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Hans Kayser Aus meinem Leben KREIS DER FREUNDE UM HANS KAYSER BERN 2000 Zuschriften aus dem Freundeskreis

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Hans Kayser

Aus meinem Leben

KREIS DER FREUNDE UM HANS KAYSERBERN 2000

Zuschriften aus dem Freundeskreis

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Inhalt Seite

Symposion 2000, Vorträge und Inhalt 3, 4Das Aisthesis-Symposium in Rorschach 5HANS KAYSER – Zuschriften aus dem Freundeskreis 6–10

Bücherbesprechungen:– André M. Studer: Das inwendige Tagebuch 11– Ernst Waldemar Weber: Die vergessene Intelligenz 11– Peter Michael Hamel: Durch Musik zum Selbst 13– Konrad Götz und Maximilian Glas: LichtGestein 15– Maximilian Glas: extraLapis Nr. 18 15– Csaba Bornemisza: Musik der Vögel 16– Wilfried Krüger: Von Atomen, Farben und Sternen 17

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KREIS DER FREUNDE UM H A N S K AY S E R BERNMITTEILUNGEN Nr. 45 November 2000Walter Ammann Biderstrasse 31 CH-3006 BERN Telefon 031 931 12 78 PC Bern 30-12710-8

Postgiroamt Frankfurt/M. 300 453 605, Bankleitzahl 50 010 060 • Euro 91 13879 4

Die geistige und sachliche Verantwortung für die einzelnen Beiträge tragen jeweilsdie Verfasser

Liebe Freunde der HarmonikVorweg möchten wir allen den fleissigen Lesern von HANS KAYSER, AUS MEINEMLEBEN, die uns mit zwei oder auch mit mehr als zwei Worten ihren Eindruck mitgeteilt haben,ganz herzlich danken. Die sehr verschiedenartig ausgelösten Reaktionen finden Sie auf dennächsten Seiten. Wir bitten Sie freundlich, auch weitere Interessenten auf das Buch aufmerksamzu machen.Wir laden Sie freundlich ein zu unserem Symposion über Harmonik. Es werden sprechen dieHerren Prof. Chr. Amstutz, Sigriswil, Otto Schärli, Luzern, und Frau Margret Löwensprung ausMünchen.Wir bitten Sie höflich, diesen Tag schon jetzt in Ihre Agenda einzutragen, und verbleiben mitfreundlichen Grüssen

Die MITTEILUNGEN erscheinen jährlich zweimal.Richtpreis im Jahr Fr. 15.– / DM 20.–. Bitte möglichst mit Giro überweisen.Freunde in Deutschland zahlen auf Postbank NL Frankfurt, 300’453’605, Bankleitzahl50’010’060, in andern Ländern auf das Gelbe Konto international Nr. 91 13879 4 KREIS DERFREUNDE UM HANS KAYSER BERN.

Wenn Sie die MITTEILUNGEN nicht mehr zu erhalten wünschen, möchten Sie diese bitte imgleichen Umschlag, damit der Absender ersichtlich ist, frankiert an uns zurückgehen lassen,wofür wir Ihnen bestens danken.

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KREIS DER FREUNDE UM HANS KAYSER BERNWalter Ammann, Biderstrasse 31, 3006 Bern, Telefon 031 / 931 12 78

Samstag, den 4. November 2000, von 10–17 UhrGeographisches Institut, Hallerstrasse 12

(Trolleybus Nr. 12, Falkenplatz)

SYMPOSION10.00–11.30 Prof.Dr.Em., Dipl.Ing.Geol. Christian Amstutz,

Sigriswil, überINNEN UND AUSSEN IN DEN WISSENSCHAFTS- THEORIEN, verbunden durch Symmetrien

13.30–15.00 Otto Schärli, Dipl. Arch. BSA/SWB, Luzern, überBEZIEHUNGEN DER ARCHITEKTUR ZU DENZEITLICHEN KÜNSTEN UND ZUR HARMONIK

15.15–17.00 Frau Margret Löwensprung, München, überKYMATIK, SCHWINGUNGSMUSTER VONTÖNEN IM VERGLEICH MIT FORMEN IN DER NATUR

Mittagessen im «O sole mio» oder im «Beaulieu»Möglichkeit zum Picknicken im Haus

Eintritt:Ganze Tagung: Fr. 45.–, Studenten, AHV Fr. 30.–nur Vormittag: Fr, 15.–, Studenten, AHV Fr. 10.–nur Nachmittag: Fr. 30.–, Studenten, AHV Fr. 20.–

Die Anmeldung erfolgtl durch Einzahlung auf Postkonto Bern 30-12710-8

oder Postgiroamt Frankfurt/M. 300 453 605Zahlung für Symposion und evtl. Beitrag fürMITTEILUNGEN Fr. 15.– / DM 20.–Quittung gilt als Eintrittskarte

l im Vorverkauf:Buchhandlung Weyermann, Bubenbergplatz 8Telefon 031 / 311 37 46

l an der Tageskasse

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Prof. Dr. G. Christian Amstutz, Dr. rer. nat., Dr. h.c. mult., Prof. Emeritus der Uni-versität Heidelberg

Innen und Aussen in den WissenschaftstheorienWenn wir uns genetische Modelle der Naturwissenschaften betrachten, fällt uns eine ver-blüffende Ähnlichkeit auf. Es geht bei der Erklärung von Phänomenen immer wieder umein Ringen zwischen Erklärungen durch Faktoren von aussen auf der einen, und vonFaktoren von innen auf der andern Seite. Das Problem wird an aktuellen und historischenBeispielen und mit einer Erklärung seiner Wurzeln beleuchtet.

Otto Schärli, Dipl. Arch. BSH/SWB – 1930 geboren in Luzern, Studium an der ETH

Beziehungen der Architektur zu den zeitlichen Künsten und zur ArchitekturWahrnehmung als schöpferischer Prozess, Lernen durch Tun, Erleben als Austausch voninnen und aussen.Bau von Kirchen, Schulen, Heimen, Klöstern, Hotels, Geschäftshäusern, Läden, Industrie-bauten, Planungen. Zusammenarbeit mit Hugo Kükelhaus. Buch: Werkstatt des Lebens –durch die Sinne zum Sinn.

Margret von Löwensprung, München

Auf den Spuren der KlangfigurenSchwingungsmuster von Tönen und Entsprechungen in der Natur

Margret Löwensprung beschäftigte sich schon in der Schulzeit mit Musik, Naturkunde undKunst als Erfahrungszusammenhang. Im Münchener «Arbeitskreis Harmonik» war sie vonAnfang an aktiv. Sie entwickelte und baute Geräte zur Erzeugung von Klangfiguren(u.a. Tonoskope) und setzte sie in der gehörlosenpädagogischen Praxis ein. Bei derUntersuchung von Schwingungsvorgängen entdeckte sie frappierende Ähnlichkeiten mitFormen in der Natur.

Auf den Spuren der KlangfigurenRückblick auf Helmholtz, Chladni, Jenny («Kymatik»). Versuche zum Sichtbarmachenvon Schallereignissen und Teilschwingungen. Vergleiche von Schwingungsbildern mitFormen in der Natur und die Frage nach harmonikalen Zusammenhängen.

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Das Aisthesis-Symposium in Rorschach, am 26. und 27. Mai 2000

von Schmuel Stokvis mustergültig organisiert und in den ehrwürdigen Räumendes Lehrerinnen- und Lehrerseminars Mariaberg durchgeführt, bot eine Fülle vonAnschauung, Anhörung, Einsicht und Anregung.

