mittelmeer, die ziemlich weit sind wir nicht€¦ · des jungen national marine park of alónnisos...

5
71 www .motomobil. at 71 www .motomobil. at TEXT Michael Bernleitner FOTOS Wos Kosta Metaxa rollerreise sPoraDeninsel alÓnnisos 70 www.motomobil.at 70 www.motomobil.at Darf man sich in Zeiten wie diesen urlaubsmäßig in den hintersten Winkel des Mittelmeeres verdrücken und es sich dort gutgehen lassen? Ja, man darf B esuchen wir eine fast ver- gessene Insel im ägäischen Mittelmeer, die ziemlich weit weg ist. Wo auch die berühmte Krise nur schwer hinkommt und wo die griechische Inselwelt so paradiesisch wirkt, als ob alles in Ordnung wäre. Alónnisos, die hinterste Insel der drei bewohnten Nordsporadeninseln Skiáthos, Skópelos und Alónnisos, ist eine erstaunliche Insel. Während das weltberühmte Skiáthos ein touris- tischer Moloch ist und hier der Bär tanzt (beziehungsweise der Brite, der Russe oder der Holländer), dauert die Hochsaison auf Alónnisos gerade einmal fünf oder sechs Wochen. Das reicht, dass es gerade soviel Frem- denverkehrsinfrastruktur gibt, wie notwendig ist. In einigen älteren Alónnisos-Straßen- karten ist noch der Flughafen einge- zeichnet, mit dessen Bau man im Jahr 1984 begonnen hatte; im weit von der Hafenstadt Patitíri entfernten Ágios Konstantínos wurde das Roll- feld eingeebnet. Den Flughafen gibt es auf manchen Karten, aber nicht in Wirklichkeit. Die griechische Regie- rung ließ die Pläne fallen – im Nach- hinein betrachtet tat sie damit den Einwohnern von Alónnisos vielleicht sogar einen Gefallen. Vom Festland aus ist Alónnisos nur von Vólos oder Thessaloníki zu erreichen, oder eben über den Flughafen auf Skiáthos. In den 1980ern und frühen 1990ern war die Insel ein Paradies für ent- deckungshungrige Offroad-Biker. Asphalt nur im Hafenort, der Haupt- verkehrsweg (mit sich verästelnden Abzweigungen zur Küste) war Schot- terpiste, noch dazu mit ganz wenig Verkehr. Man konnte die gut über 20 Kilometer lange Strecke vom Sü- den der Insel bis nach Gérakas im Norden dahinbrettern, ohne auf ein anderes Fahrzeug zu treffen. Um die vielen schönen Strände zu erreichen, brauchte man ein Wasserfahrzeug oder eine Enduro. Mit der europäi- schen Entwicklung kam dann der As- sinD Wir nicht alle Piraten Schwer erreichbar zu sein ist manch- mal von Vorteil

Upload: others

Post on 12-Aug-2020

2 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Mittelmeer, die ziemlich weit sinD Wir nicht€¦ · des jungen National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades sind. Die anderen lebten in der Oberstadt. Dort kam 1965 das große

71www.motomobil.at 71www.motomobil.at

TEXT Michael BernleitnerFOTOS Wos Kosta Metaxa

rollerreise sPoraDeninsel alÓnnisos

70 www.motomobil.at70 www.motomobil.at

Darf man sich in Zeiten wie diesen urlaubsmäßig in den hintersten Winkel

des Mittelmeeres verdrücken und es sich dort gutgehen lassen?

