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»AUS DEM FELS DER VERZWEIFLUNG EINEN STEIN
DER HOFFNUNG HAUEN«
MARTIN LUTHER KING
UND DIE DDR
»AUS DEM FELS DER VERZWEIFLUNG EINEN STEIN
DER HOFFNUNG HAUEN«
MARTIN LUTHER KING
UND DIE DDR
EINE AUSSTELLUNG des Martin-Luther-King-Zentrums für Gewaltfreiheit und Zivilcourage e.V. Werdau
EINE AUSSTELLUNG des Martin-Luther-King-Zentrums für Gewaltfreiheit und Zivilcourage e.V. Werdau
Biografie »Martin LutherKing – Stationen auf demWege – Berichte und Selbst zeugnisse« aus derEvangelischen Verlags-anstalt (1968).
Zwei der Filmrollen, die 1987 unterabenteuerlichen Umständen in dieDDR gebracht werden konnten.
In den Kirchen wurden Kings Ideen
und Kampf oftmals auf Feindes liebe
und Märtyrertum reduziert. Dennoch
spielte in Kirchgemeinden und
Friedensgruppen unter kirchlichem
Dach das Gedankengut des gewalt-
freien Widerstands und die emanzi-
patorischen Ideen eine große Rolle.
Am 9. Oktober 1989, der die Friedliche
Revolution entschied, bezog sich die
Predigt in der Reformierten Kirche
Leipzig vor Tausenden Besuchern
ausdrücklich auf King. Er habe »den
Menschen unserer Zeit gezeigt, dass
durch Gewaltlosigkeit etwas grund-
sätzlich verändert werden kann«.
Das während des Busboykotts von
Montgomery 1955/1956 erwachte
Selbstbewusstsein der Schwarzen
wurde mit dem »Erwachsenwerden«
der Menschen in der DDR 1989 vergli-
chen. Dann wurde – vor Beginn der
Großdemonstration – der Aufruf »Keine
Gewalt« der »Leipziger Sechs« verlesen.
Während der Friedlichen Revolution1989 in Magdeburg, als niemand Ahnunghatte, wie man eine Massendemo organi-siert, kam dies dem Jugendpfarrer zu: »Du kennst wenigstens die Theorie - duhast Martin Luther King, Johan Galtungund Theodor Ebert gelesen!«Foto: Roland Schödl
»Die gewaltfreie Massenaktion wird auch
in Zukunft eine der zweckmäßigsten Taktiken
der Freiheitsbewegung sein ...
Ich rate euch, eure Pläne so groß werden zu lassen, dass
sie weder von den Ketten der Zeit noch von den Fesseln
des Raumes umschlossen werden können.«
»MARTIN LUTHER KING UND DIE DDR«
Die Stasi befürchtete, dass
durch den großen King-
Dokumentarfilm »… dann war
mein Leben nicht umsonst«
der DDR-Bevölkerung gezeigt
werde, »wie man Widerstand
organisiert und auch durch-
hält«. Trotzdem verhinderte der
SED-Geheimdienst nicht, dass
der Film in Kirchgemeinden
und Friedensgruppen gezeigt
wurde und etwa 20.000
Zuschauer erreichte.
Das 100-seitige philatelistische Expo -
nat »Martin Luther King – gewaltloser
Kampf gegen Unterdrückung und
Krieg« wurde auf nationalen Aus -
stellungen gezeigt, nach Wolgograd
sowie zu Weltausstel lungen in Poznan
und Prag delegiert. Dann verhinderte
die Stasi, das Exponat in der
Bundesrepublik Deutschland
auszustellen und konstruierte aus
dem Vorhaben den Straftat -
bestand »Ungesetzliche
Verbindungs aufnahme«.
Der Rat des Kreises genehmigte zur DDR-Erstauf -führung des King-Dokumentarfilms 1987 ein Plakat.
Kuba war der einzige sozialistische Staat, der King postalisch würdigte (1968).
