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Stefan Lentz
Schriftenreihe
Forschungsbeiträge zum Strategischen Managementherausgegeben von Prof. Dr. Michael Hülsmann
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung Stefan Lentz
Stefan Lentz
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Forschungsbeiträge zum Strategischen Management: Bd. 5
Schriftenreihe – Management Nachhaltiger Systementwicklung hrsg. von Prof. Dr. Michael Hülsmann - Universität Bremen
Bremen 2005
ISBN: 3-938786-05-1
ISSN: 1860-6628
II
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis V
1. Einleitung 7
1.1 PROBLEMZUSCHNITT UND ZIELSETZUNG 7 1.2 VORGEHEN UND GLIEDERUNG 12
2. Krisenmanagement und strategische Beschaffung 15
2.1 STRATEGISCHE PLANUNG ALS KRISENMANAGEMENT 15 2.2 FUNKTIONEN DER BESCHAFFUNG 18 2.3 ZIELE DER BESCHAFFUNG 23 2.4 KONZEPTE DER STRATEGISCHEN BESCHAFFUNG 25 2.4.1 KOMBINATIONSKONZEPTE 26 2.4.2 PORTFOLIO-KONZEPTE 30 2.5 KRISENURSACHEN IN DER BESCHAFFUNG 35
3. Organisationstheorien und Krisenpotenziale der Beschaffung 39
3.1 BEGRIFF UND INHALT VON ORGANISATIONSTHEORIEN 39 3.2 BEWERTUNGSKRITERIEN FÜR DIE RELEVANZ VON
ORGANISATIONSTHEORIEN FÜR DIE BESCHAFFUNG 43 3.3 THEORETISCHE BETRACHTUNGEN IN DER
BESCHAFFUNGSLITERATUR 45 3.4 RELEVANZ VON ORGANISATIONSTHEORIEN FÜR DIE BESCHAFFUNG 56 3.5 WEITERE ERKENNTNISSE BESCHAFFUNGSRELEVANTER
ORGANISATIONSTHEORIEN 60 3.6 KRISENPOTENZIALE BESTEHENDER
BESCHAFFUNGSSTRATEGIEN 64
4. Beschaffungsstrategien und Nachhaltiges Management 68
4.1 AUFFASSUNGEN EINER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG 68 4.2 NACHHALTIGES BESCHAFFUNGSMANAGEMENT 73 4.3 BEITRAG EINES NACHHALTIGEN MANAGEMENTS ZUR
VERMEIDUNG VON KRISEN IN DER BESCHAFFUNG 75
5. Abschließende Betrachtung 78
5.1 FAZIT 78 5.2 AUSBLICK 79
Literaturverzeichnis 80 Internetquellen 86
III
IV
Abbildungsverzeichnis
Darstellung 1-1: Zusammenhang von Grundstrategie, Geschäftsstrategie und funktionalen Strategien…………………………………………….. 5
Darstellung 1-2: Spannungsfeld der Beschaffungsentscheidung…………………..9 Darstellung 1-3: Gliederungsstruktur .................................................................. 12 Darstellung 2-1: Beschaffung als Funktion im Leistungsprozess......................... 19 Darstellung 2-2: Die Versorgungsfunktion in Unternehmen ................................. 21 Darstellung 2-3: Definitionen Beschaffung .......................................................... 22 Darstellung 2-4: Ziele in der Beschaffungsliteratur .............................................. 24 Darstellung 2-5: Sourcing-Toolbox nach ARNOLD................................................ 27 Darstellung 2-6: Sourcing-Würfel nach CORSTEN ................................................ 28 Darstellung 2-7: Einkaufsportfolio nach KRALJIC.................................................. 30 Darstellung 2-8: Beschaffungsmatrix nach MÜLLER............................................. 31 Darstellung 2-9: Portfolio nach WILDEMANN ......................................................... 32 Darstellung 2-10: Krisenursachen in der Beschaffung......................................... 38 Darstellung 3-1: Organisationstheorien ............................................................... 42 Darstellung 3-2: Beschaffungsprozesse.............................................................. 44 Darstellung 3-3: Transaktionskosten bei Markt-, Hybrid- oder Hierarchie als
Koordinationsform .................................................................... 46 Darstellung 3-4: Informationsverteilung im zeitlichen Ablauf einer Kontrakt-
güterbeschaffung ..................................................................... 48 Darstellung 3-5: Situative Determinanten einer relationalen Beschaffung ............ 53 Darstellung 3-6: Der vollständige Entscheidungszyklus....................................... 54 Darstellung 3-7: Bewertung der Relevanz von Organisationstheorien für die
Beschaffung ............................................................................. 59 Darstellung 3-8: Marktinformationsmatrix ........................................................... 61 Darstellung 3-9: Potentielle Krisensituationen ..................................................... 66 Darstellung 4-1: Primäre Nachhaltigkeitsprobleme auf den Systemebenen......... 72
VI
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
1. Einleitung
1.1 Problemzuschnitt und Zielsetzung
Die Beschaffung ist eine Grundfunktion von Unternehmen, die die Versor-
gung eines Unternehmens mit den benötigten Produktionsfaktoren, die nicht
selbst erzeugt werden, sicherstellt.1
Das Verständnis der Funktion Beschaffung und ihre Bedeutung für Unternehmen
hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Die Beschaffung wurde bis in die 1970er
Jahre auf das dispositive Problem der Materialbereitstellung und damit auf ihre
operativen Aufgaben beschränkt.2 Unter einer operativen Beschaffung soll die
reine Umsetzung einer Beschaffungsstrategie oder anderer Vorgaben durch den
Einkauf verstanden werden.3 Eine Aufwertung fand die Thematik der Beschaffung
nur in Kriegs- und Krisenzeiten und fokussierte sich bis in die 1980er Jahre auf die
Frage, ob und wie die Beschaffung in Unternehmen von speziellen Abteilungen
geleistet werden sollte.4
Ende der 1970er Jahre und Anfang der 1980er Jahre veränderte sich das
Verständnis der Beschaffung,5 es erschienen Publikationen, die eine strategisch
ausgerichtete Beschaffung thematisierten.6 GROCHLA sah die Gründe hierfür im
gewachsenen Problembewusstsein für die Bedeutung von Ressourcen nach der
Ölkrise in den 1970er Jahren, durch das Aufkommen der Systemtheorie und
damit eines holistischen Verständnisses in der Betriebswirtschaftslehre in den
1960er Jahren und einer Verschärfung der dispositiven Probleme, hervorgerufen
durch zunehmende Automatisierung. 7
Seit den 1990er Jahren hat sich die Bedeutung der Beschaffung durch eine
Verringerung der Fertigungstiefe großer Unternehmen weiter erhöht.8 Die Kosten
für Material und Fremdleistungen betragen bei großen deutschen Unternehmen
heute durchschnittlich 60 Prozent, die Beschaffung umfasst damit in den meisten
Branchen den größten Kostenteil.9
1 Vgl. hierzu z.B. die Auffassungen von ARNOLD (1997), S. 3; BOGASCHEWSKY (2004), S. 48 und
EßIG (2004), S. 54. 2 Vgl. KAUFMANN (1999), S. 2 ff.; GROCHLA (1977), S. 181 und ARNOLD / EßIG (2000), S. 122. 3 Der Umfang der operativen Aufgaben wird unterschiedlich weit gefasst. Zum hier gewählten
Verständnis vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 123 und KAUFMANN (1999), S. 6-10. Siehe auch Kapitel 2.1 und Darstellung 2-1.
4 Vgl. KAUFMANN (1999), S. 2. 5 So proklamiert z.B. KRALJIC (1977) die „Schwachstelle im Einkauf“ und den „Strategie-
Notstand“, vgl. ebd. 6 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 122. 7 Vgl. GROCHLA (1977), S. 183. 8 Vgl. BAIN & COMPANY GERMANY (2002), S. 1 und KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 46-49.
9 Den größten Anteil an Materialkosten und Fremdleistungen hat mit 81% der Handel, bei Auto-mobilherstellern liegt er bei 63% und im Maschinenbau bei 56%. Deutlich geringer ist er in der chemischen Industrie mit 47% und in der Konsumgüterindustrie mit 44%. Vgl. BAIN & COMPANY GERMANY (2002), S. 1.
7
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Der Wandel des Verständnisses und der Bedeutung der Beschaffung ist demnach
auf eine Verknappung der Ressourcen, Veränderungen in der Produktion und auf
einen Wandel der Beschaffungsmärkte zurückzuführen, die die Komplexität von
Beschaffungsentscheidungen erhöhten.
Die strategische Beschaffung ist als funktionale Strategie der Unternehmensstra-
tegie untergeordnet.10 Wie Darstellung 1-1 zeigt, sind funktionale Strategien Kon-
kretisierungen der Unternehmensstrategie für die einzelnen Funktionsbereiche.11
Darstellung 1-1: Zusammenhang von Grundstrategie, Geschäftsstrategie und funktionalen Strategien
Grundstrategie
Geschäfts-bereich-strategie
Geschäfts-bereich-strategie
Geschäfts-bereich-strategie
Erarbeitung der Strategie für funktionale Bereiche
MarketingF & E
ProduktionBeschaffung
Personal…
MarketingF & E
ProduktionBeschaffung
Personal…
MarketingF & E
ProduktionBeschaffung
Personal…
mittel- und kurzfristige Maßnahmen / Programme / Projekte
Quelle: WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 405
Die Unterordnung der Beschaffungsstrategien unter die Unternehmensstrategie
impliziert, dass auch die Ziele der Beschaffung aus den Unternehmenszielen
abgeleitet werden.12 Allerdings besteht in der Beschaffung, neben den Zielen, die
sich aus der Unternehmensstrategie ergeben, immer das zusätzliche Ziel der Ver-
sorgungssicherung.13 Die Versorgungssicherung bildet die Voraussetzung für eine
planvolle Leistungserstellung und ist neben den möglichen Unternehmens-
strategien unverzichtbar.14
Beschaffung befindet sich somit, wie Darstellung 1-2 zeigt, in einem „Spannungs-
feld“15 zwischen Unternehmensstrategie und Versorgungssicherung bzw. Ver-
sorgungsverbesserung.16
10 Vgl. z.B. ARNOLD (1997), S. 9-12; KOPPELMANN (2000), S. 114 und
WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 405. 11 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 403 f. und BEA / HAAS (2001), S. 181f. 12 Explizit formulieren dies z.B. HAMMANN / LOHRBERG (1986), vgl. ebd. S. 47-49. 13 Vgl. ARNOLD (1997), S. 9-12 und KOPPELMANN (2000), S. 106. 14 Vgl. ARNOLD (1997), S. 12. 15 GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 34. HAMMANN / LOHRBERG (1986) sprechen in diesem Zu-
sammenhang von einem Abstimmungsprozess, an dessen Ende ein Zielkompromiss stehe (vgl. ebd. S. 47-49).
8
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Darstellung 1-1: Spannungsfeld der Beschaffungsentscheidung
Beschaffungs-entscheidung
KostenreduzierungQualitäts- und Leistungsverbesserung
Autonomieerhaltung
Versorgungssicherung
Grundstrategie
(z.B. Kostenführerschaft, Differenzierung, Konzentration auf Schwerpunkte)
Sicherung strategischer Wettbewerbs vorteile für ein Unternehmen
Sicherung der Versorgung eines Unternehmens
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 34
Es wird im Folgenden angenommen, dass die Verlagerung der Wertschöpfung auf
Zulieferer grundsätzlich zu einer Verringerung der direkten Kontrolle über die
bezogenen Objekte führt und damit die beschaffungsseitigen Gefahren für Unter-
nehmen erhöht. Diese können sich als Ausfall benötigter Materialien oder
mangelnde Qualität zeigen, die durch Fertigungsprobleme, administrative
Schwierigkeiten der Lieferanten oder Probleme auf dem Transportweg vom Liefe-
ranten zum Unternehmen entstehen und sich der Kontrolle der kaufenden Unter-
nehmen entziehen.17 Aber auch auf deren Seite können durch Bedarfs-
schwankungen Fertigungs- oder Lieferprobleme entstehen,18 die sich über die
einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette noch verstärken können.19
Neben den Gefahren für die Versorgung der Produktion können Probleme mit
Zulieferern in zunehmendem Maße auch Gefahren für den Absatz bedeuten.
Fehlende soziale oder ökologische Standards bei Zulieferern können an die Öffent-
lichkeit gebracht werden20 und zu einer Schädigung des Images und des
Vertrauens in Marken und Unternehmen führen. Der „gute Ruf“, der in diesem
Zusammenhang Teil des Images eines Unternehmens oder einer Marke ist, stellt
immaterielles Kapital21 oder anders ausgedrückt eine immaterielle unternehmens-
16 Vgl. ARNOLD (1997), S.10-12. 17 Zu Risiken in der Beschaffung vgl. z.B. MELZER-RIDINGER (2000). 18 Vgl. MELZER-RIDINGER (2000). 19 Dieses Problem ist als Bullwhip-Effekt bekannt geworden. Es entsteht dadurch, dass Lieferan-
ten oft keine Informationen über die Absatzmärkte ihrer Kunden haben. Bedarfsveränderungen erreichen dadurch die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette mit einer zeitlichen Verzöge-rung. Vgl. hierzu z.B. KELLER / KROLL (2004).
20 Vgl. KLUGE (2003), S. 928 oder beispielhaft BERGIUS (2004).
21 Zum hier dargelegten Zusammenhang zwischen dem guten Ruf, dem Markennamen und dem Unternehmenserfolg vgl. z.B. RALL (2003).
9
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
spezifische Ressource dar.22 Eine Gefährdung des Unternehmens- oder Marken-
images kann somit direkt den Unternehmenswert gefährden23 und zu einer Unter-
nehmenskrise führen.
Diese in der Beschaffung verursachten Gefahren können in unterschiedlicher
Intensität, das heißt als Störung oder Krise, in Erscheinung treten. Störungen sind
Abweichungen von geplanten Zielen, die das Problembewältigungspotenzial eines
Unternehmens nicht überfordern. Krisen beinhalten im Gegensatz dazu eine
Gefährdung der Unternehmensexistenz.24 Störungen können jedoch zu Krisen
werden.
Krisen werden im Weiteren als existenzielle Gefährdung des gesamten Unter-
nehmens durch die Gefährdung dominanter Ziele betrachtet.25 Ferner sollen Krisen
als Prozesse verstanden werden, die sich von potentiellen Krisen zu akuten, nicht
beherrschbaren Krisen steigern können.26 Durch ihren Verlauf, in dessen Folge die
Gefährdung eines Unternehmens immer stärker zunimmt und die Handlungsmög-
lichkeiten im gleichen Maße abnehmen, kommt der Vermeidung von Krisen und
der Betrachtung der frühen Krisenphasen besondere Bedeutung zu.27 Die
Beschaffung sieht KRYSTEK hierbei als einen hochrangigen, potentiellen Gefähr-
dungsbereich für Unternehmenskrisen.28
Die Überprüfung der Prämissen der Unternehmensplanung und in ihrem Rahmen
besonders die Überprüfung der strategischen Planung als Ansatz zur Vermeidung
von Unternehmenskrisen,29 sieht KRYSTEK als Grundlage für daran anschließende
Absicherungen gegen Krisen. Auch WILDEN führt an, dass bereits aus der Unter-
nehmensplanung große Gefahren für Unternehmenskrisen resultieren und stellt die
Analyse der Unternehmensstrategie zur Krisenfrüherkennung neben die Analyse
des wirtschaftlichen Umfeldes und der Managementqualifikationen.30 SIEGLER
kommt in Bezug auf Krisen im Beschaffungsmanagement auf drei Problemfelder.
Diese sind Mängel beim Personal, beim Management und bei der Führung. Als
Mängel des Managements und der Führung nennt SIEGLER explizit mangelnde
Zielvorgaben, mangelnde Umsetzung bestehender Möglichkeiten und mangelnde
Kontrolle von Maßnahmen.31 Diese Problemfelder entsprechen in dieser Reihen-
folge wiederum der Konzeption des strategischen Managements.32
22 Vgl. BURMANN (2003), S. 903. Zu einer vertiefenden Erläuterung des Zusammenhangs von
Wettbewerbsvorteilen und Ressourcen vgl. z.B. RASCHE / WOLFRUM (1994). 23 Vgl. MEFFERT (2003). MEFFERT bezeichnet Marken als zentrale strategische Entscheidungspa-
rameter der Unternehmensführung (vgl. ebd., S. 777). 24 Vgl. hierzu KRYSTEK (1987), S. 8 f. 25 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 6 f. und WILDEN (1998), S. 1. SCHREYÖGG (2004) spricht in diesem
Zusammenhang von gewünschten Zuständen und führt als Beispiele Liquidität, Umsatz und Rohstoffversorgung an (vgl. ebd., S. 14). Ausführlicher erläutert werden die Begriffe Krise und Krisenmanagement in Kapitel 2.1.
26 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 29-32. Zu einer ausführlichen Darstellung von Phasenmodellen vgl. KRYSTEK (1987), S.10-29.
27 Vgl. PROBST / RAISCH (2004), S. 44; SCHREYÖGG (2004), S. 27 und HAUSCHILDT (2003), S. 62. 28 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 122 f. Siehe auch SIEGLER (1998), S. 176. 29 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 124. 30 Vgl. WILDEN (1998), S. 20-22. 31 Vgl. SIEGLER (1998), S. 176. 32 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 94-97.
10
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Somit lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Strategien als Plan zur
Erreichung der Unternehmensziele bereits potentiell Krisen als Gefährdung der
Zielerreichung enthalten und der erste Ansatzpunkt eines Krisenmanagements
sein sollten. Die Gefahren für das Unternehmen, die in der Beschaffung verursacht
werden, liegen hierbei wie ausgeführt auf ökonomischer, aber auch auf öko-
logischer und sozialer Ebene.
Mit dem Konzept der Nachhaltigen Entwicklung existiert in der Management-
forschung ein Ansatz, der die ökonomischen, ökologischen und sozialen
Dimensionen der Unternehmens-Umwelt-Beziehungen umfasst.33 Nachhaltigkeit
ist ursprünglich ein Begriff, der aus der Forstwirtschaft stammt und bedeutet, dass
langfristig nur soviel Holz geschlagen werden kann, wie im gleichen Zeitraum
nachwächst. Diese Grundregel wurde als zukunftsfähiges Wirtschaften auf andere
nachwachsende Ressourcen übertragen.34 In den 1980er Jahren wurde der
Begriff der Nachhaltigen Entwicklung geprägt, der als inter- und intragenerative
Gerechtigkeit definiert wurde.35 Damit umfasst er zusätzlich zur ökologischen und
ökonomischen eine soziale Dimension und ist umfangreicher als der Begriff Nach-
haltigkeit.36 Der im Weiteren verwendete Begriff des Nachhaltigen Managements
meint Managementfunktionen zur Erreichung einer Nachhaltigen Entwicklung.
Darüber wie diese erreicht werden kann, existieren in der Betriebswirtschaft ver-
schiedene Auffassungen.37 Eine Nachhaltige Entwicklung wird entweder als
gesellschaftliches Problem aufgefasst, dass durch Politik, Gesetze und öffent-
lichen Druck an die Unternehmen weitergegeben wird38 oder als rationales
Konzept, das im eigenen Interesse der Unternehmen liegt.39 Im ersten Fall bietet
Nachhaltiges Management die Möglichkeiten eines aktiven oder eines passiven
Vorgehens. Unternehmen können gesetzliche Auflagen zu sozialen und öko-
logischen Standards erfüllen oder aktiv eigene Standards zur Realisierung von
Wettbewerbsvorteilen durch nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien
erzielen.40 Im zweiten Fall wird Nachhaltiges Management als rational definiert.
Diese Rationalität entsteht durch absolut knappe Ressourcen und zwingt Unter-
nehmen zu Substanzerhaltung, um überleben zu können.41 In diesem Verständnis
werden Vertrauen oder Legitimation als immaterielle soziale Ressourcen auf-
gefasst, die für Unternehmen absolut knapp sind.42 In beiden Fällen können aus
dem jeweiligen Nachhaltigkeitsverständnis Anknüpfungspunkte für Strategien zur 33 Vgl. z.B. HÜLSMANN (2004), S. 51. 34 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 39 f. und PITTEL (2004), S. 537. 35 Vgl. WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT (1987). Initiiert wurde diese Kom-
mission 1980 auf der Konferenz der INTERNATIONAL UNION FOR THE CONSERVATION OF NATURE AND NATURAL RESOURCES.
36 Vgl. PITTEL (2004), S. 537 und SCHMID (1999), S. 285 f. 37 Zu einer ausführlicheren Darstellung vgl. MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN (2003), S. 266 f. 38 Vgl. DYLLICK / BELZ / SCHNEIDEWIND (1997), S. 7. Diese Arbeit bezieht sich ausschließlich auf
den Bereich Ökologie. DYLLICK (2004) hat diesen Ansatz aber auf Nachhaltigkeit übertragen (vgl. ebd.).
39 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003a), S. 69. 40 Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1993) und DYLLICK / BELZ / SCHNEIDEWIND (1997) 41 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003a).
42 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2004), S. 20 f.
11
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Absicherung gegen Unternehmensrisiken43 oder Sicherung der Überlebens-
fähigkeit44 entwickelt werden.45
Somit stellt sich die Frage, die im Folgenden untersucht werden soll: Kann Nach-
haltiges Management im Bereich der Beschaffung die Gefährdung durch Unter-
nehmenskrisen reduzieren? Hierbei wird unterstellt, dass sich die Bedeutung der
Beschaffung für Unternehmen gewandelt hat und sowohl zu einer Zunahme von
bestehenden Unternehmenskrisen, als auch zu neuen Formen von Unter-
nehmenskrisen geführt hat. Ersteres ist in der rein quantitativen Zunahme des
Beschaffungsvolumens und der Beschaffungstiefe zu sehen. Letzteres ist in der
veränderten Umwelt der Unternehmen begründet. Fehlverhalten von Unternehmen
können direkt zu Imageschäden und damit zu Umsatzeinbußen und in deren
Folge zu Ertrags- und Liquiditätsgefährdung führen. Vor diesem Hintergrund soll
die Überprüfung der strategischen Planung, als Ansatz zur Vermeidung von
Unternehmenskrisen, betrachtet und der mögliche Beitrag des Nachhaltigen
Managements als Konzept zur Vermeidung von Unternehmenskrisen untersucht
werden.
1.2 Vorgehen und Gliederung
Darstellung 1-3 zeigt die Gliederungsstruktur der vorliegenden Arbeit und
die kausalen Zusammenhänge zwischen den Inhalten der Kapitel.
Darstellung 1-2: Gliederungsstruktur
EinleitungKrisen und
strategische Beschaffung
Theoretische Erkenntnisse
Nachhaltiges Beschaffungs-
management
Abschließende Betrachtung
Problemzuschnitt und Zielsetzung
Vorgehen und Gliederung
Funktionen der Beschaffung
Ziele der Beschaffung
Konzepte der strategischen Beschaffung
Kriterien Beschaf-fungsrelevanz
Beschaffungsrelevante Organisationstheorien
Betrachtungen in der Beschaffungsliteratur
Erkenntnisse weiterer Organisationstheorien
Krisenpotentiale bestehender Beschaffungsstrategien
Auffassungen von Nachhaltigkeit
Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Fazit
Ausblick
Beitrag zur Vermeidung von Krisen in der Beschaffung
Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5
Krisen-management
Krisen-management in der strategischen Beschaffung
Quelle: Eigene Darstellung
43 Vgl. DYLLICK (2004), S. 96 f. 44 MÜLLER-CHRIST (2003b), S. 121. 45 Zu Anknüpfungspunkten zwischen strategischem Management und Nachhaltigkeit vgl.
HÜLSMANN (2004).
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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Entsprechend der dargelegten Problemstellung wird nach der Einführung (1. Kapi-
tel) die strategische Beschaffung als Ansatzpunkt zur Vermeidung von Unter-
nehmenskrisen behandelt (2. Kapitel). Hierzu wird näher auf das Konzept des
Krisenmanagements und die strategische Beschaffung eingegangen. Ent-
sprechend dem Vorgehen präskriptiver strategischer Managementansätze werden
zunächst die Ziele der Beschaffung dargestellt. Hierbei werden Beschaffungs-
strategien als funktionale Strategien mit Bezug zur Unternehmensstrategie
betrachtet.46 Präskriptiv sind solche Ansätze, die verbindliche Handlungs-
empfehlungen zur Entwicklung und Implementierung von Strategien geben,
wohingegen deskriptive Ansätze entwickelte und implementierte Strategien unter-
suchen und beschreiben.47 Deskriptive Modelle sind somit lediglich beschreibend
und erklärend und obwohl sie aufgezeigt haben, dass Strategieentwicklung in der
Praxis nicht den rationalen präskriptiven Modellen entspricht,48 sind präskriptive
Ansätze besser geeignet den strategischen Planungsprozess zu systematisieren49
und werden daher hier als Systematisierung verwendet.
Schließlich werden Konzepte der strategischen Beschaffung vorgestellt, Strategien
für eine weitere Betrachtung ausgewählt und die Krisenpotenziale in der
Beschaffung identifiziert.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich hierbei auf die Funktion der Beschaffung in
Unternehmen und abstrahiert von Fragen, die Beschaffung als Institution betreffen.
Dies geschieht, da die veränderte Bedeutung der Funktion Beschaffung der
Ausgangspunkt der hier behandelten Fragestellung ist und eine zusätzliche
Berücksichtigung der Beschaffung als Institution diese Arbeit zu umfangreich
gestallten würde.
Da Theorien die Grundlage für den strategischen Planungsprozess bilden, wird im
3. Kapitel auf Organisationstheorien eingegangen. Theorien sichern ein systemati-
sches Vorgehen und Nachvollziehbarkeit.50 Sie beinhalten empirisch als hin-
reichend bestätigt erachtete Erklärungsmodelle und können somit vom Einzelfall
abstrahieren.51 Eine einheitliche Theorie für die strategische Unternehmensführung
ist jedoch nicht gegeben. Es existiert vielmehr eine Vielzahl an Theorien,52 so dass
zunächst Bewertungskriterien für die Relevanz einzelner Organisationstheorien im
Hinblick auf die betrachtete Unternehmensfunktion Beschaffung gebildet und
daran anschließend die beschaffungsrelevanten Theorien ermittelt werden.
46 Siehe Darstellung 1-1. 47 Vgl. JAHNS (2001), S. 593. 48 Vgl. hierzu z.B. MINZBERG (1988). 49 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 95 und BEA / HAAS (2001), S. 52 f. Die gleichzeitige Berück-
sichtigung von Präskription und Deskription hat zu einer Weiterführung des strategischen Ma-nagements hin zu einer prozessualen Betrachtung geführt (vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 387-390). Zu einer ausführlicheren kritischen Darstellung präskriptiver und deskriptiver Ansätze vgl. JAHNS (2001).
50 Vgl. SCHERER (2002), S. 2. 51 Vgl. HILL / FEHLBAUM / ULRICH (1994), S. 44.
52 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 95 und BEA / GÖBEL (2002), S. 36.
13
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Für die Bewertung der Organisationstheorien wird in Anlehnung an WOLF eine
Bewertung anhand von Bewertungskriterien durchgeführt.53 Als Bewertungs-
kriterien dienen die charakteristischen Merkmale der Funktion Beschaffung, die in
Abgrenzung von anderen Unternehmens-funktionen im 2. Kapitel erarbeitet
wurden. Im Anschluss hieran werden organisationstheoretische Erkenntnisse aus
der Beschaffungsliteratur dargestellt und zusätzlich Erkenntnisse weiterer als
relevant eingestuften Organisationstheorien herausgearbeitet. Hierauf aufbauend
werden schließlich die gewählten Normstrategien, im Hinblick auf die identifizier-
ten Krisenpotenziale mittels der betrachteten Theorien kritisch reflektiert. Die
Untersuchung der Strategien auf Potenziale für Unternehmenskrisen stellt die
Grundlage für eine mögliche Absicherung gegen diese dar.54 Ausgehend von der
veränderten Gefährdungssituation der Unternehmen, bedingt durch die zu-
nehmende Verlagerung der Wertschöpfung auf Zulieferer,55 steht im 3. Kapitel die
Frage nach den Gefährdungspotenzialen für die Unternehmen im Vordergrund, die
sich aus den einzelnen Beschaffungsstrategien ergeben können.
Abschließend wird im 4. Kapitel untersucht, ob Nachhaltiges Management in der
Beschaffung einen Beitrag zur Vermeidung von Unternehmenskrisen leisten kann.
Es soll vor allem überprüft werden, ob Nachhaltigkeit Impulse und Bezugspunkte
zur Weiterentwicklung des strategischen Beschaffungsmanagements liefern kann.
Hierzu werden ausgehend von den verschiedenen Auffassungen von Nachhaltig-
keit die Konsequenzen nachhaltigkeitsorientierter Handlungsempfehlungen für die
Beschaffung betrachtet und herausgestellt, ob und gegebenenfalls welchen
Beitrag Nachhaltiges Management zur Vermeidung in der Beschaffung ver-
ursachter Unternehmenskrisen leisten kann.
