möglichkeiten und grenzen einer pneumoplethysmographie des auges

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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 178, 152--161 (1969) M6glichkeiten und Grenzen einer Pneumoplethysmographie des Auges* It. BZTTELnEIM II. Augenklinik (Vorstand: Prof. Dr. J. B6ex) der Universitgt Wien Eingegangen am 9. MM 1969 Possibilities and Limits o] Ocular Pneumoplethysmography Summary. The principles of pneumoplethysmography and its application to investigations of the intraocu]ar circulation are discussed. The rate of blood flow through the intraocular vessels may be approximately determined by combining the ~echniques of pneumoplethysmography and compression of the jugular veins. Zusammen/assung. Nach ErSrterung des pneumoplethysmographischen Meg- prinzips wird seine Anwendbarkeit fiir Untersuchungen des intraocularen Kreis- laufes diskutiert. ]:)as Stromzeitvolumen in den Gef~Ben der Netz- und Ader- haut kann durch Kombination der ~iir das Auge zu modifizierenden pneumo- plethysmographischen Mel~technik mit dem Jugulariskompressionsversuch ann~he- rungsweise bestimmt werden. Ftir das Messen yon Durchblutungsgr6gen versehiedener Organe, ins- besondere fiir das Bestimmen des sogenannten Stromzeitvolumens -- aueh rate of blood flow oder Blutstromst/~rke genannt -- werden heute in der Kreislaufdiagnostik h~ufig plethysmographische Methoden herangezogen, die auf dem Verwenden luftgeffillter Systeme beruhen. Sie bieten unter bestimmten Bedingungen besonders gtinstige Voraus- setzungen fiir das Registrieren des Volumenpulses, also den synehron mit der tIerzaktion erfolgenden Ffillungssehwankungen der Gef/~ge des Megbereiches. Zeiehnet man die entspreehend den Volumen/inderungen auftretenden rhy~hmisehen Bewegungen der Gef/~gw/~nde auf, erh~lt man ein Plethysmogramm. Die heute gebr/~uehlichen l~egistrierapparate (Kardioskripten, Elek- troencephalographen) arbeiten masse- und reibungsfrei insbesondere die sog. Tintend/isensehreiber; deshalb gilt fiir den Volumenpuls die ver- einfachte dynamische Grundgleiehung yon MAc~: P=E'x. * Auszugsweise vorgetragen vor der Jahreshauptversammlung der (~ster- reichischen Ophthalmologischen Gesellsehaft in Wien, 9. Juni 1969.

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Page 1: Möglichkeiten und Grenzen einer Pneumoplethysmographie des Auges

Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 178, 152--161 (1969)

M6glichkeiten und Grenzen einer Pneumoplethysmographie des Auges*

I t . BZTTELnEIM

II. Augenklinik (Vorstand: Prof. Dr. J. B6ex) der Universitgt Wien

Eingegangen am 9. MM 1969

Possibilities and Limits o] Ocular Pneumoplethysmography

Summary. The principles of pneumoplethysmography and its application to investigations of the intraocu]ar circulation are discussed. The rate of blood flow through the intraocular vessels may be approximately determined by combining the ~echniques of pneumoplethysmography and compression of the jugular veins.

Zusammen/assung. Nach ErSrterung des pneumoplethysmographischen Meg- prinzips wird seine Anwendbarkeit fiir Untersuchungen des intraocularen Kreis- laufes diskutiert. ]:)as Stromzeitvolumen in den Gef~Ben der Netz- und Ader- haut kann durch Kombination der ~iir das Auge zu modifizierenden pneumo- plethysmographischen Mel~technik mit dem Jugulariskompressionsversuch ann~he- rungsweise bestimmt werden.