Ja, man darf

Besuchen wir eine fast ver-gessene Insel im ägäischen Mittelmeer, die ziemlich weit

weg ist. Wo auch die berühmte Krise nur schwer hinkommt und wo die griechische Inselwelt so paradiesisch wirkt, als ob alles in Ordnung wäre. Alónnisos, die hinterste Insel der drei bewohnten Nordsporadeninseln Skiáthos, Skópelos und Alónnisos, ist eine erstaunliche Insel. Während das weltberühmte Skiáthos ein touris-tischer Moloch ist und hier der Bär tanzt (beziehungsweise der Brite, der Russe oder der Holländer), dauert die Hochsaison auf Alónnisos gerade einmal fünf oder sechs Wochen. Das reicht, dass es gerade soviel Frem-denverkehrsinfrastruktur gibt, wie notwendig ist.In einigen älteren Alónnisos-Straßen-karten ist noch der Flughafen einge-zeichnet, mit dessen Bau man im Jahr 1984 begonnen hatte; im weit von der Hafenstadt Patitíri entfernten Ágios Konstantínos wurde das Roll-

feld eingeebnet. Den Flughafen gibt es auf manchen Karten, aber nicht in Wirklichkeit. Die griechische Regie-rung ließ die Pläne fallen – im Nach-hinein betrachtet tat sie damit den Einwohnern von Alónnisos vielleicht sogar einen Gefallen. Vom Festland aus ist Alónnisos nur von Vólos oder Thessaloníki zu erreichen, oder eben über den Flughafen auf Skiáthos.In den 1980ern und frühen 1990ern war die Insel ein Paradies für ent-deckungshungrige Offroad-Biker. Asphalt nur im Hafenort, der Haupt-verkehrsweg (mit sich verästelnden Abzweigungen zur Küste) war Schot-terpiste, noch dazu mit ganz wenig Verkehr. Man konnte die gut über 20 Kilometer lange Strecke vom Sü-den der Insel bis nach Gérakas im Norden dahinbrettern, ohne auf ein anderes Fahrzeug zu treffen. Um die vielen schönen Strände zu erreichen, brauchte man ein Wasserfahrzeug oder eine Enduro. Mit der europäi-schen Entwicklung kam dann der As-

sinD Wir nicht alle Piraten

Schwer erreichbar zu sein ist manch-mal von Vorteil

Page 2: Mittelmeer, die ziemlich weit sinD Wir nicht€¦ · des jungen National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades sind. Die anderen lebten in der Oberstadt. Dort kam 1965 das große

72 www.motomobil.at72 www.motomobil.at 73www.motomobil.at 73www.motomobil.at

rollerreise sPoraDeninsel alÓnnisos

Inselpolizisten immer wegsehen, da-rauf sollte man eher nicht vertrauen.Bevor wir zu einer Inspektion der Strände aufbrechen, wollen wir „Old Alónnisos“ besuchen, den ehemali-gen Hauptort der Insel. Die Chóra liegt malerisch auf einem steilen Hügel hoch über dem Hafenort Pa-titíri, mit tollem Blick auf die Nach-barinseln bis hin zum Heiligen Berg Áthos. Auf vielen Inseln wurden die Hauptorte aus der Furcht vor Pira-ten im Landesinneren gegründet – manchmal machte sich die Bevöl-kerung aber auch mit den Piraten gemein und die Trennlinie wurde unscharf, davon später. In der Chó-ra finden wir viele der Gründe und Antworten auf die Frage, warum das bewaldete, aber trotzdem nicht sehr wasserreiche Eiland so erstaunlich und einzigartig ist.

Noch in den 1960ern lebten man-che der heute in Patitíri behei-

mateten alonnisotischen Familien auf den kleineren benachbarten In-seln, die heute unbewohnt und Teil des jungen National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades sind. Die anderen lebten in der Oberstadt. Dort kam 1965 das große Erdbeben – und innerhalb zweier Jahrzehnte brach über die Einwohner von Alón-nisos das zwanzigste Jahrhundert herein. Vom Holzfeuer zum Internet in nur einer Generation, sozusagen. Man muss sich das ungefähr so vor-stellen: 1965 gab es das erste Postamt auf der Insel; seit 1969 gibt es Strom-versorgung (die heute noch manch-mal zusammenbricht) – das kann man sich eigentlich gar nicht vorstel-len. Ab 1967 beginnt mit dem Schiff Kíknos (Schwan) die erste regelmä-

(1) Immer wieder ein Schauspiel: Die Sonne verabschiedet sich hinter den Nachbarinseln Skópelos und Skiáthos