53 Vgl. WOLF (2003), S. 441-445. 54 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 126. Zu Möglichkeiten und Vorgehen bei der Absicherung von Unter-
nehmenskrisen vgl. auch MELZER-RIDINGER (2000). 55 Siehe Kapitel 1.1 Problemzuschnitt und Zielsetzung.
14
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
2. Krisenmanagement und strategische
Beschaffung
Das zweite Kapitel betrachtet Krisen in der Beschaffung. Da zum Umfang
und der Bedeutung der Begriffe Krise, Krisenmanagement und Beschaffung keine
einheitlichen Auffassungen existieren, werden zunächst Krise und Krisen-
management, sowie die Funktion der Beschaffung in Unternehmen dargestellt und
abgegrenzt. Danach wird erst ein Überblick über Ziele in der Beschaffung
gegeben und darauf aufbauend Strategien in der Beschaffung abgeleitet und
systematisiert, um später die Überprüfung der strategischen Planung als Ansatz
zur Vermeidung von Unternehmenskrisen durchführen zu können.56 Aus den
Funktionen der Beschaffung werden abschließend die möglichen Krisenursachen
in der Beschaffung abgeleitet.
2.1 Strategische Planung als Krisenmanagement
Der Begriff der Unternehmenskrise ist schwierig zu fassen, da verschiedene
Autoren der Auffassung sind, dass es kein einheitliches Kriteriensystem für eine
Unternehmenskrise gibt, aus dem man ableiten könnte, wann eine Krisensituation
vorliegt.57 KRYSTEK und SCHREYÖGG haben jeweils aus einer Vielzahl von Krisen-
definitionen der betriebswirtschaftlichen Literatur Kernelemente des Krisenbegriffs
erarbeitet. Beide beschreiben in diesem Zusammenhang eine Unternehmenskrise
als unerwartet und ungeplant bzw. ungewollt.58 Darüber hinaus ist eine Unterneh-
menskrise ein sich entwickelnder Prozess mit begrenzter Dauer,59 der die Ziele
bzw. erwünschten Zustände des betroffenen Unternehmens und letztlich seine
Existenz gefährdet.60 KRYSTEK und SCHREYÖGG kommen auch darin zu einem ein-
heitlichen Ergebnis, dass Krisen eine Eigendynamik aufweisen. Sie sind zwar
beeinflussbar, das Ergebnis der Beeinflussung ist jedoch nicht vorherzusagen61
und entgleitet mit Fortschreiten der Krise der organisatorischen Kontrolle.62 Explizit
nennt SCHREYÖGG außerdem Zeitdruck als Kernelement von Unternehmenskrisen,
der, wie auch KRYSTEK einräumt, als Krisenmerkmal weit verbreitet ist. Für
KRYSTEK ist dieser jedoch stark vom Stadium der Unternehmenskrise abhängig
56 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 124 und STAEHLE (1993), Sp. 2458. 57 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 13 f. 58 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und KRYSTEK (1987), S. 6 f. Siehe auch STAEHLE (1993),
Sp. 2452. 59 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und S. 21, sowie KRYSTEK (1987), S. 6 f. 60 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und KRYSTEK (1987), S. 6 f. Siehe auch STAEHLE (1993),
Sp. 2452. 61 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 6.
62 Vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 21.
15
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
und daher kein allgemeines Krisenmerkmal.63 KRYSTEK wiederum nennt explizit die
Ambivalenz des Krisenausgangs als Krisenmerkmal,64 was bei SCHREYÖGG nur
impliziert ist. SCHREYÖGG betont darüber hinaus die Ambiguität von Krisen, d.h.,
dass sie in ihrer Kausalität von den Betroffenen nur sehr begrenzt verstanden
werden.65
Da die beiden Autoren in ihrer Beschreibung der Kernelemente von Unterneh-
menskrisen stark übereinstimmen und beide Beschreibungen auf einer Vielzahl
von Krisendefinitionen basieren, werden Unternehmenskrisen in Anlehnung hieran
im Weiteren als ungewollte und unerwartete Entwicklungen betrachtet, die als
Gefährdung von Unternehmenszielen und damit im Extremfall als Gefährdung der
Unternehmensexistenz in Erscheinung treten. Krisen sollen weiter als zeitlich
begrenzt und als mit einem prozesshaften, sich steigernden Charakter ausgestat-
tet, verstanden werden.
Krisenmanagement kann als Management der Vermeidung oder Bewältigung von
Krisen verstanden werden.66 Damit lässt es sich in zwei große Gruppen von
Ansätzen untergliedern, die der Krisenvermeidung und die der Krisenbewältigung.
Analog zum Verständnis des Managementbegriffs67 kann zwischen Management
als Institution und Management als Funktion unterschieden werden.68 Mögliche
Institutionen des Krisenmanagements können die Führungskräfte, der Vorstand
oder die Aufsichtsgremien eines Unternehmens sein, aber auch externe Berater,
Vergleichs- bzw. Konkursverwalter oder eine Kombination hieraus. Faktisch ist die
Person oder Personengruppe Krisenmanager, die Maßnahmen zur Vermeidung
oder Bewältigung von Krisen durchführt.69 Die vorliegende Arbeit betrachtet die
Funktion der Beschaffung in Unternehmen, so dass die institutionelle Betrachtung
des Krisenmanagements in dem hier angestrebten Bezug keine weitere Relevanz
hat.70
Die Funktion des Krisenmanagements umfasst den Managementregelkreis von
Planung, Durchführung, Organisation und Kontrolle von Prozessen71 sowie die
Werkzeuge ihrer Beeinflussung.72 Eine Besonderheit des Krisenmanagements ist
das Erkennen von Unternehmenskrisen. Da Krisensituationen einerseits zeitlich
begrenzt sind und damit nicht permanent vorliegen und andererseits durch ihren
sich steigernden, prozesshaften Verlauf die Bewältigungschance einer Krise steigt,
je eher sie erkannt wird, kommt der Krisenfrüherkennung eine besondere Bedeu-
tung zu.73 Unternehmenskrisen führen, wenn sie nicht bewältigt werden können,
63 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und KRYSTEK (1987), S. 6. 64 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 6. 65 Vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 14. 66 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 90; SCHREYÖGG (2004), S. 13; HAUSCHILDT (2003), S. 65 und STAEHLE
(1993), Sp. 2456. 67 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 91. 68 Zum Verständnis von Management vgl. z.B. STAEHLE (1999), S. 71. 69 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 97-105. 70 Siehe Kapitel 1.2. 71 Zum Managementprozess bzw. Regelkreis vgl. z.B. STAEHLE (1999), S. 81 f. 72 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 91-97 und STAEHLE (1993), Sp. 2456. 73 Vgl. PROBST / RAISCH (2004), S. 44; SCHREYÖGG (2004), S. 27 und HAUSCHILDT (2003), S. 62.
16
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
meist zu Liquiditätsproblemen, Insolvenz und letztlich zum Konkurs.74 Die
Bewältigung von Unternehmenskrisen erfordert Sanierungs- bzw. Restrukturie-
rungsmaßnahmen75 und die Grundlage der Sanierung bzw. Restrukturierung liegt
in der Bewältigung der Krisenursachen.76 Somit ist Betrachtung der Krisen-
ursachen in der Beschaffung auch die Grundlage für die Bewältigung der in der
Beschaffung verursachten Unternehmenskrisen. Grundsätzlich kann, bezogen auf
Krisenmanagement als Bewältigung von Unternehmenskrisen, die Beschaffung,
als für einen großen Kostenbereich verantwortliche Abteilung, zur Bewältigung
bestehender Unternehmenskrisen meist eine Reduzierung der Kosten beitragen.77
Konkrete Krisenbewältigungsmaßnahmen, wie Verhandlungen mit Lieferanten zur
Ausweitung der Kreditlinien oder die Mitwirkung in unternehmensübergreifenden
Restrukturierungsmaßnahmen, wie z.B. der Verringerung der Fertigungstiefe, wer-
den im Folgenden nicht betrachtet, da sie in einen größeren, das gesamte Unter-
nehmen betreffenden Kontext gehören.78
Es bleiben somit die Fragen, welche Krisen durch die Beschaffung entstehen und
wie diese vermieden werden können. Damit liegt der Fokus in der hier vorliegen-
den Arbeit auf einem aktiven, antizipativen und präventiven Krisenmanagement im
Bereich der Beschaffung. Dies hat zum Ziel, Ursachen von Krisen gedanklich vor-
wegzunehmen, alternative Planungen für Krisensituationen zu bilden und Krisen
früh zu erkennen bzw. möglichst zu vermeiden.79 Hierzu ist eine Betrachtung der
Ursachen von Unternehmenskrisen notwendig.80 Ein Beitrag der Beschaffung zur
Bewältigung von Unternehmenskrisen wird somit nur insofern thematisiert, wie die
Untersuchung der Krisenursachen die Grundlage für ihre Bewältigung darstellt.
Die Ursachen für Unternehmenskrisen können in endogene, vom jeweiligen Unter-
nehmen erzeugte, und exogene, in der Umwelt des Unternehmens liegende
Ursachen, unterteilt werden.81 Die Erforschung von Krisenursachen hat heraus-
gearbeitet, dass es eine Vielzahl möglicher exogener und endogener Krisenursa-
chen gibt82 und dass diese in allen Unternehmensbereichen verursacht werden
können.83 Um im Speziellen die möglichen Krisenursachen in der Beschaffung
betrachten zu können, wird zunächst der Bereich der Beschaffung abgegrenzt,
um am Ende dieses Kapitels das Krisenpotenzial in der Beschaffung aufzuzeigen.
74 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 29-32 und HAUSCHILDT (2003), S. 65. 75 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 213 und SIEGLER (1998), S. 176. 76 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 22. 77 Vgl. SIEGLER (1998), S. 176. 78 Vgl. hierzu beispielhaft SIEGLER (1998). 79 Die Begriffe antizipatives bzw. präventives Krisenmanagement werden in Anlehnung an
KRYSTEK verwendet. Antizipatives Krisenmanagement meint die gedankliche Vorwegnahme und die Entwicklung von Alternativplänen für potenzielle Unternehmenskrisen. Unter präventi-vem Krisenmanagement wird die Früherkennung verdeckter, bereits vorhandener Unterneh-menskrisen und deren Vermeidung verstanden. HAUSCHILDT nennt dies: vorausschauendes und prophylaktisches Krisenmanagement. Vgl. KRYSTEK (1987), S. 105-107 und HAUSCHILDT (2003), S. 65.
80 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 32 f. 81 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 68-72; WILDEN (1998), S. 2 und KRAUS / GLESS (1998),
S. 98. 82 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 67 f.
83 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 22.
17
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
2.2 Funktionen der Beschaffung
Der Begriff Beschaffung wird synonym für die Funktion der Beschaffung
und die entsprechenden Institutionen im Unternehmen verwendet. Im Folgenden
werden jedoch keine Fragestellungen der Organisation von Beschaffung betrach-
tet, so dass von Beschaffung als einer Unternehmensfunktion die Rede ist.
Bei der Definition des Begriffs Beschaffung kann eine Differenzierung in ver-
schiedenen Dimensionen vorgenommen werden. Zum einen unterscheiden sich
die Auffassungen von Beschaffung in ihrem Objektumfang, zum anderen in ihrem
Tätigkeitsumfang.84
Die Differenzierung nach Objektumfang zielt darauf ab, welche der von Unterneh-
men benötigten Objekte in den Aufgabenbereich der Beschaffung fallen sollen.
Grundsätzlich benötigen Unternehmen aus ihrer Umwelt Produktionsgüter, Investi-
tionsgüter, Rechte, Dienstleistungen, Arbeitskräfte, Informationen und Kapital.85
Für die Entscheidung in welchem Umfang diese Objekte Aufgabe der Beschaffung
sein sollen, werden in der Literatur zwei gegensätzliche Argumente vertreten. Auf
der einen Seite wird angeführt, dass zwischen den einzelnen Objekten Interaktio-
nen bestehen. Werden z.B. Maschinen beschafft, die Arbeitskräfte substituieren,
so hat diese Entscheidung Einfluss auf Personal und Investitionsgüter.86 Daher
wird von Vertretern dieser Meinung gefordert, alle von Unternehmen eingesetzten
Faktoren in den Verantwortungsbereich der Beschaffung zu legen.87 Auf der ande-
ren Seite wird angeführt, dass die einzelnen Objekte jeweils eine hohe Spezifität
aufweisen und somit von spezialisierten Bereichen betreut werden sollten, wie z.B.
dem Finanzwesen für die Kapitalbeschaffung.88 Es wird hierbei auch von Beschaf-
fung in der engeren und Beschaffung in der weiteren Begriffsfassung
gesprochen.89 Beschaffung im engeren Sinn umfasst lediglich Produktionsgüter,
d.h. Roh-, Halb- und Fertigerzeugnisse, die direkt in die Produktionserzeugnisse
eingehen oder Hilfs- und Betriebsstoffe, die von der Produktion verbraucht wer-
den.90 Beschaffung im weiteren Sinn umfasst zusätzlich Investitionsgüter, Dienst-
leistungen, Kapital, Arbeitskräfte, Informationen und Rechte.91
In der Literatur und der betrieblichen Praxis überwiegt die Begrenzung der
Beschaffung auf Produktionsgüter und teilweise zusätzlich auf Investitionsgüter,
Dienstleistungen, Informationen und Rechte, nicht jedoch auf Personal und
Kapital.92
84 Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263. 85 Vgl. ARNOLD (1997), S. 3; GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263 und KOPPELMANN (2000),
S. 1-3. 86 Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263. 87 Diese Auffassung vertritt vor allem GROCHLA. Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976); GROCHLA (1977)
und GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980). 88 Vgl. ARNOLD (1997), S. 5; BOGASCHEWSKY (2004), S. 48 und KOPPELMANN (2000), S. 1-3. 89 Vgl. MIKUS (1997), S. 64. 90 Zur Definition von Produktionsgütern vgl. ARNOLD (1997), S. 3 f. 91 Zur Beschaffung im engeren bzw. weiteren Sinn vgl. MIKUS (1997), S. 64. 92 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 64; ARNOLD (1997), S. 5; KOPPELMANN (2000), S. 3-5 und
HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 7. Siehe auch die Definitionen in Darstellung 2-3.
18
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Die zweite wichtige Differenzierung des Begriffs Beschaffung wird am Tätigkeits-
umfang vorgenommen.93 In diesem Zusammenhang ist es für das Verständnis
sinnvoll die Begriffe Materialwirtschaft, Logistik, Supply-Chain-Management,
Einkauf und Beschaffung gegeneinander abzugrenzen, da Überschneidungen
zwischen diesen Begriffen existieren.94 Darstellung 2-1 visualisiert die folgende
Begriffsabgrenzung.
Darstellung 2-1: Beschaffung als Funktion im Leistungsprozess
AbsatzmarktBeschaffungsmarktVersorgung
Leistungs-erstellung AbsatzLieferanten Kunden
strategisch: Beschaffung
operativ:Einkauf
Logistik
Supply Chain Management
Leistungsprozess
Material Informationen
interne Funktion
externe Funktion
Materialwirtschaft
Quelle: Eigene Darstellung
Neben anderen Unternehmensfunktionen wie z.B. Finanzwirtschaft oder
Personalwirtschaft, lässt sich der Leistungsprozess eines Unternehmens in die drei
Grundfunktionen Versorgung, Leistungserstellung und Absatz einteilen.95 Im
Zentrum der Unternehmenstätigkeit steht der Prozess der Leistungserstellung,
dem die Versorgung vorgelagert ist.96 Die Versorgung ist eine Schnittstelle
zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt. Sie hat eine interne auf das Unter-
nehmen gerichtete und eine externe auf die Beschaffungsmärkte und Lieferanten
gerichtete Funktion.97
Zur Unterscheidung zwischen Einkauf und Beschaffung wird letzteres als über-
geordnete Aufgabe verstanden, die auch strategische Entscheidungen zur Er-
füllung der Versorgungsfunktion umfasst. Ersteres hingegen ist der operative Teil
der Beschaffung, der nur die Ausführung getroffener Beschaffungsentscheidungen
beinhaltet.98 Er ist gekennzeichnet durch kurzfristige, leicht korrigierbare, schnell
wirksame Routineentscheidungen.99
93 Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263 und MIKUS (1997), S. 64. 94 Die Notwendigkeit einer solchen Begriffsabgrenzung zeigt sich auch an ähnlichen Abgrenzun-
gen bei ARNOLD (1997), S. 1-10; KOPPELMANN (2000), S. 1-5; KAUFMANN (1999), S. 6-10; ARNOLD / EßIG (2000), S. 122 f. und SEURING / MÜLLER (2004), S. 120-124.
95 Vgl. z.B. BEA / HAAS (2001), S. 182 und KISTNER / STEVEN (1999), S. 18-22. 96 Vgl. z.B. BEA / HAAS (2001), S. 507 und KISTNER / STEVEN (1999), S. 18 f. 97 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 101. 98 KAUFMANN (1999), S. 6-10 und ARNOLD / EßIG (2000), S. 122.
99 Vgl. EßIG / WAGNER (2003), S. 281.
19
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Zwischen Beschaffung, Logistik, Supply-Chain-Management und Material-
wirtschaft besteht eine enge Verflechtung.100 Die Begriffe überschneiden sich und
werden unterschiedlich voneinander abgegrenzt. Logistik wird definiert, als die
Gestaltung des Material- und Informationsflusses in Unternehmen und zwischen
Unternehmen und dessen Lieferanten bzw. Kunden.101 Logistik ist damit die fluss-
orientierte Gestaltung des Leistungssystems von Unternehmen102 zur Über-
brückung von Raum und Zeit sowie zur Ordnung der Güterflüsse.103
Supply-Chain-Management ist eine Verlängerung des Logistikbegriffs, der
Material- und Informationsflüsse ganzheitlich betrachtet, also eine Vielzahl von
Stufen bzw. die komplette Wertschöpfungskette in allen dazugehörenden
Institutionen umfasst.104
PFOHL definiert Materialwirtschaft als Oberbegriff für die Aufgaben der Versorgung.
Beschaffung ist dann der Teil der Materialwirtschaft, der die rechtliche Verfügbar-
keit sicherstellt, d.h. Lieferkapazitäten von Lieferanten erschließt und pflegt.
Logistik wiederum nutzt diese von der Beschaffung erworbenen Lieferkapazitäten
und erzeugt Güter und Informationsflüsse zur Bereitstellung der benötigten
Objekte.105 Diese Sicht entspricht auch der Auffassung von FIETEN, der Be-
schaffung, Bevorratung, Bereitstellung und, mit Einschränkung, Recycling und
Entsorgung als Verrichtungen der Materialwirtschaft zusammenfasst.106
Entsprechend der oben dargelegten Unterscheidung der Beschaffung nach Ob-
jektumfang kann man, bei einer Auffassung der Beschaffung im weiteren Sinne,
diese nicht als Teil der Materialwirtschaft definieren, so dass TEMPELMEIER zu einer
genau gegenteiligen Definition von Beschaffung und Materialwirtschaft kommt. Da
Beschaffung im weiteren Sinne auch z.B. Personal und Kapital beinhaltet, ist
Materialwirtschaft der Teil der Beschaffung, der Produktionsgüter betrifft. Dieser
Unterschied ist jedoch nur oberflächlich, da auch bei dieser Definition die
Materialwirtschaft die Gestaltung der logistischen Aktivitäten und der vertrags-
mäßigen Beziehungen zu Lieferanten bzw. den Einkauf umfasst.107 Dies entspricht
der oben angeführten Definition von Materialwirtschaft und Beschaffung nach
PHOHL und FIETEN, so dass der definitorische Unterschied nur begrifflich existiert.
Nach der begrifflichen Abgrenzung von ARNOLD ist Materialwirtschaft objekt-
bezogen und versucht ein materialwirtschaftliches Optimum zu erreichen.
Beschaffung hingegen betrachte die gleichen Aufgaben eher funktions- und
marktbezogen und ziele auf das Erlangen von Eigentums- und Verfügungsrechten
an den Beschaffungsobjekten ab.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Materialwirtschaft, Logistik, Supply-
Chain-Management und Beschaffung, wie Darstellung 2-2 verdeutlicht, unter-
100 Vgl. ARNOLD (1997), S. 8. 101 Vgl. ARNOLD (1997), S. 6. 102 Vgl. WEBER (1994), S. 21. 103 Vgl. IDHE (1997a), S. 549. 104 Vgl. IHDE (1997b), S. 1046. 105 Vgl. PFOHL (1996), S. 174 f. 106 Vgl. FIETEN (1997), S. 707. 107 Vgl. TEMPELMEIER (1993), Sp. 312 f.
20
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
schiedliche Sichtweisen der Versorgungsfunktion von Unternehmen darstellen.108
Logistik und Supply-Chain-Management sind hierbei eher auf den Material- und
Informationsfluss gerichtet. Materialwirtschaft ist die objektbezogene Betrachtung
der Versorgung, die als ganzheitliche Betrachtung versucht, ein wirtschaftliches
Optimum der Materialien zu erreichen.
Darstellung 2-2: Die Versorgungsfunktion in Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung
Schließlich kann Beschaffung, in Abgrenzung von den übrigen Begriffen, als Teil
der Versorgungsfunktion definiert werden, der auf die Erlangung der Verfügungs-
gewalt über zur Versorgung benötigte Objekte abzielt, sich hierzu sowohl am
Markt als auch am Unternehmen orientiert und eine Vielzahl an Objekten beinhal-
tet. Die Versorgungsfunktion betrifft die Sicherung der Verfügbarkeit der benötig-
ten Einsatzfaktoren im Leistungserstellungsprozess des Unternehmens. Die Funk-
tion der Beschaffung beinhaltet in diesem Zusammenhang alle notwendigen
Tätigkeiten zur Erlangung der Verfügungsgewalt über Versorgungsobjekte, wie
z.B. Lieferantenauswahl, Vertragsgestaltung, sowie Disposition und Bereitstellung
der Objekte in dem Maße wie hierfür Kontakt und Kommunikation mit Lieferanten
notwendig sind.
Bei der Differenzierung nach Objektumfang wird das Verständnis der oben darge-
stellten Beschaffung im engeren Sinne verwendet und ausgeweitet auf
Investitionsgüter, Dienstleistungen, Informationen und Rechte, nicht jedoch auf
Personal und Kapital.
Eine Übersicht über Definitionen von Beschaffung zeigt Darstellung 2-3.
108 Vgl. ARNOLD (1997), S. 8.
21
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Darstellung 2-3: Definitionen Beschaffung
Definition Beschaffung Autor „Beschaffung umfaßt somit sämtliche unternehmens- und/oder marktbezogene Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem Unter-nehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte ver-fügbar zu machen."
ARNOLD (1997), S. 3.
„Beschaffung (Procurement) kann als Oberbegriff für alle Tätigkeiten verstanden werden, die der Versorgung einer Organisation mit Materi-al, Dienstleistungen, Betriebs- und Arbeitsmitteln aus betriebsexternen Quellen (Güter- und Dienstleistungsmärkte) und teilweise auch mit Rechten und Informationen dienen." [Ausgenommen: Kapital und Mitarbeiter - Anm. d. Verf.]
BOGASCHEWSKY (2004), S. 48.
„Der Funktionsbereich Beschaffung umfaßt alle diejenigen Tätigkeiten, die auf die Bereitstellung (d. h. die Erlangung der Verfügungsgewalt und die nachfolgende innerbetriebliche Behandlung) der Produktions-faktoren Sachgüter und Dienstleistungen gerichtet ist.“
HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 8.
„Somit können wir Beschaffung als Teil der Unternehmensfremdver-sorgung verstehen. Sie konzentriert sich auf die Versorgung mit Sach-, Dienstleistungs-, Energieprodukten und Rechten. Ihre Hauptaufgabe liegt in der zielgerichteten Planung und Realisation von Vertragsab-schlüssen mit Lieferanten."
KOPPELMANN (2000), S. 5.
„[Beschaffung ist] eine der Grundfunktionen des Unternehmens. Ihre Aufgabe besteht darin, die wirtschaftliche Versorgung des Unterneh-mens mit den benötigten betrieblichen Produktionsfaktoren sicherzu-stellen, die nicht selbst erzeugt werden. Sie dient somit der Gestaltung der rechtlichen, materiellen, finanziellen, räumlichen, zeitlichen und informationellen Beziehung zwischen den externen Anbietern und den Bedarfsträgern im Unternehmen."
MIKUS (1997), S. 64.
Quelle: Eigene Darstellung
22
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
2.3 Ziele der Beschaffung
Die Ziele der Beschaffung sollen an dieser Stelle betrachtet werden, da sie
die Grundlage der Strategiebildung sind.109
Ziele geben die Möglichkeit sich in Handlungs- und Entscheidungssituationen zu
orientieren, zwischen Alternativen zu selektieren, Handlungen zu steuern und zu
bewerten.110 Darüber hinaus ermöglichen sie es die funktionalen Unternehmens-
bereiche untereinander und mit hierarchisch über- und untergeordneten Unter-
nehmenseinheiten in ihren Handlungen zu koordinieren.111
Wie bereits oben dargestellt wurde, ist die Beschaffung Teil der Grundfunktion der
Versorgung eines Unternehmens und leitet seine Ziele hierarchisch aus den über-
geordneten Zielen der Geschäftseinheiten eines Unternehmens bzw. den Unter-
nehmenszielen ab.112
Ziele und Strategien von Unternehmen werden nachstehend in die unterschied-
lichen Ebenen Gesamtunternehmen, Geschäftsbereiche und Funktionalbereiche
differenziert.113 Auf der Ebene des gesamten Unternehmens werden hierbei Ent-
scheidungen über die generelle Stoßrichtung von Unternehmen getroffen, d.h. ob
ein Unternehmen wachsen, konsolidieren oder desinvestieren soll und in welchen
Geschäftsfeldern hierzu agiert wird.114 Das oberste Ziel von Unternehmen ist die
Sicherung der langfristigen Überlebensfähigkeit. Diese drückt sich im Aufbau, der
Erhaltung und der Nutzung von Erfolgspotenzialen aus.115 Unter Erfolgspotenzialen
sind alle Ausprägungen eines Unternehmens zu verstehen, die Wettbewerbs-
vorteile erzeugen und damit die Existenz des Unternehmens sichern.116 In diesen
Bereich fallen auch Entscheidungen über Produkt- und Marktziele.
Auf der Ebene der Geschäftsfelder wird festgelegt, wie die Wettbewerbsvorteile
aus den Erfolgspotenzialen des Unternehmens erreicht werden117 oder anders
ausgedrückt, wie das Verhalten in einem der festgelegten Produkt-Markt-Bereiche
gestaltet werden soll.118
Hier wird in Anlehnung an BEA / HAAS, WELGE / AL-LAHAM und ARNOLD119 die Un-
terscheidung in generische Wettbewerbsstrategien nach PORTER verwendet.120 Die
grundlegenden Möglichkeiten sich Wettbewerbsvorteile zu erschließen, sind nach
PORTER Kostenführerschaft, Differenzierung oder das Besetzen von Nischen. Hier-
109 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 95 und BEA / HAAS (2001), S. 52 f. Siehe auch die Ausfüh-
rungen in Kapitel 1.2. 110 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 109 f. und BEA / HAAS (2001), S. 72 f. 111 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 109 f. und BEA / HAAS (2001), S. 72 f. 112 siehe Kapitel 1.1, insbesondere Darstellung 1-1. 113 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 324 und BEA / HAAS (2001), S. 163-165. 114 Vgl. BEA / HAAS (2001), S.165-176 und WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 324-326. 115 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 121. 116 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 121. 117 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 176 f. 118 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 377. 119 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 177; WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 377 f. und ARNOLD (1997),
S. 10-12.
120 Zu einer Übersicht anderer Geschäftsfeldstrategien vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 378.
23
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
aus ergeben sich grundsätzlich die möglichen Ziele der preisgünstigste Wettbe-
werber am Markt zu sein, sich über Qualitäten und Leistungen von Wettbewerbern
zu unterscheiden oder spezielle Bedürfnisse zu befriedigen, die andere Unterneh-
men nicht befriedigen können oder wollen.121
Da die Ziele der Beschaffung sich aus den übergeordneten Zielen des Unter-
nehmens und der Geschäftsbereiche ergeben, sind die Ziele der Beschaffung die
Versorgungssicherung, die Reduktion von Kosten und die Sicherung und Ver-
besserung von Qualität und Leistungen.122 Einige Autoren nennen zusätzlich das
Ziel der Unabhängigkeits- bzw. Autonomiesicherung und Flexibilität. Dies bezieht
sich zum einen auf die Unabhängigkeit von Lieferanten, womit die Möglichkeit
erhalten werden soll auf Änderungen am Markt, wie z.B. Preisschwankungen, zu
reagieren.123 Zum anderen ist ein Handlungsspielraum gemeint, der z.B. die
Anpassung von bestellten Mengen bei einem geänderten Bedarf erlaubt.124 Letzte-
res überschneidet sich mit dem Ziel der Versorgungssicherung, Ersteres mit dem
Ziel der Sicherung von möglichen Wettbewerbsvorteilen. Eine Übersicht der
Beschaffungsziele in der zitierten Literatur gibt Darstellung 2-4.125
Darstellung 2-4: Ziele in der Beschaffungsliteratur
WettbewerbsvorteileSicherung der Langfristigen Überlebensfähigkeit
VersorgungssicherungUnabhängigkeit / Kosten- Qualitäts- bzw. Sonstige
Leistungssteigerung reduktionFlexibilität Autor / Quelle
ARNOLD (1997), S.10-12. x x xBOGAS HEWSKY (2004a),CS. 50. x x x
GROCHLA / SCHÖNBOHM xx x x(1980), S. 32-37.HAMANN / LOHRBERG (1986),S. 47-49. x x x Firmenimage
KOPPELMANN 2000), (S. 106-124. xx x x Gemeinwohl
Ziele
Quelle: Eigene Darstellung
Die rechte Spalte der Tabelle zeigt besondere Ziele, die sich nicht einfach in die
Sicherung der Vorsorgung oder der Wettbewerbsvorteile einordnen lassen. So
nennt KOPPELMANN das Ziel des Gemeinwohls,126 bei HAMANN / LOHRBERG findet
sich eine Verbindung von Beschaffung und Firmenimage.127 Das gemeinwohl-
orientierte Beschaffungsziel leitet KOPPELMANN aus der Vermeidung eines un-
günstigen Images, z.B. als Tropenholzverarbeiter, das ökonomisch relevante
Auswirkungen auf den Absatz haben kann, ab.128 HAMANN / LOHRBERG führen als
Beschaffungsziel ein gutes Firmenimage an, da dies Einfluss auf die Be-
schaffungsmärkte haben kann. Ein schlechter Ruf bei Lieferanten, z.B. durch
121 Vgl. PORTER (1997), S. 62-77. 122 Vgl. ARNOLD (1997), S. 10-12; BOGASCHEWSKY (2004), S. 50; GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980),
S. 33-35; HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 48 f. und KOPPELMANN (2000), S. 115-119. 123 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 119 f. und GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 34 f. 124 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 119 f. 125 Zu einer weiterführenden Darstellung der Beschaffungsziele in der Literatur vgl. MEYER (1986). 126 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 120-122. 127 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 49. 128 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 120-122.