F t i r das Messen yon Durchb lu tungsg r6gen versehiedener Organe, ins- besondere fiir das Bes t immen des sogenannten S t romze i tvo lumens - - aueh r a t e of b lood flow oder Bluts t romst /~rke genann t - - werden heu te in der Kre i s l au fd iagnos t ik h~ufig p le thysmograph i sche Methoden herangezogen, die auf dem Verwenden luftgeffi l l ter Sys teme beruhen. Sie b ie ten un te r b e s t i m m t e n Bedingungen besonders gtinstige Voraus- se tzungen fiir das Regis t r ie ren des Volumenpulses , also den synehron mi t der t I e r z a k t i o n erfolgenden Ff i l lungssehwankungen der Gef/~ge des Megbereiches. Zeiehnet m a n die en t spreehend den Volumen/ inderungen au f t r e t enden rhy~hmisehen Bewegungen der Gef/~gw/~nde auf, e rh~l t m a n ein P l e t h y s m o g r a m m .

Die heu te gebr/~uehlichen l~eg is t r i e rappara te (Kard ioskr ip ten , Elek- t roencepha lographen) a rbe i t en masse- und reibungsfrei insbesondere die sog. Tin tend/ i sensehre iber ; deshalb gi l t fiir den Volumenpuls die ver- e infachte dynamische Grundgle iehung yon MAc~:

P = E ' x .

* Auszugsweise vorgetragen vor der Jahreshauptversammlung der (~ster- reichischen Ophthalmologischen Gesellsehaft in Wien, 9. Juni 1969.

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P bedeutet dabei die auf die Gef~tBwand einwirkende Kraft (Blut- druck-Fl~teheneinheit), E den Elastizit~tsmodul des Pulsabnehmers, x die Ordinatenh6he eines Punktes der Pulskurve, entspreehend der jeweiligen AuslenkungshShe des Pu]sfiihlers. Da Luft wie Gase ganz allgemein eine sehr hohe DehnungsgrSl3e und einen praktisch zu ver- nachl~ssigenden Elastizit~tsmodul besitzt, sieh in der obigen Gleichung also 0 ann/~hert, versprechen luftgefiillte Systeme grunds~tzlich eine unverfi~lsehte Wiedergabe yon x, d.h. ein ideales Aufzeiehnen der Puls- kurve. Aus diesen theoretisehen Grfinden sind pneumoplethysmogra- phische Apparaturen wassergeffillten Systemen vorzuziehen.

Nun vermittein plethysmographische Kurven nur Angaben fiber ~nderungen des Blutstroms, fiber die GrSBe des sog. Grundstroms und fiber den h~modynamiseh so bedeutsamen Parameter des Stromzeit- volumens sagen sie niehts Direktes aus.

Deshalb bedient man sich in der Angiologie vorzugsweise der Venen- versehluSplethysmographie, deren Prinzip von BRODIE trod RUSSELL bereits 1905 angegeben worden ist. Die erste taugliche Mel~anordnung stammt yon HEWLETT und ZWALVWn~BV~O (1909): ein htftgeftillter, nach auBen hermetiseh abgeseh]ossener Zylinder umhfillt die zu unter- suchende Extremit~t. Dutch eine Mansehette proximal yon der MeB- kammer wird ein subdiastolischer Staudruck erzeugt, der wohl den arteriellen Zustrom ermSglicht, den ven6sen Abflul3 jedoch bloekiert. Die daraus resultierende Volumenzunahme des im Mel~zylinder befind- lichen Gliedes hi~ngt v o n d e r Kapazit/~t seiner venSsen Speicher ab. Sind die Venen des untersuchten Organs so prall geffillt, dab sie durch ihren Fiillungsclrnck jeden weiteren arteriellen Einstrom verhindern, dann ist das Maximum des Volumenzuwachses erreicht. Aus der direkten Bestimmung der Volumenzunahme in der Zeiteinheit 1s sich, vie noch zu besprechen sein wird, die Blutstromstarke im MeBbereich erreehnen.