Eingerahmt wurde der Anlass durch zwei gewichtige und nicht nur für Pädagogeninteressante Referate: Dr. Margrit Wyder über «Goethes Naturmodell als Aus-gangspunkt für eine an den Phänomenen orientierte Pädagogik» und Prof. Dr.Horst Rumpf über «Annäherung an eine Pädagogik der Sinnlichkeit». Dazwischengab es weitere Referate und Demonstrationen, z.B. «Die Entdeckung des Lernensim Spiel» durch Fröbel (Peter Kruythof), Apparate zur Erzeugung von Lissajou-Figuren (Walter Arn), ein Feuerwerk von mathematischen Modellen, brillantdargeboten durch Caspar Schwabe und einen schönen Bericht von SchmuelStokvis über seine Arbeit an Harmonik mit schwierigen Schülern.

Zwei Höhepunkte sind mir besonders in Erinnerung geblieben: Alexander Lauter-wasser mit seinen kymatischen Wasserklangbildern und die ekmelische Musik,die ich hier zum ersten Mal zu hören bekam. Schon die berühmte Hans Kayser-Orgel, die nun in Rorschach aufgestellt und installiert ist, zu sehen und zu hören,war für mich eine Sensation. Und ekmelische Musik, so hatte ich immer gedacht,würde sicher im 21. Jahrhundert komponiert werden, aber zu meinen Lebzeitenwürde ich sie nicht mehr zu hören bekommen. Und nun spielte also das Stadler-Quartett ekmelische Werke von Johannes Kotschy, der sogar selber anwesendwar! Es war ein absolut phänomenales Klangerlebnis: neu und ungewohnt, aberüberraschend stimmig. Allerdings war es für mich vor allem noch ein statischesBaden in den neuen Klängen. Musikalisch ist da aber sicher noch vieles zu holenan Entwicklung und Gestaltung.

Der andere Höhepunkt war die Kymatik. Im Unterschied zu den ChladnischenKlangfiguren und den Arbeiten von Jenny verwendet Alexander Lauterwassernicht Sand oder Pollen, sondern lauteres Wasser (nomen est omen!), das er denTönen und Klängen aussetzt und dessen Reaktionen an der Oberfläche er miteiner raffinierten Projektionstechnik sichtbar macht. Was wir zu sehen bekamen,war manchmal, in Verbindung mit den erzeugenden Klängen, von atemberauben-der Schönheit. Auch hier steckt ohne Zweifel noch vieles drin; Chaostheorie undFraktale lassen grüssen.

Eingebunden in das Symposium war auch eine reichhaltige Ausstellung, vor allemim Kreuzgang. Da konnten, um nur einiges zu nennen, Goethes Grund-Experi-mente zur Farbenlehre nachvollzogen werden, da konnte man Hugo Kükelhauswieder begegnen, da konnte man staunen über die Verwandlungen der plato-nischen Körper durch Um- und Ausstülpungen, da waren vor allem auch dieschönen, von Ruedi Stössel gebauten Modelle zur Harmonik zu sehen.

Schmuel Stokvis kann für das schöne und reichhaltige Aisthesis-Symposiumherzlich gedankt und gratuliert werden.

Ernst Waldemar Weber

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HANS KAYSER – AUS MEINEM LEBENZuschriften aus dem Freundeskreis

Vor einem Jahr wurde uns von Bad Buchau ein Teil des Nachlasses von Hans Kayser zumSichten und Ordnen überlassen. Während dieser Arbeit kam eine Anzahl noch nicht ver-öffentlichte Manuskripte und Dokumente zum Vorschein, so dass wir immer mehr zurÜberzeugung kamen, diese einem grösseren Kreis bekannt zu machen, was nun mit «HansKayser, Aus meinem Leben» auch geschehen ist. Der Name Kayser sinkt ja sogar in Wienimmer mehr ins Meer des Vergessens, ist doch das ursprüngliche «Hans Kayser-Institut fürharmonikale Grundlagenforschung» stillschweigend in das schlichte «Institut für harmo-nikale Forschung» umgetauft worden. Deshalb haben wir Mühen und Kosten nichtgescheut, um dem Namen KAYSER und seiner Bedeutung als Erneuerer der Harmonik dieihm gebührende Würdigung angedeihen zu lassen, indem wir die Schrift allen Freundender Harmonik zugestellt haben.Die vielen Zuschriften aus dem Freundeskreis, von denen wir hier eine Anzahl folgenlassen, bestärken uns in der Richtigkeit unserer Annahme.

Lieber Walter,soeben habe ich das Büchlein «Aus meinem Leben» von und über Hans Kayser zu Endegelesen, und ich möchte Dir und Deiner Kollegin, Frau Dr. L. Sandt, ganz herzlich dankenfür dieses schöne Geschenk. Es hat mir Hans Kayser um vieles näher gebracht.Die rückhaltlose Offenheit in den beiden autobiographischen Fragmenten, die Ergän-zungen durch seine Frau und die verschiedenen Briefwechsel mit Mäzenen und Freundenmachen das Büchlein zu einer Fundgrube über den Menschen Hans Kayser. Im Gesuch anden Schweiz. Nationalfonds und auch andernorts wird sodann seine Harmonik auf engstemRaum zusammengefasst. Und besonders berührt haben mich die Erinnerungen der beidenTöchter. Wer als erwachsene Frau und Mutter so von seinem Vater sprechen kann, ist zubeneiden. Gottfried Bergmann, Biel

Als Verantwortlicher für die Herstellung der Broschur hatte ich bereits vor DrucklegungEinblick in das Manuskript. Je mehr ich mich einlas in die Thematik, desto mehr packtemich die mir vorher völlig unbekannte Lehre über die Harmonik sowie die faszinierendePersönlichkeit des Hans Kayser, der leider zu Lebzeiten nicht die ihm gebührende Beachtung fand. Klaus Harbeck, Bern

Interessant die beiden Autobiographien von Kaysers Jugend. Weitere Texte und Zeichnun-gen zeugen von Kaysers vielseitigen Begabungen. Die Briefe von und an Kayser beleuch-ten das bewegte Leben von der existentiellen Seite mit Höhen und Tiefen des privatenGelehrten. Gut charakterisiert ist die erste Beziehung zur Schweiz, vor allem zu den Berner Freunden. Kurz, eine gelungene, das Gesamtbild erweiternde Veröffentlichung zuLeben und Werk des ungewöhnlichen Gelehrtenlebens. Euch ist nur Glück zu wünschenfür den verlegerischen Wurf. Dr. Karl Ledergerber, Gümligen

Dir und Frau Sandt gratuliere ich von ganzem Herzen zu Eurer schönen, verdienstvollenund ertragreichen Arbeit: Wie gut, dass diese autobiographischen Texte und biographi-schen Dokumente von und zu Hans Kayser jetzt in so gut aufgearbeiteter und schön gestal-teter Ausgabe greifbar sind! Vielen Dank Euch beiden! Dr. Johannes Gruntz-Stoll, Nidau

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Welch eine Freude! Mit viel Interesse habe ich «Aus meinem Leben» gelesen. Für mich istes wie ein seelischer Brunnen. Ihnen und allen Beteiligten möchte ich für die Arbeit herz-lich danken. Hans-Ulrich Sieber, Fraubrunnen

Heute komme ich zur Realisierung des lange schon vorgehabten Dankes an Dich wegender Übersendung Eurer Arbeit um Hans Kayser …Deine Sendung der Harmonie-Zeugnisse von Hans Kayser ist mir ein schöner Trost gewor-den und daran denkend, erhalte ich in diesen Lebens- und Schieflagen regelrechten Halt!!

Norbert Richter, Bern

Die Lehre von Pythagoras war folgende: «Die Konsequenzen, die ich für mich und meineArbeit daraus ziehe, die Pythagoras nach seinem Fiasko in Tarent und Plato nach derErgebnislosigkeit seines Syrakuser Experiments … daraus gezogen haben, sagen nur dasEine mit innerster und absoluter Gewissheit: Es kommt auf die Regeneration des einzelnenMenschen an, und zwar nicht auf eine Regeneration der Massen, der vielen, sondern nureinzelner weniger, die dann, gleich welchen Berufs und welcher Position, am rechten Ortdas Rechte tun werden.» Die Harmonik und so auch dieses Büchlein verhelfen dazu.