24
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Störungen in der Kommunikation eines Unternehmens mit seinen Lieferanten,
kann negative Auswirkungen auf die Umsetzung der Unternehmensziele haben, so
dass das Firmenimage neben den übrigen Zielen als Ziel der Beschaffung betrach-
tet wird.129
Wie oben bereits angeführt, haben Ziele unter anderem die Funktion die Hand-
lungen funktionaler Unternehmensbereiche untereinander und mit hierarchisch
über- und untergeordneten Unternehmenseinheiten in ihren Handlungen zu
koordinieren. Die dargestellten Ziele der Beschaffung sind unterschiedlich und
nicht immer zueinander kompatibel und verlangen daher einen Abstimmungs-
prozess, an dessen Ende ein Zielkompromiss steht. Dieser ergibt sich aus der
Abstimmung der Unternehmens- und Geschäftsbereichsziele mit der Situation und
voraussichtlichen Entwicklung der Beschaffungsmärkte. Dies entspricht der unter-
schiedlichen Betrachtung des Unternehmens in seinem Gesamtzusammenhang
auf der einen und der spezifischen Informationen des funktionalen Bereichs Be-
schaffung auf der anderen Seite.130 Schließlich ist es Aufgabe der Beschaffungs-
strategie, die Beschaffungsziele zu realisieren.131
2.4 Konzepte der strategischen Beschaffung
Strategien sind nach ihren Zielerträgen ausgewählte Handlungsalternativen.
Sie sollen die Lücke, die sich als Differenz zwischen den Zielen eines Unter-
nehmens und seinem Status-quo ergibt, schließen.132 Grundsätzlich hat die Be-
schaffung als Schnittstelle zwischen den Unternehmen und ihren Beschaffungs-
märkten die Möglichkeiten, entweder den jeweiligen Beschaffungsmarkt oder den
Prozess der Leistungserstellung im eigenen Unternehmen zu beeinflussen.133 Da
die Einflussnahme für beide Möglichkeiten aktiv und passiv sein kann, entstehen
vier beschaffungsstrategische Verhaltensweisen.134 Die Beschaffung kann sich
erstens passiv an die Gegebenheiten des Unternehmens und des Beschaffungs-
marktes anpassen. Zweitens und drittens kann sie sich entweder passiv an die
Gegebenheiten des Unternehmens anpassen und aktiv den Beschaffungsmarkt
beeinflussen oder umgekehrt. Schließlich kann sie viertens sowohl die Gegeben-
heiten des Unternehmens als auch des Beschaffungsmarktes aktiv beeinflus-
sen.135 Welche Verhaltensweise angebracht ist, kann durch eine Bewertung der
möglichen Handlungsalternativen und der gegebenen Situation entschieden
werden.
129 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 169-171. 130 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 48. 131 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 409. 132 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 162. 133 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 101-104. Siehe auch GROCHLA (1977), S. 188; GROCHLA
/ KUBICEK (1976), S. 270 f. und GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 39-42. GROCHLA spricht bei dieser Unterscheidung von Markt- und Betriebspolitik.
134 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 101 f.
135 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 102-104.
25
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Zur Systematisierung der existierenden Strategiekonzepte in der Beschaffung wird
in Anlehnung an BEA / HAAS die Kategorisierung in typologische Vorgehensweisen
und Planungsmodelle verwendet.136 Als typologische Vorgehensweisen oder auch
Normstrategien werden strategische Konzepte bezeichnet, die für bestimmte
Situationen der Umwelt und des Unternehmens, in Verbindung mit bestimmten
Zielkonstellationen, typische Strategien als aussichtsreich bewerten und zur
Umsetzung empfehlen.137 Planungsmodelle wiederum liefern Entscheidungs-
systeme oder mathematische Modelle für die Bewertung strategischer Hand-
lungsalternativen. Planungsmodelle können entweder analytisch oder heuristisch
sein. Analytische und heuristische Planungsmodelle unterscheiden sich dadurch,
dass analytische Modelle durch Algorithmen optimale Lösungen ermitteln, wohin-
gegen heuristische Modelle zu Näherungslösungen auf der Basis von Erfahrungen
aus der Vergangenheit führen.138
Entsprechend dieser Systematisierungen werden einige strategische Konzepte der
Beschaffung dargestellt, die einen Überblick über den aktuellen Stand der wissen-
schaftlichen Literatur geben sollen. Dies sind bei der Darstellung der Planungsmo-
delle die Sourcing-Konzepte nach ARNOLD (1996), CORSTEN (1995) und
KOPPELMANN (2000) und bei den typologischen Vorgehensweisen die Portfolio-
Konzepte nach KRALJIC (1988), MÜLLER (1990) und WILDEMANN (1999). 139
2.4.1 Kombinationskonzepte
Planungsmodelle werden in der Beschaffung oft separat für einzelne Teil-
strategien durchgeführt. Es existieren mathematische Modelle, beispielsweise zur
Berechnung optimaler Bestellmengen oder für die Berechnung des optimalen
Bestellzeitpunktes.140 Teilstrategien, z.B. zur Anzahl der Lieferanten oder Gestal-
tung der Beziehung zu Lieferanten werden auch als Sourcing-Konzepte be-
zeichnet.141 Sourcing-Konzepte sind in diesem Zusammenhang die kleinsten
Elemente einer Beschaffungsstrategie.142
Kombinationsmodelle sind Strategiekonzepte mit dem Ziel, alle wesentlichen
Elemente der Beschaffungsstruktur und der Beschaffungsprozesse zu umfassen
und eine strategische Typenbildung durch eine Kombination der einzelnen
Elemente durchzuführen.143 Beschaffungsstrategien werden bei Kombinationskon-
136 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 182-187. 137 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 182 f. 138 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 184-186. 139 Die Auswahl der Strategiekonzepte erfolgte nach subjektivem Vergleich einer Vielzahl an Kon-
zepten. Ähnliche Darstellungen von Portfolio-Konzepten finden sich bei ARNOLD (1997), S.85-93 und WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 411-418. Zur Auswahl der Sourcing-Konzepte vgl. auch ARNOLD / EßIG (2000).
140 Vgl. beispielhaft die Modelle bei HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 105-193. 141 Vgl. ARNOLD (1996), S. 125. 142 Vgl. EßIG / WAGNER (2003), S. 283. 143 Vgl. ARNOLD (1996), S. 126.
26
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
zepten somit als Kombination von unterschiedlichen Teilstrategien verstanden.144
Die Kombination von Teilstrategien zu Maßnahmenbündeln soll bei ihnen so
gestaltet werden, dass eine synergetische Wirkung entsteht.145
Ein solches Kombinationsmodell ist die Sourcing-Toolbox nach ARNOLD (Darstel-
lung 2-5). Die Sourcing-Toolbox ist ein morphologischer Kasten, mit dem sich die
optimale Beschaffungsstrategie (BSopt) als Funktion der Ausprägungen der
einzelnen Teilstrategien ergibt: BSopt = f (L, O, A, Z, S, W).146 Die einzelnen
Ausprägungen sind Lieferantenstrategie (L), Objektstrategie (O), Arealstrategie (A),
Zeitstrategie (Z), Subjektstrategie (S) und Wertschöpfungsstrategie (W).
Darstellung 2-5: Sourcing-Toolbox nach ARNOLD
Lieferant (L) Sole Single Dual Multiple
Stock Demand Tailored Just-in-Time
Local Domestic Global
Unit Modular SystemBeschaffungsobjekt (O)
Beschaffungsareal (A)
Beschaffungszeit (Z)
Beschaffungssubjekt (S)
Wertschöpfungsort (W)
Individual Cooperative
External Internal
Lieferant (L) Sole Single Dual Multiple
Stock Demand Tailored Just-in-Time
Local Domestic Global
Unit Modular SystemBeschaffungsobjekt (O)
Beschaffungsareal (A)
Beschaffungszeit (Z)
Beschaffungssubjekt (S)
Wertschöpfungsort (W)
Individual Cooperative
External Internal Quelle: ARNOLD (1996), S. 1872
Bei der Lieferantenstrategie wird festgelegt, ob das Beschaffungsobjekt von
einem, zwei oder mehr Lieferanten bezogen wird. Die Unterscheidung zwischen
Sole- und Single-Sourcing liegt in der Marktsituation begründet. Bei Sole-Sourcing
handelt es sich beim Lieferanten um einen Monopolisten, wohingegen Single-
Sourcing eine gewählte Beschränkung auf einen Lieferanten darstellt. Objektstra-
tegien unterscheidet ARNOLD nach der Komplexität der Beschaffungsobjekte in
einfache Materialeinheiten, Module und Systeme. Module sind hierbei Liefer-
einheiten aus mehreren Teilen, die komplett integriert werden und sich aus ferti-
gungstechnischen Überlegungen ergeben. Systeme sind hingegen funktionale
Einheiten, die als solche auch entwickelt wurden. Ein System kann dement-
sprechend mehrere Module umfassen. Arealstrategien unterscheiden sich nach
dem Umfang des betrachteten Beschaffungsmarktes. Bei Zeitstrategien können
nach ARNOLD Wareneingangslager als Puffer verwendet werden (Stock-Sourcing),
Einzelbeschaffungen im Bedarfsfall (Demand Tailored-Sourcing) oder fertigungs-
synchrone Anlieferungen eingesetzt werden (Just-in-Time). Bei Beschaffungssub-
jektstrategien wird hier zwischen der Möglichkeit einer individuellen Beschaffung
und der Möglichkeit einer Beschaffung in Einkaufskooperationen unter-
schieden.147 Bei Strategien des Wertschöpfungsortes existieren nach ARNOLD die
Alternativen, den Ort der Wertschöpfung des Lieferanten räumlich in den Wert-
schöpfungsort des nachfragenden Unternehmens zu integrieren (Internal-
144 Vgl. ARNOLD (1996), S. 126 und EßIG / WAGNER (2003), S. 283. 145 Vgl. KOPPELMANN (2000), S.124. 146 Vgl. ARNOLD (1996), S. 128.
147 Vgl. ARNOLD (1996), S. 126 f.
27
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Sourcing) oder beide räumlich voneinander zu trennen (External-Sourcing).148 Der
Sourcing-Würfel nach CORSTEN (Darstellung 2-6) betrachtet drei Teilstrategien. Er
umfasst die Sourcing-Konzepte Komplexität der Objekte, Ausdehnung der Märkte
und Bezugsquellenzahl.149 Dies entspricht den Komponenten Beschaffungsobjekt,
Beschaffungsareal und Lieferant der Sourcing-Toolbox nach ARNOLD.
Darstellung 2-6: Sourcing-Würfel nach CORSTEN
Modular (System)
Element
Global
Local
Single Dual Multi
Bezugsquellenzahl
Ausdehnung der Märkte
Komplexität der Objekte
Quelle: CORSTEN (1995), S. 575
Damit ist die systematische Erfassung der Sourcing-Konzepte bei CORSTEN im
Vergleich zu ARNOLD weniger umfangreich. Dieses wird von ARNOLD auch explizit
kritisiert und als zu eng bezeichnet.150 Lässt man diese Kritik jedoch gelten, kann
man sie auch auf ARNOLDS Sourcing-Toolbox anwenden. Auch bei ihr werden
nicht alle strategischen Gestaltungsmöglichkeiten der Beschaffung ausgearbeitet,
als Beispiel sei hier nur auf die Teilstrategie der Preisgestaltung verwiesen.151
KOPPELMANN kommt zu einer Differenzierung der Beschaffungsstrategie in
Produktstrategie, Bezugsstrategie, Kommunikationsstrategie, Servicestrategie und
Preisstrategie.152 Er versteht dies als Maßnahmenkatalog, dessen Ausgestaltung
so umfangreich ist, dass an dieser Stelle lediglich das Vorgehen dargestellt wird.153
KOPPELMANN führt für die möglichen Variablen (z.B. kleine Bezugsmengen als Teil
der Bezugsstrategie) eine Expertenbewertung der einzelnen Ausprägungen durch.
Diese führt zur Unterscheidung in unverzichtbar, empfehlenswert oder möglich im
Hinblick auf den Einsatz in Billigprodukten, Normalprodukten, bewährten
148 Vgl. ARNOLD (1996), S. 127 f. 149 Vgl. CORSTEN (1995), S. 575. 150 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 125. 151 Vgl. hierzu z.B. KOPPELMANN (2000), S. 134. 152 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 124-134. 153 Vgl. die Variablenausprägungen bei KOPPELMANN (2000), S. 314-324.
28
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Produkten, Spitzenprodukten, innovativen Produkten, Spezialprodukten und
Katalogprodukten. Damit kommt er schließlich, z.B. für ein Spitzenprodukt, zur
umfangreichsten (bezogen auf die hier vorgestellten Konzepte) Variablen-
ausprägung für die Gestaltung der Beschaffung.154
Problematisch sind bei dem Vorgehen der Kombinationskonzepte, von der Teil-
strategie zur Gesamtstrategie, immer die Vollständigkeit und die Strukturierung der
Teilstrategie zu einem stimmigen Gesamtkonzept.155 Mögliche Interdependenzen
müssen berücksichtigt werden, so schließt sich z.B. ein Internal-Sourcing in
Kombination mit einem Cooperativ-Sourcing, als Teile der Sourcing-Toolbox nach
ARNOLD, bereits definitionsgemäß gegenseitig aus.156
Strategien werden wie oben dargelegt als Handlungsalternativen verstanden, aus
denen im Laufe des strategischen Managementprozesses eine Strategie aus-
gewählt werden muss.157 Zu einer solchen Auswahl geben die Kombinations-
modelle keine Entscheidungshilfe, lediglich die mathematische Ermittlung der op-
timalen Strategie bei ARNOLD kann als Entscheidungshilfe verstanden werden.
Diese wird jedoch von ARNOLD nicht weiter ausgeführt. Zur mathematischen Be-
rechnung optimaler Beschaffungsentscheidungen, wie sie z.B. für optimale
Bestellmengen existieren, bleibt auch anzumerken, dass das Zusammenfassen zu
einer Funktion für eine Gesamtstrategie problematisch ist. Dies ist darin be-
gründet, dass hierfür eine Funktion für die Zusammenhänge einer Marktreaktion
benötigt wird. Diese konnte in der betrachteten Literatur nicht ermittelt werden,
HAMMAN / LOHRBERG gehen sogar davon aus, dass es keine Funktion für eine
Marktreaktionen gibt. Wirkungen könnten zeitlich verzögert und über einen
längeren Zeitraum verteilt auftreten.158
Zur Problematik, die richtigen Elemente für ein Kombinationsmodell auszuwählen,
kommt somit noch eine dynamische Komponente, da sich die Situation und die
Wirkung von Elementen verändern können.159
154 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 311-324. 155 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 123-126. 156 Man kann den Lieferanten nicht räumlich in eine Einkaufskooperation integrieren, wenn diese
aus mehreren Unternehmen mit verschiedenen Standorten besteht. 157 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 162. 158 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 193-195.
159 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 310 f.
29
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
2.4.2 Portfolio-Konzepte
Normstrategien sind in der Beschaffung eng mit der Portfolio-Methode
verbunden. Die Portfolio-Methode ist ein Visualisierungsinstrument, das aus zwei
strategisch bedeutsamen Dimensionen, die auf der Abszisse und Ordinate
gegeben sind, Normstrategien ableitet. Hierzu bedient sich das Portfolio eines
Rasters, das in der Regel vier oder neun Felder umfasst und mit dessen Hilfe die
Normstrategien abgeleitet werden (Darstellung 2-7 zeigt ein solches Portfolio mit
neun, Darstellung 2-8 ein Portfolio mit vier Feldern).160
Einer der Ersten, der die Portfolio-Methoden für Beschaffungsentscheidungen
einsetzte, war KRALJIC.161 Darstellung 2-7 zeigt das Einkaufsportfolio nach KRALJIC
in einer späteren Version, die jedoch bis auf die Reihenfolge der Achseneinteilung
mit seinem Konzept von 1977 übereinstimmt.
Darstellung 2-7: Einkaufsportfolio nach KRALJIC
Lieferantenmacht
Nachfragemacht
Hoch
Mittel
Niedrig
HochMittelNiedrig
DiversifizierenAbschöpfen Abwägen
Lieferantenmacht
Nachfragemacht
Hoch
Mittel
Niedrig
HochMittelNiedrig
DiversifizierenAbschöpfen Abwägen
Quelle: KRALJIC (1988), S. 491
Bei KRALJIC sind die Dimensionen aus denen sich die Beschaffungsstrategien
ableiten lassen, die Machtverhältnisse zwischen Lieferant und Abnehmer auf dem
Beschaffungsmarkt. KRALJIC führt als Grundlage seines Portfolios zunächst eine
Analyse der Beschaffungsobjekte und des Lieferantenmarktes durch. Er unter-
scheidet bei den Beschaffungsobjekten unkritische Güter, Hebelprodukte, Eng-
passgüter und strategische Produkte.162 Die Analyse der Beschaffungsobjekte
führt somit zu einer Erfassung ihrer Bedeutung für die Leistungserstellung eines
Unternehmens. Wichtige Faktoren sind hierfür das Einkaufsvolumen, die
160 Zu einer ausführlichen Darstellung der Portfolio-Methodik vgl. HINTERHUBER (1992), S. 106-
147. 161 Vgl. KRALJIC (1977). Siehe auch ARNOLD (1997), S. 85. 162 Vgl. KRALJIC (1988), S. 486 und ähnlich KRALJIC (1977), S.72 f.
30
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Komplexität der Objekte, die Substituierbarkeit und die Lagerungseigenschaften,
die für ihn alle Teil des Beschaffungsrisikos einzelner Beschaffungsobjekte sind.163
Die Analyse des Lieferantenmarktes führt simultan zu unkritischen Lieferanten,
Hebellieferanten, kritischen Lieferanten und Kernlieferanten. Wichtige Faktoren
sind in diesem Fall z.B. Kostenstruktur, Kapazitätsauslastung, Logistik und Sub-
lieferanten, relativer Marktanteil und die Konkurrenten der einzelnen Lieferanten.164
Ziel der Lieferantenmarktanalyse ist es, die Lieferstabilität und die Verhandlungs-
stärke einzelner Lieferanten zu bewerten und damit Rückschlüsse auf mögliche
Beschaffungsrisiken und Verhandlungspotenziale zu ziehen. 165
Aus diesen Analysen wird die Positionierung der verschiedenen Beschaffungs-
objekte im Einkaufsportfolio (Darstellung 2-7) ermittelt und daraus die
entsprechende Beschaffungsstrategie als Richtung für Handlungsoptionen
abgeleitet.166
Bereits bei KRALJIC werden zur Bewertung der Dimensionen Nachfragemacht und
Lieferantenmacht auch Merkmale des Beschaffungsrisikos in der Material- und
Lieferantenanalyse berücksichtigt. MÜLLER kommt bei seinem Konzept direkt zu
einem Portfolio mit den Dimensionen Versorgungsrisiko und Ergebniseinfluss.
Darstellung 2-8 zeigt die Beschaffungsmatrix der Siemens AG nach MÜLLER.
Darstellung 2-8: Beschaffungsmatrix nach MÜLLER
III I
IV II
Technische Komplexität / Versorgungsrisiko
Einkaufsvolumen / Ergebniseinfluss
I = technische Zusammenarbeit
II = Marktpotential ausschöpfen
III = Verfügbarkeit gewährleisten
IV = effizient abwickeln
Hoch
Hoch
Niedrig
Niedrig
B- & C-Teile A-Teile
III I
IV II
Technische Komplexität / Versorgungsrisiko
Einkaufsvolumen / Ergebniseinfluss
I = technische Zusammenarbeit
II = Marktpotential ausschöpfen
III = Verfügbarkeit gewährleisten
IV = effizient abwickeln
Hoch
Hoch
Niedrig
Niedrig
B- & C-Teile A-Teile
Quelle: MÜLLER (1990), S. 52
Zur Bewertung des Versorgungsrisikos werden hier die Lieferfähigkeit und Liefer-
treue der Lieferanten im Bezug auf Preis, Qualität und technischem Know-how
betrachtet. Der Ergebniseinfluss des kaufenden Unternehmens hängt vom Auf-
tragsvolumen bezogen auf das Beschaffungsobjektes ab.
163 Vgl. KRALJIC (1977), S. 74-76. 164 Vgl. KRALJIC (1977), S. 76-78. 165 Vgl. KRALJIC (1977), S. 76-78.
166 Vgl. KRALJIC (1988), S. 490 f.
31
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Bei einem in großen Mengen benötigten Beschaffungsobjekt, das auf Grund
seiner technischen Komplexität nicht unbegrenzt verfügbar ist, muss das kaufende
Unternehmen eine andere Beschaffungsstrategie wählen, als bei einem in großen
Mengen verfügbarem standardisierten Produkt.167
WILDEMANN wählt für sein Beschaffungsstrategieportfolio ebenfalls die Dimensio-
nen Versorgungsrisiko und Einkaufsvolumen. Er leitet seine Entscheidung jedoch,
wie bereits bei KRALJIC angedacht, aus zwei separaten Portfolios, dem Beschaf-
fungsgüter- und dem Beschaffungsquellenportfolio, ab. Darstelleung 2-9 zeigt,
dass diese direkt in das Beschaffungsgüter-/Beschaffungsquellenportfolio ein-
gehen. WILDEMANN betrachtet somit nicht nur das Beschaffungsvolumen als
Einflussfaktor, sondern berücksichtigt auch die Entwicklungsmöglichkeit der
Lieferanten, weil er dies explizit für Strategien einer partnerschaftlichen Beziehung
als relevant erachtet.168
Darstellung 2-9: Portfolio nach WILDEMANN
Beschaffungsgüterportfolio
Einkaufsvolumen
Hoch
A-Materialien
Niedrig
C-Materialien
Mittel
B-Materialien
Versorgungsrisiko Beschaffungsquellenportfolio
Lieferantenentwicklungspotential
Hoch
Niedrig
Mittel
Versorgungsrisiko
HochNiedrig Mittel
Beschaffungsgüter-/ Beschaffungsquellenportfolio
Strategische Materialien
Strategische Lieferanten
Kern-lieferanten
Bottelneck-Lieferanten
Standard-Lieferanten
Kern-materialien
Bottelneck-Materialien
Standard-materialien
Wertschöpfungs-partnerschaft
Martkpotentialnutzen, dann
partner-schaftlicheZusammenarbeit
Sicher-stellen der
Verfüg-barkeit
Effizient be-
schaffen
Bottelneck-Lieferanten
Strategische Lieferanten
Kern-Lieferanten
Standard-lieferanten
Bottelneck-Lieferanten
Strategische Lieferanten
Kern-Lieferanten
Standard-lieferanten
Beschaffungsgüterportfolio
Einkaufsvolumen
Hoch
A-Materialien
Niedrig
C-Materialien
Mittel
B-Materialien
Versorgungsrisiko Beschaffungsquellenportfolio
Lieferantenentwicklungspotential
Hoch
Niedrig
Mittel
Versorgungsrisiko
HochNiedrig Mittel
Beschaffungsgüter-/ Beschaffungsquellenportfolio
Strategische Materialien
Strategische Lieferanten
Kern-lieferanten
Bottelneck-Lieferanten
Standard-Lieferanten
Kern-materialien
Bottelneck-Materialien
Standard-materialien
Wertschöpfungs-partnerschaft
Martkpotentialnutzen, dann
partner-schaftlicheZusammenarbeit
Sicher-stellen der
Verfüg-barkeit
Effizient be-
schaffen
Bottelneck-Lieferanten
Strategische Lieferanten
Kern-Lieferanten
Standard-lieferanten
Bottelneck-Lieferanten
Strategische Lieferanten
Kern-Lieferanten
Standard-lieferanten
Bottelneck-Lieferanten
Strategische Lieferanten
Kern-Lieferanten
Standard-lieferanten
Bottelneck-Lieferanten
Strategische Lieferanten
Kern-Lieferanten
Standard-lieferanten
Quelle: WILDEMANN (1999), S. 442
KRALJIC kommt in seinem Einkaufsportfolio zu den drei Strategierichtungen: Ab-
schöpfen, Abwägen und Diversifizieren.169 Die Beschaffungsmatrix nach MÜLLER
führt zu vier Strategierichtungen: technische Zusammenarbeit, Marktpotenzial
ausschöpfen, Verfügbarkeit gewährleisten und effizient abwickeln.170 Diese groben
Strategierichtungen nach MÜLLER entsprechen denen nach WILDEMANN, der sie als
Wertschöpfungspartnerschaft (entspricht technischer Zusammenarbeit), Markt-
167 Vgl. MÜLLER (1990), S. 51 f. 168 Vgl. WILDEMANN (1999), S. 441-443. 169 Vgl. KRALJIC (1988), S. 490 f. 170 Vgl. MÜLLER (1990), S. 51-53.
32
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
potenzial nutzen, Sicherstellen der Verfügbarkeit und effizient beschaffen bezeich-
net.171
Damit können die typologischen Vorgehensweisen in vier grundlegende Norm-
strategien, im Sinne von Strategierichtungen bzw. Grundrichtungen, bei der Aus-
wahl von Handlungsoptionen zusammengefasst werden. Die erste Strategie
Effizient beschaffen/abwickeln gilt für Beschaffungsobjekte, die unproblematisch
zu beschaffen sind und für Unternehmen ein geringes Einkaufsvolumen repräsen-
tieren. Dies sind bei WILDEMANN und MÜLLER z.B. standardisierte Beschaffungs-
objekte, die frei und unbegrenzt verfügbar sind und für den Leistungserstellungs-
prozess nur eine untergeordnete Rolle spielen.172 Ziel des Unternehmens sollte es
in diesem Fall sein, so wenige Ressourcen wie möglich für die Beschaffung dieser
Objekte zu verwenden, da selbst bei umfangreicher Suche nach alternativen
Bezugsquellen und intensiven Verhandlungen ein erreichbarer Nutzen, wie etwa
Qualitätssteigerungen oder Kostenreduzierungen, gering bleibt. Effizient be-
schaffen bedeutet also die Kosten des Beschaffungsprozesses zu optimieren,
gegebenenfalls Einkaufsgemeinschaften zu bilden und so den eigenen Ergebnis-
einfluss zu verbessern oder die Beschaffung dieser Objekte an Serviceunter-
nehmen auszulagern.173
Problematischer werden für Unternehmen Beschaffungsobjekte eingeschätzt, bei
denen die Unternehmen durch ihr geringes Nachfragevolumen wenig Einfluss-
möglichkeiten auf den Beschaffungsmarkt haben und gleichzeitig mit Ver-
sorgungsproblemen rechnen müssen, da z.B. Lieferantenkapazitäten eng, bzw.