Stadt Werdau
Gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur,
der Evangelischen Kirche Deutschlands, der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Sachsens, dem Sächsischen Landesbeauftragten
für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR,
dem Landkreis Zwickau und der Stadt Werdau.
Martin-Luther-King-Zentrum e.V.Stadtgutstraße 23 | 08412 Werdau | Tel.: 03761 760284
www.martin-luther-king-zentrum.de | [email protected]
Titelbild: Martin Luther King am 13. September 1964 in der Ost-Berliner Marienkirche.
Foto: Siegfried Krüger | Realisierung: www.oe-grafik.de
// In vielen Bereichen der DDR-Gesellschaft lassen sich Spuren Martin
Luther Kings, seines Gedankengutes des gewaltfreien Widerstandes,
der gewaltfreien Konfliktlösung und der von ihm geführten Aktionen
der US-Bürgerrechtsbewegung finden. Diese Ideen und dieses Vorbild
inspirierten Menschen in der Friedens- und Bürgerbewegung bis hin
zur Friedlichen Revolution.
Vom SED-Zentralorgan »Neues
Deutschland«, vom VII. Parteitag der
SED, über die CDU bis in Kirchen,
Friedens- und Oppositionsgruppen
wurde King rezipiert und kommuniziert.
Das konnte auch im Hinblick auf den
gewaltfreien politischen Umbruch im
Herbst 1989 nicht ohne Wirkung blei-
ben. Im Umgang mit Martin Luther
King zeigte sich der SED-Staat voller
Widersprüche und inkonsequent.
King wurde in der offiziellen Presse
hochgelobt - seine Gewaltlosigkeit
jedoch abgewertet, intern der gewalt-
freie Widerstand für die DDR als
»gesellschaftsgefährlich und subversiv«
eingeschätzt.
Die CDU hofierte King und verlegte
Bücher von ihm und über ihn, die
Oppositionellen als Lektüre dienten.
Aber als angepasste Blockpartei
vertrat sie im Staat eine Linie, die
diesem Geist nicht entsprach.
»MARTIN LUTHER KING UND DIE DDR«
»Zu beiden Seiten der Mauer
leben Kinder Gottes, und
keine von Menschenhand
errichtete Grenze kann diese
Tatsache auslöschen ...
Durch die Kraft und Gewalt
des lebendigen Gottes sind
wir in diesem Glauben
unterwegs. In diesem
Glauben haben wir immer
einen Weg gefunden, wo kein
Weg zu sein schien.
Mit diesem Glauben
können wir aus dem Fels
der Verzweiflung einen Stein
der Hoffnung hauen.«
Namensgebung durch den Friedensrat an einePolytechnische Oberschule1989 (ND 10.01.1989).
King-Primärliteratur, dieseit 1965 im UNION Verlagder CDU erschien.
King-Biografie des sowjetischen Iswestja-Korrespondenten in Washington aus dem VEBDeutschen Verlag der Wissenschaften (1972).
King im Gespräch mit afrikanischenStudenten der Humboldt-Universität 1964 in Ost-Berlin. Foto: Siegfried Krüger
Grafik von Matthias Klemm mit der Bildunterschrift»Leb wohl, Luther King, Schwarze Sonne, die du jetzt amHimmel leuchtest. Dir wird jeder Mensch folgen, derDurst hat nach Gerechtigkeit und nach der Freiheit fragt«.
Zwei Meter hohe Kohlezeichnung von Horst Räcke, die er unmittelbar nach Kings Ermor dung schuf.
Kunstwerke: Kunstsammlung Martin-Luther-King-Zentrum e.V.
Grafik zur kirchlichen Jahres losung 1984 von Matthias Klemm.
Weder Presse noch Rundfunk kündigten
im September 1964 Kings Besuch in
Ost-Berlin an. Und doch konnte er
ungehindert vor 3.000 DDR-Bürgern
sprechen, nachdem die DDR-Grenzer ihn
ohne Pass und Visum am Checkpoint
Charlie die Mauer passieren ließen.