Inge Schneider, Net-Journal, Mai 2000

Die neue (Auto-)Biografie von und über Hans Kayser gibt ein zu tiefst emotionalesGesamtbild dieses Homo universalis, das mich beim Lesen sehr berührte. Auch wenn ich«Götti Hans» persönlich wie einen lieben Onkel erlebt habe, sind diese Bekenntnisse eineseinsamen Forschers und Philosophen und doch so kommunikationsbegabten Menschen fürmich eine Offenbarung von Güte und Überlebenstüchtigkeit. Die geschilderten persön-lichen Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg, der Krisen- und ersten Nazizeit sind eindrück-liche Geschichtsdokumente.Das reiche Quellenmaterial ist so geschickt mit wenigen Zwischentexten verbunden, dassdie Fragmente zu einer grossen Einheit verschmelzen.

Walter Amadeus Ammann, Bern

Ich habe Ihnen sehr zu danken für die Zusendung Ihres kleinen, doch so inhaltsreichenBüchleins «Hans Kayser – Aus meinem Leben». Die sehr verschiedenen Zeugnisse bildenzusammen ein Lebensbild, das in schönster Weise das Bändchen von Herrn Prof. Haaseund Ihre «Biographischen Fragmente» ergänzt. Ich freue mich, dass diese drei Arbeitennun in meinem Archiv stehen und ich auf diese wertvollen Beiträge hinweisen kann.

Annemarie Weber, Zürich

Man kennt vielleicht (dem Namen nach!) den Harmoniker Kayser, den Forscher, Philo-sophen und Schriftsteller. Man hat von seinem epochalen Werk Kenntnis genommen, dasden Bogen zwischen Pythagoras und den physikalisch-harmonikalen Forschungen des20. Jahrhunderts spannt. Man kennt den genialen Finder eines neuen Klang- und Hör-verständnisses, das, mit seinen menschenkundlichen Prämissen, unsere einseitig mathema-tisch-kausale Weltdeutung zu korrigieren vermöchte.Wer aber kennt den Menschen Kayser? Wer kennt seinen Werdegang, seine aufschluss-reichen autobiographischen Äusserungen? Wer kennt seinen Briefwechsel mit seiner jüdi-schen Frau Klara? Wer seine Konfrontation mit dem Nationalsozialismus?Das Buch «Aus meinem Leben», herausgegeben von Walter Ammann und Frau Dr. LottiSandt, schliesst hier eine Lücke, indem Dokumente zur Biographie Hans Kaysers z.T. erst-

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mals zugänglich gemacht werden. Das vorliegende Werk ergänzt die zur Zeit vergriffeneBiographie aus der Feder von Rudolf Haase (1966) und Walter Ammanns «BiographischeFragmente» (1991).Für jeden am Werk und an der Biographie Kaysers interessierten Menschen stellt das Buch«Aus meinem Leben» eine willkommene Fundgrube dar. Christian Bärtschi, Bern

Die von den Herausgebern Walter Ammann und Lotti Sandt zusammengestellten Textezeigen einmal mehr, mit wieviel profunden Kenntnissen sowie Feingefühl und Liebe fürden Menschen Hans Kayser sie ans Werk gegangen sind. «Aus meinem Leben» zeigt demLeser auf, dass es Hans Kayser wie vielen anderen grossen Denkern, Musikern, Forschernoder Wissenschaftlern vor ihm ergangen ist: Auch er musste stets Überzeugungsarbeitleisten und dafür vieles in Kauf nehmen. Deshalb staunt man um so mehr, wie minutiös erDinge aus dem Alltagsleben trotzdem wahrgenommen und sie für uns erst noch humorvollfestgehalten hat.Vielleicht aber verhalfen gerade diese extremen Herausforderungen (z.B. Probleme derPubertät, Nazizeit mit jüdischer Frau, berufliche Ausrichtung in dieser Zeit) Hans Kayserzu dem zu werden, als den wir ihn nun bewundern: Ein genialer Denker und Mahner, einMensch, der das Kleinste und Grösste zu erfassen und zu begreifen vermochte.

Marianne Kocher, Bern

Es blieb lange ungelesen; immer schien anderes wichtiger und dringender zu sein, und aufAutobiografien bin ich nicht besonders neugierig, eines Mannes zudem, dessen Lebens-daten ich schon zu kennen glaubte.Trotzdem bin ich froh, dass ich das Buch zur Hand genommen – und fast in einem einzi-gen Zug gelesen habe. Die Schilderungen der Jugend im oberen Donautal und des schwie-rigen Erwachsenwerdens haben mich sehr bewegt, und zwar nicht nur die Nöte des jungenKayser: Auch die Landschaft und ihre Flora sind mir ein wenig ans Herz gewachsen. Dabeistaunte ich nicht wenig darüber, dass ich auch die zweite Version mit ungeschmälertemInteresse las.Autobiografisch ist nur ein Drittel des Buches; der Rest besteht aus Zeugnissen von Fami-lienangehörigen, Freunden, Mäzenen und Briefen. Obschon diese Dokumente nicht strengchronologisch geordnet sind, entsteht vor den Augen des Lesers – ganz natürlich undgewissermassen wie vom Hörensagen – ein lebendiges Bild dieses reichen Lebens, seinesUmfelds und seiner Ausstrahlung. Beeindruckend ist vieles: Die Fülle der Begabungen, diemusikalischen und handwerklichen Fähigkeiten, das unbeirrte Fortschreiten auf einemunglaublich beschwerlichen und nie wirklich gesicherten Weg, und schliesslich das WerkKaysers, die Harmonik.Nachdem ein Gesuch Kaysers an den Schweizerischen Nationalfonds um einen Beitrag andie hohen Kosten des Privatstudiums (nach dem Hinschied eines Mäzens) mit der Begrün-dung abgelehnt worden war, sein Arbeitsgebiet sei nicht streng wissenschaftlich und be-finde sich «auf der Grenze zwischen Wissenschaft und intuitiver Ästhetik», replizierteKayser mit einer ausführlichen Abhandlung zur Harmonik als Wissenschaft. Dieser Textumfasst im Buch volle 17 Seiten und wirkt auf mich, obschon schon vor fast 50 Jahrengeschrieben, wie ein Fanal. Die Kayser’sche Harmonik ist eine der grossen geistes-geschichtlichen Leistungen des 20. Jahrhunderts, und sie ist vor allem hier bei uns entstan-den. Wir könnten mächtig stolz darauf sein, und es würde Bern gut anstehen, wenn esdie Chance wahrnähme, an unserer Universität – nachdem das Institut in Wien zu sterbenscheint – einen Lehrstuhl für harmonikale Forschung zu errichten. Der erwähnte Text

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könnte als Basis für einen entsprechenten Vorstoss dienen, und der Kreis der Freunde umHans Kayser müsste ihn lancieren. Ernst Waldemar Weber

Ihr Buch mit Beiträgen aus dem Leben von Hans Kayser gewährt einen Blick durch ge-öffnete Fenster in das Leben eines ehrlichen Forschers. Die Dokumente vermittelneindrücklich, wie Hans Kayser den Grundkonflikt eines vielseitig begabten Menschenzwischen vernetzter Denkweise und der von aussen kommenden Forderung nach ein-seitigem Expertentum zugunsten einer vital empfundenen, offenherzigen Erkenntnisreisefür sich und die Harmonik entschieden hat. Ein liebenswertes, ermutigendes Buch!