Rohstoffe knapp sind oder Zollrestriktionen Lieferungen erschweren. Die in diesen
Situationen empfohlene Normstrategie Diversifizieren bzw. Verfügbarkeit gewähr-
leisten/sicherstellen, kann zu Sicherheitsbeständen im unternehmenseigenen
Lager führen, aber auch die Suche nach neuen Lieferanten und gegebenenfalls
die Substitution der Beschaffungsobjekte beinhalten.174
Die Strategie Abschöpfen bzw. Marktpotenzial nutzen/ausschöpfen wird immer
dann empfohlen, wenn die Marktsituation die nachfragenden Unternehmen be-
günstigt. Eine solche Situation liegt z.B. vor, wenn ein Unternehmen hohe Be-
schaffungsvolumina bei standardisierten Beschaffungsobjekten nachfragt und
somit zwischen einer Vielzahl vergleichbarer Lieferanten wählen kann. Unter-
nehmen wird in solchen Fällen empfohlen, die eigenen Interessen aggressiv am
Markt durchzusetzen.175 Anschließend können mit Lieferanten, die als besonders
geeignet erscheinen, weitere Optimierungen der Beschaffung partnerschaftlich
angestrebt werden und die Kosten- und Leistungssituation durch eine intensive
Abstimmung zwischen Unternehmen und Lieferanten verbessert werden.176 Dies
171 Vgl. WILDEMANN (1999), S. 441-443. 172 Vgl. MÜLLER (1990), S. 52 und WILDEMANN (1999), S. 444. 173 Vgl. ARNOLD (1997), S. 91. 174 Vgl. MÜLLER (1990), S. 52; WILDEMANN (1999), S. 444 und ARNOLD (1997), S. 92. 175 Vgl. MÜLLER (1990), S. 52; WILDEMANN (1999), S. 444; KRALJIC (1988), S. 490 und ARNOLD
(1997), S. 91.
176 Vgl. WILDEMANN (1999), S. 444 f.
33
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
stellt aber bereits den Übergang zur Strategie der Wertschöpfungspartnerschaft
dar.
Wertschöpfungspartnerschaft bzw. technische Zusammenarbeit ist die
empfohlene Normstrategie, wenn Beschaffungsobjekte hohen Versorgungsrisiken
unterliegen, technisch komplex und für die Leistungserstellung des nachfragenden
Unternehmens essentiell sind. Wenn nun gleichzeitig das Unternehmen starken
Einfluss auf den Beschaffungsmarkt nehmen kann, weil es hohe Volumina nach-
fragt, können von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit das nachfragende
Unternehmen und der Lieferant profitieren.177
Diese Normstrategien sind als Grundausrichtung für detaillierte Aktionspläne zu
verstehen, die durch Teilstrategien umgesetzt werden können.178 Problematisch ist
bei der Anwendung der Portfolio-Methode immer die Aggregation der Ent-
scheidungseinflüsse auf zwei Dimensionen. Auch ist der unterstellte Ursache-
Wirkungszusammenhang, der die Grundlage der Auswahl der Dimensionen ist,
nicht operationalisierbar179 bzw. wird nicht berücksichtigt.180 Die Zuordnung von
Normstrategien fördert eine schematische Handhabung und die Portfolio-
Methodik ist statisch auf einen Zeitpunkt bezogen.181
Normstrategien liefern im Detail wenig konkrete und umsetzbare Erkenntnisse,
haben aber den Vorteil, dass sie grobe Richtungen vorgeben und durch die Port-
folio-Methodik eine Entscheidungshilfe geben.182 Kombinationsmodelle hingegen
leisten konkrete Teillösungen für die Beschaffung. Problematisch ist bei ihnen vor
allem die Zusammenführung zu einer Gesamtstrategie und die verbindende Aus-
richtung, die eine Bewertung und Auswahl von Kombinationen ermöglicht. Hierzu
benötigen die vorgestellten Kombinationsmodelle zusätzliche Analysen und Ent-
scheidungshilfen.183 Möglich wäre auch eine Kombination von Normstrategien mit
einer Konkretisierung mittels eines Sourcing-Kombinations-Modells.184
Im Weiteren werden die vier oben dargestellten grundlegenden Normstrategien als
Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen gewählt, da die vorliegende Arbeit
Strategien als Ansatzpunkt zur Vermeidung von Krisen, im Sinne einer Gefährdung
dominanter Ziele, betrachtet.185 Eine Betrachtung der einzelnen Teilstrategien wäre
nicht realisierbar, da es, wie oben ausgeführt, verschiedene Auffassungen zu Art
und Umfang der Teilstrategien gibt. Daher wären die sich aus den Kombinationen
der einzelnen Teilstrategien ergebenen Gesamtstrategien auch nicht vergleichbar.
Eine zusammenfassende Typenbildung würde schließlich wieder zu den Gemein-
samkeiten und damit zu Normstrategien führen.
177 MÜLLER (1990), S. 51f.; WILDEMANN (1999), S. 445; ARNOLD (1997), S. 92 und KRALJIC (1988),
S. 490. 178 Vgl. KRALJIC (1988), S. 490 f. 179 Vgl. ARNOLD (1997), S. 86. 180 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 183. 181 Vgl. ARNOLD (1997), S. 86. 182 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 184. 183 Siehe Kapitel 2.4.1. 184 Dies schlagen z.B. CORSTEN (1995) und KRALJIC (1988) vor. Auch bei KOPPELMANN (2000)
findet sich eine Kombination von Portfolio und Instrumentaltoolbox (vgl. ebd., S. 311-314). 185 Siehe Kapitel 1.1.
34
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
2.5 Krisenursachen in der Beschaffung
Wie oben ausgeführt, wird in dieser Arbeit der antizipative und präventive
Ansatz des Krisenmanagements verfolgt, der die Vermeidung von Unternehmens-
krisen zum Ziel hat. Dazu werden nun die beschaffungsspezifischen Ursachen von
Unternehmenskrisen erörtert.186
Die Ursachenforschung von Unternehmenskrisen versucht generell Ursache-
Wirkungs-Zusammenhänge zu ermitteln und so Ansatzpunkte für die Krisenfrüher-
kennung und Krisenbewältigung zu liefern.187 Zur Frage der Ursachen von Krisen
gibt es in der wissenschaftlichen Literatur sowohl theoretische Modelle188 als auch
empirische Studien. Hierbei sind die Aussagen für die Beschaffung aber nur be-
dingt verwertbar, da die Studien auf Unternehmen allgemein angelegt sind.189 Als
Krisenursachen werden z.B. die konjunkturelle Entwicklung, Veränderungen im
Umfeld von Unternehmen, Management- und Führungsfehler oder die zu geringe
Kapitalausstattung eines Unternehmens identifiziert.190 Teilweise werden auch
Indikatoren für die Gefährdung eines Unternehmens nach Alter, Größe oder
Rechtsform ermittelt, die ebenfalls keine Relevanz für einzelne Unternehmens-
funktionen wie die Beschaffung haben.191
Legt man die oben definierte Funktion der Beschaffung einerseits und die Nicht-
erreichung von Zielen und damit die Gefährdung des Fortbestehens von Unter-
nehmen als Krisenmerkmal andererseits zugrunde, können in der Beschaffung, als
Versorgungssicherung, als Sicherung von Wettbewerbsvorteilen oder als
Sicherung der Autonomie von Unternehmen, Ziele nicht erreicht werden. 192
In der Versorgungssicherung können prinzipiell zwei Arten von Krisenursachen
auftreten. Erstens sind dies Fehlmengen, also eine zu geringe oder fehlende
Versorgung mit Objekten, die für die Produktion benötigt werden, was zum Pro-
duktionsausfall und wiederum zu Fehlmengen auf den Absatzmärkten führt.
Zweitens kann eine mangelnde Qualität von beschafften Objekten auftreten. All-
gemein kann unter dem Begriff Qualität zum einen die Güte, als Wert, eines
Objektes zum anderen, aber auch seine Beschaffenheit verstanden werden.193
Qualität wird hier als bestimmte Ausprägung von Merkmalen verstanden, die für
die Produktion und die vom Kunden geforderten Eigenschaften des Endproduktes
notwendig sind und somit sowohl die Güte als auch die Beschaffenheit der
Beschaffungsobjekte umfasst. Somit wird unter Qualität z.B. auch die Herstellung
von Beschaffungsobjekten ohne Einsatz von Kinderarbeit, als spezifische Be- 186 Siehe Kapitel 2.1. 187 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 32 f. 188 Als besonders bedeutende Theorien z.B. geht SCHREYÖGG (2004) auf die Wachstumstheorie,
die Lebenszyklustheorie und die Theorie der unterbrochenen Gleichgewichte ein. Vgl. ebd. S. 24-27.
189 Vgl. die Übersicht von empirischen Studien bei KRYSTEK (1987), S. 33-67. 190 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 68-71. 191 Vgl. HAUSCHILDT (2003), S. 62. 192 Siehe oben, insbesondere Kapitel 2.3 und Darstellung 2-4.
193 DUDENREDAKTION (1990).
35
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
schaffenheit, verstanden. Mangelnde Qualität führt entweder direkt zu Absatzaus-
fällen, da das Produkt nicht verkauft werden kann oder zunächst zu Produktions-
ausfällen, da gar nicht erst produziert werden kann. Führt das Qualitätsproblem
nur zu Absatzausfällen und nicht bereits vorher zu Produktionsausfällen, so ist es
kein Problem der Versorgungssicherung in der Beschaffung, sondern der
Sicherung von Wettbewerbsvorteilen.
Nimmt man einen kausalen Zusammenhang zwischen Qualitätsproblemen und
Fehlmengen mit Absatz- und Produktproblemen an, lässt sich zumindest einge-
schränkt die Relevanz dieser Krisenursachen mit der empirischen Studie von
HAUSCHILDT belegen. HAUSCHILDT hat eine Analyse von den Kreditprotokollen 142
insolvent gewordener Unternehmen durchgeführt und die statistische Häufigkeit
von dort genannten Insolvenzgründen ausgewertet. Er kommt so zu einer Liste
von strukturellen und betrieblichen Krisenursachen und nennt als strukturelle Prob-
leme unter anderem schlechte Materialwirtschaft und Produktpolitik. Anhand der
statistischen Häufigkeit einzelner Ursachen hat HAUSCHILDT vier Typen von krisen-
haften Unternehmen gebildet, wobei Unternehmen mit massiven Absatz-
problemen den ersten Typ bilden. 194
Bei der Übertragung der Studie von HAUSCHILDT auf die Beschaffung, können
allerdings keine Rückschlüsse mehr auf die Häufigkeit und damit auf die tatsäch-
liche Relevanz dieser Krisenursachen gezogen werden, da nicht alle Probleme in
Absatz, Produktion und Materialwirtschaft durch Qualitätsprobleme und Fehl-
mengen in der Beschaffung entstehen müssen. Die Studie von HAUSCHILDT wird
an dieser Stelle angeführt, da ihre Ergebnisse aktuell sind. Sie ist jedoch kritisch zu
betrachten, da sie eine Vielzahl von verschiedenen Krisenursachen rein statistisch
miteinander verknüpft. Auch beschränkt HAUSCHILDT sich auf insolvente Unter-
nehmen und vernachlässigt somit Krisen, die von Unternehmen bewältigt wurden
bevor es zu einer Insolvenz kam.
Eine Abwägung diverser empirischer Studien wird hier nicht durchgeführt, da eine
explizite Thematisierung von Krisenursachen in der Beschaffung benötigt würde.
Studien zu Unternehmenskrisen stellen statistische Auswertungen der Häufigkeit
von Krisenursachen dar195 und sind somit nicht ausschließlich auf die Beschaffung
gerichtet. Ohne dies wäre immer eine kausale Übertragung auf die Beschaffung
notwendig, die dazu führen würde, dass die Ergebnisse immer teilweise spekulativ
und nicht miteinander vergleichbar blieben. Beispielhaft sei hier noch eine weitere
aktuelle Studie von PROBST / RAISCH erwähnt.196 Diese kommen zu dem Ergebnis,
dass letztlich alle Krisen auf Managementfehlern beruhen. Dieses Ergebnis lässt
sich auch in anderen Studien finden, dort allerdings immer nur als eine von
mehreren Krisenursachen.197 Auch die Ergebnisse von PROST / RAISCH lassen sich
auf die Beschaffung übertragen, allerdings wiederum nur als Ableitung von Aussa-
194 Vgl. HAUSCHILD (2002). 195 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 22. 196 Vgl. PROBST / RAISCH (2004). 197 Vgl. die Übersicht von empirischen Studien bei KRYSTEK (1987), S. 33-67.
36
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
gen über Unternehmen zu Aussagen für den Unternehmensbereich Beschaffung.
Im Folgenden wird aufgrund der hier skizzierten Problematik mit empirischen
Studien ein Vorgehen anhand theoretischer Überlegungen zu Ursachen-
Wirkungs-Zusammenhängen von Krisen und ihren Ursachen verfolgt.
Neben den bereits dargelegten Krisenpotenzialen der Versorgungssicherung
bestehen noch weitere Krisenpotenziale im Nichterreichen von Wettbewerbs-
vorteilen, durch Kostenreduktion oder Qualität, sowie im Verlust von Autonomie.
Zum Autonomiebestreben kann ebenfalls die Studie von HAUSCHILDT angeführt
werden, da dort von Lieferanten oder Abnehmern abhängige Unternehmen als
zweiter von vier krisenanfälliger Unternehmenstyp gesehen werden.198 Hierbei
kann wiederum kein direkter Rückschluss auf die Beschaffung gezogen werden,
da die empirischen Daten neben der Abhängigkeit von Lieferanten auch die Ab-
hängigkeit von Abnehmern enthalten.
Übertragbar auf den Bereich der Beschaffung ist auch die Differenzierung in
endogene und exogene Krisenursachen.199 So können die genannten Fehl-
mengen- und Qualitätsprobleme durch Fehler in der Beschaffung oder Bedarfs-
planung, aber auch durch Fehler bei Lieferanten oder auf dem Transportweg ent-
stehen.200 Ersteres wären endogene Ursachen im Unternehmen, letzteres exogene
Ursachen, die jedoch in der Supply Chain liegen. Daneben können exogene
Krisenursachen auch die globale Verknappung von Ressourcen sein, hier sei bei-
spielhaft der Stahlpreis genannt, der 2003 durch eine Verknappung der benötigten
Rohstoffe wie z.B. Erz und Kohle um ca. 150% stieg.201 Weiterhin sind exogene
Ursachen auch Naturkatastrophen oder Streiks, wie z.B. 2003 beim Automobil-
zulieferer ZF in Brandenburg, der die Produktion gleich mehrerer namhafter Auto-
mobilzulieferer zum Erliegen brachte.202 Schließlich ist als exogene Krisenursache
noch die Veränderung der von Kunden geforderten Produktqualitäten zu nennen.
Beispielsweise gefährdeten die veränderten Ansprüche von Konsumenten an
soziale und ökologische Standards die Wachstumsziele von Unternehmen wie
Adidas, McDonald´s, Wal-Mart oder Starbucks und führten dazu, dass diese öko-
nomische, ökologische und soziale Standards auch bei ihren Lieferanten in
Niedriglohnländern etablieren mussten.203 Darstellung 2-10 zeigt eine Übersicht
der hier identifizierten Krisenpotenziale der Beschaffung, unterteilt in endogene
und exogene Ursachen. Bei dieser Unterteilung muss noch erwähnt werden, dass
einige im Bezug auf das jeweils betrachtete Unternehmen exogene Ursachen
gleichsam innerhalb der Supply Chain liegen und somit für das betrachtete Unter-
nehmen beeinflussbar sein können.
198 Vgl. HAUSCHILD (2002). 199 Siehe Kapitel 2.1. 200 Vgl. MELZER-RIDINGER (2000). 201 Vgl. AMELING (2004). 202 Vgl. beispielhaft SCHNEIDER (2003). 203 Zum Beispiel Adidas vgl. BERGIUS (2004). Zu den übrigen Beispielen vgl. SCHRAGE (2004),
S. 18.
37
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Darstellung 2-10: Krisenursachen in der Beschaffung
Endogene Krisenursachen Exogene Krisenursachen
• Fehler in der Auftrags-bearbeitung der Lieferanten
• Qualitätsmängel
• Verlust eines Lieferanten
• Insolvenz eines Lieferanten
• Veränderter Mengenbedarf auf den Absatzmärkten
• Neue Qualitätsanforderungen der Absatzmärkte
• Forderungen von Stakeholdern (Staat, Gesellschaft, NGO`s, Gewerkschaften)
z.B. Gesetze, Boykotte, Streiks
• Rohstoffverknappung
• Naturkatastrophen
• Fehler in der Bedarfsplanung oder Disposition
• Fehler in der Einschätzung der Marktanforderungen
• Fehler beim Transport von Beschaffungsobjekten
Quelle: Eigene Darstellung
38
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
3. Organisationstheorien und Krisen-
potenziale der Beschaffung
Das dritte Kapitel behandelt Organisationstheorien als Grundlage von Er-
kenntnissen zur Krisenprävention in der Beschaffung. Um im Weiteren die oben
dargestellten Beschaffungsstrategien anhand organisationstheoretischer Erkennt-
nisse im Hinblick auf die identifizierten Krisenpotenziale kritisch reflektieren zu
können, wird an dieser Stelle zunächst ein Überblick über die Vielzahl an Orga-
nisationstheorien gegeben. Daran anschließend werden Kriterien zur Relevanz für
die Beschaffung formuliert und anhand dieser eine Auswahl der relevanten Orga-
nisationstheorien zur weiteren Betrachtung vorgenommen. Es werden hierbei die
bereits in der Beschaffungsliteratur vorliegenden organisationstheoretischen
Betrachtungen dargestellt. Darüber hinaus werden die als relevant eingestuften
Organisationstheorien behandelt, die mit der Darstellung der Theorien in der
Beschaffungsliteratur nicht erfasst werden. Mittels der herausgearbeiteten Er-
kenntnisse werden abschließend die Krisenpotenziale der im zweiten Kapitel aus-
gewählten Beschaffungsstrategien erarbeitet.
3.1 Begriff und Inhalt von Organisationstheorien
Organisationstheorien werden in der Literatur sowohl als Theorien der
Unternehmensführung, als Managementtheorien oder als Organisationstheorien
bezeichnet.204 Vergleicht man verschiedene Veröffentlichungen, so stellt man fest,
dass eine starke Überschneidung zwischen den Theorien existiert, die z.B.
MACHARZINA unter der Bezeichnung Theorien der Unternehmensführung erläutert
und Theorien, die z.B. KIESER in seinem Buch über Organisationstheorien be-
handelt.205 Diese Überschneidungen sind nach WOLF darauf zurückzuführen, dass
sich die Theorien alle auf Organisationen als Objekt beziehen und alle die Ge-
staltung und die Einwirkung auf Organisationen zum Ziel haben.206
Trotz der Unterschiede zwischen Unternehmensführung, Management und Orga-
nisation, wird daher an dieser Stelle, in Anlehnung an WOLF, nicht zwischen
Theorien der Unternehmensführung, Management- und Organisationstheorien
unterschieden.207 Es wird vielmehr einheitlich der Begriff Organisationstheorien
204 Vgl. WOLF (2003), S. 37 ff. 205 Beide behandeln: Scientific Management bzw. Tayloristischen Ansatz, Verfügungsrechtean-
satz, Transaktionskostenansatz, Prinzipal-Agent-Ansatz, Evolutionstheoretischen Ansatz und den Kontingenzansatz bzw. Situativen Ansatz. Vgl. KIESER (2002) und MACHARZINA (2003).
206 Vgl. WOLF (2003), S. 39-41.
207 Vgl. WOLF (2003), S. 37-41. WOLF verwendet die Bezeichnung „Organisations-, Management- und Unternehmensführungstheorien (OMU-Theorien)“.
39
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
verwendet. Diese Bezeichnung wird gewählt, weil sie häufig verwendet wird208 und
Unternehmen als organisatorische Einheiten gesehen werden können.209 Somit
sind alle Theorien die sich auf Organisationen als Objekte beziehen auch auf Un-
ternehmen anwendbar.
Versucht man sich dem Begriff der Theorie zu nähern, lässt eine Theorie sich um-
schreiben, als ein System begründeter Aussagen zur Erklärung von Tatsachen.
Sie beinhaltet die Begriffe, Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien eines bestimmten
Bereiches.210 Theorien werden als Systeme von Hypothesen betrachtet, die
modellhaft die Wirklichkeit abbilden. Sie werden ferner als Hauptträger der wis-
senschaftlichen Erkenntnisbemühungen angesehen, in denen wissenschaft-liche
Einzelbefunde zusammengefasst werden.211 Sie beinhalten dabei empirisch als
hinreichend bestätigt erachtete Erklärungsmodelle und können somit vom Einzel-
fall abstrahieren.212
Schwierigkeiten bereitet bei der Betrachtung der verschiedenen Theorien jedoch,
dass in der Betriebswirtschaftslehre der Theoriebegriff unterschiedlich aufgefasst
wird. Die unterschiedlichen Auffassungen fußen bereits wissenschaftstheoretisch
in der Frage, ob das Vorgehen der Betriebswirtschaftslehre verstehend oder
erklärend gestaltet werden soll.213 Erklärend bedeutet in diesem Zusammenhang,
dass aus einzelnen Tatsachen mittels übergeordneten Gesetzen und logischer
Ableitung eine Erklärung für Sachverhalte ermittelt wird.214 Die Gegenposition des
verstehenden Vorgehens führt hierzu an, dass im Bereich sozialer Systeme keine
übergeordneten Gesetze, sondern lediglich statistische Regelmäßigkeiten existie-
ren. Handlungen von Individuen können darüber hinaus nicht nach ihrem
Ergebnis, sondern nur nach ihren intendierten subjektiven Absichten bewertet
werden.215 BEA / GÖBEL merken hierzu an, dass es das Ziel von Organisations-
theorien ist, Informationen für die zielgerichtete Gestaltung der Unternehmens-
struktur zu erbringen.216 Um Empfehlungen zur Gestaltung von Unternehmen be-
reitstellen zu können, muss eine Theorie jedoch zunächst einmal die Bildung ein-
heitlicher Begriffe und damit die Eindeutigkeit in der Beschäftigung mit einem Un-
tersuchungsfeld gewährleisten. Darauf aufbauend kann sie reale Sachverhalte
beschreiben und in einem weiteren Schritt erklären. Die höchste Stufe der Theo-
208 Vgl. WOLF (2003), S. 37 ff. 209 Vgl. KISTNER / STEVEN (1999), S. 24. 210 Vgl. DUDENREDAKTION (1990). 211 Vgl. WOLF (2003), S. 2-11. 212 Vgl. HILL / FEHLBAUM / ULRICH (1994), S. 44. 213 Vgl. KIESER (1993), S. 7; WOLF (2003), S. 14. 214 Dieses deduktiv-nomologische Vorgehen kann z.B. aus den Tatsachen, dass der Kühlwasser-
behälter eines Autos bis zum Rand gefüllt war, das entsprechende Auto im Freien stand und es gefroren hat, mittels des physikalisch übergeordneten Gesetzes, dass Wasser sich bei Frost ausdehnt die Erklärung für einen geplatzten Kühlwasserbehälter ableiten. Vgl. KIESER (1993), S. 7-16.
215 Vgl. KIESER (1993), S. 16-22 und WOLF (2003), S. 15. 216 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 22 und WOLF (2003), S. 3.
40
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
riebildung ist es, wenn eine Theorie schließlich zukünftige Phänomene prognosti-
zieren und Handlungsempfehlungen zu ihrer Beeinflussung geben kann.217
Im Folgenden werden Organisationstheorien als in sich konsistente Summe von
Erkenntnissen betrachtet. Diese haben das Ziel Sachverhalte in Organisationen zu
beschreiben, erklären, prognostizieren und Empfehlungen zur gestaltenden Be-
einflussung zu geben. Dies allerdings unter Berücksichtigung einer eingeschränk-
ten Gültigkeit von Erklärungen, Prognosen und Gestaltbarkeit in Bezug auf Indivi-
duen und damit auch auf Organisationen.
Es existiert eine Vielzahl an Organisationstheorien.218 Als Gründe hierfür werden
neben den angesprochenen grundlegenden Unterschieden im theoretischen Ver-
ständnis der Betriebswirtschaftslehre, unterschiedliche Einflüsse aus verschiede-
nen Disziplinen gesehen.219 An Fragestellungen der Organisation arbeiten nicht nur
Betriebswirte, sondern auch Soziologen, Psychologen und andere Disziplinen.220
Darüber hinaus wird vor allem die Komplexität von Organisationen als Grund für
die Vielzahl der Organisationstheorien angeführt.221 Die in ihnen untersuchten
Phänomene setzen sich aus verschiedenen Teilproblemen zusammen, was zu
einer Vielzahl von Theorien geführt hat, die jeweils Problemstellungen anderer
Teilprobleme betrachten. Die Vielzahl an Organisationstheorien wird schließlich
noch verstärkt durch das Fehlen einer einheitlichen Systematisierung und Begriff-
lichkeit der Theorien.222
Darstellung 3-1 zeigt Theorien und ihre Bezeichnungen aus vier aktuellen Publika-
tionen, die Organisationstheorien behandeln. Die Publikationen sind: „Organi-
sation, Management, Unternehmensführung“ von JOACHIM WOLF (2003), „Organi-
sationstheorien“ von ALFRED KIESER (2002), „Organisation" von FRANZ BEA und
ELISABETH GÖBEL (2002) und „Organisation. Grundlagen moderner Organisations-
gestaltung“ von GEORG SCHREYÖGG (2003). Die Auswahl der Organisationstheorien
für die weitere Betrachtung beruht auf einem Vergleich dieser Publikationen, da
eine vollständige Erfassung aller Organisationstheorien zu umfangreich wäre und
in diesem Rahmen nicht möglich ist.223 BEA / GÖBEL weisen sogar explizit darauf
hin, dass ihre Auswahl keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und subjektiv
ist.224 Um die Theorien bewerten zu können, sind die sich inhaltlich entsprechen-
den Theorien einander zugeordnet worden. Die linke Spalte von Darstellung 3-1
217 Vgl. WOLF (2003), S. 7-9 und BEA / GÖBEL (2002), S. 26. Zu einer ausführlichen Darstellung
siehe auch CHMIELEWICZ (1982). 218 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 36; WOLF (2003), S. 42 und KIESER (1993), S. 1. 219 Vgl. WOLF (2003), S. 43 und KIESER (1993), S. 2. 220 Z.B. beruht die Theorie der Selbstorganisation ursprünglich auf naturwissenschaftlichen Er-
kenntnissen. Vgl. GÖBEL (1998). 221 Vgl. WOLF (2003), S. 42; BEA / GÖBEL (2002), S. 36 f. und KIESER (1993), S. 1. 222 Die Unterschiede werden in Darstellung 3-1 deutlich. Bezeichnend ist, dass selbst bei dem
weitverbreiteten Ansatz des Scientific Management nach TAYLOR keine einheitliche Bezeich-nung existiert. Zur Vielzahl an Systematisierung vgl. auch WOLF (2003), S. 47 sowie S. 437-445.
223 Zum Problem der Diversifikation der Organisationstheorien und der damit verbundenen Prob-lematik der vollständigen Theorieerfassung vgl. KIESER (1998), S. 338 f. und WOLF (2003), S. 47.
224 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 40-42.
41
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
enthält die Bezeichnungen, die im Folgenden für die jeweiligen Theorien verwendet
werden. Die Strukturierung der Organisationstheorien orientiert sich weitestgehend
an der Struktur von WOLF, da seine, in Bezug auf die Anzahl der Theorien, die
umfangreichste der betrachteten Publikationen ist. An einigen Stellen wurde diese
Strukturierung jedoch erweitert und von WOLF zusammengefasst betrachtete
Theorien einzeln aufgeführt. Auch wurde die ursprünglich chronologische Reihen-
folge, die bei WOLF vorliegt,225 aufgegeben um die verschiedenen Publikationen
vergleichen zu können.
Darstellung 3-1: Organisationstheorien
WOLF (2003) KIESER (2002) BEA / HAAS (2002) SCHREYÖGG (2003)
Bürokratieansatz Bürokratieansatz Bürokratieansatz Bürokratieansatz Bürokratieansatz
Scientific Management Scientific Management Tayloristischer Ansatz Tayloristischer Ansatz Tayloristischer Ansatz
Administrativer Ansatz Administrativer Ansatz - - Administrativer Ansatz
Human-Relations- Human-Relat ns-ioAnsatz
Human-Relations-Human-Relations-
Ansatz Ansatz AnsatzVerhaltens-
Anreiz-Beitrags-wissenschaftliche Verhaltens- -TheorieTheorien wissenschaftliche
Entscheidungs- Entscheidungs-Entscheidungstheorie Empirischtheorien theoretischer A. Logisch-math.
