molecular reaction dynamics. von raphael d. levine

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Page 1: Molecular Reaction Dynamics. Von Raphael D. Levine

und Ger�tschaften angewachseneSammlung unterbringen konnte. Diesesansehnliche M�belst�ck ist noch heutein Cambridge ausgestellt.

Alle Lehrstuhlinhaber einzeln vor-zustellen w�rde den Rahmen dieser Re-zension sprengen, wenigstens zu erw�h-nen ist aber das erstaunliche Missver-h�ltnis in der fachlichen Qualifikationeiniger der fr�hen Amtsinhaber, beson-ders im heutigen Vergleich. So musstebeispielsweise der f�nfte Lehrstuhlinha-ber, Richard Watson (1764–1771), beiseiner Ernennung einr�umen, „rein garnichts von Chemie zu verstehen, niemalseine Silbe dar�ber gelesen, geschweigedenn je einem chemischen Experimentbeigewohnt zu haben“. Erst nachdemer sich dann 15 Monate mit dem Studi-um der Chemie besch�ftigt hatte –„soweit seine �brigen Pflichten dies zu-ließen“ –, war er in der Lage, seineerste Vorlesung zu halten. Wie sichdoch die Zeiten ge�ndert haben! Alskrasses Gegenbeispiel hierzu hatten dievier letzten Amtsinhaber schon l�ngstvor ihrer Ernennung einen herausragen-den Ruf als Chemiker: Alexander Todd(1944–1971), Ralph Raphael (1972–1988), Alan Battersby (1988–1992) undSteven Ley (seit 1992), die die Reputati-on des Lehrstuhls in ihren Amtszeitennoch verfestigten, und die, in Anerken-nung ihrer Verdienste um die Chemie,alle zu Fellows der Royal Society er-nannt wurden. Lord Todd wurdezudem der Nobelpreis f�r Chemie ver-liehen.

Auf ihre lange Tradition in derLehre der Chemie kann die Universit�tCambridge mit Recht stolz sein. Die Ge-schichte des „1702 Chair of Chemistry“,die hier autoritativ, lesenswert und faszi-nierend dargestellt wird, ist ein Teildieser großen Tradition. Jede chemischeBibliothek sollte ein Exemplar diesesBuches besitzen, und jeder, der sich f�rWissenschaftsgeschichte interessiert,wird von der Lekt�re begeistert sein.

Dennis H. RouvrayDepartment of ChemistryUniversity of GeorgiaAthens, Georgia (USA)

Molecular Reaction Dynamics

Von Raphael D.Levine. CambridgeUniversity Press2005. 554 S., geb.,45.00 £.—ISBN0-521-84276-X

Raphael Levine pr�sentiert mit vorlie-gendem Werk eine vollst�ndig �berar-beitete Fassung des klassischen„Levine/Bernstein“ aus dem Jahr 1974.Neben Altbekanntem aus dem Bereichder molekularen Reaktionsdynamik –Stoßvorg�nge, Reaktionsgeschwindig-keiten, Potentialenergiefunktionen, mo-lekularer Energietransfer – fanden vieleneue Themen Eingang in das Buch, wieetwa die Echtzeit-Femtosekundenpho-tochemie, Quantenkontrolle chemischerReaktionen, Stereodynamik und chemi-sche Reaktionen in kondensierter Phaseund an Grenzfl�chen.

Die ersten vier Kapitel besch�ftigensich mit den Grundlagen der Molek�l-dynamik. In Einf�hrungen in die chemi-sche Reaktionsdynamik, Stoßtheorieund formale Streutheorie wird diegrundlegende Terminologie vermittelt,und Theorien klassischer Ph�nomenewerden anhand experimenteller Befun-de qualitativ erkl�rt. Die Kapitel 5 und6 stellen die wichtigsten Rechenmetho-den in der Molek�ldynamik vor: Poten-tialenergiefunktionen, klassische Tra-jektorienberechnungen, Monte-Carlo-Simulationen, die Theorie des Iber-gangszustandes, Phasenraumtheorieund die Rice-Ramsperger-Kassel-Mar-cus(RRKM)-Theorie. Die Erl�uterun-gen sind sehr verst�ndlich gehalten undein Beleg f�r die ausgezeichnete didak-tische Aufbereitung des Buches. Iber-haupt zeichnet sich der Text durchge-hend durch eine klare Darstellung kom-plizierter Sachverhalte bei einem Mini-mum an mathematischem Formalismusaus.

In Kapitel 7 wird aufgezeigt, wie sichMolek�le durch photochemische Me-thoden in einem bestimmten Quanten-zustand pr�parieren lassen und wie aufdiese Weise chemische Reaktionen ge-

steuert werden k�nnen. Ans�tze zur Be-schreibung der molekularen Photodisso-ziation innerhalb und jenseits der Born-Oppenheimer-N�herung werden vorge-stellt und anhand zahlreicher aktuellerAnwendungen (Photoanregung zwei-atomiger Molek�le, Photodissoziations-dynamik, schwingungsselektive Photo-chemie, bimolekulare Spektroskopie,Quantenkontrollexperimente) veran-schaulicht.