Margret Löwensprung

Das Buch von 200 Seiten, dem Leben und Lebenswerk Hans Kaysers gewidmet, ist inhalt-lich schwergewichtig, formal jedoch leicht, unterhaltsam, beflügelt. Es enthält 24 auch fürden Kenner überraschende Texte aus dem Nachlass, Zeugnisse einer Persönlichkeit, vonder selbst posthum ein Faszinosum ausgeht.Ich könnte es sieben Mal als Volltreffer an ganz verschieden ausgerichtete Menschen ver-schenken, z.B. an Naturfreunde / Wanderer, Stein- und Pflanzenkenner, an Vergnügte, anschwer Geplagte, an Literaturfans, auch an Kunstfreunde, an Verliebte und an alle Ehe-leute, an Philosophen und Humoristen; denn Hans Kayser denkt und schafft universal. Erglaubt selbst, unzählige menschliche Verwirklichungen in sich zu tragen.Das Buch beginnt mit zwei unvollendeten Selbstbiographien Kaysers. Die erste führt nachSigmaringen, Ort und Landschaft seiner Kindheit an der oberen Donau, erzählt von derväterlichen Apotheke, den Wanderungen mit dem Vater, vom schweigsamen, faulenSchüler, der plötzlich Verblüffendes leistet, von ungewöhnlichen erotischen Passionen(schon im Kindesalter beginnend), von Freunden, Natur und Hausmusik.Das zweite selbstbiographische Fragment mit dem Titel «die Himmelsleiter» meditiert undbeurteilt die jugendlichen Lebensabschnitte mit den «zweiten Augen und Ohren» und legtdas Hauptgewicht auf die spätere geistige Entwicklung als Musiker, als Komponist, aufden frühen Freundeskreis, auf das Leben als Musikstudent in Berlin, auf die Begegnungmit seiner späteren Frau und deren jüdisches Umfeld, und auf die Wandlung vom instink-tiven zum denkenden Umgang mit Natur und Kunst.Nun, Kayser hatte u.a. die Absicht, mit seinen unverblümten Selbstbiographien ein von denVerehrern kultiviertes Ideal- und Wunschbild seiner Person zu zerschlagen, den MenschenH.K. zu zeigen mit seinen Stärken und Schwächen («nicht besser als alle anderen»). Nureben: Die Selbstbiographien sagen, auch wenn er sich nicht schont, das Format des Autors.Er fragt sich schliesslich, wen überhaupt seine Lebensgeschichte interessieren könnte.«Vorläufig nur mich selbst. Man lernt sich dann am laufenden Band kennen und kommt zueiner wichtigen, freilich gänzlich nutzlosen Feststellung, dass sich die Grundeigenschaftendes Charakters nie ändern, höchstens temperieren, mässigen, eine Form erhalten, mitwelcher es sich leben lässt. – …» (S. 64)Den biographischen Texten folgen Erinnerungen von Clara Kayser-Ruda, seiner Frau, andie Zeit der ersten Bekanntschaft und der Gründung einer Familie, der Kriegs- und Solda-tenzeit, … Dienstverweigerung … Irrenhaus … Kinder … Tod des Söhnchens und Beginnder für die jüdische Frau grausigen Nazi-Zeit, in der H.K. der Frau wegen seinen ohnehinkärglichen Verdienst als Redaktor und als Druckereibetreiber verlor.Briefe an seine Frau, an die Mutter, an Freunde skizzieren den Kontrast zwischen deranhaltenden äusseren Unsicherheit und Notlage eines Privatgelehrten und der innerenGewissheit, zum Erforschen von Neuland berufen zu sein, mit der Wissenschaft der Har-

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monik eine Vereinigung der materiellen mit der seelischen und geistigen Welt neu entdecktzu haben und diese erstmals mit schlüssigen Beweisen so beschreiben zu können, dass siewissenschaftlichen Kriterien standhält.Wesentliche Zugänge zu Hans Kaysers Publikationen, seiner Arbeitsweise und Lebens-situation bringt der Briefwechsel mit den Berner Geschäftsherren und Sponsoren GustavFueter und Hermann Rupf. G. Fueter hat die Familie Kayser nach Bern gelotst. Es war1933 – Clara Kayser-Ruda war Jüdin – eine Flucht unvermeidlich. Hans Kayser wurdeSchweizer Bürger, liess sich definitiv in Bolligen bei Bern nieder.Die Texte aus Bolligen – es folgen weitere Schreiben an Dr. Franz Meyer und Dr. A. Zup-pinger, Zürich, zeigen die ganze uferlose Breite von Kaysers Interessen. Immer ausgehendvon Erfahrung, von eigenen Messungen und Experimenten wird erstmals das Ohr alsSinnesorgan zum Ursprung natur- und kunstwissenschaftlicher Forschung. Er verteidigtdie pythagoräische Überlieferung und, mit Pythagoras, die konkrete Arbeit am pythago-räischen Monochord.Dass der Schweizerische Nationalfonds 1954 sein Gesuch um Unterstützung mit derBegründung ablehnte, Kaysers Ergebnisse würden streng wissenschaftlichen Massstäbennicht genügen (obwohl diese bereits in gross angelegten harmonikalen Werken in Erschei-nung getreten waren), bedeutete eine bittere Enttäuschung. Statt zu klagen, antwortet Kayser mit einer grossangelegten, auch dem Laien verständ-lichen Übersicht über die wissenschaftliche Tauglichkeit seines Werkes.Sie bildet, in Form eines Briefes an Prof. A. von Muralt, die einzige theoretische Passagedes Buches, eine glänzende Apologie der weitverzweigten Kayserschen Harmonik.Wie diese sich ausbreitet trotz privaten Schwierigkeiten und öffentlicher Hindernisse, wieer Freunde und Anhänger findet an Universitäten der USA, in England, in Wien usw.bezeugen spätere Briefe und Dokumente, öffentliche Ehrungen, Hinweise auf Beiträge inZeitungen und Radio.Die «Erinnerungen an Hans Kayser» sind in wohlüberlegter Kreisform angelegt: VomMenschen Hans Kayser ausgehend führen sie über den Wissenschaftler und Philosophenwiederum zurück zum Menschen, bei dem Gelehrsamkeit, Leben und Dichten verschmel-zen. Interessant und bisher wohl wenig beachtet ist seine Auseinandersetzung mit demBösen, dem Negativen in der Natur, nicht nur im Menschen.In einer visionären Dichtung, «Amphion» genannt, sucht Kayser im Gespräch mit demDemiurgen, dem Weltenschöpfer und Diener eines fernen Gottes, dem Rätsel von Krieg,Verbrechen und Zerstörung, eben dem genannten «Zerrüttungsfaktor» in der Welt, auf dieSpur zu kommen und ihn dem harmonikalen Weltbild so einzuverleiben, dass Geheimnisseder Mystik fühlbar werden.Was er hier leidenschaftlich, in rhythmischer Prosa besingt, das erzählt er zierlich und spie-lerisch als Götti der Kinder Walter Ammanns im «Märchen vom Zwergli Mupp».Eingebettet in das zweite Bündel sehr persönlicher Texte kommen die beiden Töchter RuthGiraldi-Kayser und Eve Neuner-Kayser zu Wort. Erstaunlich, dass beide übereinstimmendeine überreiche Kindheit schildern und einen Vater darstellen, der hauptsächlich für seineKinder zu leben schien, als Erzähler, Kamerad, Spielgefährte, Bergführer, begeisternderLehrer, splendid im Schenken, genau im Einhalten der häuslichen Ordnung.Das Buch endet, hilfreich für den Leser, mit einer knappen Übersicht über das vielver-zweigte Werk von Hans Kayser, verfasst von Max Schwendimann. Die letzte Seite listetHans Kaysers Hauptwerke auf.Das Buch darf wohl in eine Reihe gestellt werden mit den Erinnerungswerken universalerDenker des 20. Jahrhunderts wie Albert Schweizer, C.G. Jung und Rudolf Steiner.

