anorganische kom-men infrage, aber auch von der Zelleselbst erzeugte Proteine. Dazu mussman die Wellenlnge des Lichts vari-ieren und die chemische Umgebung(zum Beispiel den pH-Wert) vern-dern. Wir haben einen Faden ge-funden. Nun schauen wir, bei wel-

    cher Auflsung er endet, beschreibtHell die Situation.

    Noch handelt es sich um Grund-lagenforschung, meint der Physiker.Wir haben gezeigt, dass die STED-Mikroskopie funktioniert und sichdie zu Grunde liegende physikalischeIdee experimentell besttigen lsst.Jetzt wollen wir herausfinden, wiegut das Prinzip mit der Palette vor-handener fluoreszierender Moleklezu realisieren ist. Auch ber Alter-nativen zu STED denkt Hell bereitsnach. Statt die Randmolekle ge-zielt aus dem angeregten Energie-zustand abzuregen, sei es beispiels-weise denkbar, sie schon vor der ei-gentlichen Fluoreszenzanregung ausdem Grundzustand zu entfernen. InBetracht ziehen die Forscher auer-dem die lichtinduzierte Umlagerungvon Atomgruppen innerhalb derMolekle, welche die Fluoreszenzein- und ausschalten.

    Besonders aufmerksam verfolgenBiologen die Gttinger Entwicklun-gen. Die Lichtmikroskopie ist fr sienmlich die einzige Mglichkeit, dasInnere lebender Zellen zu beobach-ten. Elektronen- und Rasterkraft-mikroskopie erreichen zwar die ge-wnschte Auflsung. Aber sie arbei-ten unter Bedingungen (Vakuumoder tiefe Temperaturen), unter de-nen jede lebende Zelle stirbt. Undmit Rastersondenmikroskopen kannman ohnehin nur Oberflchen abtas-ten. Die optische Mikroskopie war je-doch aufgrund der Beugungsgrenzein ihrer Anwendung bislang be-grenzt. Wrden Stefan Hells Metho-den den Sprung in die breite Anwen-dung schaffen, wre das neben demschon erzielten physikalischen Durch-bruch ein echter Gewinn auch fr dieBiologie. Am Anfang erinnert ersich, wollte kaum jemand daranglauben. Aber jetzt ist klar: Die Visi-on der lichtoptischen Nanoskopie hateine echte Chance. INA HELMS

    Optische HORIZONTE

    kleiner das Loch in der Mitte, destokleiner der Fluoreszenzfleck (sieheBild im Kasten auf Seite 23).

    Natrlich unterliegt auch derSTED-Puls der Abbeschen Beugungs-grenze und bildet ebenfalls einenlanggestreckten Fokus. Das heit,man kann ihm kein beliebig kleinesLoch verpassen. Den Ausweg hat Ste-fan Hell jedoch sofort erkannt: Erliegt in dem nichtlinearen Zusam-menhang zwischen Abregung undIntensitt des Pulses. Je intensiverder STED-Puls ist, desto besser regt er ab, sagt Hell. berschreitet dieIntensitt eine gewisse Schwelle, hatdas Molekl kaum eine Chance,spontan zu fluoreszieren. Man sagt,die Abregung ist gesttigt. Wird dieIntensitt weiter gesteigert, nimmtder von der Abregung betroffene Be-reich immer weiter zu die fluores-zierende Region wird immer weitereingeschnrt.

    Das ist laut Hell der eigentlicheTrick des Verfahrens: Je mehr mandie Sttigungsschwelle berschrei-

    Hinter Kabeln und Haltern ver-steckt: das erste4Pi-Mikroskop, das wie ein rich-tiges Mikroskop aussieht, wurde von Max-Planck-Forschern in Ko-operation mit derFirma Leica Micro-systems entwickelt.Der Physiker JrgBewersdorf und die Biologin TanjaRosenmund berei-ten gerade eineProbe vor.