PräskriptiveEntscheidungstheorien - - -
Spiel / TeamNeue Institutionen- Neue Institutionen- Institutionenöko- Institutionenöko- Entscheidungs-
ökonomische Ansätze ökonomische Theorien nomische Theorien nomischer Ansatz forschung (mikro)Machttheoretischer Machttheoretischer
- - -Ansatz Ansatz
Systemtheorie Systemtheorie - - Systemtheorie
Evolutionstheore- Evolutions-theor ischeretAnsatz
Evolutions-theoretischer-
tischer Ansatz Ansatz Evolutions-
Selbstorganisations- theoretischer AnsatzSelbstorganisations- Selbstorganisations-
theorie -theorie theorie
Ressourcenbasierter Human-RessourceRessource Based View - -
Ansatz AnsatzSituations- und
Situativer Ansatz Situativer Ansatz - -Interaktionstheorie
Strukturalistischer Strukturtechnischer StrukturalistischerGestaltansatz -
Ansatz Ansatz Ansatz
Informationsver- Informationsver-
arbeitungsansatz - - -arbeitungsansatz
Symbolischer AnsatzKonstruktivistischerInterpretativer Ansatz
Ansatz PostmoderneInterpretativer Ansatz Interpretativer AnsatzGiddeons Theorie
- -Struktur
Institutionalistischer InstitutionalistischeInstitutionalistischer- -
Ansatz Ansatz Ansatz
Quelle: Eigene Darstellung
225 Vgl. WOLF (2003), S. 47.
42
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
3.2 Bewertungskriterien für die Relevanz von
Organisationstheorien für die Beschaffung
CHIEMLEWICZ unterscheidet in der Wissenschaft generell zwischen Theorie
und Technologie. Als Technologien versteht er wissenschaftliche Betrachtungen
die Ziele verfolgen. In den Wirtschaftswissenschaften und der Betriebswirtschaft
sei dies jedoch problematisch, da bereits im untersuchten Objekt Ziele enthalten
sind. Da soziale Realitäten Objekt dieser Wissenschaften sind, sehen sie sich da-
mit konfrontiert, dass die untersuchten sozialen Objekte Ziele verfolgen, die folglich
auch in Untersuchungen mit theoretischem Inhalt enthalten sind.226 Zwischen
Theorie und Technologie kann demnach in den Wirtschaftswissenschaften nicht
genau getrennt werden.227
Da mit der vorliegenden Arbeit das Ziel verfolgt werden soll einen Ansatz zur Ver-
meidung von Unternehmenskrisen in der Beschaffung zu untersuchen, geht die
vorliegende Betrachtung in die technologische Richtung der Wirtschaftswissen-
schaften. Die Technologie ist nach CHIEMLEWICZ der Theorie nicht überlegen,228
bietet aber die Vorteile anwendungs- und realitätsbezogener zu sein.229 Allerdings
muss die Technologie für jeden Anwendungsbereich ein gesondertes Ziel / Mittel-
Aussagensystem konzipieren.230 Hierzu werden Ursachen-Wirkungs-Aussagen
benötigt, die im Folgenden durch Organisationstheorien bereitgestellt werden
sollen. Allerdings werden nur solche Ursachen-Wirkungs-Aussagen benötigt, die
der Zielerreichung dienen. Darüber hinaus beinhaltet die oben erläuterte Speziali-
sierung einzelner Organisationstheorien aufgrund der Komplexität des
Forschungsobjektes bereits, dass verschiedene Organisationstheorien sich auch
mit verschiedenen Teilproblemen von Organisationen und Unternehmen be-
schäftigen. Somit ist eine Auswahl aus der Vielzahl der Theorien sinnvoll.231
Organisationstheorien haben, wie oben dargelegt, alle Organisationen und somit
auch Unternehmen als Objekt ihrer Betrachtung. Demzufolge können zunächst
einmal alle Theorien auf die Beschaffung als Teil von Unternehmen angewendet
werden. Im Folgenden sollen jedoch die Theorien gefunden werden, die für die
spezielle Funktion Beschaffung besonders relevant sind. Hierzu werden zunächst
Auswahlkriterien zur Bewertung der einzelnen Theorien gebildet, welche die Be-
sonderheiten der Beschaffung und des Beschaffungsprozesses in Abgrenzung zu
den übrigen Funktionen eines Unternehmens betrachten.
226 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 186 f. 227 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 191. 228 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 200 f. 229 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 192-201. 230 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 199.
231 Siehe Kapitel 3.1.
43
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Beschaffung wurde oben definiert als:232
B
s
N
d
B
i
d
A
D
Q
D
l
i
b
h
K
2
2
2
44
Marktorientierter Teil der Versorgung zur Erlangung der Verfügungsgewalt über
und Sicherung der Verfügbarkeit von benötigten und nicht selbst produzierten
Objekten.
eschaffungsrelevante Organisationstheorien sollten daher Informationen bereit-
tellen zu:
1. Märkten / Marktverhalten
2. Verträgen / Vertragsgestaltung
3. Beziehungen zwischen Unternehmen und Lieferanten
4. Verhalten von Lieferanten
5. Umgang mit Ressourcen
eben der Beschaffung als Funktion eines Unternehmens ist auch der Prozess
er Beschaffung für die Entstehung von Unternehmenskrisen und die strategische
eschaffung relevant. In der Literatur wird in der Regel explizit oder implizit als
nhaltliche Reihenfolge ein Beschaffungsprozess vorgegeben. Darstellung 3-2 zeigt
ie Beschaffungsprozesse der Autoren KOPPELMANN, HAMMANN / LOHRBERG UND
RNOLD.233
arstellung 3-2: Beschaffungsprozesse
HAMMANN / LOHRBERG (1986) KOPPELMANN (2000) ARNOLD (1995)Situationsanalyse RahmenbedingungenBedarfsanalyse Bedarfsanalyse BedarfsplanungMarktanalyse und -auswahl
Spezifikation der Bedarfs BestandsplanungLieferantenanalyse und -auswahl Lieferantenanalyse
Angebote einholenLieferantenverhandlungBewertung der Angeobte undAuswahl der Lieferanten
Bestellpolitik Beschaffungsabwicklung Objektrealisation und Überprüfungder Vertragserfüllung
LieferantenpolitikAbfallwirtschaft
uelle: Eigene Darstellung.
ie Beschaffungsprozesse aus Darstellung 3-2 unterscheiden sich sowohl inhalt-
ich, als auch in der Reihenfolge der einzelnen Prozessschritte. Gemeinsam ist
hnen jedoch, dass zunächst Analysen durchgeführt werden sollen, darauf auf-
auend Bewertungen stattfinden und Entscheidungen getroffen werden. Darüber
inaus wird ein Bedarf an stetigen Tätigkeiten, wie Informationsgewinnung,
ontrolle und Organisation der Beschaffung dargestellt.234
32 Siehe Kapitel 2.1. 33 Vgl. KOPPELMANN (2000); HAMMANN / LOHRBERG (1986) und ARNOLD (1997). 34 Einen guten Überblick hierzu bekommt man bereits beim Betrachten der Inhaltsverzeichnisse
der dargestellten Literatur. Vgl. KOPPELMANN (2000); HAMMANN / LOHRBERG (1986) und ARNOLD (1997).
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Da die Organisation bzw. Gestaltung von Unternehmen, bzw. der Beschaffung als
Institution in Unternehmen im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet werden soll235
und die Kontrolle der Beschaffung nicht für die Planung der Beschaffung, sondern
lediglich nachgelagert für ihre Überprüfung angewendet werden kann, ergeben
sich für die Beschaffungsrelevanz von Organisationstheorien noch zwei weitere
Kriterien:
3
L
z
l
B
i
a
D
W
d
i
g
s
I
K
E
b
o
e
W
T
V
w
w
2
2
2
2
6. Informationserlangung / -verarbeitung
7. Entscheidungsfindung
.3 Theoretische Betrachtungen in der
Beschaffungsliteratur
Unabhängig von den Kriterien zur Beschaffungsrelevanz gibt es in der
iteratur bereits theoretische Ausführungen zur Beschaffung. Diese sollen nun
unächst dargestellt werden, wobei die notwendige Relevanz der Theorien in An-
ehnung an die jeweiligen Autoren als gegeben betrachtet wird.
ereits auf beschaffungsspezifische Probleme übertragen worden, sind die neuen
nstitutionenökonomischen Ansätze im Allgemeinen und hierbei speziell der Trans-
ktionskosten-Ansatz und der Prinzipal-Agent-Ansatz.236
ie grundlegenden Annahmen des Transaktionskostenansatzes sind, dass in der
irtschaft Aufgaben, wie die Erstellung oder Verwertung von Gütern, existieren,
ie in Arbeitsteilung vollbracht werden müssen, da einzelne Wirtschaftssubjekte in
hrer Zeit, ihrem Wissen, ihrem Können oder ihren Kapazitäten anderweitig be-
renzt sind. Diese Arbeitsteilung muss koordiniert werden, wobei zu berück-
ichtigen ist, dass Wirtschaftssubjekte prinzipiell eigene, sich widersprechende
nteressen verfolgen können.237 Der Transaktionskostenansatz kennt für diese
oordination prinzipiell zwei Möglichkeiten, den Markt und die Hierarchie. Eine
rweiterung des Transaktionskostenansatzes, der auch als Netzwerktheorie
ekannt ist, führt zusätzlich eine dritte Koordinationsform, die der inter-
rganisationalen Netzwerke, als eine Hybridform zwischen Markt und Hierarchie,
in.238
elche Koordinationsform optimal ist, hängt in dieser Betrachtungsweise von den
ransaktionskosten ab. Transaktionskosten umfassen die Kosten der Klärung und
ereinbarung im Vorfeld bzw. der Kontrolle im Nachhinein eines Austausches
irtschaftlicher Güter. Sie kommen zu den eigentlichen Kosten des jeweiligen
irtschaftlichen Gutes hinzu. Transaktionskosten können Kosten für die Suche
35 Siehe Kapitel 1.2. 36 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 69-76; HOMBURG / WERNER (1998); KAAS (1992) und NOORDEWIER /
JOHN / NEVIN (1990). 37 Vgl. PICOT (1982), S. 269. 38 Zu einer detaillierten Darstellung vgl. beispielhaft SYDOW (1992).
45
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
nach Partnern sein, Kosten die durch die Verhandlung und die Vertragserstellung
entstehen, Kosten für die Kontrolle von Vereinbarungen oder Kosten für die An-
passung und Veränderung getroffener Vereinbarungen.239
Transaktionskosten steigen durch Informationsunvollkommenheiten in Bezug auf
die Umwelt bzw. zukünftige Umweltzustände und damit verbundenen An-
forderungen an Unternehmen. Dies gilt auch für Informationsunvollkommenheiten
in Bezug auf das Objekt der Transaktion. Ist das Objekt sehr spezifisch, so wird es
schwer vergleichbar und ist nicht objektiv zu bewerten. Dies ist auch der Fall,
wenn es in einer Austauschbeziehung keine Alternativen zu einem Partner bzw.
dem von ihm gestellten wirtschaftlichen Gut gibt. Darüber hinaus können auch das
Fehlen von Sachkenntnissen bei einer der beteiligten Parteien einer Austausch-
beziehung und Vertrauensprobleme die Transaktionskosten erhöhen. Einen
senkenden Einfluss auf die Transaktionskosten hat, durch Lerneffekte und Ver-
trauensbildung, schließlich die Transaktionshäufigkeit.240
Darstellung 3-3: Transaktionskosten bei Markt-, Hybrid- oder Hierarchie als Koordinationsform
Spot-Beschaffungrelationale Beschaffung
Austauschbeziehung Lieferant / Kunde
Marktaustausch Hybridform Hierarchie (Integration)
Markt
Hybridform
Hierarchie
Unsicherheit Komplexität Spezifität
Transaktions-kosten
Quelle: HOMBURG / WERNER (1998), S. 985.
Darstellung 3-3 zeigt die Zusammenhänge von Unsicherheit und Transaktions-
kosten für die Koordinationsformen Markt, Hierarchie und die Hybridform, die im
betrachteten Zusammenhang in langfristigen Lieferverträgen bzw. Kooperationen
besteht.241
Es ergeben sich für die Beschaffung zwei optimale Beschaffungsarten in Ab-
hängigkeit von Unsicherheit, Komplexität und Spezifität in Bezug auf die Unter- 239 Vgl. PICOT (1982), S.270 f. 240 Vgl. PICOT (1982), S. 271 f. PICOT führt darüber hinaus noch Einflüsse der Infrastruktur, wie z.B.
Kommunikationstechnologien oder rechtliche Rahmenbedingungen, auf Transaktionskosten an. Vgl. ebd.
241 Zu Umfang und Ausprägungen von Netzwerken bzw. der Hybridform vgl. SYDOW (1992), S. 248.
46
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
nehmensumwelt, das Verhalten der Lieferanten und der Beschaffungsobjekte.
Zum einen ist dies die Spot-Beschaffung und zum anderen die Relationale Be-
schaffung. Die Möglichkeit der hierarchischen Lösung ist eine Entscheidung gegen
den Fremdbezug einer Leistung zugunsten ihrer Integration in ein Unternehmen
und wird daher hier nicht betrachtet. Im Folgenden wird der Begriff Relationale
Beschaffung verwendet. In anderen Zusammenhängen wird eine solche
zwischenbetriebliche Verbindung auch als Netzwerk, Kollektiv oder Hybrid
bezeichnet.242
Eine Spot-Beschaffung ist in diesem Zusammenhang eine rein marktliche Koordi-
nation, wobei der Preis als Koordniationsinstrument dient.243
NOORDEWIER / JOHN / NEVIN haben in einer empirischen Untersuchung Unter-
nehmen zu ihrem Kaufverhalten bei Kugel- und Rollenlagern in Bezug auf den
jeweiligen Hauptlieferanten und die übrigen Lieferanten befragt.244 Sie konnten
hierbei mit einer Betrachtung der Kosten in der Beschaffung, als Summe der
Kosten des eigentlichen Objekts, der Akquisition und der Lagerhaltung, empirisch
belegen, dass das Ergebnis von Einkäufern sich verbesserte, wenn sie bei hoher
Unsicherheit die Beziehung zu Lieferanten intensivierten.245
Eine intensive Beziehung zu Lieferanten wurde hierbei an fünf Merkmalen festge-
macht. Erstens der prinzipiellen Bereitschaft des Lieferanten flexibel auf
Änderungen zu reagieren und zweitens in der eigenen Auftragsabwicklung früh-
zeitig auf Lieferprobleme hinzuweisen bzw. diese zu kompensieren oder vorsorg-
lich Lagerbestände aufzubauen. Drittens in der Bereitschaft des Käuferunter-
nehmens Informationen über eigene Absatzprognosen und langfristige Planungen
an den Lieferanten weiterzugeben. Viertens die erwartete Kontinuität der
Beziehung und schließlich fünftens einer Kontrolle des Lieferanten durch das
Käuferunternehmen, die untypisch ist für Transaktionen am Markt und eher bei
eigenen Abteilungen (Hierarchie) angewendet wird.246 Dies führt zu folgender
Erkenntnis:
E1: Komplexität der Umwelt, Unsicherheiten oder eine hohe Spezifität der
Beschaffungsobjekte steigern die Transaktionskosten und begünstigen
intensive Beziehungen zu Lieferanten.
Im Fall der relationalen Beschaffung kann von einer Prinzipal-Agent-Beziehung
ausgegangen werden.247 Eine Prinzipal-Agent-Beziehung ist eine Zusammenarbeit
von Wirtschaftssubjekten, bei der beide Parteien einen Nutzen aus der Zusam-
242 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 57. 243 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S. 985. 244 Ausgangspunkt der Untersuchung waren 20 Branchen, die als Hauptverarbeiter von Kugel-
und Rollenlagern gelten. Über Branchenverzeichnisse wurden 483 Unternehmen ermittelt und befragt. Der Rücklauf der Fragebögen führte zu einer Datenbasis von n=140. Vgl. NOORDEWIER / JOHN / NEVIN (1990), S. 86 f.
245 Vgl. NOORDEWIER / JOHN / NEVIN (1990). 246 Vgl. NOORDEWIER / JOHN / NEVIN (1990), S. 83 f.
247 Vgl. KAAS (1992), S. 889.
47
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
menarbeit erwarten, aber jeweils im Eigeninteresse handeln.248 Die erste Partei ist
der Prinzipal. Er beauftragt den Agenten, da seine Kapazitäten beschränkt sind, in
seinem Interesse mit einer Aufgabe. Dabei geht er das Risiko ein, dass der Agent,
der durch das Detailwissen der Aufgabendurchführung einen Informations-
vorsprung hat, diesen gegen ihn nutzt oder im Auftrag des Prinzipals Maßnahmen
ergreift, die seinem eigenen Vorteil und nicht dem des Prinzipals dienen.249
Darstellung 3-4: Informationsverteilung im zeitlichen Ablauf einer Kontrakt-güterbeschaffung
Akquisitions-phase
Erstellungs-phase
Verwendungs-phase
Verkäufer
Käufer
Defizit
Vorsprung
Vorsprung
Defizit
Defizit
Vorsprung
(Informationsdefizit / -vorsprung)
Verkäufer
Käufer
Vorsprung
Defizit
Vorsprung
Defizit
Defizit
Vorsprung
1. Käufermärkte
2. Verkäufermärkte
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KAAS (1992), S.889-891.
Darstellung 3-4 zeigt einen Beschaffungsprozess, der in Anlehnung an KAAS in drei
Phasen unterteilt ist. KAAS zeigt auf, dass die prinzipielle Einteilung in das kaufende
Unternehmen als Prinzipal und das verkaufende Unternehmen bzw. der Lieferant
als Agent nicht ganz richtig ist, da die Informationsvorteile, die charakteristisch für
den Agenten sind im Laufe des Beschaffungsprozesse wechseln.
Während der Akquisitionsphase kann z.B. der Verkäufer Qualitäten und Eigen-
schaften versprechen, die er nicht hat. Das nachfragende Unternehmen bzw. der
potentielle Käufer kann hingegen sein Kaufinteresse vortäuschen, um an Informa-
tionen und Vorleistungen zu gelangen, die ihn in die Lage versetzen, das Kaufob-
jekt bei einem Konkurrenten des Verkäufers billiger zu erstehen. Wer in dieser
Phase einen Informationsvorsprung hat, hängt davon ab, ob die Marktsituation
Käufer oder Verkäufer begünstigt. In der Erstellungsphase hat der Lieferant bzw.
Verkäufer mehr Möglichkeiten opportunistisch zu seinen Gunsten zu agieren, da
seine Leistungen weniger transparent sind als die Gegenleistung des Käufers, der
in der Regel nur bezahlt.250 In der Verwendungsphase schließlich kann wiederum
der Käufer als Abnehmer der erbrachten Leistung durch falsche Garantie-
248 Vgl. KAAS (1992), S. 888. 249 Vgl. ELSCHEN (1991), S. 1004 und KAAS (1992), S. 888 f. 250 Vgl. KAAS (1992), S. 889 f.
48
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
ansprüche, Reklamationen oder zurückgehaltene Leistungen opportunistisch
agieren.251
KLEINALTENKAMP / WOLTERS stellen für dieses von KAAS skizzierte Problem oppor-
tunistischen Verhaltens spieltheoretische Überlegungen an und analysieren
Kooperationsprobleme von Automobilherstellern und Zulieferunternehmen.252 Da-
bei gehen sie entscheidungstheoretisch vor und charakterisieren die Ent-
scheidungssituation als Gefangenendilemma.253 Beide Parteien haben die Mög-
lichkeit, zusammenzuarbeiten oder auf Kosten der Gegenseite den eigenen
Nutzen zu erhöhen. Kooperieren beide Parteien, ist der Nutzen für beide höher als
eine separate Nutzenmaximierung. Kooperiert jedoch nur eine der Parteien und
nutzt die andere dieses aus, so erzielt die ausnutzende Partei den höchsten
Nutzen.254 Dies relativiert sich jedoch über die Zeit, wenn mehrere Entscheidungs-
situationen vorliegen, da bei zukünftigen Entscheidungen die Gegenseite dann
nicht mehr kooperieren wird. Langfristig ist daher ein beidseitiges kooperatives
Verhalten nutzenmaximal.255
Entscheidend für den Erfolg der relationalen Austauschbeziehungen bei der
Betrachtung als Gefangenendilemma ist zum einen der Zeithorizont und zum
anderen Reputation und Vertrauen. Ist das Ende der Beziehung nicht abzusehen,
ist kooperatives Verhalten und die daraus resultierende Nutzenmaximierung
plausibel. Der Nutzen für beide Parteien steigt sogar noch zusätzlich, da durch die
Häufigkeit der Transaktionen die Transaktionskosten sinken.256 Auch Reputation,
die aus Handlungen in der Vergangenheit entsteht, und Vertrauen in den Partner
der Austauschbeziehung müssen, gemäß der spieltheoretischen Überlegungen,
ebenfalls vorhanden sein, denn rechnet eine der beiden Parteien mit einem Ende
der Beziehung oder nicht kooperativem Verhalten des Gegenübers, so versucht
sie diesem zuvor zukommen und den eigenen Nutzen dadurch zu steigern.257
Somit würde die Kooperation von vornherein scheitern.
E2: Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens bestehen während eines Be-
schaffungsprozesses für Käufer und Lieferanten. Das Ausnutzen von Vortei-
len zu Lasten von Lieferanten führt zu ebenfalls opportunistischem Verhalten
der Lieferanten.
E3: Intensive Lieferantenbeziehungen und kooperierendes Vorgehen sind nur
plausibel, wenn die Beziehung langfristig bzw. potentiell unbefristet ist und
ein Vertrauensverhältnis existiert bzw. aufgebaut werden kann.
251 Vgl. KAAS (1992), S. 890. 252 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997). 253 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S.60. Zu einer detaillierten Darstellung des Gefange-
nendilemmas siehe HOLLER / ILLING (2003). 254 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 60-62. 255 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 64. 256 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 62 f.
257 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 64. Auch KAAS (1992) führt Vertrauen und Reputati-on als entscheidend an (vgl. ebd., S. 892-897).
49
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Diese Erkenntnisse für die relationale Beschaffung können prinzipiell auch für die
Spot-Beschaffung gelten, wenn man davon ausgeht, dass ein opportunistisches
Verhalten am Markt nicht anonym bliebe und die eigene Reputation und das Ver-
trauen bei zukünftigen Austauschpartnern beeinflusst. Die Auswirkungen des Ver-
haltens hingen jedoch von der Marktsituation ab und wären nicht so direkt zu
ermitteln, wie bei einer relationalen Beschaffung.
Ebenfalls Beachtung gefunden in der Beschaffungsliteratur haben der macht-
theoretische Ansatz258 und als besondere Ausprägung der machttheoretischen
Betrachtungen die Ressourcenabhängigkeitsbetrachtungen.259 Die macht-
theoretische Literatur geht davon aus, dass eine starke Machtposition auf der
Seite der kaufenden Unternehmen diesen ermöglicht, geringere Preise durchzu-
setzen und anders herum eine größere Macht auf der Seite der Lieferanten diesen
erlaubt höhere Preise zu verlangen. COOL / HENDERSON haben in einer Studie die
Bedeutung von verschiedenen Machteinflüssen, die in der Literatur diskutiert
werden, empirisch untersucht. Sie haben hierzu eine Auswertung anhand von
Unternehmensdaten durchgeführt, die 1994 von der BANQUE DE FRANCE unter
ihren Kunden erhoben worden waren.260
Die untersuchten Ursachen für unterschiedliche Machtverhältnisse aus der
wissenschaftlichen Literatur waren in der Struktur der Märkte, in Abhängigkeiten,
zugesprochener Macht oder dem Grad der vertikalen Integration in einer Wert-
schöpfungskette begründet. Die Struktur der Märkte, spiegelt hierbei vor allem die
Konzentration der kaufenden und verkaufenden Unternehmen. Macht resultiert
aus einer geringen Anzahl an Käufern bzw. Verkäufern, wie z.B. bei einem Mono-
pol bzw. Oligopol. Abhängigkeiten entstehen durch die Relevanz des Käufers oder
Verkäufers für die jeweils andere Partei. Dies kann z.B. darin begründet sein, dass
ein Lieferant ein für den Leistungserstellungsprozess des Käufers essentielles Gut
liefert oder der Käufer als Kunde einen erheblichen Anteil am Umsatz des Lieferan-
ten hat. Zugesprochene Macht entsteht aus der Fähigkeit den Nutzen der
Lieferanten zu verändern, bzw. die Wahrnehmung der Lieferanten über ihren
Nutzen. Dies kann durch Zugeständnisse und Drohungen entstehen und kann
auch als Verhandlungsgeschick umschrieben werden.
Die vertikale Integration in die Wertschöpfungskette steigert den Einfluss eines
Unternehmens auf die komplette Wertschöpfung und erhöht seine Informationen
über Details und Preise der erstellten Leistung. Sie erhöht somit die Macht des
Lieferanten aber auch die Macht des Käufers, wenn dieser in einer Partnerschaft in
die Wertschöpfung seiner Lieferanten integriert ist.261
258 Vgl. COOL / HENDERSON (1998), S. 909-913 und HOMBURG / WERNER (1998), S. 982 f. 259 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S.983. 260 Die Banque de France hatte 1994 in einer Befragung ihre Kunden Daten über Unternehmen
und Branchen gesammelt. Diese umfasste kleine und mittelständische Unternehmen, bis 2000 Mitarbeiter aus der produzierenden Industrie in Frankreich. COOL / HENDERSON haben hieraus nach einer statistischen Bereinigung dieser Daten auf der Basis von n=187 Unternehmen aus sieben Branchen ihre Auswertungen durchgeführt. Vgl. COOL / HENDERSON (1998).
261 Vgl. COOL / HENDERSON (1998), S. 910-913.
50
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
COOL / HENDERSON untersuchten hierbei den Einfluss dieser vier Faktoren auf den
wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen, mit dem Ergebnis, dass sie die Einflüsse,
die auf Macht zurückzuführen sind, nicht eindeutig von solchen trennen konnten,
die gemäß dem Konzept des Ressource Based View aus Unternehmens-
ressourcen entstehen. Macht wurde aber dennoch als signifikante Einflussgröße
ermittelt, wobei alle vier in der Literatur ermittelten Dimensionen nachgewiesen
wurden. Die Struktur der Märkte und die vertikale Integration wurden als starke,
Abhängigkeit und zugesprochene Macht als schwache Einflussfaktoren auf den
wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ermittelt.262
E4: Hohe Marktkonzentration, Abhängigkeiten, Zugesprochene Macht und Ver-
tikale Integration in Wertschöpfungsprozesse bestimmen die Machtposition
von Käufern und Lieferanten.
HOMBURG / WERNER konnten hierzu in einer Befragung von deutschen Unter-
nehmen aus dem Bereich der Massen- und Serienfertigung zu situativen Faktoren
ihres Einkaufsverhaltens empirisch belegen, dass eine schwache Machtposition
von Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten eine relationale Beschaffung be-
günstigt.263 Dies ist darin begründet, dass es durch eine intensivere Zusammen-
arbeit möglich ist, bei Lieferanten die eigene Position zu verbessern. Die Alternati-
ve gemäß der Machttheorie wäre die Quelle der Abhängigkeit zu eliminieren, also
z.B. auf bestimmte Ressourcen zu verzichten, bzw. diese zu substituieren.
HOMBURG / WERNER ziehen aus ihrer Untersuchung die Schlussfolgerung, dass
eine solche Substitution nicht oder nur sehr schwer möglich ist.264
E5: Eine schwache Machtposition gegenüber Lieferanten steigert Kosten und
fördert intensive Beziehungen zu Lieferanten, um die fehlende Macht zu
kompensieren.
Beim Ressource Based View und damit verbundenen Ansätzen, wie dem
Competence Based View oder Knowledge Based View hingegen, geht es nicht
um die Abhängigkeit von Ressourcen (dies wäre eine machttheoretische Frage-
stellung) sondern um die Einzigartigkeit von Unternehmen, als Ursache von Profit
und wirtschaftlichem Erfolg. Die materiellen und immateriellen Ressourcen von
Unternehmen unterscheiden sich und sind das Alleinstellungsmerkmal aus
welchem sie ihre Wettbewerbsvorteile erlangen.265
Die Ressourcenorientierung gibt wie der Transaktionskostenansatz Empfehlungen
zur Inter- bzw. Externalisierung von Aufgaben. Wichtige Kernaufgaben sollen
integriert und eine Kapitalbindung in strategische irrelevante Bereiche vermieden
262 Vgl. COOL / HENDERSON (1998), S. 921 f. 263 HOMBURG / WERNER haben eine zufällige Stichprobe anhand des Einkaufsführers des Bundes-
verbandes der Deutschen Industrie e.V. befragt, die als Kriterium eine Serien- oder Massenfer-tigung aufweisen mussten. Die Studie basiert auf einem Rücklauf von n=350 Fragebögen. Vgl. ebd. S. 996 ff.
264 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S. 1001.
265 Vgl. RASCHE / WOLFRUM (1994), S. 502 f.
51
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
werden. Dies führt zur Ausrichtung eines Unternehmens auf seine Kern-
kompetenzen, birgt aber auch das Risiko Synergieeffekte und Kompetenzen zu
verlieren, wenn Unternehmensbereiche der Kernkompetenzen synergetisch mit als
irrelevant eingestuften Bereichen verbunden sind.266
Kennzeichen von Ressourcen, die Wettbewerbsvorteile erzeugen, sind nicht
Imitierbarkeit, Unternehmensspezifität, nicht Substituierbarkeit und ihre Nutzen-
stiftung am Markt. Die ersten beiden Kennzeichen zielen auf die nicht Re-
produzierbarkeit durch Konkurrenten ab. Substituierbarkeit ist das Risiko, dass
ein Konkurrent eine andere Möglichkeit findet eine gleiche oder ähnliche Leistung
zu erbringen, die mit den Unternehmensspezifschen und nicht imitierbaren
Leistungen konkurrieren kann. Darüber hinaus muss eine Ressource einen markt-
lich verwertbaren Nutzen erzeugen, um zu einem Wettbewerbsvorteil führen zu
können.267
AMIT / SCHOEMAKER definieren Ressourcen als verfügbare Faktoren, die sich im
Besitz eines Unternehmens befinden oder von ihm kontrolliert werden.268 In
diesem Zusammenhang kann die Beschaffung eine Kompetenz sein, kann aber
auch Kompetenzen bzw. die Kontrolle über Kompetenzen für ein Unternehmen
erschließen und sichern.269 Ressourcen in der Beschaffung können also eine
besonders leistungsfähige Beschaffungsabteilung, die Beschaffungsobjekte selber
oder die Lieferanten mit ihren Fähigkeiten und Leistungsmöglichkeiten sein.270 Legt
man die vier Kriterien nicht Imitierbarkeit, Unternehmensspezifität, nicht Sub-
stituierbarkeit und Nutzenstiftung am Markt als Bewertungsmaßstab zugrunde, so
sind die Beschaffungsobjekte als Ressourcen irrelevant, da sie frei am Markt auch
für Konkurrenten erhältlich sind. Darüber hinaus entfallen die Fähigkeiten der Be-
schaffungsabteilung, da sie im Wesentlichen an die Personen der Beschaffungs-
abteilung und ihre Organisation gebunden sind. Dieser „wichtige Punkt“271 wird
hier nicht weitergeführt, da Fragen des Personals und der Organisation in der
Beschaffung im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet werden.272 Somit bleiben in
diesem Zusammenhang Lieferanten als Ressourcen von Unternehmen übrig.