Dr. Gertrud Hofer-Werner10

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André M. StuderDas inwendige TagebuchDialog mit der anderen Welt100 S., br., Rothenhäusler Verlag 2000, Fr. 24.50

Seit fast einem viertel Jahrhundert, jeweils vor Sonnenaufgang, meldet sich bei AndréStuder eine konkret erfahrene «andere Welt» zu Wort. Durch die Morgenmeditation inner-lich vorbereitet, erlebt er ihre Mitteilungen zumeist wie in einem Traum, der, aufgezeichnet,alsobald in Vergessenheit fällt.Die jeweilige Themenauswahl liegt ganz bei den «unsichtbaren Kollegen jenseits desSchleiers, der unserer Wahrnehmung gesetzt ist». Studer selbst bleibt passiver Empfänger.Vorurteilsfrei folgt er seinem Pendel, das über einer Planchette schwingend Buchstabe umBuchstabe die Botschaften mitteilt. Wohl aufgrund dieses Umstandes sind die Texte relativ dicht und zuweilen mehrschichtig in ihrer Bedeutung. Sie enthalten Belehrungenüber geistige Wirklichkeiten und Kommentare zur Menschenwelt, und sie laden ein, demSinn des Menschseins und dem Verhältnis unseres Hier und Jetzt zur «Anderwelt» nach-zuspüren.

Ernst Waldemar WeberDie vergessene IntelligenzMusikverlag Pan AG, Zürich, 1999, Fr. 38.–

Dieses Buch wurde von zwei Rezensenten ganz unabhängig voneinander besprochen.Weil sie ganz verschiedene Schwerpunkte betonen, veröffentlichen wir hier beide Bespre-chungen, um dem Werk möglichst gerecht zu werden.

1.Ernst Waldemar Weber, der Autor der vorliegenden Publikation, ist unsern Lesern bereitsdurch seine Beiträge in diesen MITTEILUNGEN bekannt. Er hat sich überdies als Initiantder schweizerischen Schulversuche mit erweitertem Musikunterricht einen Namen ge-macht. Gestützt auf die positiven Ergebnisse dieser Versuche sowie auf neuere psycho-logische und neurologische Forschungen, fasst Weber hier noch einmal die Gründezusammen, die eine – ihrer allgemein menschlichen Bedeutung entsprechende – bessereIntegrierung musikalischer Tätigkeit in unser Schulsystem rechtfertigen und verlangen. DieSchrift richtet sich an einen weiten Leserkreis: Pädagogen, Eltern, Musiker, Politiker.Weber geht von der Idee des amerikanischen Psychologen Howard Gardner (Harvard-Uni-versität) aus, der annimmt, dass im Menschen nicht eine einzige, allgemeine, sondernmehrere, relativ autonome Intelligenzen angelegt seien. In seinem Buch «Frames of Mind»(1983) unterschied Gardner sieben Intelligenzen (Fähigkeiten zur Problemerkennung und -lösung): sprachliche, mathematisch-logische, räumliche, musikalische, körperlich-kinäs-thetische, intrapersonale, interpersonale. Dass dies weder die einzige noch eine ganz all-gemein anerkannte Intelligenz-Theorie ist, kann man dem kritischen Hinweis Webers aufDavid Goleman entnehmen, der den Begriff «emotionale Intelligenz» in die Diskussionbrachte, dabei aber die musikalischen Fähigkeiten nicht erwähnte, was Weber zum Titelseiner Broschüre veranlasst hat.Noch wichtiger als Gardners durch Untersuchungen zwar untermauerte, aber bei weitemnoch nicht unwiderlegbar bewiesene These scheinen mir die Ergebnisse der Hirnforschungzu sein, aus denen (nach Hellmuth Petsche) hervorgeht, dass es im Gehirn kein Musikzen-

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B Ü C H E R B E S P R E C H U N G E N

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trum gibt, sondern weite Regionen in beiden Hirnhälften am Musikhören beteiligt sind (wasin einem gewissen Widerspruch zu Gardner steht, der für jede der Intelligenzen einbestimmtes Hirnareal als Zentrum annimmt). Im weitern hat Petsche festgestellt, dass imGehirn von Musikern der Balken, durch den die Verbindungen zwischen den beiden Hirn-hälften ziehen, stärker ausgeprägt ist als bei Nicht-Musikern. Daraus schliesst er auf einenhöheren Anteil verbindender Nervenfasern bei Musikern, ohne allerdings entscheiden zukönnen, wie viel auf Anlage und wie viel auf dem Einfluss durch musikalische Tätigkeitberuht.Weber fasst nun seinerseits das Ergebnis seiner Untersuchungen in einem Diagrammzusammen, in dessen Mittelpunkt die musikalische Intelligenz, darum herum die sechsandern Intelligenzen angeordnet sind, wobei verschieden starke Verbindungslinien dieangenommenen mehr oder weniger intensiven (bei fehlender Linie die nicht vorhandenen)Verbindungen zwischen den Intelligenzen andeuten. Sein Schluss: «Wenn wir die 7 Gard-ner’schen Intelligenzen … betrachten, so fällt auf, dass keine andere Intelligenz so vieleVerbindungen zu andern Intelligenzformen aufweist wie die musikalische Intelligenz. Jededieser Intelligenzen hat eine starke Beziehung zur musikalischen Intelligenz, zu den andernIntelligenzen jedoch meist nur schwache oder keine Beziehungen.» Praktisch heisst das:Bestätigung und Förderung der musikalischen entwickelt auch die sechs andern Intelli-genzen.Zu beachten ist nur, dass unter die musikalische Intelligenz so verschiedene Tätigkeitenfallen wie Musik Hören, Lesen oder Schreiben, Singen, ein Instrument Spielen, allein oderim Ensemble, auswendig, von Noten oder improvisierend Musizieren, Tätigkeiten, dieandere Intelligenzen sehr unterschiedlich, unter Umständen auch gar nicht beanspruchen.Angesichts der noch recht hypothetisch erscheinenden Theorie Gardners und der erst inden Anfängen steckenden, über die Wirkung der Kausalität in den Hirnfunktionen nochwenig Sicheres aussagenden naturwissenschaftlichen Forschung mutet Webers Dia-gramm ziemlich kühn an. Vielleicht braucht es solche Kühnheit, um dem Gedanken einerstärkeren Gewichtung musikalischer Tätigkeit in Vorschul- und Schulbildung, im mensch-lichen Leben überhaupt zum Durchbruch zu verhelfen. Anderseits sollte man nicht vonallzu optimistischen Annahmen ausgehen («Jedermann spürt den Grad der Verwandt-schaft zwischen den Tonarten…», «Schon 6 Monate alte Kinder können die Struktur vonMusikstücken erkennen…»), wenn man ein Projekt entwirft, das allen, nicht nur musika-lisch begabten, anlagemässig bevorzugten Menschen zugute kommen soll. In diesemSinne sind Webers Ausführungen eine diskussionswürdige, da und dort auch noch korrek-turbedürftige Grundlage.

Dr. Max Favre

2. Revue Musicale Suisse Nr. 4, April 2000Der unermüdliche Pionier für erweiterten Musikunterricht in der Schule und besseregesetzliche Rahmenbedingungen für die Musikerziehung in der Schweiz stellt auf diesen132 Seiten dar, wie sich in den letzten zehn Jahren der Begriff der Intelligenz aufgefächerthat, nachdem Howard Gardner 1985 mit seinem Buch «Frames of Mind» («Abschied vomIQ») den Stein weltweit ins Rollen gebracht hatte.Neben den drei im herkömmlichen IQ enthaltenen Intelligenzen für Sprache, Mathematik-Logik und Raumvorstellung bewies Gardner die Existenz einer musikalischen, körperlich-kinästhetischen, eigenpersönlichen und sozialen Intelligenz. Doch mit dem nach DanielGolemans Bestsellertitel «Emotionale Intelligenz» (1997) geprägten und heftig diskutiertenBegriff «EQ» – eine Zusammenfassung der zwei letzten Gardnerschen Intelligenzen alsGegensatz zum herkömmlichen IQ –, drohte die musikalische und die körperlich-kinästhe-tische Intelligenz zwischen Stuhl und Bank zu fallen. Weber stellt diese beiden künstle-rischen Intelligenzen ins rechte Licht, ja er kommt zum Schluss, dass die Musik-Intelligenzim Zentrum steht, weil sie als Einzige zu allen sechs andern Intelligenzen wichtige Bezie-hungen hat.

