masterarbeit - universität klagenfurt

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Philipp Leitner Die Umsatzrealisierung nach IFRS 15 Auswirkungen des neuen Standards und mögliche Herausforderungen in der Energiebranche - Schwerpunkt Stromlieferverträge mit Endkunden Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science Studium: Masterstudium Wirtschaft und Recht Studienzweig: Accounting und Auditing Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Begutachterin Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Gudrun Fritz-Schmied Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Institut für Finanzmanagement Villach, November 2018

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Philipp Leitner

Die Umsatzrealisierung nach IFRS 15

Auswirkungen des neuen Standards und mögliche Herausforderungen in

der Energiebranche - Schwerpunkt Stromlieferverträge mit Endkunden

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science

Studium: Masterstudium Wirtschaft und Recht

Studienzweig: Accounting und Auditing

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Begutachterin

Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Gudrun Fritz-Schmied

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Institut für Finanzmanagement

Villach, November 2018

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich

− die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als

die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,

− die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, ein-

schließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe,

− die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinnge-

mäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der

Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich ge-

macht habe,

− die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer

Prüfungsbehörde vorgelegt habe und

− bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder digitaler

Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten di-

gitalen Version übereinstimmt.

Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen Arbeit zur Pla-

giatskontrolle herangezogen wird.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Philipp Leitner e.h. Villach, 12.11.2018

Kurzfassung

Mit dem am 01.01.2018 in Kraft getretenen IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ wurde

eines der großen Projekte des IASB und FASB finalisiert. Durch Inkrafttreten des IFRS 15

wurden der IAS 11 „Fertigungsaufträge“ sowie der IAS 18 „Erlöse“ ersetzt. Ziel der Stan-

dardsetter war es, die bestehenden Inkonsistenzen und Ermessensspielräume der Umsatzre-

alisierung zu beseitigen und den Anwendern ein detailliertes Regelwerk vorzulegen.

Vorliegende Masterarbeit widmet sich den Auswirkungen des neuen Erlöserfassungsmodells

des IFRS 15 auf Stromlieferverträge mit Endkunden. Hierfür wird der nunmehr anzuwendende

Umsatzrealisierungsprozess anhand der einzelnen Schritte des Modells erläutert, die erwei-

terten Anforderungen an die Anhangangaben analysiert und auf die bereits aufgekommene

Kritik an den Regelungen des IFRS 15 eingegangen.

Nach der Darstellung der neuen Vorschriften wird ein Vergleich mit den bisher gültigen Reg-

lementierungen des IAS 11 und IAS 18 vorgenommen. Hierbei wird aufgezeigt, welche Ände-

rungen die Umstellung auf den IFRS 15 hinsichtlich der Höhe des zu erfassenden Erlöses

sowie des Zeitpunkts der Umsatzrealisierung aber auch die Leistungskennzahlen eines Un-

ternehmens mit sich bringt.

Anschließend wird die Auswirkung des IFRS 15 auf die Erlöserfassung aus Stromlieferverträ-

gen mit Endkunden behandelt. Hierfür wird sowohl ein Fallbeispiel eines B2C-Stromlieferver-

trags als auch eines B2B-Stromliefervertrags unter Berücksichtigung der einzelnen Schritte

des Erlöserfassungsmodells analysiert. Dabei wird geklärt, ob es zu Anpassungen der Um-

satzrealisierung aus derartigen Vertragskonstellationen kommt oder ob die bisherige Vor-

gehensweise beibehalten werden kann.

Da am 01.01.2018 neben dem IFRS 15 auch der IFRS 9 „Finanzinstrumente“ in Kraft getreten

ist und mit 01.01.2019 auch der IFRS 16 „Leasingverhältnisse“ in Kraft tritt, werden zudem

etwaige Schnittstellen des IFRS 15 mit diesen Standards in einem thematischen Exkurs un-

tersucht.

Abstract

IFRS 15 "Revenue from Contracts with Customers", which came into force on January 1, 2018,

finalized one of the major projects of the IASB and FASB. IAS 11 "Construction Contracts" and

IAS 18 "Revenue" were replaced by the new standard. The aim of the standard setters was to

eliminate the existing inconsistencies and to provide users with a detailed set of rules.

This thesis is devoted to the effects of the new revenue recognition model of IFRS 15 on elec-

tricity supply contracts with end customers. Therefore, the individual steps of the model are

explained and the extended requirements for disclosures in the notes are analysed. In addition,

the criticism regarding the new IFRS 15 that has already arisen is addressed.

Following the presentation of the new regulations, a comparison is made with the previously

valid regulations of IAS 11 and IAS 18. It is shown which changes the conversion to IFRS 15

entails with regard to the amount of the revenue to be recognised and the time of revenue

recognition as well as the key performance indicators of an enterprise.

Subsequently, the impact of IFRS 15 on the recognition of revenue from electricity supply con-

tracts with end customers is discussed. A case study of both a B2C electricity supply contract

and a B2B electricity supply contract will be analysed, taking into account the individual steps

of the revenue recognition model. It will be clarified whether there will be adjustments to reve-

nue recognition from such contract constellations or whether the previous procedure can be

retained.

Since IFRS 9 "Financial Instruments" entered into force on January 1, 2018 in addition to IFRS

15 and IFRS 16 "Leases" also entered into force on January 1, 2019, any interfaces between

IFRS 15 and these standards will also be examined in a thematic excursus.

IV

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. IV

Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ VIII

Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ VIII

Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... IX

1 Einleitung ........................................................................................................................ 1

1.1 Einführung in die Thematik ...................................................................................... 1

1.2 Problemstellung ....................................................................................................... 2

1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen .......................................................................... 2

1.4 Methodik und Gang der Arbeit ................................................................................. 3

2 Umsatzrealisierung nach IFRS 15 .................................................................................. 5

2.1 Notwendigkeit & Zielsetzung .................................................................................... 6

2.2 Asset-and-Liability-Approach ................................................................................... 7

2.3 Anwendungsbereich ................................................................................................ 7

2.4 Übergangsvorschriften ............................................................................................. 9

2.5 Fünf-Schritte Modell ................................................................................................. 9

2.5.1 Schritt 1 – Identifizierung von Verträgen mit Kunden ...................................... 10

2.5.2 Schritt 2 – Identifizierung separater Leistungsverpflichtungen ........................ 12

2.5.3 Schritt 3 – Bestimmung des Transaktionspreises ........................................... 13

2.5.3.1 Variable Gegenleistungen ....................................................................... 14

2.5.3.2 Signifikante Finanzierungskomponente ................................................... 15

2.5.3.3 Nicht zahlungswirksame Gegenleistungen .............................................. 15

2.5.3.4 An einen Kunden zu zahlende Gegenleistung ......................................... 16

2.5.4 Schritt 4 – Allokation des Transaktionspreises ................................................ 16

2.5.4.1 Adjusted-Market-Assessment-Ansatz ...................................................... 16

2.5.4.2 Expected-Cost-plus-a-Margin-Ansatz ...................................................... 17

2.5.4.3 Residualwertansatz ................................................................................. 17

2.5.4.4 Umgang mit Preisnachlässen .................................................................. 17

2.5.4.5 Umgang mit variablen Gegenleistungen .................................................. 18

V

2.5.4.6 Umgang mit Änderungen des Transaktionspreises .................................. 18

2.5.5 Schritt 5 – Ertragsrealisierung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtungen ...... 18

2.5.5.1 Zeitraumbezogene Realisierung .............................................................. 19

2.5.5.1.1 Outputbasierte Methoden ..................................................................... 20

2.5.5.1.2 Praktische Erleichterung nach IFRS 15.B16 ......................................... 20

2.5.5.1.3 Inputbasierte Methoden ........................................................................ 21

2.5.5.2 Zeitpunktbezogene Realisierung ............................................................. 21

2.6 Anforderungen an die Anhangangaben ................................................................. 21

2.6.1 Angaben zu Verträgen mit Kunden ................................................................. 22

2.6.2 Angaben zu Ermessensentscheidungen ......................................................... 24

2.6.3 Angaben zu den Vertragsanbahnungs- bzw Vertragserfüllungskosten ........... 24

2.7 Kritik an den Regelungen des IFRS 15 .................................................................. 26

2.8 Zwischenergebnis .................................................................................................. 29

3 Ertragsrealisation alt vs Ertragsrealisation neu ............................................................. 30

3.1 Grundkonzeption ................................................................................................... 30

3.2 Anwendungsbereich .............................................................................................. 31

3.3 Umgang mit separaten Leistungsverpflichtungen .................................................. 32

3.4 Höhe des zu erfassenden Ertrags .......................................................................... 33

3.4.1 Bemessung nach IAS 18 ................................................................................ 34

3.4.2 Bemessung nach IAS 11 ................................................................................ 35

3.4.3 Vergleich der vormaligen Regelungen mit IFRS 15......................................... 36

3.4.3.1 Variable Gegenleistungen ....................................................................... 37

3.4.3.2 Signifikante Finanzierungskomponenten ................................................. 38

3.4.3.3 Nicht zahlungswirksame Transaktionen ................................................... 39

3.4.3.4 An einen Kunden zu zahlende Gegenleistung ......................................... 40

3.4.3.5 Einfluss der Leistungsseparierung auf die Höhe des Erlöses ................... 40

3.4.3.6 Langfristige Fertigungsaufträge ............................................................... 41

3.5 Zeitpunkt der Ertragsrealisierung ........................................................................... 41

3.5.1 Erfassungszeitpunkt nach IAS 18 ................................................................... 41

3.5.1.1 Verkauf von Gütern ................................................................................. 41

VI

3.5.1.2 Erbringung von Dienstleistungen ............................................................. 42

3.5.1.3 Zinsen, Nutzungsentgelte und Dividenden ............................................... 43

3.5.2 Erfassungszeitpunkt nach IAS 11 ................................................................... 43

3.5.3 Vergleich der vormaligen Regelungen mit IFRS 15......................................... 44

3.6 Veränderung von Leistungskennzahlen ................................................................. 48

3.7 Anforderungen an die Anhangangaben ................................................................. 49

3.8 Zwischenergebnis .................................................................................................. 50

4 IFRS 15 in der Energiebranche ..................................................................................... 53

4.1 Branchenspezifika & Vertragsformen ..................................................................... 53

4.2 Der Stromliefervertrag unter IFRS 15..................................................................... 56

4.2.1 Der Stromliefervertrag mit Privatkunden ......................................................... 57

4.2.1.1 Vorliegen eines Vertrags ......................................................................... 58

4.2.1.2 Leistungsverpflichtungen im B2C-Stromliefervertrag ............................... 59

4.2.1.2.1 Stand-Ready-Obligation ....................................................................... 59

4.2.1.2.2 Separierung/Zusammenfassung von Leistungsverpflichtungen ............ 60

4.2.1.3 Bestimmung und Allokation des Transaktionspreises .............................. 61

4.2.1.3.1 Variable Gegenleistungen im Stromliefervertrag ................................... 61

4.2.1.3.2 Allokation der variablen Gegenleistung ................................................. 63

4.2.1.4 Realisierung der Umsätze aus einem B2C-Stromliefervertrag ................. 64

4.2.1.4.1 Messung des Leistungsfortschritts ........................................................ 64

4.2.1.4.2 Right-to-Invoice-Ausnahmeregelung .................................................... 64

4.2.1.5 Ergebnis .................................................................................................. 67

4.2.2 Der Stromliefervertrag mit Industriekunden ..................................................... 69

4.2.2.1 Vorliegen eines Vertrags ......................................................................... 70

4.2.2.2 Leistungsverpflichtungen im B2B-Stromliefervertrag................................ 70

4.2.2.3 Bestimmung und Allokation des Transaktionspreises .............................. 70

4.2.2.4 Realisierung der Umsätze aus einem B2B-Stromliefervertrag ................. 71

4.2.2.5 Ergebnis .................................................................................................. 72

4.2.3 Umgang mit Vertragsmodifikationen ............................................................... 72

4.2.3.1 Flexible Preisanpassung .......................................................................... 73

VII

4.2.3.2 Blend-and-Extend-Modifikation ................................................................ 73

4.3 Anwendungsfragen im Zusammenspiel mit IFRS 9 und IFRS 16 ........................... 74

4.3.1 Schnittstelle zwischen IFRS 15 und IFRS 9 „Finanzinstrumente“ .................... 74

4.3.2 Schnittstelle zwischen IFRS 15 und IFRS 16 „Leasingverhältnisse“ ............... 77

4.4 Zwischenergebnis .................................................................................................. 80

5 Beantwortung der Forschungsfragen & Fazit ................................................................ 84

Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 95

VIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entstehungsverlauf IFRS 15 .............................................................................. 5

Abbildung 2: Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................................ 8

Abbildung 3: Fünf-Schritte Modell ........................................................................................ 10

Abbildung 4: Ermittlung des Einzelveräußerungspreises ..................................................... 17

Abbildung 5: Indikatoren für einen Kontrollübergang ............................................................ 21

Abbildung 6: Beispielhafte Kategorisierung nach IFRS 15.B89 ............................................ 22

Abbildung 7: Leistungsmessung nach IAS 11 ...................................................................... 36

Abbildung 8: Vertrags- und Leistungsbeziehungen im Stromsektor ..................................... 54

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Qualitative und quantitative Anhangangaben ...................................................... 25

Tabelle 2: Ermittlung des Transaktionspreises ..................................................................... 63

Tabelle 3: Berechnung des Teilzahlungsbetrags .................................................................. 66

Tabelle 4: Transaktionspreisbestimmung B2B ..................................................................... 71

IX

Abkürzungsverzeichnis

Abs Absatz

AICPA American Institute of Certified Public Accountants

BB Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BC Basis for Conclusions

B2B Business-to-Business

B2C Business-to-Consumer

bspw beispielsweise

bzgl bezüglich

bzw beziehungsweise

DStR Das deutsche Steuerrecht (Zeitschrift)

ebd ebenda

EBITDA Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization

EITF Emerging Issues Task Force

etc et cetera

EU Europäische Union

f folgende

ff fortfolgende

FASB Financial Accounting Standards Board

FLF Finanzierung Leasing Factoring (Zeitschrift)

gem gemäß

ggf gegebenenfalls

grds grundsätzlich

GuV Gewinn und Verlust

Hrsg Herausgeber

IAS International Accounting Standards

IASB International Accounting Standards Board

idR in der Regel

IEAF International Energy Accounting Forum

IFRIC International Financial Reporting Interpretations Committee

IFRS International Financial Reporting Standards

X

IN Introduction (IFRS)

inkl inklusive

iRd im Rahmen der/des

IRZ Zeitschrift für internationale Rechnungslegung

iSd im Sinne des

iVm in Verbindung mit

iZm im Zusammenhang mit

KoR Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung

mE meines Erachtens

mMn meiner Meinung nach

oä oder ähnliche

RLM registrierende Leistungsmessung

Rn Randnummer

Rz Randziffer

S Seite

SIC Standing Interpretations Committee

UGB Unternehmensgesetzbuch

US-GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles

Vgl Vergleiche

vs versus

WPg Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

Z Ziffer

zzgl zuzüglich

1

1 Einleitung

Vorliegende Arbeit behandelt die Änderungen der Bilanzierung und Darstellung von Umsatz-

erlösen durch den International Financial Reporting Standard 15 „Erlöse aus Verträgen mit

Kunden“ im Vergleich zu den bisher gültigen Standards und Interpretationen. Der spezielle

Fokus liegt im Weiteren auf der Energiebranche und den Auswirkungen des IFRS 15 auf den

in der Branche abgeschlossenen Stromlieferverträgen.

1.1 Einführung in die Thematik

Grundsätzlich erfasst jedes Unternehmen Erlöse und ist somit an die Regelungen der korrek-

ten Bilanzierung dieser gebunden. Die Bilanzgröße „Umsatzerlöse“ ist innerhalb der Rech-

nungslegung zudem von großer Bedeutung, da sie ein erster Indikator für die Performance

eines Unternehmens ist und zur Berechnung wichtiger Leistungskennzahlen herangezogen

wird.1

Auf internationaler Ebene waren die Erlösrealisierungsvorschriften für nach IFRS bilanzie-

rende Unternehmen bisher in mehreren Standards und dazugehörigen Interpretationen gere-

gelt und wiesen teilweise erhebliche Regelungslücken auf. Dem Bilanzierenden offenbarten

sich dadurch Ermessenspielräume, welche zu Verzerrungen des „true and fair view“ (der ge-

treuen Darstellung der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage) und einer damit verbundenen

schlechteren Vergleichbarkeit der Abschlüsse führen konnten.2 Aufgrund der hohen Bedeu-

tung, welche den Umsatzerlösen beigemessen wird, brachten solche Ermessensspielräume

auch den Anreiz einer bewussten Bilanzmanipulation mit sich.3 Diesen Umständen haben sich

das IASB und das FASB angenommen, welche bereits im Jahr 2002 in Verhandlung getreten

sind, um einen prinzipienorientierten Standard zur Umsatzrealisierung hervorzubringen und

dahingehende Rechnungslegungsvorschriften zwischen den IFRS und US-GAAP zu harmo-

nisieren. Vorhandene Regelungslücken sowie daraus resultierende Ermessensfragen sollen

mit Hilfe dieses neuen Standards beseitigt und eine – unter anderem auch branchenübergrei-

fende – Vergleichbarkeit der Unternehmensabschlüsse gewährleistet werden.4

Der mit 01.01.2018 in Kraft getretene IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ wurde am

28. Mai 2014 gemeinsam mit dem Topic 606 der US-GAAP veröffentlicht und ersetzt die unter

IFRS-Anwendern gültigen Vorschriften des IAS 11 „Fertigungsaufträge“ und des IAS 18 „Um-

satzerlöse“ sowie die Interpretationen SIC-31 „Umsatzerlöse - Tausch von Werbeleistungen“,

1Vgl Brune, IRZ 2016, S 19. 2Vgl Erchinger/Melcher, KoR 2/2009, S 89. 3Vgl Pilhofer (2002), S 66. 4Vgl Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 190.

2

IFRIC 13 „Kundenbindungsprogramme“, IFRIC 15 „Verträge über die Errichtung von Immobi-

lien“ und IFRIC 18 „Übertragung von Vermögenswerten durch einen Kunden“.5

1.2 Problemstellung

Die teilweise erheblichen Änderungen des Umsatzrealisierungsprozesses im Zuge der An-

wendung des IFRS 15 führten in ausgewählten Branchen und Unternehmen zu weitreichenden

Anpassungen. Unternehmen, deren Verkaufstransaktionen von geringer Komplexität gekenn-

zeichnet sind, waren weniger stark von den Änderungen betroffen, als bspw Unternehmen, in

deren Geschäftsalltag spezielle Vertragsformen und Mehrkomponentengeschäfte zur Anwen-

dung kommen.6 Das konkrete Ausmaß der Auswirkungen ist erstmals in den Quartals- bzw

Halbjahresberichten der aktuellen Bilanzierungsperiode 2018 der Unternehmen ersichtlich.

Auch in der Energiebranche galt es herauszufinden, ob die Implementierung des IFRS 15 Ver-

änderungen der bisherigen Bilanzierung mit sich bringen und dadurch zu einem zeitlichen,

personellen, technischen und finanziellen Ressourcenaufwand führen würde. Solch genaue

Analysen waren vor allem auf die spezielle und variierende Vertragsgestaltung zurückzufüh-

ren. Die Konzeptionierung des IFRS 15 hatte jene Branchen, die durch freie Marktkomponen-

ten und regulatorische Eingriffe geprägt sind und das daraus resultierende Vertragsumfeld,

nicht im Fokus.7 Aufgrund dieser Tatsache mussten in der Energiebranche tätige Unterneh-

men ihre bisherige Bilanzierungspraxis von Umsätzen aus Verträgen mit Kunden kritisch über-

prüfen. Gerade die Identifizierung von separaten Leistungsverpflichtungen, der Umgang mit in

der Branche üblichen Vertragsmodifikationen, aber auch die Bestimmung und Verteilung des

Transaktionspreises – unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Geschäftspraxen –

stellten auf den ersten Blick potentielle Herausforderungen für das Rechnungswesen des

Energiesektors dar.8 Die erweiterten Anforderungen des IFRS 15 an die Anhangangaben be-

durften ebenso einer eingehenden Analyse, da diese jene des IAS 18 weit überschreiten. Es

galt in diesem Zuge festzustellen, welche der neuen Anforderungen zu erfüllen sind und wie

detailliert diese ausfallen müssen.9

1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen

In der Fachliteratur haben sich bereits zahlreiche Autoren mit der Thematik des IFRS 15 aus-

einandergesetzt. Eine genaue Analyse der diversen Branchen sowie damit verbundener Ge-

schäftspraktiken wurde bisher jedoch nur begrenzt durchgeführt. Dies ist mitunter dem Um-

5Vgl IFRS 15.C10. 6Vgl KPMG 2016b, S 3. 7Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 209. 8Vgl Pwc 2016b, https://www.pwc.de/de/rechnungslegung/ifrs-15-neuer-standard-zur-umsatzrealisie-rung-veranlasst-energieunternehmen-zu-kritischer-neubeurteilung-und-stetiger-kontrolle.html, abgeru-fen am 03.11.2018. 9Vgl Schieler/Weinmann, IRZ 2017, S315; Brune, IRZ 2016, S 23.

3

stand geschuldet, dass konkrete branchenspezifische Auswirkungen erst im Laufe der aktuel-

len Bilanzierungsperiode ersichtlich werden. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über den

neuen Standard zur Umsatzrealisierung zu geben und dabei jene Aspekte des IFRS 15, wel-

che für die Energiebranche und im Besonderen für die Stromlieferverträge von Bedeutung

sind, hervorzuheben. In diesem Zuge sollen zudem die Auswirkungen und die damit möglich-

erweise auftretenden Herausforderungen im Umsatzrealisierungsprozess aufgezeigt werden.

Hierfür werden folgende Forschungsfragen beantwortet:

Hauptforschungsfragen:

1. Welche Vorschriften des IFRS 15 sind für die Energiebranche im Zusammenhang mit

Stromlieferverträgen von Relevanz?

2. Welche Wirkungen entfalten diese Vorschriften und welche möglichen Herausforde-

rungen offenbaren sich dadurch für Unternehmen der Energiebranche?

Theoretische Subforschungsfragen:

− Welche Veränderungen ergeben sich durch die Anwendung des IFRS 15 an Stelle des

IAS 11 und IAS 18 im Hinblick auf die Höhe und den Zeitpunkt bzw Zeitraum der Um-

satzrealisierung?

− Welche Auswirkung haben die Umsatzrealisationsregelungen des IFRS 15 auf die Um-

satzkennzahlen?

1.4 Methodik und Gang der Arbeit

Die Darstellung des IFRS 15 erfolgt anhand einer detaillierten Literaturrecherche. Im ersten

Abschnitt der Arbeit wird auf die Probleme der bisherigen Umsatzrealisationsvorschriften ein-

gegangen und die Notwendigkeit des IFRS 15 verdeutlicht. Darauffolgend werden die Rege-

lungen des IFRS 15 unter Bezugnahme des Wissensstandes der Literatur veranschaulicht.

Das neue Erlöserfassungsmodell des IFRS 15 wird dabei schrittweise dargestellt. Zudem wer-

den auch die neuen Anforderungen des IFRS 15 an die Anhangangaben erläutert. Abschlie-

ßend wird auf die in der Literatur bereits aufgekommene Kritik am IFRS 15 eingegangen.

In einem weiteren Schritt werden mit Hilfe der Fachliteratur die vormals gültigen Erlöserfas-

sungsbestimmungen der IFRS, insbesondere des IAS 18, aber auch des IAS 11, mit jenen

des 2018 in Kraft getretenen IFRS 15 verglichen und eventuelle Veränderungen hinsichtlich

der Höhe und des Zeitpunkts/-raums der Erlöserfassung analysiert. Darauf aufbauend werden

auch mögliche Auswirkungen auf die Leistungskennzahlen eines Unternehmens untersucht.

Daran anschließend werden die Energiebranche und die vertraglichen Besonderheiten, wel-

che für die Umsatzrealisierung von Bedeutung sind, abgebildet. Einleitend wird ein kurzer

Überblick über die Branchenspezifika und die Vertragsformen der Energiewirtschaft gegeben.

4

Da Energieversorgungsunternehmen im Strom-, Gas- aber auch Wärmesektor tätig sind und

eine Bearbeitung aller Sektoren den Rahmen dieser Masterarbeit sprengen würde, wird der

Fokus auf den Stromsektor gelegt. Die Vertrags- und Leistungsbeziehungen innerhalb des

Stromsektors sind derart vielfältig, dass auch hier eine Eingrenzung vorgenommen werden

muss. Nach einer kurzen Veranschaulichung des vertraglichen Umfelds wird das Hauptaugen-

merk im weiteren Verlauf auf die Beziehung zwischen dem Energieversorgungsunternehmen

und den Endkunden gelegt. Der klassische Stromliefervertrag zwischen einem Energieversor-

gungsunternehmen und einem Privatkunden (B2C-Stromliefervertrag) wird hierfür als Aus-

gangsbasis der Analyse herangezogen. Dabei werden jene Aspekte, die Auswirkungen auf

die Umsatzrealisierung haben könnten, veranschaulicht. Die Analyse erfolgt etappenweise an-

hand der Struktur des Fünf-Schritte Modells. Da die Ausgestaltung eines klassischen B2C-

Stromliefervertrags von jener eines typischen Stromliefervertrags zwischen Energieversorger

und Industriekunden (B2B-Stromliefervertrag) abweicht, wird diese Vertragskonstellation –

aufbauend auf den Erkenntnissen der Analyse des B2C-Stromliefervertrags – separat gewür-

digt.

Vertragsmodifikationen stellen einen wichtigen Bestandteil des Geschäftsmodells in der Ener-

giebranche dar. Vertragsverhältnisse innerhalb der Energiebranche unterliegen – je nach ge-

troffener Vereinbarung – regelmäßigen vertraglichen Anpassungen. Aus diesem Grund wer-

den die am häufigsten anzutreffenden Formen solcher Vertragsänderungen in einem eigenen

Kapitel analysiert.

Da der IFRS 15 in gewissen Fällen mit anderen Standards konkurriert, wird anschließend ein

thematischer Konkurs vorgenommen. Dabei werden die speziellen Überschneidungen inner-

halb des IFRS-Regelwerks analysiert. Im Zuge der Bilanzierung von Energieressourcen, die

als Handelsgut behandelt werden, sind Schnittstellen des IFRS 15 und des IFRS 9 gegeben.

So stellt sich bei den in der Energiebranche üblichen Warentermingeschäften die Frage, ob

und wie die Bilanzierung unter Berücksichtigung des IFRS 15 iVm dem IFRS 9 stattzufinden

hat. Weiters wird Privatkunden im Energiesektor neben der Bereitstellung von Strom nunmehr

auch die Option geboten, sogenannte Smart Meter (Stromzähler) auf Leasingbasis zu nutzen.

Hier ist zu klären, inwiefern der IFRS 15 und der IFRS 16 in Konkurrenz zueinanderstehen.

Dies wird ausführlich behandelt und eine entsprechende Abgrenzung durchgeführt.

Jedes theoretische Hauptkapitel endet mit einem Zwischenergebnis, in dem die Erkenntnisse

zusammengefasst und veranschaulicht werden. Besagte Zwischenergebnisse bilden dabei die

Basis für das abschließende Fazit, in welchem die im Kapitel 1.3 herausgearbeiteten For-

schungsfragen beantwortet werden.

5

2 Umsatzrealisierung nach IFRS 15

Im September 2002 startete das IASB gemeinsam mit dem FASB das Projekt „Revenue

Recognition“. Im Zuge der Überholung der Vorschriften zur Umsatzrealisierung nach IAS 11

„Fertigungsaufträge“, IAS 18 „Erlöse“ sowie diverser einzelfallbezogener Interpretationen rea-

gierte man damit auf die aus der Fachwelt kommende Kritik, die das unbestreitbare Fehlen

konkreter und einheitlicher Bilanzierungsvorschriften zur Ertragsrealisierung bemängelte. Auf-

grund der unzureichend detaillierten Regelungen kam es bisher in unterschiedlichen Branchen

und Unternehmen oftmals zu einer abweichenden bilanziellen Erfassung gleichartiger Ge-

schäftsfälle. Die – aufgrund der Ermessensspielräume iRd Erlöserfassung – beeinträchtigte

Vergleichbarkeit der Unternehmens-jahresabschlüsse stellte einen der Hauptkritikpunkte an

den bisherigen gültigen Standards dar. Mithilfe des neuen Standards IFRS 15 „Erlöse aus

Verträgen mit Kunden“ soll die branchenübergreifende Vergleichbarkeit gewährleistet wer-

den.10

Unter dem Titel „Vorläufige Ansichten zur Erlöserfassung aus Verträgen mit Kunden“ wurde

im Dezember 2008 erstmals ein Diskussionspapier veröffentlicht. Die Standardentwürfe er-

schienen daraufhin 2010 bzw in überarbeiteter Version 2011. Am 28. Mai 2014 wurde der neue

Standard „IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ veröffentlicht. Aufgrund der Zusammen-

arbeit des IASB mit dem FASB ist der IFRS 15 das Äquivalent zu den in den US-GAAP im

Standard „ASC Topic 606 Revenue from Contracts with Customers“ enthaltenen Regelun-

gen.11 Als Datum des Inkrafttretens des IFRS 15 wurde ursprünglich der 01.01.2017 festgelegt.

Dieser Termin wurde im September 2015 jedoch auf den 01.01.2018 verschoben. Im April

2016 wurde zudem eine Klarstellung12 herausgegeben.13

Abbildung 1: Entstehungsverlauf IFRS 1514

10Vgl Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 181. 11Vgl KPMG 2016b, S 4. 12Siehe hierzu ausführlich Petersen/Zwirner: Klarstellungen zu IFRS 15 – Erträge aus Verträgen mit

Kunden, IRZ 2017, S 147 ff. 13Zur Entstehungsgeschichte des IFRS siehe Deloitte, https://www.iasplus.com/de/standards/ifrs/ifrs15,

abgerufen am 03.11.2018. 14Vgl Dietrich/Malsch, IRZ 10/2015, S 387.

6

Nach der Veröffentlichung des Standards im Jahr 2014, haben das IASB sowie das FASB

zudem die Joint Transition Resource Group for Revenue Recognition (TRG) gegründet. Die

TRG sollte den Standardsettern bei Beurteilung der Frage, ob weitere Anwendungsleitlinien

zur Umsetzung des IFRS 15 von Notwendigkeit seien, beratend zur Seite stehen. In den Jah-

ren 2014 und 2015 trafen die Mitglieder, bestehend aus Abschlusserstellern, Wirtschaftsprü-

fern und Abschlussadressaten unterschiedlicher Branchen und Länder, deshalb sechsmal zu-

sammen. Anzumerken ist, dass die Vorschläge15 der TRG-Mitglieder nicht verbindlich sind,

den IFRS 15-Anwendern eine Berücksichtigung jedoch empfohlen wird.16

2.1 Notwendigkeit & Zielsetzung

Da den Umsatzerlösen eine hohe Aussagekraft im Zusammenhang mit der finanziellen Per-

formance eines Unternehmens zuzusprechen ist, die vormaligen Erlöserfassungsregelungen

der IFRS sowie der US-GAAP jedoch voneinander abwichen und verbesserungswürdig waren,

haben sich das IASB und das FASB gemeinsam zur Erarbeitung eines Standards zur Erfas-

sung der Umsatzerlöse entschieden. Die Erlöserfassungsbestimmungen der IFRS hatten mit

dem IAS 11 und dem IAS 18 sowie diverser Interpretationen bisher nur ungenaue Regelungen

vorzuweisen, weshalb sich die Realisation der Umsätze aus komplexen Geschäftstransaktio-

nen oftmals als problematisch erwies. Innerhalb der US-GAAP waren Unternehmen hingegen

mit dem Problem konfrontiert, dass zahlreiche separate Bestimmungen für unterschiedliche

Branchen und Transaktionen anzuwenden waren. Dieser Umstand führte deshalb häufig dazu,

dass ähnliche Transaktionen nach verschiedenen Bestimmungen und damit auf verschiedene

Weisen bilanziert wurden.17

Die Zusammenarbeit des IASB und des FASB basierte auf dem Grundgedanken, einheitliche

Umsatzerlöserfassungsregelungen festzulegen. Der IFRS 15 verfolgt gem IFRS 15.IN5 daher

folgende Ziele:

a) Beseitigung der bestehenden Inkonsistenzen und Schwächen der bisher gültigen Re-

gelungen zur Umsatzrealisierung,

b) Bereitstellung eines Rahmenkonzepts für sämtliche Teilaspekte der Erlöserfassung,

c) Verbesserung der Vergleichbarkeit der Umsatzerlöserfassung verschiedener Unter-

nehmen eines Wirtschaftszweigs, verschiedener Branchen sowie auch verschiedener

Länder und Kapitalmärkte,

d) Vereinfachung der Anwendung der Umsatzrealisierungsregelungen durch Reduktion

der anzuwendenden Standards und dazugehöriger Interpretationen sowie

15Für eine Zusammenfassung aller von den TRG-Mitgliedern festgestellten Sachverhalten siehe Deloitte

(2016), https://www.iasplus.com/de/publications/us-amerikanische-publikationen/trg-snapshot/march-2016/file zu finden, abgerufen am 03.11.2018.

16Vgl EY 2017a, S 6. 17Vgl IFRS 15.IN4.

7

e) die Abbildung nützlicherer Informationen für Abschlussadressaten durch erweiterte An-

gabepflichten.

2.2 Asset-and-Liability-Approach

Mit dem neuen Standard wurden die größtenteils in den US-GAAP aber auch teilweise in den

IFRS vorkommenden, einzelfallorientierten Regelungen in einem prinzipienorientierten Stan-

dard zusammengefasst. Die theoretische Konzeption bildet der Asset-and-Liability-

Approach, welcher als Gegenstück zum Revenue-and-Expense-Approach fungiert.18

Im Rahmen des Asset-and-Liability-Approach wird dem periodengerechten Ausweis des Un-

ternehmensvermögens, also der Identifizierung und Bewertung von Vermögenswerten,

höchste Bedeutung beigemessen. Dadurch wird der zukünftige wirtschaftliche Nutzen adäquat

widergespiegelt und den Abschlussadressaten die notwendigen Informationen hinsichtlich der

potentiellen Zukunft des Unternehmens geliefert.19 Zukünftige Nutzenzuflüsse stellen Vermö-

genswerte dar, während zukünftige Nutzenabflüsse als Schulden zu identifizieren sind. Der

Periodenerfolg wird anhand der Vermögensänderung, also der Zu- bzw Abnahme der Vermö-

genswerte und Schulden und somit zukunftsorientiert, gemessen.20

Der Revenue-and-Expense-Approach hingegen ermittelt den Periodenerfolg vergangenheits-

bezogen anhand der Gewinn- und Verlustrechnung. Die Erträge werden hierbei den Aufwen-

dungen gegenübergestellt und die Periodenabgrenzung mittels Realisationsprinzip steht im

Vordergrund.21

2.3 Anwendungsbereich

Der IFRS 15 ist von Unternehmen gem IFRS 15.5 auf alle Verträge mit Kunden anzuwenden.

Als Ausnahmen nennt der Standard:

a) Leasingverträge, auf welche IAS 17 „Leasingverhältnisse“ (ab 2019 IFRS 16) anzu-

wenden ist,

b) Versicherungsverträge, auf welche IFRS 4 „Versicherungsverträge“ (ab 2021 IFRS 17)

anzuwenden ist,

c) Finanzinstrumente und andere vertragliche Rechte oder Verpflichtungen, die in den

Anwendungsbereich von IFRS 9 „Finanzinstrumente“, IFRS 10 „Konzernabschlüsse“,

IFRS 11 „Gemeinsame Vereinbarungen“, IAS 27 „Einzelabschlüsse“ und/oder IAS 28

„Anteile an assoziierten Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen“ fallen sowie

d) nicht-monetäre Tauschgeschäfte zwischen Unternehmen, die in derselben Sparte tätig

18Vgl Grote/Hold/Pilhofer, KoR 3/2012, S 105. 19Vgl Zimmermann/Werner/Hitz (2011), S 138. 20Vgl Antonakopoulos (2007), S 21. 21Vgl Antonakopoulos (2007), S 18 f.

8

sind und die Verkäufe an (potentielle) Kunden erleichtern sollen.22

Ein Unternehmen ist zur Anwendung des Standards auf einen Vertrag nach IFRS 15.6 nur

dann verpflichtet, wenn dieser mit einem Kunden abgeschlossen wurde und nicht unter oben

genannte Ausnahmen fällt. Unter die Definition eines Kunden fällt eine Partei, die dem Aus-

tausch von Gütern und/oder Dienstleistungen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des

Unternehmens für eine Gegenleistung vertraglich zugestimmt hat.

Ein Vertrag mit einem Kunden kann gem IFRS 15.7 aber durchaus teilweise in den Anwen-

dungsbereich der in IFRS 15.5 genannten Standards fallen. Enthalten andere Standards ei-

gene Vorgaben hinsichtlich der Separierung und/oder erstmaligen Bewertung von Vertragstei-

len, so haben diese Vorschriften Vorrang gegenüber jenen des IFRS 15.23 Ist dies nicht der

Fall, dann sind die Regelungen des IFRS 15 heranzuziehen.

Abbildung 2: Sachlicher Anwendungsbereich24

Der IFRS 15 ist gem IFRS 15.C1 für jene Geschäftsjahre, die mit oder nach dem 01.01.2018

beginnen, verpflichtend anzuwenden. Mit 22.09.2016 wurde der IFRS 15 in das EU-Recht

übernommen.25

22Solche nicht-monetären Tauschgeschäfte spiegeln sich gem IFRS 15.5 (d) bspw in einem Vertrag

zwischen zwei Ölgesellschaften, die durch den Tausch von Rohöl die Nachfrage ihrer Kunden an verschiedenen Standorten zeitnah decken wollen, wider.

23Siehe hierzu Kapitel 4.3. 24Vgl KPMG 2016b, S 6 (leicht modifiziert). 25Siehe Verordnung (EU) Nr 2016/1905.

9

2.4 Übergangsvorschriften

Hinsichtlich der erstmaligen Anwendung sieht der IFRS 15 im Anhang C ein Wahlrecht zwi-

schen einer retrospektiven und einer modifizierten retrospektiven Methode vor.

Unter Anwendung der retrospektiven Methode gelten die Vorschriften des IAS 8.19. Die Eröff-

nungsbilanzwerte für die früheste im Abschluss dargestellte Vergleichsperiode sind unter Be-

rücksichtigung des IFRS 15 anzupassen.

IFRS 15.C5 (a) sieht für Leistungen, deren Übertragung innerhalb desselben Geschäftsjahres

beginnen und auch enden, keine Neubeurteilung vor. Wurden solche Leistungen bereits zur

Gänze erbracht und war in diesem Zusammenhang eine variable Gegenleistung Bestandteil

der Vereinbarung, kann ein Unternehmen gem IFRS 15.C5 (b) den Transaktionspreis zum

Zeitpunkt der Vertragserfüllung ansetzen. Eine Schätzung der Höhe der variablen Gegenleis-

tung in den Vergleichsperioden kann demnach unterbleiben. Auch Angaben zum Anteil des

Transaktionspreises, welcher den verbleibenden Leistungsverpflichtungen zugeordnet wurde,

sowie Erläuterungen zum erwarteten Zeitpunkt der Erlöserfassung sind gem IFRS.C5 (c) nicht

notwendig.