E6: Schaffen Lieferanten zusammen mit dem kaufenden Unternehmen Res-
sourcen, die nicht imitierbar, nicht substituierbar, nutzenstiftend am Markt
und spezifisch sind, sind sie Quellen für Wettbewerbsvorteile.
In diesen ersten sechs Erkenntnissaussagen sind neben den neuen institutionen-
ökonomischen Ansätzen, dem Ressource Based View und machttheoretischen
Ansätzen bereits situative Aussagen und entscheidungstheoretische Über-
legungen spieltheoretischer Art enthalten, da sie sich inhaltlich ergänzt haben.
Diese sollen nun noch vervollständigt werden.
266 Vgl. RASCHE / WOLFRUM (1994), S. 509 f. 267 Vgl. RASCHE / WOLFRUM (1994), S. 503-507. 268 Vgl. AMIT / SCHOEMAKER (1993), S. 35. 269 Vgl. KRÜGER / ROHM / HOMP (1999). 270 Vgl. KRÜGER / ROHM / HOMP (1999), S. 661 f. 271 Zu dieser Wertung vgl. KRÜGER / ROHM / HOMP (1999). 272 Siehe Kapitel 1.2.
52
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
HOMBURG / WERNER haben in der bereits oben erwähnten empirischen Studie,
ausgehend von den beiden Beschaffungsausprägungen Spot-Beschaffung und
relationaler Beschaffung, situative Faktoren für die Ausprägung einer relationalen
Beschaffung empirisch untersucht. Das Ergebnis dieser Studie, die auf Transakti-
onskostenüberlegungen und machttheoretischen Betrachtungen der Ressourcen-
abhängigkeit aufbaut, ist eine Bestätigung des situativen Zusammenhangs einer
relationalen Beschaffung zu Ressourcenabhängigkeit, Produktkomplexität, Be-
schaffungsfrequenz, Produktwichtigkeit und Umweltkomplexität.273 Intensive Liefe-
rantenbeziehungen und kooperierendes Verhalten resultieren demnach aus Ab-
hängigkeiten von Lieferanten bzw. dem Beschaffungsmarkt, hoher Produktkom-
plexität, hoher Beschaffungsfrequenz, hoher Produktwichtigkeit für die eigene
Leistungserstellung und hoher Umweltkomplexität.
Hieraus wird ein starker Bezug einiger der Erkenntnisse E1 bis E6 zum situativen
Ansatz deutlich. Darstellung 3-5 fasst die von HOMBURG empirisch nach-
gewiesenen Determinanten einer relationalen Beschaffung zusammen.
Darstellung 3-5: Situative Determinanten einer relationalen Beschaffung
Umweltkomplexität
Produktkomplexität
Ressourcen-abhängigkeit
Frequenz der Beschaffung
Produktwichtigkeit
E5
E1
E1
Relationale BeschaffungSteigert Effizienz der
Beschaffung
Situative Faktoren Verhalten Effizienz
Spot-BeschaffungE5
E2
Quelle: In Anlehnung an HOMBURG (1995).
Auf eine weitere Erläuterung der einzelnen situativen Determinanten kann an
dieser Stelle verzichtet werden, da ihre theoretischen Grundlagen bereits bei den
Betrachtungen der neuen institutionenökonomischen Ansätze und macht-
theoretischen Überlegungen erläutert worden sind. In welcher der Erkenntnisse E1
bis E6 diese behandelt wurden, ist in der Darstellung 3-5 gekennzeichnet.
Bei den Entscheidungstheorien handelt es sich um einen sehr umfangreichen
Theoriekomplex. Dies lässt sich bereits an der unterschiedlichen Abgrenzung der
Theorien in den vier Publikationen der Organisationstheorie aus Darstellung 3-1
erkennen. Es wird grundsätzlich zwischen präskriptiven Entscheidungsansätzen
und verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorien unterschieden.274 Zu
den präskriptiven Entscheidungsansätzen gehört die Spieltheorie, die in der Aus-
273 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S. 1001-1005.
274 Vgl. WOLF (2003).
53
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
prägung des Gefangenendilemmas bereits weiter oben angesprochen wurde.275
Daneben existiert, wie der Entscheidungszyklus von MARCH / OLSEN in Darstellung
3-6 zeigt, in einigen Teilen der Entscheidungstheorie eine starke Überschneidung
mit dem Informationsverarbeitungsansatz und dem interpretativen Ansatz.276 Ent-
scheidungssituationen sind durch die begrenzte Rationalität der Entscheidenden
gekennzeichnet. Diesem Problem wird in den Ansätzen der Entscheidungstheorie
mit organisatorischen Maßnahmen, wie z.B. Standardisierungen, begegnet.277
Darstellung 3-6: Der vollständige Entscheidungszyklus
Individuelle Handlungen
Individuelle Wahrnehmung
OrganisationaleHandlungen
Umwelt-ereignisse
(1)
(3)
(2) (4)
Quelle: MARCH / OLSEN (1976), S. 13.
In diesem Zusammenhang werden hier Überlegungen des Beitrags der Anreiz-
Beitrags-Theorie, als Teil der Entscheidungstheorie, zur Beschaffung dargestellt.
Weitere Überlegungen werden in den Erläuterungen des Informationsver-
arbeitungsansatzes bzw. interpretativen Ansatzes weiter unten dargestellt.
Gemäß der Anreiz-Beitrags-Theorie sind Organisationen Systeme von Teilnehmern
mit wechselseitig abhängigen Verhaltensweisen. Die einzelnen Teilnehmer leisten
hierbei so lange einen Beitrag zur Organisationstätigkeit, wie der Anreiz, den sie
dafür erhalten angemessen ist. KOPPELMANN überträgt diesen Ansatz auf die Be-
ziehung zwischen Unternehmen und Lieferanten. Eine erfolgreiche Geschäfts-
beziehung bedeutet, dass einerseits das Unternehmen zufrieden sein muss mit
dem Beitrag des Lieferanten und andererseits ein Lieferant langfristig keine
bessere Möglichkeit hat, höhere Anreize für seine Leistungen zu erlangen.278 Die
Ziele in einer solchen Geschäftsbeziehung ergeben sich also aus den Erwartungen
aller Teilnehmer. Dies ist für eine Arbeitsteilung überlebensnotwendig.279
Versucht ein Unternehmen Kosten zu sparen, so darf dies nicht zu geringen An-
reizen bei den Lieferanten führen, denn diese müssen weiterhin zufrieden gestellt
werden. Vielmehr sollten Anreize geschaffen werden, die Lieferanten bei der Be-
275 Vgl. WOLF (2003), S. 99-126. 276 Siehe hierzu Kapitel 3.4 und 3.5. 277 Vgl. BERGER / BERNHARD-MEHLICH (2002), S. 144. 278 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 64 f. 279 Vgl. BERGER / BERNHARD-MEHLICH (2002), S. 147.
54
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
lieferung von anderen Unternehmen entgehen. So können Unternehmen z.B. mit
den Lieferanten gemeinsam Kosteneinsparungen erzielen.280
E7: Die Ziele von Unternehmen müssen die Erwartungen der Teilnehmer und
somit auch der Lieferanten berücksichtigen, sonst sind Lieferanten nicht zu
einer Zusammenarbeit bereit.
Weiterhin stellt KOPPELMANN einen Bezug des Human-Relations-Ansatzes und der
Koalitionstheorie von CYERT / MARCH zur Beschaffung her. Der Human-Relations-
Ansatz hat zu der Erkenntnis geführt, dass die reale Organisation nicht der eigent-
lich geplanten Organisation entspricht, weil sie von der Bereitschaft der Mitarbeiter
zur Mitwirkung an ihrer Umsetzung abhängt. Menschen bilden in Unternehmen
neben den ihnen vorgegebenen Beziehungen auch private inoffizielle Kontakte zu
anderen Organisationsmitglieder heraus, so dass neben der formalen eine
informale Organisation besteht, die diese beeinflusst. Daneben werden die Ar-
beitszufriedenheit und ihre Auswirkung auf das Verhalten und die Effizienz der
Organisationsmitglieder thematisiert.281 Unternehmen können somit als Koalitionen
verschiedener Individuen und Gruppen mit unterschiedlichen Interessen und Zielen
verstanden werden. Als Mitglieder einer solchen Koalition gelten nicht nur Mit-
arbeiter, Kapital- und Kreditgeber, sondern auch Berater, Kunden und Liefer-
anten.282 Lieferanten sind somit Stakeholder eines Unternehmens.283 Ein Miss-
brauch der Partnerschaft zwischen Unternehmen und Lieferanten kann zu dem
führen, was bei Mitarbeitern als innere Kündigung bezeichnet wird und sich im Fall
des Lieferanten als Qualitätsverschlechterung und mangelnde Lieferzuverlässigkeit
zeigt.284
E8: Lieferanten sind Stakeholder von Unternehmen. Das Missachten von Liefe-
ranteninteressen bei Entscheidungen kann zu verringerter Leistung und Ab-
bruch von Geschäftsbeziehungen führen.
280 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 64-69. 281 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 65-68. 282 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 61 f. und STAHL (2001), S. 5 f. 283 Vgl. STAHL (2001), S. 5 f.
284 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 63 f.
55
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
3.4 Relevanz von Organisationstheorien für die
Beschaffung
Nachdem bereits die beschaffungsspezifischen Erkenntnisse der neuen
institutionenökonomischen Ansätze, des Human-Relations-Ansatzes, der
Entscheidungstheorien, der machttheoretischen Ansätze, des Ressource Based
View und des situativen Ansatzes betrachtet wurden, soll nun anhand der
Relevanzkriterien aus Kapitel 3.2 dargelegt werden, welche weiteren Theorien aus
Darstellung 3-1 beschaffungsrelevant sind. Die betrachteten Theorien werden an
dieser Stelle nur sehr verkürzt dargestellt. Die Ausführungen erheben keinen
Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen lediglich die Beweggründe für die
Bewertung als relevant bzw. irrelevant, im Sinne der aufgestellten Auswahl-
kriterien, begründen. Die Auswahlkriterien gelten folgend als hinreichende Kriterien
für die Beschaffungsrelevanz von Organisationstheorien. Leisten Theorien zu
keinem der Kriterien Empfehlungen, so sind sie für die weitere Betrachtung ir-
relevant.
Der Bürokratieansatz thematisiert die Frage, wie Menschen geführt werden
können, mit dem Anspruch Organisationen rational zu gestalten.285 Bürokratie ist
hierbei eine Form der Herrschaft bzw. Führung. Sie wird anderen Herrschafts- und
Führungsformen gegenüber als überlegen angesehen, weil in einer Bürokratie
auch für die Führenden Regeln gelten und die Führungsrolle nicht personen-
gebunden ist.286
Das Scientific Management betrachtet Organisationen als Aufgabenerfüllungs-
systeme. Ordnung wird planvoll konstruiert und technisch durchdacht, mit dem
Ziel durch effizientere Abläufe Ressourcen zu schonen und die Leistung von
Produktionsstätten zu steigern.287
Bei der Administrationstheorie handelt es sich um eine Theorie, die auf der Er-
kenntnis aufbaut, dass in einem Unternehmen unterschiedliche Funktionen auf-
treten. Diese Funktionen werden von unterschiedlichen Mitgliedern einer Organisa-
tion ausgeführt und die Administration bzw. Verwaltung soll die Organisation
dieser Funktionen, also der Arbeitsteilung und ihrer Koordination, leisten. Hierfür
gibt die Administrationstheorie Optimierungsratschläge.288
Sowohl der Bürokratieansatz, als auch das Scientific Management und die Admi-
nistrationstheorie beschäftigen sich nicht mit den als beschaffungsrelevant
erarbeiteten Kriterien und sind somit für die weiteren Betrachtungen irrelevant.
Für die Systemtheorie sind Unternehmen Systeme, die aus Elementen und
Beziehungen zwischen ihren Elementen und der Umwelt bestehen. Die Struktur
eines Systems ist hierbei so komplex, dass keine einfachen Ursache-Wirkungs-
285 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 43 f.; WOLF (2003), S. 51 f. und KIESER (2002a), S.46-51. 286 Vgl. WOLF (2003), S. 53-54. 287 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 56-58 und WOLF (2003), S. 66 f. 288 Vgl. WOLF (2003), S. 78 f.
56
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Beziehungen bestehen und Systeme holistisch als Ganzes betrachtet werden
müssen.289 Charakteristisch ist für die Systemtheorie auch das Denken in einer
hierarchischen Struktur. Unternehmen bestehen als Systeme aus Subsystemen,
wie z.B. Unternehmensbereichen oder Abteilungen. Andererseits ist ein System
Teil eines größeren Systems, seiner Umwelt.290 Damit werden Unternehmen nicht
isoliert betrachtet, wie im Bürokratieansatz oder strukturalistischen Ansatz,
sondern sind offen zu ihrer Umwelt und stehen mit dieser in einem dynamischen
Austauschverhältnis.291
Die Systemtheorie fordert durch ihren holistischen Ansatz die Berücksichtigung
unternehmensexterner Elemente, wie Lieferanten und Beschaffungsmärkte. Sie
gibt hierzu allerdings keine konkreten Ansätze, sondern verändert lediglich den
Blickwinkel auf und das Verständnis von Unternehmen.
Im evolutionstheoretischen Ansatz werden Organisationen nicht als rational ges-
taltet, sondern als von ihrer Umwelt geformt angesehen.292 Manager von Unter-
nehmen erzeugen, in Analogie zur biologischen Evolutionstheorie,293 Variationen
von Unternehmensgestaltungen. Die Umwelt erzeugt durch ihre Anforderungen an
Unternehmen einen selektiven Druck und fördert somit die Ausprägung von Un-
ternehmensstrukturen, die an diese Anforderungen angepasst sind.294
Geht man nun davon aus, dass Unternehmen sich nicht verändern, weil sie träge
sind, wohingegen sich ihre Umwelt schnell verändert, so versucht der evolutions-
theoretische Ansatz zu erklären, warum einige Unternehmen florieren und
wachsen, während andere zu Grunde gehen.295 Geht man von evolutionsfähigen
Unternehmen aus, geht der evolutionstheoretische Ansatz der Frage nach, warum
und wie Unternehmen sich verändern.
Wie Unternehmen sich in einer schnell wandelnden Umwelt anpassen können, ist
die Kernfrage der Selbstorganisationstheorie. Die Selbstorganisationstheorie geht
davon aus, dass sich in Unternehmen, wie in der Natur, unter bestimmten
Bedingungen eine Ordnung spontan bilden kann. Dies geschieht durch die Inter-
aktion zwischen Elementen in Systemen und muss genutzt, gefördert oder auch
kanalisiert werden.296 Die Theorie der Selbstorganisation und der evolutions-
theoretische Ansatz bauen auf der Systemtheorie auf und werden teilweise als ihre
Weiterentwicklung erachtet.297 Für die weiteren Betrachtungen sind jedoch alle
drei irrelevant, da sie keines der aufgestellten Kriterien explizit behandeln.
289 Vgl. WOLF (2003), S. 128-131. 290 Vgl. VAHS (2001), S. 35. 291 Vgl. WOLF (2003), S. 136. 292 Vgl. WOLF (2003), S. 287. 293 Die Theorie nach DARWIN wird an dieser Stelle nicht näher erläutert, vertiefend siehe DARWIN
(1859). Vgl. auch BEA / GÖBEL (2002), S. 150 f. 294 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 149-151. 295 Hierbei handelt es sich um den populationsökologischen Ansatz nach HANNAN und FREEMAN.
Vgl. z.B. HANNAN / FREEMAN (1984). 296 Vgl. GÖBEL (1998), S. 295 ff.
297 Vgl. KIESER (1998), S. 337. Wie in Darstellung 3-1 zu erkennen ist, fasst KIESER beide Theorien unter einer Überschrift als evolutionstheoretische Ansätze zusammen. Vgl. KIESER (2002b), S. 275-285.
57
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Im strukturalistische Ansatz sind, wie im Ansatz des Scientific Managements,
Unternehmen Aufgabenerfüllungssysteme.298 Hierbei steht die Aufgabe eines
Unternehmens bereits fest.299 Es wird die optimale organisatorische Gestaltung im
Sinne der Unternehmensaufgabe angestrebt. Da bei diesem Ansatz nur die orga-
nisatorische Gestaltung angestrebt wird und er sich daher nur auf die innere
Struktur von Unternehmen bezieht, entspricht er keinem der aufgestellten Kriterien
und wird hier nicht weiter verfolgt.
Der Informationsverarbeitungsansatz geht davon aus, dass Unternehmen eine
Informationsverarbeitungskapazität benötigen, die ihrem Informationsver-
arbeitungsbedarf entspricht. Eine Information ist hierbei zweckorientiertes
Wissen aus der Fülle von zur Verfügung stehenden Daten. Menschen und Unter-
nehmen sind Informationsverarbeitungseinheiten, die die für ihre Ent-scheidungen
relevanten Informationen aus den vorhandenen Daten filtern und interpretieren
müssen. Ziel ist es für den Informationsverarbeitungsbedarf, der sich aus Unsi-
cherheiten der Entscheindungssituation und individuellen Wahr-
nehmungsunterschieden ergibt, eine Informationsverarbeitungskapazität in Form
von z.B. Aufgabeneingrenzungen, formellen Regelungen oder Kommunikation mit
anderen Personen zu schaffen.300 Der Informationsverarbeitungsansatz ist somit
entsprechend der Kriterien Informationserlangung und –verarbeitung sowie Ent-
scheidungsfindung für die Beschaffung relevant.
Der interpretative Ansatz geht davon aus, dass Menschen mit ihren Sinnen die
Realität nicht erfassen können, sondern sich lediglich Abbilder und Vorstellungen
der Realität konstruieren.301 Handlungen entstehen aus Bedeutungen und Inter-
pretationen. Die objektive organisatorische Wirklichkeit hat, aufgrund der
Subjektivität der handelnden Akteure, eine nur geringe Bedeutung bei der
Betrachtung von Organisationsprozessen.302 Da sich der interpretative Ansatz mit
der Subjektivität von Wahrnehmung und Handlung beschäftigt, kann er Erkennt-
nisbeiträge zur Entscheidungsfindung und Informationserlangung und -
verarbeitung geben und wird als relevant für die vorliegende Betrachtung einge-
schätzt.
Beim institutionalistischen Ansatz stehen Institutionen im Zentrum der Betrach-
tung. Eine Institution ist eine dauerhafte Ordnung bzw. Regelung und wird im Hin-
blick auf den Prozess der Institutionalisierung betrachtet. Der Institutionsbegriff
geht hierbei weiter als der Unternehmensbegriff, da auch Akteure aus dem Umfeld
von Unternehmen, die zu diesen in Beziehungen stehen oder Ansprüche an sie
stellen, zu ihm gehören. Institutionen werden als eingebettet in ein soziales Um-
feld verstanden, so dass die öffentliche Meinung Einfluss auf das Verhalten von
Institutionen hat. Unternehmen verhalten sich so, wie ihre Umwelt es erwartet, um
die eigenen Handlungen zu legitimieren. Dadurch wird nicht nur die ökonomische 298 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 74. 299 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 81. 300 Vgl. WOLF (2003), S. 235-247. 301 Vgl. WOLF (2003), S. 368-371. 302 Vgl. WOLF (2003), S. 377.
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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Notwendigkeit, sondern auch die Rechtmäßigkeit von Handlungen wichtig und die
reine Effizienzorientierung relativiert.303 Somit ist auch der institutionalistische An-
satz relevant, da er Hinweise über die Beziehung von Unternehmen zu ihren
Lieferanten und das Verhalten von Lieferanten geben kann.
Darstellung 3-7: Bewertung der Relevanz von Organisationstheorien für die Beschaffung
Bürokratieansatz - - - - - - -Scientific Management - - - - - - -Administrativer Ansatz - - - - - - -Human-Relations-Ansatz - - + + - - -Entscheidungstheorien - - - - - + +
Neue institutionenökonomische Ansätze + + + + + - -Machttheoretischer Ansatz - + + + + - -Systemtheorie - - - - - - -Evolutionstheoretischer Ansatz - - - - - - -Selbstorganisationstheorie - - - - - - -Ressource Based View + - - - + - -Situativer Ansatz - + + - - - -Strukturalistischer Ansatz - - - - - - -Informationsverarbeitungsansatz - - - - - + +
Interpretativer Ansatz - - - - - + +
Institutionalistischer Ansatz - - + + - - -
Kriterien der Beschaffungsrelevanz
Organisationstheorien Bez
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Quelle: Eigene Darstellung.
Darstellung 3-7 zeigt eine Übersicht der betrachteten Theorien und der unter-
suchten Kriterien der Beschaffungsrelevanz. Die Theorien, die für ein oder mehrere
Merkmale als relevant eingestuft wurden, sind hervorgehoben. Dies sind der
Human-Relations-Ansatz, die Entscheidungstheorien, die neuen institutionen-
ökonomischen Ansätze, der machttheoretische Ansatz, der Ressource Based
View, der situative Ansatz, der Informationsverarbeitungsansatz, der interpretative
Ansatz und der institutionalistische Ansatz.
303 Vgl. WOLF (2003), S. 391-395.
59
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
3.5 Weitere Erkenntnisse beschaffungsrelevanter
Organisationstheorien
In den vorausgegangenen Darstellungen der organisations-theoretischen
Aspekte in der Beschaffungsliteratur wurden neben Erkenntnissen der neuen
institutionenökonomischen Ansätze und der machttheoretischen Ansätze bereits
Informationen als Quelle von Macht oder als Teil opportunistischen Verhaltens
thematisiert. Daher werden zunächst noch einige Ergänzungen zum Informations-
verarbeitungsansatz angeführt.
Beim Kauf eines Objektes treten exogene und endogene Unsicherheiten bezüglich
der vorhandenen Informationen auf. Exogene Unsicherheiten betreffen z.B. mög-
liche Unglücke, das Wetter, neue Erfindungen und Moden, die alle die Voraus-
setzungen für einen Kauf beeinflussen können. Endogene Unsicherheiten sind z.B.
die Qualität, versteckte Kosten und die Gewinnspanne des Verkäufers bezogen
auf das Beschaffungsobjekt.304 Diese Informationsdefizite des Käufers können
durch Informationsübertragung oder Informationsbeschaffung verringert werden.
Die aktive Informationsbeschaffung eines Unternehmens wird als Screening be-
zeichnet. Werden bei der Informationsübertragung von einem Unternehmen, das
über Informationen verfügt, diese anderen zugänglich gemacht, so handelt es sich
um Signaling.305
Darstellung 3-8 zeigt die Marktinformationsmatrix nach KAAS, die die Möglich-
keiten eines Informationstransfers zwischen Nachfrager und Anbietern, zwischen
Anbietern und Anbietern sowie Nachfragern und Nachfragern abbildet. Bei den
Feldern eins, drei, fünf und sieben in Darstellung 3-8 handelt es sich um
Screening, bei den Feldern zwei, vier, sechs und acht um Signaling. Signaling wird
in diesem Zusammenhang als bewusste Ankündigung einer ungewissen Handlung
verstanden und beinhaltet somit immer die Möglichkeit eines Bluffs,306 wohingegen
dies beim Screening nicht möglich ist.307
304 Vgl. KAAS (1990), S. 541. 305 Vgl. KAAS (1991), S. 359. 306 Vgl. GRAUMANN (1994), S. 145. Voraussetzung hierbei ist eine asymmetrische Informationsver-
teilung, vgl. KAAS (1990), S. 543. 307 Vgl. KAAS (1990), S. 543.
60
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Darstellung 3-8: Marktinformationsmatrix
beschafft Informationen über …
1 Marktforschung, Konsumenten-forschung
3 Konkurrenz- erforschung, Spionage, Kollusion
überträgt Informationen an …
2 Produktqualität, Werbung, Reputa-tion, Garantien
4Bluffen, falsche Signale, Kollusion
beschafft Informationen über …
5 Mitläufertum, Imitation, Referenzen
7 Preisvergleiche, Qualitätsvergleiche, Shopping
überträgt Informationen an …
6 Meinungsführung, demonstrativer Konsum
8 Signale der Zahlungsfähigkeit, Zuverlässigkeit
Nachfrager
Passive RolleNachfrager Anbieter
Aktive Rolle
Anbieter
Quelle: KAAS (1991), S. 360.
Prinzipiell ist alles, was von Marktteilnehmern auf Märkten wahrgenommen werden
kann, eine potentielle Information und hängt als solche von der jeweiligen Inter-
pretation ab. So kann z.B. einer Werbung unterstellt werden, dass der Werbende
nur positive Informationen betont, eine geplante Umstrukturierung eines Unter-
nehmens kann als positiv oder negativ interpretiert werden und ein Dementi einer
Information kann sogar als deren Bestätigung aufgefasst werden.308 Entscheidend
für die Beschaffung ist daher die Möglichkeit Informationen zu überprüfen, um
Unsicherheiten zu reduzieren. KAAS unterteilt hierbei die Beschaffungsobjekte in
Abhängigkeit von der Komplexität der vorliegenden Angebote in Such-,
Erfahrungs- und Vertrauensgüter. Bei Suchgütern kann der Nachfrager durch
Suchen am Markt und Inspektion die Eigenschaften eines Objekts vor dem Kauf
prüfen. Erfahrungsgüter enthüllen ihre Eigenschaften nur durch Ausprobieren und
bei Vertrauensgütern kann das nachfragende Unternehmen die Eigenschaften,
z. B. die biodynamische Aufzucht von Gemüse gar nicht überprüfen, weil die
Kosten des Überprüfens unendlich hoch sind.309 Somit kann im Fall einer
asymmetrischen Informationsverteilung auf einem Markt ein Unternehmen nicht in
jedem Fall die notwendigen Informationen über ein zu beschaffendes Objekt
erlangen und ist zum Teil auf die Ehrlichkeit der Anbieter angewiesen. Hier liegt
eine inhaltliche Nähe und teilweise Überschneidung mit dem interpretativen Ansatz
vor.
Der interpretative Ansatz betont, dass Erkenntnisse nicht einzelfallübergreifend
sein sollen, sondern auf den Einzelfall gerichtet. Dementsprechend sollen
qualitative Aussagen angestrebt werden, die auf der Sicht der Organisations-
mitglieder und ihrer subjektiven Interpretation der Organisation beruhen. Hierzu ist
eine Berücksichtigung der historischen Entwicklung von Handlungen und die Ent-
308 Vgl. KAAS (1991), S. 358.
309 Vgl. KAAS (1990), S. 542 f.
61
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
wicklung und Veränderung von Alltäglichem notwendig, wobei auch immer der
Einfluss des Betrachtenden auf die Erkenntnisse berücksichtigt werden muss.310
Hier sei auf die Untersuchung von Entscheidungsanomalien verwiesen. Diese
widerlegen die Annahme Menschen verhielten sich rein rational.311 So entscheiden
sich Menschen in zwei aufeinander folgenden Entscheidungssituationen, die un-
terschiedlich sind aber den gleichen zu erwartenden Nutzen repräsentierten, in
Versuchen mehrheitlich unterschiedlich. Das heißt, dass sie sich in unterschied-
lichen Situationen mal für und mal gegen eine Alternative entschieden, die für sie
stets den gleichen zu erwartenden Nutzen repräsentierte. Dies wäre bei einer rein
rationalen Entscheidung nicht möglich. Weiterhin hängen die Entscheidungen
auch davon ab, wie die Entscheidungssituation dargestellt wird. Das heißt, dass
die Art und der Zusammenhang in dem rational identische Informationen darge-
stellt werden die Entscheidung beeinflussen. Schließlich bewerten Menschen den
Preis für ein Objekt unterschiedlich in Abhängigkeit von der Frage, ob sie es
kaufen oder verkaufen. So forderten Menschen in Laborexperimenten deutlich
mehr Geld um sich von Gütern zu trennen, als sie für dessen Kauf bereit wären
auszugeben.312
E9: Auf Märkten mit unvollkommener Informationsverteilung kann ein Unterneh-
men keine Sicherheit über die Richtigkeit aller notwendigen Informationen
oder ihrer Bewertung erlangen. Informationen hängen von der Ehrlichkeit
der Lieferanten und der Interpretation des kaufenden Unternehmens ab.