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Die übersichtlich angeordneten Kapitel enthalten – gestützt auf wissenschaftliche Erkennt-nisse, die bis in die neueste Hirnforschung reichen – Darstellungen der sieben Intelligen-zen, erläutern die Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Erziehung und – das ist derwertvollste Teil – geben visionäre Vorschläge für eine Schule von morgen mit allen Konse-quenzen der Schulenorganisation, Fächeraufteilung, Leistungsbeurteilung, Elternschulung,Lehrerausbildung … Dies macht die Schrift zur Pflichtlektüre für alle Entscheidungs-träger/Innen des Bildungswesens.Aber auch für alle Erziehenden ist das Buch empfehlenswert dank der vielen spannendenund anregenden – der Übersichtlichkeit halber kursiv gedruckten – Geschichten und Aus-sagen des Autors, von Forschern, Dichtern, Musikern, Lehrern und Schülern. Am Schlussdes Buches stehen die Quellenangaben als Hilfe und zur Vertiefung in die vielfältig ange-schnittenen Themen. Ein begeisterndes Buch.

Walter Amadeus Ammann

Peter Michael HamelDurch Musik zum Selbst

Das Buch des 1947 geborenen Autors ist bereits 1976 herausgekommen; 1989 wurde esüberarbeitet, vor allem im Kapitel Harmonik. Vor mir liegt die 5. Auflage der Taschenbuch-ausgabe von 1989. Im ersten Kapitel wird zunächst die Wahrnehmung der Musik durch uns heutige (westliche)Menschen hinterfragt, vor allem auch im Blick auf C.G. Jung und die Philosophen Teilhardde Chardin, Graf Dürckheim und Jean Gebser, und es wird aufgezeigt, wie viele wichtigeKomponisten unseres Jahrhunderts sich mit «mystisch-magischen, spirituellen, metaphy-sischen und auch aussereuropäischen Inhalten beschäftigt haben». Von Debussy, Ravel,Schönberg ist die Rede, aber auch von Bartok und Orff, Nono und Ligeti, Messiaen, Stock-hausen und Cage. Wichtig sind dem Autor, der selber Initiator und Mitglied der Gruppe«Between» war, die improvisierte Musik und nicht zuletzt – im Zusammenhang mit Drogen– die psychedelische Musik. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Begegnung zwischen westlicher und der Musik deröstlichen «magisch und mythisch bewussten Kulturen», ausgelöst in den sechziger Jahrendurch Joachim E. Behrendt und die «Jaz Meets the World»-Bewegung, durch die Beatles,die den Sitar-Virtuosen Ravi Shankar bekannt machten und durch Yehudi Menuhin, der mitShankar spielte und Platten aufnahm. In der Folge gingen viele junge westliche Musiker beiMeistern in Asien und Afrika in die Lehre. Dadurch wurde deren Musik glücklicherweise indem Moment aufgewertet, als sie im Begriff war, auszusterben und dem westlichen Soundzu erliegen. Der Autor geht ausführlich auf die klassische indische Musik ein. So erfahren wir, dass sieihren Ursprung in der Rezitation der heiligen Texte hat, also von der menschlichen Stimmeund dem Gesang ausgeht. Die Veden werden noch heute, wie bei den alten Griechen diellias und die Odysee, auf drei Tönen rezitiert, dem Grundton und je einem Ganzton darüberund darunter. Die indische Musik ist einstimmig, dazu bleibt der Grundton, der je nachlnstrument und Sänger etwas variiert, als Bordunklang (mit Quinte und Oktave) beständigliegen. Die Oktave ist in zwei Tetrachorde (vier Töne) geteilt. Es gibt (in Nordindien) zehnverschiedene Skalen aus diesen sieben Tönen (Thats): unsere sechs Kirchentonarten(inklusive aeolisch und ionisch) und dazu vier Tonarten, die übermässige Sekunden enthal-ten; der fünfte Ton, die Quinte bleibt immer unverändert. Auf diesen zehn Thats beruhenmehrere hundert Ragas, die in Klangfarbe und Tonhöhe minim, aber bedeutend von einan-der ab weichen. In Südindien gibt es 72 Thats und weit über 5000 verschiedene Ragas.Vor dem Spiel werden die beweglichen Bünde der Sitar auf die verlangte Skala eingestellt.Ein Raga ist ein manchmal eine Stunde oder länger dauerndes Musikstück; es beginnt mitdem meditativen Alap, der auch die Tonauswahl bestimmt. Jeder Raga ist durch einen der

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neun Empfindungs-Typen (Rasa) und durch den Tala, ein kompliziertes Rhythmus-Modell,geprägt. Schliesslich erzählt Hamel die Geschichte seiner «zufälligen», aber nachhaltigenBegegnung mit einem singenden Sadha am Ufer des Ganges. In diesem Kapitel erfährt der Leser schliesslich eine Fülle von interessanten Informationenüber tibetische Ritualmusik (mit den ungeheuren, wuchtigen Tönen der riesigen Tuben unddem Gesang der Mönche in der Kontraoktave), die Trommeln der Schamanen in vielenVölkern, über ekstatische Gesänge in Persien und der Mongolei, über die Instrumente unddie Tonskalen in der geistlichen islamischen Musik, über die indonesische Gamelanmusik(«ein klingendes Manifest des uns alle verbindenden kollektiven Unbewussten»), über dieMusik im alten China mit ihrer 12-Ton-Skala. Zum Abschluss vergleicht der Verfasser dierhythmischen Formen und Strukturen im magischen, mythischen und mentalen Bewusst-sein. Im dritten Kapitel geht Hamel auf die Kaysersche Harmonik ein; dabei hält er sich vor alleman Rudolf Haase. Aus den Analogien in der Quantenphysik, dem periodischen System derElemente, in Astronomie, Kristallographie, Botanik, Anthropologie usw. wird die Vermutungabgeleitet, dass «die Natur, insbesondere auch die menschliche, durch Musik beeinflus-sbar sein muss», so dass unter Umständen die Wirkung von Mantras auf die harmonikaleBeschaffenheit des Menschen zurückgeführt werden könnte. Es folgen ausführliche undinteressante Darlegungen über das Om, die singende Kraft des Urklangs, der die Welterschuf, über das Wesen der Mantras und wie diese die Chakras (die geistigen Zentren)z.B. mit Obertönen, also mit harmonikalen Mitteln, erschliessen können. Dabei sind dieFormanten und damit die Vokale und deren Beziehungen zu den Räumen und Bewegun-gen des menschIichen Körpers wichtig. Diesen spirituellen Spekulationen vermochte der Rezensent nicht immer zu folgen, aber erkann verstehen, dass den Verfasser als Musiker vor allem die Obertöne und die daraufberuhenden (und mit elektronischen Mitteln machbaren) Klangfarben, als die «Träger desSeelischen», interessieren. Hamel glaubt, dass das Interesse der avantgardistischenMusiker für die aussereuropäischen Musikkulturen damit zusammenhängt, dass in der ein-stimmigen Musik die Klangfarbe im Vordergrund steht. Das vierte Kapitel befasst sich zunächst mit westlichen, vom Osten inspirierten Ansätzenmusikalischer Meditation, die ursprünglich vom Jazz ausging und durch Hermann Hesse(Siddharta) wesentlich beeinflusst wurde. Es waren ernsthafte Musiker, die sich in den seitden Siebzigerjahren (die Beatles bereisten Indien 1966/67) intensiv mit östlicher Musikbefassten und durch geistig-kontemplative musikalische Übungen zur Selbsterkenntis zugelangen suchten; daneben gab es auch viel Fragwürdiges in dieser meditativen Welle.Dieser «Rückkehr ins Archetypische der Musik» stand die technische Revolution mitSynthesizern gegenüber. Die neuen, faszinierenden Möglichkeiten der elektronischen Ton-erzeugung wurden so begierig aufgenommen, dass «meditative Musik» ihre Glaubwürdig-keit zu verlieren droht. Weiterführende Ansätze wurden vor allem von amerikanischen Musikern in der «minimalmusic» (Wiederholung kurzer Motive, die sich fast unmerklich verändern) und der «periodicmusic» entwickelt. Hamel beschreibt vor allem die Arbeiten und die Wirkung von TerryRiley und La Motta Young. Die Zusammenarbeit mit indischen Musikern wurde gepflegt.Neu waren nun Überblendungen (z.B. mittels Tonband) und Überlappungen, womit «faszi-nierende Klangfarbenüberlagerungen» (und meditative Wirkungen) erzielt wurden. Inzwi-schen sind diese Techniken in der Avantgarde übernommen worden. Zum Schluss stelltHamel fest, dass meditative Musik weder im Konzertsaal noch bei Pop-Veranstaltungeneine grosse Chance hätte. Im letzten Kapitel geht Hamel zunächst auf die heilende Wirkung von Musik ein. Er zeigtauf, dass sowohl eigene musikalische Tätigkeit und Kommunikation als auch passivesHören therapeutische Wirkungen zeitigen kann. So erwähnt er die psychoanalytischeTechnik des katathymen Bild-Erlebens oder autogenes Training mit Hilfe von Musik. AuchHans Kayser wird mit einem Abschnitt aus dem «Lehrbuch der Harmonik» über das hei-