(2) Ruhe und Beschaulichkeit in der Bergstadt Old Alónissos(3) Die besten Fahrzeuge sind Wasserfahrzeuge und Roller

(4) Für jeden Tag einen anderen Strand(5) Nachmittägliche Invasion am Beach von Leftós Gialós

(6) Scheint sehr zufrieden zu sein(7) Spaziergang in Old Alónissos

(8) Die Strände bei der roten Felsformation von Kokkinókastro gehören zu den schönsten der Ägäis(9) Die Piraten-Ausstellung im Alónissos-Museum

(10) Vergessenes Frachtschiff auf der unbewohnten Nachbarinsel Peristéra

phalt bis fast in den letzten Winkel, heute finden wir ein perfektes und gepflegtes Straßennetz vor.

Das hat wenigstens zur erfreuli-chen Entwicklung geführt, dass

mittlerweile ein kleiner Motorroller das mit Abstand tauglichste Trans-portmittel auf Alónnisos ist. Alles, was zu Lande mehr als 20 oder 25 PS hat, ist Übermotorisierung. Auch mit einer zarten 125er sind dem Entde-ckungsdrang keine Grenzen gesetzt. Irgendwann in den letzten Jahren muss ein sehr tüchtiger Kymco-Ver-treter auf der Insel gewesen sein: über-all geländegängige Kymco-Quads, bei den verschiedenen Mopedverleihen kann man sich vor allem den Kymco Agility 125 ausborgen. Warum nicht, denke ich mir, der kleine Taiwanese sieht durchaus recht schnittig aus.

Und Mietpreise zwischen 15 und 18 Euro pro Tag (inklusive Versi-cherung) sind keine Lawine. Beim Mieten soll man auf jeden Fall dar-auf Wert legen, dass der Agility mit Topcase ausgestattet ist, denn in das kleine Fach unter der Sitzbank passt nicht einmal ein Jethelm. Dafür hat der Kymco einen großen bequemen Sattel, ein riesiges glattes Trittbrett, auf dem Einkäufe transportiert werden können und er hat 16-Zoll-Räder, falls man doch einmal ins Gelände fahren will. Die 6,5 kW (9 PS) lassen den sorglosen Fahrer dar-über nachdenken, ob man im Urlaub überhaupt einen Helm braucht. Na hoffentlich wird man ihn nicht brau-chen, wäre die richtige Antwort. Die Entscheidung zum Helmtragen fällt jedoch leicht, weil auch in Griechen-land herrscht Helmpflicht. Dass die

4

5

6

7

8

9

10

2

3

1

Page 3: Mittelmeer, die ziemlich weit sinD Wir nicht€¦ · des jungen National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades sind. Die anderen lebten in der Oberstadt. Dort kam 1965 das große

74 www.motomobil.at74 www.motomobil.at 75www.motomobil.at 75www.motomobil.at

rollerreise sPoraDeninsel alÓnnisos

(1) Perfektes Schnorchelrevier in der Peristéra-Bucht(2) Reste einer Werft in Babakiés

(3) Mit ein bisschen Ausrüstung und Geduld … (4) … kann man einen jungen Oktopus

in seinem Häuschen besuchen (5) Die besten Fischgründe sind rasch erreicht

(6) Auch die 184 kW (250 PS) des Kawasaki Ultra können gut verwendet werden

(7) Die elektrische Shimano-Angel beschert uns in 150 Meter Tiefe …

(8) … ein Festmahl für acht Personen

in Wahrheit ist der Grieche äußerst sparsam: derselbe stingray-Wasser- schlitten (von links oben nach unten) als rental Boat im Jahr 1987; schaffenspause in den Jahren 2001 und 2009; und 2011 schwimmt er neu lackiert. ebenso der Uralt-lastwagen: außer Dienst im Jahr 1990; im Jahr 2011 wieder voll restauriert!

die unwilligen Opfer der Katastro-phe werden im Hafen angesiedelt – zum Teil in Betonklötzen, die heute entweder toll aufgemöbelt sind oder von albanischen Flüchtlingen be-haust werden. Wie in so vielen pit-toresk verlassenen Dörfern im Mit-telmeerraum – man kennt das auch aus Kroatien oder Spanien – trudeln bald die unvermeidlichen Ausstei-ger, Künstler und Ökos ein. In Old Alónnisos mit nahem Badeparadies und unbezahlbarem Fernblick. Die auf Wunsch der Regierung abzusie-delnden Einheimischen verkaufen ihre Grundstücke samt den zum Teil erdbebengeschädigten Häusern oft für den Gegenwert eines Brotlaibes.