Dies kann beim Vorliegen einseitiger Informationen und unter der Annahme einer
rationalen Entscheidung sogar zu einer Unmöglichkeit des Zustandekommens
einer Geschäftsbeziehung führen.313
Der institutionalistische Ansatz fasst den Begriff Institution im Hinblick auf den
Prozess der Institutionalisierung auf. Eine Institution ist eine dauerhafte Ordnung
bzw. Regelung. Somit sind alle formalen Regeln eines Unternehmens, also die
Unternehmensorganisation, Institutionen. Darüber hinaus werden aber auch alle
sozial bestimmten Verhaltensmuster als Institutionen begriffen.314 Diese aus dem
Umfeld bestimmten Verhaltensmuster beruhen z.B. auf der Meinung der Öffent-
lichkeit oder der Einflussnahme von Partnerunternehmen. Die Erwartungen der
Unternehmensumwelt werden hierbei berücksichtigt, um das Verhalten zu
legitimieren. Die Unternehmensumwelt steht in diesem Zusammenhang bei Unter-
nehmensentscheidungen als Einflussfaktor neben der Effizienzorientierung und
relativiert diese.315 Der institutionalistische Ansatz konnte zeigen, dass Verhalten
oft nicht von rationalen Überlegungen der Effizienz, sondern vielfach von Erwar-
310 Vgl. WOLF (2003), S. 377-380. 311 Vgl. EICHENBERGER / FREY (1990), S. 270. 312 Die genannten Anomalien sind das Alias-Paradox, der Framing-Effect und der Endowment-
Effect, vgl. EICHENBERGER / FREY (1990). Siehe auch HERRMANN / BAUER / HUBER (1997). 313 Die grundlegenden Annahmen die dieser Erkenntnis zu Grunde liegen, sollen in diesem Zu-
sammenhang nicht weiter vertieft werden. Weiterführend siehe SCHMITZ (2003). 314 Vgl. WOLF (2003), S. 389-391. 315 Vgl. GRANOVETTER (2000), S. 191 f.
62
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
tungen gesteuert wird, die z.B. zu Isomorphismus führen. Isomorphismus bedeu-
tet, dass z.B. in einer Branche316 sich ein Verhalten, wie eine Qualitäts-
managementzertifierung durchsetzt, auch wenn dies mit rationaler Effizienz-
orientierung nicht erklärt werden kann. Die verschiedenen Unternehmen werden
sich hierbei immer ähnlicher (isomorph). Man müsste jedoch annehmen, dass
wenn Unternehmen sich unterscheiden, sich auch der effiziente Nutzen von Maß-
nahmen bei ihnen Unterscheidet und zu Unterschieden und nicht zu
Isomorphismus führen müsste.317 Wie stark der Einfluss aus der institutionellen
Umwelt ist, hängt nach SCOTT hierbei auch davon ab in welcher Branche und
damit welcher Umweltkonstellation ein Unternehmen agiert. So ist der Einfluss, der
aus dem Unternehmensumfeld, bzw. der Gesellschaft auf Unternehmen einwirkt,
bei Unternehmen der Versorgungsbranche, Schulen, Krankenhäusern und Phar-
mazie, stärker als bei Fitnessklubs oder Unternehmen des produzierenden Ge-
werbes.318 Schließlich sind Unternehmen so komplexe Gebilde, dass sich Verhal-
tensweisen nicht immer von der Unternehmensleitung durchsetzen lassen, son-
dern auf den einzelnen hierarchischen Ebenen durch den Handlungsspielraum der
Mitarbeiter verändert werden. 319 Hierbei wirken wiederum soziale Einflüsse auf die
Mitarbeiter, wie z.B. persönliche Überzeugungen oder persönlicher Kontakt zu
den Mitarbeitern von Lieferanten.320
Für den Bereich der Beschaffung ergeben sich hieraus folgende Implikationen:
E10: Entscheidungen können in der Beschaffung nicht rein nach Effizienzkriterien
getroffen werden, da sie dann im Unternehmen möglicherweise nicht
durchsetzbar wären. Entscheidungen unterliegen einem einflussnehmenden
Druck aus der Unternehmensumwelt.
Dies kann bedeuten, dass Aufträge aus Gewohnheit immer an gleiche Lieferanten
vergeben werden oder an Lieferanten deren Verkäufer besonders gute Beziehun-
gen zum verantwortlichen Einkäufer unterhalten.321 Aber auch Anforderungen von
Kunden, Mitarbeitervertretern, Umweltverbänden oder dem Gesetzgeber als
Stakeholder im Unternehmensumfeld können Einfluss auf das Beschaffungs-
verhalten haben.
316 Es wird in diesem Zusammenhang von organisationalem Feld gesprochen. Ein Organisations-
umfeld ist dadurch gekennzeichnet, dass in ihm ähnliche Kräfte, wie z.B. gleiche Lieferanten, Kunden, Ressourcen, Produkte oder Regulierungsbehörden, wirken. Vgl. DIMAGGIO / POWELL (2000), S. 149.
317 Vgl. DIMAGGIO / POWELL (2000), S. 151-161. 318 Vgl. SCOTT (1987). 319 DIMAGGIO / POWELL (2000), S. 168. 320 GRANOVETTER (2000), S. 191 f.
321 Vgl. GRANOVETTER (2000), S. 192 f.
63
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
3.6 Krisenpotenziale bestehender
Beschaffungsstrategien
An dieser Stelle werden aus den gewonnenen theoretischen Erkenntnissen
Bezüge zu den Krisenpotenzialen der Beschaffung, die in Kapitel 2.5 dargestellt
wurden, hergestellt und auf die vier Normstrategien aus Kapitel 2.4 übertragen.
Es konnte in den dargestellten Erkenntnissen der Organisationstheorien nachge-
wiesen werden, dass ein aggressives Agieren am Beschaffungsmarkt, wie es die
Strategie des Abschöpfen bzw. Marktpotenzial nutzen/ausschöpfen ist,
opportunistische Reaktionen von Lieferanten fördert (E2) und Lieferanten aufgrund
von Informationsunvollkommenheiten auch die Möglichkeiten zu opportunisti-
schem Verhalten haben (E9). Es fördert darüber hinaus geringere Leistungs-
bereitschaft der Lieferanten und ggf. den Abbruch der Lieferbeziehungen (E7, E8).
Die so vorgehenden Unternehmen können die entsprechenden Ressourcen der
Lieferanten als Quelle möglicher Wettbewerbsvorteile verlieren (E6). Auch sind
Unternehmen, die ohne eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten agieren,
anfälliger gegen Veränderungen durch eine komplexe Umweltsituation, Un-
sicherheiten oder Probleme, die sich aus einer hohen Spezifität der Beschaffungs-
objekte ergeben (E1). Auch ist ein solches Verhalten nicht durchsetzbar, wenn es
von Lieferanten oder Stakeholdern aus der Unternehmensumwelt sanktioniert
wird (E10).
Unternehmen werden somit bei der Strategie des Abschöpfens besonders
krisenanfällig, wenn Fehler in der eigenen Bedarfsplanung, Disposition oder Ein-
schätzung der Marktanforderungen auftreten, die nur durch die Mithilfe der Liefe-
ranten bewältigt werden können. Auch ist es denkbar, dass ein Lieferant die
Qualität der Beschaffungsobjekte herabsetzt oder an der Grenze der eigenen
Leistungsbereitschaft produzieren muss, um rentabel zu sein. Dies erhöht die
Anfälligkeit für Fehlmengen und Qualitätsprobleme bei den Lieferanten. Im Extrem-
fall führt der Kostendruck auf die Lieferanten zur Insolvenz und somit zum Ausfall
der Beschaffungsobjekte. Die Gefährdung durch eine Lieferanteninsolvenz oder
den Verlust eines Lieferanten hängt hierbei jedoch von der Anzahl der Lieferanten
ab und wird dadurch relativiert, dass die Abschöpfungsstrategie auf standardisier-
te Beschaffungsobjekte angewendet werden soll und hier eine große Zahl an
Lieferanten zur Verfügung steht. Schließlich können Chancen die sich auf Absatz-
märkten ergeben gegebenenfalls nicht genutzt werden, weil die Lieferanten des
Unternehmens nicht zur Kooperation bereit sind.
Da Lieferanten zusammen mit dem kaufenden Unternehmen Ressourcen, die
nicht imitierbar, nicht substituierbar, nutzenstiftend am Markt und spezifisch sind,
erschaffen können (E6), verlieren Unternehmen, die die Normstrategie Diversifizie-
ren bzw. Verfügbarkeit gewährleisten/Sicherstellen verfolgen dieses Potenzial für
mögliche Wettbewerbsvorteile. Das Streben sich von Lieferanten unabhängig zu
machen führt dazu, dass das entsprechende Unternehmen bei der Schaffung von
64
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Ressourcen im Sinne des Ressource Based View alleine agiert und setzt in Ab-
hängigkeit vom beschafften Objekt die erreichbare Qualität herab. Unternehmen,
die ohne eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten agieren sind anfälliger gegen
Veränderungen durch eine komplexe Umweltsituation, Unsicherheiten oder Prob-
leme, die sich aus einer hohen Spezifität der Beschaffungsobjekte ergeben (E1).
Weiterhin konnte dargelegt werden, dass die Bereitschaft von Lieferanten zur
Erbringung einer Leistung sinkt und die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Ver-
haltens steigt, wenn absehbar ist, dass eine Geschäftsbeziehung nicht auf Dauer
bestehen soll (E2, E7). Da Lieferanten auch die Möglichkeit opportunistischen Ver-
haltens haben (E9), birgt diese Strategie erhöhte Gefahren durch Fehler in der Be-
darfsplanung bzw. Disposition, Fehlern in der Einschätzung der Marktanforder-
ungen, Fehlern in der Auftragsbearbeitung des Lieferanten, bei Qualitäts-
problemen und bei verändertem Mengenbedarf auf den Absatzmärkten, da das
Unternehmen hierbei keine Unterstützung durch Lieferanten erfährt. Sie reduziert
jedoch die Gefährdung durch die Insolvenz eines Lieferanten oder Rohstoff-
verknappungen, da die Unternehmen in keiner Abhängigkeit zu den Lieferanten
stehen. Im Bezug auf eine globale Rohstoffverknappung ist diese Reduzierung der
Abhängigkeit jedoch nicht möglich.
Die Normstrategie Wertschöpfungspartnerschaft bzw. technische Zusamme-
narbeit beinhaltet nach den dargestellten theoretischen Erkenntnissen die
Problematik, dass sie langfristig angelegt sein muss (E3), da ein absehbares Ende
der Geschäftsbeziehung spieltheoretisch zu opportunistischem nutzen-
maximierendem Verhalten führen würde. Auch die Abhängigkeit von Lieferanten in
einer engen Zusammenarbeit, die durch starke vertikale Integration der Lieferanten
in die eigene Wertschöpfung entsteht (E4), kann zu Krisen führen. Generell kann
eine solche Strategie nur funktionieren, wenn die Unternehmen bereit sind die
Interessen der Lieferanten ausreichend zu berücksichtigen (E2, E7, E8). Somit birgt
diese Strategie durch die starke Bindung an die Lieferanten hohe Gefahren bei der
Insolvenz eines Lieferanten, reduziert jedoch die Gefahr einen Lieferanten ander-
weitig zu verlieren. Sie reduziert weiterhin die Gefährdung bei Fehlern in der Be-
darfsplanung bzw. Disposition, Fehlern in der Einschätzung der Marktanforderun-
gen, Fehlern in der Auftragsbearbeitung des Lieferanten, bei Qualitätsproblemen,
bei verändertem Mengenbedarf auf den Absatzmärkten und neuen Qualitätsan-
forderungen durch die Absatzmärkte, da Lieferanten die Unternehmen bei der
Lösung dieser Herausforderungen unterstützen.
Bei der Normastrategie Effizient beschaffen/abwickeln, können die entsprechen-
den Ressourcen der Lieferanten als Quelle möglicher Wettbewerbsvorteile nicht
genutzt werden (E6) und die Unternehmen sind anfälliger gegen Veränderungen,
die durch eine komplexe Umweltsituation, Unsicherheiten oder Probleme, die sich
aus einer hohen Spezifität der Beschaffungsobjekte ergeben, entstehen (E1). Somit
birgt diese Strategie hohe Gefahren bei Fehlern in der Bedarfsplanung bzw.
Disposition, Fehlern in der Einschätzung der Marktanforderungen, Fehlern in der
65
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Auftragsbearbeitung des Lieferanten, bei Qualitätsproblemen, durch den Verlust
eines Lieferanten oder eine Lieferanteninsolvenz, bei verändertem Mengenbedarf
auf den Absatzmärkten und neuen Qualitätsanforderungen durch die Absatz-
märkte, da die Unternehmen ohne die Hilfe von Lieferanten bei der Bewältigung
dieser Herausforderungen auskommen müssen. Dies ist im Desinteresse des
kaufenden Unternehmens an den Lieferanten und der übrigen Unternehmens-
umwelt begründet.
Darstellung 3-9 visualisiert die potentiellen Krisensituationen der betrachteten Be-
schaffungsstrategien.
Darstellung 3-9: Potentielle Krisensituationen
Krisenursache
Fehler in der Bedarfsplanung oder Disposition
Fehler in der Einschätzung der Marktanforderungen
Fehler in der Auftrags-bearbeitung der Lieferanten
Qualitätsmängel
Verlust eines Lieferanten
Insolvenz eines Lieferanten
Veränderter Mengenbedarf auf den Absatzmärkten
Neue Qualitätsanforderungen der Absatzmärkte
Forderungen von Stakeholdern (Staat, Gesellschaft, NGO`s, Gewerkschaften)
Rohstoffverknappung
Naturkatastrophen
Diversifi-zieren
Ab-schöpfen
Zusammen-arbeit
Effizient beschaffen
Krisenpotential: gering / neutral / hoch gering / neutral / hoch gering / neutral / hoch gering / neutral / hoch
Quelle: Eigene Darstellung.
Es zeigt sich, dass zum einen die Zusammenarbeit mit Lieferanten die Gefährdung
durch Änderungen der Bestellung, die auf Fehlern des bestellenden Unter-
nehmens oder des Lieferanten beruhen und Veränderungen in der Umwelt des
Unternehmens, die von Stakeholdern oder Kunden induziert werden, herabsetzten
kann. Die Strategie Diversifizieren wiederum reduziert die Gefährdung durch
Lieferantenausfälle insbesondere durch Lieferanteninsolvenzen. Eine besonders
hohe Gefährdung liegt bei den Strategien Effizient Beschaffen und Abschöpfen
vor. Beim Effizienten Beschaffen liegt dies im Desinteresse des Kunden begründet,
der das entsprechende Beschaffungsgut als so unerheblich für das eigene Unter-
nehmen bzw. die eigenen Kunden einstuft, dass diese Gefährdung hingenommen
werden kann um Verwaltungskosten zu sparen. Anders ist es beim Abschöpfen,
66
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
hierbei ist die Bedeutung der entsprechenden Beschaffungsobjekte gegeben, die
Gefährdung wird jedoch bewusst eingegangen, da die erwateten Kostenein-
sparungen entsprechend hoch sind.
Unternehmen können also in Abwägung des resultierenden Nutzens und der
potentiellen Gefährdungen für die identifizierten potentiellen Krisensituationen eine
entsprechende Strategie wählen. Ausgenommen sind hierbei die Gefährdung
durch Naturkatastrophen, globale Rohstoffverknappungen und Forderungen, die
von Stakeholdern, wie dem Staat, der Gesellschaft, Gewerkschaften und Non
Government Organisations (NGO`s), an die Unternehmen herangetragen werden.
Eine Ausnahme ist die Diversifikation, die eingeschränkt die Gefährdung durch
eine Rohstoffverknappung reduziert. Dies jedoch nur so weit die Rohstoffver-
knappung nicht global ist bzw. die Rohstoffe sich substituieren lassen.
Schließlich sei hierzu noch kritisch angemerkt, dass, wie im zweiten Kapitel ausge-
führt, keine empirischen Belege für Krisenursachen in der Beschaffung angeführt
werden konnten.322 Damit kann die Relevanz der einzelnen Krisenursachen nicht
ermittelt werden, die einzelne Krisenpotenziale in Relation zu den übrigen Krisen-
potenzialen stellen. Allerdings kann aus den ebenfalls im zweiten Kapitel darge-
stellten Zielen der Beschaffung teilweise ein Anhaltspunkt für die Bedeutung dieser
identifizierten Schwäche bestehender Beschaffungsstrategie abgeleitet werden,323
da hier eine Parallelen zu den beschaffungstheoretischen Überlegungen von
KOPPELMANN und HAMMANN / LOHRBERG besteht. Diese haben bereits vorge-
schlagen aus Ansprüchen an Unternehmen und deren Abhängigkeiten von Stake-
holdern das Gemeinwohl bzw. das Firmenimage als Beschaffungsziele in ihre je-
weiligen Zielsysteme integriert.324 Somit wird bei diesen Autoren implizit die Be-
deutung von Stakeholdern, wie dem Staat, der Gesellschaft, Gewerkschaften und
Non Government Organisations (NGO`s), für die Beschaffung als gegeben
gesehen.
322 Siehe Kapitel 2.5. 323 Siehe Kapitel 2.3. 324 Siehe Kapitel 2.3 und vgl. die Ausführungen bei KOPPELMANN (2000), S. 106-124
und HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 47-49.
67
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
4. Beschaffungsstrategien und
Nachhaltiges Management
Das vierte Kapitel stellt zunächst den Stand der wissenschaftlichen Diskus-
sion zur Nachhaltigen Entwicklung dar und leitet hieraus ab, welche Ansatzpunkte
eines Nachhaltigen Managements in der Beschaffung denkbar sind. Schließlich
wird aus den Möglichkeiten eines Nachhaltigen Managements in der Beschaffung
kritisch deren möglicher Beitrag zur Vermeidung von Unternehmenskrisen disku-
tiert.
4.1 Auffassungen einer Nachhaltigen Entwicklung
Der Begriff Nachhaltigkeit stammt, wie bereits in Kapitel 1.1 erwähnt, ur-
sprünglich aus der Forstwirtschaft. Er steht für eine zukunftsfähige Waldbewirt-
schaftung und bedeutet, dass dauerhaft in der Waldwirtschaft nur dann Erträge
erzielt werden können, wenn nicht mehr Bäume geschlagen werden als nach-
wachsen. Nachhaltigkeit bedeutet also den Wald als Kapitalstock für zukünftige
Erträge zu erhalten. Ausgehend von der Forstwirtschaft wurde die Nachhaltigkeit
auf andere nachwachsenden Ressourcen übertragen.325
Die Bezeichnung Nachhaltige Entwicklung bzw. sustainable Development wurde
erst in den 1980er von der WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT
geprägt.326 Diese definierte eine Nachhaltige Entwicklung als inter- und intra-
generative Gerechtigkeit.327 Damit hat der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung,
zusätzlich zur bereits bei der Nachhaltigkeit vorhandenen ökonomischen und öko-
logischen, eine soziale Perspektive.328 Zum Begriff der Nachhaltigen Entwicklung
existieren allerdings eine Vielzahl an Definitionen und noch kein einheitlicher
Konsens.329 Ausgehend von der prägenden Definition der WORLD COMMISSION ON
ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT kann allerdings festgehalten werden, dass eine
Gleichsetzung von Nachhaltigkeit und Nachhaltiger Entwicklung, bzw. eine Redu-
zierung der Nachhaltigen Entwicklung auf ökologische Aspekte, nicht dem
ursprünglichen Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung entspricht.
Die Frage, wie ökonomische, ökologische und soziale Ziele zu einer Nachhaltigen
Entwicklung zusammengefasst werden und ineinander integriert werden können,
hat zu verschiedenen Konzepten geführt. Ein Konzept versucht den Gedanken der
325 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 39 f. und PITTEL (2004), S. 537. 326 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 40; MÜLLER-CHRIST (2001), S.48; PITTEL (2004), S. 537 und SCHMID
(1999), S. 285. 327 Vgl. WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT (1987), S. 43. 328 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 42; MÜLLER-CHRIST (2001), S. 55; PITTEL (2004), S. 537 und SCHMID
(1999), S. 286. 329 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 38 und PITTEL (2004), S. 537. Siehe auch die Zusammenstellungen
verschiedener Definitionen bei MÜLLER-CHRIST (2001), S. 51 f. und SCHMID (1999), S. 285.
68
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Nachhaltigen Entwicklung in ein neoklassisches Wirtschaftsmodell zu integrieren.
Bereits 1977 hatte HARTWICK mathematisch die langfristige Sicherung des
Pro-Kopf-Einkommens bei gleichzeitiger Ausbeutung von für die Produktion
essentiellen und nicht-erneuerbaren Ressourcen nachweisen können, wenn der
gesamte Ertrag, der aus der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen entsteht, in
den Aufbau eines reproduzierbaren Kapitalstocks investiert wird.330 Dies hat im
Zuge der Diskussion um eine Nachhaltige Entwicklung zu weiteren mathe-
matischen Modellen innerhalb des neoklassischen Wirtschaftsmodells geführt.
Diese auch als schwache Nachhaltigkeit331, Quasi-Nachhaltigkeit332 oder öko-
nomische Nachhaltigkeit333 bezeichneten Ansätze gehen davon aus, dass Natur-
kapital durch reproduzierbares Kapital substituiert werden kann. Demnach ist der
Abbau natürlicher Ressourcen nachhaltig, wenn diese durch einen von Menschen
geschaffenen Kapitalstock ersetzt werden können und die allgemeine Produkti-
onskapazität dabei erhalten bleibt. Problematisch werden hierbei von Vertretern
des als starker334 oder ökologischer bzw. strikter335 Nachhaltigkeit bezeichneten
Konzepts die Ungewissheit und Irreversibilität der Substitution natürlicher Res-
sourcen durch reproduzierbare Ressourcen gesehen.336 Diese führen an, dass
kritische, lebensnotwendige Ressourcen, wie z.B. das Klima oder die Ozonschicht
existieren. Da weiter die Zusammenhänge in der natürlichen Umwelt nicht eindeu-
tig bekannt sind und der Abbau von nicht regenerierbaren Ressourcen irreversibel
ist, fordern Vertreter dieses Konzepts einer Nachhaltigen Entwicklung, eine Sub-
stitutionrate natürlicher Ressourcen von Null.337
Die Diskussion um diese beiden Auffassungen hat zu Handlungsregeln einer
starken bzw. strikten Nachhaltigkeitsauffassung für den Umgang mit regenerativen
Ressourcen, nicht-regenerativen Ressourcen, der Aufnahmekapazität der Umwelt
für Stoffeinträge und der Eigengesetzlichkeit von Ökosystemen geführt.338 Darüber
hinaus wurden auch für die soziale Perspektive einer Nachhaltigen Entwicklung
Handlungsregeln entwickelt, wenn auch die Diskussion hierzu nicht so ausgeprägt
ist, wie das Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie.339
In der Summe fassen MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN diese Handlungsempfehlungen
als normatives Nachhaltigkeitsverständnis zusammen.340 Dieses diene als Leitbild,
auf welches andere Nachhaltigkeitsverständnisse als Konkretisierung und Operati-
onalisierung aufsetzten.341 Hierbei existieren ein Verständnis von Nachhaltigkeit als
330 Vgl. HARTWICK (1977), S. 973 f. 331 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 332 Vgl. SCHMID (1999), S. 286. 333 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 57-65. 334 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 335 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 64-67. 336 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 337 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 64 f.; PITTEL (2004), S. 538. 338 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 66 und SCHMID (1999), S. 286. Siehe auch ENQUETE-
KOMMISSION (1994), S. 42 f. 339 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 67-70. Siehe auch ENQUETE-KOMMISSION (1998), S. 28. 340 Vgl. MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN (2003), S. 268. Siehe auch HÜLSMANN (2004), S. 42-46.
341 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 47-49.
69
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Innovation, dass einer Orientierung an der ökonomischen Rationalität der Effizienz
entspricht und ein Verständnis von Nachhaltigkeit als Substanzerhaltung, das als
eigene Rationalität neben die Effizienzrationalität gestellt wird.342
Das Innovationsverständnis von Nachhaltigkeit strebt ein nachhaltigkeits-
orientiertes Wachstum der Wirtschaft an. Dabei wird angenommen, dass durch
technologischen Fortschritt der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem
Wachstum und Ressourcenverbrauch entkoppelt werden kann.343 Die Erde ist
bezogen auf Materie und natürliche Ressourcen ein geschlossenes System. Ihr
wird über die Zeit lediglich von der Sonne Energie zugefügt und durch diese zuge-
führte Energie kann Materie, die bereits genutzt wurde, wieder umgewandelt und
für einen erneuten Gebrauch nutzbar gemacht werden. Hierdurch sind dem
Wachstum feste Grenzen gesetzt. Das Risiko der Effizienzrationalität liegt somit in
der Unsicherheit über technologischen Fortschritt, Bevölkerungswachstum und
Konsumverhalten. So können Ressourceneinsparungen in der Produktion z.B.
durch eine Steigerung der Konsumrate oder gestiegener Geburtenrate überkom-
pensiert werden. Eine alleinige Steigerung der Ressourcen-Effizienz wirkt daher
möglicherweise nur zeitlich verzögernd auf die Verknappung von natürlichen Res-
sourcen.344 Zur Überwindung dieser Wachstumsgrenzen wird von Vertretern der
Effizienzrationalität eine Dematrialisierung des Wirtschaftswachstums diskutiert.
Diese soll durch eine Verlagerung auf Dienstleistungen und vor allem Wissen als
unbegrenzt verfügbare Ressource erreicht werden.345 Diese Überlegungen ent-
halten allerdings Annahmen, z.B. über die Substituierbarkeit natürlicher Res-
sourcen, wie sie bereits in der Darlegung der Kritik an der schwachen Nachhaltig-
keit weiter oben angeführt wurden, und zusätzlich Annahmen über Skalenerträge
von reproduzierbarem Kapital. Damit unterliegt dieses Konzept wiederum
Unsicherheiten.346
Nachhaltigkeit als eigenständige Substanzerhaltungsrationalität stellt nicht die
Frage, ob nachhaltigkeitsorientiertes Wirtschaften über technologischen Fortschritt
oder Verzicht erreicht werden kann, sondern legt fest, dass Nachhaltigkeit als
Erhaltung der betrieblichen Ressourcenbasis neben die betriebliche Effizienz-
rationalität gestellt werden muss.347 Bei einem solchen Nachhaltigkeitsverständnis
müssen Unternehmen auf einzelwirtschaftlicher Ebene ihre Entscheidungen nicht
nur nach Gesichtspunkten der Effizienz, sondern auch nach Gesichtspunkten der
Substanzerhaltung bewerten. Die Ziele der Effizienz und der Substanzerhaltung
können hierbei komplementär sein, wie z.B. bei Kosteneinsparungen durch die
Reduzierung des Ressourceneinsatzes, sie können aber auch widersprüchlich
sein, wie z.B. einem angestrebten Wachstum zur Rentabilitätssteigerung, eine
342 Vgl. MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN (2003), S. 266-271 und HÜLSMANN (2004), S. 38-49. 343 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 43 f. 344 Vgl. SCHMID (1999), S. 287. 345 Vgl. PITTEL (2004), S. 539-544. 346 Zu einer Übersicht über einzelne Modelle und deren Annahmen vgl. PITTEL (2004), S. 539-544. 347 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003a), S. 72 f.
70
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
mangelnde Basis an Ressourcen wie z.B. Kapital entgegen stehen kann.348 Die
Effizienzrationalität und die Substanzerhaltungsrationalität sollen nach MÜLLER-
CHRIST allerdings nicht als Gegensätze verstanden werden, sondern seien beide
notwendig für ein nachhaltigkeitsorientiertes Wirtschaften.349
Das Problem der Substanzerhaltung ist die Bewertung von natürlichen Ressour-
cen und die Festlegung von Bedingungen für eine Nachhaltige Entwicklung.350
Wenn man nicht mehr Ressourcen nutzen darf als im gleichen Zeitraum regene-
riert werden, so kann es nicht ausreichen den Ressourcenverbrauch zu reduzie-
ren, vielmehr muss ein maximaler Verbrauch als Bedingung einer Nachhaltigen
Entwicklung festgelegt werden.351 Dadurch, dass alle Unternehmen eine gemein-
same globale Ressourcenbasis nutzen, ist es für einzelwirtschaftliche Entschei-
dungen in Unternehmen problematisch die Bedingungen einer Nachhaltigen Ent-
wicklung zu bestimmen. Die Reduzierung von CO2-Emmissionen ist ein globales
Problem, dass nicht in einem Unternehmen allein gelöst werden kann. Dies ist die
Kritik, die DYLLICK an der Substanzerhaltungsrationalität von MÜLLER-CHRIST
äußert.352 Er sieht diese vorrangig als gesellschaftliches und nicht als einzelwirt-
schaftliches Problem.