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lende «Akkordbad» zitiert. Hamel beklagt, dass viele Menschen nicht in frühester Jugenddas Hinhören auf Musik gelernt haben. «Trotzdem müssen Wege gefunden werden, um dieinneren Räume wieder zu entdecken, um den eigenen Atem bewusst wahrzunehmen, umden Umgang mit der eigenen Stimme anzuregen, das Singen zu ermöglichen, um dienatürliche Atembewegung zu fördern, die den Menschen seine eigene Schwingung, seinenEigenton wiederfinden lässt.» Hier spricht Hamel aus dem Herzen des Rezensenten; er schildert die Kraft des Atems inden Schulen des Yoga, des Zen und recht ausführlich in der Atemschule von llse Midden-dorf. Dabei kommt er im Zusammenhang mit den Atem-Räumen im Körper wiederum aufdie Vokale zu sprechen. Schliesslich folgen auch hier Anweisungen und Übungen: zumFinden des Eigentons, aus der indischen Gesangsschulung Mandra-Sadhana, aus demNada-Yoga, zur Selbsterfahrung mit Partner und im Kollektiv, eine reiche Palette von Anre-gungen für Leute, die Zeit und Musse haben, nach sich selber und den Archetypen derMusik zu suchen. Das Buch schliesst mit einem lesenswerten Ausblick und einem Anhangmit alten Texten aus dem asiatischen Raum zum Wesen der Musik.

Ernst Waldemar Weber

Konrad Götz und Maximilian GlasLichtGesteinBilder aus Jahrmillionen – Mythen aus JahrtausendenPattloch 1998, Fr. 37.–

Was für ein Geschenk, dieses Buch! Schon äusserlich gediegen gestaltet, überrascht esuns im Innern mit knapp gehaltenen Texten und farbfrohen Bildern, die aus dem schwar-zen Grund hervorleuchten. Und beides lädt zu Entdeckungsreisen ein.Die Bilder des Fotografen Konrad Götz sind Makro-Fotografien kleiner Details, oft im Mil-limeterbereich, von Mineralien, Fossilien und Edelsteinen. Sie gewähren überraschendeund seltene Einblicke in einen Bereich, der uns für gewöhnlich verschlossen ist: das Reichder Gesteine und Kristalle. So zu lesen in den Erläuterungen auf der letzten Seite desBuches.Wenn wir uns auf die Entstehungsweise in die phantastische Form- und Farbenwelt dieserAufnahmen machen, vergessen wir zeitweise völlig, dass wir uns im Element des Festen,des Gesteins, bewegen. Vielmehr scheinen sich Meerestiefen aufzutun, oder wir werdenvon Flammen umlodert, als sässen wir mitten in einem Vulkan. Oder ich befinde mich ineiner Kunstgalerie und bestaune Bilder, die mich an Augusto Giacomettis «ChromatischePhantasie» erinnern.Den 23 Bildern sind 23 Texte gegenübergestellt. Zunächst scheinen sie kaum einen Bezugzu haben zu den Fotografien, aber dem ist nicht so: Bei näherem Hinschauen und Hin-hören ist doch Gemeinsames zu entdecken, aber völlig freilassend. Keineswegs handelt essich bei den Bildern um Illustrationen der Texte oder bei den Texten um Beschreibungender Bilder, sondern um eine gegenseitige Steigerung zweier an sich selbständiger «Bot-schaften». Die Zusammenstellungen wirken – jedenfalls auf mich – weder wissenschaftlichnoch irgendwie symbolisch, sondern künstlerisch: dem ästhetischen Empfinden folgend,das etwas Gemeinsames herausspürt oder es zum mindesten versucht.Die Texte sind Ausschnitte aus Schöpfungsmythen aus etwa drei Jahrtausenden menchli-cher Geschichte bis hin zu modernsten Theorien, die ja in ihrer Weise auch Mythen sind.Sie folgen einander ohne Rücksicht auf Chronologie, vielmehr auch hier, wie mir scheint,aus einem künstlerischen Empfinden, um nicht zu sagen Instinkt heraus gesetzt, in wohl-tuender Abwechslung.«Einmal darf die Welt von selbst entstehen, dann wieder gibt es einen Schöpfer. Die Not-wendigkeit des Entstehens streitet mit dem Zufall. Der Sinn der Schöpfung steht denUrkräften gegenüber. Die Frage nach der Entstehung der Welt wird hier zur Frage nach der

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Entwicklung des Bewusstseins. Und für jeden einzelnen Menschen ist Schöpfung etwasganz Persönliches.» So zu lesen in den Erläuterungen des Autors M. Glas. Und mit demletzten Satz ist zugleich hingewiesen auf die wohl wertvollste Anregung, die ein Buchgeben kann: unsere eigene Stellung in der Schöpfung immer wieder zu überdenken.Einem (ehemaligen) Schulmeister fällt es zuweilen gar nicht so leicht, etwas ohne Ein-schränkung gelten zu lassen – hier darf ich es tun, ich habe nichts auszusetzen. Auch nichtan dem niedrigen Preis. Gottfried Bergmann

Maximilian GlasextraLapis Nr. 18, Diamant104 S., reich bebildert, br., Chr. Weise Verlag, München 2000, Fr. 35.–

Gleichzeitig mit LichtGestein erhielten wir vom Redaktor Maximilian Glas die neuesteNummer der Zeitschrift extraLapis, «Diamant», eine sehr sirgfältige Darstellung über die-sen vielseitigen Edelstein, seine verschiedenen Farben, seine weitverstreuten Vorkommenund weitere Besonderheiten.