Die seither enormen Immobilien-preissteigerungen machen gerech-terweise sowohl die Einheimischen, Aussteiger, Künstler und Ökos glei-chermaßen ein bisschen neidisch aufeinander. Der Urlauber hat den Vorteil, dass viele der hübsch restau-rierten Häuser im Sommer zu akzep-tablen Preisen zu mieten sind.Als Königin Frederika von Griechen-land die Bebenopfer besuchte und ihnen Trost zusprechen wollte, gab es also weder Strom noch ein Au-tomobil auf der Insel – die Ärmste musste wohl per Lastesel in die Palió Chorió hinaufgeschaukelt werden. Und nur 20 Jahre später gibt es be-reits recht prallen Tourismus auf

ßige Fährverbindung vom Festland nach Alónnisos.

Dafür gibt es dann schon ab 1983 mit der Disco „For You“

(später „4x4“, „Enigma“ …) den ers-ten Nachtklub in Patitíri, mit DJ-Beschallung von der Musikkassette und Highlife endlos. Dazwischen liegt natürlich noch so einiges. Aus dem 2010 erschienenen lesenswer-ten Historikwälzer „These Scattered Isles“ des Ankertauchers, Gastwirts und Archäologen Kóstas Mavríkis (er ist auch Gründer und Betreiber des Alónnisos Museums) erfahren wir, dass 1965 kurz nach dem Erdbe-ben das allererste Automobil auf der

Insel eintraf. Nur so zum Vergleich: ganze 36 Jahre später, nachdem sich Ernest Hemingway seinen Ford Roadster auf die – ebenfalls nicht leicht erreichbare – Florida-Insel Key West liefern ließ … Freilich gab es auf Alónnisos schon Pisten, die vom Mi-litär errichtet wurden. Mehrere Jahre hindurch fuhren nur zwei Autos, die Hauptroute war natürlich zwischen Patitíri und der Palió Chorió – Zeit-zeugen berichten, dass den Automo-bilpionieren eines Tages sogar eine Kollision gelungen ist.Nicht nur auf die Verkehrsentwick-lung auf Alónnisos hat das Erdbe-ben 1965 entscheidende Bedeutung. Sowohl die umzugswilligen als auch

3

4

5

6

7

8

2

1

Page 4: Mittelmeer, die ziemlich weit sinD Wir nicht€¦ · des jungen National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades sind. Die anderen lebten in der Oberstadt. Dort kam 1965 das große

77www.motomobil.at 77www.motomobil.at76 www.motomobil.at76 www.motomobil.at

rollerreise sPoraDeninsel alÓnnisos raDeninsel alonissos

Alónnisos. Ein barmherziges Schick-sal verschlug mich im Jahr 1985 zum erstenmal auf die sporadische, also verstreute und entlegene Insel. Im Nachhinein sind mir manche Dinge, die mir damals merkwürdig vorkamen, um einiges klarer. Der in den Wirtshäusern am meisten verbreitete Mittagsteller war Hühn-chen mit Pommes Frites – und ein typischer Bestellvorgang in der idyl-lischen mittleren Strandtaverne in Megálos Mourtiás spielte sich so ab, dass man „Kotópoulo“ und „Portoka-láda“ erbittet, Hühnchen und Oran-genlimonade. Nach ungefähr einer Stunde hebt in der Küche zwischen Kellner und Köchin unfassbares Ge-schrei und Gezeter an, das eine wei-tere Stunde tobt. Noch eine Stunde später kommt wie von Zauberhand

das Gericht, durchaus schmackhaft und bekömmlich. Auch über Fast Food wie ein getoastetes Schinken-Käse-Sandwich traute man sich be-reits in den 1980ern. Dass der Toast außen schwarz, aber innen noch ein bisschen gefroren war, war eine der kleinen Anfangsschwierigkeiten, die man bereits im Jahr darauf tadellos im Griff hatte.