Verfolgt man die Kritik von DYLLICK weiter, dass Nachhaltigkeit vorrangig ein
Problem auf einer dem Unternehmen übergeordneten Ebene, wie dem Staat oder
anderen die öffentliche Meinung vertretenden Organisationen353 ist, dann ist Nach-
haltigkeit auf der Ebene der einzelnen Unternehmen eine Strategie, die Wettbe-
werbsvorteile aus den Nachhaltigkeitsproblemen der Gesellschaft generiert.354
Neben die Vorgabe Nachhaltigkeit auf der einzelwirtschaftlichen Ebene als Wett-
bewerbsstrategie und damit als Ausrichtung am Unternehmenswert umzusetzen,
stellt DYLLICK eine Ausrichtung an normativen Grundwerten. Diese lieferten in Ent-
scheidungssituationen die Basis für Entscheidungen und bildeten somit die
Grundlage für nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien. Darüber hinaus
stellt er für ein allein strategisches Vorgehen die Akzeptanz der Strategie durch die
Öffentlichkeit und die Mitarbeiter in Frage.355
Damit ist Dyllick nicht weit von den Ausführungen MÜLLER-CHRISTs entfernt. Auch
dieser sieht natürliche Ressourcen als ein globales Problem, das auf einer dem
Unternehmen übergeordneten Ebene gelöst werden muss. Er fasst allerdings die
Akzeptanz der Öffentlichkeit und der Mitarbeit gegenüber den Unternehmens-
handlugen als immaterielle Ressourcen auf, die Unternehmen im Sinne der Sub-
stanzerhaltungsrationalität erhalten müssen. Darstellung 4-2 zeigt die primären
Nachhaltigkeitsprobleme der verschiedenen Systemebenen nach MÜLLER-CHRIST.
348 Vgl. HÜLSMANN (2003), S. 317 ff. 349 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 48 f. 350 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 351 Vgl. SCHMID (1999), S. 286. 352 Vgl. DYLLICK (2004), S. 82 f. 353 Gemeint sind Non Goverment Organisations (NGO’s) wie z.B. Greenpeace oder der WWF. 354 Zu den hier praktikablen Wettbewerbsstrategien nach DYLLICK siehe Kapitel 4.2.
355 Vgl. DYLLICK (2004), S. 98 f.
71
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
Darstellung 4-1: Primäre Nachhaltigkeitsprobleme auf den Systemebenen
Weltgemeinschaft als wirtschaftende Einheit
Nationen als wirtschaftende
Einheit
Institutionen als wirtschaftende
Einheit
Individuen
Globale Regelungsorganisationen (WHO, IWF, Worldbank etc.)
gesetzliche Rahmen-
bedingungen
Markt
Systemebene primäre Nachhaltigkeitsprobleme
die natürlichen Ressourcen des Planeten Erde sind absolut begrenzt
die ökonomischen Ressourcen sind absolut begrenzt
die immateriellen sozialen Ressourcen sind absolut begrenzt
die ökonomischen und sozialen Ressourcen sind absolut begrenzt
Quelle: MÜLLER-CHRIST (2004), S. 17.
Es ist somit, auf der institutionellen Ebene der Unternehmen, rational nachhaltig zu
agieren, da immaterielle soziale Ressourcen für Unternehmen absolut begrenzt
sind. Natürliche Ressourcen wie z.B. fossile Brennstoffe sind global absolut be-
grenzt. Für Unternehmen stellt sich dieses Problem nicht, da für sie fossile Brenn-
stoffe zu einem bestimmten Preis, der von Angebot und Nachfrage abhängig ist,
verfügbar sind. Allerdings sind für sie Vertrauen und Legitimation absolut begrenzt.
Damit wird das Nachhaltigkeitsproblem der übergeordneten Systeme zum Nach-
haltigkeitsproblem der einzelnen Unternehmen als Teil der übergeordneten
Systeme, da sie sonst Vertrauen und Legitimation verlieren. Die sozialen immate-
riellen Ressourcen moderieren somit, nach diesem Verständnis, den Zugang zu
Kapital und natürlichen Ressourcen.356 Unternehmen müssen daher im Bezug auf
Ressourcen effizient und substanzerhaltend agieren. Effizient, da Ressourcen-
holder sonst nicht bereit sind Ressourcen zu überlassen, und substanzerhaltend,
da Ressourcenholder sonst, bei absolut begrenzten Ressourcen, nicht in der Lage
sind ihre Ressourcen zu überlassen.357
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Umsetzung einer Nachhaltigen Ent-
wicklung aus einem normativen Leitbild hervorgeht und hierbei entweder als nor-
mative Grundwerte oder als Rationalität Entscheidungsgrundlagen für Unter-
nehmensstrategien liefern kann.358
356 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2004), S. 21. 357 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 48 f. 358 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 53-57.
72
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
4.2 Nachhaltiges Beschaffungsmanagement
Bei der Ableitung der Konzepte einer Nachhaltigen Entwicklung auf die ein-
zelwirtschaftliche Ebene können Unternehmen unterschiedlich vorgehen. In der
Umsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung haben sich vier zentrale Ausprägun-
gen für Entscheidungen in Unternehmen herausgebildet. Diese sind das Kreislauf-
prinzip, das Verantwortungsprinzip, das Kooperationsprinzip und die Funktions-
orientierung.359
Das Kreislaufprinzip versucht, lineare Stoffströme zu schließen und Rohstoffe
mehrfach zu nutzen, wie z.B. bei Papier oder Glas. Damit wird der Ressourcen-
einsatz reduziert, was der ökologischen Perspektive einer Nachhaltigen Entwick-
lung entspricht. Beim Verantwortungsprinzip werden ganzheitliche Produktlebens-
zyklen, von der Ressourcengewinnung über die Produktion und Produktnutzung
bis zur Entsorgung, betrachtet. Dies ist wichtig, um ökologische und soziale
Kriterien einer Nachhaltigen Entwicklung im Sinne der normativen Leitlinien
bewerten zu können. Unter dem Kooperationsprinzip wird eine Unternehmens-
übergreifende Zusammenarbeit z.B. zwischen Lieferanten, Produzenten, Konsu-
menten und Destruenten verstanden, die es ermöglicht, ökologische oder soziale
Probleme über einzelne Wertschöpfungsstufen hinaus zu bewältigen. Kooperatio-
nen können aber auch Konkurrenten umfassen, so existiert z.B. zur Bewältigung
von sozialen und ökologischen Problemen bei Kaffeeerzeugern ein Netzwerk von
Kaffeeverarbeitern und Non Government Organisations, die auf den Absatz-
märkten konkurrieren, zur Realisierung einer Nachhaltigen Entwicklung auf den
Beschaffungsmärkten aber kooperieren.360
Die Funktionsorientierung ist das Prinzip nicht Produkte sondern deren Nutzen zu
betrachten und so zu versuchen Wertschöpfungen zu entmaterialisieren. Z.B.
kann eine Betrachtung des Nutzens Mobilität an Stelle des Produktes Auto zu
völlig neuen Lösung führen, die ökologisch und sozial im Sinne einer Nachhaltigen
Entwicklung günstiger sein können.
Betrachtet man Nachhaltigkeit primär als Problem einer übergeordneten System-
ebene wie DYLLICK es tut,361 so kann man hieraus fünf Strategietypen ableiten:
Risikoverminderung und Risikobeherrschung, Verbesserung von Image und
Reputation, Verbesserung von Produktivität und Effizienz, Differenzierung am
Markt und Marktentwicklung.362 Bezogen auf die Beschaffung bedeutet dies,
Risiken bestehender gesetzlicher Beschränkungen oder öffentlichen Imageverlust
zu vermeiden. Dies geschieht indem auf Objekte, die umweltgefährdend sind, wie
z.B. FCKW, gesundheitsgefährdend sind, wie z.B. krebserregende Stoffe, oder in
der Herstellung soziale Standards zur Kinderarbeit und Mindestlöhnen nicht erfül-
359 Vgl. SCHMID (1999), S. 288 f. 360 Vgl. COMMON CODE FOR THE COFFEE COMMUNITY. 361 Siehe Kapitel 4.1.
362 Vgl. DYLLICK (2004) S. 96.
73
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
len, verzichtet wird. Dies kann vor allem durch die Prinzipien Kooperation und
Verantwortung363 umgesetzt werden und entspricht der Strategie der Risiko-
vermeidung und Risikobeherrschung aber auch der Verbesserung von Image und
Reputation. Bei den Strategien Verbesserung von Produktivität und Effizienz, Diffe-
renzierung am Markt und Marktentwicklung, kann Beschaffung nur teilweise mit-
wirken. Effizienz hebt hierbei auf den relativen Ressourceneinsatz pro Produkt ab.
Die Beschaffung kann hierzu lediglich Objekte mit geringem Ressourceneinsatz
von Lieferanten beschaffen, bzw. auf den Ressourceneinsatz der Lieferanten
durch Vorgaben Einfluss nehmen. Die Differenzierung am Markt bzw. Marktent-
wicklung sind Marketingstrategien, zu denen die Beschaffung ebenfalls nur die
Vorgabe von Eigenschaften für die Beschaffungsobjekte gegenüber Lieferanten
beitragen kann. Gemeint sind hiermit eine Differenzierung durch z.B. Fair Trade
Produkte oder Niedrigenergiehäuser, bzw. die Entwicklung von Standards wie
Biolabel oder Umweltzertifizierungen.364
Fasst man Nachhaltigkeit als rationale Notwendigkeit auf, die sich auf der System-
ebene des einzelnen Unternehmens als Abhängigkeit von der absolut begrenzten
gesellschaftlichen Ressource Legitimation ergibt, so müssen Unternehmen aktiv
an Nachhaltigkeitsproblemen anderer Systemgrenzen mitarbeiten, um nicht die
gesellschaftliche Legitimation und damit den Zugang zu benötigten Ressourcen zu
verlieren. Damit stellt sich auch für die Beschaffung die Herausforderung, im Sinne
der normativen Handlungsvorgaben, eine Nachhaltige Entwicklung umzusetzen
und so die Versorgung zu sichern bzw. das Risiko gesetzlicher Beschränkungen
oder öffentlicher Boykotte zu vermeiden, welches aus dem Legitimationsverlust
entstehen kann.365
Nachhaltiges Management in der Beschaffung umfasst somit vor allem die Be-
schaffung von nachhaltigen Beschaffungsobjekten. Hiermit findet eine Übertra-
gung von Bedingungen einer Nachhaltigen Entwicklung auf Lieferanten statt.
Daneben kann auch die Beschaffung selbst als nachhaltig verstanden werden. Da
neben dem Einsatz von Personal in der Beschaffung vor allem die Ressource Ka-
pital eingesetzt wird, ist im Sinne von Effizienz und Substanzerhaltung auch Nach-
haltigkeit bei der Kapitalentwicklung anzustreben, die sich bezogen auf die Be-
schaffung vor allem als Kostenreduzierung auf die Rate der Kapitalregenerierung
umsetzen lässt.
363 Vgl. SCHMID (1999), S. 288 f. 364 Vgl. DYLLICK (2004), S. 96-98. 365 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003b), S. 120 f.
74
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
4.3 Beitrag eines Nachhaltigen Managements zur
Vermeidung von Krisen in der Beschaffung
In den vorausgegangenen Darstellungen zur Nachhaltigkeit und den Mög-
lichkeiten einer Nachhaltigen Entwicklung wurde immer angeführt, dass nachhal-
tigkeitsorientiertes Handeln potentielle Krisen der Versorgungssicherung mit
benötigten Ressourcen vermeidet. Dies kann zum einen sowohl durch eine Be-
rücksichtigung der Eigengesetzlichkeiten der natürlichen Ressourcen, als auch
durch Suffizienz oder technischem Fortschritt, der zumindest teilweise eine Substi-
tution von Ressourcen ermöglicht, geschehen, so dass dauerhaft die öko-
nomischen Funktionen der natürlichen und sozialen Umwelt, wie Assimilation von
Schadstoffen und Lieferung von Ressourcen, erhalten werden könnten.
Zum anderen kann dies geschehen, in dem Nachhaltiges Management durch die
Sicherung der gesellschaftlichen Legitimation oder Erfüllung der Forderungen von
Gesetzgebern und öffentlicher Interessensgruppen den Verlust von Image und
damit die Schwächung von Marken einerseits und die Einschränkung von Hand-
lungsmöglichkeiten andererseits vermeidet.
HÜLSMANN führt hierzu an, dass Nachhaltigkeit durch ihre Rekursivität, das heißt
durch das Abwägen von Entscheidungsalternativen, auch im Hinblick auf Andere
und die daraus entstehenden Implikationen für das entscheidende Unternehmen,
Krisenpräventionspotenziale hat.366
HÜLSMANN argumentiert, dass durch die Berücksichtigung normativer Handlungs-
vorgaben einer Nachhaltigen Entwicklung, sich die Bereitschaft der überge-
ordneten Systeme steigern lässt Ressourcen zu überlassen. Auch Nachhaltigkeit
als Steigerung der Effizienz im Umgang mit Ressourcen steigert diese Bereitschaft
und zusätzlich, zumindest zeitlich, die Fähigkeit der übergeordneten Systeme
Ressourcen zu überlassen. Die strikte Einhaltung der Substanzerhaltungs-
rationalität schließlich steigere die Fähigkeit der Ressourcenüberlassung sogar
dauerhaft.367
Dies entspricht der in Kapitel 3.6 identifizierten Schwäche bestehender Beschaf-
fungsstrategien im Hinblick auf das Krisenpotential, das aus Forderungen durch
Stakeholder wie Staat, Gesellschaft, Non Government Organisations und Gewerk-
schaften und dem Krisenpotenzial aus einer Verknappung absolut begrenzter
Ressourcen entsteht.
Hier können lediglich die bereits erwähnten Beispiele der Unternehmen Adidas,368
Wal-Mart, McDonalds und Starbucks369 angeführt werden, die auf Grund des
Risikos eines öffentlichen Boykotts Nachhaltiges Management in ihrer Beschaf-
fung eingeführt haben. Auch MÜLLER-CHRIST führt Beispiele wie das geplante Ver-
366 Vgl. HÜLSMANN (2005), S. 22. 367 Vgl. HÜLSMANN (2005), S. 21 f. 368 Vgl. BERGIUS (2004).
369 Vgl. SCHRAGE (2004), S. 18.
75
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
senken der Ölplattform Brent Spar durch das Unternehmen Shell oder Störfälle
beim Chemieunternehmen Hoechst an, die durch die öffentliche Aufmerksamkeit
zu Verhaltensänderungen der Unternehmen geführt haben.370 Selbst wenn noch
weitere Beispiele aus der Unternehmenspraxis existieren, bleibt hier allerdings
anzumerken, dass dies keine fundierten Untersuchungen oder Erkenntnisse sind,
die einem wissenschaftlichen Anspruch genügen würden, sondern nur Einzel-
beispiele.
Kritisch bleibt auch anzumerken, dass der Beitrag der Nachhaltigkeit zur Ver-
meidung dieses Krisenpotenzials nur durch den öffentlichen Druck, der die Legiti-
mation der Unternehmen, ihr Image und ihre Marken bedroht, entsteht. Da natür-
liche Ressourcen absolut begrenzt sind, ist nicht damit zu rechnen, dass die
Nachhaltigkeitsprobleme irrelevant werden, es besteht jedoch die Möglichkeit,
dass das Interesse der Öffentlichkeit an Themen des Umweltschutzes und der
sozialen Gerechtigkeit abnimmt und damit auch die Gefährdung der Legitimation
für Unternehmen sinkt.
Zur Substanzerhaltung von Ressourcen ist kritisch festzustellen, dass die Ziele der
Substanzerhaltung widersprüchlich zu den übrigen Unternehmenszielen sein kön-
nen,371 da sie möglicherweise Kosten verursachen oder den Verzicht auf potentiel-
len Gewinnen implizieren. Dies senkt nicht nur das Risiko der Ressourcenver-
knappung, sondern kann in Bezug auf die Liquidität das Risiko einer Krise auch
erhöhen. Problematisch ist, dass die Substanzerhaltung nicht kurzfristig sondern
erst langfristig rational ist. Bezogen auf globale Ressourcen entsteht aber keine
direkte Wirkung aus der Substanzerhaltung auf das einzelne Unternehmen, sie
kann sich auf globalen Ressourcenmärkten vielmehr auch positiv auf die Ressour-
cenbasis der Konkurrenten auswirken.
HÜLSMANN führt darüber hinaus kritisch an, dass die Rekursivität in eine zu starke
Außenorientierung umschlagen und dann ebenfalls zu Systeminstabilitäten und
Krisen führen kann.372
Die dargelegte Vermeidung der Krisepotenziale aus Forderungen durch Stakehol-
der und einer Verknappung absolut begrenzter Ressourcen durch Nachhaltiges
Management in der Beschaffung ist somit kritisch zu betrachten. Die Zusammen-
hänge zwischen einer Nachhaltigen Entwicklung und der Reduzierung von Krisen-
potenzialen ist bisher nicht erwiesen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass ein Nachhaltiges Management sich
eignet, um Inhalte und Rationalitäten für strategische Entscheidungen zu liefern.
Auch kann aus praktischen Beispielen und den dargelegten theoretischen Überle-
gungen ein Zusammenhang zwischen Nachhaltigem Management und der Ver-
meidung von Krisen durch Verknappung absolut begrenzter Ressourcen und For-
derungen von Stakeholdern angenommen werden. Aus Nachhaltigem Manage-
ment in der Beschaffung können sich aber möglicherweise auch neue Krisen-
370 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003b), S. 121. 371 Vgl. HÜLSMANN (2003), S. 317 ff. 372 Vgl. HÜLSMANN (2005), S. 22 f.
76
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
potenziale ergeben. Daher ist Nachhaltiges Management nicht für alle Unter-
nehmen von gleicher Relevanz. Vor allem Unternehmen die besonders sensible
Produkte herstellen, in besonderem Maße im Blick der Öffentlichkeit oder öffent-
licher Interessengruppen stehen oder direkt von der Verknappung nicht oder noch
nicht substituierbarer Ressourcen abhängen, dürften von einer Reduzierung der
Krisenpotenzial durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung profitieren.
Auf Grund der oben ausgeführten kritischen Betrachtung sollten nachhaltigkeits-
orientierte Entscheidungsrationalitäten allerdings nur ergänzend zu bestehenden
Beschaffungsstrategien verwendet werden, um Krisen, die durch eine Erhöhung
von Kosten oder andere mögliche Begleiterscheinungen entstehen können, zu
vermeiden.
77
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
5. Abschließende Betrachtung
Im Folgenden fünften Kapitel sollen kurz die Ergebnisse der vorliegenden
Diplomarbeit im Hinblick auf die bearbeitete Fragenstellung noch einmal akzentu-
iert zusammengefasst werden. Schließlich wird ein kurzer Ausblick auf Unsicher-
heiten gegeben, die im Rahmen dieser Arbeit aufgekommen sind.
5.1 Fazit
Ausgangspunkt dieser Diplomarbeit war die Frage, wie und in welchem
Umfang ein Nachhaltiges Management in der Beschaffung Unternehmenskrisen
vermeiden kann. Hierbei wurden Krisen als Nichterreichung von Zielen, die zur
Existenzgefährdung eines Unternehmens führen können, betrachtet.
Es wurde erarbeitet, dass bezogen auf die Funktion der Beschaffung mögliche
Krisen aus der Gefährdung der Ziele der Unternehmensversorgung, der Autono-
mie von Lieferanten und der Kosten und Qualitätsanforderungen resultieren
können. Durch die Untersuchung von organisationstheoretischen Erkenntnissen
im Bezug auf die grundlegenden Strategierichtungen, die in der untersuchten Be-
schaffungsliteratur vertreten werden, konnten strategiespezifische Krisenprofile für
die Beschaffung erstellt werden. Diese konnten Schwächen der bestehenden
Strategien im Bezug auf Krisenpotenziale aufzeigen, die aus Naturkatastrophen,
der Verknappung von absolut endlichen Ressourcen und aus Forderungen, die
von Stakeholdern an Unternehmen herangetragen werden, entstehen.
Es konnten in diesem Zusammenhang aber keine empirischen Belege für Krisen-
ursachen in der Beschaffung angeführt werden. Damit konnte die Relevanz der
einzelnen Krisenursachen nicht ermittelt werden, die die Bedeutung der identifi-
zierten Schwächen der untersuchten Strategien in Relation zu den übrigen Krisen-
potenzialen gestellt hätten. Ein Indiz für die Relevanz der identifizierten Schwäche
konnte jedoch auch aus einer parallelen des herausgearbeiteten Ergebnisses zu
den beschaffungstheoretischen Überlegungen von KOPPELMANN und HAMMANN /
LOHRBERG abgeleitet werden.
Aufbauend hierauf wurden die Ansatzpunkte eines Nachhaltigen Managements
zur Vermeidung von Krisen betrachtet. Es wurde dargelegt, dass Nachhaltiges
Management einen Beitrag zur Vermeidung von Unternehmenskrisen in der Be-
schaffung leisten kann. Nachhaltiges Management vermeidet Krisen, die aus der
Verknappung von absolut endlichen Ressourcen und aus Forderungen von
Stakeholdern entstehen. Dieser Beitrag zur Krisenvermeidung ergibt sich zum
einen aus dem Verständnis einer Nachhaltigen Entwicklung als dauerhafte Erhal-
tung von Ressourcen bzw. Produktionskapazitäten. Zum anderen entsteht er aus
der Erfüllung von Forderungen, die aus einer Übertragung des Nachhaltigkeits-
problems von der Gesellschaft auf einzelne Unternehmen entstehen. Der Beitrag
78
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
eines Nachhaltigen Managements zur Krisenvermeidung ist jedoch nicht empirisch
belegt und gründet sich auf logische Argumentation und beispielhafte Belege aus
der unternehmerischen Praxis, so dass kritisch mit diesem Ergebnis umgegangen
werden muss.
Da die Beschaffung in Unternehmen durchschnittlich den größte Anteil der Unter-
nehmenskosten umfasst, ist hier die Reduzierung von Kosten und somit die Sub-
stanzerhaltung im Bezug auf die Ressource Kapital von großer Bedeutung. Dies
steht nicht im Widerspruch zur Anstrebung einer Nachhaltigen Entwicklung aller
Ressourcen, führt aber dazu, dass Unternehmen sich vermutlich deutlichen
Zwängen ausgesetzt sehen müssen, um Nachhaltigkeit als gleichwertiges Ziel in
der Beschaffung zu integrieren. Einen solchen Zwang könnte eine Krisensituation
und deren Vermeidung mittels Nachhaltigem Management darstellen. Das Vor-
handensein eines solchen Zwangs konnte hier aber nur für einzelne Unternehmen
beispielhaft belegt werden.
5.2 Ausblick
Anschließend an die Darlegungen des Fazits lässt sich anführen, dass
neben der Kritik an den fehlenden empirischen Belegen für den Beitrag eines
Nachhaltigen Managements zur Vermeidung von Krisen in der Beschaffung aus-
reichende Annahmen für einen solchen Beitrag vorliegen, die eine Begründung für
eine weitere Erforschung darstellen. Aus den vorliegenden Beispielen einzelner
Unternehmen oder ganzer Branchen373 ließen sich Hypothesen formulieren, die
einer empirische Überprüfung unterzogen werden könnten. Wenn ein Beitrag von
Nachhaltigem Management zur Vermeidung von Krisen in der Beschaffung empi-
risch belegt werden könnte, wäre dies ein Ergebnis, dass der Bedeutung und
Verbreitung von Nachhaltigkeit ein stärkeres Gewicht geben würde.
Neben empirischen Belegen für den Zusammenhang von Nachhaltigkeit und
Krisenvermeidung besteht auch ein Bedarf zur Erforschung von Krisenursachen in
der Beschaffung, die die ebenfalls im Fazit dargelegte Unsicherheit über die Be-
deutung der Krisenpotenziale, die aus der Verknappung von absolut endlichen
Ressourcen und aus Forderungen von Stakeholdern entstehen, belegen könnte.
373 MÜLLER-CHRIST (2004) führt bei seinen Ausführungen zur Substanzrationalität beispielhaft Entwicklungen in der fischverarbeitenden Industrie und bei Kaffeeröstern an. Vgl. ebd. S. 15.
79
Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
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ENQUETE-KOMMISSION "SCHUTZ DES MENSCHEN UND DER UMWELT" (HRSG.): Konzept Nachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung, Bonn, 1998.
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HOMBURG, CHRISTIAN / WERNER, HARALD: Situative Determinanten relationalen Beschaffungsverhaltens, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 50. Jg., 1998, S. 979-1009.
HÜLSMANN, MICHAEL: Management im Orientierungsdilemma. Unternehmen zwischen Effizienz und Nachhaltigkeit, Wiesbaden, 2003.
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HÜLSMANN, MICHAEL: Nachhaltigkeit - ein Ansatz zur strategischen Prävention von Ad-Hoc-Krisen?, 2005. (im Druck)
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SCHMID, UWE: Ökologisch nachhaltiges Management, in: Wirtschafts-wissenschaftliches Studium (WiSt), 28. Jg., 1999, S. 285-291.
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SCHREYÖGG, GEORG: Krisenmanagement: Theoretische Grundlagen und praktische Maßnahmen, in: Heintzen, M. / Kruschwitz, L. (Hrsg.): Unternehmen in der Krise, Berlin, 2004, S. 13-36.
SCOTT, W. RICHARD: The Adolescence of Institutional Theory, in: Administrative Science Quarterly, 32. Jg., 1987, S. 493-511.
SEURING, STEFAN / MÜLLER, MICHAEL: Beschaffungsmanagement & Nachhaltigkeit - eine Literaturübersicht, in: Hülsmann, M. / Müller-Christ, G. / Haasis, H.-D. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Nachhaltigkeit, Wiesbaden, 2004, S. 117-170.
SIEGLER, KLAUS: Restrukturierung/Sanierung des Bereiches Einkauf, in: Buth, A. K. / Hermanns, M. (Hrsg.): Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, München, 1998, S.176-184.
STAEHLE, WOLFGANG H.: Krisenmanagement, in: Wittmann, W. (Hrsg.): Handbuch der Betriebswirtschaft, 5. Aufl., Stuttgart, 1993, Sp. 2452-2466.
STAEHLE, WOLFGANG H.: Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 8. Aufl., München, 1999.
STAHL, HEINZ K.: Man kann nie genug irritiert werden - Gedanken zur Außen-orientierung von Unternehmen, in: Hinterhuber, H. H. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Innsbrucker Kolleg für Unternehmensführung. Band 3: Fallen die Unternehmens-grenzen? Beiträger zur Außenorientierung der Unternehmensführung, Renningen, 2001, S. 1-17.
SYDOW, JÖRG: Strategische Netzwerke und Transaktionskosten, in: Staehle, W. H. / Conrad, P. (Hrsg.): Managementforschung. Bd. 2, Berlin, New York, 1992, S. 239-311.
TEMPELMEIER, HORST: Beschaffung, Materialwirtschaft, Logistik, in: Wittmann, W / Kern, W. / Köhler, R. / Küpper, H.-U. / v. Wysocki, K. (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 5. Aufl., Stuttgart, 1993, Sp. 312-325.
VAHS, DIETMAR: Organisation, 3. Aufl., Stuttgart, 2001.
WEBER, JÜRGEN: Logistikmanagement. Führungsaufgabe zur Umsetztung des Flussprinzips im Unternehmen, Stuttgart, 1994.
WELGE, MARTIN K. / AL-LAHAM, ANDREAS: Strategisches Management, 3. Aufl., Wiesbaden, 2001.
WILDEMANN, HORST: Das Konzept der Einkaufspotentialanalyse: Bausteine und Umsetzungsstrategien, in: Hahn, D. / Kaufmann, L. (Hrsg.): Handbuch Industrielles Beschaffungsmanagement, Wiesbaden, 1999, S.435-452.
WILDEN, PATRICK: Praxisorientierte Verfahren zur Früherkennung von Unternehmens-krisen und Insolvenzgefahren, in: Buth, A. K. / Hermanns, M. (Hrsg.): Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, München, 1998, S. 1-23.
WOLF, JOACHIM: Organisation, Management, Unternehmensführung. Theorien und Kritik, Wiesbaden, 2003.
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Das Verständnis und die Bedeutung der betriebs-wirtschaftlichen Funktion der Beschaffung für Unternehmen hat seit den 1970er Jahren eine Wandlung vollzogen. Heute steht nicht mehr lediglich die Materialbereitstellung im Vordergrund, sondern das Verständnis einer strategischen Beschaffung. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob bestehende strategische Ansätze des Beschaffungs-wesens in der Lage sind, Krisen in der Beschaffung zu vermeiden und welche potenziellen Krisensituationen die Schwachpunkte bestehender Beschaffungsstrategien darstellen. Es soll geprüft werden, ob im Sinne eines Krisenmanagements die bestehenden Beschaffungs-strategien der veränderten Umwelt von Unternehmen gerecht werden oder inwiefern ein Bedarf für ein »Nachhaltiges Management« in der Beschaffung bestehen könnte.
Schriftenreihe Forschungsbeiträge zum Strategischen Management hrsg. v. Prof. Dr. Michael HülsmannUniversität Bremen | Fachbereich Wirtschaftswissenschaft | Management Nachhaltiger Systementwicklun
Bd. 5: Stefan Lentz – Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmens-krisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung
ISBN 3-938786-05-1 | ISSN 1860-6628