Die ausgewählten Erleichterungen des IFRS 15.C sind auf alle Verträge anzuwenden und

müssen entsprechend erläutert werden. Die Effekte aus der Umstellung sind zu Beginn der

ersten dargestellten Vergleichsperiode erfolgsneutral gem IAS 8.22 darzustellen.

Entscheidet sich ein Unternehmen zur Anwendung der modifizierten retrospektiven Methode,

dann erfolgt die Anwendung der Regelungen des IFRS 15 nur auf Verträge, die zum erstmali-

gen Anwendungszeitpunkt noch nicht vollständig erfüllt sind. Der kumulierte Effekt der erstma-

ligen Anwendung muss gem IFRS 15.C7 zum Zeitpunkt der Erstanwendung als Anpassung

der Gewinnrücklagen (oder anderer angemessener Eigenkapitalbestandteile) in der Eröff-

nungsbilanz berücksichtigt werden.

Zusätzlich müssen Unternehmen, die sich für die modifizierte retrospektive Methode entschei-

den, Angaben zur Höhe des Anpassungsbetrages jedes betroffenen Abschlusspostens sowie

Erläuterungen zu den Gründen der Änderungen tätigen.

2.5 Fünf-Schritte Modell

Mit Einführung des IFRS 15 rückt erstmals die Begrifflichkeit der Leistungsverpflichtung in

den Fokus. Anhang A des IFRS 15 definiert eine Leistungsverpflichtung als eine vertraglich

vereinbarte Zusage zur Übergabe einer Ware bzw Erbringung einer Dienstleistung eines

Unternehmens gegenüber einem Kunden. Von Bedeutung ist hier jedoch der Umstand, dass

besagte Ware bzw Dienstleistung eigenständig abgrenzbar sein muss. Die Erlösrealisierung

hat im Unternehmen zu dem Zeitpunkt und in jener Höhe stattzufinden, zu dem die vertraglich

10

festgelegten Verpflichtungen erfüllt werden. Nach IFRS 15.2 erfolgt die Abbildung der Über-

tragung der Güter bzw Dienstleistungen auf den Kunden demnach durch die Erfassung der

dafür vereinbarten Gegenleistung.

Die Erlöserfassung nach IFRS 15 erfolgt anhand eines Fünf-Schritte Modells:

Abbildung 3: Fünf-Schritte Modell26

Die Schritte 1, 2 und 5 sind hierbei als Ansatzvorschriften zu identifizieren, während die

Schritte 4 und 5 Bewertungsvorschriften darstellen.27

2.5.1 Schritt 1 – Identifizierung von Verträgen mit Kunden

Zur Erfassung von Umsatzerlösen aus Verträgen mit Kunden gilt es, jene Verträge zu identifi-

zieren, die unter den Anwendungsbereich des IFRS 15 fallen. Nach IFRS 15.9 sind dafür fol-

gende Kriterien kumulativ zu erfüllen:

− die Vertragsparteien haben ihre Zustimmung und Zusage (schriftlich, mündlich oder

gem anderen Gepflogenheiten28) zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten abgegeben,

− dem Unternehmen ist es möglich, für jede Vertragspartei festzustellen, welche Rechte

diese im Zusammenhang mit den zu übertragenden Gütern bzw Dienstleistungen be-

sitzt,

− dem Unternehmen ist eine Feststellung der Zahlungsbedingungen für die zu übertra-

genden Güter bzw Dienstleistungen möglich,

− der Vertrag zeichnet sich durch wirtschaftliche Substanz aus (wahrscheinliche Risiko-

und Zahlungsstromänderung im Unternehmen anhand des Vertrags),

− die Wahrscheinlichkeit der Erbringung der Gegenleistung ist gegeben. Hierbei ist auf

die Fähigkeit und Absicht des Kunden zur Zahlung des Betrags bei Fälligkeit abzuzie-

len.

26Vgl Schlüter/Schönhofer in Beck‘sches IFRS-Handbuch5 §15 RN 49 (leicht modifiziert). 27Vgl Schlüter/Schönhofer in Beck’sches IFRS-Handbuch5 §15 RN 49. 28Gepflogenheiten im Rahmen eines Vertragsabschlusses können sich von Branche zu Branche sowie

von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden und sind daher einer Einzelfallbeurteilung zu unter-ziehen (IFRS 15.10).

11

Es besteht die Möglichkeit, dass Verträge keine fixierte Laufzeit enthalten und von beiden Ver-

tragsparteien jederzeit gekündigt werden können. Auch eine Vereinbarung, die eine automa-

tische Verlängerung in regelmäßigen Abständen vorsieht, kann Bestandteil eines Vertrags bil-

den. Gem IFRS 15.11 sind die Regelungen des IFRS 15 dann auf derartige Verträge anzu-

wenden, solange die Vertragsparteien im Besitz durchsetzbarer Rechte und Pflichten sind.

Sofern beide Parteien jedoch das Recht haben, den bisher unerfüllten Vertrag ohne Entschä-

digungsleistung zu kündigen, liegt gem IFRS 15.12 kein Vertrag vor.

IFRS 15.17 sieht zudem eine Zusammenfassung mehrere Verträge, die zeitgleich oder zeitnah

abgeschlossen wurden, vor. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Verträge durch eine wirt-

schaftliche Verbundenheit gekennzeichnet sind. IFRS 15.17 führt in diesem Zusammenhang

drei Kriterien an, von denen mindestens eines erfüllt sein muss:

− Die Verträge werden als Paket mit einem einzigen wirtschaftlichen Zweck ausgehan-

delt.

− Die Höhe der Gegenleistung hängt vom Preis/der Erfüllung des anderen Vertrags ab.

− Die Güter/Dienstleistungen der Verträge stellen eine vertragsübergreifende einzige

Leistungsverpflichtung dar (gem Paragraphen 22 - 30).

Diese Zusammenfassung stellt im Normalfall – es sei denn, das dritte Kriterium einer einzigen

Leistungsverpflichtung ist erfüllt – einen sogenannten Mehrkomponentenvertrag dar.29

Vertragsänderungen

Unter einer Vertragsänderung versteht der IFRS 15 gem Paragraph 18 eine Änderung des

Vertragsumfanges und/oder -preises. Einer solchen Änderung müssen sämtliche Vertragspar-

teien zustimmen. Branchenabhängig werden solche Vertragsänderungen unter anderem auch

als Änderungsauftrag, Variation oder Ergänzung tituliert. Anhand einer Vertragsänderung wer-

den bestehende Rechte und Verpflichtungen geändert oder gänzlich durch neue ersetzt. Die

Zustimmung der Vertragsparteien kann sowohl schriftlich, mündlich oder durch Geschäftsge-

pflogenheiten der beteiligten Unternehmen erfolgen.

Eine Vertragsänderung ist gem IFRS 15.20 dann als separater Vertrag zu bilanzieren, wenn

der Vertragsumfang um eigenständig abgrenzbare Güter bzw Dienstleistungen (iSd IFRS

15.26-30) erweitert wird und sich die vereinbarte Gesamtleistung um die Gegenleistung, die

dem Einzelveräußerungspreis der zusätzlichen Güter oder Dienstleistungen entspricht, er-

höht.

Sofern eine Vertragsänderung jedoch nur eine Preisänderung oder eine Veränderung des Ver-

tragsumfanges, die keine abgrenzbaren Leistungsverpflichtungen mit sich bringt, darstellt, so

29Vgl Knobloch/Anton, DStR 2015, S 1521.

12

kann dies nicht als separater Vertrag bilanziert werden. In diesem Fall normiert der IFRS 15.21

folgende Vorgehensweisen:

a) Sollten die noch ausstehenden Güter bzw Dienstleistungen von jenen Leistungsver-

pflichtungen, die vor der Vertragsänderung erfüllt wurden, abgrenzbar sein, muss das

Unternehmen die Vertragsänderung als Beendigung des bestehenden und Begrün-

dung eines neuen Vertrags bilanzieren. Die Gegenleistung der noch ausstehenden

Leistungsverpflichtungen, entspricht der Summe der

o Gegenleistung, welche vom Kunden zugesagt wurde (bereits erhaltene Beträge

eingeschlossen) und die im Rahmen der Schätzung des Transaktionspreises

berücksichtigt und nicht als Erlös bilanziert worden ist; und

o im Zuge der Vertragsänderung vereinbarten Gegenleistung.

b) Sofern ausstehende Güter oder Dienstleistungen nicht eigenständig abgrenzbar und

einer einzelnen Leistungsverpflichtung, die zum Zeitpunkt der Vertragsänderung teil-

weise erfüllt ist, zuzuordnen sind, ist die Vertragsänderung als Bestandteil des beste-

henden Vertrags zu behandeln. Die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den

Transaktionspreis sowie den gemessenen Leistungsfortschritt sind als Erlösanpas-

sung (Erhöhung/Verringerung des Erlöses) zum Zeitpunkt der Modifikation des Ver-

trags zu erfassen.

2.5.2 Schritt 2 – Identifizierung separater Leistungsverpflichtungen

Nach erfolgreicher Einordnung eines Vertrags, erfolgt im zweiten Schritt die Identifizierung der

darin enthaltenen Leistungsverpflichtungen. Es ist nach IFRS 15.22 bereits bei Vertragsab-

schluss zu prüfen, ob Leistungen innerhalb des Vertrags eigenständig abzugrenzen sind. Dies

ist dem Umstand geschuldet, dass nicht der Vertrag die zu bilanzierende Größe darstellt, son-

dern die darin enthaltenen Leistungsverpflichtungen.30 Neben einem eigenständig abgrenzba-

ren Gut bzw einer eigenständig abgrenzbaren Dienstleistung, ist gem IFRS 15.22 (b) auch

eine Reihe eigenständig abgrenzbarer Güter oder Dienstleistungen, die im Wesentlichen

gleich sind und nach demselben Muster auf den Kunden übertragen werden, als eine einzige

Leistungsverpflichtung zu identifizieren. Für eine Reihe eigenständig abgrenzbarer Güter bzw

Dienstleistungen sieht der IFRS 15.23 dann eine nach dem gleichen Muster vollzogene Über-

tragung auf den Kunden vor, wenn das Gut bzw die Dienstleistung über einen Zeitraum erfasst

und der Leistungsfortschritt für all diese Güter oder Dienstleistungen anhand der gleichen Me-

thode gemessen wird. Diese Zusammenfassung der Leistungen dient betroffenen Unterneh-

men als Erleichterung im Rahmen der Identifizierung von Leistungsverpflichtungen und wird

auch Series-Guidance genannt.

30Vgl Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 471.

13

IFRS 15.27 normiert unter einer separat zu erfassenden Leistungsverpflichtung eine

1. grundsätzlich abgrenzungsfähige und

2. eigenständige, abgrenzbare Leistungsverpflichtung (oder ein abgrenzbares Bündel

aus Gütern bzw Dienstleistungen) im Sinne des Vertrags.

Hat der Kunde die Möglichkeit, das Gut bzw die Dienstleistung gesondert oder in Verbindung

mit anderen, ihm jederzeit zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen, so ist der Tatbe-

stand der grundsätzlichen Abgrenzungsfähigkeit gem Punkt 1 erfüllt.

Die Abgrenzung gem Punkt 2, also im Vertragskontext, ist iSd IFRS 15.29 dann gegeben,

wenn sich ein Gut bzw eine Dienstleistung klar von anderen Leistungsverpflichtungen inner-

halb des Vertrags separieren lässt.

Dies ist dann der Fall, wenn:

− das Unternehmen keine wesentlichen Integrationsleistungen setzt, um die Leistungs-

verpflichtung mit anderen vertraglich vereinbarten Gütern bzw Dienstleistungen zu

bündeln,

− das Gut bzw die Dienstleistung keine der anderen Leistungsverpflichtungen signifikant

beeinflusst,

− die Leistungskomponente nicht oder kaum von anderen Leistungsverpflichtungen ab-

hängig oder mit solchen eng verbunden ist.

Sind vertragliche Leistungsverpflichtungen nach den genannten Kriterien nicht einzeln ab-

grenzbar, so schreibt IFRS 15.30 so lange eine Zusammenfassung der Güter bzw Dienstleis-

tungen vor, bis ein Bündel aus diesen als eigenständige Leistungsverpflichtung abgegrenzt

werden kann.31

Da die Separierung oder Zusammenfassung von Leistungsverpflichtungen starke Auswirkun-

gen auf die Umsatzrealisierung haben kann, ist im Zuge der Identifikation von Leistungsver-

pflichtungen seitens des Unternehmens eine genaue Analyse der Kundenverträge notwen-

dig.32

2.5.3 Schritt 3 – Bestimmung des Transaktionspreises

Im dritten Schritt gilt es, den Transaktionspreis des Vertrags zu bestimmen. IFRS 15.47 defi-

niert den Transaktionspreis als voraussichtliche Gegenleistung aus der Übertragung der ver-

einbarten Leistungsverpflichtungen (davon ausgenommen sind Beträge, die im Namen Dritter

31Es ist gem IFRS 15.30 durchaus möglich, dass aufgrund der notwendigen Zusammenfassung der

Güter und Dienstleistungen nur eine einzige Leistungsverpflichtung innerhalb eines Vertrags identifi-ziert wird.

32Vgl Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 471.

14

eingezogen werden – bspw die Umsatzsteuer).

Im Zuge der Ermittlung des Transaktionspreises sind neben fixen Gegenleistungen auch

variable Gegenleistungen, Finanzierungskomponenten, Tauschgeschäfte oder an Kun-

den zu entrichtende Gegenleistungen miteinzubeziehen. Diese Bestimmungen dürften im

Vorfeld der Erstanwendung des Standards in gewissen Branchen umfangreiche Analysen auf-

grund der unterschiedlichen Vertragsformen veranlasst haben.33

2.5.3.1 Variable Gegenleistungen

Enthält eine vertraglich zugesagte Gegenleistung eine variable Komponente, so ist die Höhe

dieser gem IFRS 15.50 vom Unternehmen zu bestimmen. Variable Gegenleistungen können

gem IFRS 15.51 bspw in Form von Skonti, Rabatten, Rückerstattungen, Gutschriften, Preis-

nachlässen, Leistungsprämien, Strafzuschlägen oder Ähnlichem auftreten. Auch das Eintreten

oder Nichteintreten bestimmter zukünftiger Ereignisse (bspw Rückgabe aufgrund eines Rück-

gaberechts) kann sich auf die Gegenleistung auswirken und ihre Höhe beeinflussen und ist

demnach als variable Komponente einzustufen. Eine solche variable Gegenleistung kann gem

IFRS 15.52 entweder vertraglich vereinbart worden sein oder sich aus den Geschäftsgepflo-

genheiten des Unternehmens ableiten. Derartige variablen Gegenleistungen erschweren die

Bestimmung des Transaktionspreises signifikant. IFRS 15.53 normiert hierfür zwei Schätz-

methoden.

Zum einen die Erwartungsmethode, welche den Erwartungswert anhand der Summe der

wahrscheinlichkeitsgewichteten Beträge aus einer Fülle an möglichen Beträgen ermittelt.

Diese Methode ist vor allem dann zielführend, wenn bereits eine große Anzahl an ähnlichen

Verträgen abgeschlossen wurde.

Zum anderen kann die Ermittlung anhand des wahrscheinlichsten Betrags erfolgen. Dies

ist jener Betrag aus einer Vielzahl von Beträgen, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit am höchs-

ten ist. Diese Art der Schätzung ist bspw dann zu empfehlen, wenn sich ein Vertrag bloß durch

zwei mögliche Resultate definiert. Als Beispiel nennt der Standard hier eine etwaige Leistungs-

prämie.

IFRS 15.56 schreibt im Zusammenhang mit solchen variablen Gegenleistungen jedoch vor,

dass diese nur in den Transaktionspreis miteinbezogen werden dürfen, solange die Eintritts-

wahrscheinlichkeit einer Stornierung als nicht hoch eingestuft werden kann. Der IASB verwen-

det den Wortlaut „highly probable34“. Da der IFRS 15 den Begriff „highly probable“ nicht näher

definiert, sind Ermessensentscheidungen unumgänglich. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts

33Vgl Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 473. 34Das IASB hält in der Basis of Conclusion des IFRS 15 fest, dass nur der IFRS 15 den Begriff „highly

probable“ verwendet, während das FASB im US-GAAP Standard ASC 606 lediglich von „probable“ spricht. Trotz unterschiedlichem Wortlaut sind diese Begriffe in ihrer Bedeutung äquivalent (IFRS 15.BC211).

15

einer Stornierung muss aber deutlich mehr als 50 % betragen.35 Als Orientierungshilfe zählt

der IFRS 15.57 in diesem Zusammenhang einige mögliche Gründe für eine etwaige Vertrags-

stornierung auf.

2.5.3.2 Signifikante Finanzierungskomponente

Der Erhalt der Gegenleistung und der Zeitpunkt des Übergangs der Verfügungsgewalt über

bestimmte Güter bzw Dienstleistungen können bei bestimmten Transaktionen voneinander

abweichen. Zahlt der Kunde bspw im Voraus, so gewährt er dem Unternehmen faktisch einen

Kredit. Umgekehrt wird dem Kunden ein Kredit gewährt, wenn die Zahlung erst nachträglich

erfolgt.36 Im Zuge der Bestimmung des Transaktionspreises hat das Unternehmen gem IFRS

15.60 die zugesagte Gegenleistung um den Zeitwert des Geldes anzupassen, sofern der ver-

einbarte Zahlungszeitpunkt für den Kunden einen signifikanten Vorteil mit sich bringt. Der IFRS

15 spricht in solch einem Fall von einer signifikanten Finanzierungskomponente.

Folgende Faktoren sind nach IFRS 15.61 für die Beurteilung einer signifikanten Finanzierungs-

komponente von Bedeutung:

− Die Differenz zwischen dem Barverkaufspreis und der Höhe der Gegenleistung der

zugesagten Güter bzw Dienstleistungen

− sowie die erwartete Dauer der Lieferung und der Bezahlung der Güter bzw Dienstleis-

tungen unter Einbezug der marktüblichen Zinssätze.

Der Zweck einer solchen Anpassung der zugesagten Gegenleistung liegt laut Paragraph 61

darin, dass Unternehmen den Erlös in der Höhe erfassen, der den Preis widerspiegelt, den

der Kunde unmittelbar nach der Übertragung der Leistungen in bar bezahlt hätte.

Im Falle des Vorliegens einer signifikanten Finanzierungskomponente hat das Unternehmen

gem IFRS 15.64 eine Abzinsung vorzunehmen. Als Abzinsungszinssatz ist hier derselbe Zins-

satz zu wählen, der bei einem gesonderten Finanzierungsgeschäft anfallen würde.

2.5.3.3 Nicht zahlungswirksame Gegenleistungen

Eine vom Kunden zu erbringende Gegenleistung muss nicht unbedingt in monetärer Form

erfolgen. So ist es auch möglich, dass der Kunde Güter, Dienstleistungen oder andere nicht

zahlungswirksame Gegenleistungen erbringt.37 Die Bestimmung des Transaktionspreises sol-

cher Tauschgeschäfte erfolgt gem IFRS 15.66 unter Berücksichtigung der beizulegenden Zeit-

werte der Gegenleistungen. Ist eine Schätzung des beizulegenden Zeitwerts nicht verlässlich

35Vgl Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 473. 36Vgl EY 2017a, S 162. 37Vgl EY 2017a, S 176.

16

durchführbar, so muss sich das Unternehmen gem IFRS 15.67 auf den Einzelveräußerungs-

preis der für die Gegenleistung angebotenen Güter und Dienstleistungen stützen.

2.5.3.4 An einen Kunden zu zahlende Gegenleistung

Sofern ein Unternehmen einem Kunden einen Barbetrag zahlen muss oder eine solche Zah-

lung erwartet, ist diese als Reduktion des Transaktionspreises zu berücksichtigen. IFRS 15.70

sieht von einer solchen Verringerung des Transaktionspreises ab, wenn diese Barzahlung für

ein vom Kunden an das Unternehmen übertragenes, eigenständig abgrenzbares Gut bzw eine

solche Dienstleistung getätigt wird.

An einen Kunden zu zahlende Gegenleistungen können in verschiedenen Formen auftreten,

weshalb es hierbei stets einer genauen Prüfung seitens der Unternehmen bedarf. Als praxis-

übliche Beispiele lassen sich Gutscheine und Rabatte nennen.

2.5.4 Schritt 4 – Allokation des Transaktionspreises

Enthält ein Vertrag mehrere Leistungsverpflichtungen, muss der Transaktionspreis auf die ein-

zelnen Leistungsverpflichtungen verteilt werden. Hierfür werden nach IFRS 15.74 die relativen

Einzelveräußerungspreise der separaten Leistungsverpflichtungen herangezogen. Damit

diese Allokation des Transaktionspreises stattfinden kann, ist gem IFRS 15.76 zu Beginn eines

Vertrags der Einzelveräußerungspreis jedes Gutes bzw jeder Dienstleistung, die eine eigen-

ständige Leistungsverpflichtung darstellen, zu ermitteln. Der Transaktionspreis ist daraufhin

anhand der ermittelten Einzelveräußerungspreise proportional aufzugliedern.

IFRS 15.77 definiert einen Einzelveräußerungspreis als jenen Preis, der beim separaten Ver-

kauf eines vereinbarten Gutes oder einer vereinbarten Dienstleistung anfallen würde. Sollte

der Einzelveräußerungspreis nicht am Markt beobachtbar sein, so ist er gem IFRS 15.79 an-

hand einer geeigneten Methode zu schätzen.

Die von den Standardsettern vorgeschlagenen Schätzungsmethoden für Einzelveräußerungs-

preise sind der Adjusted-Market-Assessment-Ansatz, der Expected-Cost-plus-a-Margin-

Ansatz sowie der Residualwertansatz. Die Anwendung der genannten Schätzungsmethoden

ist jedoch nicht zwingend; es kann jede dafür geeignete Methode herangezogen werden.

2.5.4.1 Adjusted-Market-Assessment-Ansatz

Diese Methode empfiehlt sich, wenn es dem Unternehmen möglich ist, den Vertriebsmarkt der

jeweiligen Güter bzw Dienstleistungen zu analysieren und die Zahlungsbereitschaft der Kun-

den zu schätzen. Eine weitere Möglichkeit, die in den Rahmen dieser Methode fällt, ist die

Orientierung an den Preisen der Konkurrenz für ähnliche Güter oder Dienstleistungen. Diese

Preise sind gegebenenfalls noch um eigene Kosten bzw Margen anzupassen.

17

2.5.4.2 Expected-Cost-plus-a-Margin-Ansatz

Hierbei werden im ersten Schritt die voraussichtlichen Kosten, die für die Erfüllung der Leis-

tungsverpflichtung anfallen, geschätzt. Im zweiten Schritt schlägt das Unternehmen für das

jeweilige Gut bzw die jeweilige Dienstleistung eine angemessene Marge auf.

2.5.4.3 Residualwertansatz

Der Residualwertansatz darf gem IFRS 15.79 (c) nur dann zur Anwendung kommen, wenn

sich für die betroffene Leistungsverpflichtung kein einheitlicher Einzelveräußerungspreis etab-

liert hat oder dieser stark schwankt.

Im Zuge des Residualwertansatzes werden die vom Unternehmen für vertraglich zugesagte

Leistungsverpflichtungen zu ermittelnden Transaktionspreise vom Gesamttransaktionspreis

abgezogen und so der Einzelveräußerungspreis für die betroffene Leistungsverpflichtung er-

mittelt.

Abbildung 4: Ermittlung des Einzelveräußerungspreises38

Nach Schätzung der Einzelveräußerungspreise anhand einer geeigneten Methode sind im

Rahmen der Allokation des Transaktionspreises noch weitere Aspekte, wie etwa Preisnach-

lässe oder variable Gegenleistungen, zu berücksichtigen.

2.5.4.4 Umgang mit Preisnachlässen

Sollten dem Kunden zudem – wie in der Praxis oft üblich – Preisnachlässe gewährt werden,

gilt es zu klären, ob sich diese auf eine einzelne Leistungsverpflichtung beziehen. Ist dies nicht

der Fall, so bestimmt IFRS 15.81 eine proportionale Verteilung der Vergünstigung anhand der

38Vgl Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 186 (leicht modifiziert).

18

relativen Einzelveräußerungspreise auf alle ermittelten Leistungsverpflichtungen.

2.5.4.5 Umgang mit variablen Gegenleistungen

Eine vertraglich zugesagte variable Gegenleistung kann gem IFRS 15.84 dem gesamten Ver-

trag oder einem bestimmten Vertragsbestandteil zuzuordnen sein. Die Zuordnung einer vari-

ablen Gegenleistung zu einer Leistungsverpflichtung bzw einem Gut/einer Dienstleistung wel-

che(s) einen Bestandteil einer Leistungsverpflichtung bildet, bedarf gem IFRS 15.85 folgender

kumulativ erfüllter Kriterien:

a) Die Zahlungskonditionen der variablen Gegenleistung zielen auf die Erfüllung der Leis-

tungsverpflichtung bzw der Bestandteile der Leistungsverpflichtung ab und

b) die Zuordnung der variablen Gegenleistung auf die Leistungsverpflichtung bzw ein da-

rin enthaltenes Gut oder eine darin enthaltene Dienstleistung findet in der Höhe statt,

die der Gegenleistung, welche das Unternehmen für diese Leistungsverpflichtung oder

den spezifischen Bestandteil einer solchen erwartet, entspricht.

2.5.4.6 Umgang mit Änderungen des Transaktionspreises

Eine nachträgliche Änderung des Transaktionspreises kann durch unterschiedliche Gründe

hervorgerufen werden. IFRS 15.87 nennt hier bspw den Eintritt unsicherer Ereignisse, welche

die Höhe der voraussichtlichen Gegenleistung beeinflussen können.

Eine solche Änderung des Transaktionspreises hat gem IFRS 15.88 auf Basis der zu Vertrags-

beginn vereinbarten Aufteilung auf die separaten Leistungsverpflichtungen zu erfolgen. Die

Aufteilung auf eine oder mehrere aber nicht alle Leistungsverpflichtungen oder spezifische

Bestandteile einer Leistungsverpflichtung darf nur dann vollzogen werden, wenn die kumulativ

zu erfüllenden Kriterien des IFRS 15.85 für die Zuordnung variabler Gegenleistungen auch

hier zutreffen.

Die Frage, ob die Änderung des Transaktionspreises aus einer Vertragsänderung resultiert

oder erst nach Vertragsänderung zustande kommt, ist hierbei von wesentlicher Bedeutung. Im

ersten Fall sind die Vorschriften des IFRS 15.18-21 für Vertragsänderungen anzuwenden. So-

fern der zweite Fall eintritt, ist nach oben beschriebenen Schritten des IFRS 15.87-89 vorzu-

gehen.

2.5.5 Schritt 5 – Ertragsrealisierung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtungen

IFRS 15.32 verlangt von Unternehmen, dass sie für alle Leistungsverpflichtungen bereits zu

Vertragsbeginn festlegen, ob diese über einen Zeitraum oder zu einem bestimmten Zeitpunkt

zu realisieren sind. Da der IFRS 15 dem Control-Concept folgt, wird der Umsatz dann reali-

19

siert, wenn die Verfügungsmacht übergeht und der Kunde die Kontrolle über die Leistungsver-

pflichtung erhält.39 Unter der Verfügungsgewalt über Güter oder Dienstleistungen versteht der

IFRS 15.33 die Möglichkeit, deren Nutzung zu bestimmen und auch den tatsächlichen Nutzen

daraus zu ziehen. Sofern der Kunde diese Möglichkeit besitzt, erhält er ebendiese Verfügungs-

gewalt über das Gut bzw die Dienstleistung. Die zeitpunktbezogene Realisierung bildet daher

die häufiger zur Anwendung kommende Methode.40

2.5.5.1 Zeitraumbezogene Realisierung

Die Standardsetter haben drei Kriterien herausgearbeitet, die auf eine zeitraumbezogene Er-

tragsrealisierung hindeuten.41

a) Es kommt zu einem kontinuierlichen Nutzenzufluss und der Kunde macht von diesem

Nutzen Gebrauch.

b) Das Unternehmen verbessert oder erstellt anhand der Leistungsverpflichtung einen

Vermögenswert und der Kunde kann auch im Herstellungszeitraum darüber verfügen.

c) Der aufgrund der Leistungsverpflichtung erstellte Vermögenswert kann nicht alternativ

genutzt werden und das Unternehmen hat Rechtsanspruch auf Zahlung der bisher er-

brachten Leistungen.

Das Kriterium (a) umfasst gem der Basis for Conclusion des IFRS 15 ausschließlich Dienst-

leistungsverträge, da die Leistung im Zuge der Erbringung vom Kunden direkt konsumiert bzw

in Anspruch genommen wird.42 Das Kriterium (b) verfolgt konsequent das Control-Concept, da

die Realisierung der Erlöse unmittelbar an den Übergang der Verfügungsgewalt gebunden

ist.43 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Kunde im Laufe der Erstel-

lung oder Verbesserung eindeutig im Besitz der Verfügungsgewalt über sämtliche erbrachte

Leistungen sein muss.44 Sollte die Übertragung der Verfügungsgewalt hingegen nicht eindeu-

tig erkennbar sein, so ist das Kriterium (c) heranzuziehen, welches sich auf einen fiktiven Kon-

trollübergang stützt.45

Die zeitraumbezogene Ertragsrealisierung hat anhand des Leistungsfortschritts (Percentage-

of-Completion) zu erfolgen. Bei der Messung des Leistungsfortschritts soll laut IFRS 15.39 der

bisherige Übergang der Verfügungsmacht und damit der Kontrolle abgebildet werden. Für eine

korrekte Abbildung des Kontrollübergangs nennt der IASB im IFRS 15.41 ff zum einen die

39Bisher stellte der Übergang von Nutzen und Gefahr sprich Risiken und Chancen das ausschlagge-

bende Kriterium dar. 40Vgl Schlüter/Schönhofer in Beck’sches IFRS-Handbuch5 §15 RN 58. 41Siehe IFRS 15.35 aber auch IFRS 15.B2-13 mit detaillierten Erläuterungen. 42Vgl IFRS 15.BC125 und IFRS 15.BC128. 43Vgl Baur/Eisele/Hold, KoR 09/2016, S 396. 44Vgl IFRS 15.BC129. 45Vgl IFRS 15.BC135.

20

output- und zum anderen die inputbasierte Methode, welche der Anhang B des IFRS 15 ge-

nauer erläutert. Dem Unternehmen steht jedoch keine freie Wahl zwischen output- bzw input-

basierter Methode offen. Die Eigenschaften der Güter bzw Dienstleistungen müssen in diesem

Zusammenhang berücksichtigt und eine passende Methode gewählt werden.46

2.5.5.1.1 Outputbasierte Methoden

Wird eine outputbasierte Methode zur Messung der Leistung herangezogen, so sind die Um-

sätze gem IFRS 15.B15 anhand des Werts der bisher übertragenen Güter bzw Dienstleistun-

gen in Relation zu den verbleibenden zugesagten Gütern bzw Dienstleistungen zu erfassen.

Im Rahmen der Beurteilung, ob eine outputbasierte Methode zur Leistungsmessung ange-

wandt werden kann, hat ein Unternehmen darauf zu achten, ob der gewählte Output die bisher

erbrachte Leistung im Verhältnis zur Gesamtleistung adäquat widerspiegelt. In der Basis of

Conclusion hält das IASB im Paragraph 160 fest, dass die outputbasierten Methoden am ehes-

ten eine zutreffende Abbildung der erbrachten Leistung geben, da der direkte Wert der über-

tragenen Güter bzw Dienstleistungen bestimmt wird.

IFRS 15.B17 nennt jedoch auch die Nachteile einer outputbasierten Messungsmethode. Zur

Leistungsmessung bestimmte Outputs können unter Umständen nur schwer bzw gar nicht be-

obachtbar sein und die Informationsgewinnung aus derartigen Beobachtungen stünde daher

in keinem vertretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis. In solch einem Fall ist eine inputbasierte

Messung zu empfehlen.

2.5.5.1.2 Praktische Erleichterung nach IFRS 15.B16

Im Rahmen einer outputbasierten Leistungsmessung ist zu prüfen, ob das Unternehmen die

vereinfachende Right-to-Invoice-Ausnahmeregelung des IFRS 15.B16 anwenden kann. Diese

Sonderregelung sieht eine Umsatzrealisierung in der Höhe des Betrags, der dem Kunden in

Rechnung gestellt wird, vor. Als Anwendungsvoraussetzung muss der in Rechnung gestellte

Betrag direkt dem Wert des Kunden, also der bereits durch das Unternehmen erbrachten und

auf den Kunden übertragenen Leistung, entsprechen. Die praktische Erleichterung des IFRS

15.B16 zielt folglich darauf ab, die Schritte 3, 4 und 5 des Fünf-Schritte Modells zu vereinfa-

chen, womit die Schritte der Transaktionspreisermittlung sowie -aufteilung für betroffene Un-

ternehmen wegfallen und letztendlich die tatsächliche Umsatzrealisation vereinfacht wird. Un-

ternehmen müssen lediglich das Vorliegen des Vertrags im Schritt 1, die Identifizierung der

Leistungsverpflichtung(en) im Schritt 2 sowie die Beurteilung, ob die Leistungsverpflich-

tung(en) über einen Zeitraum erfüllt werden, prüfen, da die Erfüllung dieser Regelungen eine

Anwendung der Right-to-Invoice-Ausnahmeregelung erst ermöglicht.47

46Vgl KPMG 2016a, S 142 f. 47Vgl EY 2017a, S 241 iVm TRG 2015b, S 6 ff.

21

2.5.5.1.3 Inputbasierte Methoden

Im Zuge der inputbasierten Methoden werden die Umsätze gem IFRS 15.B18 anhand der

bisherigen Anstrengungen des Unternehmens in Relation zu den insgesamt erwarteten Inputs

erfasst. Beispielhaft zu nennen sind hier verbrauchte Ressourcen, angefallene Arbeitsstunden

oder entstandene Kosten. Sofern der Input gleichmäßig über den vertraglich vereinbarten Zeit-

raum verteilt erfolgt, schlägt der IFRS 15 eine lineare Umsatzerfassung vor.

Einen Nachteil einer solchen inputbasierten Methode sieht der IFRS 15.B19 in der Tatsache,

dass es mitunter keinen direkten Bezug zwischen den Inputs eines Unternehmens und dem

Übergang der Kontrollmacht über Leistungsverpflichtungen gibt.

2.5.5.2 Zeitpunktbezogene Realisierung

Sofern keines der drei genannten Kriterien zur zeitraumbezogenen Umsatzrealisierung erfüllt

wird, ist von einer zeitpunktbezogenen Umsatzrealisation auszugehen. IFRS 15.39 nennt hier-

für folgende Indikatoren, die auf einen Kontrollübergang hinweisen:

Abbildung 5: Indikatoren für einen Kontrollübergang48

Das IASB hält in der Basis of Conclusion im Paragraph 155 jedoch fest, dass diese Indikatoren

nicht als Checkliste anzusehen sind. Sie sind vielmehr eine Auflistung von Faktoren, die in den

meisten Fällen darauf hindeuten, dass die Kontrolle auf einen Kunden übergegangen ist. Zu-

dem müssen nicht alle dieser Indikatoren erfüllt sein, um von einem Übergang der Kontrolle

ausgehen zu können.

2.6 Anforderungen an die Anhangangaben

Im Rahmen der Bilanzierung gem IFRS 15 müssen Unternehmen den Fokus nicht nur auf die

korrekte Anwendung der Vorschriften des Fünf-Schritte Modells legen, auch die in IFRS

15.110 ff vorgesehenen Anhangangaben sind zu erfüllen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass

die benötigte Datenmenge und auch der Detaillierungsgrad dieser, die Anforderungen des IAS

11 bzw IAS 18 erheblich überschreiten.49

48Vgl Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 188. 49Vgl Brune, IRZ 2016, S 23.

22

Anhand der neuen Anhangangaben sollen Unternehmen den Abschlussadressaten ausrei-

chend Informationen über Art, Höhe, Zeitpunkt und Unsicherheit von Erlösen und Zahlungs-

strömen aus Verträgen mit Kunden bereitstellen. IFRS 15.110 verlangt daher sowohl quanti-

tative als auch qualitative Angaben zu den Verträgen mit Kunden, allen Ermessensent-

scheidungen sowie sämtlichen Vertragsanbahnungs- bzw Vertragserfüllungskosten. Der

Detailierungsgrad der Angaben ist gem IFRS 15.111 vom Unternehmen selbst festzulegen.

Informationen können hierbei auch zusammengefasst werden, es ist jedoch zu beachten, dass

nützliche Angaben nicht durch Einbezug unbedeutender Einzelheiten sowie Zusammenfüh-

rung von Bestandteilen, welche unterschiedliche Merkmale vorweisen, verfälscht werden dür-

fen. Werden Informationen jedoch bereits aufgrund der Anwendung eines anderen Standards

bereitgestellt, so sind diese nach IFRS 15.112 unter Anwendung dieses Standards nicht erneut

anzugeben.

2.6.1 Angaben zu Verträgen mit Kunden

Die Erlöse aus Verträgen mit Kunden sowie alle Wertminderungsaufwendungen auf alle For-

derungen oder Vertragsvermögenswerte aus den Verträgen mit Kunden sind gem IFRS

15.113 auszuweisen. Die Aufgliederung der Erlöse erfolgt nach IFRS 15.114 anhand von Ka-

tegorien. Diese Kategorien haben den Einfluss wirtschaftlicher Faktoren auf Art, Höhe, Zeit-

punkt und Unsicherheit von Erlösen und Zahlungsströmen widerzuspiegeln. Die Paragraphen

B87-B89 des IFRS 15 stellen Leitlinien zur Festlegung der Kategorien dar.

In welchem Ausmaß die Erlöse aufgegliedert werden müssen, hängt gem IFRS 15.B87 von

den Tatsachen und Umständen der Verträge mit Kunden ab. So bedarf es abhängig von der

Branche und dem Unternehmen möglicherweise nur eine oder mehrere Kategorien, um das in

IFRS 15.114 definierte Ziel der Aufgliederung zu erreichen. Als mögliche Kategorien nennt

IFRS 15.B89 beispielhaft:

Abbildung 6: Beispielhafte Kategorisierung nach IFRS 15.B8950

50Vgl EY 2017b, S 19 (leicht modifiziert).

23

Zudem sind neben den Erlösen gem IFRS 15.116-118 Angaben zu den Vertragssalden zu

tätigen. So schreibt bspw IFRS 15.116 (a) vor, dass folgende Posten als quantitative Angaben

separat in der Bilanz auszuweisen sind51:

⎯ Vertragsvermögenswert

⎯ Vertragsverbindlichkeit

⎯ Forderung aus einem Vertrag

Ein Anspruch des Unternehmens auf Gegenleistung für die Übertragung von Gütern oder

Dienstleistungen auf den Kunden stellt einen Vertragsvermögenswert dar.

Unter einer Vertragsverbindlichkeit ist die Übertragungsverpflichtung des Unternehmens in

Bezug auf die Güter bzw Dienstleistungen zu verstehen.

Der unbedingte Anspruch eines Unternehmens auf eine Gegenleistung ist als Vertragsforde-

rung zu identifizieren.