Csaba BornemiszaMusik der VögelHarmonikales Denken, Bd. 1 (Hrsg. Werner Schulze)Wien, Wilhelm Braumüller, 1999, 168 S., kart., Fr. 41.–

Dass ein Cellist und Mitglied der Wiener Philharmoniker dem Gesang der Vögel Beachtungschenkt, verwundert eigentlich nicht; erstaunlich ist es hingegen, wenn derselbe mehrfachausgezeichnete Musiker sich im Rahmen seines Studiums der Erforschung des Vogelge-sangs widmet, umsichtige Recherchen anstellt und dabei zu faszinierenden Ergebnissenkommt: Was Csaba Bornemisza über die «Musik der Vögel» in Erfahrung gebracht und imersten Band der von Werner Schulze herausgegebenen neuen Buchreihe über «Harmoni-kales Denken» veröffentlicht hat, stellt einen ebenso beachtlichen wie anerkennens- undlesenswerten Beitrag zu einer umfassenden Akróasis im Sinne Hans Kaysers dar.Im einleitenden Kapitel erinnert der Herausgeber daran, dass harmonikale Forschung imWissen gründet, «dass zahlreiche in den Grundlagen der Musik auffindbare Gesetze sichin Analogie zu universellen Seins- und Denkgesetzen finden. Im Mittelpunkt dieserAnschauung stehen Zahlen und ihre Verhältnisse, als Zahlen-'Werte' Quantitäten und Qua-litäten zugleich anzeigend.» Was liegt also näher, als den Gesang der Vögel zu belauschenund auf solche Universalgesetze zu befragen? Der Autor verwendet dabei die Methode derKlangmikroskopie: «Diese Methode beruht auf der Verlangsamung der Wiedergabe vonTonaufnahmen zwecks besserer Erfassbarkeit akustischer Abläufe, die sich mit sehr hoherGeschwindigkeit ereignen.» Auf diese Weise werden Strukturen hörbar, die sich in derNatur nur ahnungsweise wahrnehmen lassen.Was dabei dem Gehör zugänglich und in der Notation und Transposition auch für das Augesichtbar und dem Verstand erschlossen wird, ist geeignet, harmonikales Denken und For-schen zu erweitern und vertiefen, aber auch das Staunen, Begegnen und Verstehenzwischen Menschen und Tieren zu ermöglichen und bereichern: Denn es sind Rhythmenund Intervalle, Motive und Phrasen, Melodien und Liedstrukturen, welche zum Vorscheinkommen und den Buchtitel «Musik der Vögel» auf beeindruckende Weise rechtfertigen.«Bausteine der menschlichen Musik sind auch im Vogelgesang nachweisbar. Wie es dazukommen konnte», aber auch welche Auswirkungen diese Entdeckung auf das Musikver-ständnis hat, darum geht es in der reich illustrierten Studie, die sich mit der musikalischenDimension des Vogelgesangs ebenso befasst wie mit der physischen und psychischen,

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der ästhetischen und der biologischen Dimension: Eine umsichtig recherchierte und reichillustrierte Studie, ein vielversprechender Auftakt einer neuen Buchreihe.

Johannes Gruntz-Stoll

Wilfried KrügerVon Atomen, Farben, Klängen und Sternen –Synästhetische Spekulationen und atom-harmonikale Variationen

Nach dem 1977 erschienenen und inzwischen bereits zum fünften Mal aufgelegten Buch«Das Universum singt» und dem zweiten, erstmals 1985 veröffentlichten und gegenwärtigin dritter Auflage erhältlichen Werk über «Die Atom-Hammonik» tritt Wilfried Krüger miteiner weiteren Schrift an die Öffentlichkeit, die wie die Vorgänger im Verlag des Verfasserserscheint: Zunächst mit dem Titel «Farben und Töne im Atom» zur Publikation vorgesehen,hat das Buch nach einem Gespräch des Autors mit seiner Frau einen anderen Titel erhal-ten, der auf das biblische Wort vom Nadelöhr Bezug nimmt: Hier wird «eine Dialektik deut-lich, die aus Kleinem etwas Grosses gewinnt und bei den Fragen nach der Transzendenzdas Winzige nicht links liegen lässt, sondern besonders beachtet. Wie winzig sind Elemen-tarteilchen? Wie wenig sagt uns ein einzelner Ton oder auch eine einzelne Farbe?» UmFarben und Klänge der Atome und Elementarteilchen geht es denn auch in den Texten undauf den Schautafeln, welche freilich an die Geduld und Ausdauer, an das Denkvermögenund die Verständniskunst der Leserinnen und Leser nicht gerade geringe Ansprüchestellen.Denn hier werden zwischen Gestirnen und Atomen, zwischen Farben und Klängen, zwi-schen Worten und Zeichen Verbindungen hergestellt, dass einem Hören und Sehen ver-gehen und dabei auch noch schwindlig werden kann: Dass der Autor wohl Faszinierendeszu berichten und Interessantes zu sagen hat, steht ausser Zweifel; nur scheinen ihm diebegrenzten Fähigkeiten und Möglichkeiten seiner Leserinnen und Leser nebensächlichund unwichtig zu sein, so gross ist seine Begeisterung für die Einsichten und Erkenntnis-se, die er mitzuteilen versucht: Da ist etwa von den «Farben und Tönen im Zwölferkreis derAtome» die Rede, vom «Trigon Aspekt im Ozonmolekül» oder von «Schrödingers Katze aufdem Bahnsteig der Quinte»; berichtet wird auch über «Alkannan und die Farbe Violett»oder von «Kafkas Schloss und dem Schlüssel Atom-Harmonik», und alles in aufkläreri-scher, belehrender Absicht; denn die «Atom-Harmonik klärt auf durch Hören, Schauen,Zählen, Denken und Fühlen – Fühlen, Denken, Zählen, Schauen und Hören». Dies lässtsich durchaus mit der von Pythagoras begründeten Harmonik vereinen, auch wenn man-che Passagen des Buches esoterischen Charakter zu besitzen scheinen.Während sich im Innern des Buches eine Reihe von Diagrammen und Illustrationen finden,welche die Textabschnitte ergänzen, gibt der Umschlag zwei Aquarelle des Autors wieder:Beide Bilder sind im Januar dieses Jahres entstanden und mit einem schwarzen Fussab-druck signiert, mit welchem Wilfried Krüger auf den Seher Μελαµπουσ Bezug nimmt undseine «Verbindung mit Mutter Erde und Mutter Materie» anzeigt. Schade nur, dass sichüber die Person, den Lebenslauf und den Bildungsgang des malenden und schreibendenAtom-Harmonikers im Buch keine Angaben finden lassen; denn vielleicht gäbe es hiereinen Zugang zu den teilweise schwer verständlichen und nicht ohne weiteres nachvoll-ziehbaren synästhetischen Spekulationen und atomharmonikalen Variationen für interes-sierte Leserinnen und Leser bzw. den irritierten Rezensenten.

Wilfried Krüger: Das Nadelöhr der Farben und Töne. Neue Entdeckungen im Zwölferkreis der Atome. Trier, Atom-Harmonik-Verlag, 2000, 196 S., geb., Fr. 30.–

Johannes Gruntz-Stoll

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ACHTUNG! Wir suchen ständig

Wer hat vergriffene Werke HANS KAYSERS abzugeben, vor allem:

Grundriss eines Systems der harmonikalen WertformenHarmonia Plantarum

Paestum

Sich bitte melden beiWALTER AMMANN, Biderstrasse 31, CH-3006 BERN, Tel. 031 931 12 78

WEGE ZUR HARMONIKRudolf Stössel

Die Harmonik ist eine Wissenschaft, die die Dinge mit dem Herzen versteht und mit demVerstand empfindet. Alle harmonikalen Grössen können nicht nur gemessen und gezählt,nicht nur angeschaut, sondern auch angehört werden. (Hans Kayser)

86 S., über 100 Abbildungen, broschiert, Format 17x23,5 cm, Fr. 27.–

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