    DIE 4PI-MIKROSKOPIESchon mit dieser Methode gelang es, die optische Auflsung von denvorher mglichen 500 Nanometern auf 70 bis 140 Nanometer entlangder optischen Achse zu verbessern. Zwar blieb die Abbesche Beugungs-grenze noch unangetastet, doch mit der 4Pi-Idee hatte Stefan Hell Anfang der neunziger Jahre erstmals gezeigt, dass die Lichtmikroskopienoch lange nicht am Ende ist. Doch selbst als er die Theorie der Methodeschlssig bewiesen hatte, glaubte zunchst kaum jemand, dass sie in derPraxis umsetzbar sei. Dennoch entwickelten die Gttinger Max-Planck-Forscher die 4Pi-Mikroskopie unbeirrt weiter. Den letzten Beweis hatAlexander Egner erbracht: Whrend seiner Promotionsarbeit gewann er hoch auflsende 3-D-Bilder, welche die Verteilung von Proteinen im so genannten Golgi-Apparat zeigen das sind Zellorganellen, in denenProteine sortiert und verzuckert werden (siehe Foto rechts). Auerdemhaben die Gttinger Forscher in Kooperation mit der Firma Leica Micro-systems Heidelberg ein 4Pi-Mikroskop in einer physikalisch besondersleistungsfhigen Form realisiert. Statt eines einzigen Objektivs, so derGrundgedanke der 4Pi-Mikroskopie, verwendet man zwei Objektive, die gegeneinander gerichtet sind. Die Lichtwellen beider Objektive werden so berlagert, dass sie im Fokuspunkt ihr Feld verstrken (kons-truktive Interferenz). Auf diese Weise simuliert man eine beinahe kugelfrmige Lichtwelle, die fast aus allen Richtungen auf den Fokuspunkt zuluft. Der volle Raumwinkel von 4Pi wird dadurch viel besser ab-gedeckt. Aus dem ovalen Brennfleck wird ein schmalerer, fast runder Fokus. Allerdings entstehen ober- und unterhalb des Brennpunkts noch zwei kleinere Brennflecken. Diese ausreichend klein zu halten, war die grte Herausforderung bei der Entwicklung der Methode. Es galt, physikalische Bedingungen zu fin-den, unter denen die Intensitt der beiden Satelliten mindestens kleiner als 50 Prozent des Hauptbrenn-flecks ist. Dann nmlich kann man ihre Auswirkung auf das Bild wegrechnen. Gelungen ist dies mithilfe der Zwei-Photonen-Anregung (siehe den Beitrag Mikroskopie im optischen Schnitt, Seite 34 ff.), die jedoch nur eine erste pragmatische Lsung sein soll. Denn bei dieser Art der Anregung ist eine zustzlicheLaserquelle erforderlich, und man muss mit gepulster Strahlung arbeiten. In Zukunft, so die Vorstellungenin Gttingen, soll die 4Pi-Mikroskopie auch ohne Zwei-Photonen-Anregung auskommen und damit leichterhandhabbar werden. Die Gttinger Forscher sind jedenfalls berzeugt, dass es sich lohnt, das Auflsungs-problem systematisch und von mehreren Seiten anzugehen. Unabhngige Anstze wie die STED- und die4Pi-Mikroskopie knnten dann kombiniert werden und wrden sich gegenseitig verstrken.

    DIE STED-MIKROSKOPIEDer entscheidende Bestandteil der STED-Mikroskopie ist die Sttigung der Molekl-Abregung durch stimu-lierte Emission. Ein Lichtpuls (STED), unmittelbar nach der Fluoreszenzanregung losgeschickt, zwingt dieMolekle vom angeregten Energiezustand zurck in den Grundzustand (a). Wenn sich Anregungs- und Ab-regungspuls geschickt berlagern (c), werden die Molekle abgeregt, die sich im Randbereich des Brenn-flecks befinden noch ehe sie dazu kommen, spontan zu fluoreszieren. Insgesamt nimmt die spontane Fluoreszenz eines Molekls mit steigender Intensitt des STED-Pulses ab (b). Wird eine bestimmte Schwelleberschritten, kann die Fluoreszenz fast vollkommen unterbunden werden. Der grne Brennfleck, der ohneSTED-Puls entsteht, schnrt sich mit zunehmender Intensitt des Abregungspulses immer mehr ein. Das Ergebnis: ein fokaler Fleck, der deutlich kleiner ist als der von der Beugung limitierte Abbesche Fleck (d).