Die heute verwendeten Segmentplethysmographen weisen gegenfiber den alten Untersuchungseinriehtungen zwei essentielle Bestandteile auf: einen elektromechanischen Wandler, de r die mechanischen Gr5Ben des Druckes und der Gefi~wandbewegung in elektrische Signale umsetzt und ein flexible luftgefiillte Mansehette anstelle des MeBzylinders. Mit Hil~e des elektromechanischen Wandlers sind selbst sehw~tchste Signale zu erhalten und fast beliebig zu vergr513ern; auBerdem ist eine prak- tisch masse- und reibungsfreie Transmission der aufgenommenen Schwingungen zum Registrierger~tt m5glich.

Abb. 1 veranschaulicht ein Venenverschlu~plethysmogramm der unteren Extremiti~t, gewonnen mit einem modernen Segmentplethysmo- graphen: aus dem Winkel zwischen der Grundlfifie und dem initial steilen Anstieg der Kurve k a n n - nach Vergleich mit dem Volumen-

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Abb. 1. Beispiel einer plethysmographisehen EinfluBkurve an der Wade, registriert mit dem ]uftgeffillten Segmentplethysmographen naeh ]~m3~u (Aus BOLLI~E~, Durchblutungsmessungen in der klinischenAngiologie. Hans Huber, Bern/Stu%tg~rt 1969.) Aus dem Winkel ~, der zwischen Grundlinie und ini~ialem Steil~nstieg der Kurve gebfldet wird, kann die Durehblutung in ml/min berechnet werden. Nach

Erreiehen des Kurvenpl~teaus erfolg~ die Volumeneichung (5 ml)

eichpuls und unter Berfieksichtigung der Registriergeschwindigkeit, die Durchblutung in ml/min berechnet werden. Dabei gilt naeh BOLLI~a~:

Q = tg~.V

Q bedeutet dabei die Durehblutung in ml/min, ~ den Winkel zwisehen der Basislinie und der Tangen~e an den Initialteil der Ein- flugkurve, V den Papiervorsehub in era/rain, E die Eiehzaeke in em/ml.

U m abet versehiedene GliedmaBenabsehnitte miteinander oder die- selben Segmente bei versehiedenen Patienten vergleiehen zu k6nnen, muB noeh d~s Volumen des Mettbereiehes best immt werden. Man kann dann die Werte des Durehflusses pro Gewebeeinheit angeben, wobei fi~r Extremit/~tenabsehnitte die Bereehnung naeh der Zylinderformel zu erfolgen hat.

Fi~r Durchblutungsmessungen im Bereich der KSrperaeren hat die Firma Elema-SchSnander den Plethysmographen EMT 510 C konstruier~. Aueh dieser basiert auf dem Verwenden eines luftgefiillten Systems. Die dutch Ehltreten der Pulswelle in das zu untersuchende Organ ausge- 16sten Volumensehwankungen rufen ~nderungen des Luitdruekes ira Meflzy]iuder hervor. Uber einen Plastiksehlaueh pflanzen sie sich in einen meehanoelektrischen Druekwandler fort, der sie in elek~rische

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Spannungssignale umsetzt. Die Druekschwankungen buchten dabei eine Membran aus, deren Zentrum fiber einen Steg mit einem piezoelektri- schen I~ristall verbunden ist. Beim Verbiegen des Kristallstreifens cnt- steht eine dem Ausmag der Deformation ann/ihernd proportionale Spannung, die registriert werden kann. Der Druckwandler verffigt fiber einen Empfindlichkeitsregler und eine Eicheinrichtung: pneuma- tisch k6nnen Volumen/~nderungen yon 10 mm a erzeugt werden.

Miiglichkeiten einer Pneumoplethysmographie des Auges

Wie eigene, z.T. bereits publizierte Untersuchungen ergeben haben, ist der Pneumoplethysmograph EMT 510C der Firma Elema-SchSnander aueh ffir Untersuchungen des Kreislaufes im Auge zu verwenden. Dazu bedarf es vor ahem einer Modifikation der Pulsabnahme- kammer. Die yon uns angcgebenen Augenkapsein bestehen im wesent- lichen aus einem kleinen Plexiglaszylinder, dessen augenseitige 0ffnung einen Plexiglaslidsperrer tr/igt. Der inncre Durchmesser seines auf der Sklera nahe dem Limbus corneae aufsitzenden Basisringes betr~gt 14 ram.

Abb. 2 demonstriert den Sitz einer solchen Augenkapsel. Weitere Abbildungen der gesamten Apparatur einschlielMich des elektronischen Schemas, ferner die Beschreibung der Untersuchungstechnik sowie die Ergebnisse an gesunden und kranken Probanden haben wir 1969 im 177. Band yon Graefes Archiv ffir Ophthalmologie verSffentlicht.

Der Anschaulichkeit halber sei auf Abb. 3 verwiesen, in welcher eine yon einem normalen Probanden abgenommene Augeni0ulskurve darge- stellt ist. Wie aus den Untersuehungen W]~SSELYS~ SC~IULTEI~S und THIELS bekannt, sind die vom Auge zu erhaltenden Pulsationen stets wenig profiliert, d.h. insbesondere im abfallenden Kurvenschenkel durch das Fehlen der sogenannten sekund/s Elevationen charakteri- siert. Die in den auf- und absteigenden Teil der mit unserer Methode ~ufgezeichne~en Pulskurven mitunter eingestreuten k]einen Zacken sind nach unserer Auffassung Artefakte, bedingt dureh Fibrilheren der Musculi orbieu]ares oeuli.

Der intraoculare Ursprung der mit dem Pneumoplethysmographen abgenommenen und registrierten Pulsationen ist dutch einen einfachen Versueh zu beweisen: komprimiert man den Bulbus wahrend des Auf- zeichnens einer Pulskurve yon temporal her mit einem 0phthMmodyna- mometer, so n immt die HShe der Amplituden deutlich ab, bis schliel~- lieh, bei entspreehend starkem Druek, praktiseh kein Puls mehr vor- handen ist (Abb. 4).

Von gewissen noch zu erSrternden Einsehr/~nkungen abgesehen, sind die mit dem Pneumoplethysmographen abgeleiteten Oszillationen als Volumenpulse intraoeularer Gefs anzusehen. Nun ist nach STi~AUB

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156 H. BETTELH~I~ :

Abb. 2. Augenk~psel fiir die Pneumoplethysmogr~phie des Auges in situ

Abb. 3. ,,Pneumoplethysmogramm" eines normalen Probanden. m V lVIillivolteichung, VE Volumeneichung

Abb. 4. Pneumoplethysmographisch registrierter ocul/irer Volumenpuls wEb_rend trod n~ch Kompression des Bulbus mit dem Ophthalmodynamometer

(Kompressionsdruok 150 g Federspannung)

~us einem solchen Plethysmogramm nicht mehr ablesbar als die pulsa- torische Schwankung der StrSmungsgr6Be, letztere selbst jedoch ist unbekannt. Somit stellt das Plethysmogramm die in den Arterien pulsatorisch auftretenden Schwankungen um die mittlere StrSmungs- gr6Be dar. Wenn man nach BV~TO~ und GSTz eine lineare Beziehung

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zwischen der Amplitude des Volumenpulses und der Durchblutungsgr6Be (besscr der Blutstromst/~rke oder dem Stromzeitvolumen) annimt, so gestattet ein , ,Pneumoplethysmogramm" des Auges zumindest die Aus- sage fiber pulsatorische Volumengnderungen. Bei 15 gesunden jungen Probanden wurde mit der in einer frfiheren Arbeit beschriebenen Unter- suehungsteehnik eine durchsehnittliche AmplitudenhShe yon 14 mm ge- messen. Berficksichtigt man die ffir alle Untersuchungen beibehaltene Empfindlichkeitseinstellung an Druckwandler und 1%egistrierger/~t, so ergibt der Vergleich mit dem Eichpulsvolumen yon 10 m m 3 eine durch- schnittliche pulsatorische Volumen~nderung yon 2 mm s. Dieser Wert entspricht genau den yon ~:~UIZ-BAI~RANCO mit dem Goldmannschen Applanationstonometer erhaltenen Resultaten, n~mheh 2,03 m m a Zu- nahme des ocul~tren Blutvolumens in der Systole.

Uber die starke Abnahme der Amplituden yon Augenpulskurven bei Probanden mit hShergradiger Sklerose der Aderhautgef/iBe oder hoher Myopie wurde bereits berichtet (BETTELI~EIM, 1969).

W/~hrend bei einer kfinstlich - - i.e. dutch Bulbuskompression - - herbeigeffihrten Steigerung des intraocularen Druekes regelm~$ig ein deutliches Kleinerwerden der Oscillationen des Pneumoplethysmogram- mes zu beobachten war, ffihrten akute Glaukomanf/~lle keine einheit- lichen Reaktionen herbei: bei 2 Patienten waren die Amplituden auf der Seite der Drucksteigerung ebenso hoch wie auf der Gegenseite, bei einer Kranken hingegen bestand eine starke Reduktion der Amplituden. Neben der Beziehung zwischen intraocularen DurchblutungsgrSBen und der Augenspannung interessiert auch die t~elation zwischen dem Stromzeit- volumen (korrekter ausgedrfiekt, seiner rhythmisehen Vers und der HShe des Ophthalmicablutdruckes. Befunde bei Kranken mit Carotisverschlfissen liefern in diesem Zusammenhang wichtige Informa- tionen: selbst bei einseitig maximal erniedrigtem Ophthalmie~blutdruck waren bei zwei Kranken beiderseits seitengleiehe, ann/~hernd normale Kurven zu registrieren, es bestanden also keine Seitendffferenzen der Amplituden der Volumenpulse, wohl abet betrgchtliche Unterschiede in der HShe des Perfusionsdruekes. Bei einem weiteren Kranken mit ein- seitiger Carotis interns- Stenose hingegen wurden auf der Seite der Gef/~Bobliteration niedrigere Ophthalmicadruckwerte und kleinere Volu- menpulsamplituden gemessen als am kontralateralen Auge.

Es scheint somit eine gewisse Unabh~ngigkeit der intraocularen Durehblutungsgr6Ben von spontanen Augendruckschwankungen und auch von Xnderungen des Perfusionsdruekes gegeben zu sein. Sowohl die beim akuten Glaukom als such die bei Carotisobliterationen er- hobenen Befunde machen jedenfalls die Existenz yon Regulations- meehanismen wshrseheinlich, die die Blutversorgung des Auges such unter pathologisehen Bedingungen sichern.

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158 H . BETTELHEIM :

Grenzen der Methode Nach THI~L ist ffir ein korrektes Aufzeichnen von Volumenpulsen

die Isotonie des Megvorganges zu wahren: die ftir das Abnehmen des Plethysmogrammes verwendete Vorrichtung sollte - - zumindest theo- retisch - - gewichtslos sein. Dieses Postulat gilt ffir das Auge ganz besonders: die ffir seine Kreislaufsituation so charakteristische Wech- selbeziehung zwischen dem intraocularen Druck und dem intravasalen Druck mug durch jede noch so geringe Kompression des Bulbus gest6rt werden. Es ergibt sich von selbst, dab kaum ein Pulsffihler eines der bisher angegebenen MeGger~te, vielleicht abgesehen yon dem I-IaftmeB- kopf der Schlegelschen Dielektroplethysmographie - - solchen Anforde- rungen roll gerecht wird. Somit stellen wohl auch die mit unserem Verfahren zu erhaltenden , ,Plethysmogramme" wegen des zu hohen Ge- wichtes der Angenpulskammern (4 bzw. 2,8 g) streng genommen keine reinen Vo!umenpulse, sondern eher interpolierte Druck-Volumenpulse dar. Die oben und auch schon in einer frfiheren Arbeit mitgeteilten Ergeb- nisse unserer bisherigen Untersuehungen sind jedoch aus einem weiteren Grnnd nieht vorbehaltlos zu akzeptieren: das Auge selbst ist wegen der begrenzten Elastizit~t seiner I-Ifillen a priori kein ideales Onkometer- gef~g. So werden weder Druck- noch Volumensehwankungen der intra- ocularen Gef~ge unverzerrt und in vollem Umfang dutch Cornea und Sklera weitergegeben. MeBanordnungen, in deren Rahmen Horn- und Lederhaut als Koppelglieder pulsatorische Sehwankungen auf einen mechano-elektrischen Wandler fibertragen, sind daher mit grunds/~tz- lichen Fehlern behaftet, deren AnsmaG jedoch ffir normale Versuchs- personen nieht allzu grog sein dfirfte. Jedenfalls bieten Verfahren, die auf dem Verwenden elektriseher Felder bernhen, also v611ig amechanisch und tr~gheitslos arbeiten, manche Vorteile; Fehlerquellen, die dutch die mangelhafte Elas~izitgt der Bulbushfillen bedingt sind, werden hierbei ja weitgehend ausgesehaltet. Diese Vorz/ige darf vor Mlem die Dielektr0- plethysmographie nach SCgL~G~L fiir sieh beanspruchen, doch gelten sie wohl anch f/it die yon uns empfohlene Oculorheographie.

Vernaehl/~ssigt man nun die Rolle der Sklera als unvollkommenes Transmissionsglied im l~ahmen eines pneumoplethysmographischen Systems, und 1/igt man auch den Umstand auger aeht, dab die Puls- abnahmekammer nicht nahezu v611ig gewichtslos sein kann, so diirfen, wie sehon oben angeffihrt, die mit tier besehriebenen Einriehtung registrierten Augenpulskurven Ms Aufzeichnung yon Volumenpulsen, d.h. als Ple thysmogramme betrachtet werden. Wie bereits erwi~hnt, stellen sie abet nut rhythmische ~nderungen einer letztlich unbekannten Gr6Be, des arteriellen Grundstroms, dar. Ferner repri~sentieren sie bei der yon uns gew/~hlten Meganordnung lediglieh die Zu- und Abnahme

d ieses Grundstromes in einem Tell, nicht abet im gesamten Gebiet der

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intraocularen Gefi~Be. Die Abnahmevorrichtung umfaBt ja nur eine an- ni~hernd kalottenf6rmige P~rtie des vorderen Augenabschnittes, sie bezieht allerdings den Ciliark6rper mit ein.

Aus diesen Erwi~gungen werden die Grenzen des Verfahrens klar ersichtlich, speziell im tIinblick auf die Berechnung des effektiven Stromzeitvolumens. Um nun den arteriellen Grundstrom, d.h. die Blut- stromsti~rke im untersuchten Bulbusabschnitt zu bestimmen, k6nnte man etwa folgendermaBen vorgehen:

1. Zun/~chst w~re es denkbar, fiir diesen Zweck den Kompressions- versuch heranzuziehen. Man h/~tte d a n n die Kurvenausschls auszu- werten, die - - wie etwa aus Abb. 4 ersichtlich - - unmittelbar nach der auf die Kompression folgenden Druckentlastung registriert werden. Dieses Kri ter inm erscheint uns jedoch wegen der unfibersichtlichen Kreislaufregulationen, die die Kompression des Bulbus mit sich bringt, eher unzuverl/issig, nicht zuletzt auch deshalb, weft das unter Dynamo- meterbelastung beobachtete Verschwinden der Pulsationen keineswegs mat einem sicheren Stillstand des Blutstromes identisch sein mu~. Die Elastizit~t der Bulbushiillen respektive ihre Fghigkeit, Pulsationen der intraocularen Gef~Be zu fibertragen, n immt bekanntlich mit dem kfinst- lich herbeigeffihrten Anstieg der Tension betrs ab. Zudem sind ffir das Entstehen der Ausschl~ge nach Druckentl~stung auch Schleuder- effekte verantwortlich zu maehen.

2. Aussichtsreicher erscheint die M6glichkeit, die Verh~ltnisse bei der Venenstauplethysmographie der Extremiti~ten nach einem Vorschlage SC~LEGELS auf das Auge zu fibertr~gen: dutch dosiertes Stauen der Jugu]arvenen ws am Auge ein vergleichbarer Effekt zu erzielen. Es mfiBte dann die Volumenzunahme des Bulbus bzw. der innerhalb der Augenpulskapsel befindlichen Bulbuskalotte in ~hnlieher Weise aus dem Anstieg des Plethysmogrammes ~bgelesen werden wie bei der An- ordnung ffir das Untersuchen der Extremit/~ten nach BOLLINGEI~. Ent- sprechende Versuche ffihren wit eben durch. An den unter dosierter Jugulariskompression aufgezeichneten Plethysmogrammen ist zun~tchst eine Zunahme der Amp]itudenh6he zu beobachten. Diese erfolgt bis zu einem best immten Endwert, yon wo an wi~hrend der Dauer der Kom- pression kein weiterer Anstieg mehr stattfindet. Wird die Jugular- venenstanung fortgesetzt, so nehmen die Amp]ituden sogar wieder ab. Der Grund hierfiir liegt unseres Eraehtens in einer Steigerung des intraocularen Druckes, die yon einem best immten Tensionsniveau an einen weiteren arteriellen Einstrom in die Gef~Be der Netz- und Ader- hunt sowie des Ciliark6rpers reduzieren mu~. Uber die Ergebnisse der gegenwgrtig durchgef/ihrten Untersuchungen soil in einer weiteren Arbeit berichtet werden.

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160 H. BETTELI~IEI~Vl :

Sch lu l l fo lgerungen

Mit dem Pneumoplethysmographen EMT 510C der Firma Elema- Sch6nander sind, wie bereits in einer friiheren Arbeit ausgefiihrt, auch vom menschlichen Auge l~ zu erhMten. Dutch einen ein- fachen Kompressionsversuch mit dem Ophthalmodynamometer li~Bt sieh nachweisen, dab die registrierten Oseillationen Ffillungsschwankungen der intraocularen Gef~Be entsprechen, also weder durch Pulsationen der conjunctivalen oder episkleralen Gef~Be entstehen noch dem Auge yon den orbitalen Arterien her mitgeteilt werden. Die Registration ist in der Regel leicht und ohne den Patienten zu belasten durehzuffihren.

Dem Anwenden eines pneumoplethysmographischen Systems s das Auge haften jedoch gewisse Mi~ngel an, die vor allem in der geringen Elastizit~t der Bulbushfillen zu erblicken sind, welche als Koppelglied fungieren; sie fibertragen ja die Schwankungen der intraocularen Ge- f~fle fiber die Pulskammer auf einen elektromechanischen Wandler. Dariiber hinaus bereite~ es groBe methodische Schwierigkeiten, eine die Isotonie des Me~vorganges wahrende besonders leichte Augenpuls- kapsel herzustellen.

Die mit der beschriebenen Abnahmevorrichtung gewonnenen Puls- kurven entsprechen daher nur mit gewissen Einschri~nkungen echten Plethysmogrammen. Das Messen der Blutstromsti~rke (i. e. des Strom- zeitvolumens) in den intraocularen Gefi~Ben - - und zwar nur in dem yon der Augenkalosel umschlossenen Zirkulationsgebiet - - ist nur ann~he- rungsweise m6glich: durch Kombination der Jugulariskompression mit der Pneumop]ethysmographie des Auges, analog der in der Angiologie angewendeten Technik der VenenverschluBplethysmographie. 17ber die Ergebnisse einsehliigiger Untersuchungen soll in einer weiteren Arbeit beriehtet werden.

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Pneumoplethysmographie des Auges 161

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