Gem IFRS 15.117 sind zudem die Abweichungen zwischen dem Erfüllungszeitpunkt einer

Leistungsverpflichtung und des üblichen Zahlungszeitraums sowie die daraus resultierende

Auswirkung auf die Salden aus Vertragsvermögenswerten und -verbindlichkeiten zu erläutern.

Die Angaben nach IFRS 15.117 sind als qualitative Angaben zu klassifizieren. IFRS 15.118

fordert des Weiteren genaue qualitative oder quantitative Angaben zu den Änderungen der

Salden von Vertragsvermögenswerten und Vertragsverbindlichkeiten in der jeweiligen Be-

richtsperiode.

Auch zu den Leistungsverpflichtungen sind diverse Angaben qualitativer Natur zu tätigen.

IFRS 15.119 sieht vor, dass Unternehmen den normalerweise vorgesehenen Erfüllungszeit-

punkt, die wesentlichen Zahlungsbedingungen und die Art der Güter bzw Dienstleistungen

abzubilden haben. Rücknahme- und Erstattungsverpflichtungen sowie Garantien und damit

einhergehende Verpflichtungen sind ebenfalls anzugeben.

Über die Berichtsperiode hinaus verbleibende Leistungsverpflichtungen erfordern gem IFRS

15.120 gesonderte Angaben. Neben der Gesamthöhe des Transaktionspreises der noch aus-

stehenden Leistungsverpflichtungen ist eine Erläuterung, zu welchem Zeitpunkt mit Eingang

des Betrags zu rechnen ist, anzugeben. Unter bestimmten Voraussetzungen bedarf es gem

IFRS 15.121 ebendieser Angaben nicht. Dies ist dann der Fall, wenn die Leistungsverpflich-

tung Teil eines Vertrags mit ursprünglich erwarteter Laufzeit von maximal einem Jahr ist oder

die Erlöse aus einer erfüllten Leistungsverpflichtung gem IFRS 15.B16 (Erfassung der Um-

sätze in Höhe des in Rechnung gestellten Betrags) erfasst werden.

51Vgl EY 2017b, S 14.

24

2.6.2 Angaben zu Ermessensentscheidungen

Alle unter Anwendung des IFRS 15 getroffenen Ermessensentscheidungen, die signifikante

Auswirkungen auf die Bestimmung der Höhe und des Realisierungszeitpunkts der Erlöse ha-

ben, sind gem IFRS 15.123 im Anhang offenzulegen.

Für Leistungsverpflichtungen, die über einen bestimmten Zeitraum erfüllt werden, ist nach

IFRS 115.124 die gewählte Methode der Erlöserfassung sowie die Art und Weise ihrer An-

wendung anzugeben. Als weitere Angabe wird eine Erklärung, inwiefern die zur Anwendung

kommenden Methoden eine getreue Abbildung der Übertragung der Leistungsverpflichtungen

darstellen, verlangt.

Wird eine Leistungsverpflichtung zu einem Zeitpunkt erfüllt, so hat das Unternehmen anzuge-

ben, welche signifikanten Ermessensentscheidungen im Rahmen der Beurteilung des Zeit-

punkts, an dem der Übergang der Verfügungsgewalt stattgefunden hat, getroffen wurden.

Zusätzlich schreibt der IFRS 15.126 vor, Angaben zum Transaktionspreis zu tätigen. Hierfür

sind die gewählten Methoden, Inputs bzw Annahmen, die zur Bestimmung des Transaktions-

preises herangezogen werden, zu erläutern. Ebenso sind hinsichtlich der Allokation des Trans-

aktionspreises gewisse Angaben zu erfüllen, im Rahmen derer die gewählten Methoden, die

zur Schätzung der Einzelveräußerungspreise gewählt wurden, offenzulegen sind. Sollte es im

Rahmen der Zuordnung von Preisnachlässen oder variabler Gegenleistungen zu Ermessens-

entscheidungen gekommen sein, bedürfen diese ebenfalls einer Erläuterung.

2.6.3 Angaben zu den Vertragsanbahnungs- bzw Vertragserfüllungskosten

Hinsichtlich der Vertragsanbahnungs- bzw Vertragserfüllungskosten hat ein Unternehmen

gem IFRS 15.127 darzulegen, welche Ermessensentscheidungen zur Bestimmung der Höhe

dieser Kosten getroffen wurden und welche Abschreibungsmethode hierfür gewählt wurde.

IFRS 15.128 schreibt zudem vor, dass die Schlusssalden der Vertragsanbahnungs- und Ver-

tragserfüllungskosten in aufgeschlüsselter Form anzugeben sind. Die Aufschlüsselung ist an-

hand der wichtigsten Vermögenswertkategorien durchzuführen. Weiters ist auch die Höhe der

Abschreibungs- und Wertminderungsbeträge zu nennen.

25

Quantitative Angaben Qualitative Angaben

Angaben zu den Kundenverträgen

➢ Angaben zur Erfassung in

der GuV (IFRS 15.113)

➢ Aufgliederung von Umsatzer-

lösen (IFRS 15.114)

➢ Überleitung auf Segmenter-

löse nach IFRS 8 (IFRS

15.115)

➢ Angaben zu bilanzierten Be-

trägen (IFRS 15.116)

➢ Angaben zur Veränderung

der vertraglichen Vermö-

genswerte und Schulden

(IFRS 15.118)

➢ Angaben der Gegenleistung

für noch nicht erfüllte Leis-

tungsverpflichtungen (IFRS

15.120) (teilweise qualitative

Angaben)

➢ Erläuterung der Abwei-

chung zwischen Cashflows

und Erlösrealisierung sowie

dem daraus resultierenden

Einfluss auf vertragliche

Vermögenswerte und

Schulden (IFRS 15.117)

➢ Angaben zur Veränderung

der vertraglichen Vermö-

genswerte und Schulden

(IFRS 15.118)

➢ Angaben zu Leistungsver-

pflichtungen (IFRS 15.119)

➢ Angaben zur Inanspruch-

nahme der Erleichterungs-

vorschrift des IFRS 15.121

(IFRS 15.122)

Angaben zur Aus-übung von Ermes-sens-entscheidun-gen

➢ Angaben zur Ermes-

sensausübung im Zusam-

menhang mit zeitraumbezo-

gener Erlösrealisierung

(IFRS 15.124)

➢ Angaben zur Ermes-

sensausübung im Zusam-

menhang mit zeitpunktbe-

zogener Erlösrealisierung

(IFRS 15.125)

➢ Angaben zu Methoden und

Prämissen der Transakti-

onspreisbestimmung und -

aufteilung (IFRS 15.126)

Angaben zu aktivier-ten Vertrags-anbah-nungs- und Ver-tragserfüllungs-kos-ten

➢ Angaben zu Eröffnungs- und

Schlussbilanzwerten vertrag-

licher Vermögenswerte, ver-

traglicher Schulden und For-

derungen sowie Abschrei-

bungs- und Wertminderungs-

aufwendungen für vertragli-

che Vermögenswerte (IFRS

15.128)

➢ Angaben zur Ermes-

sensausübung bei der Be-

stimmung der aktivierten

Beträge und zur Methode

der Abschreibung (IFRS

15.127)

➢ Angaben zur Inanspruch-

nahme der Erleichterungen

in IFRS 15.63 oder IFRS

15.94 (IFRS 15.129)

Tabelle 1: Qualitative und quantitative Anhangangaben52

52Brune, IRZ 2016, S 24.

26

2.7 Kritik an den Regelungen des IFRS 15

Obwohl der IFRS 15 die bisher oftmals als unzureichend angesehenen Erlösbestimmungen

des IAS 11 und IAS 18 und dazugehöriger Interpretationen ersetzt und eine ausgeprägtere

Regelungsdichte mit sich bringt, sind bereits vor erstmaligem Inkrafttreten diverse Probleme

im Zuge der Anwendung bemängelt worden. Dies zeigt auch die herrschende Literatur, die auf

Ermessensspielräume im Rahmen der Anwendung, die hohe Komplexität aber auch Inkonsis-

tenzen des IFRS 15 hinweist.53

Während Schurbohm-Ebneth/Viemann die Zunahme der Regelungsdichte der Umsatzerlösre-

alisierung grds begrüßen, gehen sie davon aus, dass die Komplexität der Erlösrealisierung

sachverhaltsabhängig zunimmt. Das Ausmaß der Änderungen aufgrund der neuen Erlösbilan-

zierung nach dem Fünf-Schritte Modell ist fallspezifisch zu beurteilen, da bei einfacheren Ver-

kaufstransaktionen kaum Änderungen zur Umsatzrealisierung nach den vormals gültigen Vor-

schriften auftreten. Spezifischere Sachverhalte sind von Unternehmen aufgrund der neuen

Regelungen jedoch möglicherweise anders als unter den alten Bestimmungen zu bilanzie-

ren.54

Ein weiteres Problem das neben Schurbohm-Ebneth/Viemann auch Grote/Hold/Pilhofer fest-

machen, sind die Anforderungen des IFRS 15 an die vertraglichen Regelungen und deren

Ausgestaltung. Dies kann sich auf die Vertragsgestaltung eines Unternehmens auswirken und

der IFRS 15 könnte dadurch gegebenenfalls direkten Einfluss auf die Geschäftsgestaltung

nehmen. Damit wird der Zweck der Rechnungslegung jedoch verfehlt. Statt der Abbildung der

Geschäftstransaktionen wird möglicherweise die Art und Ausgestaltung dieser beeinflusst.55

Auch Brune sieht die Vertragsbezogenheit des IFRS 15 als eine Herausforderung für Unter-

nehmen. Seines Erachtens muss sich die Bilanzpraxis unter IFRS 15 nunmehr verstärkt mit

den Vertragsinhalten auseinandersetzen und regelmäßige Vertragsinventuren durchführen.

Dafür bedarf es eines Zusammenspiels des Vertragscontrollings und des Accountings. Der

Implementierungsaufwand derartiger Maßnahmen hing dabei stark vom Geschäftsmodell und

der Art der Verträge ab.56 Für Unternehmen war es dementsprechend wichtig, sich mit den

Regelungen des IFRS 15 frühzeitig vertraut zu machen. In diesem Zuge galt es mögliche Än-

derungen an bestehenden Richtlinien, Verfahren, internen Kontrollen aber auch Systemen in

Betracht zu ziehen und durchzuführen. Es musste zudem eine Vertragsinventur für beste-

hende und laufende Verträge durchgeführt werden. Dabei waren bisher nicht erforderliche

53Siehe hierzu bspw Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 190; Brune, IRZ 2016, S 19 ff; Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 469 ff; Grote/Hold/Pilhofer, IRZ 2014, S 344; Baetge/Celik, IRZ 2014, S 365 ff oder Wüstemann/Wüstemann, Betriebsberater 2011, S 3117 ff. 54Vgl Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 190. 55Vgl Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 190 sowie Grote/Hold/Pilhofer, KoR 10/2014, S 481. 56Vgl Brune, IRZ 2016, S 21 f.

27

aber nunmehr notwendige Daten auszuwerten. Dies erforderte, je nach Komplexität der Ver-

tragsgestaltung, neben zeitlichen und personellen auch technische und finanzielle Ressour-

cen.57

Baur/Lüpold/Witte machen trotz der ausführlicheren Regelungen des IFRS 15 Ermessens-

spielräume im Zuge der Interpretation und Anwendung des Standards fest. Auf den ersten

Blick wirken die Regelungen des Fünf-Schritte Modells zwar derart detailreich, dass auf eine

starre Anwendung dieser geschlossen werden kann. Bei genauerer Analyse wird jedoch er-

sichtlich, dass jeder der fünf Schritte gewisse Ermessensspielräume in sich birgt.58 Ebenso

sehen Grote/Hold/Pilhofer die Zunahme der Regelungen mit einer Vielzahl an neu auftreten-

den Interpretations- und Ermessensspielräumen verbunden.59

Im dritten Schritt des Fünf-Schritte Modells, der Bestimmung des Transaktionspreises, erge-

ben sich solche Ermessensfragen bspw aufgrund der Schätzung von variablen Gegenleistun-

gen. Zudem sieht der IFRS 15.56 den Einbezug einer variablen Gegenleistung in den Trans-

aktionspreis nur dann vor, wenn es „highly probable“, also hochwahrscheinlich, ist, dass es

bei wegfallender Unsicherheit zu keiner signifikanten Stornierung kommt.60 Eine genaue Defi-

nition, was als hochwahrscheinlich anzusehen ist, wird von den Standardsettern nicht gege-

ben, die Eintrittswahrscheinlichkeit muss jedoch über 50% liegen. Dieser Wortlaut und auch

die Schätzung der Höhe der variablen Gegenleistung anhand einer geeigneten Methode61 ver-

langen von den Standardanwendern Ermessensentscheidungen ab.62 Auch der vierte Schritt

des Modells, die Allokation des Transaktionspreises, setzt, sofern der Einzelveräußerungs-

preis nicht beobachtbar ist, eine Schätzung voraus. Solche Schätzungen sind naturgemäß mit

hohem Ermessen verbunden, jedoch ergeben sich solche Spielräume nicht nur in Verbindung

mit Schätzungen, auch die Separierung oder Zusammenfassung von Leistungsverpflichtun-

gen im zweiten Schritt kann im Hinblick auf spätere Vertragsanpassungen mit solchen Ermes-

sensfragen verbunden sein.63

Wüstemann/Wüstemann haben bereits in ihrer Analyse des Re-Exposure Draft ED/2011/6 auf

diverse Probleme des IFRS 15 aufmerksam gemacht. Der Exposure Draft ED/2010/6 fand im

Allgemeinen breite Zustimmung, jedoch wurden fast 1.000 Kommentierungen dazu abgege-

ben, die ins Detail gehende Klarstellungen hinsichtlich der Anwendung und einer Vereinbarkeit

mit gängigen Bilanzierungspraxen gefordert hatten. Diesen Kommentierungen haben sich die

Standardsetter im Re-Exposure Draft angenommen. Wüstemann/Wüstemann sehen darin

57Vgl Brune, IRZ 2016, S 25 f. 58Vgl Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 476. 59Vgl Grote/Hold/Pilhofer, IRZ 2014, S 344. 60Siehe hierzu bereits Kapitel 2.5.3.1. 61Kapitel 2.5.3.1. 62Vgl Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 473. 63Vgl Baur/Lüpold/Witte, IRZ 2014, S 471 ff.

28

eine Abweichung vom Grundgedanken des IFRS 15, welcher sich in der Beseitigung der Re-

gelungsinkonsistenzen widergespiegelt hat. So halten sie bspw eine Unterteilung in zeitraum-

und zeitpunktbezogene Umsatzrealisierung für sinnvoll, konstatieren jedoch, dass die unter-

schiedlich hohen Anforderungen an den Kontrollübergang als nicht zufriedenstellend einzu-

stufen sind. Die Ertragsrealisation erfolgt bei Werksverträgen über den fortschreitenden Leis-

tungszeitraum, wohingegen der Kontrollübergang bei zeitpunktbezogenen Leistungen erst mit

Abnahme des Werks übergeht. Wüstemann/Wüstemann vertreten die Meinung, dass es bei

Werksverträgen einzig auf den Erfolg ankommt, welcher erst bei Übernahme der Ware eintritt.

Eine Teilgewinnrealisierung sehen sie bei unvollständiger Vertragserfüllung daher als unan-

gebracht.64 Auch Baetge/Celik sehen diese Inkonsistenz als Ergebnis des Drucks der Bilan-

zierungspraxis. Insbesondere die Wiederaufnahme der Percentage-of-Completion-Methode

ist für sie ausschlaggebend. Die Standardsetter haben es ihrer Meinung nach verabsäumt,

diese Methode rein für bisher unter IAS 11 fallende langfristige Fertigungsaufträge zu kodifi-

zieren. Vielmehr ergibt sich aufgrund des IFRS 15 nunmehr ein erweitertes Anwendungsfeld,

da eine Anwendung besagter Methode nicht nur mehr auf langfristige Fertigungsaufträge be-

schränkt ist. Baetge/Celik hätten es begrüßt, wenn die Standardsetter die Anwendung der

Percentage-of-Completion-Methode als eine Ausnahmeregelung für langfristige Fertigungs-

aufträge in den IFRS 15 aufgenommen hätten. Das Ziel eines einheitlichen Modells für alle

Geschäftsvorfälle, die unter IFRS 15 zu bilanzieren sind, wäre damit zwar nicht erreicht wor-

den, jedoch wären die Anforderungen an den Kontrollübergang indes konsistent gewesen.65

Die Wiedereinführungen diverser Bilanzierungspraxen, welche in der ursprünglichen Fassung

des IFRS 15 nicht vorgesehen waren, sehen Wüstemann/Wüstemann ebenfalls als Verdienst

der Intervention der Bilanzpraxis. Im Zuge der zeitpunktbezogenen Umsatzrealisierung erfolgt

der Kontrollübergang zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der IFRS 15 nennt hier bestimmte Kri-

terien, die einen solchen Kontrollübergang mit sich bringen. Im Re-Exposure ED/2011/6 wurde

das Risk-and-Reward-Kriterium, welches zu Beginn als untauglich abgetan wurde, wieder in

den Kriterienkatalog aufgenommen. Auch im vierten Schritt, der Allokation des Transaktions-

preises, wurde die Residualmethode als Methode der Schätzung des Einzelveräußerungsprei-

ses wiedereingeführt.66

64Vgl Wüstemann/Wüstemann, BB 2011, S 3118. 65Vgl Baetge/Celik, IRZ 2014, S 366. 66Vgl Wüstemann/Wüstemann, BB 2011, S 3117.

29

2.8 Zwischenergebnis

Der vom IASB und FASB gemeinsam erarbeitete IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“

löste mit 01.01.2018 – nach mehr als 15 Jahren Entwicklungszeit – die bisher gültigen IAS 11

„Fertigungsaufträge“ und IAS 18 „Erlöse“ sowie einzelfallorientierte Interpretationen ab. Der

neue IFRS 15 bildet einen prinzipienorientierten Standard, dem die Konzeption des Asset-and-

Liabilty-Ansatzes zu Grunde liegt. Er ist auf alle Verträge mit Kunden, die nicht in den Ausnah-

menkatalog des IFRS 15.5 fallen, anzuwenden und die Umsatzrealisierung erfolgt anhand ei-

nes neu entwickelten Fünf-Schritte Modells.

Dieses Modell untergliedert sich in die folgenden Schritte:

Schritt 1 Identifizierung von Verträgen mit Kunden

Schritt 2 Identifizierung separater Leistungsverpflichtungen

Schritt 3 Bestimmung des Transaktionspreises

Schritt 4 Allokation des Transaktionspreises

Schritt 5 Ertragsrealisierung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung

Unternehmen müssen den Fokus im Zuge der Implementierung des IFRS 15 jedoch nicht nur

auf das Fünf-Schritte Modell legen, auch die Erfüllung der Anforderungen an die Anhangan-

gaben erfordert einen beachtlichen Anteil an zeitlichen Ressourcen. Hinsichtlich der neuen

Anforderungen ist festzuhalten, dass diese im Vergleich zu den Vorschriften des IAS 11 bzw

IAS 18 wesentlich umfassender ausfallen. Neben Angaben zu den Verträgen mit Kunden,

müssen auch Angaben zu den getätigten Ermessensentscheidungen und etwaigen Ver-

tragsanbahnungs- bzw Vertragserfüllungskosten getätigt werden. Unternehmen sollen den

Abschlussadressaten anhand dieser Informationen Aufschluss über Art, Höhe, Zeitpunkt und

Unsicherheit von Erlösen und Zahlungsströmen geben. Daher bedarf es neben quantitativen

auch qualitativen Angaben.

Während die detaillierteren Vorschriften des IFRS 15 grds begrüßt werden, wurden seitens

der Literatur einige Schwächen des neuen Erlöserfassungsmodells aufgezeigt. Während in

der Vergangenheit aufgetretene Ermessensfragen eliminiert wurden, kann es unter Anwen-

dung des IFRS 15 zu neuen Interpretationsspielräumen kommen. Gerade die Regelungen

hinsichtlich der Transaktionspreisbestimmung und -allokation werden die Bilanzierungspraxis

mE regelmäßig mit Anwendungsfragen konfrontieren. Die Anforderungen einzelner Schritte

des Fünf-Schritte Modells an die vertraglichen Regelungen und deren Ausgestaltung, wird von

Teilen der herrschenden Literatur ebenfalls stark kritisiert, da dies einen möglichen Eingriff in

die Vertragsgestaltung mit sich bringen könnte.

Nachdem die Regelungen des IFRS 15 detailliert erläutert wurden, widmet sich das nachfol-

gende Kapitel der Frage, inwiefern sich die neuen Vorschriften des IFRS 15 und des darin

30

enthaltenen Fünf-Schritte Modells auf die Höhe des zu erfassenden Ertrags und den Zeitpunkt

der Ertragsrealisierung auswirken. Hierfür wird ein Vergleich mit den vormals gültigen Rege-

lungen des IAS 11 und IAS 18 vorgenommen.

3 Ertragsrealisation alt vs Ertragsrealisation neu

Die bisher gültigen Regelungen zur Ertragsrealisation verteilten sich auf mehrere Standards

und Interpretationen innerhalb des IFRS-Regelwerks. Mit Inkrafttreten des IFRS 15 wurden

die bisher anzuwendenden Regelungen in Form des IAS 11, IAS 18, IFRIC 13, IFRIC 15,

IFRIC 18 und SIC-31 abgelöst. Im Rahmen dieses Kapitels liegt der Fokus auf den eventuellen

Auswirkungen des IFRS auf die Höhe des zu erfassenden Ertrags und des Zeitpunkts der

Ertragsrealisierung. Die vormals gültigen Vorschriften zur Ertragsrealisation werden dafür mit

dem neuen IFRS 15 verglichen und mögliche Änderungen in der Bilanzierung aufgezeigt. In

diesem Zusammenhang müssen auch die wichtigsten Änderungen hinsichtlich der Grundkon-

zeption, des Anwendungsbereichs, des Umgangs mit Vertragskomponenten und der Anforde-

rungen an die Anhangangaben hervorgehoben werden. Zudem wird untersucht, inwiefern sich

relevante Leistungskennzahlen aufgrund eventueller Verschiebungen im Erlösrealisierungs-

prozess verändern.

Der IAS 18 „Umsatzerlöse“ regelte die allgemeinen Bestimmungen zur Erfassung von Um-

satzerlösen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, während der IAS

11 „Fertigungsaufträge“ die Erlöserfassung aus langfristigen Fertigungsaufträgen zum Inhalt

hatte. Aufgrund der fehlenden Regelungstiefe wurden im Laufe der Zeit einige einzelfallorien-

tierte Interpretationen als ergänzende Bestimmungen veröffentlicht. SIC-31 „Umsatzerlöse –

Tausch von Werbeleistungen“ beschäftigte sich mit der Frage, wie Umsätze aus einem Tausch

von Werbeleistungen zu erfassen waren. IFRIC 13 „Kundenbindungsprogramme“ beschrieb

die Vorgehensweise der Erlösrealisierung im Zusammenhang mit Kundenbindungsprogram-

men. IFRIC 15 „Verträge über die Errichtung von Immobilien“ schrieb die Umsatzrealisierung

für Unternehmen, die selbst oder durch Subunternehmen Immobilien errichteten und entspre-

chende Erträge realisieren wollten, vor. IFRIC 18 „Übertragung von Vermögenswerten durch

einen Kunden“ setzte sich mit der bilanziellen Behandlung und der Erlöserfassung aus einer

Sachanlagenübertragungen eines Kunden an ein Unternehmen auseinander.

Der Vergleich der vormaligen Ertragsrealisationsbestimmungen mit den neuen in Kraft getre-

tenen Regelungen stützt sich in den folgenden Kapiteln vor allem auf die Veranschaulichung

der Änderungen zwischen den IAS 11 sowie IAS 18 im Vergleich zum IFRS 15.

3.1 Grundkonzeption

Dem IAS 18 „Erlöse“ lag gem Paragraph 14 (a) der Risk-and-Reward-Ansatz als Konzeption

31

zugrunde. Die Erfassung von Umsatzerlösen erfolgte demnach bei Übergang der Risiken und

Chancen. Zielsetzung des IAS 18 war es, Umsatzerlöse erst bei hinreichender Wahrschein-

lichkeit eines künftigen Nutzenzuflusses, welcher verlässlich, also ohne Risiken bestimmt wer-

den konnte, zu erfassen.67 Dem IAS 11 „Fertigungsaufträge“ lag hingegen ein aktivitätenba-

sierter Realisationsgedanke zugrunde.68 Ziel war es, die Auftragserlöse aus langfristigen Fer-

tigungsaufträgen den jeweiligen Bilanzierungsperioden zuzurechnen. Hierbei war es ausrei-

chend, dass das Unternehmen für den Kunden tätig wurde. Ein Übergang der Verfügungs-

macht wurde für eine Realisierung der Umsätze nicht vorausgesetzt. 69

Dem IASB und FASB barg der Ansatz des IAS 18 zu viele Ermessensspielräume und daraus

resultierende Inkonsistenzen in der Bilanzierung, weshalb im IFRS 15 vom reinen Risk-and-

Reward-Ansatz abgesehen wurde. Der IFRS 15 folgt nunmehr dem Asset-and-Liability-Ansatz

und damit dem Control-Concept, welches auf sämtliche Transaktionen anzuwenden ist. Auch

dem aktivitätenbasierten Realisationsgedanken des IAS 11 steht mit dem IFRS 15 nunmehr

eine Realisation auf Basis des Kontrollübergangs gegenüber.70 Dadurch liegen auf den ersten

Blick unterschiedliche Ergebnisse in der Umsatzrealisation nahe.71

Ein Vertrag mit einem Kunden besteht nach dem Asset-and-Liability-Ansatz72 aus einer Leis-

tungsverpflichtung sowie einem Anspruch auf Gegenleistung für diese. Sowohl die Leistungs-

verpflichtung als auch der Gegenleistungsanspruch sind saldiert in der Bilanz auszuweisen.

Dadurch kommt es bei Vertragsabschluss zu einer bilanziellen Gegenüberstellung der Ver-

pflichtung und des Anspruchs, welche im Normalfall in gleicher Höhe ausgewiesen sind und

es werden weder Vermögenswerte noch Schulden ausgewiesen. Erst bei Erfüllung der Leis-

tung bzw des Zahlungsanspruchs werden die jeweiligen Umsatzerlöse in entsprechender

Höhe realisiert. Hat das Unternehmen die Leistung erbracht, so ist nach IFRS 15.105 ein Ver-

tragsvermögenswert auszuweisen. Hat hingegen der Kunde vor Erbringung der Leistung be-

zahlt, muss eine Vertragsverbindlichkeit bilanziert werden.73 Nicht mehr der Übergang der

Risiken und Chancen, sondern der Übergang der Verfügungsgewalt – also der Kontrolle – ist

hiermit das ausschlaggebende Kriterium zur Erfassung von Umsatzerlösen.74

3.2 Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich des IAS 18 erstreckte sich, wie in IAS 18.1 bis IAS 18.6 ersichtlich,

67Vgl IAS 18, Zielsetzung. 68Vgl Heintges/Erber, WPg 19/2016, S 1073. 69Vgl IAS 11, Zielsetzung. 70Vgl IFRS 15.BC22. 71Vgl Heintges/Erber, WPg 19/2016, S 1073. 72Vgl Kapitel 2.2. 73Vgl Schreyvogl/Zimml/Nguyen, Wirtschaftsprüfer-Jahrbuch 2017, S 299. 74Vgl EY 2011, S 7.

32

auf die Bilanzierung von Umsatzerlösen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unter-

nehmens. Damit waren gem IAS 18.1 sowohl Güterverkäufe, Dienstleistungserbringungen so-

wie auch Zinsen, Nutzungsentgelte und Dividenden aus der Nutzung von Unternehmensver-

mögenswerten durch Dritte vom Anwendungsbereich des IAS 18 erfasst. Der Anwendungs-

bereich des IAS 11 hingegen erstreckte sich gem IAS 11.1 explizit auf die Bilanzierung von

langfristigen Fertigungsaufträgen.

Während der IAS 18 auf alle Umsatzerlöse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anzuwen-

den war, sieht der IFRS 15.5 eine Einschränkung auf Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden

vor.75 Die Umsätze aus bspw Zinsen und Dividenden, welche bisher unter IAS 18 fielen, be-

finden sich nunmehr im Anwendungsbereich des ebenfalls mit 01.01.2018 in Kraft getretenen

IFRS 9 „Finanzinstrumente“.

3.3 Umgang mit separaten Leistungsverpflichtungen

Eine Vielzahl der zwischen Unternehmen und Kunden abgeschlossenen Verträge sind als

Mehrkomponentenverträge zu identifizieren. Das Mehrkomponentengeschäft ist aus heutiger

Sicht ein in vielen Branchen verwendetes Mittel, um dem Endverbraucher ein „Gesamtpaket“

bzw „Leistungsbündel“ anzubieten und aus der modernen Wirtschaft nicht mehr weg zu den-

ken.76

Solche Mehrkomponentenverträge setzen sich aus mindestens zwei Einzelleistungen, deren

Gewinne unter Umständen zu unterschiedlichen Realisationszeitpunkten erfasst werden kön-

nen, zusammen. Damit kann sich ein solcher Mehrkomponentenvertrag über mehrere Bilan-

zierungsperioden erstrecken. In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage des

Realisationszeitpunkts des Gesamterlöses, sondern auch die Aufteilung ebendieses auf die

einzelnen Komponenten ist als eine bilanzielle Herausforderung anzusehen.77

Die bisher gültigen Bilanzierungsvorschriften der IFRS wiesen hinsichtlich der Behandlung der

Mehrkomponentengeschäfte keine detaillierten Regelungen vor. Gem IAS 18.13 war es unter

Umständen zwar erforderlich, die Erlöserfassungskriterien auf einzelne abgrenzbare Bestand-

teile eines Geschäftsvorfalls anzuwenden, jedoch enthielt der IAS 18 keine weiteren Vorschrif-

ten zur Separierung der Leistungen und Aufteilung der Gegenleistung. Aufgrund dieser Tatsa-

che haben viele Unternehmen bisher unter Berücksichtigung des IAS 8.12, der einen Rückgriff

auf ähnliche Standards außerhalb des IFRS-Regelwerks ermöglichte, diverse Regelungen der

US-GAAP angewandt.78 Die US-GAAP enthielten mit dem EITF 08-1 „Revenue Arrangements

75Siehe Kapitel 2.3. 76Vgl Wirth (2009), S 1. 77Vgl Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar16 § 25 RN 71. 78Vgl Fürwentsches (2010), S 4.

33

with Multiple Deliverables“ konkrete Vorschriften zur bilanziellen Behandlung solcher Mehr-

komponentenverträge. EITF 08-1 sah eine separate Ertragsrealisation in der Rz 9 (a) als zu-

lässig an, wenn eine erbrachte Leistung für den Kunden einen eigenständigen Nutzen hatte.

Dies war der Fall, wenn die Leistung dem Kunden auch separat angeboten werden konnte

bzw eine Weiterveräußerung durch den Leistungsempfänger möglich war. Sofern dem Kunden

ein Gesamtrücktrittsrecht zustand, war eine Ertragsrealisation gem Rz 9 (b) nur dann zulässig,

wenn die Erfüllung der ausstehenden Leistungen wahrscheinlich war. Hinsichtlich der Alloka-

tion der Vertragssumme auf die einzelnen Vertragskomponenten sah der EITF 08-1.12 iVm

dem EITF 08-1.16 eine Aufteilung anhand der relativen Einzelverkaufspreise vor.79

Da die Anwendung der vormals gültigen Regelungen aufgrund der ungenauen Vorschriften

stets mit Ermessensentscheidungen verbunden war, war es ein Teilziel des IASB und des

FASB, konkrete und detaillierte Anwendungen zur bilanziellen Behandlung solcher Mehrkom-

ponentenverträge zu entwickeln. Besonders die Identifikation separat zu bilanzierender

Leistungsverpflichtungen im zweiten Schritt sowie die Allokation des Transaktionsprei-

ses auf diese einzelnen Leistungsverpflichtungen im vierten Schritt des Fünf-Schritte Modells

sind nunmehr für die Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften von besonderer Rele-

vanz.80 Die Bestimmungen des EITF-08.1 sind den neuen Regelungen durchaus ähnlich und

dienten den Standardsettern als Vorlage, sie wurden jedoch im Entwicklungsprozess des IFRS

15 optimiert. Nach IFRS-bilanzierende Unternehmen müssen nun nicht mehr auf Regelungen

außerhalb der IFRS zurückgreifen, sondern finden innerhalb der IFRS klare Anwendungsleit-

linien bzgl der Umsatzerlöserfassung aus Mehrkomponentensachverhalten.

Aufgrund der umfangreichen Vorschriften des IFRS 15 ist davon auszugehen, dass Unterneh-

men mehr Leistungsverpflichtungen als bisher identifizieren werden.81 Unter Anwendung des

IFRS 15 müssen solche Mehrkomponentenverträge nunmehr ausnahmslos in einzelne Leis-

tungsverpflichtungen untergliedert werden. Angesichts der strikten Separation der Vertrags-

komponenten und der entsprechenden Allokation des Transaktionspreises ist künftig in vielen

Fällen von einer früheren Ertragsrealisation und einer damit einhergehenden Verschiebung

des Realisationszeitpunkts sowie der Höhe der innerhalb einer Bilanzierungsperiode zu erfas-

senden Erlöse auszugehen.

3.4 Höhe des zu erfassenden Ertrags

Neben den neuen Anwendungsregelungen für Mehrkomponentengeschäfte sind für Unterneh-

men vor allem die Änderungen hinsichtlich der Höhe des zu erfassenden Ertrags interessant.

In den folgenden Unterkapiteln soll die Bemessung der Höhe unter Anwendung der bisher

79Vgl hierzu auch Pilhofer/Bösser/Düngen, WPg 2/2010, S 78 ff. 80Vgl Petersen/Bansbach/Dornbach (2015), S 137. 81Vgl Schurbohm-Ebneth/Viemann, KoR 4/2015, S 190.

34

gültigen Standards mit der Bemessung unter Anwendung des IFRS 15 verglichen und etwaige

Änderungen hervorgehoben werden.

3.4.1 Bemessung nach IAS 18

Umsatzerlöse im Sinne des IAS 18 waren gem Paragraph 7 sämtliche, aus der gewöhnlichen

Geschäftstätigkeit eines Unternehmens resultierende Bruttozuflüsse wirtschaftlichen Nutzens

innerhalb einer Berichtsperiode, welche das Eigenkapital erhöhten. Einlagen der Eigentümer

waren hierbei nicht unter den Umsatzerlösen zu subsumieren. Zu beachten war nach IAS 18.8

in diesem Zusammenhang, dass Beträge, die im Interesse Dritter – wie bspw die Umsatzsteuer

– eingehoben wurden, keinen Nutzenzufluss darstellten und daher nicht als Umsatzerlöse zu

erfassen waren.

Gem IAS 18.9 waren die Umsatzerlöse mit dem beizulegenden Zeitwert des erhaltenen

oder zu beanspruchenden Entgelts zu bewerten. Die Höhe der zu erfassenden Umsatzer-

löse war gem IAS 18.10 im Normalfall vertraglich zwischen dem Unternehmen und dem Käufer

vereinbart. Zu berücksichtigen waren hier jedoch Preisnachlässe und Mengenrabatte, diese

mussten vom Zeitwert des erhaltenen oder zu beanspruchenden Entgelts abgezogen werden.

Unter dem Begriff „beizulegenden Zeitwert“ definierte IAS 18.7 jenen Betrag, zu dem zwischen

sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein

Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden konnte.

Im Paragraph 11 hielt der IAS 18 fest, dass das Entgelt zumeist aus Zahlungsmitteln bzw

Zahlungsmitteläquivalenten bestünde und der zu erfassende Erlös dem Betrag dieser entsprä-

che. Trat jedoch der Fall ein, dass der Zufluss des Entgelts aufgrund eines gewährten Zah-

lungsziels zeitlich verzögert wurde, so war für alle künftigen Einnahmen eine Abzinsung an-

hand eines kalkulatorischen Zinssatzes vorzunehmen. Als Zinssatz war je nach Verlässlichkeit

der Ermittlung entweder ein für eine vergleichbare Finanzierung bei gleicher Bonität des

Schuldners geltender Zinssatz, oder jener Zinssatz, der es ermöglichte, das erhaltene Entgelt

auf den gegenwärtigen Barzahlungspreis abzuzinsen, zu wählen.

Im Falle eines Tauschgeschäfts, in dem Erzeugnisse, Waren oder Dienstleistungen gegen art-

oder wertmäßig unterschiedliche Erzeugnisse, Waren oder Dienstleistungen getauscht wur-

den, war der Umsatzerlös gem IAS 18.12 anhand des beizulegenden Zeitwerts der erhaltenen

Tauschleistungen zu bemessen. Diese Bemessung musste um etwaig zugeflossene Zah-

lungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente bereinigt werden. War der beizulegende Zeitwert

der erhaltenen Leistungen nicht verlässlich ermittelbar, so musste der beizulegende Zeitwert

der aufgegebenen Erzeugnisse, Waren oder Dienstleistungen herangezogen werden. Sofern

die im Zuge des Tauschgeschäfts getauschten Leistungen gleichartiger bzw wertmäßig glei-

cher Natur waren, wurden keine Umsatzerlöse bilanziert.

35

3.4.2 Bemessung nach IAS 11

Während sich der IAS 18 der allgemeinen Erlöserfassung widmete, sah der IAS 11 spezielle

Regelungen für die Bilanzierung langfristiger Fertigungsaufträge vor. Als Fertigungsauftrag

definierte IAS 11.3 einen Vertrag, der eine kundenspezifische Fertigung einzelner oder meh-

rerer Gegenstände, die aufeinander abgestimmt bzw voneinander abhängig sind, zum Inhalt

hatte.

Erlöse aus solchen Fertigungsaufträgen umfassten nach IAS 11.11 zum einen den vertraglich

vereinbarten Erlös, zum anderen Zahlungen für Abweichungen im Gesamtwerk und Ansprü-

che oder Anreize, sofern diese wahrscheinlich zu Erlösen führten und verlässlich ermittelbar

waren.

Die Bewertung der Umsatzerlöse erfolgte anhand des beizulegenden Zeitwerts des erhal-

tenen bzw ausstehenden Entgelts. IAS 11.12 sah aufgrund der Ungewissheiten, die im Zu-

sammenhang mit langfristigen Fertigungsaufträgen auftraten, eine Neubewertung bei Eintritt

bestimmter Ereignisse oder Klärung von Unsicherheiten vor. Eine Erhöhung bzw Minderung

der Erlöse aus einem Auftrag war daher nicht auszuschließen.

Sofern das Ergebnis eines Fertigungsauftrags verlässlich schätzbar war, erfolgte die perio-

dengerechte Erfassung der Umsatzerlöse anhand der sogenannten Percentage-of-

Completion-Methode.82 Die Messung der Leistung konnte dabei sowohl anhand einer input-

als auch outputorientierten Methode erfolgen.83

Konnte keine verlässliche Schätzung hinsichtlich des Ergebnisses eines Fertigungsauftrags

abgegeben werden, so war der Erlös gem IAS 11.32 nur in Höhe der im Geschäftsjahr ange-

fallenen Auftragskosten, deren Einbringlichkeit wahrscheinlich war, zu erfassen. Dies wurde

auch als modifizierte Completed-Contract-Methode bezeichnet.84 IAS 11.33 schrieb vor,

dass bis zur verlässlichen Schätzung des Auftrags kein Gewinn realisiert werden durfte. Erst

bei Auftragsabnahme durch den Kunden konnte die Gewinnrealisierung vorgenommen wer-

den. Fielen die Unsicherheiten im Laufe der Fertigung weg, hatte die Erlösrealisierung gem

IAS 11.35 wiederum anhand der Percentage-of-Completion-Methode zu erfolgen.

82Vgl Althoff (2012), S 156 f. 83Vgl Heintges/Erber, WPg 19/2016, S 1072. 84Vgl Althoff (2012), S 160.

36

Abbildung 7: Leistungsmessung nach IAS 1185

Im Rahmen der Leistungsmessung unter Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode

wurden gem IAS 11.25 nützliche Informationen bzgl des Standes der Vertragsarbeit und der

Leistung innerhalb der Periode bereitgestellt. Die Ermittlung des Fertigstellungsgrads konnte

gem IAS 11.30 anhand verschiedener Verfahren erfolgen und folgendes umfassen:

a) Die Darstellung des prozentuellen Anteils der bis zum Stichtag angefallenen Kosten

von den zum Stichtag geschätzten Gesamtauftragskosten;

b) die Begutachtung der erbrachten Leistungen; oder

c) die Information über den Fertigstellungsgrad anhand der Fertigstellung eines physi-

schen Auftragsteils.

Zu beachten ist hierbei jedenfalls, dass das aktivitätenbasierte Realisationskonzept des IAS

11 das Ziel verfolgte, die Umsätze der bisher erbrachten Leistungen zu realisieren. Hierbei

war der Übergang der Verfügungsmacht nicht zwingend notwendig.

3.4.3 Vergleich der vormaligen Regelungen mit IFRS 15

Gem der im Anhang A des IFRS 15 enthaltenen Begriffsdefinitionen sind unter Erlösen alle

Erträge aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens zu verstehen. Als Er-

trag definiert der Anhang A in diesem Zusammenhang einen wirtschaftlichen Nutzenzufluss

innerhalb einer Bilanzierungsperiode in Form von Zuflüssen bzw Wertsteigerungen von Ver-

mögenswerten oder Verringerungen von Schulden, die das Eigenkapital erhöhen. Diese Defi-

nition geht mit jener des IAS 18 einher.

Der IFRS 15 bestimmt die Höhe der zu erfassenden Erlöse, wie bereits im Kapitel 2.5.3 erör-

tert, im Zuge des dritten Schrittes „Bestimmung des Transaktionspreises“ des Fünf-Schritte

Modells. Ein Unternehmen hat nach IFRS 15 jenen Betrag als Erlös zu erfassen, den es für

die Erbringung der Leistungsverpflichtungen erhält. Im Regelfall entspricht dieser Betrag dem

vertraglich vereinbarten Preis. Sind im vertraglich festgelegten Preis keine variablen Kompo-

nenten enthalten und ist aufgrund der unmittelbaren Zahlung nach Erbringung der Leistung

auch keine signifikante Finanzierungskomponente auszumachen, entspricht die Höhe des zu

erfassenden Erlöses jener des IAS 18.

85Vgl Althoff (2012), S 156 (leicht modifiziert).

37

Die Transaktionspreisermittlung kann jedoch durch variable Gegenleistungen, Finanzie-

rungskomponenten, nicht zahlungswirksame Gegenleistungen oder an Kunden zu ent-

richtende Gegenleistungen beeinflusst werden. Aufgrund der detaillierten Vorschriften des

IFRS 15 kann es im Rahmen dieser Faktoren zu Änderungen in der Bilanzierung kommen.

3.4.3.1 Variable Gegenleistungen

Eine variable Gegenleistung kann in verschiedenen Formen auftreten. So sind nach IFRS 15

bspw Skonti, Rabatte, Rückerstattungen, Gutschriften, Preisnachlässe, Leistungsprämien,

Strafzuschläge oder Ähnliches als variable Komponenten einzustufen. Auch der Eintritt zu-

künftiger Ereignisse, wie bspw die Inanspruchnahme eines Rückgaberechts durch den Kun-

den ist als variable Gegenleistung zu klassifizieren.86

Der Paragraph 14 des IAS 18 verlangte eine verlässliche Bestimmung der Höhe der Umsatz-

erlöse vor Erfassung ebendieser. Zudem musste der Nutzenzufluss wahrscheinlich sein. Da-

her haben viele Unternehmen bei Vorliegen einer variablen Gegenleistungskomponente mit

der Ertragsrealisierung bisher meist bis zum endgültigen Verkauf des Produkts an den End-

kunden zugewartet.87

Sollte die einzig bestehende Unsicherheit in einer möglichen Preisschwankung einer solchen

variablen Leistung liegen, ist es nach IFRS 15 nun nicht mehr zulässig, mit der Ertragsreali-

sierung bis zum Zeitpunkt des Endverkaufs zuzuwarten. Nach IFRS 15 müssen Unternehmen

nunmehr eine Schätzung der variablen Gegenleistungen vornehmen. In diesem Zusammen-

hang sind jedoch die Begrenzungsvorschriften des IFRS 15.56-57 zu berücksichtigen. Diese

Vorschriften verlangen von Unternehmen eine Beurteilung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit

einer signifikanten Stornierung. Eine variable Gegenleistung darf demnach nur dann in den

Transaktionspreis miteinbezogen werden, wenn es hochwahrscheinlich ist, dass es zu keiner

wesentlichen Stornierung kommt, sobald die mit der variablen Gegenleistung verbundenen

Unsicherheiten weggefallen sind. Der IFRS 15.57 nennt diverse Faktoren, welche die Eintritts-

wahrscheinlichkeit einer solchen Umsatzstornierung erhöhen könnten:

a) Externe Faktoren wie die Marktvolatilität, Ermessensentscheidungen oder Handlungen

Dritter, Wetterbedingungen oder hohes Alterungsrisiko der zugesagten Leistungsver-

pflichtungen wirken auf die Gegenleistung ein;

b) die Unsicherheit hinsichtlich der Höhe der Gegenleistung besteht voraussichtlich über

eine längere Zeitspanne;

c) die Erfahrungen des Unternehmens mit ähnlichen Vertragsarten sind beschränkt bzw

besitzen geringe Aussagekraft für Prognosen;

86Vgl Kapitel 2.5.3.1 87Vgl EY 2017a, S 147.

38

d) die Gewährung einer Vielzahl an Preisnachlässen bzw die Änderung von Zahlungsbe-

dingungen ähnlicher Verträge unter ähnlichen Umständen ist Geschäftspraxis;

e) der Vertrag sieht eine Vielzahl verschieden hoher Gegenleistungen vor.

Ein Unternehmen muss bei Anwendung der Begrenzungsvorschriften sowohl die Wahr-

scheinlichkeit als auch das Ausmaß einer solchen Umsatzstornierung beurteilen. Die Beur-

teilung der Wahrscheinlichkeit ist mit Ermessensentscheidungen verbunden. In diesem Zu-

sammenhang ist eine detaillierte Dokumentation der Beweggründe für die getroffene Entschei-

dung in den Anhangangaben offenzulegen. Die vom IFRS 15.57 genannten Faktoren sind

jedoch nur Anhaltspunkte. Unternehmen können, je nach Ausgangslage, zusätzliche Faktoren

in ihre Entscheidung miteinbeziehen. Hinsichtlich der Beurteilung des Ausmaßes einer signifi-

kanten Umsatzstornierung gilt es zu klären, was in diesem Kontext als „signifikant“ zu verste-

hen ist. Die Stornierung muss verglichen mit den zum Zeitpunkt der Stornierung bereits er-

fassten Gegenleistungen in Relation gesetzt werden. Dadurch ist es dem Unternehmen mög-

lich, die Signifikanz der Umsatzstornierung einzuschätzen.88

Der Weg einer Behandlung solch variabler Gegenleistungen unter Anwendung des IFRS 15

ist ein gänzlich neuer und auf sämtliche Transaktionstypen anwendbar. Je nachdem wie Un-

ternehmen solche Sachverhalte bisher behandelt haben, kann es zu einer zeitlichen Verschie-

bung der Umsatzerlöserfassung kommen.89

3.4.3.2 Signifikante Finanzierungskomponenten

Fallen der Erhalt der Gegenleistung und der Zeitpunkt der Übertragung der Verfügungsgewalt

über Güter bzw Dienstleistungen auseinander, kann eine signifikante Finanzierungskompo-

nente vorliegen.90 Der IAS 18 sah in diesem Zusammenhang für zukünftige Erlöse eine Abzin-

sung anhand eines kalkulatorischen Zinssatzes bzw eine Ermittlung des Barwerts erwarteter

Gegenleistungen vor. Auch der IFRS 15 sieht eine Abzinsung vor. Die Regelungen des IFRS

15 hinsichtlich der Wahl des Zinssatzes entsprechen den Vorschriften des IAS 18. Beide Stan-

dards schreiben vor, dass Unternehmen jenen Zinssatz wählen müssen, der für eine geson-

derte Finanztransaktion mit dem Kunden anzuwenden wäre. Insofern ist die Behandlung sig-

nifikanter Finanzierungskomponenten im Rahmen beider Standards ident. Der IFRS 15 ver-

pflichtet Unternehmen zu solch einer Diskontierung jedoch nur dann, wenn der zwischen der

Übertragung der Leistung und dem Erhalt der Gegenleistung anfallende Zeitraum mehr als ein

Jahr beträgt.91 Der IAS 18 nannte diesbezüglich keine entsprechende Vorschrift.

Zu berücksichtigen ist, dass der Abschluss eigenständiger Finanzierungsvereinbarungen für

88Vgl EY 2017a, S 149. 89Vgl EY 2017a, S 154. 90Vgl Kapitel 2.5.3.2. 91Vgl IFRS 15.BC236.

39

viele Unternehmen mit aller Wahrscheinlichkeit nicht zur alltäglichen Geschäftstätigkeit zählt.

Aufgrund dieser Tatsache könnte es zu Schwierigkeiten im Rahmen der Zinssatzermittlung

kommen. Des Weiteren sind erhebliche Ermessensentscheidungen im Rahmen der Bestim-

mung, ob eine signifikante Finanzierungskomponente vorliegt, wenn mehr als ein Jahr zwi-

schen der Übertragung der Leistungsverpflichtungen und dem Erhalt der entsprechenden Ge-

genleistung vorliegt, zu erwarten. Es empfiehlt sich daher für Unternehmen, dahingehende

Analysen stets ausreichend zu dokumentieren.92

3.4.3.3 Nicht zahlungswirksame Transaktionen

Die Gegenleistung kann teilweise auch aus nicht zahlungswirksamen Gegenleistungen beste-

hen. Sie muss also nicht immer monetärer Natur sein, auch Güter, Dienstleistungen oder an-

dere nicht zahlungswirksame Leistungen (wie bspw Sachanlagen) können im Rahmen eines

Tauschgeschäfts übermittelt werden. Der beizulegende Zeitwert der nicht zahlungswirksamen

Gegenleistung ist in solch einem Fall in den Transaktionspreis einzubeziehen.93 Diese Vorge-

hensweise steht im Einklang mit dem vormals gültigen IAS 18. Sollte der beizulegende Zeit-

wert nicht zuverlässig schätzbar sein, so muss nach IFRS 15 der Einzelveräußerungspreis der

vom Unternehmen aufgegebenen Güter bzw Dienstleistungen herangezogen werden. Im Ge-

gensatz dazu war unter Anwendung des IAS 18 in solch einem Fall der beizulegende Zeitwert

der aufgegebenen Güter zur Bemessung heranzuziehen. Dieser musste nicht wie nach IFRS

15 zuverlässig schätzbar, sondern zuverlässig ermittelbar sein. Eine Schätzung genügte in

diesem Fall nicht.94

Im Zusammenhang mit Mehrkomponentenverträgen ist zu konstatieren, dass sich bei zeitlich

abweichender Erfüllung einzelner Leistungskomponenten Gestaltungspotenziale hinsichtlich

des Zeitpunkts des beizulegenden Zeitwerts offenbaren. Dem IFRS 15 mangelt es nämlich an

konkreten Vorschriften, ob für erbrachte Leistungen der Zeitwert zum Zeitpunkt des Vertrags-

abschlusses oder der Zeitwert bei Übertragung der Gegenleistung heranzuziehen ist.95

Die Regelungen in SIC-31, welcher sich den Umsatzerlösen aus dem Tausch von Werbemit-

teln widmete, sahen im Paragraph 3 vor, dass ein Unternehmen Umsatzerlöse aus solch ei-

nem Tausch anhand des beizulegenden Zeitwerts erst realisieren konnte, wenn Geschäfts-

transaktionen, die bestimmte Kriterien des IAS 18 erfüllten, als Vergleich herangezogen wer-

den konnten. Diese Thematik ist im IFRS 15 nicht erfasst, und somit ist auch hierbei mit Er-

messensentscheidungen zu rechnen.96

92Vgl EY 2017a, S 166. 93Vgl Kapitel 2.5.3.3. 94Vgl KPMG 2016a, S 90. 95Vgl Fink/Ketterle/Scheffel, Der Betrieb 36/2012, S 2001. 96Vgl EY 2017a, S 178.

40

Bzgl der in IFRIC 18 behandelten übertragenen Vermögenswerte eines Kunden an das Unter-

nehmen sieht der IFRS 15 keine Regelungen vor. Der Erlös aus solch einer Transaktion wird

auch weiterhin anhand des beizulegenden Zeitwertes zu bemessen sein.97

3.4.3.4 An einen Kunden zu zahlende Gegenleistung

Barbeträge, die ein Unternehmen an einen Kunden zahlt oder zu zahlen erwartet, sind gem

IFRS 15.70 als an einen Kunden zu zahlende Gegenleistungen zu identifizieren.98 Solche Zah-

lungen vom Unternehmen vermindern den Transaktionspreis und treten meist in Form von

Rabatten, Gutscheinen oder Gratisprodukten – also sogenannte Kundenanreize – auf.99 Die

neuen Vorschriften zum Umgang mit solchen an Kunden zu zahlenden Gegenleistungen sind

der gegenwärtigen Bilanzierungspraxis ähnlich. Erfolgt die an einen Kunden zu zahlende Ge-

genleistung jedoch als Bezahlung für ein vom Kunden geliefertes, eigenständig abgrenzbares

Gut bzw eine erbrachte, eigenständig abgrenzbare Dienstleistung, so sieht IFRS 15.71 keine

Schmälerung des Transaktionspreises vor. Vielmehr ist derartiger Sachverhalt als Kauf von

Zulieferern zu behandeln. Da die Bestimmung des IFRS 15.71 neu ist, kann davon ausgegan-

gen werden, dass betroffene Unternehmen ihre bisherige Bilanzierung überprüfen und gege-

benenfalls anpassen müssen bzw mussten.100

3.4.3.5 Einfluss der Leistungsseparierung auf die Höhe des Erlöses

Wie das Kapitel 3.3 bereits aufgezeigt hat, enthält der IFRS 15 detaillierte Vorschriften zur

Erlöserfassung im Zusammenhang mit vertraglichen Konstellationen, die mehrere Leistungs-

komponenten beinhalten. Der nach IFRS 15 ermittelte Transaktionspreis muss im vierten

Schritt des Erlöserfassungsmodells auf die einzelnen Leistungsverpflichtungen allokiert wer-

den. Aufgrund der strikten Separierung der Leistungsverpflichtungen und der Allokation des

Transaktionspreises auf diese, sind Änderungen in der Realisierung von Umsätzen zu erwar-

ten. Da solche Mehrkomponentenverträge teilweise unterschiedliche Realisationszeitpunkte

für die in ihnen enthaltenen Leistungsverpflichtungen vorweisen, werden zukünftig unter Um-

ständen Teilgewinnrealisierungen innerhalb der Berichtsperioden vorzunehmen sein. Wäh-

rend die generelle Bemessung der Erlöshöhe bei solchen Vertragskonstellationen fallweise

mit jener nach IAS 11 bzw IAS 18 übereinstimmt, kann sich die Höhe der Umsatzerlöse inner-

halb einer Bilanzierungsperiode aufgrund der Teilgewinnrealisierung durchaus verändern. Un-

ter IAS 18 wurden vormals möglicherweise viel weniger Vertragskomponenten identifiziert und

daher gewisse Erlöse, die unter Anwendung des IFRS 15 in einer früheren Bilanzierungsperi-

ode erfasst werden, erst mit Vertragserfüllung realisiert. Während sich also die Gesamthöhe

der Umsatzerlöse bei Umstellung auf den neuen Standard grds nicht verändern muss, kann

97Vgl KPMG 2016a, S 90. 98Vgl Kapitel 2.5.3.4. 99Vgl Fink/Ketterle/Scheffel, Der Betrieb 36/2012, S 2001. 100Vgl EY 2017a, S 184.

41

es bei Verträgen, die sich über mehrere Berichtsperioden erstrecken, vorkommen, dass sich

die Höhe der innerhalb einer Berichtsperiode realisierten Erlöse aufgrund von Verschiebungen

des Realisationszeitpunkts verändert.101

3.4.3.6 Langfristige Fertigungsaufträge

Da das aktivitätenbasierte Realisationsprinzip des IAS 11 eine Erfassung der Erlöse nach dem

bisher erbrachten Leistungsinput vorsah, ein Übergang der Verfügungsmacht hierbei jedoch

nicht zwingend vorliegen musste, kann es zu unter IFRS 15 zu Änderungen der zu realisieren-

den Erlöshöhe aus derartigen Verträgen kommen. Da nach dem Control-Concept des IFRS

15 eine Übertragung der Verfügungsmacht auf den Kunden vorliegen muss, kann sich die

Höhe der Erlöse aus langfristigen Fertigungsaufträgen innerhalb einer Berichtsperiode ver-

schieben. Dabei sind die neu eingeführten Kriterien des IFRS 15.35 zu beachten, welche re-

geln, woran der Übergang der Verfügungsgewalt festzumachen ist.102

3.5 Zeitpunkt der Ertragsrealisierung

Neben der Höhe des zu erfassenden Betrags ist für viele Unternehmen vor allem der Zeitpunkt

der Ertragsrealisierung von Bedeutung. In den folgenden Unterkapiteln sollen deshalb die

Bestimmungen zum Erfassungszeitpunkt der Umsätze nach vormaliger Rechtslage mit jenen

des IFRS 15 verglichen und eventuelle Änderungen aufgezeigt werden.

3.5.1 Erfassungszeitpunkt nach IAS 18

Die Regelungen des IAS 18 hinsichtlich des Erfassungszeitpunkts von Erlösen waren nach

Umsatzart untergliedert. IAS 18.14-19 widmeten sich der Erfassung der Umsatzerlöse aus

dem Verkauf von Gütern, während IAS 18.20-28 die Erfassung von Umsatzerlösen aus der

Erbringung von Dienstleistungen zum Inhalt hatten. IAS 18.29-34 befassten sich hingegen mit

der Erlöserfassung aus Zinsen, Nutzungsentgelten und Dividenden.

3.5.1.1 Verkauf von Gütern

Gem IAS 18.14 waren Erlöse aus dem Verkauf von Gütern zu erfassen, wenn folgende Krite-

rien kumulativ erfüllt waren:

a) Die maßgeblichen Risiken und Chancen wurden auf den Käufer übertragen,

b) das Unternehmen hatte kein weiteres Verfügungsrecht noch eine wirksame Verfü-

gungsgewalt über die verkauften Güter,

c) die Höhe der Umsatzerlöse war verlässlich bestimmbar,

d) der wirtschaftliche Nutzenzufluss war wahrscheinlich, und

101Dies entspricht den im Zuge des Literaturstudiums gewonnenen Erkenntnissen des Autors. 102Siehe hierzu Kapitel 2.5.5.1.

42

e) die Kosten, welche im Zusammenhang mit dem Verkauf angefallen sind bzw noch an-

fallen konnten, konnten verlässlich bestimmt werden.

Das Hauptkriterium spiegelte sich aber vor allem im Übergang der maßgeblichen Risiken

und Chancen auf den Käufer wider. Damit beurteilt werden konnte, zu welchem Zeitpunkt die

maßgeblichen Risiken und Chancen aus dem Eigentum auf den Käufer übertragen worden

sind, mussten gem IAS 18.15 die Gesamtumstände des Verkaufs betrachtet werden. Meist

ging die Übertragung mit der rechtlichen Eigentumsübertragung bzw dem Besitzübergang auf

den Käufer einher. Es konnte jedoch vorkommen, dass besagte Risiken und Chancen zu

einem anderen Zeitpunkt als bei der Eigentumsübertragung bzw dem Besitzübergang über-

gingen.

Sofern maßgebliche Eigentumsrisiken beim Unternehmen verblieben sind, war die Geschäfts-

transaktion gem IAS 18.16 nicht als Verkauf anzusehen und kein Umsatzerlös zu erfassen.

Ein Beispiel für einen solchen Risikoverbleib beim Unternehmen waren bspw Verpflichtungen

im Rahmen einer Schlechterfüllung, die über die üblichen Garantie- bzw Gewährleistungs-

pflichten hinausgingen. Auch eine nicht einschätzbare Rücktrittswahrscheinlichkeit im Zusam-

menhang mit einem Rücktrittsrecht des Kunden konnte eine Erlöserfassung verhindern. Para-

graph 16 zählte taxativ noch weitere Beispiele diesbezüglich auf. Verblieben jedoch nur un-

maßgebliche Risiken beim Unternehmen, war die Geschäftstransaktion gem IAS 18.17 als

Verkauf einzuordnen. Ein unmaßgebliches Risiko lag bspw dann vor, wenn zwar ein Rück-

trittsrecht bestand, der Verkäufer jedoch die künftigen Rücknahmen verlässlich schätzen

konnte und eine entsprechende Schuld passiviert hatte. In diesem Fall war eine Erlöserfas-

sung zum Zeitpunkt des Verkaufs gestattet.

IAS 18.18-19 verlangten zudem eine verlässliche Bestimmung der Höhe der Umsatzerlöse

und der in diesem Zusammenhang angefallenen Kosten sowie des wirtschaftlichen Nutzenzu-

flusses, um die Erlöserfassung durchzuführen.

3.5.1.2 Erbringung von Dienstleistungen

Gem IAS 18.4 beinhaltete die Erbringung von Dienstleistungen eine Erfüllung vertraglich ver-

einbarter Aufgaben über einen festgelegten Zeitraum. Dies konnte innerhalb einer Periode

oder über mehrere Perioden geschehen. Teilweise waren solche Dienstleistungen direkt mit

langfristigen Fertigungsaufträgen in Verbindung zu bringen. Sofern dies der Fall war, waren

die Umsatzerlöse nicht nach IAS 18, sondern IAS 11 zu realisieren.

Umsatzerlöse aus der Erbringung von Dienstleistungen waren gem IAS 18.20 nach Maßgabe

des Fertigstellungsgrades am Abschlussstichtag zu erfassen, wenn das Ergebnis verlässlich

geschätzt werden konnte. Eine verlässliche Schätzung war gegeben, wenn folgende Kriterien

kumulativ erfüllt wurden:

43

a) Die Höhe der Umsatzerlöse war verlässlich bestimmbar,

b) der wirtschaftliche Nutzenzufluss war wahrscheinlich,

c) der Fertigstellungsgrad des Geschäftes am Abschlussstichtag konnte verlässlich be-

stimmt werden, und

d) die Kosten, welche im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung angefal-

len sind bzw noch anfallen konnten, konnten verlässlich bestimmt werden.

Verlässliche Schätzungen waren gem IAS 18.23 dann möglich, wenn die Vertragsparteien ge-

genseitige, durchsetzbare Rechte bzgl der Dienstleistung, gegenseitige Entgelte sowie Ab-

wicklungs- und Erfüllungsmodalitäten vereinbart hatten. Weiters musste das Unternehmen

über ein effektives Budgetierungs- und Berichtssystem verfügen. Im Zuge der Leistungs-

erbringung hatte das Unternehmen die Schätzungen der Umsatzerlöse zudem laufend zu

überprüfen und unter Umständen anzupassen.

IAS 18.21 sah zur Erfassung von Umsatzerlösen nach Maßgabe des Fertigstellungsgrads ei-

nes Geschäfts – gleich dem IAS 11 – die Anwendung der Percentage-of-Completion-

Methode vor. Die Realisierung der Umsatzerlöse anhand dieser Methode lieferte nützliche In-

formationen über den Umfang der Dienstleistungstätigkeiten und der Ertragskraft innerhalb

einer Periode. Der Fertigstellungsgrad konnte gem IAS 18.24 auf verschiedene Art und Weise

festgestellt werden:

a) Die erbrachte Arbeitsleistung wurde festgestellt;

b) das Verhältnis der zum Stichtag erbrachten Leistungen im Vergleich mit der Gesamt-

leistung wurde festgestellt und als Prozentsatz angegeben;

c) die zum Stichtag angefallenen Kosten wurden in Relation zu den geschätzten Gesamt-

kosten gesetzt.

3.5.1.3 Zinsen, Nutzungsentgelte und Dividenden

Die Erfassung von Umsatzerlösen aus Zinsen, Nutzungsentgelten und Dividenden fällt nicht

in den Anwendungsbereich des IFRS 15, sondern in jenen des IFRS 9 „Finanzinstrumente“.

Aus diesem Grund wird im Zuge dieser Arbeit nicht näher darauf eingegangen.

3.5.2 Erfassungszeitpunkt nach IAS 11

Da sich langfristige Fertigungsaufträge oftmals über mehrere Berichtsperioden erstrecken,

wurde der Leistungsfortschritt entweder anhand der Percentage-of-Completion-Methode oder

der modifizierten Completed-Contract-Methode gemessen.103 War das Ergebnis aus einem

langfristigen Fertigungsauftrag verlässlich schätzbar, hatte die Erlöserfassung gem IAS 11.22

entsprechend dem Leistungsfortschritt zu erfolgen. Erlöserfassungszeitpunkt war hierbei der

jeweilige Abschlussstichtag. Eine derartige Teilgewinnrealisierung wurde vorgenommen, um

103Siehe Kapitel 3.4.1.

44

dem Prinzip der Periodenabgrenzung des IAS 1 „Darstellung des Abschlusses“ gerecht zu

werden und die Erlöse auf die Berichtsperioden zu verteilen, in denen die Leistung erbracht

wurde. Zudem wurden dadurch nützliche Informationen zum Stand des Auftrags und zur Leis-

tung innerhalb der Periode ersichtlich. Der zwingende Übergang der Verfügungsgewalt war

hierbei jedoch nicht zwingend notwendig.104

Der IAS 11 sah für Festpreisverträge105 und Kostenzuschlagsverträge106 jeweils gesonderte

Kriterien zu einer verlässlichen Schätzung des Ergebnisses vor. So mussten im Rahmen eines

Festpreisvertrags gem IAS 11.23 folgende Punkte erfüllt sein:

a) Eine verlässliche Bewertung der Auftragserlöse musste möglich sein;

b) der wirtschaftliche Nutzenzufluss musste wahrscheinlich sein;

c) sowohl die noch anfallenden Kosten sowie der Grad der erreichten Fertigstellung konn-

ten zum Abschlussstichtag verlässlich bewertet werden; und

d) eine verlässliche Bewertung der Auftragskosten war möglich, sodass ein Vergleich mit

ursprünglichen Kostenschätzungen durchgeführt werden konnte.

Lag jedoch ein Kostenzuschlagsvertrag vor, war eine verlässliche Schätzung gem IAS 11.24

dann möglich, wenn

a) der wirtschaftliche Nutzenzufluss wahrscheinlich war; und

b) die Auftragskosten eindeutig bestimmt und bewertet werden konnten, unabhängig da-

von, ob sie gesondert abrechenbar waren.

3.5.3 Vergleich der vormaligen Regelungen mit IFRS 15

Die Regelungen des IFRS 15 zur Erfassung der Umsatzerlöse aus einem Vertrag mit einem

Kunden finden sich im letzten Schritt des Fünf-Schritte Modells wieder. Während unter An-

wendung des IAS 18 bzw IAS 11 für gewisse Sachverhalte erst festgelegt werden musste,

welcher der beiden Standards heranzuziehen war, bleibt eine dahingehende Analyse für Un-

ternehmen unter Anwendung des IFRS 15 aus. Da die Regelungen des IAS 18 und des IAS

11 im IFRS 15 vereinheitlicht und präzisiert werden, mussten Unternehmen eine Neuausrich-

tung ihrer Analysen vornehmen.107 Nunmehr muss bereits nach Ermittlung der Leistungsver-

pflichtungen für jede identifizierte Leistungsverpflichtung determiniert werden, ob diese über

einen bestimmten Zeitraum oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu realisieren ist.108

104Vgl Heintges/Erber, WPg 19/2016, S 1067. 105IAS 11.3 verstand unter einem Festpreisvertrag einen Vertrag, in dem ein festgelegter Preis pro Out-puteinheit festgelegt worden ist. 106Fertigungsaufträge, im Rahmen derer das leistungserbringende Unternehmen abrechenbare Kosten zzgl eines vereinbarten Prozentsatzes dieser Kosten oder ein festes Entgelt bekommt, waren gem IAS 11.3 als Kostenzuschlagsvertrag anzusehen. 107Vgl EY 2017a, S 194. 108Vgl Kapitel 2.5.5.

45

Der wohl größte Unterschied hinsichtlich des Zeitpunkts der Erlöserfassung lässt sich im neu

eingeführten Kriterium des Kontrollübergangs ausmachen. Während unter Anwendung des

IAS 18 der Übergang der wesentlichen Risiken und Chancen bedeutend war, ist künftig die

Übertragung der Verfügungsmacht und die damit verbundene Kontrolle an den Leistungsver-

pflichtungen ausschlaggebend. Dies begründen die Standardsetter damit, dass sich die Be-

stimmung des Übergangs der Risiken bzw Chancen in der Praxis als schwierig erweisen kann.

Mit Anwendung des Control-Concepts erwartet man sich konsistentere Entscheidungen im

Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlöserfassung.109

Der Übergang der Kontrolle als entscheidendes Kriterium musste aber bereits in der Entwick-

lungsphase des Standards aufgelockert werden, da Umsätze aus Dienst- und Werksverträgen

unter strikter Anwendung des Kontrollprinzips erst mit Abnahme des Werks zu realisieren ge-

wesen wären. Die Bilanzierungspraxis, allen voran die Baubranche mit den für sie typischen

langfristigen Fertigungsaufträgen, welche aktuell noch unter IAS 11 bilanziert werden, äußer-

ten jedoch Bedenken hinsichtlich der Anwendung des Kontrollkriteriums auf Erlöse aus Dienst-

und Werksverträgen. Diesem Druck gaben das IASB und das FASB schließlich nach und führ-

ten einen Kriterienkatalog ein, der eine zeitraumbezogene Erfassung ermöglicht.110 Damit ist,

wie schon nach alter Rechtslage, eine Umsatzerlöserfassung anhand der Percentage-of-

Completion-Methode, die den Leistungsfortschritt misst, möglich. Diese Regelung wird idR auf

bisher nach IAS 11 erfasste Umsätze aus langfristigen Fertigungsaufträgen anzuwenden sein.

Die Fachliteratur kritisiert in diesem Zusammenhang jedoch die fehlende explizite Einschrän-

kung auf solche langfristigen Fertigungsverträge und den sich daraus ergebenden erweiterten

Anwendungsbereich der Percentage-of-Completion-Methode.111 Im Zuge der zeitraumbezo-

genen Ertragsrealisierung sind jedoch nach neuer Rechtslage neue Kriterien zu beachten.

Wie im Kapitel 2.5.5 bereits erläutert, sieht der IFRS 15 drei Kriterien, die eine Anwendung

einer zeitraumbezogenen Erlöserfassung erfordern, vor. Da das Kriterium (a) ausschließlich

auf Erlöse aus Dienstleistungen anwendbar ist und die Anwendung des Kriteriums (b) eher

eingeschränkt und in den meisten Fällen nicht zu erwarten ist112, wird das Kriterium (c) das für

die Praxis relevanteste Kriterium darstellen.113

Das Kriterium (c) ist dann anzuwenden, wenn der Übergang der Verfügungsgewalt im Zusam-

menhang mit einem langfristigen Fertigungsauftrag nicht eindeutig erkennbar ist. Es wird ein

109Vgl KPMG 2016a, S 123. 110Vgl Wüstemann/Wüstemann, Betriebsberater 2011, S 3117 f. 111Vgl Kapitel 2.7. 112Das Kriterium (b) vermag konzeptionell zwar überzeugen, stößt in der praktischen Anwendung jedoch

an seine Grenzen. Aufgrund dieser Tatsache wurde sogar diskutiert, dieses Kriterium gänzlich zu streichen, da eine Erfüllung des Kriteriums (b) mit der Erfüllung des Kriteriums (c) einhergeht. Es wurde jedoch für gewisse Fälle, bei denen ein kontinuierlicher Übergang der Verfügungsgewalt ein-deutig ist, beibehalten. Siehe hierzu Baur/Eisele/Hold, KoR 09/2016, S 396 f.

113Vgl Baur/Eisele/Hold, KoR 09/2016, S 396.

46

fiktiver Kontrollübergang unterstellt, da die Leistung des Unternehmens keine alternative

Nutzungsmöglichkeit für das Unternehmen aufweist und ein Rechtsanspruch auf die Bezah-

lung der bereits erbrachten Leistungen besteht. Die Beurteilung, ob ein Unternehmen einen

alternativen Nutzen aus einer Leistung ziehen kann, erfordert unter Berücksichtigung der

Umstände eines Vertrags entsprechende Ermessensentscheidungen. Da der IAS 11 unter ei-

nem Fertigungsauftrag eine kundenspezifische Leistungserbringung verstand und damit eine

Nutzungseinschränkung impliziert wurde, ist die Schnittmenge solch langfristiger Fertigungs-

verträge, die bisher unter IAS 11 fielen und nunmehr nach dem Kriterium (c) des IFRS 15.35

zu erfassen sind, sehr hoch. Da eine Nutzungseinschränkung jedoch nicht unbedingt mit der

Kundenspezifität verbunden sein muss, wird der Anwendungsbereich des Kriteriums (c) im

Vergleich zu den unter IAS 11 bilanzierten Sachverhalten erweitert. Demnach könnten solche

Aufträge, die vormals nicht nach IAS 11 erfasst wurden, nunmehr einer zeitraumbezogenen

Umsatzrealisation unterliegen.114

Neben der Voraussetzung des nicht vorhandenen alternativen Nutzens, ist auch ein durch-

setzbarer Zahlungsanspruch für die bereits erbrachten Leistungen erforderlich. In diesem

Zusammenhang ist der Fokus vor allem auf vertragliche und gesetzliche Kündigungsrechte

und deren Ausgestaltung zu legen. IFRS 15.37 verdeutlicht, dass gerade bei Kündigung einer

Partei aus anderen Gründen als der Schlecht- bzw Nichterfüllung der zugesagten Leistungen

ein solcher Anspruch bestehen muss. Unter Anwendung des IFRS 15 muss – sofern eine

zeitraumbezogene Erlöserfassung angestrebt wird – darauf geachtet werden, dass vertraglich

vereinbarte Kündigungsrechte einer solchen Erfassung nicht entgegenstehen. Gesetzliche

Kündigungsrechte, welche im deutschsprachigen Recht mindestens den Ersatz der angefalle-

nen Kosten sowie einer Gewinnmarge vorsehen und somit den Vorgaben des IFRS 15.B9

entsprechen, dürfen durch eventuelle Vertragsklauseln nicht außer Kraft gesetzt werden.115

Die Ausgestaltung solcher vertraglichen Kündigungsrechte variiert in der Praxis jedoch stark.

Oftmals haben Unternehmen eine Monopolstellung inne, sodass Kunden auf sie angewiesen

sind. Ein Kündigungsrecht aus anderen Gründen als der Schlecht- bzw Nichterfüllung der zu-

gesagten Leistungen ist besonders dann gegeben, wenn die Möglichkeit einer Kündigung

ohne Grund eingeräumt wird. Unternehmen, die Kunden als Monopolmacht bzw Alleinanbieter

versorgen, haben bisher meist keine spezifischen Klauseln für eine grundlose Kündigung in

ihre Verträge aufgenommen, da ein Vorkommen solcher Kündigungen, aufgrund der Ange-

wiesenheit der Kunden auf die speziellen Leistungen, ausgeschlossen werden kann. Um sol-

che spezifischen Fertigungsaufträge weiterhin über einen Zeitraum erfassen zu können, wird

es künftig notwendig sein, solche Klauseln in den Verträgen auszuweisen, da ansonsten die

114Vgl Baur/Eisele/Hold, KoR 09/2016, S 399. 115Vgl Baur/Eisele/Hold, KoR 09/2016, S 402.

47

Kriterien des IFRS 15.35 nicht erfüllt sind und eine zeitpunktbezogene Erlöserfassung vorzu-

nehmen ist.116

Es zeigt sich also, dass es unter Anwendung der neuen Vorschriften des IFRS 15 besonders

im Rahmen der zeitraumbezogenen Erlöserfassung zu Abweichungen des bisherigen Zeit-

punkts der Erlöserfassung kommen kann. Während prinzipiell keine fundamentalen Änderun-

gen in der bilanziellen Behandlung von Fertigungsaufträge aufgrund des Umstiegs von IAS 11

auf IFRS 15 zu erwarten waren, mussten Unternehmen dennoch eine tiefergehende Ver-

tragsanalyse in Erwägung ziehen und durchführen.117 Das Vorhandensein und die Ausgestal-

tung von Kündigungsrechten kann zu einer relativ willkürlichen Unterscheidung zwischen zeit-

punkt- und zeitraumbezogener Realisierung führen, weshalb Unternehmen die vorhandenen

Ermessensspielräume zur Heilung dieser konzeptionellen Schwäche ausnützen müssen.118

Schon subtile Unterschiede in den vertraglichen Vereinbarungen können in signifikanten Un-

terschieden hinsichtlich des Zeitpunkts der Erlöserfassung resultieren.119

Aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs der zeitraumbezogenen Erlöserfassung und

der angesprochenen Ermessensspielräume im Zusammenhang mit den Kriterien des IFRS

15.35, hier vor allem mit dem Kriterium (c), besteht die Möglichkeit, dass Erlöse aus Geschäfts-

transaktionen, die aktuell noch unter Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode er-

fasst werden, zukünftig erst mit Vertragserfüllung zu realisieren sind. Bestimmte vertragliche

Leistungsverpflichtungen hingegen könnten unter dem IFRS 15 erstmalig eine zeitraumbezo-

gene Erlöserfassung erfordern. Der IAS 11 schrieb zudem keine spezifische Methode zur Leis-

tungsmessung vor, sondern verlangte nur die Wahl einer verlässlichen input- oder outputba-

sierten Methode. IAS 11.30 gab vor, wie sich diese zusammensetzen bzw wie sie ausgestaltet

sein konnten. Diese Vorschriften des IAS 11 stehen jedoch weitgehend im Einklang mit den

detaillierteren Regelungen und Vorschlägen des IFRS 15.120

Sofern eine Leistungsverpflichtung nach den neuen Regelungen des IFRS 15 nicht zeitraum-

bezogen erfasst wird, erfolgt die Umsatzrealisierung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wie in

Kapitel 2.5.5 ersichtlich, normieren die Standardsetter diverse Indikatoren, die auf einen Kon-

trollübergang hindeuten. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass das IASB und das

FASB mit dem Re-Exposure Draft von 2011 das Risk-and-Reward-Kriterium wieder als Indi-

kator aufgenommen haben, da besagtes Kriterium ursprünglich als untauglich angesehen

wurde. Diese Auflockerung sieht die Fachliteratur wiederum als Kompromiss zwischen den

Standardsettern und der Bilanzierungspraxis.121 Unter dem IAS 18 war die Erfüllung des Risk-

116Vgl Baur/Eisele/Hold, KoR 09/2016, S 400. 117Vgl Brune in Beck’sches IFRS-Handbuch5 §9 RN 154. 118Vgl Baur/Eisele/Hold, KoR 09/2016, S 403. 119Vgl KPMG 2016a, S 128. 120Vgl KPMG 2016a, S 127 f. 121Vgl Kapitel 2.7.

48

and-Reward-Kriteriums als entscheidendes Merkmal für eine zeitpunktbezogene Erlösrealisie-

rung zu werten. Im Regelfall wurde ein Gewinn nach IAS 18 demnach dann realisiert, wenn

der Übergang der Leistungen und der damit verbundenen wesentlichen Risiken und Chancen

auf einen Kunden stattgefunden hat. Unter IFRS 15 ist der Übergang von Risiken und Chancen

nunmehr lediglich ein möglicher Indikator für den Übergang der Kontrolle und damit der Ver-

fügungsgewalt über eine Leistung. Dieser Umstand kann einen abweichenden Zeitpunkt der

Ertragsrealisation im Vergleich zu jenem des IAS 18 zur Folge haben.

Die möglichen Abweichungen iZm der Höhe des zu realisierenden Umsatzes sowie des Zeit-

punkts der Erlöserfassung können sich auf die Leistungskennzahlen der Unternehmen nieder-

schlagen. Aufgrund dieser Tatsache werden die Auswirkungen der Änderungen auf diese Leis-

tungsindikatoren im folgenden Kapitel genau untersucht.

3.6 Veränderung von Leistungskennzahlen

Mit Anwendung des IFRS 15 und den damit eventuell verbundenen Änderungen der Realisie-

rung von Umsatzerlösen, stellt sich für Unternehmen vor allem die Frage, welche Auswirkun-

gen der IFRS 15 auf die wesentlichen Leistungskennzahlen hat. Die Beurteilung der Leistungs-

fähigkeit eines Unternehmens erfolgt oftmals auf Basis der Umsatzerlöse. Für sich alleinste-

hend bilden die Umsatzerlöse bereits eine wesentliche Abschlusskennzahl, jedoch üben sie

auch direkten Einfluss auf weitere signifikante Finanzkennzahlen aus. Solche Änderungen

müssen gegenüber den Stakeholdern, wie bspw Investoren oder Kreditgebern, des Unterneh-

mens dementsprechend kommuniziert und erläutert werden, da diese die Auswirkungen der

Änderungen verstehen wollen.122 Die neuen Erlöserfassungsregelungen können sich bspw auf

Kreditverträge auswirken. Vereinbarte Klauseln (Covenants) innerhalb dieser Verträge können

von den Leistungskennzahlen abhängig und durch eventuelle Verschiebungen im Umsatzre-

alisierungsprozess möglicherweise anzupassen sein.123

Unter direktem Einfluss der Umsatzerlöse stehen bspw die Bruttomarge oder die Umsatzren-

tabilität. Im weiteren Verlauf nehmen die Umsatzerlöse jedoch vor allem auf die „Earning-

Before“ Kennzahlen, wie etwa das EBITDA Einfluss. Diese indirekte Einflussnahme beruht auf

der Tatsache, dass die Umsatzerlöse gem IAS 1.82 (a) in der Gesamtergebnisrechnung oder

in einer gesonderten Gewinn- und Verlustrechnung an erster Stelle auszuweisen sind. Die

Umsatzerlöse bilden demnach die Ausgangsposition der Gesamtergebnis- bzw der GuV-

Rechnung. Daher wirken sich Veränderungen in der Erlöserfassung auch auf die Höhe der in

der Gesamtergebnisrechnung enthaltenen weiterführenden absoluten Kennzahlen aus.

122Vgl EY 2012a, S 72. 123Vgl KPMG 2016b, S 5; Deloitte 2017, S 26; so auch Grote/Hold/Pilhofer, KoR 10/2014, S 481.

49

Der Einfluss des IFRS 15 auf die Leistungskennzahlen ist vor allem aufgrund der oben erör-

terten Veränderungen der Höhe und des Zeitpunkts der Realisierung von Erträgen gegeben.

Werden Erlöse nunmehr zu anderen Zeitpunkten als unter Anwendung des IAS 11 und IAS 18

erfasst und liegt eine damit einhergehende Veränderung der Höhe der Umsätze innerhalb ei-

ner Berichtsperiode vor, führt dies unmittelbar zu Änderungen der Höhe von Leistungskenn-

zahlen der jeweiligen Periode.

Doch nicht nur die Änderungen der Erlöserfassung können Einfluss auf die Leistungskennzah-

len eines Unternehmens nehmen, auch die neuen Regelungen hinsichtlich der Vertragskosten

sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Sind diese Kosten einem Vertrag direkt

zuzurechnen, so müssen sie über die Vertragslaufzeit abgeschrieben werden. Bisher wurden

diese Kosten in den Operation Expenses ausgewiesen, mit Anwendung des IFRS 15 erfolgt

eine Verschiebung in die Abschreibungen. Dadurch können das EBITDA erhöht werden. Ein

typisches Beispiel für solche Vertragskosten sind Vertriebsprovisionen. Gödeke sieht in den

verschiedenen Vertriebsstrukturen und ihren unterschiedlichen Provisionsmodellen eine Mög-

lichkeit der Einflussnahme auf die Höhe des EBITDA.124

3.7 Anforderungen an die Anhangangaben

Die Vorschriften bezüglich der Anhangangaben waren im IAS 18 in den Paragraphen 35 und

36 geregelt. Neben der für die Erlöserfassung angewandten Rechnungslegungsmethoden,

einschließlich der Methode zur Ermittlung des Fertigstellungsgrads im Rahmen von Dienst-

leistungen, waren Angaben zu jeder bedeutsamen Kategorie von Umsatzerlösen, welche in-

nerhalb der Berichtsperiode erfasst worden sind, zu tätigen. Zudem mussten Beträge von Um-

satzerlösen aus Tauschgeschäften gesondert ausgewiesen werden. Eventualverbindlichkei-

ten und -forderungen waren ebenfalls vollständig auszuweisen.

IAS 11 regelte den Ausweis der Anhangangaben in den Paragraphen 39 bis 45. IAS 11.39

erforderte Angaben zu den erfassten Erlösen der Berichtsperiode sowie Erläuterungen zu den

Methoden der Ermittlung dieser Erlöse und des Fertigstellungsgrads laufender Projekte. Im

Zusammenhang mit laufenden Projekten waren gem IAS 11.40 Angaben zur Summe der an-

gefallenen Kosten und ausgewiesenen Gewinne zu tätigen. Auch die Höhe der erhaltenen

Anzahlungen musste ausgewiesen werden. Gem IAS 11.42 waren Fertigungsaufträge mit ak-

tivischem Saldo gegenüber Kunden als Vermögenswert, mit passivischem Saldo gegenüber

Kunden als Schulden anzugeben. Ebenso wie der IAS 18 erforderte der IAS 11.45 einen Aus-

weis aller Eventualverbindlichkeiten und -forderungen.

Vergleicht man diese Vorschriften bzgl der Anhangangaben mit jenen des IFRS 15, ist festzu-

stellen, dass diese den nunmehrigen Anforderungen nur in geringem Ausmaß gerecht werden.

124Vgl Gödeke, Computerwoche 2014, S 1 ff.

50

Wie im Kapitel 2.7 ersichtlich, fällt der Detaillierungsgrad der künftigen Angaben wesentlich

höher aus. Der neue Standard schreibt Angaben zu den Verträgen mit Kunden, zu den signi-

fikanten Ermessensentscheidungen und zu den Kosten einer Anbahnung bzw einer Erfüllung

eines Vertrags vor. Damit sehen sich Unternehmen und hier vor allem große Konzerne nun-

mehr mit der Pflege eines effektiven Berichtswesens konfrontiert. Zu den einmaligen Einrich-

tungstätigkeiten im Zusammenhang mit den Angaben im ersten Jahr der Anwendung des IFRS

15 kommen zudem jährlich anzupassende Informationen im Anhang. Dies wird vor allem an-

fangs zeitliche sowie personelle Ressourcen in Anspruch nehmen. Neben der Implementie-

rung des Fünf-Schritte Modells stellt die Anpassung der Anhangangaben die größte Heraus-

forderung für Unternehmen dar.125

3.8 Zwischenergebnis

Nachdem der IFRS 15 nunmehr den IAS 18 und IAS 11 sowie sämtliche einzelfallorientierte

Interpretationen ersetzt, sind für Unternehmen vor allem die Auswirkungen des neuen Stan-

dards auf die Höhe des zu erfassenden Ertrags und den Zeitpunkt der Ertragsrealisierung von

Bedeutung. Um das gesamte Ausmaß dieser Auswirkungen feststellen zu können, muss der

Fokus auch auf die Änderungen in der Grundkonzeption, des Anwendungsbereichs und dem

Umgang mit Vertragskomponenten erweitert werden.

Der Vergleich der Grundkonzeptionen des IAS 18 und IAS 11 mit jener des IFRS 15 zeigt auf,

dass der neue Standard einem völlig neuen Konzept folgt. Der Risk-and-Reward-Ansatz des

IAS 18 wird durch den Asset-and-Liability-Ansatz und das damit verbundene Control-Concept

des IFRS 15 ersetzt. Erlöse werden nun nicht mehr lediglich bei Vorliegen eines Nutzenzuflus-

ses unter Ausschluss eines Risikos erfasst, sondern dann, wenn die Verfügungsgewalt über

eine Leistungsverpflichtung und damit die Kontrolle auf den Kunden übergeht. Nach IAS 11,

der einen aktivitätenbasierten Realisationsgedanken verfolgt hatte, konnten die Erlöse aus

Fertigungsaufträgen den jeweiligen Bilanzierungsperioden zugerechnet werden. Hierbei war

es nicht zwingend notwendig, dass die Verfügungsmacht der einzelnen Leistungskomponen-

ten auf den Kunden überging. Das Tätigwerden des Unternehmens genügte als Indikator für

eine Umsatzrealisierung. Somit stehen sich im Rahmen von Fertigungsaufträgen eine

aktivitätenbasierte Realisation und eine auf dem Kontrollübergang basierende Realisation ge-

genüber.

Hinsichtlich des Anwendungsbereichs schränkte der IAS 18 die Erlöserfassung auf Erlöse aus

der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ein. Auch der IFRS 15 sieht eine Erlöserfassung aus der

gewöhnlichen Geschäftstätigkeit vor, begrenzt diese jedoch auf Erlöse aus Verträgen mit Kun-

den. Zinsen und Aufwendungen, die bisher unter IAS 18 zu erfassen waren, fallen nunmehr in

125Vgl hierzu bspw Waschbusch/Lam, KoR 05/2017, S 199 f oder Brune, IRZ 2016, 24 f.

51

den Anwendungsbereich des IFRS 9 „Finanzinstrumente“.

Im Hinblick auf die erste, für Unternehmen besonders relevante Frage der Auswirkung des

IFRS 15 auf die Höhe des zu erfassenden Ertrags, ist festzuhalten, dass es auf die Zusam-

mensetzung der Gegenleistung ankommt. Sofern der Erlös dem vertraglich vereinbarten Preis

entspricht und keinen Besonderheiten unterliegt, fällt die Höhe des zu erfassenden Ertrags

nach IAS 18 und IFRS 15 gleich aus. Sollte die Gegenleistung jedoch variable Komponenten,

wie bspw Skonti oder Rabatte, enthalten, liegen deutliche Unterschiede beim Vergleich der

beiden Standards vor. Entgegen dem nach IAS 18 praktiziertem Aufschub der Erlöserfassung

iZm solchen variablen Gegenleistungen bis zur endgültigen Vertragserfüllung, sind diese nun-

mehr zu schätzen und in den Transaktionspreis miteinzubeziehen. Hinsichtlich der separat zu

erfassenden Leistungsverpflichtungen hat gegebenenfalls auch eine Allokation dieser variab-

len Gegenleistung auf die einzelnen Vertragskomponenten zu erfolgen. Die Erfassung der se-

paraten Leistungsverpflichtungen und die damit verbundene Allokation des Gesamttransakti-

onspreises auf die einzelnen Leistungsverpflichtungen wirkt sich im direkten Vergleich der bis-

herigen Standards mit dem IFRS 15 möglicherweise auf die Höhe der Erlöse innerhalb einer

Berichtsperiode aus. Die Höhe des Gesamttransaktionspreises muss sich unter Anwendung

der neuen Bestimmungen des IFRS 15 nicht zwingend ändern. Da tendenziell mehr separate

Leistungsverpflichtungen zu ermitteln sein werden, ist jedoch damit zu rechnen, dass die Um-

satzerlöse innerhalb der jeweiligen Berichtsperiode in anderer Höhe ausfallen, als dies bisher

nach IAS 11 bzw IAS 18 der Fall war. Auch innerhalb langfristiger Fertigungsaufträge kann es

zu Änderungen der Höhe der innerhalb einer Bilanzierungsperiode zu erfassenden Umsätze

kommen. Dies ist dem Control-Concept geschuldet.

Die Bilanzierung der anderen, auf den Transaktionspreis einflussnehmenden Faktoren in Form

von signifikanten Finanzierungskomponenten, nicht zahlungswirksamen Transaktionen bzw

an einen Kunden zu zahlende Gegenleistungen unter Anwendung des IFRS 15 lässt sich größ-

tenteils mit der Bilanzierung nach IAS 18 vergleichen bzw stimmt mit ihr überein. Fallweise

sieht der IFRS 15 gewisse Zusatzanforderungen vor, die eine Analyse seitens der Unterneh-

men erfordern und unter Umständen auf die Höhe der Erlöse Einfluss nehmen könnten.

Die zweite, für Unternehmen bedeutende Frage, liegt in den möglichen Auswirkungen des

IFRS 15 auf den Zeitpunkt bzw Zeitraum der Erlöserfassung. Schon die unterschiedlichen

Grundkonzeptionen der Standards lassen Differenzen in der zeitlichen Erfassung der Erträge

erahnen. Während der IAS 18 der Risk-and-Reward-Konzeption folgte und die Umsatzerlöser-

fassung dadurch bedingt beim Übergang der wesentlichen Risiken und Chancen auf den Kun-

den erfolgte, ist nach IFRS 15 der Übergang der Kontrolle, also der Verfügungsmacht, auf den

Kunden ausschlaggebend. Bereits im Zuge der Ermittlung der Leistungsverpflichtungen muss

festgelegt werden, ob die Erlöserfassung über einen Zeitraum oder zu einem Zeitpunkt erfolgt.

52

Unternehmen müssen in diesem Zusammenhang stets mit der Prüfung der zeitraumbezoge-

nen Kriterien des IFRS 15.35 beginnen. Das relevanteste dieser Kriterien wird neben dem

Kriterium (a), welches explizit für Dienstleistungen anzuwenden ist, das Kriterium (c) darstel-

len, welches einen fiktiven Kontrollübergang unterstellt. Dieser ist gegeben, wenn die Leistung

des Unternehmens keine alternative Nutzungsmöglichkeit für das Unternehmen aufweist und

ein Rechtsanspruch auf die Bezahlung der bereits erbrachten Leistungen besteht. Die Ver-

träge die nun unter diesem Kriterium bilanziert werden, überschneiden sich zu einem großen

Teil mit langfristigen Fertigungsaufträgen, die bisher unter IAS 11 gefallen sind. Es sind also

keine fundamentalen Änderungen zu erwarten, jedoch kann das Kriterium bei genauer Ana-

lyse durchaus gravierende Ermessensentscheidungen erfordern. Vor allem Vertragsklauseln

hinsichtlich eines durchsetzbaren Rechtsanspruchs können durch ihr (Nicht-)Vorhandensein

und ihre Ausgestaltung im Hinblick auf die Frage, ob Erlöse aus einer Leistung über einen

Zeitraum oder zu einem Zeitpunkt realisiert werden müssen, entscheidend sein. Damit nimmt

der IFRS 15 in gewisser Hinsicht direkten Einfluss auf die Vertragsgestaltung von Unterneh-

men, die künftig genau beachten müssen, wie Klauseln in Verbindung mit Rücktrittsrechten

formuliert sind. Derartige eventuell notwendige Eingriffe in die Geschäftsgestaltung von Unter-

nehmen werden indes von Seiten der Fachliteratur bereits kritisiert und bemängelt.126

Sofern die Kriterien der zeitraumbezogenen Ertragsrealisierung nicht erfüllt sind, ist die Erfas-

sung der Erlöse zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen. Da der Übergang der Risiken

und Chancen, welcher nach IAS 18 entscheidend war, nur mehr ein möglicher Indikator für

eine zeitpunktbezogene Ertragsrealisierung ist, kann es zu zeitlichen Verschiebungen in der

Erlöserfassung kommen. So besteht die Möglichkeit, dass bei Erfüllung gewisser, vom IFRS

15 vorgeschlagener Indikatoren eine Erlöserfassung stattfindet, ohne dass etwa der Übergang

der Risiken und Chancen stattgefunden hat.

Im Rahmen der Analyse der Auswirkungen des IFRS 15 auf den Zeitpunkt der Ertragsrealisie-

rung sind auch die Neuregelungen bzgl der variablen Gegenleistungen zu beachten. Diese

wirken sich nicht nur auf die Höhe der zu erfassenden Erlöse aus, sondern führen zumeist

auch zu einer verfrühten Erfolgsrealisation. Dies ist dem nunmehr wegfallendem Umstand der

Aufschiebung der Erlöserfassung bis zur vollständigen Vertragserfüllung nach IAS 18 geschul-

det.

Die erörterten (möglichen) Veränderungen des Umsatzrealisierungsprozesses im Hinblick auf

die Höhe der zu erfassenden Erträge und dem Zeitpunkt der Erfassung wirken sich zudem

unmittelbar auf die Leistungskennzahlen der jeweiligen Berichtsperioden aus. Da aufgrund der

strikten Separierung der Leistungsverpflichtungen und den Vorschriften zu variablen Gegen-

leistungen mehr bzw höhere Teilgewinne als unter IAS 18 zu realisieren sein werden, wirkt

126Vgl Kapitel 2.7

53

sich dies im direkten Vergleich der Standards auch auf die von den Umsatzerlösen direkt und

indirekt beeinflussten Kennzahlen aus. Diese Änderungen müssen von Unternehmen kommu-

niziert werden, da solche Kennzahlen besonders für Stakeholder von Interesse sind. Daher

interessieren sich die Abschlussadressaten vor allem für die Anhangangaben. Die geringen

Anforderungen des IAS 11 und IAS 18 werden mit dem IFRS 15 sowohl qualitativ als auch

quantitativ aufgebessert und Beweggründe in der Bilanzierung und Wahl der Ermessensent-

scheidungen erörtert.

4 IFRS 15 in der Energiebranche

Nach der theoretischen Darlegung der neuen Umsatzrealisierungsvorschriften des IFRS 15 im

Kapitel 2 und dem Vergleich der nunmehr anzuwendenden Vorschriften mit den bisher gültigen

Regelungen des IAS 11 sowie IAS 18 im Kapitel 3, soll nun ein Teilbereich der Energiebranche

– die Energieversorgung im engeren Sinne – und die ihr innewohnenden Besonderheiten im

Hinblick auf die Ertragsrealisation erörtert werden. Hierfür wird das Hauptaugenmerk auf die

vertragliche Beziehung von Energieversorgungsunternehmen mit Privatkunden und Industrie-

kunden gelegt. Dabei werden die wichtigsten Sachverhalte, aus denen sich unter Anwendung

des IFRS 15 für Unternehmen der Energiebranche mögliche Fragestellungen ergeben, erläu-

tert.

Da Unternehmen der Energiebranche neben der klassischen Stromversorgung oftmals auch

Geschäftstransaktionen, die teilweise in den Anwendungsbereich mehrerer Standards fallen,

eingehen, wird diese Problematik in einem thematischen Exkurs erläutert. Der Fokus liegt hier-

bei auf den Überschneidungen des IFRS 15 mit dem IFRS 9 sowie dem IFRS 16.

4.1 Branchenspezifika & Vertragsformen

Unternehmen der Energiebranche treten sowohl im Strom- als auch im Gassektor auf. Wie

bereits im Kapitel 1.4 erläutert, liegt der Fokus im Rahmen dieser Arbeit auf den Auswirkungen

des IFRS 15 auf den Umsatzrealisierungsprozess innerhalb des Stromsektors, im Besonderen

auf der Erlöserfassung aus einem Stromliefervertrag zwischen einem Energieversorgungs-un-

ternehmen und einem Endkunden.

Die Energiebranche ist aufgrund der sich stetig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen

einem laufenden Wandel unterworfen und so haben sich zahlreiche Betriebs- und Regulie-

rungsmodelle gebildet.127 Waren Energieversorger in den 90er Jahren noch in einem natürli-

chen Monopol tätig, treten sie heute innerhalb der EU als Anbieter auf einem geregelten Markt

auf. Grund für diese Liberalisierung sind die drei Energiebinnenmarktpakete, welche sich in

127Vgl PwC 2014, S 10; siehe auch Mussaeus/Rausch/Moraing (2015), S 1.

54

den Richtlinien 96/92/EG, 2003/54/EG und 2009/72/EG wiederfinden.128 Wurde im Monopol-

system zumeist nur ein Vertrag mit einem Energieversorgungsunternehmen abgeschlossen,

werden aufgrund der Marktliberalisierung nunmehr einzelne Verträge zwischen den verschie-

denen Marktteilnehmern abgewickelt.129 Es kann dabei zwischen netzspezifischen und ver-

triebsspezifischen Verträgen unterschieden werden.130

Abbildung 8: Vertrags- und Leistungsbeziehungen im Stromsektor131

Obige Grafik veranschaulicht die wesentlichen Vertrags- und Leistungsbeziehungen innerhalb

des Stromsektors. Es wird ersichtlich, dass zahlreiche Vertragsformen vorherrschen und zwi-

schen Energieversorgungsunternehmen im engeren sowie im weiteren Sinne unterschieden

werden muss. Energieversorgungsunternehmen im engeren Sinne (iSd europäischen

Energierechts) sind jene Unternehmen, die private oder gewerbliche Endkunden im Rahmen

der Grundversorgung direkt mit Energie versorgen aber auch Energielieferanten, die außer-

halb der Grundversorgung Energie an Kunden liefern. Energieversorger im weiteren Sinne

zeichnen sich bspw durch vorgelagerte Stufen, wie bspw die Energieerzeugung oder den

Energiehandel innerhalb der Energiewirtschaft, aus.132

128Vgl PwC 2016a, S 16. 129Vgl Offner (2001), S 41. 130Vgl Mussaeus/Rausch/Moraing (2015), S 5. 131Vgl Mussaeus/Rausch/Moraing (2015), S 5. 132Vgl bspw Mussaeus/Rausch/Moraing (2015), S 6 f.

55

Die Unterscheidung zwischen dem Netzbetreiber und dem Energielieferanten ist im liberali-

sierten Markt von großer Bedeutung. Die Festlegung des Netzbetreibers ist wohnort- bzw

standortabhängig. Der Netzbetreiber garantiert die Stromversorgung im entsprechenden Ge-

biet ist verpflichtet, jedem Kunden, auf dessen Wunsch hin, einen Netzzugang zu gewähren.

Tarife sowie allgemeine Bedingungen sind dabei behördlich festgelegt.133 Im Rahmen des

Netznutzungsvertrags werden die Kosten für die Errichtung, den Ausbau sowie die Instand-

haltung und den Betrieb des Netzsystems abgegolten.134

Der Energielieferant hingegen darf vom Endkunden frei gewählt werden. Um Strom zu bezie-

hen, wird mit dem gewählten Energieversorgungsunternehmen ein Stromliefervertrag verein-

bart. In der Erzeugung sowie dem Handel und Vertrieb von Strom herrscht ein freier Wettbe-

werb zwischen allen Energieversorgern.135

Das regulatorische Umfeld der Energieversorgung ist von Komplexität gekennzeichnet und

unterscheidet sich von Region zu Region sowie teilweise auch innerhalb eines Landes. Die

Regierungen der Länder sind stark in die Preisgestaltung, die Versorgungssicherheit und die

Reduktion von Treibhausgasemissionen und ähnlicher Schadstoffe eingebunden. Im Zuge der

Liberalisierung des Marktes sind branchenfremde Anbieter als Konkurrenz zu etablierten Ener-

gieversorgungsunternehmen in Erscheinung getreten. Diese beziehen den Strom an der Börse

und verkaufen ihn an den Endkunden.136 Aufgrund dieses immer stärker werdenden Wettbe-

werbs ist zu beobachten, dass Stromkunden zunehmend das Verhaltensmuster eines Privat-

kunden annehmen. Sie wählen frei zwischen den Anbietern, entwickeln eine Markenloyalität

und beziehen zu den günstigsten Tarifen. Aufgrund des verschärften Wettbewerbs, der be-

sonderen Vertragsgestaltungsmöglichkeiten, der inhärenten Komplexität der Branche und des

herausfordernden finanziellen Umfeldes offenbaren sich den Energieversorgungsunterneh-

men daher immer schwierigere Fragestellungen im Rahmen der Rechnungslegung.137

Ungewissheit herrschte vor allem auch hinsichtlich der nunmehrigen Anwendung des IFRS 15

und der damit verbundenen möglichen Änderungen des Umsatzrealisierungsprozesses. Die

vollen Auswirkungen werden wohl erst mit Ende der ersten Berichtsperiode, in welcher der

IFRS 15 zur Anwendung kommt, und damit verbundener Jahresabschluss- und Anhangerstel-

lung ersichtlich sein. Erste Informationen zu den Auswirkungen der Anwendung des IFRS 15

133Vgl Informationsblatt E-Sicher, S 1, https://www.kaerntennetz.at/dokumente/Strom/Informations-blatt_E-SICHER.pdf, abgerufen am 03.11.2018. 134Vgl Begriffserklärung zum Netzzugangsvertrag Strom, S 1, https://www.kaerntennetz.at/doku-mente/Strom/Begriffserklaerungen_Strom.pdf, abgerufen am 03.11.2018. 135Vgl Informationsblatt E-Sicher, S 1, https://www.kaerntennetz.at/dokumente/Strom/Informations-blatt_E-SICHER.pdf, abgerufen am 03.11.2018. 136Vgl PwC 2016a, S 24. 137So bspw PwC 2014, S 10.

56

sind jedoch bereits in den Quartalsberichten der großen Energieversorgungsunternehmen zu

entnehmen.138

In den folgenden Kapiteln werden diverse Anwendungsfragen des Erlöserfassungsmodells

des IFRS 15 in Verbindung mit Stromlieferverträgen analysiert und eventuelle Veränderungen

in der Bilanzierung hervorgehoben.

4.2 Der Stromliefervertrag unter IFRS 15

Der Stromliefervertrag bildet die vertragliche Basis für die Energieversorgung eines Endkun-

den durch ein Energieversorgungsunternehmen. Ein solcher Vertrag kann entweder im Rah-

men der Grundversorgung oder Ersatzversorgung mit einem Kunden abgeschlossen werden

und regelt die Lieferung und die Abnahme elektrischer Energie zum Zwecke der Stromversor-

gung.

Im Zuge der Anwendung des IFRS 15 können sich für Energieversorgungsunternehmen auf

jeder Ebene des Fünf-Schritte Modells bestimmte Fragestellungen offenbaren. Aufgrund der

vielseitigen Ausprägungen solcher Stromlieferverträge, erfordern die Identifizierung von Leis-

tungsverpflichtungen und der Umgang mit diesen sowie in einem weiteren Schritt die Bestim-

mung des Transaktionspreises besondere Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang ist zu-

dem stets die mögliche Anwendung der praktischen Erleichterung der Right-to-Invoice-Rege-

lung gem IFRS 15.B16 in Betracht zu ziehen. Aufgrund dieser Herausforderungen war im Zuge

der Umstellung der Umsatzrealisierung auf IFRS 15 seitens der Energieversorgungsunterneh-

men eine tiefgehende Analyse der bisher abgeschlossenen Kundenverträge unumgänglich.

Es galt zu klären, ob die Vertragsformen und die bisherige Erlöserfassung den Ansprüchen

des neuen Standards gerecht werden.

Im Rahmen der folgenden Kapitel wird dabei aufgezeigt, mit welchen Herausforderungen

Energieversorgungsunternehmen sich iZm der Umsatzrealisierung aus Stromlieferverträgen

mit Endkunden konfrontiert sahen. Zu beachten ist hierbei die Tatsache, dass sich Stromlie-

ferverträge auf B2C-Ebene (Energieversorgungsunternehmen mit privaten Haus-halten) und

B2B-Ebene (Energieversorgungsunternehmen mit Industriekunden) stark in ihrer Ausgestal-

tung unterscheiden können. Dies führt dazu, dass diverse Besonderheiten, die Fragen iZm der

Erlösrealisierung aufwerfen, im Regelfall nur auf einer der beiden Ebenen auftreten. Um einen

Überblick über jene Anwendungsfragen, die sich zum einen auf der Privatkunden-Ebene und

zum anderen auf der Industriekunden-Ebene ergeben, zu gewährleisten, wird zuerst eine Ana-

lyse eines Fallbeispiels zwischen einem Energieversorger und einem Privatkunden und da-

rauffolgend zwischen einem Energieversorger und einem Industriekunden durchgeführt. Der

138Siehe hierzu bspw die Halbjahresberichte des Kelag-Konzerns, des Verbund-Konzerns, des RWE-Konzerns, oä. Diese sind auf den jeweiligen Websites unter den Publikationen der Unternehmen abruf-bar.

57

klassische B2C-Stromliefervertrag zwischen einem Energieversorger und einem privaten

Haushalt eignet sich hierbei als Ausgangsbasis, da eine solche Vertragskonstellation als

Grundlage für Anwendungsfragen iZm mit komplexeren Verträgen dienen kann.139

Die jeweiligen Fallbeispiele und die damit verbundenen Antworten sind in den folgenden Ka-

piteln kursiv formatiert.

4.2.1 Der Stromliefervertrag mit Privatkunden

Der typische Stromliefervertrag zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und Privat-

kunden ist die wohl allgemein bekannteste Form des Stromliefervertrags. Jeder private Haus-

halt schließt nach Auswahl des gewünschten Stromanbieters einen solchen Vertrag ab.

Zwischen den zahlreichen, am Markt vertretenen Energieversorgungsunternehmen kann sich

die Vertragsausgestaltung zwar unterscheiden, idR sind solche Verträge jedoch ähnlich auf-

gebaut. Folgender vereinfachter Ausgangsfall steht repräsentativ für einen typischen B2C-

Stromliefervertrag:

Fall B2C

Das Energieversorgungsunternehmen E schließt am 01.01.2018 einen Stromliefervertrag mit

dem Privatkunden K ab. Unternehmen E verpflichtet sich, den Strombedarf des Kunden K

(Zwei-Personen-Haushalt in einer Wohnung) über die gesamte Vertragslaufzeit auf Abruf zu

decken.

Die Vertragslaufzeit wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Das Unternehmen E hebt

eine jährliche Grundgebühr iHv € 24,00 sowie ein verbrauchsabhängiges fixes Entgelt iHv

€ 0,065 pro verbrauchter kWh (Arbeitspreis) ein. Die Abrechnung erfolgt jährlich, unterjährig

wird ein monatliches Entgelt (Teilzahlungsbetrag) eingehoben, welches im Zuge der Endab-

rechnung korrigiert wird. Das monatliche Entgelt errechnet sich aus der auf die Monate herun-

tergebrochenen Grundgebühr und dem durchschnittlichen monatlichen Verbrauch140 eines

Zwei-Personen-Haushaltes (4.500 kWh / 12 Monate) multipliziert mit dem Arbeitspreis. Die

Mindestvertragslaufzeit beläuft sich auf zwölf Monate, eine vorzeitige Kündigung ist nur unter

Zahlung einer Pönale möglich. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Kündigung unter Einhaltung

einer 14-tägigen Frist möglich. 141

Die Strommessung bei Privatkunden erfolgt unter Einsatz von Standardlastprofilen. Solche

139Vgl Schieler/Weinmann, IRZ 2017, S 311. 140Die Bestimmung des durchschnittlichen Verbrauchs für Haushalte unterschiedlicher Größen erfolgt mittels Erfahrungswerten und kann von Energieversorgungsunternehmen zu Energieversorgungsunter-nehmen leicht abweichen. 141In Anlehnung an Schieler/Weinmann, IRZ 2017, S 311.

58

Standardlastprofile kommen bei einem jährlichen Verbrauch von unter 100.000 kWh zur An-

wendung und sind repräsentative Lastprofile für Haushalte, Landwirtschaften und Gewerbe

mit besagtem Stromverbrauch. Sie dienen dem Energieversorger als Basis für die Prognose

und Bereitstellung des Jahresverbrauchs. Der Zählerstand eines Standardlastprofils wird nur

einmal jährlich abgelesen und für die Endabrechnung herangezogen.142

Im Folgenden soll erläutert werden, mit welchen Anwendungsfragen sich das Energieversor-

gungsunternehmen im Zusammenhang mit den Vorschriften des Fünf-Schritte Modells des

IFRS 15 iRd bilanziellen Behandlung des angeführten Sachverhalts konfrontiert sieht.

4.2.1.1 Vorliegen eines Vertrags

Noch bevor mit der Separierung von Leistungsverpflichtungen und der Bestimmung sowie der

Allokation des Transaktionspreises die Kernbereiche fokussiert werden können, muss im

ersten Schritt des neuen Erlöserfassungsmodells geklärt werden, ob ein Vertrag iSd IFRS 15

vorliegt. Hierbei spielt der vertragliche Inhalt eine wesentliche Rolle. Es gilt zu klären, ob die

Ausgestaltung des Vertrags eine Umsatzrealisierung nach IFRS 15 überhaupt ermöglicht.

Neben den kumulativ zu erfüllenden Kriterien des IFRS 15.9, welche in Stromlieferverträgen

im Regelfall erfüllt sind, ist das Hauptaugenmerk vor allem auf die vertraglich vereinbarten

Kündigungsrechte der Vertragsparteien zu legen. Sollte ein „gänzlich unerfüllter“ Vertrag vor-

liegen und jede Partei das einseitige Recht besitzen, von diesem Vertrag ohne Kompensation

zurückzutreten, so existiert nach Definition des IFRS 15.12 kein Vertrag. Ein gänzlich unerfüll-

ter Vertrag liegt dann vor, wenn der Anbieter noch keine der vertraglich vereinbarten Güter

bzw Dienstleistungen bereitgestellt und vom Kunden noch keine Gegenleistung erhalten bzw

ein Anrecht darauf hat. Es empfiehlt sich für Unternehmen der Energiebranche daher, beson-

deres Augenmerk auf die vertraglichen Kündigungsrechte zu legen, da die Anwendbarkeit der

Umsatzrealisierungsvorschriften des IFRS 15 mitunter von deren verbaler Ausgestaltung ab-

hängig sein kann.143

Neben den vertraglich vereinbarten Kündigungsrechten ist für derartige Stromlieferverträge

auch der IFRS 15.11 von Bedeutung. Dieser besagt, dass Verträge, die keine fixierte Laufzeit

enthalten, nach IFRS 15 zu bilanzieren sind, solange die Vertragsparteien durchsetzbare

Rechte und Pflichten besitzen.

Grds enthält der Vertrag neben der Mindestvertragslaufzeit keine fixierte Vertragsdauer. Somit

ist die Laufzeit als unbegrenzt anzusehen und wird erst durch Kündigung einer der Vertrags-

parteien beendet. Gem IFRS 15.11 ist ein derartiger Vertrag in dem Zeitraum unter IFRS 15

142Vgl https://www.vattenfall.de/de/geschaeftskunden-was-sind-rlm-slp-zaehler.htm, abgerufen am 03.11.2018. 143Vgl EY 2012b, S 4.

59

zu bilanzieren, in dem die Vertragsparteien im Besitz von durchsetzbaren Rechten und Pflich-

ten sind. Sofern kein „gänzlich unerfüllter Vertrag“ vorliegt, ist der Stromliefervertrag bis zur

Kündigung durch eine Vertragspartei demnach unter IFRS 15 zu bilanzieren. In diesem Zu-

sammenhang ist im Fallbeispiel die vereinbarte Mindestvertragslaufzeit von Bedeutung. Inner-

halb dieser Frist kann nicht oder nur gegen Bezahlung einer Strafe gekündigt werden. Somit

kann auch kein „gänzlich unerfüllter“ Vertrag iSd IFRS 15.12 vorliegen und es besteht ein Ver-

trag iSd IFRS 15.

Auch bei fehlender Mindestvertragslaufzeit wäre mE von keinem „gänzlich unerfüllten“ Vertrag

auszugehen, da das Energieversorgungsunternehmen den Strom sofort nach Abschluss des

Vertrags bereitstellt und der Kunde diese Leistung im gleichen Zug in Anspruch nehmen kann

und somit ein Anrecht darauf hat.

4.2.1.2 Leistungsverpflichtungen im B2C-Stromliefervertrag

Aufgrund der möglichen Vertragsausprägungen von Stromlieferverträgen offenbaren sich vor

allem hinsichtlich der Identifizierung von Leistungsverpflichtungen weitere Fragen. Energiever-

sorgungsunternehmen müssen nunmehr abwägen, welche Leistungen zu ermitteln und in ei-

nem weiteren Schritt zu separieren bzw zusammenzufassen sind.144

4.2.1.2.1 Stand-Ready-Obligation

Ein Vertrag zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und einem Kunden kann eine

sogenannte Stand-Ready-Obligation enthalten. Damit verpflichtet sich das Unternehmen, dem

Kunden die vertraglich vereinbarten Güter bzw Dienstleistungen auf Abruf bereitzustellen. Sol-

che Stand-Ready-Obligationen sind im Regelfall in einem klassischen Stromliefervertrag zwi-

schen einem Energieversorgungsunternehmen und einem privaten Haushalt enthalten.

Derartige Vertragskonstellationen waren eines der Diskussionsthemen der TRG. Die Mitglie-

der der TRG gingen dabei der Frage nach, was im Rahmen eines solchen Vertrags als Leis-

tungsverpflichtung zu identifizieren sei und haben sich darauf geeinigt, dass das Leistungsver-

sprechen eines derartigen Vertrags nicht in der Lieferung einer bestimmten Menge an Strom,

sondern in der Sicherheit, dass der Kunde auf den Strom Zugriff hat und somit in der Bereit-

stellung liegt.145 Entscheidender Faktor hierbei ist, dass keine bestimmte Liefermenge im

Vertrag vereinbart wurde. Der IFRS 15.26 (e) definiert eine solche Stand-Ready-Obligation

explizit als eine eigenständig abgrenzbare Leistungsverpflichtung.

Die vertragliche Vereinbarung des Fallbeispiels beinhaltet keine vereinbarte Liefermenge, son-

dern enthält die Zusage des Energieversorgungsunternehmens E, dem Kunden K jederzeit

144Vgl EY 2014, S 2. 145Vgl EY 2016, S 8 iVm Schieler/Weinmann, IRZ 2017, S 312.

60

auf Abruf Energie zu liefern. Als Leistungsverpflichtung ist demnach die durchgehende Bereit-

stellung und Lieferung des Stroms in Form einer Stand-Ready-Obligation zu identifizieren.

4.2.1.2.2 Separierung/Zusammenfassung von Leistungsverpflichtungen

Nachdem festgestellt wurde, dass die Leistungsverpflichtung des B2C-Stromliefervertrags in

der Bereitstellung der Stromlieferung über einen bestimmten Zeitraum liegt, ist zu klären, ob

eine Separierung in mehrere Leistungsverpflichtungen vorgenommen werden kann. Innerhalb

dieses Zeitraums liegen Zeiteinheiten, welche gem IFRS 15.27 grundsätzlich voneinander

eigenständig abgrenzbar sind, da der Kunde von der Inanspruchnahme des Gutes bzw der

Dienstleistung in jeder Zeiteinheit einzeln profitieren kann und diese Zeiteinheiten voneinander

getrennt werden können. Dadurch stellt sich die Frage, ob eine Separierung der Leistungsver-

pflichtung in mehrere Verpflichtungen möglich ist. Dies ist jedoch zu verneinen. Auch wenn

sich die durch den Kunden in Anspruch genommene Menge innerhalb der Zeiteinheiten unter-

scheiden kann, ist das Versprechen bereitzustehen in jeder Zeiteinheit dasselbe und es kom-

men die Vorschriften des IFRS 15.22 (b) iVm IFRS 15.23 – also die Series-Guidance – zur

Anwendung. Durch sie wird die Stand-Ready-Obligation eindeutig als eine einzige Leis-

tungsverpflichtung identifiziert, da die eigenständig abgrenzbaren Leistungsverpflichtungen

im Wesentlichen gleich sind und nach dem gleichen Muster auf den Kunden übertragen wer-

den.146

Bei genauerer Betrachtung des Sachverhalts könnte zudem angenommen werden, dass die

tatsächliche Lieferung einer bestimmten Menge an Strom auf Abruf des Kunden im weiteren

Schritt eine eigene, zusätzliche Leistungsverpflichtung darstellt und somit eine Separie-

rung vorgenommen werden muss. Schieler/Weinmann verneinen dies mit der Begründung,

dass die durchgehende Lieferbereitschaft ohne die tatsächliche Lieferung im Falle eines Ab-

rufs durch den Kunden nicht erfüllbar ist. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf den

IFRS 15.27. Dieser sieht eine eigenständige Abgrenzung eines Guts bzw einer Dienstleistung

nur dann gegeben, wenn der Kunde gem IFRS 15.27 (a) einen Nutzen daraus ziehen kann

und die Zusage des Unternehmens, das Gut bzw die Dienstleistung auf den Kunden zu über-

tragen, gem IFRS 15.27 (b) von anderen vertraglichen Zusagen trennbar ist. Indikator für eine

solche Trennbarkeit kann gem IFRS 15.29 (c) die Unabhängigkeit des Guts bzw der Dienst-

leistung von anderen vertraglichen Leistungsverpflichtungen sein. Auch eine enge Verbunden-

heit des Guts bzw der Dienstleistung mit anderen vertraglichen Verpflichtungen darf nicht ge-

geben sein. Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften sind die Kriterien einer Trennung der

Lieferbereitschaft und der tatsächlichen Lieferung auf Abruf auch mE nicht erfüllt, da diese

sich eben durch eine Abhängigkeit und enge Verbundenheit auszeichnen.147

146Vgl Schieler/Weinmann, IRZ 2017, S 312 und Kapitel 4.2.3.1. 147Vgl Schieler/Weinmann, IRZ 2017, S 312.

61

4.2.1.3 Bestimmung und Allokation des Transaktionspreises

Die Bestimmung des Transaktionspreises eines Stromliefervertrags mit einem Privatkunden

kann je nach Ausgestaltung des Vertrags unterschiedliche Herausforderungen mit sich brin-

gen. Die Ermittlung der Gegenleistung wäre bei einer vereinbarten Liefermenge grds einfach,

da der Preis unter Berücksichtigung des vereinbarten Tarifs zuverlässig ermittelt werden

könnte. Eine über die Vertragslaufzeit hinweg festgelegte, fixe Abnahmemenge ist meist nur

in Stromlieferverträgen mit Industriekunden vorzufinden.148 Bei Stromlieferverträgen mit Pri-

vatkunden wird idR keine fixe Abnahmemenge vereinbart, wodurch die Transaktionspreisbe-

stimmung auf den ersten Blick stark erschwert wird. Klassische B2C-Lieferverträge enthalten

oftmals eine Grundpreiskomponente und eine Arbeitspreiskomponente. Diese Arbeitspreis-

komponente stellt jenen Teil des Transaktionspreises, der vom Kunden abhängig ist, dar.149

Zur Bestimmung der Arbeitspreiskomponente müssen Energieversorgungsunternehmen den

Verbrauch des Kunden schätzen. Aufgrund der Vielzahl der zwischen Energieversorgungsun-

ternehmen und Privatkunden abgeschlossenen Verträge, liegt Energieversorgern eine Fülle

an Vergleichswerten, welche direkten Einfluss auf die Standardlastprofile haben, vor. Unter

Berücksichtigung der Größe des Haushaltes kann das Energieversorgungsunternehmen somit

präzise Schätzungen abgeben.

Die Arbeitspreiskomponente eines Stromliefervertrags stellt eine variable Gegenleistung iSd

IFRS 15 dar, weshalb die Vorschriften des IFRS 15 iZm variablen Gegenleistung für Energie-

versorgungsunternehmen von hoher Relevanz sind.

4.2.1.3.1 Variable Gegenleistungen im Stromliefervertrag

Eine solche variable Gegenleistung muss gem IFRS 15.50 ff geschätzt werden. Energiever-

sorgungsunternehmen müssen hierfür zwischen der Erwartungsmethode und der Methode

des wahrscheinlichsten Betrags wählen.150 Die Wahl der geeigneten Methode wird Unter-

nehmen aller Branchen regelmäßig vor eine Ermessensentscheidung stellen. Der IFRS 15 gibt

lediglich vage Empfehlungen hinsichtlich der Umstände, unter denen die jeweilige Methode zu

wählen ist, ab. Zu beachten ist, dass die Auswahl der Methode nicht „frei“ erfolgen darf. Un-

ternehmen müssen vielmehr jene Methode wählen, anhand derer sie eine genauere Schät-

zung des variablen Bestandteils erwarten. Die Wahl der Methode ist demnach stark von der

Art der variablen Leistungsverpflichtung geprägt.151

Im Rahmen der Schätzung sind die im IFRS 15.56 ff genannten Begrenzungen der Schätzung

solcher variablen Preiskomponenten jedenfalls zu berücksichtigen. Nach diesen Vorschriften

148Siehe hierfür Kapitel 4.2.2 ff. 149Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 211. 150Siehe Kapitel 2.5.3.1 für genaue Erläuterungen der Methoden. 151Vgl PwC 2015, S 13.

62

darf eine geschätzte variable Gegenleistung nur dann zur Gänze oder teilweise in den Trans-

aktionspreis miteinbezogen werden, wenn es hochwahrscheinlich ist, dass es zu keiner signi-

fikanten Stornierung des erfassten Umsatzes kommt. Eine Beurteilung der Eintrittswahrschein-

lichkeit einer signifikanten Umsatzstornierung erweist sich als Herausforderung für Unterneh-

men. Der IFRS 15 definiert nämlich nicht, was als „hochwahrscheinlich“ zu klassifizieren ist.

Er nennt im Paragraph 57 lediglich Indikatoren, die auf eine höhere Wahrscheinlichkeit der

Stornierung hindeuten. Ist die Gegenleistung bspw in hohem Maße von externen Faktoren

abhängig, wie etwa Handlungen durch Dritte (IFRS 15.57 (a)) oder bleibt die Unsicherheit über

die Höhe der Gegenleistung voraussichtlich über einen längeren Zeitraum erhalten (IFRS

15.57 (b)), so steigen die Chancen für eine etwaige Umsatzstornierung stark an. Die Anwen-

dung dieser Regelungen und die Beurteilung ob eine solche Umsatzstornierung hochwahr-

scheinlich ist, wird Unternehmen branchenunabhängig vor signifikante Ermessensentschei-

dungen stellen.

Im Fallbeispiel des B2C-Stromliefervertrags stellt die Grundgebühr eine fixe Gegenleistung

dar, während der Arbeitspreis als variabel einzustufen ist. Es stellt sich die Frage, ob und wie

der Transaktionspreis des Vertrags ermittelt werden kann. Die Tatsache, dass der Vertrag

keine fixe Liefermenge und auch keine begrenzte Vertragsdauer vorsieht, erschwert die Be-

stimmung des Transaktionspreises derart, dass eine langfristige Schätzung mE unmöglich ist.

Grds ist jedoch festzuhalten, dass Energieversorgungsunternehmen eine Vielzahl von

Stromlieferverträgen abschließen und dabei auf Standardlastprofile zurückgreifen. Daher kön-

nen präzise Prognosen bzgl des jährlichen Stromverbrauches eines Haushaltes getroffen

werden. Anders als die langfristige Schätzung des Transaktionspreises, ist die Schätzung für

eine Bilanzierungsperiode aufgrund des Geschäftsmodells der Energieversorgungsunterneh-

men sehr wohl durchführbar. Unter Berücksichtigung dieser präzisen Prognosen iVm dem

Substance-over-Form-Grundsatz des IFRS-Rahmenwerks, ist eine auf die jeweilige Bilanzie-

rungsperiode beschränkte Bestimmung des Transaktionspreises mE ausreichend. Der

Substance-over-Form-Grundsatz des IAS 1.19 iVm IAS1.20 (b) bietet dem Bilanzierenden die

Möglichkeit, fallweise von Anforderungen der diversen Standards abzuweichen. Vorausset-

zung hierfür ist, dass dadurch die tatsächlichen Verhältnisse besser abgebildet werden kön-

nen. Ob der Transaktionspreis lediglich für eine oder mehrere Bilanzierungsperioden ge-

schätzt wird, wirkt sich auf die Jahresabschlusserstellung der jeweiligen Periode nicht aus und

eine kurzfristige Schätzung stellt die tatsächlichen Gegebenheiten besser dar. Der Transakti-

onspreis muss im weiteren Verlauf jährlich angepasst und neu geschätzt werden. Von einer

Hochwahrscheinlichkeit einer Umsatzstornierung innerhalb einer Bilanzierungsperiode ist

mMn jedoch nicht auszugehen, da die Vertragsauflösungen in Relation zu den bestehenden

Verträgen äußerst gering ausfallen. Somit fällt auch das Beschränkungskriterium der IFRS

15.56 ff weg.

63

4.2.1.3.2 Allokation der variablen Gegenleistung

Da das Fallbeispiel lediglich die Stand-Ready-Obligation als Leistungsverpflichtung enthält,

sind die Regelungen der Paragraphen 76-83 gem IFRS 15.75 nicht anzuwenden. Aufgrund

der Tatsache, dass sich die Leistungsverpflichtung jedoch aus einer Reihe eigenständig ab-

grenzbarer aber anhand der Series-Guidance des IFRS 15.22 (b) zusammenzufassender

Leistungsverpflichtungen zusammensetzt, ist die Anwendung der Paragraphen 84-86 hinge-

gen zu prüfen.

Gem IFRS 15.84 (b) besteht die Möglichkeit, variable Gegenleistungen (sowie etwaige Ände-

rungen dieses Betrags) einer oder mehrerer aber nicht allen eigenständig abgrenzbaren Leis-

tungsverpflichtungen, welche gem IFRS 15.22 (b) zu einer Leistungsverpflichtung zusammen-

gefasst wurden, zuzuordnen. Eine solche Zuordnung hat gem IFRS 15.85 dann zu erfolgen,

wenn die Konditionen der variablen Zahlung auf die Bemühungen des Unternehmens um Er-

füllung der Leistungsverpflichtung abgestimmt sind und die Zuordnung der variablen Preis-

komponente dem allgemeinen Ziel einer angemessenen Aufteilung gem IFRS 15.73 ent-

spricht. In diesem Zusammenhang bietet die Basis for Conclusions im Paragraph 285 ent-

scheidende Hinweise. Die Allokation unter Anwendung des IFRS 15.84 f sieht eine Umsatzre-

alisierung des Teils der Vergütung, der auf den erfüllten Teil der Leistungsverpflichtung entfällt,

vor.152

Da das Energieversorgungsunternehmen E den durchschnittlichen Verbrauch eines Zwei-Per-

sonen-Haushaltes mit 4.500 kWh ansetzt, errechnet sich der Transaktionspreis innerhalb der

Mindestvertragsdauer wie folgt:

Die Grundgebühr beträgt innerhalb der Bilanzierungsperiode € 24,00. Der Arbeitspreis iHv

€ 0,065 wird mit dem geschätztem Verbrauch iHv 4.500 kWh multipliziert, womit sich die vari-

ablen Preiskomponente der Bilanzierungsperiode auf € 292,50 beläuft. Der für eine Bilanzie-

rungsperiode anzusetzende Transaktionspreis beträgt demnach € 316,50.

Ermittlung des Transaktionspreises

Fixpreiskomponente € 24,00 € 24,00

Arbeitspreiskomponente € 0,065 x 4.500 kWh € 292,50

Transaktionspreis € 316,50 Tabelle 2: Ermittlung des Transaktionspreises

Inwiefern die tatsächliche Erfassung der Umsätze aus solchen Stromlieferverträgen vorzuneh-

men ist, soll im Kapitel 4.2.1.4 geklärt werden.

152Vgl Schieler/Weinmann, IRZ 2017, S 314 sowie IFRS 15.BC285.

64

4.2.1.4 Realisierung der Umsätze aus einem B2C-Stromliefervertrag

Eine Realisierung des Umsatzes hat gem IFRS 15.31 dann zu erfolgen, wenn die Leistungs-

verpflichtung auf einen Kunden übertragen und dadurch erfüllt wird. Hinsichtlich der Frage, ob

der Umsatz eines Stromliefervertrags zeitpunkt- oder zeitraumbezogen zu realisieren ist, ist

IFRS 15.35 (a) heranzuziehen. Dieser sieht eine zeitraumbezogene Umsatzrealisierung aus

einer Leistungsverpflichtung vor, wenn dem Kunden der Nutzen aus der Leistung zufließt und

er diese Leistung während ihrer Erbringung zeitgleich nutzt. Die Realisierung von Erlösen aus

einem Stromliefervertrag erfüllt diese Kriterien, weshalb eine zeitraumbezogene Realisierung

vorgenommen werden muss.

4.2.1.4.1 Messung des Leistungsfortschritts

Die Messung des Leistungsfortschritts in Relation zur vollständigen Erfüllung der Leistungs-

verpflichtung spielt in der zeitraumbezogenen Umsatzrealisierung eine zentrale Rolle. Dabei

soll gem IFRS 15.39 dargestellt werden, inwieweit das Unternehmen seiner Leistungsver-

pflichtung bereits nachgekommen ist. Da sich die Wahl der Methode der Leistungsmessung

direkt auf die periodengerechte Umsatzrealisierung auswirkt, müssen Unternehmen darauf

achten, dass die jeweilige Methode die Übertragung der Verfügungsgewalt der vereinbarten

Güter bzw Dienstleistungen bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung adäquat widerspiegelt.153

Für Stromlieferverträge eignet sich unter diesem Aspekt eine outputbasierte Leistungsmes-

sung nach dem Zeitablauf. Umgelegt auf die Stand-Ready-Obligation aus dem Fallbeispiel ist

festzuhalten, dass der Erfüllungsgrad der Bereitstellung und des Abrufs des Stroms ebenfalls

outputbasiert, anhand der übertragenen kWh, gemessen werden kann. Da jedoch keine

fixierte Liefermenge vereinbart wurde, kann der Leistungsfortschritt nicht mit einer fixen Größe

in Relation gebracht werden. Die Erfüllung der Leistungsverpflichtung schreitet indes trotzdem

voran, weshalb die outputbasierte Leistungsmessung auch in diesem Fall anzuwenden ist. Es

stellt sich nunmehr die Frage, wie die Erlöse aus einer Stand-Ready-Obligation iZm einer

Stromlieferung zu realisieren sind.154

4.2.1.4.2 Right-to-Invoice-Ausnahmeregelung

Wie bereits im Kapitel 2.5.5.1.2 erwähnt, ist im Zusammenhang mit einer outputbasierten

Leistungsmessung zu prüfen, ob das Unternehmen die vereinfachende Right-to-Invoice-

Ausnahmeregelung gem IFRS 15.B16 anwenden darf. Diese Sonderregelung sieht eine Um-

satzrealisierung in der Höhe des Betrags, der dem Kunden in Rechnung gestellt wird, vor. Als

Anwendungsvoraussetzung muss der in Rechnung gestellte Betrag direkt dem Wert des Kun-

den, also der bereits durch das Unternehmen erbrachten und auf den Kunden übertragenen

Leistung, entsprechen. Als Beispiel nennt der IFRS 15.B16 einen Dienstleistungsvertrag, in

153Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 212. 154Vgl ebd.

65

dem für jede geleistete Stunde ein Fixbetrag in Rechnung gestellt wird. Dadurch soll die An-

wendung des IFRS 15 für Unternehmen, die diese Regelung in Anspruch nehmen können,

erleichtert werden.155

Der Umsatz wird unter Anwendung dieses Verfahrens auf Basis des in Rechnung gestellten

Betrags erfasst. Dafür wird der Erlös durch Multiplikation des Preises pro Leistungseinheit mit

dem Leistungsfortschritt in Form der gelieferten Einheiten errechnet. Die praktische Erleichte-

rung des IFRS 15.B16 zielt demnach darauf ab, die Schritte 3, 4 und 5 des Fünf-Schritte

Modells zu umgehen bzw zu vereinfachen. Die Schritte der Transaktionspreisermittlung und

-aufteilung fallen gänzlich weg und auch die Bestimmung des Realisationszeitpunkts wird ver-

einfacht. Unternehmen müssen lediglich das Vorliegen des Vertrags im Schritt 1, die Identifi-

zierung der Leistungsverpflichtung(en) im Schritt 2 sowie die Beurteilung, ob die Leistungsver-

pflichtung(en) über einen Zeitraum erfüllt werden, prüfen, da die Erfüllung dieser Regelungen

die Anwendung der Right-to-Invoice-Ausnahmeregelung erst ermöglichen. 156

In der TRG wurde zudem diskutiert, ob Verträge, die die Zahlung eines vereinbarten Mindest-

betrages verlangen, in den Anwendungsbereich des IFRS 15.B16 fallen oder gänzlich davon

auszuschließen sind. Als vertraglich vereinbarter Mindestbetrag ist ein Betrag, der unabhängig

von der tatsächlich erbrachten Leistung anfällt und erst bei einem Überschreiten dieses Be-

trags „egalisiert“ wird, anzusehen. Die Mitglieder der TRG vertreten hierzu die Meinung, dass

der IFRS 15.B16 in solchen Fällen dann nicht anwendbar ist, wenn es sich um einen substan-

ziellen Mindestbetrag handelt. Gehen Unternehmen jedoch davon aus, dass entsprechende

Vertragsvereinbarungen durch Einnahme von Beträgen, welche über die Mindestbeträge hin-

ausgehen, als nicht substanziell einzustufen sind, so steht der Anwendung der Right-to-

Invoice-Regelung nichts im Weg.157

Die im Vertragsbeispiel genannte jährliche Grundgebühr ist mE nicht unter der Definition eines

„nicht substanziellen Mindestbetrags“ zu subsumieren. Da die Grundgebühr als zusätzlicher

Kostenfaktor anzusehen ist und deshalb zusätzlich zum Entgelt für die Stromlieferung eine

Überschreitung der € 24,00 nicht dazu führt, dass diese € 24,00 „egalisiert“ werden, wird sie

dem von der TRG genannten Beispiel158 nicht gerecht. Damit könnte angenommen werden,

dass die Grundgebühr einer Realisierung des tatsächlichen Werts der auf den Kunden über-

tragenen Leistungsverpflichtung verhindert, da sie für den Vertrag substanziell ist. Während

die Arbeitspreiskomponente anhand der gelieferten Stromeinheiten ermittelt wird und somit

die direkten Kosten der kWh bzw den tatsächlichen Wert, den der Kunde erhält, widerspiegelt,

155Vgl EY 2017a, S 241 iVm TRG 2015b, S 6 ff. 156Vgl ebd. 157Vgl TRG 2015b, S 4 ff. 158Siehe hierzu TRG 2015b, S 7.

66

handelt es sich bei der Grundgebühr um einen Pauschalbetrag. Doch mE stellt auch die ver-

rechnete Grundpreiskomponente einen Teil des Wertes, der auf den Kunden übertragen wird,

dar. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass diese Grundgebühr in eine Bereitstellungs-

komponente und eine Verrechnungskomponente aufzuteilen ist. Der Bereitstellungspreis wird

eingehoben, um die Kosten der Lieferbereitschaft zu decken, während der Verrechnungspreis

vereinnahmt wird um die Kosten des Zählers sowie der Rechnungsstellung auszugleichen.159

Somit ist es mMn trotz der Grundgebühr möglich, von der praktischen Erleichterung des IFRS

15.B16 Gebrauch zu machen und den in Rechnung gestellten Betrag als Umsatz zu erfassen.

Dadurch fallen auch die vorhin erläuterten Schritte der Transaktionspreisbestimmung sowie

-allokation und die Bestimmung des Erfassungszeitpunkts weg.

In der Energiebranche werden zudem regelmäßig Verträge abgeschlossen, in welchen der

Arbeitspreis durch bspw jährliche Anpassungen beeinflusst wird. Die TRG erlangte hierzu die

Auffassung, dass auch bei Verträgen, die variable Preise vorsehen (hier besonders eskalie-

rende Preise – also solche, welche bspw jährlichen Indexanpassungen unterliegen), unter die

Anwendung der praktischen Vereinfachung fallen können. Dies wird jedoch regelmäßig Er-

messensentscheidungen erfordern. Bei eskalierenden Preisen bzw fixierten Preisänderungen

(Step Pricing) ist der Preis im Regelfall für einen gewissen Lieferzeitraum als fixiert anzusehen

und die Änderung des Preises reflektiert im Regelfall die unmittelbaren Änderung des Werts

für den Kunden. Solche Preisänderungen stehen zumeist im Zusammenhang mit der Entwick-

lung des Marktpreises und wirken sich dadurch auf den tatsächlichen Wert des Kunden aus,

was eine Anwendung des IFRS 15.B16 ermöglicht.160

Im Fallbeispiel des B2C-Stromliefervertrags wurde zudem angeführt, dass seitens des Kunden

ein monatlicher Teilzahlungsbetrag zu entrichten ist. Dieser setzt sich aus der auf Monats-

ebene heruntergebrochenen Grundgebühr und dem geschätzten monatlichen Stromverbrauch

zusammen.

Ermittlung des Teilzahlungsbetrags

Fixpreiskomponente € 24,00 / 12 € 02,00

Arbeitspreiskomponente € 0,065 x 4.500 kWh / 12

€ 24,375 ≈24,38

Transaktionspreis € 26,38 Tabelle 3: Berechnung des Teilzahlungsbetrags

Damit entrichtet der Kunde monatlich einen Teilzahlungsbetrag iHv € 26,38 an das Energie-

versorgungsunternehmen. Für das gesamte Jahr bezahlt er demnach € 316,56. Dies ent-

spricht – bis auf Rundungsdifferenzen iHv € 0,06 – dem Transaktionspreis, welcher ohne An-

159Vgl auch https://www.stromauskunft.de/stromanbieter-wechsel/stromanbieter-wechsel-faq/was-ist-der-grundpreis/, abgerufen am 03.11.2018. 160Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 212 iVm TRG 2015b, S 5 ff.

67

wendungsmöglichkeit der Right-to-Invoice-Regelung zu ermitteln gewesen wäre. Diese Teil-

zahlungsbeträge werden beim Energieversorgungsunternehmen als Erlös abgegrenzt.

Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass der tatsächliche monatliche Stromverbrauch des

Kunden abweichen kann. Zum 31.12.2018 ermittelt das Energieversorgungsunternehmen mit-

tels einmaliger Ablesung den tatsächlichen Stromverbrauch. Je nachdem ob der Kunde weni-

ger oder mehr als 4.500 kWh Strom in Anspruch genommen hat, kommt es zu einer Erlöskor-

rektur. Hat der Kunde weniger als 4.500 kWh Strom bezogen, bekommt er eine Gutschrift

ausgestellt und das Energieversorgungsunternehmen hat den Erlös nach unten zu korrigieren.

Liegt der umgekehrte Fall vor und hat der Kunde mehr als 4.500 kWh Strom verbraucht, so

hat er die jeweilige Überschreitung in Form einer Nachzahlung abzugelten. Dies führt beim

Energieversorgungsunternehmen zu einer Erhöhung der Umsätze.

Anhand der Erlöskorrektur wird der tatsächlich auf den Kunden übertragene Wert als Umsatz

realisiert und somit die Voraussetzung für eine Anwendung der Right-to-Invoice-Ausnahmere-

gelung des IFRS 15.B16 erfüllt.

Die vertragliche Laufzeit des Fallbeispiels startet mit 01.01.2018 und der jährliche Abrech-

nungszeitraum deckt sich mit der Bilanzierungsperiode (01.01.2018 - 31.12.2018) des Ener-

gieversorgungsunternehmens. In der Praxis werden jedoch täglich Stromlieferverträge abge-

schlossen, wodurch der Start der Laufzeit eines Vertrags bspw mit 15.06.2018 festgelegt wer-

den könnte. Die tatsächliche Ablesung und Abrechnung für ein Lieferjahr würde demnach erst

mit 14.06.2019 stattfinden. Zum 31.12.2018 hat das Energieversorgungsunternehmen dem-

nach die Teilzahlungsbeträge für sechs Monate vereinnahmt (bis zum 15.12.2018). Zum

31.12.2018 erfolgt eine Hochrechnung des Verbrauchs durch den Kunden. Diese Hochrech-

nungen sind derart genau, dass Abweichungen jedenfalls als unwesentlich einzustufen sind

und der mit 31.12.2018 ausgewiesene Umsatz im Wesentlichen korrekt ist. Hinzu kommt, dass

noch während der Abschlusserstellung der tatsächliche Leistungsabsatz an Strom zum Ab-

schlussstichtag vorliegt. Somit entstehen die unwesentlichen Abweichungen im Rahmen der

realisierten Umsatzerlöse größtenteils aufgrund der Zuordnung des ermittelten Leistungsab-

satzes auf die einzelnen Kunden.

4.2.1.5 Ergebnis

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Anwendung des neuen Standards auf B2C-

Stromlieferverträge bei strikter Anwendung des Fünf-Schritte Modells zu erheblichen Ermes-

sensentscheidungen bzw Anwendungsfragen führen kann. Verantwortlich dafür sind im Re-

gelfall die nicht vorhandenen Vereinbarungen hinsichtlich einer fixen Abnahmemenge sowie

einer befristeten Laufzeit.

Während ein B2C-Stromliefervertrag auch bei fehlender Laufzeit als Vertrag iSd IFRS 15 zu

68

klassifizieren ist, stellt bereits die Identifizierung der Leistungsverpflichtung aus solch einem

Vertrag eine erste Herausforderung dar. Eine genaue Analyse der Anwendungsvorschriften

des IFRS 15 iVm den Diskussionsergebnissen der TRG führt dabei zum Ergebnis, dass die

Bereitstellung zur Stromlieferung in Form einer Stand-Ready-Obligation als Leistungsver-

pflichtung zu identifizieren ist. Zu beachten ist hierbei, dass es sich um eine gem IFRS 15.22

(b) zusammengefasste Leistungsverpflichtung handelt, da die Bereitstellung im Rahmen der

Laufzeit auf einzelne Zeiteinheiten aufzuteilen wäre. 161

Wie das Kapitel 4.2.1.3 aufzeigt, würde sich gerade die Transaktionspreisbestimmung aus

solch einem Vertrag als äußerst komplex gestalten. Grund hierfür ist die variable Gegenleis-

tung, die sich aus der Arbeitspreiskomponente solcher Stromlieferverträge ergibt. Während

Energieversorger den jährlichen Stromverbrauch durch ihre Kunden präzise abschätzen kön-

nen, würde gerade die fehlende Laufzeit eine Schätzung und damit Bestimmung des gesam-

ten Transaktionspreises erschweren. Erst unter der Berücksichtigung des Substance-over-

Form-Grundsatzes des IFRS-Rahmenwerks könnte man mE zur Conclusio gelangen, dass

eine Einschränkung der Transaktionspreisbestimmung auf ein Jahr zulässig ist.

Im vierten Schritt des Erlöserfassungsmodells könnte trotz der Tatsache, dass der Stromlie-

fervertrag lediglich eine Leistungsverpflichtung enthält, eine Allokation des Transaktionsprei-

ses vorzunehmen sein. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Stand-Ready-Obligation aus

mehreren eigenständig abgrenzbaren Leistungsverpflichtungen, welche nach der Series-

Guidance des IFRS 15.22 (b) zu einer Leistungsverpflichtung zusammengefasst werden, be-

steht. Variable Gegenleistungen können hierbei Teilen dieser zusammengefassten Leistungs-

verpflichtung zugeordnet werden und der Umsatz für einen erfüllten Teil der Leistungsver-

pflichtung realisiert werden.162

Im Rahmen des fünften Schritts des neuen Erlöserfassungsmodells erfolgt die tatsächliche

Umsatzrealisierung. Es kann festgehalten werden, dass die Umsätze aus Stromlieferverträgen

gem IFRS 15.35 (a) zeitraumbezogen realisiert werden, da es sich hierbei um eine Dienstleis-

tungserbringung handelt, im Zuge derer dem Kunden ein Nutzen zufließt und dieser die Leis-

tung zeitgleich in Anspruch nimmt. Zur Messung des Leistungsfortschritts eignet sich eine out-

putbasierte Methode. Hierbei ist die Anwendung der Right-to-Invoice-Ausnahmeregelung

gem IFRS 15.B16 auf B2C-Stromlieferverträge möglich und es darf der tatsächlich in Rech-

nung gestellte Betrag als Umsatz realisiert werden. Dies ist möglich, da dieser Betrag den

Wert bzw den Nutzen, den der Kunde aus der Leistungsverpflichtung erhält, widerspiegelt.

Sowohl die Grundgebühr als auch die Arbeitspreiskomponente fließen mE in den Wert des

Kunden ein. Durch die Anwendung dieser Regelung wird die Transaktionspreisbestimmung

161Siehe Kapitel 4.2.1.2. 162Siehe Kapitel 4.2.1.3.2.

69

und -allokation hinfällig. Dadurch wird der Umsatzrealisierungs-prozess aus solchen B2C-

Stromlieferverträgen bedeutend erleichtert, denn gerade im Zuge dieser Schritte des Fünf-

Schritte Modells wäre – wie die Analyse des Fallbeispiels aufzeigt – von enormen Ermessens-

spielräumen auszugehen. Die Umsatz-realisierung unter Anwendung der Right-to-Invoice-

Ausnahmeregelung entspricht im Übrigen der bisherigen, branchen-üblichen Vorgehensweise

zur Realisierung des Umsatzes. Auch die Vereinnahmung der Teilzahlungsbeträge steht im

Einklang mit den Regelungen des IFRS 15.B16. Die Erlöskorrektur, welche im Rahmen der

jährlichen Abrechnung vorgenommen wird, ermöglicht eine Erlöserfassung, welche dem tat-

sächlich auf den Kunden übertragenen Wert entspricht. Solche Endabrechnungen sind auch

unterjährig vorzunehmen, sodass zum Abschlussstichtag auch Hochrechnungen in die Um-

satzrealisierung miteinfließen. Diese sind jedoch derart genau, dass die Abweichungen als

unwesentlich eingestuft werden können. Es kommt daher zu keinen Veränderungen in der

Rechnungslegung der Energieversorgungsunternehmen.163

4.2.2 Der Stromliefervertrag mit Industriekunden

Nach der Untersuchung eines B2C-Stromliefervertrages widmet sich dieses Kapitel der

Analyse eines Stromliefervertrags zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und ei-

nem Industriekunden. Klassische B2B-Stromlieferverträge unterscheiden sich von B2C-Ver-

trägen idR zumeist durch eine fixierte Liefermenge sowie einer begrenzten Vertragsdauer, dies

ist jedoch nicht zwingend der Fall.

Folgendes Beispiel eines solchen B2B-Stromliefervertrags dient als Grundlage der Analyse:

Fall B2B:

Das Energieversorgungsunternehmen E schließt am 01.01.2018 einen Stromliefervertrag mit

dem Industriekunden K ab.

Die Vertragslaufzeit wird mit zwei Jahren festgelegt. Eine Kündigung innerhalb der Vertrags-

laufzeit ist grds nicht möglich. Sollte der Vertrag dennoch frühzeitig aufgelöst werden, so ist

ein Bußgeld zu bezahlen. Die Abrechnung erfolgt dabei zum 31.12. des jeweiligen Jahres.

Für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.12.2018 wird die Liefermenge von 2.500 MWh Strom zu

einem Preis von € 34,25 pro MWh vereinbart.

Für den Zeitraum 01.01.2019 - 31.12.2019 wird die Liefermenge von 2.500 MWh Strom zu

einem Preis von € 35,10 pro MWh vereinbart.

Die Strommessung bei Industriekunden, welche einen wesentlich höheren Verbrauch als Pri-

vatkunden haben, erfolgt mittels einer registrierenden Leistungsmessung (RLM). Solche RLM-

163Vgl hierzu auch diverse Quartals- bzw Halbjahresabschlüsse diverser Energieversorgungsunterneh-men, wie bspw Kelag, Verbund, etc.

70

Zähler kommen ab einem Jahresverbrauch von ca 100.000 kWh (100 MWh) zur Anwendung.

Diese Zähler erfassen den Leistungswert pro Messperiode (15 Minuten). Diese gemessenen

Werte werden in regelmäßigem Abstand an den Netzbetreiber übermittelt, welcher diese an

das Energieversorgungsunternehmen weiterleitet. Dadurch können die tatsächliche Leistung

und der daraus resultierende Verbrauch ermittelt werden.164

4.2.2.1 Vorliegen eines Vertrags

Die Bestimmung, ob überhaupt ein Vertrag iSd IFRS 15 vorliegt und damit die Überprüfung

der Erfüllung des ersten Schrittes des Fünf-Schritte Modells, erfolgt bei einem B2B-Stromlie-

fervertrag nach den gleichen Kriterien wie beim B2C-Stromliefervertrag. Auch in diesem Fall

ist das Hauptaugenmerk auf eventuelle Kündigungsrechte zu richten.165

Im Fallbeispiel ist eine fixierte Vertragslaufzeit vorgesehen, innerhalb derer nur gegen Bezah-

lung eines Bußgeldes gekündigt werden kann. Somit kann kein „gänzlich unerfüllter“ Vertrag

gem IFRS 15.12 vorliegen und es besteht ein Vertrag iSd IFRS 15.

4.2.2.2 Leistungsverpflichtungen im B2B-Stromliefervertrag

Schon die abweichende Ausgestaltung eines B2B-Stromliefervertrags im Vergleich zu einem

B2C-Stromliefervertrag deutet darauf hin, dass die Bestimmung der Leistungsverpflichtungen

zu einem abweichenden Ergebnis als bei einem Vertrag mit einem Haushaltskunden führen

wird.

Während das Energieversorgungsunternehmen iRd B2C-Stromliefervertrags ausschließlich

die Bereitstellung von Strom als Leistungsverpflichtung (Stand-Ready-Obligation) ermittelt, ist

im Falle des B2B-Stromliefervertrags die tatsächliche Stromlieferung als Leistungsverpflich-

tung zu identifizieren. Jede der zu übermittelnden MWh könnte dabei als Leistungsverpflich-

tung angesehen werden. Doch auch hier kommt die Regelung der Series-Guidance des IFRS

15.22 (b) zur Anwendung und die grds nach IFRS 15.27 eigenständig voneinander abgrenz-

baren Stromeinheiten sind zu einer einzigen Leistungsverpflichtung zusammenzufassen.

Die Lieferung der 5.000 MWh Strom ist unter Berücksichtigung der Series-Guidance-Regelung

des IFRS 15.22 (b) als eine einzige Leistungsverpflichtung anzusehen.

4.2.2.3 Bestimmung und Allokation des Transaktionspreises

Im Gegensatz zum B2C-Stromliefervertrag ist die Transaktionspreisbestimmung eines klassi-

schen B2B-Stromliefervertrags grds problemlos möglich. Gründe hierfür sind die festgelegte

Vertragsdauer, die fixierten Liefermengen und der damit verbundene Preis pro Einheit.

164Vgl https://www.vattenfall.de/de/geschaeftskunden-was-sind-rlm-slp-zaehler.htm, abgerufen am

03.11.2018. 165Siehe für eine detaillierte Erläuterung Kapitel 4.2.1.1.

71

Der Transaktionspreis des B2B-Beispiels setzt sich wie folgt zusammen:

Jahr Jährlicher Umsatzerlös Kalkulation

1 2.500 MWh x € 34,25 € 85.625,00

2 2.500 MWh x € 35,10 € 87.750,00

€ 173.375,00 Tabelle 4: Transaktionspreisbestimmung B2B

Der Transaktionspreis des Stromliefervertrags beläuft sich unter Berücksichtigung der ge-

troffenen Vereinbarung auf € 173.375,00.

Da es sich bei der Stromlieferung um eine nach der Series-Guidance zusammengefasste Leis-

tungsverpflichtung handelt und der Vertrag somit nur eine Leistungsverpflichtung enthält, stellt

sich auch die Frage der Allokation des Transaktionspreises nicht.

4.2.2.4 Realisierung der Umsätze aus einem B2B-Stromliefervertrag

Die Umsatzrealisierung erfolgt gem den Vorschriften des IFRS 15.31 erst, wenn die Leistungs-

verpflichtung auf den Kunden übertragen und dadurch erfüllt wird. Da der Kunde iRd Stromlie-

ferung einen direkten Nutzenzufluss verzeichnet und der auch eine Inanspruchnahme des

Stroms im Erbringungszeitraum stattfindet, erfolgt die Realisierung des Umsatzes gem IFRS

15.35 (a) zeitraumbezogen.

Die Messung des Leistungsfortschritts erfolgt mittels der im Kapitel 4.2.1.4.1 erläuterten out-

putbasierten Leistungsmessung. Der Erfüllungsgrad wird dabei anhand der übertragenen

MWh in Relation zu den vertraglich vereinbarten MWh gemessen. Auch im Falle des B2B-

Stromliefervertags ist eine mögliche Anwendung der Right-to-Invoice-Ausnahmeregelung zu

prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass der in Rechnung gestellte Betrag direkt dem Wert des

Kunden und damit den bereits erbrachten Leistungen entspricht.

Wie bereits im Kapitel 4.2.1.4.2 erörtert, war die TRG der Auffassung, dass diese Vereinfa-

chung auch bei fixen Preisänderungen (Step Pricing) zur Anwendung kommen kann. Begrün-

det wird dies mit dem für einen gewissen Lieferzeitraum fixierten Preis und der Tatsache, dass

der Wert des Kunden durch die Entwicklung des Marktpreises beeinflusst wird.

Der Kunde K hat sich mit Abschluss des Vertrags dazu verpflichtet, einen Fixpreis für jede

gelieferte Stromeinheit zu bezahlen. Damit besteht ein unmittelbarer Bezug zwischen einer

Mengen- und Preiskomponente. Folgt man den Ansichten der TRG, so kann festgehalten wer-

den, dass der Preis pro MWh dem Wert des Kunden entspricht. Die Preisänderung nach dem

ersten Jahr verhindert die Anwendung der Right-to-Invoice-Regelung nicht. Dies ist damit zu

begründen, dass der Wert des Kunden durchaus von der Entwicklung des Marktpreises ab-

hängig ist. Damit ist das Unternehmen E berechtigt, die Vereinfachung des IFRS 15.B16 in

Anspruch zu nehmen und der Erlös kann in Höhe des in Rechnung zu stellenden Betrags

72

erfasst werden.166

4.2.2.5 Ergebnis

Die Analyse der Auswirkungen des IFRS 15 auf die Umsatzrealisierung aus B2B-Stromliefer-

verträgen verdeutlicht, dass derartige Vertragskonstellationen idR zu keinen Anwendungsfra-

gen im Rahmen der Anwendung des Fünf-Schritte Modells führen werden.

Anders als bei B2C-Stromlieferverträgen ist in den Vereinbarungen mit den Industriekunden

nicht die Bereitstellung zur Stromlieferung, sondern die tatsächliche Stromlieferung als Leis-

tungsverpflichtung zu identifizieren. Grund hierfür ist die Tatsache, dass eine fixe Liefermenge

für einen bestimmten Lieferzeitraum vereinbart wurde. Grds wäre jede übermittelte Stromein-

heit als eigenständig abgrenzbare Leistungsverpflichtung zu identifizieren, hier kommt jedoch

die Series-Guidance gem IFRS 15.22 (b) zur Anwendung und die Stromeinheiten werden zu

einer Leistungsverpflichtung zusammengefasst.167

Die fixe Liefermenge sowie der vereinbarte Zeitraum würden zudem eine einfache Bestim-

mung des Transaktionspreises ermöglichen, da die Mengen lediglich mit den für den jeweiligen

Zeitraum vereinbarten Preis pro Einheit multipliziert werden müssten.168

Hinsichtlich der Realisierung der Umsätze aus solch einem B2B-Stromliefervertrag ist jeden-

falls eine zeitraumbezogene Realisierung vorzunehmen. In diesem Zusammenhang ist wiede-

rum die Right-to-Invoice-Regelung des IFRS 15.B16 zu prüfen. Wie die Analyse des Kapitels

4.2.2.4 zeigt, ist diese Regelung uneingeschränkt auf einen B2B-Stromliefervertrag anzuwen-

den. Auch jährliche Preisänderungen verhindern eine solche Anwendung nicht, da der Wert

des Kunden auch von der Entwicklung des Marktpreises beeinflusst wird.

Somit erfasst das Energieversorgungsunternehmen E den Umsatz aus solch einem Stromlie-

fervertrag im Zuge der Rechnungsstellung am Jahresende und zwar in Höhe des in Rechnung

gestellten Betrags.

4.2.3 Umgang mit Vertragsmodifikationen

Während in den Fallbeispielen der Kapitel 4.2.1 und 4.2.2 keine Vertragsmodifikationen ent-

halten sind, bedarf der Sachverhalt einer solchen vertraglichen Anpassung dennoch einer de-

taillierten Erläuterung. Gerade innerhalb der Energiebranche kommt es häufig vor, dass solche

Vertragsanpassungen durchgeführt werden. Stromlieferverträge enthalten nicht immer einen

fixierten Preis pro Einheit, auch Verträge mit flexibler (bspw monatlicher) Preisanpassung sind

möglich. In gewissen Stromlieferverträgen kann es im Zuge einer Modifikation aber auch zu

166Vgl PwC 2015, S 18 f. 167Vgl Kapitel 4.2.2.2. 168Vgl Kapitel 4.2.2.3.

73

einer Anpassung des Bezugszeitraums der Energie in Verbindung mit einer preislichen An-

passung kommen (Blend-and-Extend-Modifikation). Für Energieversorgungsunternehmen

stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie solche Vertragsmodifikationen unter dem

IFRS 15 zu berücksichtigen sind. In den Paragraphen 18 - 21 listet der IFRS 15 verschiedene,

sachverhaltsabhängige Vorgehensweisen auf, die im Bedarfsfall anzuwenden sind.169

4.2.3.1 Flexible Preisanpassung

Da Energieversorgungsunternehmen dem Kunden ein breites Leistungsportfolio anbieten, hat

dieser eine große Auswahl verschiedenster Variationen eines Stromliefervertrags. Im Aus-

gangsfall des B2C-Stromliefervertrags des Kapitels 4.2.1 ist der monatliche Preis fixiert. Mög-

lich wäre jedoch auch eine vertragliche Vereinbarung, die eine flexible, bspw eine monatliche,

Preisanpassung vorsieht.

Es stellt sich die Frage, wie eine Vertragsmodifikation, in der es lediglich zu einer Preisanpas-

sung kommt, zu behandeln ist. Die Bilanzierung der Änderung als separater Betrag gem IFRS

15.20 ist jedenfalls auszuschließen, da der Vertragsumfang nicht zunimmt. Somit ist im nächs-

ten Schritt eine mögliche Anwendung des IFRS 15.21 zu prüfen. IFRS 15.21 (a) sieht vor, dass

eine Vertragsänderung als Beendigung des alten und Begründung eines neuen Vertrags zu

erfassen ist, wenn die noch ausstehenden Güter und Dienstleistungen von den bisher über-

tragenen Gütern abgrenzbar sind. Da die Lieferung von Strom aufgrund der Series-Guidance

nur als eine Leistungsverpflichtung anzusehen ist, kommt auch diese Bestimmung nicht zur

Anwendung, denn die bereits erbrachte und die noch ausstehende Dienstleistung sind dieser

einen Leistungsverpflichtung zuzurechnen. Demnach wäre eine solche Vertragsmodifikation

mE gem IFRS 15.21 (b) als Bestandteil des bestehenden Vertrags zu behandeln. Die Auswir-

kungen der Modifikation auf den Transaktionspreis sind als Erlösanpassung (Erhöhung/Ver-

ringerung) zum Zeitpunkt der Vertragsänderung zu erfassen.170

4.2.3.2 Blend-and-Extend-Modifikation

Auch sogenannte Blend-and-Extend-Modifikationen sind in der Energiebranche und ihren

Verträgen häufig vorzufinden. Im Rahmen einer solchen Blend-and-Extend-Modifikation wird

die Vertragszeit verlängert (Extend) und der bisherige Vertragspreis mit einem neuen Preis

vermischt (Blend), was eine Änderung des Gesamtpreises zur Folge hat. Unter Anwendung

der vormals gültigen Vorschriften war der vermischte Preis in diesem Zusammenhang auf alle

noch zu erfüllenden Einheiten anzuwenden.171

Die Ermittlung, ob eine Modifikation des Vertrags einen separaten Vertrag, die Beendigung

des aktuellen Vertrags und Begründung eines neuen Vertrags oder lediglich eine Änderung

169Vgl EY 2012b, S 5. 170So auch PwC 2017, S 3. 171Vgl EY 2014, S 2.

74

eines bestehenden Vertrags darstellt, fand sich in den vormals gültigen IFRS lediglich im IAS

11 und somit für Fertigungsaufträge wieder. Der IAS 18 sah diesbezüglich keine Regelungen

vor. Die Vorschriften des IFRS 15 fallen in diesem Bereich daher detaillierter aus. Es ist davon

auszugehen, dass Energieversorgungsunternehmen – aufgrund der Häufigkeit von Vertrags-

modifikationen – eine Anpassung der Prozesse und Kontrollen für Vertragsänderung vorge-

nommen haben.172 So schlug KPMG den Energieversorgungsunternehmen vor Inkrafttreten

des Standards beispielsweise vor, einen Buchungsprozess zu entwickeln, der einen konsis-

tenten Umgang mit solchen Modifikationen ermöglicht und die Systeme bzw internen Kontrol-

len dahingehend anzupassen.173 Im Rahmen typischer Blend-and-Extend-Verträge ist mE

jedenfalls davon auszugehen, dass aufgrund der zusätzlich vereinbarten und abgrenzbaren

Dienstleistung der Stromlieferung idR der IFRS 15.21 (a) erfüllt sein wird. Demnach ist eine

solche Vertragsmodifikation als Beendigung des bestehenden und Begründung eines neuen

Vertrags zu behandeln.174

4.3 Anwendungsfragen im Zusammenspiel mit IFRS 9 und IFRS 16

Nicht nur die Anwendung des Fünf-Schritte Modells des IFRS 15 stellt Energieversorgungs-

unternehmen vor neue Herausforderungen, auch das Zusammenspiel des IFRS 15 und des

zeitgleich in Kraft getretenen IFRS 9 sowie jenes mit dem ab 01.01.2019 in Kraft tretenden

IFRS 16 erfordert die Aufmerksamkeit der Unternehmen. In bestimmten Fällen kann es vor-

kommen, dass der IFRS 15 mit diesen Standards konkurriert. Oftmals ist bei solchen Fällen

im ersten Moment nicht klar, welche Tatbestände unter dem IFRS 15 und welche unter dem

jeweiligen anderen Standard zu bilanzieren sind bzw sein werden.

So sind bspw im Zuge der Bilanzierung von Energieressourcen, die als Handelsgut behandelt

werden, Schnittstellen des IFRS 15 und des IFRS 9 „Finanzinstrumente“ gegeben. Dies wirft

die Frage auf, wie die Bilanzierung im Rahmen eines branchenüblichen Warentermingeschäfts

vorzunehmen ist. Auch mit dem ab 2019 in Kraft tretenden IFRS 16 „Leasingverhältnisse“ kön-

nen sich Schnittstellen ergeben. Neben der Stromlieferung an den Endkunden ist es nicht un-

üblich, dass zusätzliche sogenannte Smart Meter, also Stromzähler auf Leasingbasis, bereit-

gestellt werden.

4.3.1 Schnittstelle zwischen IFRS 15 und IFRS 9 „Finanzinstrumente“

Neben der Erzeugung sowie dem Kauf und Verkauf von Strom oder Gas, steht bei Energie-

versorgungsunternehmen auch die Absicherung gegen mögliche inhärente Risiken, wie bspw

Preisrisiken, im Vordergrund. Da Rohstoffpreise tendenziell starken Schwankungen ausge-

setzt sind und auch Angebot und Nachfrage variieren, wäre ein Verkauf von Stromeinheiten

172Vgl EY 2017a, S 58. 173Vgl KPMG 2017, S 2. 174Vgl PwC 2015, S 6.

75

zu Spotpreisen (Tagespreis) mit enormen Ergebnisschwankungen verbunden. Um sich gegen

dieses Risiko abzusichern, schließen Energieversorgungsunternehmen Warenterminge-

schäfte auf Strom und Gas ab.175

Solche Terminkontrakte weisen die Merkmale derivativer Finanzinstrumente vor und fallen als

solche in den Anwendungsbereich des IFRS 9. Im Zuge des erstmaligen Ansatzes werden

derartige Warenterminkontrakte zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value) am Handelstag be-

wertet. Die Folgebewertung bis zur Erfüllung bzw dem Auslaufen erfolgt ebenso zum Fair Va-

lue. Die Ermittlung des Fair Value erfolgt durch die Gegenüberstellung des Terminpreises mit

dem Marktpreis zum Bilanzstichtag. Gewinne oder Verluste aus Fair Value Schwankungen

werden sofort ergebniswirksam erfasst.176

Gem IFRS 9.2.4 sind Verträge, welche den Kriterien eines Derivats entsprechen, die aber zum

Erhalt bzw der Lieferung von nicht finanziellen Posten (bspw Strom oder Gas) gem dem er-

warteten Einkaufs-, Verkaufs- oder Nutzungsbedarf abgeschlossen wurden und weiterhin ge-

halten werden, von der Fair Value Bilanzierung ausgenommen. Diese Ausnahmeregelung gilt

für Eigenverbrauchsverträge, also Verträge, die für das operative Geschäft des Unternehmens

abgeschlossen wurden (Own-Use-Exemption).177 Verträge, die diese Sonderregelung erfüllen,

sind nach dem Imparitätsprinzip als schwebender Vertrag zu bilanzieren. Nur im Falle eines

erwarteten Verlusts ist eine Drohverlustrückstellung gem IAS 37 zu bilden.178

IFRS 9.2.5 ff sehen ein Warentermingeschäft über den Verkauf bzw Kauf nichtfinanzieller Pos-

ten, wie bspw Strom, jedoch dann in ihrem Anwendungsbereich, wenn diese Kontrakte in bar,

durch andere Finanzinstrumente oder durch den Tausch von Finanzinstrumenten abgegolten

werden können. Verträge über den Erwerb von Strom oder Gas können daher durchaus in

den Anwendungsbereich des IFRS 9 fallen, obwohl sie im Rahmen der gewöhnlichen Ge-

schäftstätigkeit abgeschlossen wurden sowie durch eine Lieferung erfüllt werden. Dies ist dann

der Fall, wenn entsprechende Energieterminkontrakte auf liquiden Märkten leicht in Geld um-

zusetzen sind, wodurch die Erfordernisse eines Barausgleichs gem IFRS 9.2.6 (d) erfüllt wer-

den und ein solcher Barausgleich auch tatsächlich stattfindet (net settlement). Bisher bilan-

zierten Energieversorgungsunternehmen solche Non-Own-Use-Verträge über die Laufzeit

zum Fair Value. Mit physischer Erfüllung wurden die Umsätze nach IAS 18 realisiert. Damit

wurde man dem IAS 39, der die bisherigen Vorschriften iZm Finanzinstrumenten enthielt, so-

wie dem IAS 18 gerecht.179

Legt man die neuen Regelungen des IFRS 15.5 (c) wörtlich aus, so fallen Finanzinstrumente,

175Vgl Kraßnig, IRZ 2012, S 345; Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 164. 176Vgl Hartenberger in Beck’sches IFRS-Handbuch5, § 3 RN 249. 177Vgl Flintropf von Oertzen in Beck’sches IFRS-Handbuch5, § 23 RN 6. 178Vgl Kraßnig, IRZ 2012, S 345. 179Vgl IFRS 9 BCZ2.22; siehe auch Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 165.

76

die im Anwendungsbereich des IFRS 9 liegen, nicht unter den Anwendungsbereich des IFRS

15. Eine Bilanzierung, die diesen Umstand berücksichtigt, würde jedoch nicht dem

Substance-over-Form-Grundsatz gem IAS 1.20 (b) entsprechen. Dieser Grundsatz besagt,

dass es bei Beurteilung eines Sachverhaltes nicht nur auf die rechtliche, sondern vielmehr auf

die wirtschaftlichen Auswirkungen ankommt.180 Innerhalb der Branche – bspw dem IEAF,

einem Zusammenschluss führender europäischer Energieunternehmen – wird deshalb aktuell

der Frage, ob neben Own-Use-Verträgen auch Non-Own-Use-Verträge in den Anwendungs-

bereich des IFRS 15 fallen können, nachgegangen. Gemeint sind damit Warenterminge-

schäfte, die nicht für das operative Geschäft abgeschlossen und als Derivate unter IFRS 9

bilanziert werden. Es stellt sich die Frage, ob diese ab dem Zeitpunkt der physischen Erfüllung

ebenso den Umsatzrealisierungsbestimmungen des IFRS 15 unterliegen oder ob eine Anwen-

dung des IFRS 15 für die gesamte Zeit des Bestehens eines solchen Vertrags auszuschließen

ist.181

Nach IFRS 15.7 können Verträge zwar teilweise in den Anwendungsbereich des IFRS 15 und

anderer Standards fallen, dies bezieht sich jedoch lediglich auf einzelne, abgrenzbare Ver-

tragskomponenten. Es muss also zum Abschlusszeitpunkt des Vertrags analysiert werden,

welche Vertragskomponenten unter welchem Standard zu bilanzieren sind. Eine Wechselmög-

lichkeit von einem Anwendungsbereich in einen anderen zu einem späteren Zeitpunkt findet

keine Erwähnung und dürfte demnach nicht vorgesehen sein. Folgt man dieser Ansicht, so

kann man aus solchen Warentermingeschäften künftig keinen Umsatz iSd IFRS 15 realisieren.

Bei wirtschaftlicher Betrachtung der Sachverhalte, können jedoch Umsatzerlöse aus der ge-

wöhnlichen Geschäftstätigkeit im Rahmen dieser Termingeschäfte nicht verneint werden.182

Der IFRS 15.113 sieht einen separaten Ausweis der Umsatzerlöse nach IFRS 15 und jener

aus anderen Quellen vor. Eine derartige Angabe hat entweder in der Gesamtergebnisrech-

nung oder im Anhang zu erfolgen.183 Damit ermöglicht der IFRS 15 eine Bilanzierung anderer

Umsatzerlöse in Abgrenzung zu solchen, die aus Verträgen mit Kunden resultieren. Energie-

versorgungsunternehmen könnten Erlöse aus der Erfüllung eines Warenterminkontrakts als

Other Revenues erfassen. Dies würde im Vergleich zur aktuellen Erlöserfassung keine Aus-

wirkung auf die Höhe des zu erfassenden Ertrags haben, jedoch würde eine derartige Tren-

nung der Umsatzerlösströme systemtechnische Anpassungen erfordern. Solche Anpassun-

gen hätten vor allem im Hinblick auf die sachgerechte Aufteilung der Umsatzerlösarten im

Rahmen von Berichtsprozessen zu erfolgen.184

180Vgl Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar16 § 28 RN 28. 181Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 165. 182Vgl ebd. 183Vgl Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar16 § 25 RN 8. 184Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 166.

77

Eine derartige Aufteilung im Zuge von Warenterminverträgen würde bedeuten, dass Erlöse,

die unter die Own-Use-Exemption fallen, Umsatzerlöse iSd IFRS 15 darstellen würden, wäh-

rend Umsätze aus einem wirtschaftlich identischen Vertrag, im Zuge dessen die Own-Use-

Exemption jedoch nicht anwendbar ist, als Other Revenues zu identifizieren wären. Dies wäre

bspw dann der Fall, wenn der Vertrag auf einem aktiven Markt, wie dem Energiemarkt, gehan-

delt werden könnte und somit den Merkmalen eines Barausgleichs entspräche. Pollmann/

Cholodov/Kümpel vertreten die Meinung, dass ein sachgerechter Erlösausweis dann gegeben

ist, wenn der Substance-over-Form-Grundsatz auch auf den IFRS 9 sowie den IFRS 15 über-

tragen wird. Warentermingeschäfte sollten demnach unabhängig einer möglichen Anwendung

der Own-Use-Exemption über die Laufzeit zum Fair Value gem IFRS 9 bilanziert und Umsatz-

erlöse ab dem Zeitpunkt der physischen Erfüllung nach IFRS 15 ausgewiesen werden.185

4.3.2 Schnittstelle zwischen IFRS 15 und IFRS 16 „Leasingverhältnisse“

Anders als der IFRS 15 tritt der IFRS 16 erst mit 01.01.2019 in Kraft. Eine vorzeitige Anwen-

dung im Jahr 2018 ist in Verbindung mit der Anwendung des IFRS 15 jedoch möglich. Der

Standard wurde daher bereits ausführlich in der Fachliteratur gewürdigt und diskutiert. Dabei

wurde zumeist lediglich die Seite des Leasingnehmers fokussiert, da sich beim Leasinggeber

durch den IFRS 16 auf den ersten Blick keine entscheidenden Änderungen zum aktuell noch

gültigen IAS 17 ergeben. Doch die Schnittstellenproblematik zwischen dem IFRS 15 und dem

IFRS 16 bringt gerade auf Seiten des Leasinggebers große Herausforderungen mit sich. In

vielen Branchen werden Güter und Dienstleistungen in einem vertraglichen Gesamtpaket an-

geboten, da die Nachfrage der Kunden nach Leistungsbündeln stetig zunimmt. Es ist nicht

unüblich, dass solche Leistungsbündel eine Leasingkomponente enthalten.186 Innerhalb der

Energiebranche kann es vor allem aufgrund neuer Geschäftsmodelle, wie etwa dem Smart

Metering Geschäft, zu solch einem Zusammenspiel der Leasing- und Umsatzbilanzierung

kommen. Neben der Energielieferung vermietet das Energieversorgungsunternehmen auch

einen Gas- bzw Stromzähler (Smart Meter) an den Endkunden. In diesem Zusammenhang gilt

es zu klären, wie betroffene Unternehmen derartige Sachverhalte bilanziell darzustellen ha-

ben.187

Bereits im Zuge des Vertragsabschlusses hat ein Unternehmen gem IFRS 16 zu bestimmen,

ob der Vertrag ein Leasingverhältnis vorweist. Der IFRS 16 verfolgt, gleich dem IFRS 15, das

Control-Concept. Ein Leasingverhältnis liegt gem IFRS 16.9 vor, wenn ein Recht zur Kon-

trolle der Nutzung eines Vermögenswerts über einen gewissen Zeitraum gegen Bezahlung

185Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 166. 186Vgl Bardens/Dreisbach/Wallek, RWZ 2017, S 42 f; sowie Henneberger/Benner, FLF 6/2016, S 256. 187Vgl PWC 2016b, S 1.

78

einer Gegenleistung übertragen wird. Dies umfasst grds alle Leasing-, Miet-, Pacht-, Erbbau-

rechts- und andere Überlassungsverträge. Die identifizierten Leasingverhältnisse sind in ei-

nem weiteren Schritt, wie aktuell auch nach IAS 17, in Operating- und Finanzierungsleasing-

verhältnisse zu separieren.188

Liegt ein Vertrag vor, der sowohl eine Leasing- sowie eine Nicht-Leasingkomponente enthält,

so muss der Vertrag aufgeteilt werden und die getrennten Komponenten gem IFRS 16.12 se-

parat bilanziert werden. Umsatzerlöse aus identifizierten Leasingkomponenten werden dem-

nach unter Anwendung des IFRS 16, Erlöse aus Nicht-Leasingkomponenten unter IFRS 15

bilanziert. Anschließend gilt es, den Transaktionspreis, welcher dem Vertrag zu Grunde liegt,

zu ermitteln. Hierfür schreibt der IFRS 16 jedoch keine konkreten Vorschriften vor. Bezüglich

der Allokation des Transaktionspreises verweist der IFRS 16 hingegen auf den Allokationspro-

zess des IFRS 15.70-93. Da nur der Verweis auf die Regelungen der Transaktionspreisallo-

kation vorliegt, ist davon auszugehen, dass die Ermittlung der Gegenleistung einer Leasing-

komponente nicht nach den Vorschriften des IFRS 15 erfolgen darf. Im Rahmen eines

Leasingverhältnisses ist jedoch per se ein Finanzierungsanteil enthalten. Daher ist zu klären,

ob die Bestimmungen des IFRS 15 60 ff auf diese signifikante Finanzierungskomponente an-

zuwenden sind.189

Bardens/Dreisbach/Wallek sehen in diesem Zusammenhang zwei mögliche Szenarien. Auf-

grund der Tatsache, dass Leasing nicht in den Anwendungsbereich des IFRS 15 fällt, wäre im

Szenario A für eine Allokation der gesamte Einzelveräußerungspreis des Leasing-

verhältnisses, also inklusive Finanzierungskomponente, heranzuziehen. Im Szenario B wird

davon ausgegangen, dass die Regelungen des IFRS 15.60 ff anzuwenden sind. Dadurch wäre

der Transaktionspreis um die Finanzierungskomponente des Leasingverhältnisses zu korri-

gieren. In diesem Fall wäre also der wesentliche Finanzierungsanteil vom Transaktionspreis

abzuziehen und nach Allokation des sich daraus ergebenden Transaktionspreises wiederum

der Leasingkomponente zuzurechnen.190 Welche der Methoden in der Praxis, also bspw dem

Smart Metering Geschäft, zur Anwendung kommen wird, ist fraglich und wird sich erst nach

Inkrafttreten des IFRS 16 klären lassen. Wirtschaftlich sinnvoller erscheint mE jedoch das Sze-

nario B und damit die Orientierung an der Bilanzierung nach IFRS 15.60 ff. Es bleibt abzuwar-

ten, ob detaillierte Vorgaben seitens der Standardsetter veröffentlicht werden bzw welches

Szenario in der Praxis Anwendung finden wird.

Eine weitere Unklarheit im Rahmen der Bestimmung des Transaktionspreises ergibt sich aus

der Frage, ob der Zeitraum, welcher der Transaktionspreisermittlung zu Grunde liegt, unter

188Vgl Bardens/Dreisbach/Wallek, RWZ 2017, S 44. 189Vgl Bardens/Dreisbach/Wallek, RWZ 2017, S 45. 190Vgl ebd.

79

Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung etwaiger Vertragsänderungsoptionen (IFRS

15.11) bestimmt werden soll. Auch in diesem Fall bleibt abzuwarten, wie die Bilanzierungs-

praxis dieser Ermessensfrage begegnet oder ob die Standardsetter möglicherweise eine Stel-

lungnahme hierzu abgeben.191

Die Allokation des Transaktionspreises auf die Leasing- sowie Nicht-Leasingkomponenten hat,

wie oben bereits erwähnt, gem IFRS 16.17 nach den Vorschriften des IFRS 15.73-90 zu erfol-

gen. Die Verteilung des Transaktionspreises erfolgt dabei auf Basis der relativen Einzelveräu-

ßerungspreise der einzelnen Vertragskomponenten. Für Nicht-Leasingkomponenten ist dies

gem IFRS 15.77 jener Preis, der separat unter vergleichbaren Bedingungen an vergleichbare

Kunden verrechnet werden würde. Hinsichtlich des Einzelveräußerungspreises der Leasing-

komponente bietet der IFRS 16 wiederum keine Vorgaben und somit liegt die Anwendung der

Regelungen des IFRS 15 nahe. Da der Einzelveräußerungspreis eines Leasingverhältnisses

grds vom eigentlichen Einzelveräußerungspreis des Vermögenswertes abweichen wird, sind

die Bestimmungen des IFRS 15.79 heranzuziehen. Der Einzelveräußerungspreis muss also

anhand einer der im Kapitel 2.5.4. beschriebenen Methoden geschätzt werden. Zur Bestim-

mung des Einzelveräußerungspreises der Leasingkomponente ist zudem nicht die Orientie-

rung an dem Einzelveräußerungspreis des Vermögenswertes geboten, sondern es muss der

Einzelveräußerungspreis eines separaten Leasingvertrags ermittelt werden. Ein möglicher

Restwert ist im Zuge der Einzelveräußerungspreisermittlung ebenfalls zu berücksichtigen.192

Henneberger/Brenner sind in diesem Zusammenhang der Meinung, dass der Expected-Cost-

plus-a-Margin-Ansatz heranzuziehen ist. Hierbei hat der Leasinggeber auf Basis der internen

Controlling-Informationen die Möglichkeit, den Einzelveräußerungspreis anhand der erwarte-

ten Kosten und der Gewinnmarge zu ermitteln.193

Nach erfolgter Allokation sind die jeweiligen Vertragskomponenten anhand der entsprechen-

den Standards zu bilanzieren. Die Umsatzrealisierung des auf Leasingbasis vergebenen Ver-

mögenswerts, wie bspw eines Smart Meters, fällt demnach in den Anwendungsbereich des

IFRS 16, während Erlöse aus der Stromlieferung gem IFRS 15 zu erfassen sind.

Doch nicht nur iRd Ermittlung und Allokation des Transaktionspreises kommt es zu Heraus-

forderungen aufgrund der Schnittstellen beider Standards. Vor allem die Implementierung der

Standards in die Prozesse sowie Systeme barg bzw birgt aufwendige und komplexe Anpas-

sungen in sich. Systeme müssen in der Lage sein, einzelne Leistungskomponenten separat

zu erfassen und zu verfolgen, Einzelveräußerungspreise und evtl Leasinginformationen be-

reitzustellen und Transaktionspreisallokationen unter Berücksichtigung von Leasing- und

191Vgl Bardens/Dreisbach/Wallek, RWZ 2017, S 50. 192Vgl Bardens/Dreisbach/Wallek, RWZ 2017, S 45 f. 193Vgl Henneberger/Benner, FLF 6/2016, S 257.

80

Nicht-Leasingkomponenten durchzuführen. Die Aufbereitung der notwendigen Daten sowie

die Neudefinition von Ereignissen tragen dazu bei, dass die Implementierung mit einem be-

trächtlichen Kostenaufwand verbunden ist.194

4.4 Zwischenergebnis

Da die Vertrags- und Leistungsbeziehungen innerhalb der Energiebranche derart vielfältig

ausgestaltet sind, wurde die Untersuchung der Auswirkungen des Fünf-Schritte Modells auf

den Stromliefervertrag mit dem Endkunden eingeschränkt. Dafür wurde eine Analyse einer

beispielhaften B2C-Stromliefervereinbarung, also eines Stromliefervertrags mit einem privaten

Haushalt, und einer typischen B2B-Stromliefervereinbarung, also eines Stromliefervertrags mit

einem Industriekunden, vorgenommen.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Anwendung des neuen Standards auf B2C-

Stromlieferverträge bei strikter Verfolgung des Fünf-Schritte Modells zu erheblichen Ermes-

sensentscheidungen bzw Anwendungsfragen führen würde. Verantwortlich dafür sind die im

Regelfall nicht vorhandenen Vereinbarungen hinsichtlich einer fixen Abnahmemenge sowie

einer befristeten Laufzeit und die daraus resultierende variable Preiskomponente. Doch die

Problematik iZm der Transaktionspreisbestimmung kann aufgrund der praktischen Erleichte-

rung des IFRS 15.B16 umgangen werden. Hierbei kann der in Rechnung gestellte Betrag als

Umsatz realisiert werden, da er dem Wert des Kunden entspricht. Auch die Einhebung von

monatlichen Teilzahlungsbeträgen verhindert eine Anwendung des IFRS 15.B16 nicht, da im

Zuge der finalen Abrechnung eine Erlöskorrektur durchgeführt wird. Somit wird sichergestellt,

dass der erfasste Umsatz dem tatsächlichen Wert des Kunden entspricht. Die Umsatzrealisie-

rung gem dieser Methode entspricht der bisherigen Erlöserfassung unter IAS 18 und es kommt

bei Anwendung des IFRS 15 zu keinen Veränderungen.

Im Rahmen eines B2B-Stromliefervertrags mit einem Industriekunden wird nicht die Bereitstel-

lung zur Lieferung von Strom, sondern die tatsächliche Stromlieferung als Leistungsverpflich-

tung identifiziert. Aufgrund der vertraglich festgelegten Laufzeit sowie der Abnahmemenge ist

die Transaktionspreisbestimmung und -allokation aus derartigen Verträgen grds leicht durch-

führbar. Doch auch hier kann die praktische Erleichterung des IFRS 15.B16 angewendet wer-

den und es ist wiederum der in Rechnung gestellte Betrag als Umsatz zu realisieren. Dadurch

fallen der dritte und vierte Schritt des Fünf-Schritte Modells weg. Diese Vorgehensweise im

Zuge der Umsatzrealisierung entspricht wiederum jener nach IAS 18 und damit bringt die An-

wendung des IFRS 15 auch für B2B-Stromlieferverträge keine Veränderung mit sich.

Während der IFRS 15 für klassische Stromlieferverträge auf Privat- und Industriekundenebene

demnach grds zu keinen Änderungen in der Umsatzrealisierung führt, ist der Thematik der

194Vgl Bardens/Dreisbach/Wallek, RWZ 2017, S 48.

81

Vertragsmodifikationen in der Energiebranche eine besondere Bedeutung beizumessen. Der

IFRS 15 schreibt in den Paragraphen 18-21 vor, wie mit etwaigen Vertragsanpassungen um-

zugehen ist. So ist es neben Stromlieferverträgen, die einen starren Preis je Stromeinheit vor-

schreiben, durchaus möglich, dass Vereinbarungen mit einer flexiblen Preisanpassung (bspw

monatlich) abgeschlossen werden. Hier wäre mE eine Bilanzierung der Anpassung als Be-

standteil des bestehenden Vertrags sachgerecht.

Aber auch Blend-and-Extend-Modifikationen, im Zuge derer die Vertragszeit verlängert und

der bisherige Vertragspreis mit einem neuen Preis vermischt wird, sind in der Energiebranche

nicht selten. Eine solche Vertragsmodifikation ist mE jedenfalls als Beendigung des bestehen-

den und Begründung eines neuen Vertrags gem IFRS 15.21 (a) zu behandeln.

Für Energieversorgungsunternehmen ist aber auch das Zusammenspiel und etwaige Schnitt-

stellen des IFRS 15 mit anderen Rechnungslegungsstandards von Interesse. Besonders die

Überschneidungen mit dem IFRS 9 und IFRS 16 können Energieversorgungsunternehmen

vor Herausforderungen stellen. Der IFRS 15.7 sieht vor, dass Verträge teilweise in den An-

wendungsbereich anderer Standards fallen können. Es gilt demnach zu klären, welche Sach-

verhalte unter welchem Standard zu bilanzieren sind.

Neben der Erzeugung und dem Verkauf von Energie sichern sich Energieversorgungsunter-

nehmen mittels Warentermingeschäften iZm Strom bzw Gas gegen mögliche inhärente Risi-

ken, wie etwa Preisrisiken, ab. Da derartige Terminkontrakte als derivative Finanzinstrumente

zu klassifizieren sind, fallen sie grds in den Anwendungsbereich des IFRS 9.

Verträge, welche den Kriterien eines Derivats entsprechen, die aber zum Erhalt bzw der Lie-

ferung von nicht finanziellen Posten (wie etwa Strom) gem dem erwarteten Einkaufs-, Ver-

kaufs- oder Nutzungsbedarf abgeschlossen wurden und weiterhin gehalten werden, sind gem

IFRS 9.2.4 von der Anwendung des IFRS 9 ausgenommen. Solche Verträge werden für das

operative Geschäft abgeschlossen und fallen daher unter die Own-Use-Exemption des IFRS

9. Sie sind als schwebender Vertrag zu bilanzieren und lediglich im Falle eines erwarteten

Verlustes ist eine Drohverlustrückstellung gem IAS 37 zu bilden. Sofern derartige Warenter-

mingeschäfte jedoch bar, durch andere Finanzinstrumente oder durch den Tausch von Finan-

zinstrumenten abgegolten werden können, fallen sie wiederum in den Anwendungsbereich

des IFRS 9. Derartige Sachverhalte können in der Energiebranche durchaus auftreten. Es ist

möglich, dass Warenterminkontrakte im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit abge-

schlossen werden, in den Anwendungsbereich des IFRS 9 fallen. Grund hierfür ist die Tatsa-

che, dass sie auf liquiden Märkten als leicht in Geld umsetzbarer Vermögenswert gelten und

in bar abgegolten werden können.

82

Own-Use-Verträge werden demnach nicht gem IFRS 9 bilanziert und die Erfassung der Um-

satzerlöse erfolgt gem IFRS 15. Non-Own-Use-Verträge wurden bisher über die Laufzeit hin-

weg unter IAS 39 zum Fair Value bilanziert und mit physischer Erfüllung wurden die Erlöse

gem IAS 18 realisiert. Bei wörtlicher Auslegung der Regelungen des IFRS 15 können Finan-

zinstrumente, die im Anwendungsbereich des IFRS 9 liegen, nicht in jenen des IFRS 15 fallen.

Dadurch wäre eine Umsatzrealisierung gem den neuen Regelungen zur Umsatzrealisierung

bei physischer Erfüllung des Vertrags nicht möglich. Dies würde unter der Berücksichtigung

des Substance-over-Form-Grundsatzes des IAS 1.20 (b) jedoch keiner wirtschaftlichen Be-

trachtungsweise entsprechen. Deshalb wird innerhalb der Branche aktuell der Frage nachge-

gangen, ob neben own-use- auch Non-Own-Use-Verträge in den Anwendungsbereich des

IFRS 15 fallen können. Pollmann/Cholodov/Kümpel sind jedenfalls der Meinung, dass eine

Bilanzierung gem IFRS 15 im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise angebracht

wäre und Erlöse aus derartigen Verträgen als other revenues ausgewiesen werden sollten.

Die Ansicht von Pollmann/Cholodov/Kümpel ist mE durchaus schlüssig argumentiert und in

Betracht zu ziehen, jedoch bleibt ein dahingehendes Ergebnis der aktuellen brancheninternen

Diskussion, welche sich dieser Thematik widmet, abzuwarten.195

Neben den Überschneidungen des IFRS 15 mit dem IFRS 9 werfen jedoch auch Schnittstellen

mit dem IFRS 15 und dem ab 01.01.2019 in Kraft tretenden IFRS 16 Fragen auf. Während in

der herrschenden Literatur die Analyse der Auswirkungen des IFRS 16 auf Leasingnehmer-

seite vorherrscht, kann es gerade auf Seiten des Leasinggebers zu Überschneidungen beider

Rechnungslegungsstandards kommen. Viele Unternehmen bieten ihre Güter bzw Dienstleis-

tungen in einem Leistungsbündel an. Diese Gesamtpakete können auch Leasingkomponenten

enthalten, wodurch es zu einem Zusammenspiel der Leasing- und Umsatzbilanzierung kom-

men kann. In der Energiebranche sind sogenannte Smart Meter – das sind neuartige Strom-

zähler die auf Leasingbasis an den Kunden abgegeben werden – Teil der neueren Geschäfts-

modelle. Interessant für Unternehmen ist hierbei jedenfalls, wie derartige Fälle bilanziell dar-

gestellt werden sollen.

Bei Abschluss eines Stromliefervertrags, im Zuge dessen ein Smart Meter als Stromzähler zur

Anwendung kommt, enthält der Vertrag sowohl Leasing- als auch Nicht-Leasingkomponenten.

Die Erlöse aus der Leasingkomponente werden künftig gem IFRS 16 zu bilanzieren sein. Die

Umsatzrealisierung der Nicht-Leasingkomponenten hingegen erfolgt, sofern sie die entspre-

chenden Kriterien erfüllen, gem IFRS 15.

Eine der großen Fragen in diesem Zusammenhang ist die Bestimmung des Transaktionsprei-

ses aus derartigen Verträgen. Da der IFRS 16 nur im Rahmen der Transaktionspreisallokation

195Vgl Pollmann/Cholodov/Kümpel, IRZ 2017, S 164 ff.

83

auf den IFRS 15 verweist, geht die Literatur davon aus, dass die Transaktionspreisbestim-

mung an sich nicht anhand der Vorschriften des IFRS 15 erfolgen darf. Doch solche Leasing-

verhältnisse enthalten grds einen Finanzierungsanteil, weshalb es zu klären gilt, ob die Rege-

lungen des IFRS 15 hinsichtlich einer signifikanten Finanzierungskomponente anzuwenden

sind. Bardens/Dreisbach/Wallek zeigen in diesem Zusammenhang zwei mögliche Szenarien

auf. Im Szenario A gehen sie davon aus, dass der gesamte Einzelveräußerungspreis des Lea-

singverhältnisses (inklusive Finanzierungskomponente) heranzuziehen ist. Szenario B sieht

vor, dass die Regelungen des IFRS 15.60 ff zur Anwendung kommen und der Transaktions-

preis um die Finanzierungskomponente zu bereinigen ist. Nach erfolgter Allokation des Trans-

aktionspreises auf den Vertrag wäre diese Finanzierungskomponente wiederum der Leasing-

komponente zuzurechnen. Welches der beiden Szenarien in der Praxis zur Anwendung kom-

men wird und ob die Standardsetter bzgl dieser Thematik Stellung beziehen werden, bleibt

abzuwarten.

Doch auch die tatsächliche Allokation des Transaktionspreises aus derartigen Vertragskons-

tellationen wirft Fragen auf. Der heranzuziehende Einzelveräußerungspreis eines Leasingver-

hältnisses weicht grds vom tatsächlichen Einzelveräußerungspreis des Vermögenswertes ab.

Es gilt also den Einzelveräußerungspreis zu schätzen. Dabei ist nicht die Orientierung am

tatsächlichen Einzelveräußerungspreises der Leasingkomponente geboten, sondern es muss

der Einzelveräußerungspreis eines gleichwertigen Leasingvertrags herangezogen werden.

Henneberger/Brenner vertreten in diesem Zusammenhang die Meinung, dass der Expected-

Cost-plus-a-Margin-Ansatz zu wählen ist. Im Rahmen dieser Schätzmethode kann der Einzel-

veräußerungspreis auf Basis der erwarteten Kosten und der Gewinnmarge, ermittelt werden.

Während also hinsichtlich der Umsatzrealisierung der Leasingkomponente und der Nicht-Lea-

singkomponente keine Unklarheit vorherrscht, sehen sich Unternehmen vor allem in der

Transaktionspreisbestimmung und -allokation aus Verträgen, die eine Leasingkomponente

enthalten, mit Schnittstellen beider Standards konfrontiert.

84

5 Beantwortung der Forschungsfragen & Fazit

Mit 01.01.2018 ist der IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ in Kraft getreten. Damit

wurde eines der Langzeitprojekte des IASB und FASB finalisiert. Nach rund 15 Jahren der

Überarbeitung ersetzt der neue Standard zur Umsatzrealisierung die bisher gültigen

Regelungen des IAS 18 „Erlöse“ und des IAS 11 „Fertigungsaufträge“ sowie diverse veröffent-

lichte einzelfallbezogene Interpretationen.

Anstoß für die Umsetzung dieses Projekts war das Fehlen konkreter und einheitlicher Bilan-

zierungsvorschriften zur Ertragsrealisierung, welches auch in der Fachwelt kritisiert wurde.

Trotz der beiden Standards sowie der zahlreichen Interpretationen waren die Regelungen bzgl

der Umsatzrealisierung oft unzureichend formuliert und führten aufgrund der vielen Ermes-

sensspielräume zu einer Beeinträchtigung der Vergleichbarkeit von Unternehmensjahresab-

schlüssen.

Erklärtes Ziel des IFRS 15 ist es, die Inkonsistenzen und Schwächen der vormals gültigen

Vorschriften zu beseitigen. Nunmehr sollen durch den IFRS 15 sämtliche Teilaspekte der Er-

löserfassung erfasst und entsprechende Leitlinien vorgegeben werden. Dadurch soll eine

bessere Vergleichbarkeit der erfassten Umsatzerlöse verschiedener Unternehmen eines Wirt-

schaftszweigs aber auch verschiedener Branchen gewährleistet werden. Zudem wurden die

Angabepflichten für den Anhang erweitert, sodass Abschlussadressaten bedeutend mehr

nützliche Informationen aus den Jahresabschlüssen gewinnen können.

Der IFRS 15 ist auf sämtliche Verträge mit Kunden anzuwenden, sofern sie nicht unter die in

IFRS 15.5 genannte Ausnahmen fallen, und enthält mit dem Fünf-Schritte Modell ein neu kon-

zipiertes Erlöserfassungsmodell, welches dem Control-Concept folgt. Das Control-Concept er-

setzt hierbei das Risk-and-Reward-Kriterium des IAS 18 und ermöglicht eine Umsatzrealisie-

rung im Zuge des Übergangs der Verfügungsmacht auf den Kunden.

Das Fünf-Schritte Modell lässt sich wie folgt unterteilen:

Schritt 1 Identifizierung von Verträgen mit Kunden

Schritt 2 Identifizierung separater Leistungsverpflichtungen

Schritt 3 Bestimmung des Transaktionspreises

Schritt 4 Allokation des Transaktionspreises

Schritt 5 Ertragsrealisierung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung

Im ersten Schritt des Fünf-Schritte Modells gilt es zu bestimmen, ob überhaupt ein Vertrag iSd

IFRS 15 vorliegt. Der zweite Schritt erfordert bereits bei Vertragsabschluss eine Identifizierung

sämtlicher Leistungsverpflichtungen aus diesem Vertrag. Daraufhin ist im dritten Schritt die

Bestimmung des Transaktionspreises vorzunehmen und dieser muss im vierten Schritt auf die

85

einzelnen Leistungsverpflichtungen allokiert werden. Im fünften und letzten Schritt erfolgt die

Umsatzrealisierung, wobei nach dem Control-Concept der Übergang der Verfügungsgewalt

über die Leistungsverpflichtung das ausschlaggebende Kriterium ist.

Durch das Inkrafttreten des IFRS 15 im Geschäftsjahr 2018 sahen sich Unternehmen aller

Branchen mit der Frage konfrontiert, welche Veränderungen sich durch die Anwendung der

neuen Regelungen hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunkts bzw Zeitraums der Erlöserfas-

sung ergeben. Dies wurde im 3. Kapitel dieser Arbeit erörtert und kann anhand folgender

Forschungsfrage beantwortet werden:

Welche Veränderungen ergeben sich durch die Anwendung des IFRS 15 an Stelle des

IAS 11 und IAS 18 im Hinblick auf die Höhe und den Zeitpunkt bzw Zeitraum der Um-

satzrealisierung?

Um diese Auswirkungen feststellen zu können, muss der Fokus im Vorfeld auf die Änderungen

der Grundkonzeption und des Anwendungsbereichs sowie des Umgangs mit Vertragskompo-

nenten gelegt werden.

Dem IAS 18 lag als Grundkonzeption der Risk-and-Reward-Ansatz zugrunde, nach welchem

Umsatzerlöse erst zu realisieren waren, wenn ein Nutzenzufluss verlässlich – also ohne Risi-

ken – bestimmt werden konnte. Umsätze nach IAS 11 wurden hingegen aktivitätenbasiert re-

alisiert, da eine Aufteilung der Umsätze aus langfristigen Fertigungsaufträgen auf die betroffe-

nen Bilanzierungsperioden das Ziel war. Der IFRS 15 folgt nunmehr dem Asset-and-Liability-

Ansatz und damit dem Control-Concept. Dieses Konzept ist auf sämtliche Transaktionen an-

zuwenden und zielt auf den Übergang der Kontrolle in Form der Verfügungsmacht ab.

Dadurch, und durch die konkreteren Regelungen im Umgang mit separaten Leistungsver-

pflichtungen, kann es zu Veränderungen hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunkts bzw Zeit-

raums der Umsatzrealisierung kommen.

Im Rahmen des Anwendungsbereichs schränkte der IAS 18 die Erlöserfassung auf Erlöse aus

der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ein. Auch der IFRS 15 sieht eine Erfassung derartiger

Erlöse vor, begrenzt diese jedoch auf Erlöse aus Verträgen mit Kunden. Zinsen und Aufwen-

dungen, die bisher unter IAS 18 zu erfassen waren, fallen nunmehr in den Anwendungsbereich

des IFRS 9 „Finanzinstrumente“.

Für die Beantwortung der Frage, welche Auswirkungen der IFRS 15 auf die Höhe des Erlöses

hat, ist festzuhalten, dass es hierbei vor allem auf die Zusammensetzung der Gegenleistung

ankommt. Entspricht der Erlös dem vertraglich vereinbarten Preis und unterliegt dabei keinen

Besonderheiten, fällt die Höhe des zu erfassenden Ertrags nach IAS 18 und IFRS 15 gleich

aus. Beinhaltet die Gegenleistung jedoch variable Komponenten, so liegen deutliche Unter-

86

schiede in der bilanziellen Behandlung ebendieser vor. Entgegen dem nach IAS 18 praktizier-

ten Aufschub der Erlöserfassung bis zur endgültigen Vertragserfüllung, sind variable Kompo-

nenten nunmehr zu schätzen und in den Transaktionspreis miteinzubeziehen. Enthält ein Ver-

trag separat zu erfassende Leistungsverpflichtungen, so hat gegebenenfalls eine Allokation

dieser variablen Gegenleistung auf die einzelnen Vertragskomponenten zu erfolgen. Die Er-

fassung der separaten Leistungsverpflichtungen und die damit verbundene Allokation des Ge-

samttransaktionspreises auf die einzelnen Leistungsverpflichtungen wirkt sich im direkten Ver-

gleich der vormals anzuwendenden Standards mit dem IFRS 15 gegebenenfalls auf die Höhe

der Erlöse innerhalb einer Berichtsperiode aus. Die Höhe des Gesamttransaktionspreises

muss sich unter Anwendung der neuen Bestimmungen des IFRS 15 hingegen nicht zwingend

ändern. Da tendenziell jedoch mehr separate Leistungsverpflichtungen zu ermitteln sein wer-

den, ist davon auszugehen, dass die Umsatzerlöse innerhalb einer Berichtsperiode in anderer

Höhe ausfallen, als dies bisher nach IAS 11 bzw IAS 18 der Fall war. Die Höhe der innerhalb

einer Berichtsperiode zu erfassenden Erlöse aus langfristigen Fertigungsaufträgen kann sich

ebenfalls ändern. Zurückzuführen ist das auf die Tatsache, dass das aktivitätenbasierte Rea-

lisationsprinzip des IAS 11 keinen zwingenden Übergang der Verfügungsmacht vorsah. Die

Vorschriften des IFRS 15.35 regeln die zeitraumbezogene Realisierung und schreiben vor,

wann der Übergang der Verfügungsmacht aus Verträgen, die über einen Zeitraum erfüllt wer-

den, stattfindet. Durch diese detaillierten Vorschriften sind auch in diesem Zusammenhang

Auswirkungen auf die Höhe der innerhalb einer Bilanzierungsperiode zu erfassenden Erlöse

zu erwarten.

Die Bilanzierung der anderen, auf den Transaktionspreis einflussnehmenden Faktoren in Form

von signifikanten Finanzierungskomponenten, nicht zahlungswirksamen Transaktionen bzw

an einen Kunden zu zahlende Gegenleistungen lässt sich unter Anwendung des IFRS 15 größ-

tenteils mit der Bilanzierung nach IAS 18 vergleichen bzw stimmt mit ihr überein. Fallweise

sieht der IFRS 15 gewisse Zusatzanforderungen vor, die eine Analyse seitens der Unterneh-

men erfordern können. Es ist mE jedoch nicht davon auszugehen, dass diese Zusatzanforde-

rungen erhebliche Änderungen im Umsatzrealisierungsprozess mit sich bringen werden.

Die zweite, für Unternehmen bedeutende Frage liegt in den möglichen Auswirkungen des

IFRS 15 auf den Zeitpunkt bzw Zeitraum der Erlöserfassung. Schon die unterschiedlichen

Grundkonzeptionen der Standards lassen Differenzen in der zeitlichen Erfassung der Erträge

erahnen. Während die Umsatzrealisierung nach IAS 18 aufgrund der Risk-and-Reward-

Konzeption beim Übergang der wesentlichen Risiken und Chancen auf den Kunden erfolgte,

ist nach IFRS 15 der Übergang der Kontrolle in Form der Verfügungsmacht auf den Kunden

ausschlaggebend. Bereits im Zuge der Ermittlung der Leistungsverpflichtungen muss festge-

legt werden, ob die Erlöserfassung über einen Zeitraum oder zu einem Zeitpunkt erfolgt. Un-

ternehmen müssen in diesem Zusammenhang stets mit der Prüfung der zeitraumbezogenen

87

Kriterien des IFRS 15.35 beginnen. Neben dem Kriterium (a), welches explizit für Dienstleis-

tungen anzuwenden ist, wird das Kriterium (c) die für Unternehmen relevanteste Regelung

darstellen. Das Kriterium (c) unterstellt einen fiktiven Kontrollübergang. Dieser ist gegeben,

wenn die Leistung des Unternehmens keine alternative Nutzungsmöglichkeit für das Unter-

nehmen aufweist und ein Rechtsanspruch auf die Bezahlung der bereits erbrachten Leistun-

gen besteht. Verträge, die unter diesem Kriterium bilanziert werden, überschneiden sich zu

einem großen Teil mit bisher nach IAS 11 bilanzierten langfristigen Fertigungsaufträgen. Es

sind also keine fundamentalen Änderungen zu erwarten. Bei genauer Analyse kann das Kri-

terium jedoch durchaus gravierende Ermessensentscheidungen erfordern. Vor allem Ver-

tragsklauseln hinsichtlich eines durchsetzbaren Rechtsanspruchs können durch ihr (Nicht-

)Vorhandensein und ihre Ausgestaltung im Hinblick auf die Frage, ob Erlöse aus einer Leistung

über einen Zeitraum oder zu einem Zeitpunkt realisiert werden müssen, entscheidend sein.

Dadurch läuft der IFRS 15 Gefahr, direkten Einfluss auf die Vertragsgestaltung von Unterneh-

men zu nehmen. Diese müssen seit Inkrafttreten darauf achten, wie Klauseln in Verbindung

mit Rücktrittsrechten formuliert sind. Derartige eventuell notwendige Eingriffe in die Geschäfts-

gestaltung von Unternehmen werden indes von Seiten der Fachliteratur bereits kritisiert und

auch mE ist die mögliche Notwendigkeit eines Eingriffs in die Vertragsgestaltung von Unter-

nehmen als Verfehlung des eigentlichen Zweckes des IFRS 15 anzusehen. Wie bereits

Schurbohm-Ebneth/Viemann und auch Grote/Hold/Pilhofer bin ich der Ansicht, dass der tat-

sächliche Zweck der Rechnungslegung, welcher in der Abbildung der Geschäftstransaktion

liegt, hier durch eine mögliche Beeinflussung der Art und Ausgestaltung ebendieser, verfehlt

wird.196

Sind die Kriterien der zeitraumbezogenen Ertragsrealisierung nicht erfüllt, ist die Erfassung

der Erlöse zeitpunktbezogen vorzunehmen. Da der Übergang der Risiken und Chancen, wel-

cher nach IAS 18 entscheidend war, nur mehr ein möglicher Indikator für eine zeitpunktbezo-

gene Ertragsrealisierung ist, kann es auch hier zu zeitlichen Verschiebungen in der Erlöser-

fassung kommen. So besteht die Möglichkeit, dass bei Erfüllung gewisser, vom IFRS 15 vor-

geschlagener Indikatoren eine Erlöserfassung stattfindet, ohne dass etwa der Übergang der

Risiken und Chancen stattgefunden hat.

Im Rahmen der Analyse der Auswirkungen des IFRS 15 auf den Zeitpunkt bzw Zeitraum der

Ertragsrealisierung sind auch hier vor allem die Neuregelungen bzgl der variablen Gegenleis-

tungen zu beachten. Diese wirken sich nicht nur auf die Höhe der zu erfassenden Erlöse aus,

sondern führen zumeist auch zu einer verfrühten Erfolgsrealisation. Dies ist dem nunmehr

wegfallendem Umstand der Aufschiebung der Erlöserfassung bis zur vollständigen Vertragser-

füllung nach IAS 18 geschuldet.

196Siehe Kapitel 2.7.

88

Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Umstellung der bisherigen Regelungen der Um-

satzrealisierung auf die neuen Vorschriften des IFRS 15 sowohl Auswirkungen auf die Höhe

des zu erfassenden Erlöses aber auch den Zeitpunkt bzw Zeitraum der Erlöserfassung haben

kann. Während hinsichtlich der Gesamthöhe des Umsatzes aus einem Vertrag grds keine Än-

derungen zu erwarten sind, ist aufgrund der detaillierten Regelungen davon auszugehen, dass

sich die Höhe der innerhalb einer Bilanzierungsperiode zu realisierenden Umsätze aufgrund

möglicher Verschiebungen des Zeitpunkts bzw Zeitraums der Erlöserfassung verändern kann.

Für Unternehmen stellt sich in einem weiteren Schritt daher die Frage, wie sich die möglichen

Veränderungen durch den IFRS 15 auf die Leistungskennzahlen der jeweiligen Berichtsperi-

ode auswirken. Im Kapitel 1.3 wurde deshalb folgende Subforschungsfrage formuliert:

Welche Auswirkung haben die Umsatzrealisationsregelungen des IFRS 15 auf die Um-

satzkennzahlen?

Für Unternehmen und besonders deren Bilanzadressaten sind die möglichen Auswirkungen

des IFRS 15 auf die Leistungskennzahlen des Unternehmens von besonderer Bedeutung. Die

Umsatzerlöse stellen bereits eine wesentliche Abschlusskennzahl dar. In vielen Branchen führt

der erste Blick der Bilanzadressaten in die Gewinn- und Verlustrechnung und im Weiteren auf

die Umsatzerlöse. Mögliche Verschiebungen iZm mit der Realisierung von Umsätzen und eine

daraus abweichende Höhe der innerhalb einer Bilanzierungsperiode erfassten Erlöse wirken

sich dabei auf eine Vielzahl der Leistungskennzahlen eines Unternehmens aus.

So sind bspw die Bruttomarge oder die Umsatzrentabilität direkt von den Umsatzerlösen be-

troffen. Im weiteren Verlauf wirken sich die Erlöse eines Unternehmens jedoch auch auf die

„Earning-Before“ Kennzahlen wie das EBITDA oder das EBIT aus, da sie gem IAS 1.82 (a) die

Ausgangsposition der Gesamtergebnis- bzw der GuV-Rechnung bilden.

Aufgrund der möglichen Veränderungen der Höhe der zu realisierenden Umsatzerlöse sowie

des Zeitpunkts bzw Zeitraums der Umsatzrealisierung, können besagte Kennzahlen im Ver-

gleich zu Vorperioden entsprechend höher bzw niedriger ausfallen. Derartige Veränderungen

der Leistungsindikatoren müssen von Unternehmen jedenfalls an ihre Bilanzadressaten kom-

muniziert werden, da bspw mit Banken vereinbarte Covenants von diesen Leistungskennzah-

len abhängig sein können. Dies erfolgt unter anderem anhand der Anhangangaben, welche

nach IFRS 15 deutlich detaillierter ausfallen müssen. Energieversorgungsunternehmen wei-

sen bereits in aktuellen Quartalsberichten auf wesentliche Änderungen aufgrund der Anwen-

dung des IFRS 15 hin. Um den Bilanzadressaten einen wirksamen Vergleich zu gewährleisten,

stellen Unternehmen den Jahresabschluss der Vorperiode rückwirkend gem IFRS 15 dar.

Neben der theoretischen Ausarbeitung der neuen Regelungen des IFRS 15 im zweiten Kapitel

und des Vergleichs ebendieser mit den bisher gültigen Vorschriften des IAS 18 und IAS 11

89

hinsichtlich der Änderungen der Höhe des Erlöses und des Zeitpunkts bzw -raums der Um-

satzrealisierung im dritten Kapitel, lag der Fokus des vierten Kapitels gänzlich auf den Auswir-

kungen des IFRS 15 auf die Energiebranche. Hierfür wurde der Schwerpunkt auf die Anwen-

dung des Fünf-Schritte Modells auf B2C- sowie B2B-Stromlieferverträgen gelegt. Zusätzlich

wurde der Umgang mit den in der Energiebranche üblichen Vertragsmodifikationen untersucht.

Diese detaillierte Untersuchung der Auswirkungen des IFRS 15 auf die Energiebranche dient

als Basis der Beurteilung der ersten Hauptforschungsfrage:

Welche Vorschriften des IFRS 15 sind für die Energiebranche im Zusammenhang mit

Stromlieferverträgen von Relevanz?

Als Ergebnis der Untersuchung kann festgehalten werden, dass folgende Vorschriften für die

Bilanzierung von Stromlieferverträgen von besonderer Bedeutung sind:

− IFRS 15.22-30, Regelungen hinsichtlich der Identifizierung von Leistungsverpflichtun-

gen

− IFRS 15.31-45, Regelungen hinsichtlich der Erlösrealisierung

− IFRS 15.B16, Right-to-Invoice-Regelung

− IFRS 15.18-21, Regelungen hinsichtlich der Vertragsänderungen

Die ersten Anwendungsfragen im Rahmen der Bilanzierung von Stromlieferverträgen offenba-

ren sich im Zuge der Identifizierung von Leistungsverpflichtungen. Für Energieversorgungsun-

ternehmen stellt sich die Frage, welche Leistungen in einem Stromliefervertrag enthalten und

wie diese zu separieren bzw zusammenzufassen sind. Die Leistungsverpflichtung eines B2C-

Stromliefervertrags unterscheiden sich hierbei idR von jener eines B2B-Stromliefervertrags,

weshalb den Regelungen der IFRS 15.22-30 jedenfalls eine hohe Bedeutung beizumessen

ist.

Die Erlösrealisierung erfolgt nach den Regelungen der IFRS 15.31-45. Die Leistungs-verpflich-

tung aus Stromlieferverträgen wird dabei über einen Zeitraum realisiert. Dazu muss der Leis-

tungsfortschritt mittels einer outputbasierten Methode bestimmt werden. Daher sind die Rege-

lungen der IFRS 15.39-45 von hoher Bedeutung für Energieversorgungs-unternehmen. In die-

sem Zusammenhang müssen Energieversorger zudem prüfen, ob eine Umsatzrealisierung in

Höhe des in Rechnung gestellten Betrags gem IFRS 15.B16 möglich ist.

In der Energiebranche ist es zudem üblich, dass Verträge regelmäßigen Anpassungen unter-

liegen. Aufgrund dieser Tatsache ist den Vorschriften der IFRS 15.18-21 ebenfalls ein hoher

Stellenwert beizumessen.

Nach Feststellung der für Energieversorgungsunternehmen relevanten Vorschriften, gilt es im

Zuge der zweiten Hauptforschungsfrage zu klären, inwiefern sich diese Regelungen auswirken

90

und mit welchen möglichen Herausforderungen sich Energieversorgungsunternehmen

dadurch konfrontiert sehen.

Welche Wirkungen entfalten diese Vorschriften und welche möglichen Herausforderun-

gen offenbaren sich dadurch für Unternehmen der Energiebranche?

IFRS 15.22-30, Identifizierung von Leistungsverpflichtungen

Wie bereits erwähnt, offenbaren sich erste Anwendungsfragen im Rahmen der Identifizierung

von Leistungsverpflichtungen. Die Vorschriften der IFRS 15.22-30, welche sich dieser Identi-

fizierung von Leistungsverpflichtungen widmen, waren bisher im IFRS-Regelwerk in derart ge-

nauer Ausführung nicht aufzufinden. Durch die Umstellung der Umsatzrealisierung des IAS 18

(sowie IAS 11 bei langfristigen Fertigungsaufträgen) auf jene des IFRS 15 sind aus Verträgen

mit Kunden oftmals mehr separate Leistungsverpflichtungen als bisher zu identifizieren. Auch

Energieversorgungsunternehmen müssen bereits bei Vertragsabschluss unter Anwendung

der Paragraphen 22-30 des IFRS 15 festlegen, welche Leistungsverpflichtungen in den Ver-

trägen mit Kunden enthalten sind.

Die Untersuchung der Stromlieferverträge mit Endkunden ergab, dass in klassischen B2C-

Stromlieferverträgen und B2B-Stromlieferverträgen im Regelfall nur eine einzige Leistungs-

verpflichtung zu identifizieren ist. Die Art der Leistungsverpflichtung kann sich in den beiden

Stromliefervertragsarten jedoch unterscheiden, wie die Fallbeispiele des vierten Kapitels ver-

deutlichen. Grund hierfür sind die jeweiligen vertraglich getroffenen Vereinbarungen und deren

Ausgestaltung. Energieversorgungsunternehmen müssen bereits bei Vertragsabschluss beur-

teilen, wie die Lieferung von Strom in Anbetracht des IFRS 15 zu bewerten ist.

Die Leistungsverpflichtung in klassischen B2C-Stromlieferverträgen liegt idR in der Bereitstel-

lung von Strom und der Lieferung auf Abruf, eine fixe Liefermenge wird dabei nicht vereinbart.

Bereits vor finaler Veröffentlichung des IFRS 15 diskutierte die TRG darüber, was im Rahmen

einer solchen Vertragskonstellation als Leistungsverpflichtung(en) zu identifizieren sei. Die

TRG kam zu dem Entschluss, dass das Leistungsversprechen hierbei in der Bereitstellung des

Stromes, also der Sicherheit, dass der Kunde jederzeit Zugriff auf den Strom hat, liegt. Daher

erkennt der IFRS 15.26 (e) eine solche Zusage als eigenständig abgrenzbares Gut bzw Dienst-

leistung an. Die Einstufung der Bereitstellung der Stromlieferung als Stand-Ready-Obligation

gem IFRS 15.26 (e) wird für Energieversorgungsunternehmen daher keine Schwierigkeit dar-

stellen. Eine erste herausfordernde Anwendungsfrage, mit welcher sich ein Energieversorger

jedoch konfrontiert sehen kann, ist die weitergehende Frage, inwiefern die tatsächliche Liefe-

rung von Strom zu behandeln ist. Die Analyse der Vorschriften des IFRS 15.27 iVm IFRS 15.29

ergab, dass die tatsächliche Lieferung von Strom nicht als zusätzliche, eigenständige Leis-

tungsverpflichtung anzusehen ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Lieferung mit der

91

Bereitstellung in enger Verbundenheit steht und eine separate Betrachtung gem IFRS 15 des-

halb ausgeschlossen ist.

Des Weiteren stellt sich für Energieversorgungsunternehmen die Frage, ob im Rahmen der

Stand-Ready-Obligation zu separierende Leistungsverpflichtungen vorliegen. Innerhalb des

vertraglich vereinbarten Zeitraums liegen Zeiteinheiten vor, welche grds voneinander abgrenz-

bar wären, da der Kunde von der Inanspruchnahme des Stroms in jeder Zeiteinheit einzeln

profitieren könnte und diese voneinander trennbar wären. Die Menge der Inanspruchnahme

durch den Kunden kann dabei innerhalb der Zeiteinheiten abweichen, jedoch bleibt das Ver-

sprechen bereitzustehen immer dasselbe. Aufgrund dieser Tatsache ist die Series-Guidance

gem IFRS 15.22 (b) iVm IFRS 15.23 anzuwenden. Da die abgrenzbaren Leistungsverspre-

chen gleich sind und die Übertragung auf den Kunden nach demselben Muster erfolgt, ist die

Stand-Ready-Obligation als eine einzige Leistungsverpflichtung zu bilanzieren.

Das Leistungsversprechen eines B2B-Stromliefervertrags liegt hingegen in der tatsächlichen

Lieferung von Strom, da eine fixe Liefermenge über einen bestimmten Lieferzeitraum festge-

legt wird. Grundsätzlich könnte dabei jede gelieferte Stromeinheit (kWh, MWh, …) als eigen-

ständige Leistungsverpflichtung bilanziert werden. Hier müssen Energieversorger jedoch

ebenfalls die Vereinfachung des IFRS 15.22 (b) iVm IFRS 15.23 (Series-Guidance) berück-

sichtigen. Obwohl die einzelnen Stromeinheiten nach IFRS 15.27 voneinander abgrenzbar

sind, ist die Stromlieferung innerhalb des Vertrags als ein einziges Leistungsversprechen zu

bilanzieren, da die grds abgrenzbaren Leistungsverpflichtungen im Wesentlichen gleich sind

und nach demselben Muster auf den Kunden übertragen werden.

IFRS 15.31-45, Regelungen hinsichtlich der Erlösrealisierung

Gerade die Frage der Vorgehensweise der Umsatzrealisierung birgt einige Herausforderun-

gen für Energieversorgungsunternehmen. Ob der Umsatz eines Stromliefervertrags zeitpunkt-

oder zeitraumbezogen zu realisieren ist, ist unter Berücksichtigung des IFRS 15.35 (a) schnell

geklärt. Wie im Kapitel 4.2.1.4 erwähnt, sieht der Paragraph 35 (a) eine zeitraumbezogene

Umsatzrealisierung aus einer Leistungsverpflichtung vor, wenn dem Kunden der Nutzen aus

der Leistung zufließt und er diese Leistung während ihrer Erbringung zeitgleich nutzt. Die Re-

alisierung von Erlösen aus einem Stromliefervertrag erfüllt diese Kriterien, weshalb eine zeit-

raumbezogene Realisierung vorzunehmen ist.

Hierbei gilt es für Energieversorgungsunternehmen festzulegen, wie die Messung des Leis-

tungsfortschritts vorzunehmen ist. Die Leistung einer Stromlieferung lässt sich hierbei an den

bereits geleisteten Einheiten messen, weshalb sich eine outputbasierte Methode gem IFRS

15.41 iVm IFRS 15.B15-B17 eignet. In diesem Zusammenhang ist für Energieversorgungsun-

ternehmen vor allem die Right-to-Invoice-Regelung gem IFRS 15.B16 von Relevanz und damit

92

auf ihre Anwendung hin zu überprüfen.

IFRS 15.B16, Right-to-Invoice-Regelung

Die praktische Erleichterung des IFRS 15.B16 ermöglicht es einem Unternehmen, den für eine

Leistung in Rechnung gestellten Betrag als Umsatz zu realisieren. Voraussetzung hierfür ist,

dass der in Rechnung gestellte Betrag direkt dem Wert des Kunden entspricht. Er muss dem-

nach wertmäßig der erbrachten und übertragenen Leistung entsprechen.

Wie die Analyse des vierten Kapitels zeigt, ist es Energieversorgungsunternehmen sowohl im

Rahmen klassischer B2C- als auch B2B-Stromlieferverträge möglich, die Right-to-Invoice-Er-

leichterung anzuwenden. Damit umgehen Energieversorger vor allem die komplexen Vor-

schriften des dritten sowie vierten Schrittes des Fünf-Schritte Modells. Aus Sicht der Energie-

versorgungsunternehmen ist der IFRS 15.B16 mE gerade bei B2C-Stromlieferverträgen als

eine erhebliche Vereinfachung zu begrüßen, da vor allem die Transaktionspreisbestimmung

innerhalb derartiger Verträge von hoher Komplexität gezeichnet wäre.197 Anzumerken ist hier-

bei, dass die Einhebung monatlicher Teilzahlungsraten eine Anwendung der Right-to-Invoice-

Erleichterung nicht verhindert. Im Zuge der finalen Abrechnung einer Lieferperiode (für ge-

wöhnlich ein Jahr) ist eine Erlöskorrektur durchzuführen. Somit wird sichergestellt, dass der

erfasste Umsatz dem tatsächlichen Wert des Kunden entspricht. Für Stromlieferverträge, de-

ren Abrechnungsstichtag nicht auf den 31.12. fällt, wird seitens der Energieversorgungs-un-

ternehmen eine akkurate Hochrechnung vorgenommen und der geschätzte Umsatz abge-

grenzt. Die Abweichungen der Abgrenzung sind dabei derart marginal, dass sie als unwesent-

lich anzusehen sind. Die Umsatzrealisierung gem dieser Methode entspricht der bisherigen

Erlöserfassung unter IAS 18 und es kommt bei Anwendung des IFRS 15 zu keinen Verände-

rungen.

Diese Regelung kommt auch im Zuge der Erlösrealisierung aus B2B-Stromlieferverträgen zur

Anwendung, da Energieversorger aufgrund der registrierenden Leistungsmessung, welche bei

Stromlieferungen an Industriekunden zur Anwendung kommt, die tatsächlich erbrachte Leis-

tung in Rechnung stellen können. Etwaige jährliche Preisänderungen verhindern die Anwen-

dung dieser Regelung nicht, da der Wert des Kunden vom Marktpreis abhängig ist.

IFRS 15.18-21, Regelungen hinsichtlich etwaiger Vertragsänderungen

Neben dem tatsächlichen Umsatzrealisationsprozess und der folgerichtigen Anwendung des

Fünf-Schritte Modells, sind auch die Regelungen hinsichtlich der Vertragsänderungen von ho-

her Relevanz für Energieversorgungsunternehmen. Derartige Vertragsanpassungen fallen im

197Zur Problematik der Transaktionspreisbestimmung eines B2C-Stromliefervertrags siehe Kapitel 4.2.1.3 sowie entsprechende Unterkapitel.

93

Geschäftsalltag der Energiebranche regelmäßig an. So enthalten Stromlieferverträge nicht im-

mer einen fixierten Preis pro Einheit, sondern es kann bspw zu monatlichen Preisanpassungen

an den Marktpreis kommen. Ein anderes Beispiel in Bezug auf Stromlieferverträge wäre eine

eventuelle Anpassung des Bezugszeitraums iVm einer Preisanpassung, also eine sogenannte

Blend-and-Extend-Modifikation.

Für Energieversorgungsunternehmen stellt sich unter Anwendung des IFRS 15 die Frage, wie

derartige Vertragsänderungen zu bilanzieren sind. In den Paragraphen 18 bis 21 definiert der

IFRS 15 den Begriff der Vertragsänderung und zählt die Möglichkeiten der damit verbundenen

Bilanzierung auf. Eine Vertragsänderung kann gem IFRS 15.20 als separater Vertrag oder

gem IFRS 15.21 als Beendigung des bestehenden und Begründung eines neuen Vertrags

oder als Bestandteil eines bestehenden Vertrags bilanziert werden. Flexible Preisanpassun-

gen sind in diesem Zusammenhang als Bestandteil eines bestehenden Vertrags zu bilanzie-

ren, wohingegen Blend-and-Extend-Modifikationen als Beendigung des bestehenden und Be-

gründung eines neuen Vertrags zu behandeln sind. Die korrekte bilanzielle Behandlung kann

Energieversorgungsunternehmen durchaus vor Herausforderungen stellen, da sie je nach

Leistungsverpflichtung(en) variiert.

Im Ergebnis kann demnach festgehalten werden, dass die Anwendung des IFRS 15 auf

Stromlieferverträge mit Privat- aber auch Industriekunden grds zu keinen Änderungen im Um-

satzrealisierungsprozess führt.198 Zurückzuführen ist dies im Besonderen auf die praktische

Erleichterung des IFRS 15.B16, welche es den Energieversorgungsunternehmen erlaubt, den

in Rechnung gestellten Betrag zu realisieren. Aus Sicht der Energieversorgungsunternehmen

ist dieser Schritt jedenfalls zu begrüßen, da diese mE vor allem im Rahmen der Umsatzreali-

sierung aus B2C-Stromlieferverträgen unter starrer Anwendung des Fünf-Schritte Modells mit

erheblichen Ermessensentscheidungen konfrontiert wären. Im Besonderen die Ermittlung des

Transaktionspreises wäre trotz der sehr genauen Schätzungen des jährlichen Verbrauchs mit

hoher Unsicherheit behaftet. Grund hierfür sind der faktisch unbegrenzte Lieferzeitraum und

die variablen Abnahmemenge wodurch eine ausreichende Schätzung mMn nur für die Dauer

einer Bilanzierungsperiode möglich wäre. Durch die Möglichkeit, den tatsächlich in Rechnung

gestellten Betrag als Umsatz zu realisieren, werden der dritte und auch vierte Schritt des neuen

Erlöserfassungsmodells jedoch umgangen und der Prozess der Umsatzrealisierung damit ent-

schieden vereinfacht. Diese Vorgehensweise entspricht zudem dem Umsatzrealisierungs-

schemas, welches unter IAS 18 zur Anwendung gekommen ist.

Doch auch außerhalb der Materie der Stromlieferverträge sehen sich Energieversorgungsun-

ternehmen mit Anwendungsfragen des neuen Standards konfrontiert. Der thematische Exkurs

198Siehe hierzu auch die Anhangangaben der großen Energieversorgungsunternehmen in den jeweili-gen Quartals- bzw Halbjahresberichten (bspw Verbund, Rewe oder Vattenfall).

94

hinsichtlich der Schnittstellen des IFRS 15 mit dem IFRS 9 bzw IFRS 16 zeigt bspw auf, dass

aufgrund von Überschneidungen der unterschiedlichen Standards weiterer Diskussionsbedarf

innerhalb des Energiesektors gegeben ist. Das Zusammenspiel des IFRS 15 mit den neu in

Kraft getretenen bzw in Kraft tretenden Rechnungslegungsstandards offenbart, dass trotz des

Detaillierungsgrads der Regelungen gewisse Ermessens- bzw Interpretationsspielräume un-

umgänglich sind bzw sein werden. Hierbei sollten Energieversorgungsunternehmen jedenfalls

die Ergebnisse brancheninterner Diskussionen als mögliche Hilfestellung in Betracht ziehen.

Zudem ist es fraglich, ob eventuelle Klarstellungen seitens der Standardsetter veröffentlicht

werden. In Verbindung mit künftig in der Fachliteratur veröffentlichten Beiträgen, welche sich

auf derartige Sachverhalte fokussieren, könnten diese wichtige Hinweise zur Bilanzierung der

aufgeworfenen Fragestellungen liefern.

Da der Schwerpunkt im Rahmen dieser Masterarbeit lediglich auf die Umsatzrealisierung aus

klassischen Stromlieferverträgen mit Endkunden und den thematischen Exkurs der Schnitt-

stellenproblematik des IFRS 15 zu anderen Standards gelegt wurde, bleibt eine Vielzahl an

Fragen iZm den Auswirkungen des IFRS 15 innerhalb der Energiebranche offen. Der Umgang

mit dem „Breakage“ aus Take-or-Pay-Vereinbarungen, die Realisierung von Umsätzen aus

Zertifikaten für erneuerbare Energien oder die Thematik des Prinzipal-Agenten-Konzepts iZm

Netznutzungsentgelten etwa bleiben ungeklärt und bieten Raum für weitere Untersuchungen.

Aufgrund dieses Umstandes und der Tatsache, dass die vollen Auswirkungen des ersten An-

wendungsjahres des IFRS 15 in den Jahresabschlüssen per 31.12.2018 ersichtlich sein wer-

den, ist innerhalb der Fachliteratur in naher Zukunft mit den bisher ausgebliebenen, detaillier-

ten branchenspezifischen Analysen der bilanziellen Folgen des IFRS 15 zu rechnen. Es bleibt

zudem abzuwarten, mit welchem Umfang an Anwendungsfragen sich die Bilanzierungspraxis

im Zuge der Umstellung der Erlöserfassung und der Erstanwendung des neuen Fünf-Schritte

Modells zu Beginn konfrontiert sah bzw gegenwärtig sieht und wie derartigen Ermessensspiel-

räumen begegnet wurde bzw wird. Hierbei ist – gerade im Hinblick auf die als Ziel verfolgte

Vergleichbarkeit der (brancheninternen) Jahresabschlüsse – mit Interesse zu verfolgen, ob

Unternehmen einen einheitlichen Ansatz zur Begegnung dieser Interpretationsspielräume an-

wenden oder ob unterschiedliche Lösungsansätze zum Einsatz gelangen.

95

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