    DATEN AUS KLAR ET AL, PNAS, 97, 2000

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    DATEN AUS KLAR ET AL, PNAS, 97, 2000

  • Trotzdem war die Idee, diese Me-thode auf mikroskopisch kleine le-bende Objekte wie Zellen zu bertra-gen, reichlich verwegen, und das hatmehrere Grnde. Erstens: Zellen sindeinen bis wenige Mikrometer gro,die Dimension ihrer inneren Struktu-ren bewegt sich aber im Nanometer-bereich; deshalb ist eine Abbildungs-methode mit hoher optischer Aufl-sung notwendig. Elektronenstrahlen,wie man sie im Elektronenmikroskopverwendet, sind hier geeignet. Zwei-tens: Die Durchleuchtung mit Elek-tronenstrahlen geschieht im Hochva-kuum, und in diesem kann keineZelle berleben sie wrde sofortplatzen, ihre Flssigkeit verdampfen.

    bis 5000 Elektronen auf einer Flchevon einem Quadrat-Nanometer dieobere Grenze bilden lcherlich we-nig, wenn man diese Zahl auch nochauf Hunderte von Bildern verteilenmuss. Gleichzeitig bentigt aber dieTomographie viele Einzelaufnahmen.Je mehr verschiedene Projektioneneines Objekts der Computer kombi-niert, desto hher ist die erreichbareAuflsung, desto schrfer werdendie 3-D-Bilder. Viele Aufnahmen be-deuten jedoch auch eine hohe Strah-lenbelastung.

    Die Idee, Elektronentomographiefr wissenschaftliche Zwecke zu be-treiben, ist schon 35 Jahre alt. ImJahr 1968 verffentlichten drei For-

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    Optische HORIZONTE

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    FOKUS

    Neuland in drei Dim ensionenIm Inneren der Zelle herrscht Gedrngel, die verschiedenen Protein-

    strukturen schwimmen keineswegs ungehindert umher. Woher die For-

    scher das wissen? Aus den sensationellen dreidimensionalen Aufnahmen

    lebender Zellen. Die Fotografen: Wissenschaftler um WOLFGANG

    BAUMEISTER, Direktor am MAX-PLANCK-INSTITUT FR BIOCHEMIE

    in Martinsried. Das Verfahren: die Kryo-Elektronentomographie.

    Selbst in den Naturwissenschaftenhalten sich manche Legendenber Jahrzehnte hinweg und lnger.Mehr als 300 Jahre lang glaubte manbeispielsweise, jede lebende Zelle ent-halte in der Hauptsache Wasser, in dervereinzelte Partikel treiben. Dass diesnicht so ist, ahnte man zwar schonseit lngerem, und vor etwa 20 Jah-ren hat man erkannt, dass sehr vieleMakromolekle das Zellinnere bevl-kern. Aber erst die Aufsehen erregen-den Darstellungen der MartinsriederWissenschaftler schufen Klarheit nach mehr als zehnjhriger For-schungs- und Entwicklungsarbeit aufdem Gebiet der zellulren Kryo-Elek-tronentomographie.

    Architektur des Herpes sim-plex Virus 1: Links ein mikros-kopisches Bild, in der Mitte das rekonstruierte und ent-rauschte Tomogramm, rechts die gesonderte Darstellung derHauptbestandteile des Virus.

    Das Prinzip gleicht dem der Com-putertomographie, die inzwischen inallen groen Kliniken gang und gbeist und es erlaubt, Schichtbilder vomInneren des Menschen herzustellen.Dazu umkreisen eine Rntgenquelleund eine Kamera den Patienten. DieKamera nimmt dabei Rntgenbilderaus vielen Winkeln auf, die an-schlieend im Computer miteinanderkombiniert werden. So errechnensich schlielich dreidimensionaleBilder, auf denen sich die innerenOrgane zeigen. Das Verfahren istheute technisch ziemlich ausgereiftund liefert zuverlssige Einblicke inden menschlichen Krper.

    Dies ist auch der Grund, warum manunter dem Elektronenmikroskop vonjeher getrocknete Prparate betrach-tet hatte, die meist in Kunststoff ein-gebettet oder mit Schwermetallen fi-xiert und gefrbt waren.

    ZU VIELE ELEKTRONENSIND DER ZELLE TOD

    Auerdem hlt das fragile Gebildeeiner lebenden Zelle energiereicheStrahlung wie etwa Elektronen nursehr begrenzt aus. Wird die Bestrah-lungszeit und damit die Dosis zuhoch, verkohlt die Zelle und ist freine weitere Untersuchung verloren.Die Erfahrung hat gezeigt, dass 2000

    schergruppen erste prinzipielle Stu-dien dazu, die jedoch wegen der da-mals verwendeten Technik in ihrerAnwendbarkeit uerst limitiert wa-ren. Erst im Laufe der neunziger Jah-re hatten sich die Gerte- und vor al-lem die Computertechnik und Infor-matik so weit entwickelt, dass manallmhlich an einen Einsatz fr Auf-lsungen im Nanometerbereich auchbei intakten Zellen denken konnte.

    Wahrscheinlich fhren beim heu-tigen Stand des Wissens neue Me-thoden und Techniken hufiger zuErkenntnisfortschritten als neue Hy-pothesen, sagt Wolfgang Baumeis-ter, der seit 1988 als Direktor amFOT

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    Zellkino: Drei unter-schiedliche makromole-kulare Proteinkomplexe,die Wissenschaftler mitder Kryo-Elektronentomo-graphie innerhalb einerZelle lokalisiert haben.

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    wre die Zelle unter dem Elektronen-beschuss schon nach den ersten Bil-dern verkohlt.

    Die Martinsrieder nehmen einehchst empfindliche CCD-Kameraund den Computer zu Hilfe. Er wertetbei jedem Schritt das registrierte Bildaus, positioniert die Zelle wieder ex-akt und fokussiert auf die richtigeStelle alles automatisch. Und wh-rend der ganzen Zeit wird der Elek-tronenstrahl zur Seite abgelenkt undkann deshalb das Objekt nicht sch-digen. Auf diese Weise gelingt esuns, rund 97 Prozent der Strahlendo-sis fr das Aufnehmen der Bilder zuverwenden, sagt Harald Engelhardt,nur drei Prozent bentigen wir frdie Einstellung des Mikroskops.

    Eine weitere Schwierigkeit: DieProbe lsst sich nicht aus allen Rich-tungen durchleuchten; ein gewisserWinkel wird immer durch den Pro-benhalter verdeckt. Diese Daten feh-

    len spter bei der Rekonstruktion derBilder zum 3-D-Objekt. Neuerdingsversuchen die Forscher, diese Infor-mationslcke dadurch zu verringern,dass sie die Probe in einem eigenskonstruierten Dreh-Kipphalter nacheiner Bilderserie um 90 Grad drehenund dann eine zweite Sequenz auf-nehmen.

    Sind die Bilder erst einmal im Kas-ten, sprich Computer, beginnt diezeitaufwndige Verarbeitung der Da-ten. Aufgrund der extrem geringenDosis sind die Einzelbilder sehr ver-rauscht oft erkennt das menschli-che Auge darauf nur schemenhafteSchleier. Die Aufgabe der Martinsrie-der Bildverarbeiter um Reiner Hegerlist es nun, diese Schleier zu lftenund die Bilder so zu kombinierenund aufzubereiten, dass man aus derDatenflut Objekte herausfiltern kann,die sich klar von der Umgebung ab-grenzen lassen. Man muss die rele-

    sellschaft in Garching sowie eineReihe leistungsfhiger Workstationsim Institut.

    Ist das rumliche Bild der Zelleerst einmal bestimmt und erscheintauf dem Computerbildschirm, gehtes darum, das Gewirr in ihrem Inne-ren zu gliedern und in fassbareStrukturen einzuteilen Segmentie-ren nennen das die Fachleute. Oftscheitert diese Methode jedoch da-ran, dass in der bervlkerten Zelleviele Proteinkomplexe zu eng anein-ander liegen. Der Computer kanndann nicht mehr erkennen, wo dereine aufhrt und der nchste an-fngt. Welche Enzyme in einer Zellearbeiten, ist zum groen Teil be-kannt, und soweit man deren rum-liche Struktur mit physikalischenMethoden etwa der Rntgenstruk-turanalyse oder der Elektronenmi-kroskopie ermittelt hat, kennt manauch ihre Form. Diese Kenntnis wol-