Mittlerweile ist das Schnee von gestern. Die Restaurants –

und zwar nicht nur die in der Ober-stadt und im Winterhafen Stení Vála besonders bekannten – kochen fein und differenziert. Das Angebot geht über die früher übliche griechische Tavernenkost weit hinaus, der Fisch kommt meistens aus der Gegend und manchmal findet man sogar eine be-

achtliche Weinkarte (siehe Tipps). Auch ein, zwei Hotels auf Vier-Ster-ne-Niveau gibt es. Die vielen schönen weißen Kiesstrände der Insel haben sich glücklicherweise nicht geändert, sie sind weitgehend naturbelassen

oder werden liebevoll gepflegt. Zwei, drei Wochen kann man bleiben und findet jeden Tag einen anderen guten Badeplatz, der mit dem Roller in ein paar Minuten oder längstens einer halben Stunde erreichbar ist. Die 90 Stundenkilometer des Kymco Agility sind da mehr als ausreichend.

Auch wenn man im Besitz eines fahrbaren Untersatzes ist, sollte

man hin und wieder den Scooter ste-henlassen und einen oder mehrere Bootsausflüge zu den benachbarten unbewohnten Inseln des Nationa-len Meeresparks Alónnisos unter-nehmen. „Unbewohnt“ ist natürlich nicht ganz richtig – der Marine Park wurde 1992 gegründet, um seltene Vogelarten und aussterbende Wild-ziegenpopulationen zu schützen.

Vor allem ist die Gegend ein Rück-zugsgebiet der Mönchsrobbe, die als seltenstes Säugetier Europas gilt. Monachus monachus ist ein freund-liches, verspieltes Tierchen, das Men-schen gegenüber recht zutraulich sein kann. Über den genauen Be-stand der Mönchsrobbe im Marine Park werden von den verschiedenen Interessensgruppen unterschiedli-che Angaben gemacht – das wahre Verdienst der Mönchsrobbe ist je-denfalls, dass der Insel Alónnisos ein Skiáthos-Schicksal erspart blieb. Was manche Einwohner freut und ande-re nicht. Jedenfalls wird sich am ver-gleichsweise sehr sanften Tourismus in den nächsten Jahren kaum etwas ändern.Eine versunkene Stadt beim roten Strand von Kokkinókastro, eine an-

4

5

6

7

8

9

10

(1) Der Hafen von Patitíri(2) Die Meereshöhlen Spiliés Andrióti im Norden

von Alónissos sind nur vom Wasser aus zugänglich(3) Rollertreffen in Stení Vála. Das kleine

Fischerdörfchen ist der Winterhafen der Insel (4) Käpt’n Dimitris erklärt den Bootsausflug in den Marine Park

(5) Winter in Patitíri, Februar 1992: Käpt’n Kiriazis (ganz vorne) macht Mittagspause

(6) Der Ziegenbock ist ganz normaler Verkehrsteilnehmer(7) Unerwartete Attacke aus dem Hinterhalt, um 2001

(8) Jugend forscht, 1992: Ein Außenbordmotor wird repariert(9) Schnellboote vor Megálos Mourtiás, 1991

(10) Legendäre Folklorefeste mit Tellerwerfen in der Disco Rocks, zirka 1989

3

2

1

Page 5: Mittelmeer, die ziemlich weit sinD Wir nicht€¦ · des jungen National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades sind. Die anderen lebten in der Oberstadt. Dort kam 1965 das große