Kapitel 8 widmet sich der Echtzeit-Femtosekundenphotochemie, mit dersich detaillierte Informationen �ber dieIbergangszust�nde von chemischenReaktionen gewinnen lassen. Das Kapi-tel ist relativ kurz und illustriert einigewichtige qualitative Beobachtungenwie Wellenpakete, Bindungsspaltungen,Koh�renz und chemische Umsetzungenmithilfe ultrakurzer Laserpulse. Dermolekulare Energietransfer steht in Ka-pitel 9 im Mittelpunkt, wobei unter an-derem auf elektronische und Schwin-gungsfreiheitsgrade von Molek�len,chemische Laser und nichtadiabatischeWechselwirkungen in Molek�len einge-gangen wird.

Kapitel 10 berichtet �ber ein neuesGebiet der Molek�ldynamik, n�mlichdie Stereodynamik molekularer Reak-tionen, die direkte Einblicke in die ele-mentaren Vorg�nge bei einer chemi-schen Reaktion liefert. Mehrere Metho-den zur Erzeugung von ausgerichtetenMolek�len im elektrischen Feld oderdurch Laserbestrahlung werden vorge-stellt, und anhand von Beispielen wirddie Analyse der Anisotropie der Reakti-onsprodukte erl�utert.

Die Kapitel 11 und 12 schließlich be-sch�ftigen sich mit Reaktionen in kon-densierter Phase und mit Gas-Oberfl�-chen-Reaktionen. Die j�ngsten Ent-wicklungen auf diesen Gebieten sindvor allem f�r die chemische Industrie,die Nanotechnologie und die Biologievon großer Bedeutung. L�sungsmittel-wechselwirkungen, Solvatisierungsph�-nomene und der K�figeffekt werden de-tailliert beschrieben, und der aktuelleWissensstand �ber chemische Reaktivi-t�t in L�sung und an Oberfl�chen wirdanhand von Beispielen gut vermittelt.

Alles in allem pr�sentiert sich dasBuch als verst�ndlich geschriebene undmoderne Darstellung der molekularenReaktionsdynamik, die außerdem alsEinf�hrung in viele wichtige Bereiche

B�cher

4740 - 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de Angew. Chem. 2005, 117, 4739 – 4742

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der modernen Naturwissenschaften –wie die Steuerung chemischer Reaktio-nen, Verbrennungsvorg�nge, Astrophy-sik, Materialwissenschaften, Nanophy-sik, Nanochemie und Biophysik – ge-nutzt werden kann. Studierenden derphysikalischen Chemie kann ich dieLekt�re guten Gewissens empfehlen.

Oleg S. VasyutinskiiInstitut f7r Physikalische undTheoretische ChemieUniversit;t BraunschweigundIoffe-InstitutRussische Akademie der WissenschaftenSt. Petersburg (Russland)

DOI: 10.1002/ange.200585288

Die Degussa im Dritten Reich

Von der Zusam-menarbeit zur Mit-t;terschaft. VonPeter Hayes. C.-H.Beck, M7nchen2004. 486 S., geb.,34.90 E.—ISBN3-406-52204-1

Das Buch von Hayes geh�rt mit denenvon Lindner („Hoechst – Ein I.G.FarbenWerk imDritten Reich“), Abels-hauser („Die BASF – Eine Unterneh-mensgeschichte“)[1a] und – in gewissemSinne und mit Einschr�nkungen – auchder Darstellung von Lorentz/Erker(„Chemie und Politik – Die Geschichteder Chemischen Werke H�ls 1938–1979“)[1b] zu jener Reihe von Unterneh-mensbiographien, die vom �ffentlichenInteresse an der jeweiligen Werksge-schichte in Zusammenhang mit derNS-Zeit, der Kritik der Offentlichkeitan den damaligen Gesch�ftsf�hrungenund den Anspr�chen ehemaligerZwangsarbeiter gespeist werden. Sie un-terscheiden sich damit gravierend vonfr�heren „Werksgeschichten“ und ihrerteilweise hagiographischen Darstellung,die sich – ohne das Kapitel 1933–45 aus-

zusparen – doch nur berichtend undweder wertend noch sozio�konomischmit dem Thema Zwangsarbeiter be-sch�ftigten. Die großen Bildb�nde undWerksgeschichten von Hoechst oderder BASF aus Anlass der jeweils 125.Geburtstage (zwischen 1988 und 1990)sind hierf�r typische Beispiele. So istbeispielsweise im Band „Mitten imLeben“ von Hoechst in der h�rtestenFormulierung nur von „Strafgefange-nen“ die Rede.