    Optische HORIZONTE

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    Max-Planck-Institut fr Biochemiedie treibende Kraft des Tomographie-projekts ist. Das steht in einem son-derbaren Kontrast zu der verhltnis-mig geringen Wertschtzung, dieder methodisch orientierten For-schung zuteil wird. Es gab sogarDiskussionen darber, ob die Ent-wicklung eines bildgebenden Verfah-rens berhaupt Aufgabe der Max-Planck-Gesellschaft sei oder obnicht vielmehr die Industrie solcheTomographen entwickeln und her-stellen msse. Der Biophysiker gibthierauf eine klare Antwort: Wenndie Industrie nicht willens ist, diesesRisiko einzugehen und uns diejeni-gen Instrumente zur Verfgung zustellen, die wir fr unsere wissen-schaftlichen Fragestellungen brau-chen, dann mssen wir sie ebenselbst produzieren. Man tat dies al-lerdings in enger Kooperation miteinschlgigen Firmen.

    vakuumfhig zu machen und dieZellen in ihrem natrlichen Zustandzu bewahren, wird es schockgefroren.Dazu bringt man es blitzschnell in ei-ne Flssigkeit von minus 196 GradCelsius. Die Zellen khlen so raschab, dass die Wassermolekle in ihnenund um sie herum keine Zeit haben,Eiskristalle zu bilden. So bleiben diefeinen Strukturen intakt viele Zel-len knnten sogar nach dem Auftau-en weiterleben. Das Prparat befestigtman nun auf einem speziellen Pro-benhalter, der es mit flssigem Stick-stoff khlt, damit die Probe whrendder Untersuchung nicht auftauenkann. Da seit einiger Zeit bekannt ist,dass Zellen der Strahlung umso bes-ser standhalten, je klter sie sind, be-ginnen die Martinsrieder Forscherneuerdings damit, die Proben nochweit unter die Stickstofftemperatur zukhlen. Man benutzt dazu flssigesHelium von minus 269 Grad.

    Gruppen beschftigen sich mittler-weile mit der Elektronentomogra-phie. Konkurrenz belebt natrlich dasGeschft, doch noch haben wir einenWissensvorsprung.

    PARALLELRECHNERENTSCHLEIERT DIE BILDER

    Im Gegensatz zur Computertomo-graphie in der Klinik ist es bei derElektronentomographie nicht sinn-voll, das Mikroskop rund um das Ob-jekt zu fhren. Hier wird die Zellegedreht, whrend die Lichtquelle,also die Quelle der Elektronenstrah-len, an ihrem Platz bleibt. Das klingteinfach, ist aber in der Praxis mit ei-ner Reihe von Problemen verbunden.So verschiebt sich bei jedem Kipp-schritt das Gesichtsfeld ein wenig der Elektronenstrahl muss deshalbneu ausgerichtet und wieder genauauf das Objekt fokussiert werden.Wrde man dies von Hand machen,

    FOKUS

    Schnappschsse aus einem zellulren Tomo-

    gramm nach 3-dimensio-naler Bildanalyse eines

    vollstndig in Eis einge-betteten Archaebakteri-

    ums (Pyrodictium abyssi):Sichtbar sind die regel-mig geformte Ober-

    flchenschicht (hellblau),eine Gruppe von Vesi-keln (dunkelblau) und ein Rhrchen (eben-

    falls dunkelblau). Auer-dem erkennt man ver-

    schiedene an die Vesikelangelagerte Protein-

    komplexe (wei).

    Die Entwicklung der zellulrenKryo-Elektronentomographie war ei-ne Sisyphusarbeit: Hatten die For-scher ein Problem gelst, so tauchtemeist gleich das nchste auf. Trotz-dem lie sich Baumeisters Team, dasunter anderem aus Biologen, Chemi-kern, Physikern und Informatikernbesteht, nicht entmutigen. Und soentstand ein Verfahren, das die neu-esten technologischen Erkenntnisseund Fortschritte kombiniert.

    Zunchst gibt man die Lsung mitden Zellen, die man betrachten will,auf ein feines Netzchen, das so kons-truiert ist, dass die Zellen nichtdurchrutschen, trotzdem aber durchdie Maschen hindurch sichtbar blei-ben. Um das empfindliche Objekt

    In elegantem Hellgrau prsentiertsich die neueste Errungenschaft desInstituts: Das heliumgekhlte Trans-missions-Elektronenmikroskop na-mens Polara steht in einem Bunkerdes eigens fr die Elektronenmik-roskopie errichteten Neubaus, der ge-gen Erschtterungen und elektroma-gnetische Felder von auen gut ab-geschirmt ist. Unspektakulr sieht esaus, und fr mehrere Millionen Eurokann