78 www.motomobil.at78 www.motomobil.at

rollerreise

79www.motomobil.at 79www.motomobil.at

sPoraDeninsel alÓnnisos

Alónnisos ist eine 64 Quadratkilmeter große, langgestreckte, großteils bewaldete Insel in der nördlichen Ägäis mit zirka 2000 Einwohnern, die vom Festland aus nur über mehrstündige Schiffsfahrt zu erreichen ist. Der nächste touristische Flughafen auf Skiáthios ist per Tragflächenboot zirka zwei Stunden entfernt, dazwischen liegt die Insel Skópelos. Alónnisos ist von den unbewohnten Inseln des National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades umgeben – auf ihnen sind viele Aktivitäten reguliert, sie sind aber dennoch ein Paradies für Bootsurlauber, die diese Abgeschiedenheit einer überfüllten Marina vorziehen. Das Straßennetz von Alónnisos wurde erst in den 1990er-Jahren asphaltiert. Sehr kurze Hochsaison, daher ist touristische Infrastruktur vorhanden, aber nicht aufdringlich. Nach Skiáthos fliegt Lauda Air/Austrian Airlines (jeweils Samstag, zirka 400 Euro). Die nächsten Häfen am Festland sind Vólos oder Thessaloníki – weil die Fahrpläne in den letzten Jahren stark gestrafft wurden, ist mit einem Fahrzeug eine Einschiffung auf gut Glück nicht ratsam; Timetables und Online-Buchungen zum Beispiel auf www.ferriesingreece.com oder www.hellenicseaways.gr (Highspeed und Tragflächenboote)

anreise & allGeMeines

Tavernen mit mehr als passabler bis hin zu ausgezeichneter Küche (die weit über das früher in Griechenland verbreitete Vitrinenbuffet hinausgeht) gibt es auf Alónnisos mittlerweile in großer Zahl. Auch eine auszugsweise Veröffentlichung sprengt den Rahmen, daher die ständig besuchten und stabilsten „motomobil“-Adressen: Das Restaurant To Fanári von Stamátis Drossákis ist das Gasthaus direkt am Ende der kurzen Hafenstraße im Fischerhafen Stení Vála, hier kommen fast ausschließlich selbstgeerntete Meeresfrüchte aus der unmittelbaren Umgebung auf den Tisch, Tel.: 0030/24240/660 13; www.tofanari.gr. Die Tavérna Kástro von Nektários Floroús am oberen Hauptplatz in der Old Village bietet eine reichhaltige traditionelle Speisekarte und ist erste Adresse für gegrillte Fleischgerichte, ob Ziege, Lamm oder Schwein, Tel.: 0030/24240/651 33; www.kastrorestaurant.

com. Im Restaurant Parapórt (im hinteren Teil des Oberdorfs, Terrasse mit herrlicher Aussicht) kocht Athanasia, die Mutter von Patron Kóstas Chrístou, verfeinerte griechische Küche auf hohem Niveau, es gibt eine schöne Auswahl an empfehlenswerten Weinen, Tel.: 0030/24240/656 08. Klassisches hellenisches Fast Food zum ökonomischen Preis in Bestform – also in Pitabrot saftig eingewickeltes Souvláki – finden wir in der Snack Bar von Geórgos Agállou direkt auf der kurzen Restaurant- und Barmeile an der Patitíri Waterfront. Wer regionale Köstlichkeiten mit heimnehmen möchte, ist im Verkaufslokal der Landfrauenkooperative von Alónnisos (im obersten Teil der östlichen Buchtstraße) genau richtig: Eingelegte Spezialitäten wie von den Inselfischern gefangener Thunfisch, getrockneter Orígano, seltenes und begehrtes Krítama (Meeresfenchel) oder unglaublich aromatischer Honig aus Alónnisos sind saisonal im Angebot; Tel. 0030/24240/662 70.

GUt essen & trinKen

Viele Privatzimmer für unterschiedliche Qualitätsansprüche gibt es in der Nebensaison zu Doppelzimmerpreisen ab 30 Euro aufwärts. Weil die Hochsaison, in der die Insel wirklich gut besucht ist, extrem kurz ist (eigentlich nur von der zweiten Juli- bis zur dritten Augustwoche), sind Hotels der gehobenen Kategorie selten und eher kostpielig. Spitzenreiter ist hier neben den sehr qualitätvollen Appartments Miliá Bay (www.milia-bay.gr) das Hotel Àtrium am Nordrand von Patitíri; www.atriumalonnissos.gr. Im noch jungen Hotel Yális (ebenfalls mit Pool) finden wir geräumige Appartments mit Blick auf die Bucht von Vótsi, es wird gern von kinderreichen griechischen Familien besucht; www.yalishotel.gr. Das Hotel Nereídes (steiler Fußweg zum Hafen/Strand von Patitíri) bietet ausgewogenes Verhältnis von Ausstattung und Preis; www.nereides.gr. Bei den kleinen, jedoch gepflegten Zimmern mit Charme der 1970er im alten Teil des Hotels Parádisos (wenige Minuten zum Hafen von Patitíri) muss man ein Auge zudrücken – dafür ist hier

die Pool-Area (Foto) mit Aussicht bis zu den benachbarten Inseln des Marine Parks am spektakulärsten, außerdem gibt’s auch ein jüngeres Gebäude mit geräumigen Zimmern; www.paradise-hotel.grViele schmucke Villen und Häuser (für Belegung ab zwei Personen, entweder im pittoresken Bergdorf Old Alónnisos oder verstreut über die Insel) findet man auf der übersichtlichen deutschen Webseite www.alonissoshomes.de; Infos auch unter Tel.: 0049/160/902 446. Sehr schöne Villen auch auf www.alonisos.net. Zwei einfach ausgestattete Campingplätze gibt es auf Alónnisos: Camping Ikaros im idyllischen Fischerhafen Stení Vála; Tel.: 0030/24240/655 68; und Camping Rocks in einem Pinienwald auf dem Gelände der entschlafenen Open-Air-Disco „Rocks“; Tel.: 0030/697/323 09 77.

GUt Wohnen & schlaFen

Alónnisos besitzt dutzende schöne, großteils bewirtschaftete Kiesstrände. Einen guten Überblick bekommt man auf den privaten Weblogs (siehe Kasten „INFOS & WWW“) oder sehr detailliert im empfohlenen Sporaden-Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag. Der einzige Sandstrand (außer dem nicht immer gemütlichen Megáli Ámmos) ist Chrisí Miliá – der schmale Sandstreifen wird jedoch von Jahr zu Jahr schmäler. Alle Infos zu Ausflügen in den National Marine Park findet man an den Bootsanlegestellen im Hafen von Patitíri. Die schönsten Wanderwege (sowohl innerhalb der Insel als auch zu den Stränden) sind im Büchlein „Alónnisos on Foot“ von Bente Keller beschrieben, einer dänischen Künstlerin und Sprachlehrerin, die regelmäßige Aquarell-

Malkurse hält; www.bentekeller.gr. Einen ergreifenden Sonnenuntergang von touristischer Tragweite, der einem Sonnenuntergang auf Key West oder auf Santorin um nichts nachsteht, kann man allabendlich in der hoch über dem Meeresspiegel liegenden, romantischen Sunsetbar erleben (nur über längeren Fußmarsch, per Auto oder Moped erreichbar). Das Alónnisos Museum in Patitíri erlaubt einen tollen Einblick in die Kultur, Landwirtschaft und Handwerk vergangener Jahrhunderte: In Dioramen und nachgebildeten Werkstätten sind tausende historische Exponate ausgestellt. Über die „Pirates of Alónnisos“ gibt es eine ständige Sonderschau; www.alonissosmuseum.com. Den Motorroller mieten wir bei S-Bikes von Monika Albien und Geórgos Agápitos in der östlichen Buchtstraße – der Kymco 125 kostet 15 Euro pro Tag inklusive Versicherung, Tel. 0030/24240/656 51; E-Mail: [email protected]

aUsFlÜGe & attraKtionen

Über Alónnisos gibt kaum brauchbare deutschsprachige Reiseführer und so verwundert es nicht, dass auch für diese nicht gerade einfach erreichbare Insel das kompetenteste Buch aus dem Michael Müller Verlag kommt: „Nördliche Sporaden“ von Dirk Schönrock wurde 2011 in der 5. Auflage aktualisiert und kann mit detaillierten Infos über jedes Flecklein aufwarten, die benachbarten unbewohnten Inseln sind ebenso fundiert beschrieben, 15,90 Euro, ISBN 9783899536225; www.michael-mueller-verlag.de. Der Ankertaucher, Museumsdirektor (er baute und gründete im Jahr 2000 das