Die neuen B�cher, und speziell dasvon Hayes, sehen die Geschichte derWerke mit anderen Augen. Hayes defi-niert seine Intention wie folgt: „dassdie Leser ohne Umwege ihre Neugierauf das Wann, Warum und Wie (…) be-friedigen k(nnen: den Beziehungen derDegussa zu Partei und Staat, der Ver-wicklung des Unternehmens in die Be-raubung der europ-ischen Juden, ihrerRolle in der deutschen Kriegswirtschaft(…), ihrer Beteiligung an der Ausbeu-tung von Zwangsarbeitern, insbesondereKZ-Insassen, ihrer Verantwortung f�rden m(rderischen Einsatz von ZyklonB und ihrem Widerstreben, all diesschon fr�her (ffentlich darzulegen“.Phnlich wie Lorentz/Erker bei den Che-mischen Werken H�ls konzentriert sichHayes deshalb nur auf Teilaspekte derDegussa-Geschichte, was wie bei Lo-rentz/Erker dazu f�hrt, dass sich „… the-matische und chronologische Elemente…“ in der Schilderung mischen. Die the-matische Gliederung ist allerdings weitweniger tief und umfasst neben den all-gemeinen Ibersichten „Einf�hrungund Iberblick“ und „Kriegsende undNachwirkungen“ sieben selbst�ndigeKapitel von „Die Firma, die Partei unddas Regime“ �ber „Arisierung“ bis zu„Zwangsarbeit“. Besonderheiten derDegussa werden vor allem in denTeilen „Edelmetalle f�r das Reich“und „Degesch und Zyklon B“ abgehan-delt.

Auffallend an der Schilderung ist,besonders auch im Vergleich mit demBuch von Lorentz und Erker, die unauf-geregte und unideologische Schilde-rung, die in Teilen und besonders inden beiden ersten Einf�hrungs- undIbersichtskapiteln fast die Qualit�teiner leicht zu lesenden „Biographie“erreicht. Hayes spricht sehr wohl einedeutliche Sprache, beschreibt die Vor-g�nge, und vor allem die handelnden

Personen, jedoch ohne Hass. Deutlichwird dies im Beitrag �ber die Mechanis-men, nach denen im „Protektorat“ j�di-sches Eigentum in Reinmetall – Goldund Silber – umgewandelt wurde. DieDegussa war als „Gold- und Silberschei-deanstalt“ zwar auch 1933 bereits l�ngstihrem Namen entwachsen, doch zahltesie mit ihrem Edelmetallgesch�ft unddemUmschmelzen w�hrend des DrittenReiches und speziell w�hrend der Ent-eignungskampagnen („Judenmetall-oder Leihhausaktion“ mit beispielswei-se mindestens 455 Tonnen Silber) unddem Gold der Leichen und Deportier-ten aus den Konzentrationslagern(�ber die B�cher der Degussa liefen2.1 Tonnen Gold) einen hohen morali-schen Preis. Hayes’ Verdikt ist eindeu-tig: „. . . hatte die Degussa-F�hrung kei-nerlei Bedenken, was die Herkunft dervon ihr ben(tigten Materialien anging“und „… mit Sicherheit verdiente sie [dieDegussa] nur Bruchteile dessen, was dieReichsbank, die Dresdner und die Deut-sche Bank einnahmen“.

Die Verstrickung der Degussa (�berihre Tochterfirma, die Degesch) in dasGesch�ft mit Zyklon B und die Massen-morde in den Konzentrationslagern istein weiteres Degussa-eigenes Thema.Die Degesch blieb (entgegen einerweit verbreiteten Ansicht) immer einAnh�ngsel der Degussa, und sie stellteauch zwei der drei Gesch�ftsf�hrer, die�ber die Verwendung des Zyklonsgenau informiert und „… Mitverschw(-rer im Mordkomplott mit Zyklon B“waren. Die von Hayes geschilderten De-tails des Gesch�fts mit Zyklon B sindfurchtbar, und Hayes rhetorischeFrage: „Wusste die Degussa-F�hrung,dass man mit Zyklon B (…) nicht nurL-use, sondern auch Menschen t(tete“,f�hrt direkt zum letzten Kapitel„Kriegsende und Nachwirkungen“: derletzte Gesch�ftsf�hrer wurde nach demKriege zwar wiederholt (!) wegen Bei-hilfe zum Totschlag und zum Mord ver-urteilt, konnte seine letzten Lebensjahreaber immerhin in Freiheit verbringen,nachdem ihm ein „Freispruch dritterKlasse“ in der Folge der Pnderung desStrafgesetzbuches im Jahre 1953 entlas-tete.

Dies ist nicht untypisch: In denbeiden letztgenannten Kapiteln weistHayes darauf hin, dass der Versuch, spe-zifisches Wissen der handelnden (De-

AngewandteChemie

4741Angew. Chem. 2005, 117, 4739 – 4742 www.angewandte.de - 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim