mein freiwilligendienst in nicaragua 2. …berichte.weltweite-initiative.de/weitere...

12
Mein Freiwilligendienst in Nicaragua 2. Erfahrungsbericht (Oktober 2010) Liebe Freunde, liebe Familie, liebe Unterstützer und Interessierte, erst einmal vielen Dank, dass ihr die Zeit gefunden habt, diesen Bericht herunterzuladen und ihn zu lesen. Auf folgenden Seiten werde ich meine Erlebnisse und Erfahrungen wiedergeben, die mich in dem letzten Monat bewegt und geprägt haben. Ich möchte mich außerdem bei allen Menschen bedanken, die mich finanziell und seelisch unterstützt haben. Ihr habt es möglich gemacht, dass ich diese wunderbaren Erfahrungen machen darf! … die Gelassenheit, alles das hinzunehmen, was nicht zu ändern ist, die Kraft zu ändern, was nicht länger zu ertragen ist und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Upload: doanbao

Post on 18-Sep-2018

215 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Mein Freiwilligendienst in Nicaragua – 2. Erfahrungsbericht (Oktober 2010)

Liebe Freunde, liebe Familie, liebe Unterstützer und Interessierte,

erst einmal vielen Dank, dass ihr die Zeit gefunden habt, diesen Bericht herunterzuladen und

ihn zu lesen. Auf folgenden Seiten werde ich meine Erlebnisse und Erfahrungen

wiedergeben, die mich in dem letzten Monat bewegt und geprägt haben.

Ich möchte mich außerdem bei allen Menschen bedanken, die mich finanziell und seelisch

unterstützt haben. Ihr habt es möglich gemacht, dass ich diese wunderbaren Erfahrungen

machen darf!

… die Gelassenheit, alles das hinzunehmen, was

nicht zu ändern ist, die Kraft zu ändern, was nicht

länger zu ertragen ist und die Weisheit, das eine

vom anderen zu unterscheiden.

Jetzt bin ich ganze zwei Monate in Nicaragua und mir scheint hier alles schon so vertraut, als

wenn ich schon viel länger hier wäre. Und doch entdecke ich täglich immer wieder neue

Dinge, die mich faszinieren, erschrecken, verwundern, irritieren oder mich mit einem

Fragezeichen im Gesicht zurücklassen. Ich bin dabei, in eine andere Welt einzutauchen, die

aufregend und spannend ist. Stück für Stück lerne ich eine andere Kultur kennen sowie die

Lebenswelten dieser Menschen, die einen völlig anderen kulturellen Hintergrund mit anderen

Traditionen, Gewohnheiten und Ritualen haben. So ist es wichtig ihre Sprache zu sprechen.

Nicht nur die spanische Sprache im engeren Sinne, sondern auch die Sprache in einem

umfassenderen Sinne: den kulturellen Kontext, Bräuche und Gebräuche, die Lebensweisen,

etc. Mit anderen Worten könnte man sagen: Ich muss mich in ihre Landkarte begeben, um

zu verstehen und zu lernen.

Deutsch – Nicaragüense, zwischen Anpassung und tiefem Luft holen!

„Das ist aber typisch!“

„Das ist eine andere Kultur!“

„Das ist aber komisch!“ ….

Immer wieder erwischt man sich dabei, wie solche Aussagen fallen oder im Kopf

herumschwirren, wenn ich in Situationen komme, die für mich seltsam erscheinen. Und so

habe ich doch oft das gleiche Gefühl, dass viele Einheimische das Gleiche von mir denken.

Denn wenn zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft aufeinandertreffen und es zu

vermeidbaren Problemen oder Missverständnissen kommt, sind das dann fehlende

Kompetenzen, fehlendes Einfühlungsvermögen oder fehlt einfach die Fähigkeit, den

Blickwinkel zu wechseln? Nein, das sind halt die kulturellen Unterschiede. Denn abgesehen

davon, dass wir alle Menschen sind, sind wir nicht gleich, sondern einzigartig und

vollkommen verschieden.

So merke ich, gerade in der Anfangszeit, wie sehr ich doch von Klischees und Stereotypen

geprägt bin. In diesem Erfahrungsbericht werde ich Situationen beschreiben, die mich

fasziniert, verwundert oder irritiert haben, und wie soll es anders sein, die typischen

Klischees und Stereotype hervorheben

Taub gelärmt

Schon in dem ersten Erfahrungsbericht bin ich

kurz auf die Lärmsituation in Masaya

eingegangen. Egal, wo man sich befindet, zu

Hause, in Geschäften, im Internetcafé und auf

der Straße sowieso, der Geräuschpegel

bewegt sich andauernd im oberen Bereich, der

schon morgens zwischen fünf und sechs Uhr

beginnt. So wird man entweder von

Knallfröschen geweckt, die hier täglich in die

Luft gehen oder von lauter Musik, die aus dem

Nachbarhäusern klingen. Gelingt es mir, diese

in meine Traumwelt zu integrieren, so wecken mich spätestens täglich die Straßenhändler,

die mit lautem Geschrei oder Geklingel durch die Straßen ziehen und wahlweise Tortillas,

Obst, Gemüse, Brot oder Eis verkaufen wollen. Doch die „Tortillafrau“ scheint das lauteste

Organ von allen zu haben, die sich ihre Seele Tag täglich aus dem Leib schreit mit „Tortilla“,

Tortilla“. Nach dem Aufstehen folgt eine kalte, aber doch angenehme Dusche, begleitet aus

voll aufgedrehter Marimba Musik, Hundegebell und das laute Krähen von Hähnen.

Vom Weiten höre ich, dass wohl wieder jemand gestorben ist. Dann ertönt eine

zeremonielle Musik, unterbrochen von salbungsvollen Ansagen von Verstorbenen und unter

Aufzählung all jener, die dies betrauern. So könnte man meinen, dass diese Musik aus einer

Kirche, in dem Tag ein Tag aus stundenlange Gottesdienste stattfinden, kommt. Doch dies

kommt aus einem Auto, mit riesigen aufmontierten Lautsprecher, der mit Schritttempo durch

die Straßen fährt. Sind wir in Deutschland von den ständigen Werbeunterbrechungen im

Fernsehen mal wieder genervt, bekommt diese Art von Informationsweitergabe eine ganz

neue Dimension. Denn sie ist weit verbreitet und so werden auch z.B. die neusten

Sonderangebote im Supermarkt angepriesen oder eine Tanzveranstaltung am Wochenende

angekündigt.

Ein nicht ansatzweise vergleichbarer Lärm, dafür aber ziemlich unangenehm ob bei Tag oder

Nacht, sind die Stechmücken, die es hier gibt. Vorzugsweise stechen sie mir in den Fuß oder

in die Unterschenkel und mit jedem Tag gibt es neue Stiche. Die meisten Mücken sind

ziemlich klein und der Nachteil daran ist, dass man sie zudem nicht hört. So hat man jedoch

immer im Hinterkopf, dass Mücken Malaria oder Denguefieber übertragen könnten und ich

hoffe doch darauf, am Ende des Freiwilligendienstes gesund und ohne einer der beiden

Krankheiten zurückzukehren.

Das Playboyauto mit den riesigen aufgedrehten

Boxen, das früh morgens um 6:00 Uhr durch die

Straßen fährt!

(An)gehupt

Während ich mich zu Fuß oder mit meinem Fahrrad auf der Straße befinde, muss ich im

Straßenverkehr achtsam sein. Für die Autofahrer steht die Hupe im Mittelpunkt und ist eine

ganz besondere Form des Lärms. Das Geräusch einer Hupe ist nicht, wie wir es aus

Deutschland kennen bloß ein Hupgeräusch, sondern viele haben eingebaute Hupen, die

Klänge wie auf einem Jahrmarkt haben. Erreicht ein Auto eine Kreuzung, wird derjenige,

dem man gleich ungebremst die Vorfahrt nimmt, durch lautes Hupen vorgewarnt. Aber es

gibt noch viele weitere Gründe, warum Hupen eine Notwendigkeit darstellt, um z.B. Hunde

von der Straße zu verscheuchen, weil man über eine rote Ampel fährt oder weil man

Bekannte auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckt hat und weil Taxifahrer

grundsätzlich einen anhupen. Ein weiterer Grund des Hupens ist, wenn Autofahrer eine

unwiderstehliche, geheimnisvolle Person entdecken. Diese Person kann groß oder klein,

dick oder dünn, jung oder alt, hell oder dunkel sein, egal ob in Hose, Rock, Kleid oder Shorts.

Diese Person nennt man im Allgemeinen auch Frau. Sieht man sich die Statistiken der

Geschlechterverteilungen in Nicaragua an, gibt es mehr Frauen als Männer, welches

bedeutet, dass das Hupkonzert keine Grenzen kennt. Somit wird fast jeder angehupt und

dafür muss man nichts tun, außer Frau zu sein.

Machismo

Dieser Hupvorgang ist nur eine Tradition, die sich hauptsächlich für Männer in der

nicaraguanischen Kultur etabliert hat. Jedoch gibt es eine weitere Ausdrucksmöglichkeit, um

auf sich aufmerksam zu machen. So gibt es ein Spektrum verschiedenster Pfeiftöne,

welches vom leisen Zischen über Schmatzen oder Schnalzen hin zu einem schrillen und

prägnanten Pfiff reicht. Während ich die Straßen entlang gehe, beschränkt sich die

Kontaktaufnahme der meisten Männer auf Zischen, Schmatzen, Schnalzen oder ein schrilles

Pfeifen, wobei die Männer oft stehen bleiben und versuchen Augenkontakt aufzunehmen.

Dabei hört man nicht selten Kommentare wie z.B. „Süße“, „Hübsche“, „kleine Weiße“ oder

englische Wortfetzen wie „I love you“ etc. Würde diese Art von Anmache sich auf eine

Person pro Strecke beschränken, wäre dies weniger nervenaufreibend. Leider ist es so, dass

ich keine Straße (und so geht es jeder Frau) umgehen kann, wo nicht irgendeine Art von

Anmache erfolgt. Der Höhepunkt ist jedoch, wenn eine Frau von einer Ansammlung von

mindestens zwei Männern fixiert und wahrgenommen wird, denn umso lauter ist der Chor

aus Zisch-, Schmatz-, Schnalz- oder Pfeifgeräuschen. So versuche ich den Männerchor

gekonnt zu ignorieren, doch logischer Weise fühlen sie sich durch mein Desinteresse erst

recht angespornt. Beruft man sich jedoch auf die bekannte uralte Erkenntnis, indem man

einfach freundlich grüßt, verstummen sie, und die noch zuvor sehr selbstsicheren Männer

bekommen höchstens noch ein schüchternes „hola“ zustande.

Machismo steht für übersteigerte männliche Dominanz und Aggressivität sowohl gegenüber

Frauen, als auch Geschlechtsgenossen. Meiner Meinung jedoch zeigen manche Männer aus

folgendem Grund dieses machistische Verhalten: sie haben Angst, nicht männlich –

überlegen, sondern „weiblich“ zu wirken….

Jedoch möchte ich betonen, dass ich abgesehen von dem machistischen Verhalten sehr

beeindruckt bin von der Herzlichkeit und der erfrischenden Offenheit vieler Einheimischer mir

gegenüber. So ist es vollkommen egal, in welcher Situation ich mich gerade befinde: Sei es

beim Einkaufen, beim Taxifahren oder bei zufälligen Begegnungen. Man wird immer in

freundliche Small Talks mit eingebunden und ehe man sich versieht hat man neue Kontakte

geknüpft.

Abgewischt

Ein weiteres und wichtiges Element in Nicaragua ist der Lappen. Der Lappen ist ein treuer

Begleiter der meisten Personen. Dabei handelt es sich um ein Stück Stoff, variabler Größe,

Form, Farbe und Textur. Dieser Lappen hat eine Multifunktionalität. Natürlich wird der

Lappen als Taschen- oder Schweißtuch benutzt. Dies bedarf keine weitere Erläuterung.

Doch auch andere Dinge werden damit abgewischt. Der Sitz im Bus, der

Computerbildschirm, Kindergesichter und -hände nach dem Essen, Autoscheiben, der Tisch

vor und nach dem Essen, der Scanner an der Kasse im Supermarkt. Der Lappen dient aber

auch als Sonnenschutz und so legt man sich den Lappen einfach auf den Kopf. Dies alles ist

noch nicht weiter verwunderlich. Aber spätestens dann, wenn ich euch erzähle, dass immer

der gleiche Lappen für jede Aktivitäten eingesetzt wird.

Der Lappen dient auch zum Putzen der Bürgersteige vor dem Haus. Dabei wird eine

allmorgendliche Bürgersteigputzaktion gestartet. Vor jedem Haus wird ein Eimer

Seifenwasser ausgekippt und intensiv mit einem Besen geschrubbt ohne Rücksicht auf

Verluste bei zufällig vorbeilaufenden Passanten.

(Aber)Glaube

Nicaragua ist ein Land der Märchen, Sagen und Legenden und der Aberglaube ist bei vielen

Menschen hier tief verwurzelt. So hat mir meine Gastfamilie erzählt, dass in der „Laguna de

Apoyo“ tatsächlich eine Meerjungfrau wohnt, die in den letzten Jahren auch schon wirklich

mehrmals von Menschen gesichtet worden ist. Und so wurden mir schon viele Geschichten

auf eine sehr ernsthafte Weise erzählt und nahegelegt, dass ich aufpassen sollte. Auch gibt

es einen Vogel, sobald dieser anfängt zu pfeifen, zählt meine Gastoma die Anzahl des

Gezwitschers. Zwitschert dieser Vogel beispielsweise drei Mal, werden im umliegenden

Umfeld in kurzer Zeit drei Menschen sterben. Da Masaya schon eine gewaltige Anzahl an

Einwohner hat, ist dies vielleicht gar nicht auszuschließen.

Meine Gastfamilie hat mir erklärt, dass es für viele Nicaraguaner einen weitverbreiteten

Glaube gibt: nämlich, dass es ungesund sei, warme und kalte Energieströme zu mischen. Ist

man beispielsweise in irgendeiner Form erhitzt, sollte man nicht duschen (da das Wasser ja

hier kalt ist). Hat man gebügelt, darf man sich danach nicht die Hände waschen – oder etwas

in den Kühlschrank tun.

Auch wird dieser Glaube auf warme und kalte Früchte

bezogen. Ananas ist zum Beispiel eine kalte Frucht, weshalb

man sie abends nicht mehr essen darf, sonst bekommt man

eine Erkältung. Es gibt wohl sogar einen Baum, unter dessen

Schatten man sich nicht begeben darf, wenn man erhitzt ist,

sonst stirbt man – kein Witz!

Aber auch der Glaube wird hier Großgeschrieben. So kann man viele Sprüche an Autos,

Bussen und Hausmauern lesen, wie z.B.:

Si Dios Conmigo

Quien Contra mi?

(Wenn Gott mit mir

ist, wer könnte gegen

mich sein)

Con el poder de

Dios!

(Mit der Macht

Gottes)

Masaya, die Stadt mit den meisten Festen

Nicaragua ist eines der größten und an Volkskultur reichsten

Länder Mittelamerikas. So ist der Kalender, besonders hier in

Masaya voll von Patronalfesten: Dies sind Feiern und

Straßenfeste mit speziellen Ritualen und Bräuchen. Und so

sagen wirklich alle Einheimischen hier: „Masaya ist die Stadt

mit den meisten Festen in Nicaragua.“ So konnte ich in

diesem Monat das Straßenfest in „San Jeronimo“ (ein Stadtteil

in Masaya) miterleben, eine Feier zu Ehren des Heiligen San

Jeronimo. Diese Prozession dauerte 24 Stunden und ich hatte

das Gefühl, dass ganz Masaya auf den Beinen war und sich

auf der Straße aufgehalten hatte. Es gab kein Durchkommen

mehr und die Kinder, Frauen und Männer haben auf der

Straße gefeiert, getanzt und gesungen und getrunken.

Außerdem gehören Reiterumzüge, Stierreiten und Böller

dazu. Überall und egal wann wurden Böller in die Luft

geschossen. Die Tänze, die auf den Straßen ausgeführt

werden sind folkloristisch und teilweise sehr theatralisch. Die

Musik ist unverzichtbar auf diesen Festen. Es gibt hier viele

„bandas“ (Spielmannszüge), in denen Blechbläser, Trommeln,

Xylophonisten und Tänzer zusammen spielen und durch die

Straßen ziehen. Jede

weiterführende

Schule hat eine

eigene Banda. So

gibt es richtige

Wettbewerbe auf den

Straßen untereinander, wer am besten spielt und

tanzt. Da es ab jetzt bis Silvester, so wurde es mir

erzählt, viele Feste und Straßenumzüge geben

wird, gehen täglich irgendwo und egal um welche

Uhrzeit Böller in die Luft und es kann passieren,

dass man morgens früh von einer „banda“ geweckt

wird. Die Blasmusik dominiert diese Festlichkeiten

und wird unterstützt von der traditionellen

Marimbamusik in Masaya.

Man beachte die Frau in der Mitte, mit einer Bierflasche auf

dem Kopf und der Zigarette umgedreht im Mund!

Im Hintergrund erkennt man eine Statue

aus Blüten und Blättern, die von mind. 50

Personen durch ganz Masaya getragen

wird.

Der Markt in Masaya

Der Markt in Masaya ist nicht ganz so, wie man sich einen Markt in Deutschland vorstellt und

auch ganz anders, als die meisten Märkte, die ich bislang gesehen habe. Auf diesem Markt

gibt es Millionen von Ständen, die eher aufgebaut sind wie kleine Läden. Mindestens einmal

die Woche fahren wir zum Markt, um einzukaufen. Denn auf diesem Markt gibt es alles.

Wenn ich alles schreibe, übertreibe ich nicht: Zahnpasta, Uhren, Holzschnitzereien,

Tongefäße, geflochtene Wandmatten und vielen anderen bunten Krimskrams, Fahrräder,

Schuhe, Klamotten, Friseurstände, Lebensmittel, DVD´s, Geschirr, Drogerieartikel etc. Der

Markt ist überfüllt von Menschen, die kaufen und verkaufen. Dicht an dicht drängen sich die

Menschen in den schmalen Gängen aneinander vorbei. Neben den wunderbaren Obst- und

Gemüsestände, gibt es auch die Fleisch- und Fischabteilung. Mengenweise Fisch, der nicht

in Eis gelegt ist, ist aufeinander gestapelt. Dazu kommt das Fleisch, was man kiloweise bei

35 Grad im Schatten, liebevoll gedeckt auf einem Holztisch, kaufen kann. Auf den Boden

befinden sich nicht nur Abfall, sondern auch die blutverschmierten Reste des Tieres. Für

viele Hunde, die dort herumstreuen, ist dies das reinste Paradies. Dementsprechend

mischen sich die Gerüche und überall wird am offenen Feuer irgendetwas gebrutzelt. Überall

läuft laute Musik. Trotz des ganzen Trubels und Gedränge, sind die Menschen einfach nur

freundlich und offen. Aufpassen muss ich höchstens, nicht über den Tisch gezogen zu

werden, da einem als „Weiße“ grundsätzlich immer höhere Preise genannt werden. Doch

abgesehen davon sorgen selbst die überhöhten Preise bei mir jedes Mal für Erstaunen.

Denn betrachtet man die europäischen Preise, ist hier einfach alles grundsätzlich billiger.

Was ist Zeit?

Soll ich die Deutschen beschreiben, so erwähne ich meistens, dass sie überpünktlich,

pflichtbewusst, kritisch und strikt sind. Genau das sind Eigenschaften, die es hier bestimmt

auch gibt - aber nicht Priorität haben! Und so stellt man hin und wieder fest, dass die

Gelassenheit, die ich hier bei den Menschen kennengelernt habe, auf mich abfärbt. Denn

ohne Geduld ist man hier in Nicaragua im Alltag ohnehin verloren. Sei es in

Kassenschlangen oder Leute, auf die man vergeblich wartet. In Deutschland beschweren

sich viele Menschen darüber, wenn der Zug mal wieder Verspätung hat oder wenn jemand

unpünktlich zu einem Treffen erschienen ist. Doch Zeit hat hier eine völlig andere

Bedeutung. Und so ist doch eigentlich die Hauptsache, am Ziel anzukommen, dass zu

erreichen, was man wollte, auch wenn es zehn Minuten später ist und glücklich zu sein.

Anpassung ist das „A“ und „O“ und ich bemerke hin und wieder, dass sich Stück für Stück

heimlich Verhaltensweisen einschleichen, die das tägliche Leben „gelassener“ machen. Und

doch gibt es Momente, in denen mein „Deutsch sein“ hin und wieder mit Nicaragua kollidiert.

Zum Beispiel wenn ein Trauerzug einer Beerdigung unentwegt von einem klingelnden

Eismann begleitet wird, wenn lebende Hühner kopfüber zum Verkauf durch den Markt

getragen werden oder die Beine eines Schweines stundenlang zusammengebunden bleiben,

wenn nachts in unglaublicher Lautstärke das Radio des Nachbarn angeht und man früh

morgens von irgendwelchen Autos geweckt wird, die beladen mit Lautsprechern sind und

verkünden, wer alles gestorben ist.

Doch dies alles schreibe ich mit einem Lächeln, mit Ironie und großer Freude darüber, diese

Erfahrungen machen zu dürfen und hier sein zu können. So ist es für mich eine unglaubliche

Bereicherung, die Möglichkeit bekommen zu haben, in eine neue Kultur einzutauchen, eine

neue Sprache zu lernen und neue Menschen kennen zu lernen!

36 Grad und es wird noch heißer!

Wie es mir geht?!

Blicke ich die zwei Monate zurück, habe ich das Gefühl, dass die Zeit davonrast. Ich fühle

mich hier in Nicaragua super wohl und habe mich hier sehr gut eingelebt. Die Arbeit macht

mir unglaublich viel Spaß. Auch wenn ich in diesem Bericht meine Arbeit nicht mit

eingebracht habe, folgt im nächsten Bericht eine umso intensivere Ausführung darüber, wie

meine Arbeit ist, was ich gerade mache und welche Erfahrungen ich bisher gemacht habe.

Wir, Maja, Jakob und ich, haben ein

Wochenende im Oktober unsere

Mitfreiwilligen Patrick und Lukas in León

besucht. León ist die Kulturhauptstadts

Nicaragua und reicher als Masaya. Da die

Stadt sehr nahe an der Pazifikküste gelegen

ist, haben wir natürlich diese Chance genutzt

dorthin zu fahren. So konnte ich meine ersten

Erfahrungen mit dem starken Wellengang

machen, denn die 4 m hohen Wellen haben

mir doch samt Klamotten und Tasche glatt die

Füße weggerissen und ich durfte dann,

gewollt oder eben nicht, baden gehen. Das

Wochenende habe ich als richtig schönen,

kleinen Urlaub empfunden. Dort haben wir die

Pazifikküste sowie das Naturreservat „Juan

Venado“ besucht. Mit einem Boot sind wir auf

dem Fluss durch das Naturreservat gefahren.

Dies war eine unglaubliche Erfahrung und

wenn ich daran zurückdenke, bin ich immer

noch hin und weg. Auf der Suche nach

Krokodilen, die wir dort leider nicht gesichtet

haben, konnten wir Babyschildkröten

streicheln, die ein paar Stunden alt waren.

Auch riesige knallorangene Leguane haben

uns aus den Bäumen angestarrt, große bunte

Spinnen in riesen Spinnennetze haben wir

gesehen und wir haben sogar mitgeholfen

das Naturreservat aufzuforsten, indem wir

kleine Bäumchen dort gepflanzt haben.

Kontakt

Carolin Kornas

De la curacao tres cuadras al este

Masaya

Nicaragua

Oder:

[email protected]

Spendenkonto:

Weltweite Initiative für soziales Engagement

Bank f. Sozialwirtschaft

Konto: 861 1300

BLZ: 550 20 500

Stichwort: "Spende 70053“

________________________________________

Bitte nichts weiter in den Betreff schreiben!

Weitere Informationen:

www.weltweite-initiative.de - Die Homepage der Weltweiten Initiative

www.wortwechsel-weltweit.de - Die Homepage unserer Freiwilligenzeitung

www.mobileschool.org - Die Homepage der mobilen Schule

www.vamos-fsj.de - Eine Homepage, auf der sich viele Freiwillige unserer

Initiative vorstellen und Berichte veröffentlichen

Jakob, ich, Maja am Pazifikstrand