Alónissos Museum), Gastwirt und Buchautor Kóstas Mavríkis aus Stení Vála beschreibt in seinem neuesten, 500-seitigen Werk „These Scattered Isles“ mit vielen historischen Fotos und Fundstücken die wechselhafte Vergangenheit der sporadischen Inselgruppe; es kann um 40 Euro im Supermarkt in Stení Vála bezogen werden. Der in Istanbul, Athen und Wien beheimatete Petros Markáris ist Erfinder des hartnäckigen Kommissars Kóstas Cháritos und wurde 2011 mit „Faule Kredite“ endgültig international bekannt – der Krimi handelt von Gewalttaten in der Bankenwelt, hält sich sonst aber mit glaubhaften Analysen zur aktuellen Situation zurück, 22,90 Euro, ISBN 9783257067934; www.diogenes.ch

reiseFÜhrer & literatUrDie Griechische Zentrale für Fremdenverkehr in Österreich befindet sich am Opernring 8, 1010 Wien, Tel. 01/512 53 17-0; www.visitgreece.gr. Diese Webseiten können wir vor einer Alónnisos-Reise als nützlich empfehlen: www.alonissos.gr (offizielle Alónnisos-Webseite, englisch, mit Kurzinfos, wichtigen Telefonnummern und Nummern/Adressen von dutzenden privaten Zimmervermietern); www.mom.com (Infos über die gefährdete Mittelmeer-Mönchsrobbe); www.alonissos-park.gr (offizielle Seite des National Marine Park of Alónnisos Northern Sporades; www.ivicourt.com (extrem dichte, aufschlussreiche private Informationsseite mit Links und Infos von A bis Z);http://alonnisos-blog.pondercentral.com (umfangreicher privater Weblog eines Alónnisos-Fans mit detaillierten Infos)

inFos & WWW

tike Amphorenfabrik bei Tsouka-liás, die Höhle des Zyklopen aus der Odyssee auf der Insel Yoúra oder das Kloster mit seiner alten Oliven-ölmühle auf der Insel Kirá Panagiá – die Welt der „Scattered Isles“ bie-tet eine unvergleichliche Fülle an Eindrücken. Eine vergangene Welt von Fischersleuten, Weinbauern, Schwammtauchern, Piraten. Wir se-hen Piratenverstecke wie die Spiliés Andrióti; mit dem Felsen Manólas auf der Westseite wurde sogar eine Mini-Insel nach einem räuberischen

Unhold benannt. Fruchtbare Frauen wurden verschont, der männlichen Besatzung von gekaperten Schiffen wurde übel mitgespielt. Der früher dicht befahrene byzantinische Han-delsweg wurde von Freibeutern bis ins ausgehende 19. Jahrhundert „be-wirtschaftet“, auch als Gegenwehr gegen andauernde osmanische Be-satzung. Aber da hat sich doch so einiges zum Besseren gewandelt. Eine gewisse globale Abgelegenheit ist mittlerweile sehr charmant und kann von Vorteil sein.

hotel ParÁDisos

restaUrant ParaPÓrt

MUseUMsDireKtor KÓstas MaVrÍKis

ZacKenBarsch iM to Fanari, stenÍ VÁla taVÉrna KÁstro

Bente Keller

Die GesUnDe JoDhÄltiGe FoÚsKa-MUschel

s-BiKes

hotel YÁlis

snacK Bar PatitÍri

Der erste Alónnisos-Reisebericht des fleißigen „motomobil“-Reporters erschien 1985 im legendären

österreichischen Zweiradjournal „Superbike“